120 94 41MB
German Pages 410 Year 2001
Beiträge zum Parlamentsrecht
Band 51
Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung Von
Sandra Hansmeyer
Duncker & Humblot · Berlin
SANDRA HANSMEYER
Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung
Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von Ulrich Karpen, Heinrich Oberreuter, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang Heyde, Joachim Linck Georg-Berndt Oschatz, Hans-Peter Schneider UweThaysen
Band 51
Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung Von
Sandra Hansmeyer
Duncker & Humblot . Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hansmeyer, Sandra: Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung / Sandra Hansmeyer. Berlin : Duncker und Humblot, 200 I (Beiträge zum Parlamentsrecht ; Bd. 51) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10092-1
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 2001 Duncker &
ISSN 0720-6674 ISBN 3-428-10092-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706@
in memoriam Meinem Vater Gerd Henkenötter
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1999/2000 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis November 1999 beriicksichtigt werden, vereinzelt auch dariiber hinaus. Meinen aufrichtigen Dank möchte ich, vor allen anderen, meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Friedrich E. Schnapp aussprechen. Von ihm erhielt ich ein Höchstmaß an akademischer Freiheit, verbunden mit steter Gesprächsbereitschaft und unschätzbar wertvollen wissenschaftlichen Anregungen. Die hervorragende Betreuung der Dissertation und die guten Bedingungen, unter denen ich während der letzten Jahre an seinem Lehrstuhl arbeiten konnte, haben ganz maßgeblich zum Gelingen der Arbeit beigetragen und auch im übrigen meinen juristischen Werdegang nachhaltig geprägt. Herrn Prof. Dr. Thomas von Danwitz bin ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für seine konstruktiven Hinweise dankbar. Schließlich sei all jenen gedankt, die durch ihre bereitwillige Unterstiitzung zum Entstehen der Arbeit beigetragen haben. Sehr verbunden bin ich dabei Dr. iur. Hermann Butzer für viele wissenschaftliche wie praktische Tips schon seit den ersten Tagen, in denen die Idee für das Dissertationsprojekt entstand. Meinen Gesprächspartnern in der Verwaltung des Deutschen Bundestages bin ich für vielfältige hilfreiche Informationen aus der Praxis dankbar. Der Begabtenförderung der Friedrich-Naumann-Stiftung gebührt mein Dank für die großzügige Unterstützung des Dissertationsvorhabens. Schließlich geht mein herzlicher Dank an meine Familie, an meinen Mann Jörg Hansmeyer und an meine Mutter Hannelore Henkenötter, die mir stets mit Rat, Tat und dem notwendigen Quentehen an Zuspruch zur Seite standen. Meinem geliebten Vater Gerd Henkenötter ist die Arbeit gewidmet, deren Fertigstellung er nicht mehr erleben durfte. Dortmund, im Februar 2000
Sandra Hansmeyer
Inhaltsübersicht Erstes Kapitel
Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung
28
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung auf der Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
I. Einleitung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ...................
28
11. Die These vorn Demokratiedefizit der europäischen Rechtsetzung ..............
32
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung nach dem EG-Vertrag ....................................................................
63
I. Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments .... . .......... . .......... . .......
63
11. Sonstige parlamentarische Zuständigkeiten auf der europäischen Ebene. . . . . . . . .
96
IlI. Ergebnis und Thesen ...........................................................
99
Zweites Kapitel
Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung
103
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union.................................................. 103 I. Methodischer Ansatz ........................................................... 103
11. Die deutsche Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung als eigenständiger Unterfall der Staatsgewalt? .....................................................
111
10
Inhaltsübersicht 111. Die Funktion des Bundestages im Bereich der "europawärtigen" Gewalt ........ 132 IV. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" mit dem Kernbestand der Funktionenordnung des Grundgesetzes ............................... 142 V. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" und des demokratischen Parlamentsvorbehalts mit dem Kernbestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes..............................................................
153
VI. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" und des demokratischen Parlamentsvorbehalts mit dem Kernbestand des rechtsstaatIichen Prinzips des Grundgesetzes .............................................................. 172
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung und ihre Auslegung
183
I. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen ...................... 183 11. Parlamentsrechtliche Regelungen............................................... 187 111. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO 11) ............... 207 IV. Einzelfragen der Auslegung .................................................... 211
Drittes Kapitel
Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Deutschen Bundestag
238
A. Regierungsinterne Willensbildung und Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Europäischen Union ............................................................ 238 I. Einleitung ...................................................................... 238 11. Bedeutung des Kanzlerprinzips bei der Behandlung von EG-Vorlagen .......... 240 111. Die ressortmäßige Behandlung von EG-Vorlagen ............................... 244 IV. Hinreichende Beachtung des Kabinettsprinzips bei der Behandlung von EG-Vorlagen? .......................................................................... 259
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Europäischen Union ................................................................ 273 I. Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union ................ 273
Inhaltsübersicht
11
11. Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen ................................. 286 III. Plenarersetzende Stellungnahmen gern. Art. 45 Satz 2 GG .............. . . . . . ... 304 IV. Abschließende Bemerkung ..................................................... 351
Viertes Kapitel
Zusammenfassung und Thesen
353
Anhang ................. .............................................................. 360
Inhaltsverzeichnis Einleitung
25
Erstes Kapitel
Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung
28
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung auf der Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
I. Einleitung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes ...................
28
11. Die These vom Demokratiedefizit der europäischen Rechtsetzung ..............
32
1. Ausgangsbefund - MaBstabsqualität eines Typus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
2. Eignung des Europäischen Parlaments zur Vermittlung demokratischer Legitimation .....................................................................
38
3. Eignung des Rates zur Vermittlung demokratischer Legitimation.............
41
a) Die politische Leitungsebene .............................................
41
b) Der Ausschuß der Ständigen Vertreter ....................................
47
4. Die Legislative im institutionellen Gleichgewicht der Union ............... . .
50
a) Das europäische Gewaltenteilungsmodell des EG-Vertrages. . . . . . . . . . . . . . .
50
b) Auslegung des Art. 10 EGV .............. . . . . . ..................... . . . ...
53
c) Interinstitutionelle Vereinbarungen .......................................
56
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung nach dem EG-Vertrag ....................................................................
63
I. Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments ..................................
63
1. Hausha1ts- und Kontrollbefugnisse ...........................................
63
2. Beteiligung am Rechtsetzungsverfahren .....................................
66
a) Rechtsetzungsinitiative ...................................................
66
Inhaltsverzeichnis
13
b) Grundsatz des Art. 192 Abs. 1 EGV ......................................
69
c) Anhörung ..................... . ......................... . .......... . . . . . .
71
aa) Fakultative Anhörung................................................
71
bb) Obligatorische Anhörung ............................................
72
d) Verfahren der Zusammenarbeit gern. Art. 252 EGV .......................
75
e) Verfahren der Mitentscheidung gern. Art. 251 EGV .......................
78
aa) Anwendungsbereich ............................................... . .
78
bb) Erste Lesung im EP - Konsultation ..................................
80
cc) Zweite Lesung im EP - Behandlung des Gemeinsamen Standpunktes
81
(1) Billigung des Gemeinsamen Standpunktes.......................
81
(2) Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes .....................
82
(3) Abänderung des Gemeinsamen Standpunktes ....................
84
dd) Beschlußfassung im Rat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
(1) Billigung der parlamentarischen Änderungen durch den Rat .....
84
(2) Vermittlungsverfahren bei fehlender Billigung der Änderungen ..
87
(3) Abschaffung der dritten Lesung im EP bei Scheitern des Vermittlungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
ee) Verfahrensbeendigung ...............................................
91
f) Zustimmungsverfahren ...................................................
91
g) Sonderproblem: Beteiligung im sog. KOnlltologieverfahren ...............
92
11. Sonstige parlamentarische Zuständigkeiten auf der europäischen Ebene . . . . . . . . .
96
III. Ergebnis und Thesen ...........................................................
99
Zweites Kapitel
Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung
103
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 I. Methodischer Ansatz ........................................................... 103
1. Grenzen eines inhaltlich-funktionalen Gewaltenteilungsverständnisses ....... 103 2. Funktionsgerechte Organstruktur, organadäquate Aufgabenzuordnung und Verantwortlichkeitszurechnung .............................................. 108
14
Inhaltsverzeichnis 11. Die deutsche Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung als eigenständiger Unterfall der Staatsgewalt? ..................................................... 111 1. Grenzen der Aussagekraft einer dogmatischen Einordnung .... . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Auswärtige und "europawärtige" Angelegenheiten im Vergleich............. 114 a) Außenvertretungsmacht .................................................. 114 aa) Völkerrechtliche Vertretungsmacht ................................... 114 bb) Außenvertretungsmacht im Rahmen der europäischen Sekundärrechtsetzung .............................................................. 116 b) Verbindlichkeit der europäischen Sekundärrechtsetzung ................... 120 3. Verfassungsbindung bei Ausübung der deutschen Beteiligungsrechte ......... 124 a) Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union als Ausübung deutscher Staatsgewalt ....................... 124 b) Reichweite der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung.............. 127 c) Zwischenergebnis .... . ................................................... 132 III. Die Funktion des Bundestages im Bereich der "europawärtigen" Gewalt ........ 132 1. Unzulässigkeit von "Mandatsgesetzen" ...................................... 132
2. Mitwirkung als kooperativer Prozeß zwischen Parlament und Regierung..... 136 IV. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" mit dem Kernbestand der Funktionenordnung des Grundgesetzes ............................... 142 1. Der Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ................................... 142 2. Funktionsgerechte Organstruktur ............................................ 148 3. Verantwortlichkeit........................................................... 150 V. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" und des demokratischen Parlamentsvorbehalts mit dem Kernbestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes.............................................................. 153 1. Einleitung ................................................................... 153
2. Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt .................................. 154 3. Zulässigkeit der handlungsformunabhängigen Betrachtung................... 160 4. Schlichte Parlamentsbeschlüsse .............................................. 161 a) Terminologie und Systematik............................................. 161 b) Schlichte Parlamentsbeschlüsse als Instrument zur Kontrolle exekutivischen Handeins bei der innerstaatlichen Rechtsetzung .................... 164
Inhaltsverzeichnis
15
c) Vergleich mit förmlichen Gesetzen ....................................... 166 aa) Personelle demokratische Legitimation des Organs................... 166 bb) Parlamentarisches Verfahren ......................................... 169 VI. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" und des demokratischen Parlamentsvorbehalts mit dem Kembestand des rechtsstaatlichen Prinzips des Grundgesetzes .............................................................. 172 1. Art. 20 Abs. 3 GG ........................................................... 172 a) Reichweite der Verbindlichkeit schlichter Parlamentsbeschlüsse .......... 172 b) lustiziabilität .............. . .............................................. 177 c) Durchsetzbarkeit ......................................................... 178 2. Grundrechtliche Gesetzesvorbehalte ......................................... 181
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung und ihre Auslegung
183
I. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen ...................... 183 1. Entstehung .................................................................. 183 2. Überblick....................................................................
186
11. Parlamentsrechtliche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Rechtsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Zulässigkeit, Entstehung und Inhalt .......................................... 189 a) §§ 93, 93 a GO-BT ....................................................... 189 b) Grundsätze des Europaausschusses .................... . .................. 191 3. Rechtssatzqualität und Rechtsverbindlichkeit ................................ 193 a) §§ 93, 93 aGO-BT ......................... . ........ . ... . .......... . . . . . . 193 b) Grundsätze des Europaausschusses ....................................... 194 4. Personeller Bindungsumfang - Außenwirkung der Normen .................. 197 a) §§ 93, 93 a GO-BT ....................................................... 197 b) Grundsätze des Europaausschusses .......................... . ............ 201 5. Verhältnis zu förmlichen Gesetzen........................................... 203 a) §§ 93, 93 a GO-BT ....................................................... 203 b) Grundsätze des Europaausschusses ....................................... 206
16
Inhaltsverzeichnis III. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO 11)
207
1. Entstehung und Inhalt .......................... . ........ . . . .......... . . . .... 207 2. Rechtssatzqualität und Rechtsverbindlichkeit
209
IV. Einzelfragen der Auslegung .................................................... 211 1. Die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung gern. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG .......................................................................... 211
a) Unterrichtungszeitpunkt .......................... . ....................... 211 b) Unterrichtungsgegenstand ................................................ 214 aa) § 3 EUZBBG ............... . ........................................ 214 bb) § 4 EUZBBG .... . ............ . ...................................... 216 c) Sonstiges ................................................................. 221 2. Die Mitwirkungsrechte des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 3 GG ............ 222 a) Das Stellungnahmerecht .................................................. 222 aa) Verpflichtung der Bundesregierung .................................. 222 bb) Inhaltliche Grenzen .................................................. 224 cc) Zeitliche Grenzen .................................................... 225 b) Die Berücksichtigungspflicht ............................................. 227 aa) Umfang der Bindungswirkung nach dem Wortlaut.................... 227 bb) Umfang der Bindungswirkung - verfassungssystematische Betrachtung ................................................................. 229 cc) § 5 Satz 3 EUZBBG ................................................. 231 dd) Kollision divergierender Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat ................................................................... 232 c) Zusammenfassende Bewertung der Beteiligungsrechte .................... 234
Drittes Kapitel
Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Deutschen Bundestag
238
A. Regierungsinteme Willens bildung und Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Europäischen Union ............................................................ 238 I. Einleitung ...................................................................... 238
11. Bedeutung des Kanzlerprinzips bei der Behandlung von EG-Vorlagen .......... 240
Inhaltsverzeichnis
17
III. Die ressortmäßige Behandlung von EG-Vorlagen
244
1. Die Entwicklung der Binnenorganisation .................................... 244
2. Die gegenwärtige Binnenorganisation im Überblick............. . ............ 247 a) Ministerielle Zuständigkeiten. . . . .. . . . . . . .. . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 247 b) Interministerielle Kooperation ............................................ 251 3. Das Verfahren zur Beteiligung des Parlaments ............................... 254 IV. Hinreichende Beachtung des Kabinettsprinzips bei der Behandlung von EG-Vorlagen? .......................................................................... 259 1. Geringe Beachtung in der Regierungspraxis . .. . . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . .. 259
2. Keine ausschließliche Maßstäblichkeit von Art. 65 GG ...................... 261 3. Anforderungen des Art. 23 Abs. 2, 3 GG ..................................... 265 a) Vergleich mit anderen verfassungsrechtlichen Kabinettsagenden .......... 265 b) Intention des Art. 23 Abs. 2, 3 GG ........................................ 270 B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Europäischen Union ................................................................ 273 I. Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union ................ 273
1. Die Entwicklung der institutionellen Binnenstruktur - vom Integrationsältestenrat zum EG-Ausschuß - ................................................. 273 2. Institutionalisierung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union ................................................................ 278 a) Erstmalige Einsetzung des Ausschusses in der 13. Wahlperiode........... 278 b) Verfassungsrechtliche Verankerung und Selbstorganisationsrecht des Bundestages .................................................................. 279 aa) Strikte Vorgabe hinsichtlich des "ob" der Einrichtung ................ 279 bb) Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Modalitäten ................... 281 3. Aufgaben des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union nach der Geschäftsordnung und in der Praxis. .. . . . . . . . . . .. .. . . . . .. . . . . . . . . . .. 284 11. Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen ................................. 286 1. Historische Entwicklung .............................................. . . . . . .. 286
2. Behandlung von Unionsvorlagen gern. §§ 93, 93 a GO-BT ........ . . . ........ 292 a) Begriff der Unionsvorlagen und Unionsdokumente ....................... 292 b) Koordinierung durch das Europabüro ............ .. ....................... 294 2 Hansmeyer
18
Inhaltsverzeichnis c) Überweisungsvorschlagsrecht des Vorsitzenden ........................... 295 d) Förmliche Überweisung an die Ausschüsse und Selbstbefassungsrecht .... 297 e) Beratungen im Ausschuß ................................................. 298 f) Abschließende Behandlung im Plenum ................................... 299
g) Haushaltsrechtliche Behandlung von Unionsvorlagen ..................... 300 III. Plenarersetzende Stellungnahmen gern. Art. 45 Satz 2 GG ...................... 304 1. Inhalt der Delegationsermächtigung ......................................... 304 2. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Delegationsermächtigung ...... . ..... 306 a) Problemstellung .......................................................... 306 b) Der repräsentative Status der Abgeordneten im Spannungsverhältnis zur Funktionsfähigkeit des Bundestages ...................................... 307 c) Besondere Problematik von Ausschüssen mit Beschlußfunktionen ........ 309 d) Die Möglichkeit der Delegation auf den Europaausschuß ................. 311 aa) Keine Unzulässigkeit trotz Wesentlichkeit der Beteiligungsrechte .... 311 bb) Keine Unzulässigkeit trotz offener Formulierung des Art. 45 Satz 2 GG .................................................................. 313 3. Vereinbarkeit der geschäftsordnungsmäßigen Ausgestaltung mit den Statusrechten der Abgeordneten .................................................... 314 a) Besetzung................................................................ 314 aa) Personelle Zusammensetzung nach der GO-BT und in der Praxis..... 314 bb) Mitglieder des Europäischen Parlaments ............................. 316 cc) Rechtmäßigkeit der Besetzung mit ordentlichen Mitgliedern gern. § 57 Abs. 2 GO-BT? ...................................................... 318 (1) Wortlaut ......................................................... 318 (2) Historie ..... .. ........................... .. ..................... 319 (3) Systematik ...................................................... 321 b) Einzelfallermächtigung und begrenzte Generalermächtigung - nach der Geschäftsordnung und in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 325 aa) Sonderrechte des Europaausschusses als Resultat der Diskussion um denkbare Delegationsmodelle: Sondersitzungsbefugnis, Urnlaufverfahren der Fachausschüsse ........................................... 325 bb) Einzelfallermächtigung durch Plenarbeschluß ........................ 327 cc) Begrenzte Generalermächtigung unter Widerspruchsvorbehalt der Fachausschüsse ...................................................... 329 (l) Eilbedürftiger Fall ............................................... 329
(2) Vereinbarkeit mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ...................... 331 (3) Sonderproblem: Statusrechte fraktionsloser Abgeordneter........ 332
Inhaltsverzeichnis
19
4. Öffentlichkeit des Ausschusses .............................................. 335 5. Bewährung des Stellungnahmerechts aus § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT in der Praxis und rechtliche Würdigung ............................................ 339 a) Befund der fehlenden Praxisrelevanz und ihre Ursachen .................. 339 b) Praktische Bedeutung und rechtliche Wirkung am Beispiel der ersten plenarersetzenden Stellungnahme............................................ 341 c) Rechtliche Zulässigkeit der Übernahme von Fachausschußvoten .......... 344 d) Stimmverhalten im Ausschuß als Ausprägung des parlamentarischen Regierungssystems .......................................................... 346 e) Keine Notwendigkeit wortidentischer Stellungnahmen.................... 349 IV. Abschließende Bemerkung ..................................................... 351
Viertes Kapitel
Zusammenfassung und Thesen
353
Anhang
360
Anhang I:
Schaubild: Das Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen im Deutschen Bundestag - Regelverfahren I De1egationsverfahren ............... 361
Anhang 11:
Übersicht: Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Personelle Zusammensetzung im 13. und 14. Deutschen Bundestag ..... 363
Anhang III:
Verfahrensgrundsätze des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union vom 25. Oktober 1995 ................................ 369
Anhang IV:
Protokoll zum Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1998 über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der EU ........................ 375
Anhang V:
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (Besonderer Teil, GGO 11) ................................................................ 377
Literaturverzeichnis ..... . ... . ........................................................ 384 Sachwortregister ..................................................................... 406 2*
Abkürzungsverzeichnis a.A. AA
a. a. O. ABI. Abs. AdR a.F. AfP Anm. AöR Art. AStV Aufl. Az. BayVBI. Bd., Bde. Beil. BENELUX BGBI. BMF BML BMWi BRD BReg. BT BT-Drs. BT-PlPr. Buchst. BullEG BullEU BVerfG
anderer Ansicht Auswärtiges Amt am angegebenen Ort Amtsblatt Absatz Ausschuß der Regionen alte Fassung Archiv für Presserecht Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Ausschuß der Ständigen Vertreter Auflage Aktenzeichen Bayerische Verwaltungsblätter Band, Bände Beilage Belgien, Niederlande, Luxemburg Bundesgesetzblatt Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Bundesministerium für Wirtschaft (und Technologie) Bundesrepublik Deutschland Bundesregierung Bundestag Drucksache des Deutschen Bundestages Stenographische Berichte des Deutschen Bundestages Buchstabe Bulletin der Europäischen Gemeinschaften Bulletin der Europäischen Union Bundesverfassungsgericht
BVerfGE
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, amtliche Sammlung
BVerwG BVerwGE
Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, amtliche Sammlung
bzgl.
bezüglich
bzw.
beziehungsweise
Abkürzungsverzeichnis ca.
circa
CMLR COREPER
Cornrnon Market Law Review Cornite des Representants Permanents des Etats Membres; Ausschuß der Ständigen Vertreter
ders.
derselbe
d. h.
das heißt dieselbe(n)
dies. Diss. Dok.
Dissertation Dokument
DÖV
Die Öffentliche Verwaltung
DRiZ DVBI.
Deutsche Richterzeitung Deutsches Verwaltungsblatt
EA
Europa-Archiv Europäische Atomgemeinschaft
EAG EAGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft
Ed.
Edition
21
EEA
Einheitliche Europäische Akte
EFfA
European Free Trade Association; Europäische Freihandelsassoziation
EG
Europäische Gemeinschaft(en)
EGKS
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGKSV
Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGV
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft
EJIL
European Journal of International Law
endg.
endgültig
EP
Europäisches Parlament
EPZ
Europäische Politische Zusammenarbeit
ESZB
Europäisches System der Zentralbanken
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EuG EuGH
EuGRZ
Gericht erster Instanz Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, Amtliche Sammlung Europäische Grundrechtszeitschrift
EuR
Europarecht
EURATOM
Europäische Atomgemeinschaft
EURO POL
Europäische Polizeibehörde
EuGHE
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
e.V.
eingetragener Verein
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
22
Abkürzungsverzeichnis
EWGV
Vertrag über die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft
EWS EZB f., ff.
Europäisches Währungssystem Europäische Zentralbank folgend(e)
Fußn.
Fußnote
GAP GASP GG
Gemeinsame Agrarpolitik Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik Grundgesetz
GGO
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
ggf. GO GO-BR GO-BReg GO-BT GO-GA GVBI. GVK GVK-StenBer. habil. HdbdStR h.M. Hrsg. i.d.F. Ld.R. Le.S. insbes. i. S. d. i.S.v. i.Y.m. i.w.S. JA JMCS JRP
Jura JuS JZ Kap.
KMU KOM
gegebenenfalls Geschäftsordnung Geschäftsordnung des Bundesrates Geschäftsordnung der Bundesregierung Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages Geschäftsordnung für den Gemeinsamen Ausschuß Gesetz- und Verordnungsblatt Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat Stenographische Berichte der Sitzungen der GVK Habilitation, Habilitationsschrift Handbuch des Staatsrechts herrschende Meinung Herausgeber in der Fassung in der Regel im engeren Sinne insbesondere im Sinne des, der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Juristische Arbeitsblätter Journal of Common Market Studies Journal für Rechtspolitik Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kleine und mittlere Unternehmen
KritV
Dokumente der Kommission der Europäischen Gemeinschaften Kritische Vierteljahresschrift
lit. MdB
litera; Buchstabe Mitglied des Deutschen Bundestages
Abkürzungsverzeichnis MdEP MDR
Mitglied des Europäischen Parlaments
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden Mitgliedstaaten North Atlantic Treaty Organization; Nordatlantikpakt
MS NATO
n.P. NGI
Monatsschrift des Deutschen Rechts
neue Fassung Neues Gemeinschaftsinstrument
Nr.
Neue Juristische Wochenschrift Nummer
NuR NVwZ
Natur und Recht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
NJW
NWVBl.
Nordrhein-Westflilische Verwaltungsblätter
o. ÖBGBl. ÖBVG
oben Österreichisches Bundesgesetzblatt Österreichisches Bundes-Verfassungsgesetz
o.g.
oben genannt
OVG
Oberverwaltungsgericht Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen
PJZS Rdnr.
Res. RL
RMSJ Rs. RuP Rz.
s. S. SEK sog. ThürVBl.
Randnummer Resolution Richtlinie Referate und Mitteilungen des Schweizerischen Juristenvereins Rechtssache Recht und Politik Randziffer siehe Seite Dokumente des Generalsekretariats der Kommission der Europäischen Gemeinschaften sogenannt(er) Thüringer Verwaltungsblätter
u. a.
unten unter anderem, und andere
UNO Unterabs. u.s.w.
Unterabsatz und so weiter
u.
23
United Nations Organization; Organisation der Vereinten Nationen
u.U.
unter Umständen
v. Verf.
von Verfasser
VerwArch. vgl.
Verwaltungsarchiv vergleiche
24
Abkürzungsverzeichnis
VO
Verordnung
Vorb.
Vorbemerkung
VSSR VVDStRL
Vierteljahres schrift für Sozialrecht Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer
VwGO VwVfG
Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz
WEU WRP WRV WSA WWU ZaöRV z. B. ZfRV ZG Ziff.
Westeuropäische Union
zn
ZParl. ZRP ZSR z.T.
Wettbewerb in Recht und Praxis Weimarer Reichsverfassung Wirtschafts- und Sozialausschuß Wirtschafts- und Währungsunion Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Gesetzgebung Ziffer Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres Zeitschrift für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für schweizerisches Recht zum Teil
Im übrigen wird verwiesen auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993.
Einleitung "Das Parlament befindet sich in der Rolle eines antiken Chores, der den Hergang der Handlung nur mit hilflosen Gesängen begleiten kann ... ,,1 Solche Einschätzungen reflektieren die Problematik demokratischer Legitimation und Kontrolle öffentlicher Gewalt auf europäischer Ebene, die die wissenschaftliche Diskussion kontinuierlich seit den Debatten über die Ratifizierung des Vertrags über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKSV) bewegt. Aus heutiger europarechtlicher Perspektive steht im Mittelpunkt des Interesses die Stärkung der Aufgaben und Befugnisse des Europäischen Parlamentei, das auf lange Sicht zu dem tragenden Legitimationssubjekt der zukünftigen demokratischen Rechtsordnung werden muß. Bereits auf der Regierungskonferenz von Maastricht war daneben aber eine größere Beteiligung der nationalen Volksvertretungen an Tätigkeiten der Europäischen Union für notwendig erklärt worden. 3 Mit Blick auf die Anforderungen des Grundgesetzes hatte dann das Bundesverfassungsgericht in seiner Maastricht-Entscheidung 4 vom 12. Oktober 1993 die Funktion des Deutschen Bundestages als tragende Säule hervorgehoben. Beim derzeitigen Integrationsstand der Europäischen Union komme - so das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1993 - die entscheidende Rolle im Hinblick auf die Vermittlung demokratischer Legitimation den nationalen Parlamenten zu. Auch der im März 1998 von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte 5 und am 1. Mai 1999 in Kraft getretene Amsterdamer Vertrag 6 hat trotz erheblicher Fortschritte im Bereich supranatio1 Ferdinand, EG-Vorlagen im Plenum, in: Festgabe für Blischke, 1982, S. 145 (163) über das Europäische Parlament. 2 Bericht der Bundesregierung vom 4. April 1997 über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des Europäischen Parlaments im Rahmen der Regierungskonferenz 1996, BT-Drs. 13/7370. s. a. BlankelKuschnick, Bürgernähe und Effizienz als Regulatoren des Widerstreits zwischen Erweiterung und Vertiefung der Europäischen Union, DOV 1997,45 (53 ff.); Hilf, Eine Verfassung für die Europäische Union: Zum Entwurf des Institutionellen Ausschusses des Europäischen Parlaments, Integration 1994,68 (69); Schmuck, Die EU-Regierungskonferenz 1996: Zum Stand der Reformdebatte, Integration 1995,68 (70). 3 BGBI. 1992 11, 1321. 4 BVerfGE 89,155 (184 ff., 191); in diesem Sinn auch BVerfG, NJW 1995,2216. 5 BT-PlPr., 13. WP/222. Sitzung vom 5. März 1998,20240 ff., 20292 (A); Entwurf des Zustimmungsgesetzes der Regierung BT-Drs. 13/9339 vom 3. Dezember 1997; Bericht und Beschlußempfehlung des Europaausschusses BT-Drs. 13/9913 vom 13. Februar 1998. 6 Vorangegangen war die Folgekonferenz der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zur Revision des Maastrichter Vertrages, die im März 1996 eröffnet und im Juni 1997 abgeschlossen worden war. Eine der Zentralaufgaben war die Reform der Institutionen im Hinblick auf bessere Handlungsfähigkeit, Transparenz und Demokratie. Ergebnis war der am
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Einleitung
naler Demokratisierung noch vieles dem Bereich des Visionären überlassen und die Aufgaben der nationalen Parlamente im Bereich der gemeinschaftlichen Rechtsetzung keineswegs entfallen lassen. Die damit aufgeworfene Frage nach der Mitwirkung des Deutschen Bundestages am europäischen Willensbildungsprozeß war zunächst Anfang der 70er Jahre Gegenstand einer rechtswissenschaftlichen monographischen Untersuchung.? Seither wurde nicht nur der supranationale Bereich umgestaltet, vielmehr ist auch die nationale Rechtslandschaft grundlegend verändert: Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in europäischen Angelegenheiten ist im Zuge der Ratifikation des Maastrichter Vertrages auf eine neue rechtliche Grundlage gestellt worden. Die in Art. 23 Abs. 2 und 3, Art. 45 GG verankerten und einfachgesetzlich - im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (EUZBBG)8 - näher ausgeführten neuen Befugnisse erfuhren zu Beginn der 13. Wahlperiode ihre Umsetzung in die Geschäftsordnung des Bundestages. 9 Erste Würdigungen der neuen Rechtslage konzentrierten sich dabei auf rechtsvergleichende Analysen;lO die umfassende Arbeit von Ruth Lang ll beleuchtet Art. 23 GG besonders im Lichte seiner Entstehungsgeschichte und betrachtet dabei vor dem Hintergrund des noch unveränderten EU-Vertrages neben den Rechten des Bundestags besonders die Rechte des Bundesrates. Während die zeitlich friiher etablierten Rechte des Bundesrates lange Zeit im Zentrum der Diskussion standen, hat sich allerdings in jüngster Zeit unter dem Eindruck der ersten praktischen Erfahrungen herauskristallisiert, daß sich mögliche Bruchlinien wider Erwarten weniger zwischen Bund- und Länderebene abgezeichnet haben als vielmehr auf Bundesebene zwischen vollziehender Gewalt und Gesetzgebung. 12 2. Oktober 1997 unterzeichnete Amsterdamer Vertrag, ABI. 1997, Nr. C 340/ 1 ff.; s.a. Erklärung des Bundeskanzlers Schröder vorn 4. Mai 1999 anläßlich des Inkrafttretens, Bulletin des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung Nr. 25/ S. 244 ff. 7 Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973. Unter politikwissenschaftlichen Gesichtspunkten thematisierten Mehl (Die Europa-Kommission des Bundestages, 1987) und Seider (Die Zusammenarbeit von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes und des Deutschen Bundestages und ihr Beitrag zum Abbau des parlamentarischen Defizits in der Europäischen Gemeinschaft, 1990) Teilaspekte des Problems. 8 BGBl. 1993 I, S. 311; Bekanntgabe des Inkrafttretens zum 1. November 1993 vorn 25. Oktober 1993, BGBl. 1993 I. S. 1780. 9 16. Dezember 1994, BGBI. 1995 I, S. 11. 10 Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995. 11 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Artikel 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997. 12 Hofmann/ Meyer-Teschendorf, Der .. Europa-Artikel" 23 GG in der staatlichen Praxis, ZG 1997,81 (86).
Einleitung
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Ziel dieser Arbeit ist es, vor dem europa- und verfassungsrechtlichen Hintergrund Verfahren und Wirkungsweise des neu eingerichteten parlamentarischen Mitwirkungsmechanismus' sowie die damit verbundenen Rechtsprobleme herauszuarbeiten. Ausgangspunkt ist die Frage nach der demokratischen Legitimation der Sekundärrechtsetzung auf Gemeinschaftsebene nach der Reform des EU-Vertrages in Kapitell. Die ausführliche Untersuchung des supranationalen Rechtsetzungsverfahrens dient dabei zwei Zielen. Zum einen soll der beriichtigt komplizierte Prozeß transparenter gemacht werden, zum anderen wird die Basis für eine Würdigung der an dieses Verfahren anknüpfenden und in dieses hineinwirkenden nationalen Beteiligungsrechte geschaffen. Im 2. Kapitel wird die modifizierte verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union untersucht. Dabei ist insbesondere zu klären, ob und inwieweit sich die Konzeption einer "Zuständigkeit zur gesamten Hand,,13 mit der Kompetenz- und Funktionenordnung des Grundgesetzes für den Bereich der europäischen Rechtsetzung vereinbaren läßt. Aufgeworfen ist hierbei insbesondere die Frage nach der Bedeutung parlamentarischer Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG im Rahmen des demokratischen Parlamentsvorbehaltes. In einem weiteren Schritt sind die auf unterschiedlichen rechtlichen Ebenen angesiedelten normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkungsrechte und ihr Zusammenspiel zu interpretieren. Ziel hierbei ist es, den Umfang der Mitwirkungsrechte im Detail zu bestimmen, wie etwa die Reichweite des Informationsanspruchs gegenüber der vollziehenden Gewalt und der Bindungswirkung von Stellungnahmen. Dem 3. Kapitel ist es vorbehalten, zunächst die komplizierten Verfahren der regierungsinternen Willensbildung und ihre Verzahnung mit dem im ersten Kapitel erläuterten - supranationalen Bereich transparent zu machen. Auch hier ergeben sich Fragen betreffend die verfassungsrechtliche Rechtmäßigkeit von Binnenorganisation und -verfahren. Der zweite Abschnitt hat die parlamentarische Praxis in Angelegenheiten der Europäischen Union zum Gegenstand. Schwerpunkt ist hier - angesichts der maßgeblichen Bedeutung der Organisationsform für die Nutzung eines Rechts 14 - der neugeschaffene Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Besondere Beriicksichtigung findet das in Art. 45 Satz 2 GG erstmals verfassungskräftig verankerte Recht eines Bundestagsausschusses, Beschlüsse für das Gesamtorgan zu fassen.
13 So die von Friesenhahn, Parlament und Regierung im modemen Staat, VVDStRL 16 (1958),9 (38), stanunende Fonnel. 14 Leorwrdy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft: Notwendigkeit und Umfeld eines Europa-Ausschusses, ZParl 1989,527 (528). Nach Einschätzung der Vorsitzenden des Europaausschusses in der 12. Wahlperiode, Renate Hellwig, Die Europa-Institutionen des Bundestages und seine großen Europa-Initiativen, in: dies., Der Deutsche Bundestag und Europa, 1993, S. 21 (27), kann mit Hilfe des neuen Europaausschusses erstmals in der Geschichte des Einigungsprozesses zu Recht von einer parlamentarischen Kontrolle der deutschen Regierung gesprochen werden. S. auch den interfraktionellen Entschließungsantrag vom 2. Dezember 1992, BT-Drs. 12/3905, S. 3.
Erstes Kapitel
Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung auf der Gemeinschaftsebene I. Einleitung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Die rechtliche Würdigung nationaler Mitwirkungsbefugnisse und -praktiken, die einen Teilbeitrag zu einem supranationalen Ganzen darstellen, kann und darf sich nicht allein am Maßstab der nationalen Rechtsordnung orientieren. Ausgangspunkt für die Betrachtung der Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages an der europäischen Sekundärrechtsetzung ist die europäische Rechtsordnung. Nur vor diesem Hintergrund kann das diffizile Zusammenwirken der vertikalen Ebenen, d. h. der Beteiligten auf der nationalen und auf der supranationalen Ebene, umfassend bewertet werden. Eng hiermit verknüpft ist die noch zu erörternde Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit integrations bedingte Funktionsverluste des Bundestages einen normativen Anspruch auf Kompensation begründen. Die Rechtsetzung stellt den zentralen Aufgabenbereich der Europäischen Union, korrekter ihrer "I. Säule", dar. l Rechtsetzung - oder in der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts "Gemeinschaftsgesetzgebung,,2 - ist dabei weit zu verstehen und umfaßt den Erlaß aller normativen Akte, da das System des EG-Vertrages derzeit (noch) keine Rangordnung der Rechtsakte der Gemeinschaft kennt. 3 Erfaßt sind damit prinzipiell auch Entscheidungsprozesse, die zum Erlaß von internen Maßnahmen, von Verwaltungsakten oder Haushaltsmaßnahmen führen, oder zu Rechtsakv. Danwitz, Verwaltungsrechtliches System und Europäische Integration, 1996, S. 124. BVerfGE 89, 155 (211) - "Maastricht". Insgesamt ist die Tenninologie sehr uneinheitlieh, s. hierzu Hölscheidt / Baldus, EU und EG als tenninologisches Problem, DVBI. 1996, 1409 (1412) mit dem Vorschlag, entsprechend der jeweiligen Ermächtigungsgrundlage von EG-Verordnungen und EG-Richtlinien zu sprechen, von "EU-Recht" aber nur im Rahmen der intergouvernementalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten. 3 Dashwood, Comrnunity Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (343). Nach Erklärung 16 der Schlußakte zum Maastrichter Vertrag über die Europäische Union war es eine Aufgabe der Regierungskonferenz, die Einteilung der Rechtsakte zu überprüfen mit dem Ziel, eine angemessene Hierarchie der verschiedenen Arten von Normen herzustellen. Dies erfolgte noch nicht im Rahmen des Amsterdamer Vertrages. 1
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A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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ten betreffend die interinstitutionellen oder die internationalen Beziehungen oder zu nicht bindenden Rechtsakten wie Schlußfolgerungen, Empfehlungen oder Entschließungen. Schwerpunktmäßig von Interesse sind indes Vorschriften, die (insbesondere im Rahmen der Verfahren der Art. 251, 252 EGV4 ) als Verordnungen, Richtlinien oder Entscheidungen ergehen und die in den oder für die Mitgliedstaaten rechtlich bindend sind.
Die Untersuchung konzentriert sich im folgenden auf die Europäische Gemeinschaft i. S. d. Art. I EGV, die den Kernbereich der Union bildet. Innerhalb des einheitlichen institutionellen Rahmens i. S. d. Art. 3 Abs. I EUV5 haben die drei Gemeinschaften ihre rechtliche Selbständigkeit behalten; der in der Praxis bedeutsamste und gegenständlich umfassendste Anwendungsbereich des EG-Vertrages erlaubt es aber, auf die sektoral begrenzten Verträge über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) nur in Ausnahmefällen hinzuweisen. 6 Ebensowenig untersucht werden Vorhaben in den Bereichen der sog. zweiten und dritten Säule der Union, in denen grundsätzlich keine supranationale Rechtsetzung im klassischen Sinne stattfindet. Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß sich die Entwicklung dieser intergouvernemental geprägten Bereiche sehr im fluß befindet. Bereits vor den in diesen Bereichen erheblichen institutionellen Veränderungen durch den Amsterdamer Vertrag wurden die "Gemeinsamen Aktionen" der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) nach Art. J.3 EUVa.F. 7 und die "Gemeinsamen Maßnahmen" der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZJI) nach Art. K.3 Abs. 2 lit. b EUVa.F. 8 teilweise als neue Rechtsform gewertet, die gewisse Ähnlichkeit mit Sekundärrechtsakten internationaler Organisationen haben. 9
Art. 189 bund c EGVa.F. Art. C Abs. 1 EUVa.F. 6 So haben die unten - Kap. 1, B.1.2. - näher behandelten Befugniserweiterungen zugunsten des EP, etwa die Möglichkeit der Mitentscheidung, nicht in den Bereichen des EGKSV und des EAGV stattgefunden, s. hierzu Fugmann, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. All, Rdnr. 81 a. 7 Art. 14 EUV n.F. 8 Wesentliche Teile der bisherigen dritten Säule (ZJI) wurden in den EG-Vertrag überführt und vergemeinschaftet. Der zwischenstaatlich verbleibende neue VI. Titel des EU-Vertrages in der Fassung des Amsterdamer Vertrages lautet nunmehr "Bestimmungen über die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen", (PJZS). Bedeutsam ist in diesem Bereich besonders das neugeschaffene richtlinienähnliche Instrument des Rahmenbeschlusses gern. Art. 34 Abs. 2 lit. c EUV n.F., das als verfassungsrelevante Änderung gern. Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG in Deutschland die 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderlich machte, s. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Vertrag von Amsterdam, BR-Drs. 7841 97, S. 6. 9 Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVBI. 1996,937 (944). Die Bundesregierung charakterisierte die Gemeinsamen Aktionen in ihrem Gesetzentwurf vom 1. Oktober 1992 zum Maastrichter Vertrag, BT-Drs. 12/3334, S. 111, dahingehend, daß ein von der gemeinsamen Linie abweichendes Verhalten praktisch ausgeschlossen sei. Die Gemeinsamen Maßnahmen (ZJI) entsprächen den Gemeinsamen Aktionen der GASp, S. 114. 4
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
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Der normative Einfluß der europäischen Rechtsetzung auf die nationalen Rechtsordnungen ist groß, obwohl die Gemeinschaft nicht generell, sondern nur aufgrund ausdrücklicher primärrechtlicher Zuweisung zur Rechtsetzung befugt ist. Es gilt das in Art. 5 Abs. I EGV IO normierte Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung. Dieser Grundsatz darf auch nicht durch den - bisher von europäischer Rechtsprechung und Schrifttum großzügig gehandhabten - Art. 308 EGV ll oder durch Art. 6 Abs. 4 EUV I2 i.S. einer Kompetenz-Kompetenz durchbrochen werden: eine dahingehende zu extensive Auslegung und Anwendung der Normen wäre nicht vom deutschen Zustimmungsgesetz zum EU-Vertrag gedeckt und somit innerhalb Deutschlands rechtlich unverbindlich. 13 Trotz dieser kompetenzbegrenzenden Aspekte konnte der frühere Kommissionspräsident Jacques Delors bereits vor der Ratifikation des Maastrichter Vertrages (und der damit verbundenen Ausweitung der Gemeinschaftszuständigkeiten zu Lasten der nationalen Befugnisse) prognostizieren, daß Ende der 90er Jahre ca. 80% aller Regelungen im Bereich des Wirtschaftsrechts und ggf. des Steuer- und Sozialrechts durch Gemeinschaftsrecht festgelegt sein würden; 14 insgesamt ist nahezu die Hälfte aller deutschen Gesetze durch Gemeinschaftsrecht veranlaßt. 15 Besonders großer Einfluß kommt dabei der europäischen Rechtsetzung zur Rechtsangleichung und Harmonisierung nationaler Rechtsordnungen namentlich auf dem Wirtschafts sektor zu. 16 Dabei steht ein weitgefächertes Instrumentarium zur Verfügung; typisches Mittel der Rechtsangleichung ist nach der Generalklausei des Art. 94 EGV 17 die EG-Richtlinie. 18 Angesichts dieses Befundes zunehmender supranationaler Beeinflussung der nationalen Rechtsordnungen erlangt auch das in Art. 5 Abs. 2 EGV,19 Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verankerte, Gemeinschaftskompetenzen begrenzende Subsidiaritätsprinzip Bedeutung, zu dessen Kontrolle der Bundestag auf neu institutionalisierte Verfahren zurückgreifen kann?O
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Art. 3 b Abs. 1 EGVa.F.
11 Art. 235 EGVa.F. 12
Art. F Abs. 3 EUVa.F.
BVerfGE 89, 155 (195, 210) - "Maastricht"; Knut lpsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht, 1997, S. 18 ff.\ 14 Rede Jacques Delors im EP vorn 4. Juli 1988, Bulletin der EG 1988, Nr. 7/8, S. 124. 15 Rabe, Europäische Gesetzgebung - Das unbekannte Wesen, NJW 1993, 1. 13
Lukes, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, 1996, B 11 Rdnrn. 71 ff. Art. 100 EGVa.F. 18 Langeheine, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 100 EGV (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnm. 3 f. auch zu den spezielleren Mitteln der Rechtsangleichung, etwa Verordnungen gern. Art. 37 Abs. 2 EGV (= Art. 43 Abs. 2 EGVa.F.) und Richtlinien gern. Art. 46 Abs. 2 EGV (= Art. 56 Abs. 2 EGVa.F.). 19 Art. 3 b Abs. 2 EGVa.F. 20 § 85 a Abs. 2 GGO 11 schreibt die Geltung der von der Bundesregierung arn 8. Dezember 1993 beschlossenen (und durch Beschluß der Europastaatssekretäre vorn 3. März 1994 ergänzten) Verfahrensgrundsätze für die Prüfung von Vorhaben der Europäischen Union auf 16
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A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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Die sich damit andeutende Einbuße an parlamentarischen Aufgaben und Befugnissen besteht für den Deutschen Bundestag allerdings nicht auf der Ebene der Primärrechtsetzung: Eine Verbandskompetenz der Europäischen Union für Primärrechtsänderungen, die insoweit die Zuständigkeit des Bundestages ausschlösse, existiert nicht. Alle Änderungen von Verträgen, auf denen die Union beruht, bedürfen gern. Art. 48 UAbs. 3, Art. 49 UAbs. 2 Satz 2 EUV, Art. 300 Abs. 5 EGV 21 der parlamentarischen Ratifikation, ebenso das für die Finanzierung der EG maßgebliche Eigenrnittelsystem gern. Art. 269 EGY. 22 Damit gewährleistet der Bundestag in gewissem Umfang die Legitimation der Union als solcher sowie ihrer grundsätzlichen Rechtsetzungsbefugnis. 23 Im Hinblick auf die Folgekonferenz zur Revision des Maastrichter Vertrags werkes 1996/97 ist darauf hinzuweisen, daß der 13. Deutsche Bundestag besonders durch Einbeziehung des Europaausschusses seitens des Auswärtigen Amtes an dem Verhandlungsprozeß in relevantem Umfang beteiligt wurde.24 Demgegenüber war nach Einschätzung von Beteiligten aus dem Deutschen Bundestag noch bei Ausgestaltung des Maastricht-Vertrages die parlamentarische Einflußnahme auf die Willensbildung äußerst gering und im wesentlichen auf die Ratifikation des Verhandlungsergebnisses beschränkt.25 Die weitgehende demokratische Legitimation des Primärrechts sagt indes nichts aus über die demokratische Legitimation der einzelnen Sekundärrechtsakte.
ihre Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip vor, die als Anlage 9 zur GGO 11 abgedruckt sind (s.u., Anhang V). 21 Art. N Abs. 1 Satz 3, Art. 0 Abs. 2 Satz 2 EUVa.F., Art. 228 Abs. 5 EGVa.F. 22 Art. 201 EGVa.F. 23 Ausführl. Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 93 ff., 104, 127, der die Übertragungsgesetze als ermächtigende Gesetze ähnlich solcher nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG sieht. 24 Die Bundesregierung hat den Ausschuß fortlaufend über die Folgekonferenz und auch bereits in der vorangegangenen Periode durch die Arbeiten der sog. Reflexionsgruppe regelmäßig durch den Chefunterhändler der Regierung, Staatsminister Hoyer vom Auswärtigen Amt, unterrichtet; s. hierzu Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 32 f. Ergänzt wurde dies vor wichtigen Zäsuren der Konferenz, insbesondere vor den halbjährlich stattfindenden Europäischen Räten der Staats- und Regierungschefs, durch persönliche Unterrichtung seitens des Außenministers und / oder des Bundeskanzlers. Schließlich fanden regelmäßige Unterrichtungen im kleinen Kreis - unter Beteiligung des Vorsitzenden, des Stellvertretenden Vorsitzenden und der Obleute des Europaausschusses - zur aktuellen Entwicklung statt. 25 Selbst dies wurde teilweise unter dem Gesichtspunkt der Handlungfähigkeit der Gubernative kritisiert; so konstatierte die damalige Staatsministerin im AA Seiler-Albring, daß die Vorbereitung der Maastrichter Verträge schneller und glatter zu bewältigen gewesen sei, wenn nicht von vornherein die Befassung des Bundestages dazu geführt hätte, daß die Regierung in einer Weise gebunden wurde, die dann den Kompromiß mit den europäischen Partnern erschwerte, FAZ vom 15. August 1992.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
11. Die These vom Demokratiedetizit der europäischen Rechtsetzung 1. Ausgangsbefund - Maßstabsqualität eines Typus?
Jede weitergehende Untersuchung der europäischen Rechtsetzung stößt zwangsläufig sehr schnell auf die Kritik an der "undemokratischen" Exekutiv-Rechtsetzung der Gemeinschaft, die mit "dem" Grundsatz der Gewaltenteilung und "dem" Demokratieprinzip unvereinbar sei. Gegner wie Befürworter der europäischen Integration ziehen hieraus allerdings - bezeichnend für die normative Aussagekraft der Prinzipien - diametral entgegengesetzte Schlußfolgerungen: Wahrend überwiegend die Übertragung von Befugnissen auf das Europäische Parlament als nicht weitreichend genug angesehen wird,26 wird die Stärkung des Europäischen Parlaments verschiedentlich aus denselben Gründen abgelehnt. 27 Die Annahme eines Demokratiedefizits stützt sich dabei wesentlich auf zwei Aspekte. Zum einen - so etwa Di Fabio - sei die Europäische Union mangels eines europäischen Volkes zu unabgeleiteter Demokratie nicht fähig. 28 Zum anderen gründen Bedenken in derjedenfalls vor dem Hintergrund eines idealtypischen Gewaltenteilungsmodells atypischen Verteilung der Rechtsetzungsbefugnisse, die nicht bei dem Europäischen Parlament, sondern in erheblichem Maße beim Rat und z.T. bei der Kommission liegen?9 Wahrend etwa in der Bundesrepublik Deutschland gern. Art. 77 Abs. I Satz I GG der mit direkt gewählten Volksvertretern besetzte Bundestag das Hauptlegislativorgan ist, ist das Hauptrechtsetzungsorgan der Europäischen Union 26 Ferdinand, EG-Vorlagen im Plenum, in: Festgabe für Blischke, 1982, S. 145 (163); Hänsch, Europäische Integration und parlamentarische Demokratie, Europa-Archiv 1986, 191 (198 f.); Schwarze, Europapolitik unter deutschem Verfassungsrichtervorbehalt, Neue Justiz 1994, 1 (4); Graf StauffenberglLangenfeld, Maastricht - Ein Fortschritt für Europa?, ZRP 1992, 252 (258); Steinberger; Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), 9 (42 f.); Zuleeg, Demokratie in der Europäischen Gemeinschaft, JZ 1993,1069 (1073); auch BT-Drs. 12/3905, S. 3; BT-Drs. 12/3895, S. 28; Dr. Helmut Kohl, BT-PlPr. 12. WP 1126. Sitzung vom 2. Dezember 1992, S. 10827 (B). 27 Bieber; Beschwerden über die Verfassung als Verfassungsbeschwerden, Neue Justiz 1993, 241 (243); Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993,629 (634). 28 Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993), 191 (202 f.); so auch Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993, 629 (634); Murswiek, Maastricht und der Pouvoir Constituant, Der Staat 32 (1993), 161 (176 f.); Huber; Die Rolle des Demokratieprinzips im Europäischen Integrationsprozeß, Staats wissenschaften und Staatspraxis 1992, 349 (360). 29 Ress, Über die Notwendigkeit der parlamentarischen Legitimierung der Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften, in: Gedächtnisschrift für Geck, 1989, S. 625 (628); Hölscheidt 1Schotten, Demokratie in Europa nach der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Verwaltungsrundschau 1994, 183; Bieber; Beschwerden über die Verfassung als Verfassungsbeschwerden?, Neue Justiz 1993, 241 (243); Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - Eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993,629 (634); Graf Stauffenberg 1Langenfeld, Maastricht - Ein Fortschritt für Europa?, ZRP 1992, 252 (258); Steinberger; Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991),9 (39 f.).
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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im Bereich des EG-Vertrages der mit Regierungsvertretem besetzte Ministerrat. 30 Art. 207 Abs. 3 Satz 3, 4 EGV bezeichnet den Rat nun auch ausdrücklich als Gesetzgeber. 3l Vor diesem Hintergrund hat sich die Auffassung herausgebildet, daß in der verbreiteten und anschaulichen Bezeichnung des sekundären Gemeinschaftsrechts als "europäisches Gesetzesrecht" zwar der rechtsstaatliche Aspekt verbindlicher Wirkung zum Ausdruck komme, nicht aber das demokratische Element von Gesetzen. 32 Dieser Befund wirft die Frage nach einer Präzisierung des notwendigen Niveaus demokratischer Legitimation auf und führt so zu dem vorrangig zu klärenden Problem: Welches ist der taugliche Maßstab, an dem sich das notwendige Minimum an Demokratie und Gewaltenteilung für die europäische Sekundärrechtsetzung bemißt? Denn nur, wenn und soweit ein normativer Maßstab das Soll bestimmt, können Abweichungen berechtigterweise mit dem Etikett "defizitär" in einem rechtlich relevanten Sinn versehen werden. Dabei geht es um die Unterscheidung von Verfassungspolitik und Verfassungsgesetzgebung einerseits und dogmatischer Rechtswissenschaft andererseits. 33 Rechtswidrig ist eine Handlung oder ein System, wenn es unvereinbar mit verbindlichen höherrangigen Rechtssätzen ist. Die überprüfte Handlung oder Vorschrift ist, gemessen an diesem Maßstab, entweder rechtswidrig oder rechtmäßig, tertium non datur. Demgegenüber ist es in der verfassungspolitischen Debatte durchaus methodisch zulässig, ein System oder ein Verfahren für demokratischer zu erachten als ein anderes, etwa wenn es besonders viele "typische" demokratische Elemente umfaßt. Hier wird die eigentliche Schwierigkeit der rechtlichen Handhabung des Begriffs der Demokratie deutlich es handelt sich hier um einen Typus, der einer abschließenden Definition nicht zugänglich ist. 34 Dies führt dazu, daß trotz des Fehlens einzelner Elemente nicht das ganze System als undemokratisch zu qualifizieren ist. Die Annahme eines "Demo30 Nur in einer kleinen Anzahl von Fällen ist die Kommission unmittelbar durch das Primärrecht zur Rechtsetzung ermächtigt, etwa in Art. 86 Abs. 3 EGV (= Art. 90 Abs. 3 EGV a.F.). Weitere Rechtsgrundlagen, die im wesentlichen der Weiterentwicklung bzw. näheren Ausgestaltung von solchen Regeln dienten, die bereits in größerem Umfang durch den EGVertrag vorgegeben waren, sind durch den Amsterdamer Vertrag aufgehoben worden, so Art. 13 Abs. 2, Art. 33 Abs. 7, Art. 97 Abs. 2 EGVa.F. 3l Art. 151 Abs. 3 EGVa.F. wurde durch den Amsterdamer Vertrag um drei neue Sätze ergänzt. Eine entsprechende Bezeichnung des Rates als Gesetzgeber fand sich bereits früher im Anhang zur GO-Rat, ABI. 1993, Nr. L 304/1 ff. 32 Lukes, Rechtsetzung und Rechtsangleichung, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. B II Rdnr. 18. 33 Dieser Unterscheidung bedarf es angesichts der unterschiedlichen AufgabensteIlungen; es geht um die KlarsteIlung der Anliegen und der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Ansätze, nicht dagegen um die Richtigkeit einer Methode, s. hierzu bereits Laband, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1,5. Auf!. 1911, Vorwort zur zweiten Auf!. 1887, S. IX f.; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 16 f. 34 Allg. Schnapp, Was können wir über das Sozialstaatsprinzip wissen?, JuS 1998, 873 (875).
3 Hansmeyer
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
kratiedefizits" in einem rechtlich verstandenen Sinn ist vor diesem Hintergrund weder aus deutscher noch aus europäischer Perspektive berechtigt: Legt man den Maßstab des Grundgesetzes an, so muß Ausgangspunkt die hier vorgesehene "offene Staatlichkeit", 35 d. h. das Integrationsprinzip sein. Zentrale Norm ist die sog. Struktursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG, der die Europäische Union auf demokratische, rechtsstaatliche, soziale und föderative Grundsätze, auf den Grundsatz der Subsidiarität und auf einen dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz verpflichtet. Schon vor der Schaffung von Art. 23 GG war teilweise aus dem Grundgedanken des Art. 79 Abs. 3 GG bzw. dessen analoger Anwendung eine verfassungsrechtliche Pflicht der Bundesrepublik hergeleitet worden, auf eine stärkere Demokratisierung der Gemeinschaft hinzuarbeiten. So wurde gefordert, daß die Bundesrepublik Deutschland für die Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen auf das Europäische Parlament zu sorgen habe; diese Pflicht stiege in dem Maße, in dem Legislativbefugnisse auf die Europäischen Gemeinschaften übertragen würden. 36 Mit Art. 23 Abs. 1 GG wurde nun ausdriicklich eine Staatszielbestimmung geschaffen, die zugleich Ermächtigung, Auftrag und Grenzbestimmung für die deutsche Mitwirkung an der Europäischen Union ist. 3 ? Die deutschen Staatorgane sind damit verpflichtet, auf den in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verankerten Mindeststandard der Union hinzuarbeiten. 38 Andererseits verzichtet das Grundgesetz durch das Integrationsprinzip offenbar auf die strikte Vorgabe, daß Staatsgewalt allein vom deutschen Volk ausgehen kann. 39 Es besteht also ein Spannungsverhältnis zwischen der europäischen Demokratie und der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes. Teilweise wird kritisiert, daß eine "systembewahrende Hochzonung" des Demokratieprinzips des Grundgesetzes vor einem fundamentalen Dilemma stehe, da Demokratie ohne echtes parlamentarisches Repräsentationsorgan ausgeschlossen und insbesondere kein Äquivalent für das in Art. 20 Abs. 1 und 2 GG niedergelegte Demokratieprinzip sei. 4o Was diese Idee der "Hochzonung des Demokratieprin35 Der Begriff geht zuriick auf Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964, S. 33, 35. 36 Ress, Über die Notwendigkeit der parlamentarischen Legitimierung der Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften, in: Gedächtnisschrift für Geck, 1989,625 (666, bes. 677). 37 So der Sonderausschuß Maastricht, BT-Drs. 12/3896; Incesu, Zwischen Europaoffenheit und Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes, RuP 1994, 70 (74); Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Artikel 23, BayVBI. 1992,705 (706). 38 Für eine Verpflichtung aller Staatsorgane, sich für die Strukturmerkmale in der Union einzusetzen auch die GVK, Bericht vom 5. November 1993, BT-Drs. 12/6000, S. 20. 39 Bryde, Die bundesrepublikanische Volksdemokratie als Irrweg der Demokratietheorie, Staatswissenschaft und Staatspraxis, 1994, 305 (320) unter Hinweis darauf, daß es sich hierbei weder um verfassungswidriges Verfassungsrecht noch um eine restriktiv zu handhabende Ausnahme von einem im Übrigen geltenden Prinzip handele. Zum Verzicht auf ein Legitimationsvermittlungsmonopol des deutschen Volkes auch Eckart Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), 56 (59). 40 Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993),191 (205).
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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zips" anbelangt, so ist aber zu berücksichtigen, daß eine vollständige Kongruenz mit dem nationalen Rechtsetzungsverfahren auch durch die Erwähnung der demokratischen Grundsätze in Art. 23 Abs. I Satz 1 GG nicht gefordert iSt. 41 Gern. Art. 23 Abs. 1 Satz 3 GG findet das Integrationsprinzip seine Grenze in Art. 79 Abs. 3 GG. Bereits vor dieser ausdrücklichen Festschreibung war gemeinhin anerkannt, daß die das Grundgefüge der Verfassung konstituierenden Strukturen, mithin der verfassungsänderungsfeste Kern i. S. d. Art. 79 Abs. 3 GG, durch die Integration nicht beeinträchtigt werden durfte. 42 Damit ist nicht jede der Einzelbestimmungen gesichert, aus denen sich das Demokratieprinzip des Grundgesetzes ergibt. Es kommt vielmehr darauf an, inwieweit die Bestimmungen für den "Kern" der Demokratie von solcher Bedeutung sind, daß sie dem Änderungsverbot unterfallen. 43 Wird in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit des Rechts des Parlaments zur Gesetzgebung abgestellt,44 ist dies deutlich zu pauschal. Auf diese Weise wird etwa die Möglichkeit exekutiver nationaler Rechtsetzung vernachlässigt und ein Totalvorbehalt des Parlaments angedeutet. 45 Das Bundesverfassungsgericht hat in der Maastricht-Entscheidung über die Verfassungsbeschwerden gegen das Zustimmungsgesetz zum EU-Vertrag durch eine eher restriktive Interpretation des Vertrages die Vereinbarkeit des Gesetzes mit der Verfassung bejaht. 46 Das Gericht ist davon ausgegangen, daß der durch Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 Abs. 1, 2 GG und speziell Art. 38 GG gewährleistete unantastbare Kernbestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes besonders durch Art. 23 GG gewahrt ist. Hervorgehoben wird auf der einen Seite die Rolle der nationalen Parlamente, an die eine Rückkoppelung stattfinden muß und denen Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht bleiben müssen. Diese in Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Aufl., 1995, Art. 23 Rdnr. 20. BVerfGE 73, 339 (375); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 - 7 GG, 1997, S. 324. 43 s. etwa Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 703. Insgesamt gilt, daß mit dem Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 89, 155 (172 f. 182 f.), anzunehmen ist, daß Hoheitsbefugnisse nur unterhalb der Grenze des Art. 79 Abs. 3 GG und damit unterhalb der Grundentscheidungen der Verfassung gern. Art. 20 GG übertragen wurden, so auch Knut Ipsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht, 1997, S. 23 f. 44 So unter Bezugnahme auf das in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG festgelegte Gewaltenteilungsprinzip im Vergleich zu der gemeinschaftsrechtlichen Gewaltenteilung Kirchner I Haas, Rechtliche Grenzen für Kompetenzübertragungen auf die Europäische Gemeinschaft, JZ 1993,760 (768). 45 Näher hierzu Kap. 2, A., bes. 111.1. (S. 132 ff.); V.4.b) (S. 164 f). 46 BVerfGE 89, 155 (181 ff.) - Maastricht; stellvertretend für die umfangreiche Literatur Schachtschneider, Das Maastricht-Urteil. Die neue Verfassungslage der Europäischen Gemeinschaft, RuP 1994, 1 ff.; HölscheidtlSchotten, Demokratie in Europa nach der Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, Verwaltungsrundschau 1994, 183 ff.; Incesu, Zwischen Europaoffenheit und Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes. Fragen nach dem Maastricht-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, RuP 1994,70 ff.; Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993,629 ff. 41
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Leitsatz 3a und 4 trotz ihrer zentralen Bedeutung eher beiläufig erwähnten Voraussetzungen 47 geben dabei keinen Aufschluß über die erforderliche konkrete Ausgestaltung des innerstaatlichen Verhältnisses von Bundesregierung und Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union. Jedenfalls indiziert die Forderung nach der Rückkoppelung an das nationale Parlament, daß auch das Bundesverfassungsgericht ein grundsätzliches, auf den Grundgedanken des Art. 79 Abs. 3 GG gestütztes Kompensationsbedürfnis zugunsten des Bundestages für eingebüßte Zuständigkeiten anerkennt. Der Kembestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes verbietet es, den weitgehenden Bereich europäischer Rechtsetzung innerstaatlich völlig ohne Beteiligung des Bundestages auszugestalten. Darüber hinaus existieren allerdings keine absoluten Vorgaben, die eine bestimmte Art und Weise der Legitimationsvermittlung erfordem. 48 Vorliegend soll zunächst die zweite, d. h. die vom Bundesverfassungsgericht ebenfalls angesprochene supranationale Ebene der demokratischen Legitimation betrachtet werden. Zwischen bei den Ebenen besteht eine Wechselwirkung dahingehend, daß die Anforderungen an nationale demokratische Legitimation sinken können, je stärker ausgeprägt die demokratische Legitimation auf europäischer Ebene ist. Auf der europäischen Ebene tritt zu dem Problem, daß der Typus Demokratie nur in sehr begrenztem Umfang einen tauglichen rechtlichen Maßstab darstellen kann, noch hinzu, daß in den einzelnen Nationalstaaten verschiedene Ausprägungen von Demokratie und Gewaltenteilung existieren. Aus dem jeweiligen nationalen Verfassungsrecht lassen sich indes keine gemeinschaftsrechtlichen Pflichten mit supranationaler Geltung ableiten. Beide Rechtsräume sind getrennt, allenfalls über allgemeine Rechtsgrundsätze können die Rechtsgehalte des Verfassungsrechts der Mitgliedstaaten Eingang in das Gemeinschaftsrecht finden. 49 Findet sich ein Rechtssatz nur in der Verfassung eines Mitgliedstaates, wie es bei der Strukursicherungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG der Fall ist, so scheidet die Ablei47 So auch die Einschätzung von Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd) 1995, 114 (116). In der Entscheidung selbst findet sich eine kurze Bejahung der ausreichenden Aufgaben und Befugnisse des Bundestages, BVerfGE 89, 155 (191,207). 48 Streinz, Die demokratische Legitimation der Rechtssetzung der Europäischen Gemeinschaft, ThürVBI. 1997,73 (80). 49 Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 89. Als maßstabbildend für die demokratische Legitimation gemeinschaftsrechtlicher Rechtsakte sieht Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 230 ff. einen aus der Unionsgrundordnung abgeleiteten allgemeinen Rechtsgrundsatz europäischer Demokratie. Der Inhalt dieses Grundsatzes soll sich induktiv aus den einzelnen Elementen des Gemeinschaftsrechts und ergänzend aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben. Zurückhaltung ist hier insoweit geboten, als es methodisch fehlerhaft ist, aus der Summe von normierten Einzelbefugnissen weiterreichende Befugnisse abzuleiten, s. bereits Mill, System der deductiven und inductiven Logik, (Übersetzung der Original version System of logic, ratiocinative and inductive, 1843), 4. Auf!. 1877, S. 217 f.; zust. Schnapp, Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBI. 1990, 186 (189).
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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tung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes aus. Nonnative Maßgaben zur Feststellung eines bestimmten Legitimationsniveaus lassen sich hieraus nicht gewinnen. Ebensowenig wie vorrechtliehe Prämissen kann also auch einzelstaatliches Demokratieverständnis den rechtlichen Maßstab bilden - wenn sich hieraus auch wichtige demokratietheoretische und verfassungspolitische Anstöße gewinnen lassen. Selbst bei Bildung eines "kleinsten gemeinsamen Nenners" nationaler Demokratiekonzeptionen bleibt das Problem, daß diese nicht ohne weiteres auf supranationale Strukturen übertragbar sind. 5o Dies wird etwa deutlich an dem Ausgangspunkt aller Legitimationsmodelle westeuropäischer Prägung, der Volkssouveränität. 51 "Das" Demokratieprinzip kann damit als rechtlicher Maßstab für die zunächst interessierende europäische Ebene nur insoweit eingesetzt werden, als auf seine konkrete primärrechtliche Ausgestaltung abgestellt wird. Nur so läßt sich venneiden, daß positiv-rechtliche Bestimmungen unterlaufen werden, weil sie einem vorrechtlichen Schema widersprechen. 52 Im EU-Vertrag ist das Demokratieprinzip zum einen in der Präambel verankert. Neben dem allgemeinen Bekenntnis zur Demokratie in der dritten Erwägung der Präambel fonnuliert die fünfte Erwägung den Wunsch, Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiter zu stärken. Den Erwägungen kommt rechtliche Relevanz als Auslegungsregeln zu. 53 Soweit es sich bei dem Inhalt der Erwägungen aber um selbständige rechtliche Grundsätze des Inhalts handeln soll, daß sie die Union und die Mitgliedstaaten zum Streben nach stärkerer Demokratisierung verpflichten, bedarf es jedenfalls einer erkennbar im Vertrag angelegten entsprechenden Absicht der Vertragsparteien. 54 Durch den Vertrag von Amsterdam wird mit Art. 6 Abs. 1 EUV n.E, der den früheren Art. F EUV a.E durch einen neuen ersten Absatz ergänzt, nunmehr ein ausdrückliches Bekenntnis zu Demokratie und zu Rechtsstaatlichkeit in den Vertragstext eingeführt. Spätestens hierdurch sind Zweifel an der Verbindlichkeit des Grundsatzes ausgeräumt. Im folgenden sollen zunächst Europäisches Parlament und Ministerrat unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten betrachtet werden, um den derzeitigen Entwicklungsstand zu erfassen. Unverändert gilt indes, daß die ausdrücklichen Zuständigkeitsregeln des EG-Vertrages von dem konkretisierungsbedürftigen Bekenntnis zur Demokratie ebensowenig wie aus allgemeinen demokratietheoretischen Erwägungen derogiert werden können. 50 Winter, Drei Arten gemeinschaftlicher Rechtsetzung und ihre Legitimation, in: Brüggemeier, Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994,45 (59 f.). 51 s. näher unten, Kap. 1, A.II.2. (S. 38 f.). 52 Allg. Ld.S. bereits Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, in: v. Stengel/ F1eischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 2. Auf!. 1914, S. 688 (695); so auch Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Auf!. 1981, S. 389; Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (190). 53 Allg. zum institutionellen Gleichgewicht als Auslegungsregel EuGHE 1980, 3333 (3360); EuGHE 1980,3393 (3424, Rz. 34). 54 Ress, Über die Notwendigkeit der parlamentarischen Legitimierung der Europäischen Gemeinschaften, in: Gedächtnisschrift für Geck, 1989, 625 (633, 643); Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 67 f.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
2. Eignung des Europäischen Parlaments zur Vermittlung demokratischer Legitimation
Anknüpfend an den Gedanken der Volkssouveränität wird, wie bereits angesprochen, vertreten, daß die Europäische Union zu unabgeleiteter demokratischer Legitimation nicht fähig sei. 55 Unter demokratischer Legitimation ist im weitesten Sinn die Rechtfertigung, Billigung und Sanktion des Handeins staatlicher Organe zu verstehen. 56 Die Legitimation europäischer hoheitlicher Entscheidungsmacht durch das Volk scheitere, so die ablehnende Ansicht, daran, daß vor allem angesichts der kulturellen und sprachlichen Unterschiede ein europäisches Volk überhaupt nicht existiere. 57 Notwendig folge hieraus, daß auch das Europäische Parlament bei seiner Beteiligung an Legislativaufgaben keine originäre demokratische Legitimation vermitteln könne. Richtig ist, daß das EP keine Vertretung des europäischen Volkes ist, vielmehr sind in ihm gern. Art. 189 Satz 1 EGV 58 die europäischen Volker vertreten. Hieraus wird geschlossen, daß das Europäische Parlament nur dem Namen nach ein Parlament sei, ansonsten aber mit einer Volksrepräsentation nichts gemeinsam habe. In diese Richtung zielt auch der Hinweis, daß in einer Demokratie Mehrheitsentscheidungen nur dann akzeptabel seien, wenn zwischen den Gewaltunterworfenen eine wesentliche Gemeinsamkeit bestehe, die das Überstimmtwerden erträglich sein lasse. 59 Ferner fehle es an der Infrastruktur, die den handelnden Instanzen demokratische Legitimation vermitteln könne. 60 Hierzu gehörten neben dem europäischen Staatsvolk als Bezugspunkt europäische Parteien, europäische Medien und eine europäische Öffentlichkeit, in der ein entsprechender europäischer Diskurs stattfinde. Auch das Bundesverfassungsgericht vertritt den Standpunkt, daß Demokratie, soll sie nicht lediglich formales Zurechnungsprinzip sein, vom Vorhandensein solch vorrechtlicher Voraussetzungen abhängig iSt. 61 Wenn das Gericht in seiner Maastricht-Entscheidung aber das Fehlen eines europäischen Staatsvolkes konstatiert, dann nur, um die fehlende Staatsqualität der Eu55 Di Fabio. Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993), 191 (202 f.); so auch Ossenbühl. Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993, 629 (634); Murswiek. Maastricht und der Pouvoir Constituant, Der Staat 32 (1993), 161 (176 f.); Huber, Die Rolle des Demokratieprinzips im Europäischen Integrationsprozeß, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992,349 (360); Kohnen. Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 146 f., 153. 56 Ossenbühl. Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 196. 57 Di Fabio. Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993),191 (203 f.). 58 Art. 137 EGVa.F. 59 In diesem Sinn Scharpf. Europäisches Demokratiedefizit und deutscher Föderalismus, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1992, 293 (296). 60 Ossenbühl. Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993,629 (634). 61 BVerfGE 5, 85 (135) - "KPD-Verbot"; BVerfGE 69, 315 (345 f.); BVerfGE 89, 155 (185) - "Maastricht". Zust. auch Kamann. Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 225; Kohnen. Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 146 f.
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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ropäischen Union zu betonen. Es handele sich um einen Staatenverbund; die Zugehörigkeit zu diesem könne Deutschland als einer der "Herren der Verträge" letztlich durch einen gegenläufigen Akt auch wieder aufheben. 62 Keineswegs folgert es hieraus allerdings, daß eine europäische demokratische Legitimation denktheoretisch ausgeschlossen sei. Zutreffend ist, daß sich der Gedanke der Selbstregierung des Volkes als gemeinsame Grundlage der modernen Demokratietheorien und demokratischer Verfassungskonzeptionen erweist. 63 Die notwendige Rückführbarkeit hoheitlicher Gewalt auf ein Volk als Legitimationssubjekt findet sich nicht nur in Art. 20 Abs. 2 GG, sondern auch im Verfassungsrecht der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. 64 Daß für neuartige Herrschaftsforrnen aber durchaus neue Legitimationsmodelle gefunden werden können, wird bei Betrachtung des Völkerrechts deutlich. Zwar ist letzteres für die Bestimmung des Volks begriffs nur begrenzt aussagekräftig, da es auf das Band der Staatsangehörigkeit und damit auf das nationale Staatsrecht verweist. Allerdings gilt der Grundsatz, daß es in keinem Fall auf die gemeinsame Sprache, die Kultur, die gemeinsame Rasse etc. ankommt, sondern auf die Zusammenfassung von Menschen unter einer gemeinsamen Rechtsordnung. 65 Damit tritt der Gedanke der Mitbestimmung der Rechtsunterworfenen in den Vordergrund. In diesem Sinn kann die Verwirklichung von Demokratie auch ohne ein Volk i.S. eines Kulturvolkes erfolgen. Dies zeigt sich etwa auch am Beispiel von Körperschaften der funktionalen Selbstverwaltung, in denen durch demokratische Strukturen Selbstbestimmung der Mitglieder (des Verbandsvolkes)66 gewährleistet ist. Mit der Europäischen Union wurde eine Herrschaftsordnung geschaffen, die innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs einheitlich über die Völker Europas zur Entscheidung befugt ist. Ein striktes Festhalten am "homogenen Volk" als Legitimationssubjekt hieße, den Völkern nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Kulturen und BVerfGE 89, 155 (188, 190). Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR I, 1987, § 22 Rdnr. 35. Für die Formel von der Einheit der Regierenden und Regierten earl Schmitt, Verfassungslehre, 1928 (unveränderter Nachdruck 1957), S. 234; Kelsen, Vorn Wesen und Wert der Demokratie, 2. Auf]. 1929 (unveränderter Nachdruck 1963), S. 14 ff. 64 Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 33, Fußn. 21 f.; Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 197, Fußn. 8, jeweils zu den einzelnen mitgliedstaatlichen Verfassungen. 65 Epping, Der Staat als die "Normalperson" des Vcilkerrechts, in: Ipsen, Vcilkerrecht, 3. Auf]. 1990, § 5 Rdnr. 5. 66 Oebbecke, Demokratische Legitimation nicht-kommunaler Selbstverwaltung, VerwArch. 81 (1990),349 (359 ff.); zur historischen Entwicklung berufs ständischer Körperschaften in Deutschland Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 34 ff., 107. Krit. Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR I, 1987, § 22 Rdnr. 30, der verbandsinterne Binnendemokratisierung als bloße Scheinlegitimation einstuft. 62
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Idiome die gemeinsame Legitimationsfähigkeit auch für die Zukunft abzusprechen, obwohl sie supranational ausgeübter Hoheitsgewalt unterworfen sind. Es ist damit nicht einsichtig, wieso die Versammlung der Vertreter der Völker der Mitgliedstaaten keine demokratische Legitimation vermitteln könnte. Auch der Europäische Gerichtshof wertet die Beteiligung der Völker an der Ausübung hoheitlicher Gewalt durch eine Versammlung ihrer Vertreter als ein grundlegendes demokratisches Prinzip.67 Wie Kluth unter Analyse der Theorie- und Institutionengeschichte überzeugend herausgearbeitet hat, ist die Prämisse des homogenen Volkes darauf zurückzuführen, daß die westeuropäischen Nationalstaaten bei Übergang von der Monarchie zur Republik in den allermeisten Fällen über ein hohes Maß an sprachlicher, religiöser und kultureller Homogenität verfügten. 68 Allein die geschichtlich begründete Tatsache jedoch, daß es früher eines Aufbaus neuer Identifikations- und Kommunikationsstrukturen nicht bedurfte, präjudiziert nicht, daß demokratische Legitimation auf supranationaler Ebene gleichförmig abzulaufen hat. Die rechtliche Loslösung des supranationalen Demokratieverständnisses von dem nationalstaatlichen Volks begriff bedeutet dabei nicht, daß die Homogenität der Rechtsunterworfenen und die Herausbildung eines europäischen politischen Systems als politisches Ziel verworfen werden muß. Die demokratische Legitimation der Union ist eine doppelte, teils eigenständig, teils national vermittelte. Bezüglich der eigenständigen europäischen "Säule" der Legitimation ist durchaus festzustellen, daß Europa über eine gemeinsame Geographie, Geschichte, Tradition und Kultur verfügt. Vor diesem Hintergrund ist ein relativ homogenes Fundament als Grundlage solidarischen Zusammenschlusses zu europäischer Supranationalität schon gegeben 69 und die Entwicklung eines europäischen politischen Diskurses vorgezeichnet. 7o Diese Entwicklung ist allerdings nicht die (vorrechtliehe) Voraussetzung für die Übertragung von Befugnissen auf das EP, sondern dürfte eher die praktische Konsequenz zunehmender Einbeziehung des EP in die Politikgestaltung und speziell in das Rechtsetzungsverfahren sein. 7!
EuGH, EuGHE 1980,3333 (3369, Rz. 33); EuGHE 1991 1,2867 (2900, Rz. 20). Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 32 f. 69 Depenheuer, Nationale durch europäische Staatlichkeit, Liberal 1997, 45 (49), der ein europäisches Volk jedenfalls in der Zukunft für möglich hält. 70 Bandillal Hix, Demokratie, Transparenz und Bürgerrechte in der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1997, 1217 weisen auf die bereits deutlich erkennbaren Ansätze im Zusammenhang mit den Folgen der BSE-Krise oder die Einführung der europäischen Währung hin. 71 In diesem Sinn auch Bryde, Die bundesrepublikanische Volksdemokratie als Irrweg der Demokratietheorie, Staatswissenschaft und Staatspraxis, 1994, 305 (309). 67
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A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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3. Eignung des Rates zur Vermittlung demokratischer Legitimation
a) Die politische Leitungsebene Neben die legitimierende Funktion des Europäischen Parlamentes tritt diejenige Funktion, die die nationalen Vertreter im Ministerrat ausüben. Es ist ebenso wie im Hinblick auf das Europäische Parlament die Frage aufgeworfen, ob diese zusätzliche Form der Legitimation demokratietheoretischen und europarechtlichen Anforderungen entspricht. Im Ministerrat, der in je nach dem betroffenem Sachgebiet variierender Zusammensetzung als Allgemeiner (Außenminister-)Rat72 oder als spezieller Fach(minister)rat tagt,73 haben gern. Art. 203 Abs. I EGV 74 Regierungsvertreter der Mitgliedstaaten Sitz und Stimme, so daß hier nur eine mittelbare demokratische Legitimation über die nationalen Parlamente erfolgt. Diese muß sich auch auf die Sekundärrechtsetzung durch den Europäischen Rat der Staats- und Regierungschefs i.S.v. Art. 4 EUV 75 erstrecken: das seit dem Beschluß der Pariser Gipfelkonferenz vom 9. /10. Dezember 1974 agierende und durch Art. 2 Abs. 1 EEA (Einheitliche Europäische Akte von 1986) institutionalisierte Gremium trifft zwar in aller Regel politische Grundsatzentscheidungen. Es ist aber auch befugt, ausnahmsweise formell als Ministerrat zu beschließen - dann allerdings sind die Staats- und Regierungschefs ganz wie die routinemäßig tagenden Minister an die Vertragsbestimmungen betreffend das Rechtsetzungsverfahren gebunden. 76 In der Praxis erweist sich die theoretisch klare Kompetenzabgrenzung, nach der der Europäische Rat die Richtlinien gibt, der Allgemeine Rat koordinierend tätig wird und die gesetzgeberische Detailarbeit von den "technischen" Räten erledigt wird, als eher fließend. So ist es häufig der Fall, daß der Europäische Rat zwar nicht de iure als Ministerrat beschließt, aber doch den Ministerräten verbindliche Mandate erteilt. 77 Was den 72 Zu dem generellen, koordinierenden Geschäftsbereich des Rates Allgemeines Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 148; Hans Peter Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 181 Rdnr. 20; für dessen weitere Stärkung ferner Trumpf, Reflections from three German Presidencies - High marks for the German Coordination Model, low marks für the Presidency System, in: Regelsberger I Wessels, The Federal Republic of Germany and the European Community: The Presidency and Beyond, 1988, S. 266 (268). 73 Etwa als Finanz- (ECOFIN), Landwirtschafts-, Sozial- oder als Verkehrsministerrat. Rechtlich handelt es sich immer um das identische Organ, Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994, 409 (413); mißverständlich Bieber, in: Beutler I Bieber I Pipkorn I Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993,4.3.3.1. (S. 131): "Der Rat bildet nur die gemeinsame Rechtsform für die Tagungen verschiedener Gremien". 74 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 75 Art. D EUVa.F. 76 Bulmer/Wessels, The European Council: Decision-Making in European Politics, 1989, S. 78, 129; Bieber, in: Beutler I Bieber I Pipkorn I Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993,4.3.3.2. (S. 132 f.).
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Kompetenzbereich des Rates "Allgemeines" anbelangt, so stehen ihm relativ unangefochten die Zuständigkeiten als Fachrat betreffend der Außenbeziehungen der Europäischen Union zu Drittstaaten zu, beispielsweise für die Lome-Abkommen. 78 Dies gilt weniger für seine Funktion als Querschnitts- oder Koordinierungsgremium. 79 Mit diesem Problem sehen sich i.ü. auf allen Ebenen der europäischen Rechtsetzung allgemeinere Gremien im Verhältnis zu den Fachgremien konfrontiert. 8o Als am stärksten auf seine Eigenständigkeit gegenüber der Koordinierungstätigkeit des Rates "Allgemeines" bedacht gilt der Agrarministerrat. 81 Was die personelle Legitimation der Ratsvertreter anbelangt, so wird diese verschiedentlich als "hauchdünn" kritisiert. 82 Wenig überzeugendes Gegenargument ist dabei der Hinweis auf die "politische Einheit von Regierung und Parlament",83 weil er die rechtliche Bedeutung von Minderheitsrechten 84 vernachlässigt. Richtig ist, daß die im Rat vertretenen Regierungsmitglieder nicht unmittelbar durch turnusmäßige Wahlen legitimiert sind. So gilt etwa für die Bundesrepublik Deutschland, daß der Bundeskanzler gern. Art. 63 Abs. I GG auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt wird und daß die Bundesminister gern. Art. 64 Abs. I GG auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt wer77 s. etwa den Beschluß zur Einführung eines Korrektunnechanismus' für die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten vom 24. Juni 1988 über die eigenen Einnahmen. Der Europäische Rat vom 11. - 13. 2. 1988 hatte Schlußfolgerungen getroffen, die von dem Rat der Gemeinschaften auf Grundlage von Art. 199, 201 EWGV beschlossen werden sollten. Damit hat der Europäische Rat zwar nicht fönnlich als Ministerrat beschlossen, diesem aber ein Mandat ohne Gestaltungsspielraum - selbst der Zeitpunkt des Inkrafttretens war vorherbestimmt - erteilt. Diese wurde umgesetzt durch einen (nicht veröffentlichungsbedürftigen) Rechtsakt, Beschluß v. 24. Juni 1988, ABI. 1988, Nr. L 185/24 ff. 78 Die Abkommen von Lome sind multilaterale Handels- und Entwicklungsabkommen zwischen der Europäischen Union und 70 Entwicklungsländern im afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum (AKP-Staaten). Die Abkommen bilden den Kern der Entwicklungshilfepolitik der Union. 79 Bulmer/Wessels, The European Council: Decision-Making in European Politics, 1989, S. 103 ff., bes. S. 106 unter Bezugnahme auf Kontroversen zwischen dem deutschen Außenminister und dem Finanzminister, die nicht hätten bereinigt werden können. 80 s.u., zum problematischen Verhältnis des Europaausschusses des Deutschen Bundestages zu dessen Fachausschüssen Kap. 3, B.I.2.b) (S. 281 f.); zur regierungsinternen Willensbildung Kap. 3, A.III.2. (S. 247 f.). 81 Bulmer/Wessels, The European Council: Decision-Making in European Politics, 1989, S. 109; ganz zentral sei der Rat ECOFIN Gegenstand der Koordinierungsbestrebungen des Außenministerrates. 82 Lamprecht, Untertan in Europa - Über den Mangel an Demokratie und Transparenz, NJW 1997,505. 83 Thöne-Wille, Die Parlamente der EG. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente, 1984, S. 4; Mehl, Die Europa-Kommission des Deutschen Bundestages, 1987, S.8. 84 Hierzu umfassend Haberland, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition nach dem Grundgesetz, 1995, insbes. S. 38 ff. s.a. Sebaldt, Die Thematisierungsfunktion der Opposition, 1992, bes. S. 50, 209 f., 335 f.
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den. Aus dieser Mittelbarkeit aber auf ein qualitatives "Weniger" an Legitimation zu schließen, hieße zu verkennen, daß die Mittelbarkeit kein zu überwindendes demokratisches Defizit darstellt, sondern ein verfassungsrechtlich vorgesehener Baustein der nationalen wie der supranationalen Rechtsordnung ist. 85 In dem WenigeParteien-System Deutschlands gilt beispielsweise, daß die legitimationsvermittelnden Wahlen zum Deutschen Bundestag den Charakter einer Kanzlerwahl haben. Damit ist letztlich der Bundeskanzler und mit ihm das Kabinett, das Z.T. als Schattenkabinett in die Wahlentscheidung der Bürger miteinbezogen wurde, keineswegs nur "hauchdünn" legitimiert. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, daß sich Kanzler und Minister weniger in ihrer supranationalen Funktion zur nationalen Wahl stellen. Zwar ist die Notwendigkeit, um Verständnis für ein bestimmtes Abstimmungs verhalten im Rat zu werben oder sich hierfür zu rechtfertigen, als gering einzuschätzen. 86 Dennoch ist in jeder Bundestagswahl auch die Europapolitik der künftigen Regierung in beträchtlichem Umfang wahl entscheidend. Der Umstand, daß im Rat die Vertreter der nationalen Parlamentsminderheit nicht vertreten sind, ändert nichts an der grundsätzlichen Legitimation des Organs. Die Gewährleistung von Oppositions- und Minderheitenrechten bleibt dem Europäischen Parlament und besonders - in den durch das supranationale System vorgegebenen Strukturen 87 - der nationalen Rechtsordnung vorbehalten. Zweifel an der hinreichenden Vermittlung demokratischer Legitimation durch den Rat griinden nicht nur in seiner Besetzung, sondern auch in den zahlreichen Schwachstellen im Bereich des Willens bildungs verfahrens. Strukturell bedingt ist hier zum einen das Problem, daß die parlamentarische Kontrolle nur das jeweilige nationale Ratsmitglied zu erreichen vermag. Dies wirkt sich wegen der Möglichkeit der Überstimmung aber nicht notwendigerweise auch auf den Rat als Kollegialorgan aus: 88 Die Beschlußfassung im Rat erfolgt gern. Art. 205 EGV 89 grund85 Allg. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (183), unter Hinweis darauf, daß Mittelbarkeit keine Organlegitimation "zweiter Klasse" bedeutet; in diesem Sinn auch Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 101. Ausführ!. für den nationalen Bereich s.u. Kap. 2, A.VA.c)aa) (S. 166 f.). Zur demokratischen Legitimation der Ministerialverwaltung Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 337 ff.; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominalverwaltung, 1993, S. 328 f., 345 f. 86 Winter, Drei Arten gemeinschaftlicher Rechtsetzung und ihre Legitimation, in: Brüggemeier, Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994,45 (61). 87 Zwar gilt auch auf nationaler Ebene, daß sich in aller Regel die Mehrheitsfraktion durchsetzen und die Position der von ihr getragenen Regierung stärken wird. Nach einem Machtwechsel hat es dann aber die frühere Opposition in der Hand, ihre politischen Vorstellungen durchzusetzen. Einmal erlassene Sekundärrechtsakte kann sie dagegen nicht aus eigener Kraft (etwa durch ein derogierendes lex posterior) aus der Welt schaffen. 88 Graf Stauffenberg / Langenfeld, Maastricht - Ein Fortschritt für Europa?, ZRP 1992, 252 (258). Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 155, 158, sieht im Falle der Überstimmung die notwendige Legitimationskette zum deutschen Volk als unterbrochen. 89 Art. 148 EGVa.F.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
sätzlich mit einfacher Mehrheit, während etwa die sog. Luxemburger Vereinbarung (1966), wonach Einstimmigkeit erforderlich ist, lediglich im Agrarbereich noch durchgängig Anwendung findet. 90 Dennoch sehen zahlreiche speziellere Handlungsermächtigungen weiterhin Einstimmigkeit vor. Die Folgekonferenz zur Revision des Maastrichter Vertragswerkes hatte zum Ziel, die erforderlichen Majoritäten zugunsten von Mehrheitsentscheidungen zu vereinheitlichen; der Amsterdamer Vertrag ist indes weit hinter den Erwartungen zuriickgeblieben. 91 Jedenfalls soweit das national ausgerichtete Einstimmigkeitsprinzip reicht, bleibt die Einflußmöglichkeit der nationalen Parlamente gewichtig - sofern die nationale Rechtsordnung ihrem Parlament hinreichende Befugnisse gegenüber der Regierung zugesteht. Da allerdings in Fällen der Mehrheitsentscheidung die parlamentarische Einflußnahme auf das StimmverhaIten eines Ratsmitglieds nicht mit der Einflußnahme auf die Entscheidungsfindung gleichzusetzen ist, kommt der Transparenz der Ratsarbeit besondere Bedeutung zu. So kann durch Berichtspflichten der Regierung und verstärkte Publizität des Ratsgeschehens die Möglichkeit minimiert werden, daß sich die Gubemative unkontrolliert darauf berufen kann, "alles versucht zu haben", aber überstimmt worden zu sein. 92 Bisher allerdings galt der Bereich des Rates als klassischer exekutivischer Arkanbereich; hierauf griindete die Annahme von der Untauglichkeit zur Vermittlung demokratischer Legitimation durch das Verfahren. 93 Durch den Vertrag von Amsterdam wird nun kein Idealzustand 90 Streinz, Europarecht, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 267 f., auch zur modifizierten Neubelebung im "Kompromiß von Ionannina". Im übrigen ist es erklärtes Ziel der Bundesrepublik, grundsätzlich das Verfahren der Mehrheitsabstimmung im Rat auszuweiten, BT-Drs. 13/3040, S. 8. 91 Hilf/ Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998, 705 (710). Mehrheitsentscheidung wird lediglich für 11 neue Vertragsbestimmungen und fünf bestehende eingeführt, so war etwa für den Erlaß mehrjähriger Rahmenprogramme zur Forschungsförderung gern. Art. 130 i Abs. 1 Satz 2 EGVa.F. ein einstimmiger Ratsbeschluß erforderlich, während dieses Erfordernis in Art. 166 Abs. 1 EGV n.F. nicht mehr vorgesehen ist. 92 Mit Blick auf die Praxis der 70er Jahre konstatierte schon Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 85, daß nachträgliche systematische Erfolgskontrollen seitens des Bundestages nicht stattfänden. Überdies hätten Erfolgskontrollen auch wenig Sinn, da ..der vertrauliche Zuschnitt der Ratssitzungen und die vielfältigen Zwänge, denen die teilnehmende Regierung ausgesetzt ist, kaum eine buchhalterische Prüfung erlauben, ob die Bundesregierung dem Standpunkt des Parlaments Rechnung getragen hat". Diese Annahme ist bedenklich; den neu eingeführten Erfolgskontrollanforderungen kommt vielmehr eine besondere rechtliche Bedeutung zu. 93 Rath, Die .. unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl (Sdbd) 1995, 114 (132) unter Hinweis darauf, daß auch durch Veröffentlichung von Dokumenten im Amtsblatt der EG keine Publizität geschaffen werde, da es vorkomme, daß man lediglich Phantomdebatten verfolge, die mit den in den Subgremien des Rates diskutierten Fragen so gut wie gar nichts zu tun hätten. Die Bundestagsfraktionen SPD, BÜNDNIS 901 DIE GRÜNEN und die Gruppe der PDS forderten aus ähnlichen Erwägungen im Europaausschuß, der federführend mit der Beschlußempfehlung zur Folgekonferenz 1996 befaßt war, daß der Rat generell öffentlich tagen müsse, wenn er gesetzgeberisch tätig werde, BT-Drs. 13/3247, S. 8. Für die Eignung zur Vermittlung demokratischer Legitimation durch Verfahren seitens des Rates dagegen Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 77 ff.
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geschaffen, dennoch haben sich die Bemühungen um mehr Transparenz im verbindlichen Primärrecht niedergeschlagen: An der prinzipiellen Nichtöffentlichkeit der Ratssitzungen, die der Rat im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie i. S. d. Art. 207 Abs. 3 Satz 1 EGV94 in Art. 4 Abs. 1 GO-Rat als Regel statuiert, ändert sich nichts. Nicht selten wird die Nichtöffentlichkeit als Ausdruck eines Hanges zur Geheimnistuerei gewertet, was in Feststellungen gipfelt, der Rat sei ein "staatsrechtliches Ungetüm" und "regiere über die Köpfe der Menschen hinweg wie einst das preußische Herrscherhaus".95 Demgegenüber wird von anderer Seite auf die Notwendigkeit der Vertraulichkeit hingewiesen, da nur so ausgewogene Kompromisse zwischen den widerstreitenden nationalen Interessen gefunden werden könnten. 96 Die konkreten Vorgaben des Primärrechts bilden hier den ausschlaggebenden Maßstab, mit dem das Geschäftsordnungsrecht vereinbar sein muß. Neu geschaffen wurde Art. 255 EGV, welcher in Abs. 1 ein subjektives Recht jedes Unionsbürgers sowie jeder natürlichen oder juristischen Person mit (Wohn)sitz in einem Mitgliedstaat auf Zugang zu den Dokumenten des EP, der Kommission und auch des Rates gibt. Eine Schranke bildet Abs. 2, demzufolge der Rat binnen zwei Jahren nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrags im Mitentscheidungsverfahren Allgemeine Grundsätze und Einschränkungen für die Ausübung des Zugangsrechts festlegen kann. Auffällig ist, daß nach dem Wortlaut damit zwar das "Wie" des Zugangs, nicht aber das "Ob" beschränkt werden kann. Gern. Art. 255 Abs. 3 i.Y.m. Art. 207 Abs. 3 Satz 2 - 4 EGV 97 hat der Rat ferner im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie die Bedingungen festzusetzen, unter denen die Öffentlichkeit Zugang zu Dokumenten des Rates erhält. Der Rat ist verpflichtet, die Fälle zu bestimmen, in denen davon auszugehen ist, daß er als Gesetzgeber tätig wird, damit hier ein umfassender Zugang zu Dokumenten - bei Wahrung der wirksamen Beschlußfassung - gewährt werden kann. In jedem Fall müssen gern. Art. 207 Abs. 3 Satz 4 EGV, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird, die Abstimmungsergebnisse sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe und die Protokollerklärungen veröffentlicht werden. Diese für das Gemeinschaftsrecht weitgehenden Zugeständnisse an die Öffentlichkeit des Verfahrens wurden bereits vor der Primärrechtsreforrn auf der Ebene der Geschäftsordnung und des Interorganrechts eingeführt. In mehreren Verhaltenskodices wurden Selbstverpflichtungen zu stärkerer Transparenz geschaffen. Mit Beschluß vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Art. 151 Abs. 3 EGVa.F. Lamprecht. Untertan in Europa - Über den Mangel an Demokratie und Transparenz, NJW 1997, 505. 96 Bandillal Hix. Demokratie, Transparenz und Bürgerrechte in der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1997, 1217 (1218). 97 Die Vorschrift ergänzt die bisherige Rechtsgrundlage der Geschäftsordnungsautonomie in Art. 151 Abs. 3 EGVa.F. um die neuen Sätze 2 - 4. 94
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I. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Ratsdokumenten 98 hat der Rat den Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten 99 umgesetzt. Dieser Beschluß sieht ein zwei stufiges Verfahren über den Antrag Einzelner auf Zugang zu Ratsdokumenten vor. Die Ablehnung eines Zweitantrags kann vor dem EuGH angegriffen werden. Einen weiteren Verhaltenskodex (betreffend den Zugang der Öffentlichkeit zu den Protokollen und Protokollerklärungen des Rates in seiner Rolle als Gesetzgeber), welcher zu einer spürbaren Änderung der Praxis in diesem Bereich geführt hat, hat der Rat am 2. Oktober 1995 angenommen. 100 Auf der Grundlage dieses Kodex werden der Öffentlichkeit auf Antrag die Ratsprotokollerklärungen zur Verfügung gestellt, die bei der endgültigen Verabschiedung eines legislativen Rechtsaktes abgegeben werden. Ohnehin werden bei gesetzgeberischer Tätigkeit des Rates die Abstimmungsprotokolle gern. Art. 7 Abs. 5 GO-Rat veröffentlicht. Von der Möglichkeit des Rates, die Veröffentlichung ausnahmsweise auszuschließen, hat der Rat bisher keinen Gebrauch gemacht, tatsächlich werden die Abstimmungsprotokolle inzwischen regelmäßig veröffentlicht. 101 Gern. Art. 7 Abs. 5, 1. SpStr., Satz 2, 2. SpStr. GO-Rat gilt die Regelveröffentlichung auch für die Festlegung der Gemeinsamen Standpunkte und die Beschlüsse im Vermittlungsausschuß. Das Recht des Rates, sich ggf. auch gegenüber dem EP auf die Nichtöffentlichkeit seiner Beratungen zu berufen, 102 ist damit deutlich eingeschränkt. Besetzung wie Verfahren des Rates sind also geprägt von typischen demokratischen Elementen. Die konkrete Ausgestaltung des EG-Vertrages sieht ein System demokratischer Legitimation vor, das für das hierauf basierende Geschäftsordnungs- und Interorganrecht maßstabbildend ist.
98 AB!. 1993, Nr. L 340/43. Das Gericht erster Instanz billigt dem Ratsbeschluß - anders als dem Verhaltenskodex - Norrnqualität zu, EuGHE 1995 11, 2767 (2788, Rz. 62). 99 AB!. 1993, Nr. L 340/41. Bereits in der Interinstitutionellen Erklärung über Demokratie, Transparenz und Subsidiarität, AB!. 1993, Nr. C 329/134 hat sich der Rat zur Schaffung von Regelungen verpflichtet, die die Veröffentlichung und Erläuterung der Abstimmungsergebnisse, auch bezüglich Gemeinsamer Standpunkte, gewährleisten. 100 Bandillal Hix, Demokratie, Transparenz und Bürgerrechte in der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1997, 1217 (1218). 101 BandillalHix, Demokratie, Transparenz und Bürgerrechte in der Europäischen Gemeinschaft, NJW 1997, 1217 (1218) unter Hinweis auf die Erklärung des Rates, auch in Zukunft nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 7 Abs. 5, 1. SpStr., Satz I GO-Rat zurückzugreifen zu wollen. 102 Früher kam es durchaus vor, daß dem EP die Einsichtnahme in Ratsprotokolle verwehrt wurde, s. AB!. 1983, Nr. C 288/12; AB!. 1985, Nr. C 341/57 f.; AB!. 1986, C 106/32 unter Hinweis sowohl auf Art. 18 Abs. I GO-Rat a.F. [vom 24. Juli 1979, AB!. Nr. L 268/ I ff.] sowie auf Art. 3 Abs. 1 GO-Rat a.F., der Art 4 Abs. 1 GO-Rat (1993) entspricht. Zur Berufung des Rates auf Art. 4 Abs. I GO-Rat, insbesondere in Abstimmungsfragen Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 145 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 8.
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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b) Der Ausschuß der ständigen Vertreter Unterhalb der politischen Leitungsebene kommt der permanenten Arbeitsebene eine faktisch bedeutende Rolle bei der komplizierten und zeitaufwendigen Aushandlung und Abgleichung nationaler Positionen zu. Angesprochen ist damit der im Normalfall ein- bis zweimal wöchentlich tagende 103 Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV; Comite des Representants Permanents). Die historische Entwicklung dieses Gremiums zeigt, daß die Notwendigkeit eines Verwaltungsunterbaus bereits unmittelbar mit Gründung der Gemeinschaften erkannt wurde. Die Entwicklung des Gremiums war zunächst eine rein tatsächliche, die im Laufe der Zeit zunehmend stärkere rechtliche Verankerung - zunächst in der Geschäftsordnung des Rates, später auch im primären Gemeinschaftsrecht, erfuhr. 104 Gern. Art. 207 Abs. 1 Satz 1 EGV 105 obliegt es dem AStV, die Arbeiten des Rates vorzubereiten und die ihm vom Rat übertragenen Aufträge auszuführen; außerdem darf er nach Maßgabe des durch den Amsterdamer Vertrag geschaffenen Art. 207 Abs. 1 Satz 2 EGV in Fällen, die in der Geschäftsordnung des Rates noch festzulegen sind, selbst Verfahrensbeschlüsse fassen. Ein dem Rat zugeleiteter Entwurf wird zunächst an den AStV überwiesen, dieser befaßt sich im Regelfall allerdings zunächst nicht selbst mit der Vorlage, sondern leitet ihn zur Vorbereitung den von ihm eingesetzten Unterausschüssen oder Arbeitsgruppen ZU. 106 In den Arbeitsgruppen des AStV werden nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 2 GO-Rat vorbereitende Arbeiten und Untersuchungen durchgeführt; dem AstV sollen gern. Art. 20 GO-Rat die hieraus resultierenden Berichte vor der Tagung vorliegen, auf der sie geprüft werden. Der AStV bemüht sich dann gern. Art. 19 Abs. 1 Satz 3 GO-Rat, auf seiner Ebene Einvernehmen zu erzielen, so daß er den jeweiligen Text dem Rat zur Annahme unterbreiten kann. In der Erklärung für das Ratsprotokoll zu Art. 20 GO-Rat wird ferner die Pflicht statuiert, daß die Berichte der Arbeitsgruppen und die sonstigen Dokumente, die dem AStVals Beratungsgrundlage dienen, den Mitgliedstaaten so rechtzeitig zu übermitteln sind, daß sie geprüft werden können. Zwar ist eine Delegation der formellen Entscheidungs- und Legitimationszuständigkeit auf den AStV - geschweige denn auf die Arbeitsgruppen - bis auf Verfahrensbeschlüsse i. S. d. 103
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Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6th ed. 1995, p. 55. Umfassend zur historischen Entwicklung Hayes-Renshaw / Lequesne / Mayor Lopez,
The Permanent Representations of the Member States to the European Comrnunities, JCMS 1989, 119 (120 f.); Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (419 f.). 105 Art. 151 Abs. 1 EGVa.F. 106 Bieber; in: Beutler I Bieber I Pipkorn I Streil, Die Europäische Union, 4. Auf!. 1993, 4.3.4.3. (S. 138) mit Hinweis darauf, daß gerade hier die Prüfung der Vorlagen besonders zeitaufwendig ist, obwohl häufig die gleichen Experten befaßt werden, die bereits von der Kommission bei Erarbeitung ihrer Vorschläge konsultiert wurden; s. hierzu auch unten Kap. 1, B.1.2.a) (S. 66 f.); Kap. 2, B.lY.l.b)bb) (S. 216 f.). Zu der mehrfachen Befassung von Vertretern der nationalen Exekutive auch Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6th ed. 1995, p. 55, 78 f.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Art. 207 Abs. 1 Satz 2 EGV unzulässig, allerdings kann eine bereits auf dieser Ebene erzielte Einigung maßgeblich für die endgültige Entscheidung sein. Dies ist insbesondere im Rahmen des vereinfachten Verfahren nach Art. 2 Abs. 6 GO-Rat der Fall - hierbei werden beispielsweise Verfahrensfragen und Themen eher technischer Natur dem Rat als sog. "A-Punkte" der Tagesordnung unterbreitet und dort ohne weitere Beratung summarisch beschlossen.107 Auf diese Weise werden etwa zwei Drittel aller Beschlußvorlagen erledigt. 108 Da der Rat aber in allen Sachfragen die Entscheidung durch förmliche Beschlußfassung legitimiert, ist ein Verstoß gegen die Kompetenzordnung des EG-Vertrages nicht gegeben. Demokratietheoretisch bedenklich ist es indes durchaus, wenn - und dies kommt vor lO9 - ein Kommissionsentwurf in der Arbeitsgruppe des Rates genehmigt wird, den AStV und anschließend den Rat als "A-Punkt" durchläuft, ohne daß sich je ein deutscher Politiker inhaltlich mit der Vorlage befaßt hat. 110 Während das bisher dargestellte Veifahren die Bedeutung des AStV für die europäische Rechtsetzung illustriert, kann die Besetzung des Gremiums Aufschluß über die Rückkoppelung an die Mitgliedstaaten geben. Im AStV wird die Position der Mitgliedstaaten von Mitgliedern der Ständigen Vertretung bei der Europäischen Union wahrgenommen. Die Ständigen Vertretungen, die von allen Mitgliedstaaten in Briissel eingerichtet wurden,111 sind als assoziierter Teil des Rates in die rechtsetzende Tätigkeit der EU integriert II 2 und bilden die zentrale Verbindungsstelle
107 Bieber, in: Beutler 1Bieber 1Pipkorn 1 Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, 4.3.4.3 (S. 138); Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 148 (Stand der Bearb. Mai 1995) Rdnr 16. Bedenken gegen dieses Verfahren bestehen insoweit nicht, als eine Einigung bereits im AStVerzielt wurde und auch im Rat gern. Art. 2 Abs. 6 Satz 2 GO-Rat Meinungen und Erklärungen abgegeben werden können, die zu einer Absetzung von der Tagesordnung gern. Art. 2 Abs. 7 GO-Rat führen können. Außerdem werden Stellungnahmen des EP in aller Regel nicht unter Punkt A, sondern unter Punkt B der Tagesordnung behandelt, s. Anwort des Rates v. 8. April 1968, ABI. 1968, Nr. C 36/12. Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 EGV (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 24 weist allerdings darauf hin, daß der Vorsitzende des Rates zwar die wichtigsten Empfehlungen der vorangegangenen Sitzungswoche des EP aufgreift und sie "der besonderen Aufmerksamkeit des Rates" empfiehlt. Dennoch finde eine Aussprache nur vereinzelt statt. 108 Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 192. 109 So Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234 unter Hinweis auf Gesprächspartner aus dem Bundestag. 110 Was Sitzungen des Europäischen Rates anbelangt, so ist die Bedeutung des AStVetwas reduziert: Bei der Vorbereitung des Gipfels wird der Mitgliedstaat, der die Präsidentschaft innehat, neben dem Generalsekretariat von der sog. "Antici-Gruppe" unterstützt, s. Bulmer/ Wessels, The European Council: Decision-Making in European Politics, 1989, S. 52 ff., 107 f. Die Antici-Gruppe ist etwa für die Aufstellung der Tagesordnung und für Vorschläge, welche Themen in der Sitzung und welche informell zu behandeln sind, zuständig. 111 Hayes-Renshaw/Lequesne/Mayor Lopez, The Permanent Representations of the Member States to the European Communities, JCMS 1989, 119 (121); die BRD richtete ihre Ständige Vertretung als letzte der Gründungsmitglieder im Juni 1958 ein.
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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zwischen nationaler und supranationaler Ebene. 113 Der AStV besteht aus zwei Teilen, dem Kollegium der Ständigen Vertreter und dem ihrer Stellvertreter; für den Agrarbereich hat sich außerdem der Sonderausschuß Landwirtschaft entwickelt. 114 Der AStVerhält seine Weisungen aus den nationalen Hauptstädten, in denen in verschiedenen Gremien und Verfahren Verhandlungsdirektiven erarbeitet werden. 115 Die spezifischen deutschen Besetzungs- und Verfahrensweisen werden an späterer Stelle näher erläutert. 116 112 Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (430). Sie genießen somit einen weiterreichenden Status zum einen als die Ständigen Delegationen der gern. Art. 310 EGV (= Art. 238 EGVa.F.) assoziierten Staaten und die Gesandtschaften von Drittstaaten, zum anderen als die deutschen Länderbüros - zu den gescheiterten Bestrebungen der Länder, den Büros diplomatischen Status und Außenvertretungskompetenz zuzubilligen vgl. § 8 EUZBLG und als der deutsche Länderbeobachter, der als Mitglied der deutschen Delegation vom AA abgeordnet und diesem weisungsgebunden ist. Ob es sich beim AStV um ein Ratsgremium i. S. d. § 6 EUZBLG handelt, zu dem dann Ländervertreter hinzuzuziehen wären, ist nicht völlig unumstritten, dafür Schede, Bundesrat und Europäische Union, 1994, S. 97; krit. Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (438 f.). 113 Bieber, in: Beutler I Bieber I Pipkorn I Streil, Die Europäische Union, 4.3.4.3. (S. 137): "Schaltstelle"; Hans Peter lpsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee I Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VII, 1992, § 181, Rdnr. 28: "Verbindungseinrichtung"; Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (431): "Schnittstelle". 114 Parallel existieren gern. Art. 25 EUV (Art. J.8 Abs. V EUV a.F.) für den Bereich der GASP ein aus den politischen Direktoren der staatlichen Außenministerien gebildetes Politisches Komitee und für den Bereich Inneres und Justiz gern. Art. 36 EUV (Art. K.4 EUV) ein aus hohen Beamten bestehender Koordinierungsausschuß. Die bereits von Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 192 f., erwogene Einrichtung eines zusätzlichen, mit Staatssekretären aus dem Amt der Regierungschefs zu besetzenden Teil III ist zwar für die von ihm u. a. als Anwendungsbereich vorgeschlagenen Aufgaben, für die nach den Verträgen keine hinreichende Handlungsgrundlage zur Verfügung steht, abzulehnen. Das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung gilt auch für den AStV, auch wenn er in Art. 7 Abs. I EGV (= Art. 4 Abs. I EGVa.F.) nicht als eines der Gemeinschaftsorgane genannt wird, das nur nach Maßgabe der ihm vertraglich zugewiesenen Befugnisse handelt. Unbedenklich wäre demgegenüber die Einrichtung eines Teils III mit Zuständigkeit für solche Aufgaben, die wegen ihres politischen Gewichts nicht auf der Ebene der Stellvertreter behandelt werden sollen. Der Vorteil könnte aus deutscher Perspektive darin liegen, daß der Europastaatssekretär des Bundeskanzleramtes als Vertrauter der Regierungsspitze politsche Meinungsverschiedenheiten präziser beurteilen könnte und daß einer zu starken Betonung der Ressortineressen entgegengewirkt werden könnte. 115 Hayes-Renshaw / Lequesne / Mayor Lopez, The Permanent Representations of the Member States to the European Communities, JCMS 1989, 119 (129) mit einem Überblick zu den Systemen interministerieller Koordination in den Mitgliedstaaten; Regelsberger/Wessels, Entscheidungsprozesse Bonner Europapolitik - Verwalten statt Gestalten?, in: Hrbekl Wesseis, EG-Mitgliedschaft: Ein vitales Interesse der Bundesrepublik Deutschland?, 1984, 469 (480 ff.). 116 s. u. Kap. 3, A.III. (S. 244 ff.).
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Wie gezeigt, handelt es sich bei dem Prinzip der Demokratie und bei dem der Gewaltenteilung um einen Typus; entscheidet sich wie vorliegend das europäische Primärrecht ausdriicklich für die mittelbare Volksrepräsentation in dem eher national orientierten Organ Rat und für unmittelbare Repräsentation in dem supranational ausgerichteten EP, so bestehen hiergegen keine grundsätzlichen demokratietheoretischen Bedenken. Aus europarechtlicher Sicht bedeutet - wie auch nach dem Grundgesetz in dessen Geltungsbereich - verfassungsgemäße, respektive primärrechtliche Legalität zugleich demokratische Legitimität. 117
4. Die Legislative im institutionellen Gleichgewicht der Union
a) Das europäische Gewaltenteilungsmodell des EG-Vertrages Nachdem mithin geklärt ist, daß sich generelle Bedenken gegen die Eignung des Europäischen Parlaments und des Ministerrates zur Vermittlung demokratischer Legitimation nicht halten lassen, kann die Berechtigung der derzeitigen Ausgestaltung, namentlich das Zuriicktreten des Europäischen Parlaments in der legislativen Funktion, anhand "des" europäischen Gewaltenteilungssystems erläutert werden. Voraussetzung hierfür ist, daß eine solches System überhaupt existiert. Die Zuordnung der Funktionen an die Organe Parlament, Rat und Kommission stellt sich - anders als die klar abgegrenzte Rechtsprechungsaufgabe des EuGH - als stark verzahnt dar. Dies wird deutlich, wenn man beriicksichtigt, daß nach dem EG-Vertrag dem Parlament beratende Mitwirkungsfunktionen zukommen, daß der Rat die gesetzgebende Gewalt sowie wichtige Regierungs- und Verwaltungsbefugnisse auf sich vereinigt, während der Kommission Teile der gesetzgebenden Gewalt, Ansätze von Regierungsbefugnissen sowie ein Großteil der Verwaltungsbefugnisse zustehen und sie insgesamt die kontrollierende Funktion als "Hüterin der Verträge" innehat. 118 Erkennbar ist das Gemeinschaftsrecht damit nicht von einem Grundsatz der Gewaltenteilung geprägt, der einem idealtypischen Schema Legislative - Exekutive - Judikative entspräche. Gleichwohl existiert ein System an "Checks and Balances", das der EuGH als "institutionelles Gleichgewicht" kennzeichnet. 1l9 Dieses Prinzip wird teilweise als Surrogat des auf der Gemeinschaftsebene fehlen117 BVerfGE 62, 1 (43); Herzog, Stellung des Bundesrates im demokratischen Rechtsstaat, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 44 Rdnr. 25 f.; Kluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 84. 118 Oppermann, Europarecht, 1991, Rdnm. 227 ff., 278 ff., 290; Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr. 925; Hummer, in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, vor Art. 155 (Stand der Bearb. Nov. 1988), Rdnr. 13. 119 EuGHE 1958, 11 (44); EuGHE 1958,51 (82); EuGHE 1970, 1161 (1171, Rz. 4); EuGHE 1982, 245 (262, Rz. 16); EuGHE 1984, 1749 (1756, Rz. 4); EuGHE 1990 I, 2041 (2072, Rz. 21 f.); EuGHE 1992 I, 4593 (4621, Rz. 16); EuGHE 1994 1,2081 (2085, Rz. 4).
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den Gewaltenteilungsprinzips 120 gewertet, als nonnatives, justiziables Kriterium zur Beurteilung der Zu lässigkeit oder Unzulässigkeit von Änderungen der vertikalen und der horizontalen Kompetenzverteilung, 121 aber auch als bloße Leerfonnel. 122 Als Leerfonnel mag der Grundsatz erscheinen, wenn man berücksichtigt, daß in vielen Fällen auch ohne Rückgriff auf das institutionelle Gleichgewicht das Ergebnis kein anderes wäre, da es sich ohnehin aus der konkreten Kompetenzordnung des EG-Vertrages ergibt. Tatsächlich rekurriert der EuGH in aller Regel auf den Grundsatz, um die Gemeinschaftsorgane an die ihnen durch das Vertragsrecht verliehenen Zuständigkeiten zu erinnern und auf deren Einhaltung zu drängen. 123 Dies ist vor dem Hintergrund von Art. 7 Abs. 1 Satz 2 EGV 124 der zutreffende Ansatz. Die Bestimmung legt fest, daß jedes Organ nach Maßgabe der ihm in diesem Vertrag zugewiesenen Befugnisse handelt. Damit ist eine klare primärrechtliche Entscheidung für einen nonnativen Ansatz getroffen, d. h. für die Maßgeblichkeit der Kompetenzordnung des EG-Vertrages. 125 Vor diesem Hintergrund ist es ausgeschlossen, dem Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts weiterreichende Aussagen zu entnehmen. Ein methodischer Fehlschluß ist es, den Begriff zur wertenden Umschreibung der Verhältnisse der Organe zu verwenden und daraus weitergehende Befugnisse und Rechtsfolgen herzuleiten. 126 Ausgehend von einer geschriebenen Zuständigkeit kann das Prinzip aber als Auslegungshilfe für die möglichst effektive Verwirklichung der Kompetenz herangezogen werden,127 zugleich 120 Hummer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, vor Art. 155 (Stand der Bearb. Nov. 1988), Rdnr. 14. 121 Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr. 925, zurückhaltender Rdnr. 940. 122 So Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 177 ff.; ebenfalls Bieber, in: Groeben I Thiesing I Ehlermann, EWGV, 4. Auf!. 1991, Art. 4 Rdnr.47. 123 EuGHE 1958, 11 (44); EuGHE 1958, 51 (82) - "Meroni"; EuGHE 1975, 1193 (1202, Rz. 8) unter Annahme eines Verstoßes gegen das vertraglich vorgesehene Gleichgewicht zwischen den Organen, wenn ein Richter im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Aufgaben anstelle der Kommission wahrnimmt. EuGHE 1981, 2639 (2654, Rz. 20); EuGHE 1990 1,2041 (2072, Rz. 21). 124 Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGVa.F. 125 Entsprechend für die gesamte Europäische Union Art. 5 EUV (Art. E EUVa.F.), der Befugnisse der Organe nur nach Maßgabe der existierenden Gründungsverträge und der nachfolgenden Änderungsakte einräumt. 126 Bieber, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, 4. Auf!. 1991, Art. 4 Rdnr. 6,47. So bereits allg. Mill, System der deductiven und inductiven Logik, 4. Auf!. 1877, S. 217 f.; zust. Leiminger, Die Problematik der Reinen Rechtslehre, 1967, S. 12 f.; Schnapp, Der Online-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBI. 1990, 186 (189). 127 So wird z. B. eine Pflicht zu erneuter Anhörung des EP im Falle wesentlicher Änderung des Kommissionsvorschlags oder erheblicher Abweichung des Rates angenommen, obwohl das Primärrecht nur eine Anhörung vorschreibt, EuGHE 1982, 245 (262). Begründet wird dies damit, daß die Anhörung des EP eine wirksame Beteiligung am Rechtsetzungsver-
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I. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
lenkt es den Blick auf die notwendige Wahrung der geschriebenen Kompetenzen anderer Organe. 128 Es erinnert ferner daran, daß das Kompetenzgefüge der Union durch Verhandlungen und Kompromisse der Mitgliedstaaten geschaffen wurde, und daß es aus diesem Grunde auch bei Untersuchung einzelner Zuständigkeiten immer als Ganzes zu betrachten ist. Der Inhalt des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts ergibt sich letztlich aus der genetischen, systematischen und teleologischen Betrachtung der einschlägigen Kompetenznormen. Insoweit - quasi als Reflex der positiv geregelten und hermeneutisch interpretierten Organbeziehungen - kommen dem Prinzip des institutionellen Gleichgewichts normative Wirkungen zu. Wenn dem Prinzip i.Y.m. Art. 7 EGV I29 dagegen beispielsweise entlehnt wird, daß alle Organe gleichmäßig an der Aufgabenerfüllung der Gemeinschaft teilhaben müssen,130 dann handelt es sich hierbei nicht um einen normativen Anspruch, sondern lediglich um eine verfassungspolitische Zielvorstellung - es sei denn, die gleichmäßige Teilhabe läßt sich im Einzelfall auf die konkrete Kompetenzordnung zurückführen. Dem Gemeinschaftsrecht sind also - wie auch dem nationalstaatlichen Recht l3l - ausschließliche Funktionszuordnungen an bestimmte Organe fremd. Besonders stark ausgeprägt ist demgegenüber der Gedanke der Verschränkung und Ergänzung der Funktionen. 132 Hintergrund der so strukturierten europäischen Funktionenordnung ist, daß ihr Ziel nicht wie auf der nationalen Ebene auch in der Mäßigung der Staatsgewalt zur Gewährleistung von Individualschutz besteht,133 vielmehr geht es ganz wesentlich um die Abgrenzung der Machtsphären von Europäischer Union und Mitgliedstaaten. 134 Das gerade hier die Notwendigkeit nach einer Balanciefahren ermögliche und insoweit einen wesentlichen Bestandteil des durch die Verträge angestrebten institutionellen Gleichgewichts darstelle. 128 EuGHE 1990 I, 2041 (2072, Rz. 22). 129 Art. 4 EGVa.F. 130 So EuGHE 1982,2545 (2573, Rz. 6); in der Vorauf!age noch Grabitz, in: Grabitz I Hilf, Art. 4 (Stand der Bearb. Mai 1986) Rdnr. 3; streng normativ dagegen nunmehr Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 4 (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr.6. 131 Bereits Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Auf!. 1914, S. 615 weist darauf hin, daß in keiner Rechtsordnung scharfe Trennlinien anders als in der Theorie möglich sind; die wirkliche Staatsordnung müsse von einem System der checks and balances gekennzeichnet sein. Im einzelnen s.u. Kap. 2, A.I.1. (S. 103 ff.). 132 Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 175; Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr. 923, "gewaltenvermengend". J33 Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr. 924; Kirchner/Haas, Rechtliche Grenzen für Kompetenzübertragungen auf die Europäische Gemeinschaft, JZ 1993, 760 (768). 134 Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 175 f., der dies am Beispiel der "unitaristischen" Kommission mit ihrem Initiativmonopol und ihrer technisch-politischen Schlüsselrolle bei der Rechtsetzung im Verhältnis zum "föderalistischen" Rat samt seiner grundlegenden Entscheidungsbefugnis über die Verwirklichung der Vertrags ziele verdeutlicht.
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rung der Kräfte besteht, gründet in der Supranationalität der Union und in ihrer nach wie vor bestehenden mitgliedstaatlich vermittelten Legitimation und Rückbindung. Im Spannungsverhältnis zwischen Vergemeinschaftung und mitgliedstaatlicher Souveränitätsbewahrung gilt es, durch die Funktionenordnung die optimale Funktionsfähigkeit der Gemeinschaft und die "Bivalenz der Organzuständigkeiten" zu sichern. 135 Gegen die Verpflichtung aller Organe auf die Ziele der Gemeinschaft und deren größtmögliche Effizienz läßt sich zu bedenken geben, daß dies den Keim einer monistischen, unitaristisch ausgerichteten Gewaltenverbindung in sich trägt. 136 Jedenfalls mit Blick auf das Kräfteverhältnis zwischen Rat und Europäischem Parlament geht diese Befürchtung aber an der derzeitigen Sachund Rechtslage vorbei. Solange die Mitgliedstaaten über den Fortgang der Integration entscheiden, die Gemeinschaftsgewalt mitgliedstaatlich vermittelt und der mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzte Rat das Hauptlegislativorgan ist, besteht (trotz der Verpflichtung auf die Gemeinschaftsinteressen) kaum die Notwendigkeit, den Rat vor einer überwiegenden Einflußnahme des EP zu schützen. Grundsätzlich ist beim derzeitigen Integrationsstand ein Organ wie der Rat, der die nationalen Interessen und das Subsidiaritätsprinzip wahrt, allerdings unabdingbar. Im institutionellen Gleichgewicht der Europäischen Union ist auch die nationale Beteiligung notwendiger Bestandteil. Hinsichtlich der diesbezüglichen innerstaatlichen Ausgestaltung und Zuständigkeits verteilung enthält es keine grundsätzlichen Vorgaben und steht damit dem zuvor angenommenen, auf den Grundgedanken des Art. 79 Abs. 3 GG gestützten Kompensationsbedürfnis zugunsten des Deutschen Bundestages nicht entgegen.
b) Auslegung des Art. 10 EGV l37 Das zuvor ermittelte tragende Ziel des institutionellen Gleichgewichts, im Spannungsverhältnis von Gemeinschaftsinteresse und nationaler Souveränität optimalen Interessenausgleich zu gewährleisten, ist bei der Auslegung des Art. 10 EGV 138 prägend. Die Norm gibt den Mitgliedstaaten auf, alle geeigneten Maßnahmen zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen zu treffen, der Gemeinschaft die Erfüllung ihrer Aufgabe zu erleichtern und alle Maßnahmen zu unterlassen, welche die Verwirklichung der Vertragsziele gefährden könnten. Diese Vorschrift ist für 135 EuGHE 1981, 1045 (1074, Rz. 23); Schweitzer/Hummer; Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr.924. 136 So Brenner; Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, 176, dessen Perspektive die des Nationalstaates ist und der mit Blick auf die gemeinschaftsrechtliche Ebene nur den "Unitarismus" konstatiert, ohne indes zwischen dem demokratisch legitimierten und demokratische Legitimation vermittelndem EP einerseits und der Kommission andererseits zu differenzieren. 137 Art. 5 EGVa.F. 138 Art. 5 EGVa.F.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
die Frage der nationalen Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung von zentraler Bedeutung - vornehmlich stützt sich europarechtlich fundierte Kritik gegen nationale Beteiligungsrechte auf eine behauptete Unvereinbarkeit mit Art. 10 EGv. 139 Die aus Art. 10 EGy 140 resultierende Pflicht für einen Mitgliedstaat, die Funktionsfähigkeit des Rates zu gewährleisten, gilt allerdings nicht unbeschränkt. So ist die Forderung, daß die Instruktionen an die Staatenvertreter im Rat ausschließlich auf die Ziele der Gemeinschaft gerichtet sein dürften und daß diese selbst immer im Interesse der Gemeinschaft handeln und kooperieren müßten l41 , mit dem konkreten institutionellen Gleichgewicht der Europäischen Union unvereinbar. Dementsprechend wird auch in der Rechtsprechung des EuGH die Wahrung des Gemeinschaftsinteresses vorrangig bei der Kommission angesiedelt, während es dem Begriff der Gemeinschaft entspreche, daß im Rahmen der kollektiven Beratungsmechanismen die Mitgliedstaaten ihre Interessen geltend machten. 142 Soweit sogar für das nationale Parlament aus Art. 10 EGy 143 Konsultations- und Stillhaltepflichten bezogen auf die interne Rechtsetzung abgeleitet werden, sind diese allenfalls höchst zuriickhaltend zu bejahen, zumal der Vorrang des Gemeinschaftsrechts Konflikte auf dieser Ebene regelmäßig befriedigend löst. 144 Das dem institutionellen Gleichgewicht entsprechende restriktive Verständnis von Art. 10 EGy 145 wird durch die Zusammenschau mit Art. 203 EGy 146 gestützt, 139 Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (203); Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen Europa-Artikel des Grundgesetzes, DVBI. 1993, 936 (946). Für Unvereinbarkeit eines "doppelten Parlamentsvorbehaltes", d. h. einer über Art. 23 Abs. 3 GG hinausgehenden zusätzlichen Bindung der im Bundesrat mitwirkenden Landesregierungen an die Auffassungen der Landtage, mit Art. 10 EGV: Hilf, Europäische Union: Gefahr oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz?, VVDStRL 53 (1994), 8 (91). 140 Art. 5 EGVa.F. 141 Temple Lang, Community Constitutional Law: Art. 5 EEC Treaty, CMLR 27 (1990), p. 645 (663); so noch Mathijsen, A Guide to European Community Law, p. 28: "the represantatives constitute an institution of the Communities and as such, they must always act in the community interest", unter zutreffender Berücksichtigung der Doppelfunktionalität aber in der 6. Aufl. 1995, p. 51. 142 EuGHE 1973, 321 (341, Rz. 17) - "Westzucker"; zustimmend v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 5 EGV (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr. 77. Der Forderung von Europäischem Parlament und Kommission, daß die Mitgliedstaaten im Rat zu Kompromissen und zur Überstimmung von Minderheiten bei sich abzeichnender Mehrheit verpflichtet seien, hat der EuGH zwar nicht explizit stattgegeben, allerdings hat er in EuHGE 1985, 1513 (1576, 1596 Rz. 48) betont, daß sich der Rat bei Unterlassung von Maßnahmen nicht rechtfertigend auf objektive Schwierigkeiten bzgl. der Kompromißfindung berufen könne. Insoweit wird eine Pflicht zur Kooperation angenommen. 143 Art. 5 EGVa.F. 144 v. Bogdandy, in: Grabitz / Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 5 EGV (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr. 72 f. 145 Art. 5 EGVa.F.
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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der den Rat gerade als Organ mit Doppelfunktionalität einsetzt. Zwar ist zu bedenken, daß die Regierungsvertreter nicht als "im Rat vereinigte Vertreter der Mitgliedstaaten",147 sondern nur in ihrer Eigenschaft als Gemeinschaftsorgan Ministerrat formell europäische Rechtsakte beschließen können. Dennoch weist die Inbezugnahme nationaler Vorschriften der Mitgliedstaaten in Art. 203 EGV I48 darauf hin, daß im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht die Wahrung der nationalen Verfassungen von Staatenvertretern verfolgt wird. 149 Die Grenze der Verfolgung nationaler Interessen ist die Lähmung und drohende Handlungsunfähigkeit der Gemeinschaft. 150 Darüber hinaus enthält die Vorschrift - hierauf sei an dieser Stelle bereits hingewiesen l51 - entgegen teilweise vertretener Auffassung keine konkrete Pflicht für den nationalen Verfassungsgeber zu bestimmten Erweiterungen oder Reduktionen der Befugnisse der nationalen Parlamente. Es verbietet sich lediglich eine Obstruktion dergestalt, daß der Ratsvertreter durch das nationale Verfassungsrecht so streng gebunden wäre, daß er zur Verhandlungsführung und Kompromißfindung vollständig außer Stande wäre. Mehr gebietet Art. 10 EGV I52 indes nicht. Dort etwa, wo die Verträge einstimmige Beschlußfassung vorsehen, ist die Zustimmungsversagung aus wichtigen sachlichen Gründen legitim - die Berufung auf die nationale Verfassung und nationale parlamentarische Vorgaben ist dabei kein beliebiger sachlicher, geschweige denn willkürlicher Grund. 153 Festzuhalten ist, daß die Rücksichtnahmepflicht eine gegenseitige ist, d. h. auch die Union hat ihrerseits die verfassungsrechtlichen Interessen der Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. 154 Damit wäre es beispielsweise unvereinbar, die bloße frühArt. 146 EGVa.F. Bieber, in: Beutier/Bieber/Pipkorn/Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, 4.3.5 (S. 138), 6.2.6.2 (S. 201 f.) zur Möglichkeit dieser Konferenz der Staatenvertreter, sog. "uneigentliche Ratsbeschlüsse" zu fassen, die zum Gemeinschaftsrecht im weiteren Sinne gehören, soweit sie in den Verträgen vorgesehen sind. Dies ist etwa bei Ernennungen gern. Art. 214 Abs. 2 EGV (Art. 158 Abs. 2 EGVa.F.), Art. 223 Abs. 1 EGV (= 167 Abs. 1 EGV a.F.) und Sitzbestimmung der Organe gern. Art. 289 EGV (= Art. 216 EGVa.F.) der Fall. 148 Art. 146 EGVa.F. 149 Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 223; Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997,458 (462). 150 Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen EuropaArtikel des Grundgesetzes, DVBI. 1993,943 (946 f.); v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 5 EGV (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr. 78. 151 Näher s.u., Kap. 2, A.II.2.a)bb) (S. 116 ff.). 152 Art. 5 EGVa.F. 153 v. Bogdandy, in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 5 EGV (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnrn. 77 f.; Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997,458 (462 f.). 154 Streinz, Der Verfassungs staat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, DVBI. 1990, 949 (956); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 259; zurückhaltend bejahend auch Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, 146
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
zeitige Einbindung des nationalen Parlaments wegen Beeinträchtigung der Handlungsfähigkeit der Regierung als Verstoß gegen die Pflicht zur Gemeinschaftstreue i.S.v. Art. 10 EGV 155 anzusehen. 156 Auch die Verpflichtungen im Protokoll zum Amsterdamer Vertrag zur Information der einzel staatlichen Parlamente 157 sprechen deutlich gegen einen zu extensiv orientierten Ansatz bei der Auslegung des Art. 10 EGv. 158 c) Interinstitutionelle Vereinbarungen Im Rahmen des so verstandenen, durch die Verträge vorgegebenen institutionellen Gleichgewichts muß sich auch das interorganschaftliche Recht bewegen, d. h. die Regeln, nach denen das Zusammenwirken und Verfahren zwischen den Institutionen der Union abläuft. Die konkrete Ausgestaltung durch den EG-Vertrag wird in dem Folgeabschnitt B untersucht. Da dort interinstitutionelle Vereinbarungen Bedeutung erlangen, wird im folgenden Exkurs zunächst ein kurzer allgemeiner Überblick gegeben. Interinstitutionelle Übereinkünfte (Interorganvereinbarungen, Gemeinsame Erklärungen) können dem institutionellen Gleichgewicht zuwiderlaufen, denn die Kompetenzen und die gründungsvertraglichen Verfahrensregeln unterliegen nicht der Verfügungsbefugnis der Organe. 159 Trotz der Beschränkung der Organkompetenzen in Art. 7 Abs. I Satz 2 EGV 160 auf vertraglich zugewiesene Befugnisse und trotz des grundsätzlichen Fehlens ausdrücklicher Rechtsgrundlagen 161 für die Schaffung von Interorganrecht ist es nicht die Zulässigkeit von interinstitutionellen Vereinbarungen, gegen die Bedenken vorgetragen werden. Auch in der Praxis sind EuGRZ 1986,549 (550). Auch der EuGH anerkennt eine Pflicht zur gegenseitigen "Ioyalen Zusammenarbeit", EuGHE 1983,255 (287, Rz. 38). 155 Art. 5 EGYa.F. 156 Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen Europaartikel des Grundgesetzes, DYBI. 1993, S. 936 (946) m. w. N. und Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986,549 (551 f.) halten auf dieser Argumentationsbasis jedenfalls die Weisungsgebundenheit der Regierungsvertreter für ausgeschlossen; nach Ress schränkt Art. 5 EOYa.F. (Art. 10 EGY n.F.) die Autonomie zur Ausgestaltung der nationalen Willensbildung ein. 157 S.U. Anhang IV. 158 Art. 5 EGYa.F. 159 EuGHE 1988, 855 (900, Rz. 38); SchweitzerlHummer; Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 939. 160 Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGYa.F. 161 Eine Ausnahme bildet Art. 218 Abs. 1 EGY (= Art. 162 Abs. 1 EGYa.F.), der Rat und Kommission zur einvernehmlichen Regelung der Art und Weise ihrer Zusammenarbeit auffordert. Im Haushaltsverfahren sieht Art. 272 Abs. 9 UAbs. 5 EGY (=Art. 203 Abs. 9 UAbs. 5 EGYa.F.) vor, daß EP und Rat einen neuen Höchstsatz für die Steigerung nicht-obligatorischer Ausgaben vereinbaren können.
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interinstitutionelle Vereinbarungen von ganz zentraler Bedeutung; 162 der EuGH selbst hat Konfliktparteien zur interinstitutionellen Lösung ihrer Streitigkeiten aufgefordert. 163 Umstritten ist vielmehr die rechtliche Qualifikation der Interorganabsprachen. Die Einordnung reicht von Vertragsrecht, Gewohnheitsrecht oder Verfassungskonventionalregeln über internes Organisationsrecht (durch Bündelung von Geschäftsordnungsakten) bis zu einer Vorstufe von "Soft Law".I64 Denkbar ist, da es sich um organgeschaffene Regeln handelt, ihre Einordnung als Gemeinschaftsrecht, und zwar im Hinblick auf die Rangstufe als Sekundärrecht. 165 Verbreitet ist allerdings auch die Annahme, daß Interorganvereinbarungen weder neues Gemeinschaftsrecht entstehen lassen noch bestehendes derogieren können. 166 Dem ist je4enfalls insoweit zuzustimmen, als mit "Gemeinschaftsrecht" das primäre Gemeinschaftsrecht gemeint ist; letzteres gibt die Grenzen der Selbstverpflichtung und des Verzichts der Organe auf ihnen zustehende Befugnisse auch für interinstitutionelle Vereinbarungen vor. 167 Die Bestimmung der Rechtsnatur ist hier nur insoweit von rechtlichem Interesse, als sich hieraus Antworten auf die Fragen nach den Rechtserzeugungsmodalitäten und nach den Rechtswirkungen der Vereinbarungen ergeben. 168 162 s. etwa die Gemeinsame Erklärung über die Einführung eines Konzertierungsverfahrens vom 4. März 1975, ABI. 1975, Nr. C 8911 f.; die Gemeinsame Erklärung über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens vom 30. Juni 1982, ABI. 1982, Nr. C 19411 ff.; die Interinstitutionelle Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens, ABI. 1993, Nr. C 3311 I ff.; die Interinstitutionelle Vereinbarung über die Verfahren zur Anwendung des Subsidiaritätsprinzips vom 25. Oktober 1993, BuliEG 1993/10, S. 125 f.; ebd. Vereinbarung über das Vermittlungsausschußverfahren; den Verhaltenskodex von Kommission und EP, ABI. 1995, Nr. C 89/69 f.; die Interinstitutionelle Vereinbarung über ein beschleunigtes Arbeitsverfahren für die amtliche Kodifizierung von Rechtstexten, ABI. 1996, Nr. C 102/2 f. 163 EuGHE 1986, 2155 (2212, Rz. 50), Gegenstand des Konflikts zwischen Rat und EP waren Abgrenzungsprobleme zwischen obligatorischen und nicht obligatorischen Ausgaben; s.a. EuGHE 1988,5323 (5359, Rz. 46). 164 Ausführl. Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 20 m. w. N.; Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 187 ff.; Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen im Europarecht, 1988, S. 52 ff. 165 So Schweitzerl Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 18. 166 Fugmann, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. A 11, Rdnr. 19. 167 Dem tragen interinstitutionelle Vereinbarungen herkömmlicherweise Rechnung, indem sie klarstellend darauf hinweisen, daß die im EG-Vertrag festgelegten Befugnisse unberührt bleiben, s. etwa Punkt 3 der Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die Verbesserung des Haushaltsverfahrens vom 29. Oktober 1993, ABl. 1993, Nr. C 33111 f.; s. auch Einleitung zum Verhaltenskodex von EP und Kommission vom 15. März 1995, ABI. 1995, Nr. C 89/69. 168 Allg. gegen Einordnungsversuche um ihrer selbst willen auch Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, S. 39 f.; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des
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Um eine mögliche Parallele zu den mehrseitigen Vereinbarungen zu ziehen, ist zunächst ein kurzer Überblick über das autonom gesetzte Organrecht hilfreich. Nicht anders als im deutschen Recht ist die Charakterisierung von Geschäftsordnungsrecht als unverbindlich, als Verfassungskonventionalregel, überholt. Eine solche Einordnung kann weder auf eine - der konstitutionellen Staatstheorie entstammende - Dichotomie von Innen- und Außenrecht, 169 noch auf die fehlende Unverbrüchlichkeit der Vorschriften gestützt werden. 170 Auch der EG-Vertrag selbst bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Regelungsrichtung einer Bestimmung als ausschlaggebend für ihre Beachtlichkeit zu sehen ist. l7l Insbesondere läßt sich eine Ausgrenzung des Binnenrechts nicht mit Art. 249 EGV 172 begründen: das Interorganrecht dient, da es die Funktionsfähigkeit der Organe zu gewährleisten bestimmt ist, zumindest mittelbar der Erfüllung der Aufgaben i. S. d. Art. 249 Abs. 1 EGv. l73 Ausschlaggebend für die Rechtssatzqualität ist, daß die geschäftsordnungsrechtlichen Bestimmungen nicht nach freiem Belieben disponibel sind, sondern nur im förmlichen Verfahren gern. Art. 163 GO-EP geändert werden können. l74 Wenn auch der Ministerrat selbst seiner Geschäftsordnung nur eine "orientierende Wirkung" beimißt, 175 erkennt doch der EuGH zutreffend ausdrücklich die Rechtsqualität von Geschäftsordnungsbestimmungen und ihre verpflichtende Wirkung für die Organ mitglieder an. l76 Hiervon zu unterscheiden ist die Frage nach den weiteren Adressaten der verbindlichen Wirkung, namentlich die Frage nach der Bindung anderer Organe. Da es in diesen Fällen an der Identität von Normgeber und Normunterworfenem fehlt, welche die erleichterte Abänderbarkeit der Geschäftsordnungsbestimmungen gern. Deutschen Bundestages, 1997, S. 62 ff. zur GO-BT; allg. Schnapp, Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996,418 (419). 169 Überwunden ist heute die vornehmlich von Laband und Georg Jellinek begründete Impermeabilitäts theorie, derzufolge innerhalb des Rechtssubjekts Staat keine Rechtsbeziehungen bestehen, mit der Folge, daß die staatliche Binnenstruktur dem Recht entzogen ist; hierzu Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 19 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 57 f., 120, 154 ff.; Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980),243 (245 f.). 170 Ausführ!. zur vergleichbaren Diskussion um die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages s.u. Kap. 2, B.n.I. und 3. (S. 187 ff.). 171 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 4 (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr. 33. l72 Art. 189 EGVa.F. 173 Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 66. 174 Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 152 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 14. l75 Parteivortrag des Rates in EuGHE 1988, 855 (884), zitiert in den Schlußanträgen von GA Lenz, Rz. 48; ähn!. Hamier, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EWGV, 4. Aufl. 1991, Art. 151 Rdnr. 15. 176 EuGHE 1988, 855 (902, Rz. 48); zust. Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992,S. 136.
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Art. 163 GO-EP nachvollziehbar macht, müssen Zweifel an der verbindlichen Außenwirkung bestehen. Das Europäische Parlament selbst ist indes der Auffassung, daß sein Selbstorganisationsrecht 177 zweierlei Arten von Handlungen erlaube: zum einen klassische Akte der internen Geschäftsverteilung, die sich nur an Organteile im Parlament richteten und ihren Rechtsgrund in der Geschäftsordnung hätten. Diese Maßnahmen entfalteten keine Wirkungen gegenüber Dritten. Daneben sei es aber auch zu Akten ermächtigt, die Rechtswirkungen gegenüber Dritten entfalteten und die wegen ihrer Eignung, höherrangiges Recht oder nationale Vorschriften zu verletzen, der gerichtlichen Kontrolle unterlägen. 178 Abgesehen von dem Umstand, daß die Bildung des Gegensatzpaares inkonsequent erfolgt - so wird die Außenwirkung anhand des materiellen Kriteriums der Eignung zur Rechtswirkung bestimmt, während sich die Innenwirkung nach dem formellen Kriterium der AdressatensteIlung richtet - ist die Differenzierung (wie auch im nationalen Recht) fruchtlos. Sie dient auch dem EuGH nur zur Umschreibung der unterschiedlichen Reichweite der Rechtswirkung von Funktionsnormen, nicht zur Unterscheidung zwischen fehlender bzw. vorhandener Rechtswirkung. 179 Gegen die Befugnis, regelmäßig auch mit Außenwirkung für andere Organe Geschäftsordnungsrecht setzen zu können, spricht der Wortlaut der primärrechtlichen Grundlagen der Geschäftsordnungsautonomie. Art. 199 Satz I, Art. 207 Abs. 3 Satz 1, Art. 218 Abs. 2 EGV I80 sehen jeweils vor, daß die Organe "sich" eine Geschäftsordnung geben. Anders als unter der Geltung des Grundgesetzes, das eine verfassungsrechtlich hervorgehobene Rolle des Bundestags als Mittelpunkt der Legitimations- und Handlungszusammenhänge statuiert und das daher unter bestimmten Voraussetzungen außenwirksames Geschäftsordnungsrecht möglich erscheinen läßt,181 ist eine solche Stellung des Europäischen Parlaments nach dem institutionellen Gleichgewicht (noch) nicht gegeben. Grundsätzlich besteht für alle Organe nur das Recht zur Regelung des eigenen Verfahrens und organinterner Angelegenheiten, nicht dagegen für Gegenstände, die sachlich oder personell außerhalb dieses Bereiches liegen. 182 Insbesondere ist es ausgeschlossen, daß einseitig Näher diesbzgl. zum nationalen Recht s.u. Kap. 2, A.III.2. (S. 139 ff.). EP-Resolution vorn 9. Oktober 1986, ABI. 1986, Nr. C 283/85. Für einen Doppelcharakter der GO-EP durch Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zu anderen Organen Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 142 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 4. 179 EuGHE 1988, 10170035, Rz. 8); EuGHE 1986, 1753 (1757, Rz. 11); Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 137. Ähnlich in bezug auf Innen- und Außenrecht im nationalen Bereich Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift für Menger, 1985, S. 211 (214). 180 Art. 142 Satz 1, Art. 151 Abs. 3, Art. 162 Abs. 2 EGVa.F. 181 So Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 138 ff.; Dreier, Regelungsforrn und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990, 310; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 116; a.A. Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnm. 22 ff.; ausführl. s.u. Kap. 2, B.II.4. (S. 197 ff.). 177 178
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Verpflichtungen mit konstitutiver Wirkung für andere Organe begründet werden, die ihrerseits die Organisations gewalt über ihre eigenen Angelegenheiten haben. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine primärrechtlich gewährleistete Kompetenz ansonsten vertragswidrig unterlaufen würde, mit anderen Worten, wenn es sich im Einzelfall um ein unabweisbares Funktionsbedürfnis l83 des Organs handelte. In jedem Fall können Geschäftsordnungsvorschriften und einseitig getroffene Maßnahmen erhebliche faktische Auswirkungen auf die Befugnisse anderer Organe haben. So determinieren interne Frist- und Verfahrensmodalitäten im Gesetzgebungsverfahren den Zeitpunkt, zu dem andere Verfahrens beteiligte mit der Ausübung ihrer Rechte beginnen können. Soll das Zusammenwirken mit anderen Organen geregelt werden, besteht damit die Möglichkeit, durch Normierung des eigenen Verhaltens für das andere Organ Befugnisse als "Angebot" einzuräumen. Der Übergang von autonomer Rechtsetzung zu interinstitutionellen Vereinbarungen ist dann gegeben, wenn ein Organ (im Wege der Geschäftsordnung) für ein anderes Befugnisse oder "Verpflichtungen" statuiert, die von dem in Pflicht genommenen Organ akzeptiert werden. Ob es sich hierbei um rechtliche oder bloße politische Vereinbarungen handelt, 184 hängt von der Auslegung im Einzelfall ab. Soweit Gemeinschaftsorgane zu vertraglichen Regelungen befugt sind, wovon auszugehen ist, sofern sie sich im Rahmen ihrer Kompetenzen bewegen und die Vereinbarungen der Effektivierung der Arbeitsabläufe und der Kooperation dienen, 185 kommt es maßgeblich auf den Rechtsbindungswillen der Organe an. Dieser Wille kann keinesfalls apriori verneint werden,186 vielmehr bedarf es der Auslegung aus der Perspektive eines objektiven Empfängers. Höchst fragwürdig ist die hierbei vielfach an den Tag gelegte restriktive Haltung - so wird Rechtsbindungswille teilweise nur angenommen, wenn sich hinreichend deutlich ermitteln läßt, daß die Mitglieder der Organe bereit sind, bei späterer Abweichung von der Ab182 Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 178 ff. zur Abgrenzung autonomer und heteronomer Funktionsrege1n im Gemeinschaftsrecht. 183 Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 164. 184 Für nur politische Wirkung der ehemalige Ständige Vertreter Deutschlands bei der EG, Ungerer, Die neuen Verfahren nach der Einheitlichen Europäischen Akte: Eine Bilanz aus der Ratsperspektive, Integration 1989,95 (103). 185 Für die Befugnis, Bindungen rechtsgeschäftlicher Art einzugehen Bleckmann, Europarecht, 6. Auf!. 1997, Rdnr. 475; Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen im Europarecht, S. 56; Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 189 ff. Restriktiver Hilf, Die rechtliche Bedeutung des Verfassungsprinzips der parlamentarischen Demokratie für den europäischen Integrationsprozeß, EuR 1984,9 (18 ff.), demzufolge Verträge zwar grundsätzlich zulässig, im Bereich der Abgrenzung von Kompetenzen jedoch ausgeschlossen sind. Dies ist aber nur insoweit überzeugend, als es um Verstöße gegen die geschriebene Kompetenzordnung geht. Innerhalb dieses Rahmens, der die Zusammenarbeit von Organen zwingend vorschreibt, bestehen keine rechtlichen Bedenken gegen eine nähere Ausgestaltung dieser primärrechtlich vorgegebenen Rechtsbeziehungen. 186 Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen im Europarecht, S. 59 f.
A. Die demokratische Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung
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sprache rechtliche Sanktionen, namentlich eine Verurteilung durch den EuGH, hinzunehmen. 187 Wenn etwa in einer Vereinbarung explizit die Verbindlichkeit für alle Unterzeichner festgeschrieben wird,188 dann bestehen an der rechtlichen Verbindlichkeit keine begriindeten Zweifel, auch wenn keine weiteren Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß die Organe sich über mögliche rechtliche Konsequenzen eines Zuwiderhandelns im Klaren waren. Unhaltbar ist regelmäßig die Annahme einer bloßen "Good-Will-Aktion".189 Keinesfalls ist es mit dem Gedanken der Organtreue, der auch im Gemeinschaftsrecht Geltung beansprucht,190 zu vereinbaren, wollte man ein Organ ganz unbedenklich zu willkürlicher Befolgung oder wahlweise auch Nichtbefolgung der Verhaltensregeln ermächtigt sehen. Was den Einwand anbelangt, Interorganrecht dürfe aus Griinden der Rechtssicherheit nicht die Vorgaben des Primärrechts relativieren,191 so ist zum einen zu beriicksichtigen, daß es nicht um eine Relativierung des Primärrechts geht, sondern um die Ausfüllung von Lücken der primärrechtlichen Kompetenzordnung. Zum anderen ließe sich Rechtssicherheit gerade durch Anerkennung der Rechtsverbindlichkeit des Interorganrechts für die Beteiligten schaffen. Auf den subjektiven Rechtsbindungswillen eines Organs kommt es dann nicht mehr an, wenn sich die Maßnahmen auf die jeweilige Ermächtigung zur Geschäftsordnunggsgebung zuriickführen lassen und sie dami t an der im EU-Vertrag wurzelnden normativen Wirkung partizipieren. 192 Tatsächlich ist es nicht unüblich, daß zunächst interinstitutionell Absprachen getroffen werden, die dann im förmlichen Verfahren der Geschäftsordnungsgebung angenommen werden. 193 187 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 4 (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr. 35. Zum feststellbaren Rechtsbindungswillen und nicht bloßem potentiellen Erklärungsbewußtsein als notwendiger Voraussetzung für die Erzeugung von Rechtswirkungen Fugmann, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EGWirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. A 11, Rdnr. 19. 188 So lautet z. B. Punkt 2 Abs. 2 Satz 2 der IV über Haushaltsdisziplin, ABI. 1993, Nr. C 33111 f.: "Die vereinbarte Haushaltsdisziplin ... ist für alle beteiligten Organe während der gesamten Laufzeit der Vereinbarung verbindlich." 189 So aber Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 37. Für die Annahme von Gemeinschaftsrecht mit Außenwirkung dagegen Bleckmann, Europarecht, 6. Auf!. 1997, Rdnr. 475. 190 Zur Bedeutung des Dialogs der Organe und deren "Pflicht zur redlichen Zusammenarbeit" - gerade im Zusammenhang mit interinstitutionellen Vereinbarungen - EuGHE 1988, 5323 (5359, Rz. 16); Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 29; Gauweiler, Die rechtliche Qualifikation interorganschaftlicher Absprachen im Europarecht, 1988, S. 115, 134. 191 Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 37. 192 Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 188, 193. 193 VgI. ABI. 1993, Nr. C 329/135, wo sich die Organe bereits in der Gemeinsamen Erklärung zur Annahme gemäß den internen Beschlußverfahren verpflichteten. Ein Beispiel für das Zusammentreffen mehrerer Modalitäten findet sich im Zusammenhang mit dem beschleunigten Arbeitsverfahren für die amtliche Kodifizierung von Rechtstexten, ABI. 1996, Nr. C 102/2 f.: Zunächst wurde eine interinstitutionelle Vereinbarung geschlossen. Zusätzlich gaben die Organe zu einzelnen Punkten der Vereinbarung gemeinsame Erklärungen ab,
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I. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Wenn die objektive Auslegung der Vereinbarung dagegen ergibt, daß eine Absprache als unverbindlich gewollt war, so ist nicht ausgeschlossen, daß ihr Inhalt später gleichwohl gewohnheitsrechtliehe Geltung annimmt. Hier ist neben der ständigen Praxis als subjektives Element die opinio iuris sive necessitatis, die Anerkennung als Recht, erforderlich. Zu letzterem wird herkömmlicherweise auch ein entsprechender Selbstbindungswille der Organe gerechnet. 194 Angesichts häufig fehlender einheitlicher Auffassung der EG-Organe l95 wird eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung selten angenommen. 196 Rechtlich relevant ist die Einordnung als (sekundäres) Gemeinschaftsrecht für die Rechtmäßigkeitskontrolle durch den EuGH. Dieser hat - über den unvollständigen Wortlaut l97 des Art. 220 EGV hinaus - nicht nur das primäre Gemeinschaftsrecht, sondern alle Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts einschließlich der allgemeinen Rechtsgrundsätze und des Gemeinschaftsgewohnheitsrechts zu berücksichtigen. 198 Zwar nennt nur Art. 31 EGKSV neben dem Gründungsvertrag auch die Durchführungsvorschriften als maßstabbildende Nonnkategorie für die gerichtliche Überprüfung. Daß dies aber keine weiterreichende Bedeutung hat als Art. 220 EGV, 199 erhellt aus Art. 173, 177 Abs. 1 Satz Ilit. b, c EGV,200 die ebenfalls auf Sekundärrechtsakte Bezug nehmen. Wahrend es sich nun beispielsweise bei Mißachtung eines obligatorischen Stellungnahmerechts des EP unstreitig um die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV 201 handelt, sind die Folgen einer Mißachtung des auf einer Interorganabsprache beruhenden Konzertierungsverfahrens 202 umstritten. 203 Trotz ferner erfolgte zu Punkt 5 der Vereinbarung noch ein Vorbehalt des EP im Wege einer einseitigen Erklärung. 194 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 4 (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdnr. 35. 195 Von einer politischen und moralischen Verbindlichkeit ohne Rechtsverpflichtung geht die Kommission aus, Anwort auf eine schriftliche parlamentarische Anfrage, ABI. 1977, Nr. C 180/18. Auch der Rat nimmt nur politische Verbindlichkeit an und verweist bzgl. der Frage nach rechtlicher Verbindlichkeit auf die Zuständigkeit des EuGH, ABI. 1977, Nr. C 2591 4. Die Möglichkeit, sich durch Negierung verbindlicher Wirkung - in Anlehnung an die völkerrechtliche Figur des "persistent objector", hierzu Heintschel von Heinegg, Das Gewohnheitsrecht, in: Ipsen, Volkerrecht, 3. Aufl. 1990, § 16 Rdnm. 35 ff. - einer solchen zu entziehen, ist im europarechtlichen Interorganverhältnis allerdings rechtlich bedenklich. 196 Gegen eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung des Konzertierungsverfahrens etwa Läufer, in: Grabitz 1Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearb. Mai 1995) Rdnr. 31; Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 42. 197 Schweitzer/Hummer; Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 447 werten den - in Art. 220 EGV n.F. unveränderten - Wortlaut des Art. 164 EGVa.F. als "in höchstem Maße unvollständig bzw. unzutreffend". 198 Geiger; EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 164 Rdnr. 18 ff.; Schweitzer/Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnrn. 260,447. 199 Art. 164 EGVa.F. 200 Art. 230, 234 Abs. 1 Satz 1 lit. b, c EGVa.F. 201 Art. 173 Abs. 2 EGVa.F. 202 S.U.
Kap. 1, B.1.2.c)bb) (S. 72 f.).
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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der hier vertretenen Ansicht, daß es sich bei interinstitutionellen Vereinbarungen i.d.R. um Gemeinschaftsrecht handelt, ist jedenfalls für die Praxis ganz ausschlaggebend die in eine andere Richtung zielende jüngste Rechtsprechung des EuGH zu berücksichtigen. Der Gerichtshof, dessen Auslegungsmonopol bei grundsätzlicher Anerkennung der Rechtsverbindlichkeit geschmälert worden wäre, hat den Organen bei einzelnen Regeln im Rahmen einer interinstitutionellen Vereinbarung einen überprüfungsfreien Beurteilungsspielraum ("pouvoir d'appreciation") zugestanden und sich auf eine Mißbrauchs- und Irrtumskontrolle beschränkt. 204 In einer jüngeren Entscheidung hat sich das Gericht erster Instanz nunmehr weitgehend gegen die gemeinschaftsrechtliche Verbindlichkeit interinstitutioneller Absprachen ausgesprochen?05 Nachdem nunmehr herausgearbeitet ist, daß das Europäische Parlament und der Ministerrat aus demokratietheoretischer Perspektive demokratische Legitimation vermitteln und daß ihr Zusammenwirken von dem institutionellen Gleichgewicht des EU-Vertrages gefordert wird, ist nun zu untersuchen, welche konkrete Form der Typus Demokratie und der Typus Gewaltenteilung in der Europäischen Union angenommen haben. Hierbei kann auch auf den vorangegangenen Exkurs betreffend die interinstitutionellen Vereinbarungen zurückgegriffen werden. Die folgende ausführliche Darstellung der Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments und der hiermit verbundenen Rechtsprobleme im einzelnen soll dabei zum einen das komplizierte Rechtsetzungsverfahren - unter Berücksichtigung der Neuerungen des Amsterdamer Vertrages - transparent machen. Zum anderen wird hiermit eine Basis geschaffen für die in den Folgekapiteln behandelte deutsche Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung nach dem EG-Vertrag I. Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments 1. Haushalts- und Kontrollbefugnisse
Soweit die Zuständigkeit für legislative Aufgaben nicht mehr nach Maßgabe der nationalen Vorschriften weitgehend den nationalen Parlamenten zugeordnet ist, könnte dieser Funktionsverlust durch einen Zuwachs an parlamentarischer 203 Ablehnend wegen der fehlenden primärrechtlichen Verankerung Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 42. 204 EuGHE 1988,5323 (5359, Rz. 17). 205 Gericht erster Instanz, EuGHE 199511,2767 (2788, Rz. 62); in diese Richtung bereits EuGHE 1981,693 (714), GA ReischI. Gleichwohl wird von SchweitzerlHummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 939, die vertragliche Selbstbindung der Organe für möglich gehalten.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Einflußnahme auf der europäischen Ebene kompensiert werden. Dies lenkt den Blick auf die Kompetenzen des Europäischen Parlaments. 206 Neben der vorrangig interessierenden Beteiligung am Rechtsetzungsverfahren sind in diesem Zusammenhang die Beteiligungsrechte im Haushaltsverfahren und die parlamentarischen Kontrollrechte zu erwähnen. Im Haushaltsverfahren wirken nach Maßgabe von Art. 272 EGV207 vor allem der Rat und das EP bei der Aufstellung des jährlichen Haushaltsplanes zusammen,208 diesbezüglich wird ein "partielles Budgetrecht" des EP konstatiert. 209 Gerade im Bereich der nicht obligatorischen Ausgaben, die derzeit etwa 25% des EG-Haushaltes ausmachen und dessen eigentliche Manövriermasse darstellen, bestehen weitreichende Befugnisse des EP. In letzter Konsequenz kann es, insbesondere gern. Art. 272 Abs. 6 Satz I EGV,21O seine Position gegenüber dem Rat durchsetzen. Die parlamentarische Haushaltshoheit, in der Geschichte des Parlamentarismus lange urnkämpft211 und als ein entscheidender Schritt auf dem Wege zur Parlamentarisierung 212 zu werten, ist nach dem EG-Vertrag im Verhältnis zu anderen typischen Parlamentsfunktionen damit relativ deutlich ausgeprägt.
206 Für die Ausweitung der Befugnisse des Europäischen Parlaments Ferdinand, EG-Vorlagen im Plenum, in: Festgabe für Blischke, 1982, S. 145 (163); Hänsch, Europäische Integration und parlamentarische Demokratie, Europa-Archiv 1986, 191 (198 f.); Schwarze, Europapolitik unter deutschem Verfassungsrichtervorbehalt, Neue Justiz 1994, 1 (4); Graf Stauffenberg / Langenfeld, Maastricht - Ein Fortschritt für Europa?, ZRP 1992, 252 (258); Steinberger; Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), 9 (42 f.); Zuleeg, Demokratie in der Europäischen Gemeinschaft, JZ 1993, 1069 (1073); auch BT-Drs. 12/3905, S. 3; BT-Drs. 12/3895, S. 28; Dr. Helmut Kohl, BT-PlPr. 12. WP /126. Sitzung vom 2. Dezember 1992, S. 10827 (B). 207 Art. 203 EGVa.F. 208 Mit dem Ziel, die interinstitutionelle Zusammenarbeit im Haushaltsbereich zu verbessern und die Haushaltsdisziplin in der Praxis umzusetzen, wurde darüber hinaus am 29. Oktober 1993 eine Interinstitutionelle Vereinbarung, AB!. 1993, Nr. C 331 / 1 f. getroffen; weitere grundlegende Regelungen über die Kooperation im Haushaltsverfahren trifft ferner die Gemeinsame Erklärung des EP, des Rates und der Kommission über verschiedene Maßnahmen zur Gewährleistung einer besseren Abwicklung des Haushaltsverfahrens vom 30. Juni 1982, AB!. 1982, Nr. C 194/1 ff. 209 Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnrn. 43, 49, mit dem Hinweis auf mehrere Haushaltskrisen zwischen EP und Rat, zu denen es seit Einführung des Art. 203 EGVa.F. (Art. 272 EGV n.F.) gekommen ist und die wiederholt in dem vollständigen Scheitern des Haushaltsplanes gipfelten; hierzu auch EuGHE 1988,5323 (5359, Rz. 45). 210 Art. 203 Abs. 6 Satz 1 EGVa.F. 2ll Für Deutschland Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 23 ff. unter Hinweis auf den Preußischen Verfassungskonflikt, der sich zwischen Parlament und König an der Frage nach dem Recht zur Feststellung des Haushaltsplanes entzündete; zum Budgetrecht als - neben der Petition - ältestem parlamentarischen Recht Eickenboom, Haushaltsausschuß und Haushaltsverfahren, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 44 Rdnr. 1. Ausführ!. Mußgnug, Der Haushaltsplan als Gesetz, 1976, S. 37 ff.; Friauf, Öffentlicher Haushalt und Wirtschaft, VVDStRL 27 (1969),1 (21 ff.). 212 lsmayr; Der Deutsche Bundestag, 1992, S. 402.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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Klassische Kontrollrechte wie etwa das Recht, ein anderes Organ durch ein rechtlich verbindliches Mißtrauensvotum zum Rücktritt zu zwingen, bestehen dagegen im wesentlichen nur gegenüber der Kommission,213 nicht aber gegenüber dem Ministerrat. Allerdings findet auch hier eine laufende Unterrichtung des EP statt. Auf der Grundlage einer Selbstverpflichtung des Rates 214 hat sich ein Art. 197 Abs. 3 EGV 215 entsprechendes Fragerecht entwickelt. 216 Angesichts des - nach den vorherigen Ausführungen rechtlich bedenklichen - Umstandes, daß der Rat eine rechtliche Verpflichtung hierzu nicht anerkennt und daß er sich vorbehält, sich ggf. auf die geschäftsordnungsmäßig festgelegte Nichtöffentlichkeit der Beratungen zu berufen,217 dürfen Effektivität und Stellenwert dieses Kontrollinstruments nicht überschätzt werden. Ferner besteht gegenüber allen Institutionen gern. Art. 193 EGV das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, wenn dies in der Praxis auch vorrangig zur Überpriifung der Rolle der Kommission genutzt wird?18 213 Neben dem Mißtrauensvotum gern. Art. 201 EGV (= Art. 144 EGVa.F.) bestehen Fragerechte gern. Art. 197 Abs. 3 EGV (= Art. 140 Abs. 3 EGVa.F.); ferner ist die Kommission gern. Art. 200 EGV (= Art. 143 EGVa.F.) zur Vorlage eines jährlichen Gesamtberichts und gern. Art. 275 EGV (= Art. 205 a EGVa.F.) zur Rechnungslegung verpflichtet, nach deren Prüfung das EP die Entlastung gern. Art. 276 Abs. 1 Satz 1 EGV (= Art. 206 Abs. 1 Satz 1 EGVa.F.) erteilt. Außerdem ist das bereits gern. Art. 158 Abs. 2 UAbs. 3 EGVa.F. bestehende Zustimmungsrecht bei Ernennung der Kommission durch den Amsterdamer Vertrag auch gern. Art. 214 Abs. 2 UAbs. 1 a.E. EGVauch auf die Benennung des Kommissionspräsidenten ausgedehnt worden. 214 Diese beruht auf Fragerechten, die das EP zunächst einseitig im Rahmen seiner Geschäftsordnung postuliert hat und die anschließend vom Rat 1973 akzeptiert wurden, bestätigend Feierliche Erklärung zur Europäischen Union vom 20. Juni 1983, BullEG 1983/6, 26 ff., Ziff. 2.3.3; zum Verfahren Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6 th ed. 1995, p.37. 215 Art. 140 Abs. 3 EGVa.F. 216 Huber, Recht der Europäischen Integration, § 14 Rdnr. 52; Bieber, Das Verfahrensrecht von Verfassungsorganen, 1992, S. 164; Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 145 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 8. m s. zur Ablehnung, eine schriftliche Anfrage zu beantworten ABI. 1983, Nr. C 29/23 unter Hinweis auf das Berufsgeheimnis, dem die Beratungen gern. Art. 18 Abs. 1 GO-Rat a.F. [vom 24. Juli 1979, ABI. Nr. L 268/1 ff.] unterlagen; zur Verweigerung der Einsichtnahme in Ratsprotokolle ABI. 1983, Nr. C 288/12; ABI. 1985, Nr. C 341/57 f.; ABI. 1986, C 106/32 unter Hinweis sowohl auf Art. 18 Abs. 1 GO-Rat a.F., sowie auf Art. 3 Abs. 1 GORat a.F., der Art 4 Abs. 1 GO-Rat (1993) entspricht. Zur Berufung des Rates auf Art. 4 Abs. 1 GO-Rat, insbesondere in Abstimmungsfragen Schweitzer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 145 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 8. Zur transparenzsteigernden Bedeutung des Amsterdamer Vertrages s.o., Kap. 1, A.l1.3.a) (S. 41 ff.). 218 Das Recht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, wurde dem EP mit dem Maastrichter Vertrag in Art. 138 c EGVa.F. eingeräumt. Läufer, in: Grabitz 1Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 33 zufolge änderte auch dieses Untersuchungsrecht nichts am Fortbestehen des "empfindlichen Kontrolldefizits". Wenn die Bundesregierung in einem Bericht vom 4. April 1997, BT-Drs. 1317370, S. 1 dagegen die Ausübung des Untersuchungsrechts als deutliches Zeichen der gewachsenen Bedeutung des EP wertet, dann gründet dies in den ersten praktischen Anwendungsfällen: Im Januar und im September 1996 wurden die beiden ersten nichtständigen Untersuchungsausschüsse zum
5 Hansmeyer
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I. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Für den Europäischen Rat sieht Art. 4 Abs. 3 EUV 219 ausdrücklich vor, daß dieser dem EP nach jeder Tagung Bericht erstattet und ihm jährlich einen schriftlichen Bericht über die Fortschritte der Europäischen Union vorlegt; Unterrichtungspflichten und Fragerechte bestehen ferner im Bereich der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik (GASP) gern. Art. 21 EUV220 und im Bereich der Polizeilichen undjustiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) gern. Art. 39 EUV. 22I
2. Beteiligung am RechtsetzungsverJahren a) Rechtsetzungsinitiative Bedeutsamer für die Frage nach dem Umfang der demokratischen Legitimation der europäischen Rechtsetzung sind allerdings weniger die klassischen Kontrollrechte als vielmehr die Mitgestaltungs- oder sogar Mitentscheidungsbefugnisse des EP im Gesetzgebungsverfahren. Eingeleitet wird das Verfahren durch die Initiative. Wahrend im Gesetzgebungsverfahren des Grundgesetzes gern. Art. 76 Abs. 1 GG (auch) dem Bundestag das Recht zur Einbringung von Gesetzesvorlagen zusteht,222 hat das EP gern. Art. 192 Abs. 2 EGV 223 nur die Möglichkeit, die Kommission zur Ausübung ihres Initiativrechts anzuhalten. Mittelbar und faktisch initiierend tätig werden kann gern. Art. 115,208 EGV 224 auch der Ministerrat; allerdings bedient er sich nur selten formell dieser Bestimmung. 225 Ihr förmliches Inizoll-rechtlichen gemeinschaftlichen Versandverfahren und zur Bekämpfung der Rinderseuche BSE eingesetzt, die behauptete Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht oder Mißstände bei seiner Anwendung prüften. Gegenstand war vorwiegend die Rolle der Kommission, nicht die des Rates. 219 Art. D Abs. 3 EUVa.F. 220 Art. J.7 EUVa.F. 221 Wie dargelegt, wurde durch den Amsterdamer Vertrag die frühere dritte Säule, die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres, weitgehend vergemeinschaftet, so daß die Entsprechungen mit dem neuen Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen nicht genau sind. Früher bestanden Berücksichtigungspflichten nach Art. K.6 EUVa.F. 222 In der Praxis geht die Initiative allerdings bis zu 90% von der Bundesregierung aus, lsmayr; Der Deutsche Bundestag, 1992, S. 272 f.; Steinberg. Parlament und organisierte Interessen, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 7 Rdnr. 42; zur Unschädlichkeit der Einbringung von Regierungsvorlagen über Abgeordnete der Regierungsmehrheit im Parlament BVerfGE 30, 250 (253, 261); zurückhaltend Stern. Staatsrecht 11, 1980, § 37, III 4.b.X (S.621). 223 Art. 138 b Abs. 2 EGVa.F. 224 Art. 109 d, Art. 152 EGVa.F. Gern. Art. 115 EGV (= Art. 109 d EGV a.F.) kann in bestimmten Bereichen der Wirtschafts- und Währungspolitik auch ein Mitgliedstaat die Kommission um einen Vorschlag ersuchen; die Kommission prüft dieses Ersuchen und unterbreitet dem Rat umgehend ihre Schlußfolgerungen. 225 Vgl. Bieber; in: Beutler I Bieber I Pipkom I Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993,4.3.2.2. (S. 128).
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tiativrecht hat die Kommission auch in den Verhandlungen zum Amsterdamer Vertrag erfolgreich verteidigt; nur für den ins Gemeinschaftsrecht überführten Teil der früheren dritten Säule der Europäischen Union gilt für eine Übergangszeit gern. Art. 67 Abs. 1 EGV n.F. die Ausnahme, daß auch ein Mitgliedstaat nach Anhörung des EP initiativ werden kann. Bereits vor der primärrechtlichen Verankerung durch den Maastrichter Vertrag hat das EP im Wege der Selbstbefassung Themen aufgegriffen und durch Initiativberichte die Einbringung von Vorschlägen durch die Kommission veranlaßt. 226 Die Kommission kann etwa ihr in Art. 250 Abs. 2 EGV 227 festgeschriebenes Recht, bis zum Ergehen eines Ratsbeschlusses ihren Vorschlag jederzeit im Verlauf des Rechtsetzungsverfahrens zu ändern, nutzen, um Stellungnahmen des EP durch modifizierte Vorschläge Rechnung zu tragen. 228 Die mittelbare parlamentarische Initiative ermöglicht es dem EP, auf das "Ob" eines Rechtsaktes Einfluß zu nehmen, sie bringt allerdings keine rechtliche Absicherung inhaltlicher Mitgestaltung mit sich. Zwar sieht das EP selbst sich als Mitträger des Initiativrechts,229 gleichwohl bleibt das Initiativmonopol bei der Kommission angesiedelt, der in inhaltlicher wie in zeitlicher Hinsicht ein sehr breiter Gestaltungsspielraum zusteht. 230 Im Wege einer Inter-Organ-Vereinbarung vom 15. März 1995 231 hat sich die Kommission allerdings gegenüber dem EP auf einen Verhaltenskodex verpflichtet, der in Punkt 3.3 die weitestmögliche Berücksichtigung der parlamentarischen Initiativen vorsieht. Trotz dieser rechtlichen Einschränkung des Gestaltungsspielraums im Innenverhältnis kommt es nach dem Primärrecht für die Wirksamkeit der Sekundärrechtsakte allein auf den formellen Kommissionsvorschlag an,z32 Dieser determiniert das zu wählende Rechtsetzungs226 Fugmann, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. A II, Rdnr 81 c. 227 Art. 189 a Abs. 2 EGVa.F. Trotz des klaren Wortlauts der Norm wird z.T. eine formelle Dispositionsbefugnis der Kommission über die Vorlage ab dem Zeitpunkt der Befassung des Rates als beendet gesehen, eine Rücknahme bedürfe der Zustimmung des Rates, Bieber, in: Beutler 1Bieber 1Pipkorn 1Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl 1993, 4.4.2.1. (S. 141). In der Praxis holt die Kommission aber keine Stellungnahmen der anderen Organe ein, s. Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage des Abg. Hermann, ABI. 1987, Nr. C 220/6. 228 Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6 th ed. 1995, p. 29 f.; zum großen praktischen Stellenwert dieser Möglichkeit Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (366). 229 Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6th ed. 1995, p. 31. Diese Selbsteinschätzung des EP kommt auch in der amtlichen Überschrift "Gesetzgebungsinitiative" von Art. 50 GO-EP zum Ausdruck. 230 Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 138 b (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnrn. 1,5 erkennt als rechtliche Grenze zwar nicht das allgemeine unselbständige Initiativrecht des EP an, wohl aber das Jahresgesetzgebungsprogramm, das gern. Art. 49 GO-EP unter Beteiligung aller Organe erstellt wird und die gesamte legislative Planung umfaßt. 231 ABI. 1995, Nr. C 89/69 f. 232 So sieht sich die Kommission selbst als als rechtlich und politisch allein für den von ihr unterbreiteten Vorschlag verantwortlich, unabhängig davon, ob oder von weIcher Seite sie
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I. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
verfahren und die notwendigen Mehrheiten im Rat. Ein umfassendes formelles Initiativrecht hat das EP nur gern. Art. 190 Abs. 4 Satz 1 EGV 233 bzgl. der Entwürfe für ein allgemeines einheitliches Wahl verfahren zum EP. Die Willensbildung der Kommission erfolgt - trotz des Prinzips der kollegialen Beschlußfassung und der durch den Amsterdamer Vertrag ausdriicklich verankerten politischen Leitungskompetenz des Präsidenten gern. Art. 219 EGV 234 - ressortmäßig. Unterhalb der politischen Ebene, d. h. den Kommissionsmitgliedern und ihren mit politischen Beamten besetzten Kabinetten i.S.v. Art. 14 GO-Kommission 235 ist der eigentliche Verwaltungsunterbau angesiedelt. 236 In den Referaten als kleinsten Arbeitseinheiten werden Vorlagen entworfen und mit anderen interessierten Stellen innerhalb und außerhalb der Kommission abgestimmt. 237 Das Kommissionskollegium beschließt dann entweder in gemeinsamer Sitzung, bei größerer Dringlichkeit im schriftlichen Verfahren oder im Ermächtigungsverfahren. 238 In die Erarbeitung ihres Vorschlages bezieht die Kommission teils obligatorisch, teils fakultativ, Experten aus den nationalen Ministerien ein; dies geschieht besonders im Rahmen beratender Ausschüsse?39 Auf diese Weise sondiert sie in einem sehr friihen Stadium die Vereinbarkeit des geplanten legislativen Vorhabens
hierzu aufgefordert wurde; s. Antwort auf die schriftliche parlamentarische Anfrage des Abg. de Vries, ABI. 1993, Nr. C 292/22 f.; so auch Mathijsen, A guide to to European Union Law, 6th ed., 1995, p. 31. 233 Art. 190 Abs. 4 Satz I EGV modifiziert den Art. 138 Abs. 3 Satz I EGVa.F. dahingehend, daß der Entwurf für allgemeine Wahlen nicht nur nach einem einheitlichen Verfahren in allen Mitgliedstaaten ausgearbeitet werden kann, sondern auch "im Einklang mit den allen Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsätzen". 234 Art. 163 EGVa.F. 235 Geschäftsordnung der Kommission (93/4921 Euratom, EGKS, EWG) vom 17. Februar 1993, ABI. 1993, Nr. L 2301 15. 236 Dieser besteht aus besonderen Dienststellen und Generaldirektionen, die ihrerseits in Direktionen aufgeteilt sind, diese wiederum in Referate. 237 Bieber; in: Beutler 1 Bieber 1 Pipkorn 1 Streil, Die Europäische Union, 4. Auf!. 1993, 4.4.4.2. (S. 144). Art. 20 GO-Kommission regelt die kommissionsinterne Kooperation und verpflichtet die federführende Dienststelle, alle nach den Zuständigkeitsbereichen und Befugnissen oder nach der Natur der Sache beteiligten oder zu informierenden Dienststellen rechtzeitig einzubeziehen. Was Vorschläge von Rechtsakten und Vorlagen mit möglicher rechtlicher Wirkung anbelangt, ist darüber hinaus insbesondere der Juristische Dienst zu hören. Bevor der Entwurf dem Kommissionskollegiurn vorgelegt wird, sollte ein Konsens erzielt werden, ansonsten müssen zumindest abweichende Stellungnahmen der angehörten Dienststellen erwähnt werden. 238 Der EuGH hat in EuGHE 1986, 2585 (2613 ff., bes. Rz. 35) diese Praxis der Delegation von Zuständigkeiten unter Hinweis auf die Geschäftsordnungsautonornie der Kommission für zulässig erachtet. 239 Bieber; in: Beutler 1 Bieber 1 Pipkorn 1 Streil, Die Europäische Union, 4. Auf!. 1993, 4.4.4.3 (S. 145); Hans Peter lpsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 181 Rdnr. 25; Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6 th ed. 1995, p. 78.
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mit den politischen Vorstellungen und Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten. 240 Bereits in diesem frühen Stadium der Rechtsetzung ist damit über die nationalen Vertreter der Ministerialbürokratie eine Information und Beteiligung der nationalen Parlamente denkbar. 241 b) Grundsatz des Art. 192 Abs. 1 EGV 242 Für die weitere Beteiligung des EP an Rechtsetzungsverfahren stellt Art. 192 Abs. 1 EGV den Grundsatz auf: "Das EP ist an dem Prozeß, der zur Annahme der Gemeinschaftsakte führt, in dem in diesem Vertrag vorgesehenen Umfang durch die Ausübung seiner Befugnisse im Rahmen der Verfahren der Artikel 251 und 252 EGV sowie durch die Erteilung seiner Zustimmung oder die Abgabe von Stellungnahmen beteiligt." Der Hinweis auf die Verfahren der parlamentarischen Stellungnahme (Anhörung), das Verfahren der Zustimmung und besonders auf Art. 252 EGV 243 (Zusammenarbeit / Kooperation) und auf Art. 251 EGV 244 (Mitentscheidung / Kodezision) markiert indes lediglich den groben Rahmen. Nur in den genannten Vorschriften enthält der EG-Vertrag allgemeine Verfahrens bestimmungen, die aber nicht die Frage beantworten, wie ein konkreter Rechtsakt zustande kommt. Das im Einzelfall zu beachtende Verfahren richtet sich auch nicht nach der Handlungsform, also beispielsweise nicht danach, ob eine Verordnung oder eine Richtlinie erlassen wird. Es bemißt sich vielmehr nach der jeweiligen konkreten Handlungsermächtigung der Verträge245 , die das zu wählende Verfahren nicht notwendig strikt vorschreibt. In diesem Fall bleibt die Bestimmung des angemessenen Procedere den zuständigen Institutionen überlassen. 246 Auch wenn das Verfahren in den Handlungsermächtigungen vorgeschrieben wird, findet sich eine Vielzahl 240 Ebenfalls beteiligt werden Interessenvertreter, in diesem Verfahrensabschnitt zumeist übernational organisierte Verbände oder Zusammenschlüsse, während sich die Lobbyarbeit nach Abschluß dieser legislativen Frühphase - in der Regel sobald die Kommission einen Entwurf vorgestellt hat - aufgrund der tragenden Rolle der nationalen Ratsmitglieder ganz auf die nationale Ebene konzentriert; hierzu ausführ!. Bulmer I Paterson, The Federal Republic ofGermany and the European Community, 1987, S. 103 f. 241 Näher s.u. Kap. 2, B.lY.l.b)bb) (S. 216 ff.). 242 Art. 138 b Abs. 1 EGVa.F. 243 Art. 189 c EGVa.F. 244 Art. 189 b EG V a.F. 245 Die Ermächtigungsnormen können eine bestimmte Handlungsform vorschreiben, müssen es jedoch nicht. Ungekennzeichnete Maßnahmen können daher grundsätzlich in allen im Katalog des Art. 249 EGV (= Art. 189 EGVa.F.) genannten Handlungsformen sowie als "Beschlüsse" ergehen, Schweitzerl Hummer, Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr. 412. In diesem Fall kommt es für die Frage nach Rechtsschutz und Rechtswirkungen nicht auf die Bezeichnung, sondern auf die materielle Natur des Rechtsaktes an, hierzu Geiger, EG-Vertrag, 2. Auf!. 1995, Art. 189 Rdnr. 24. 246 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (343 Fußn. 3).
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von Modifikationen der "klassischen" Verfahrenstypen. Dieses Prinzip hat sich den teilweise sehr optimistischen Einschätzungen zum Trotz 247 - auch durch den Vertrag von Amsterdam nicht wesentlich geändert. Variablen, die zur Intransparenz und Komplexität der Rechtsetzungsverfahren beitrugen, waren insbesondere die Beteiligungsrechte weiterer Gemeinschaftsorgane 248 und die unterschiedlichen erforderlichen Mehrheiten. Diese Variablen sind auch durch den Amsterdamer Vertrag nicht vollständig vereinheitlicht worden. So sind zwar weitere Rechtsgrundlagen für eine Beteiligung des Ausschusses der Regionen (AdR) im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens geschaffen worden, ohne daß es sich hierbei aber um ein dem AdR grundsätzlich zustehendes Anhörungsrecht handelte. 249 Auch im Hinblick auf eine Vereinheitlichung der erforderlichen Majoritäten ist der Amsterdamer Vertrag hinter den Erwartungen zurückgeblieben; keineswegs wurde ein Regel-Ausnahmeverhältnis dergestalt statuiert, daß Entscheidungen grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit getroffen würden und Einstimmigkeit nur die Ausnahme bildete. 25o
247 Hilf/ Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998, 705 (710) sehen das EP als "den großen Gewinner des Amsterdamer Vertrages", wichtig sei insbesondere "die Rückführung der bisher etwa 20 verschiedenen Beteiligungsformen des EP auf die nunmehr grundsätzlich nur noch drei Verfahren der Anhörung, der Zustimmung sowie der Mitentscheidung." Die zahlreichen Beteiligungsformen resultierten aber auch zuvor aus Modifikationen der Grundverfahren. Auch die neue Rechtslage hat keine einheitliche Handhabung von Anhörungsrechten anderer Organe oder einheitliche Mehrheitsanforderungen geschaffen. 248 Vor dem Maastrichter Vertragswerk bestanden nur für den Wirtschafts- und Sozialausschuß Beteiligungsrechte, ferner mußte der Rat gern. Art. 209 EGVa.F. (= Art. 279 EGV n.F.) bei Festlegung von Haushaltsvorschriften auch die Stellungnahme des Rechnungshofes einholen. Mit dem Maastricht-Vertrag nahmen Konsultations- und Mitwirkungsrechte zu; so wurden - etwa für Fördermaßnahmen im Bildungssektor gern. Art. 126 Abs. 4, 1. SpStr. EGVa.F. (= Art. 149 Abs. 4, 1. SpStr. EGV n.F.) und im Bereich Gesundheit gern. Art. 129 Abs. 4, I. SpStr. EGVa.F. (leicht modifiziert Art. 152 Abs. 4 Satz I EGV n.F.) - Anhörungsrechte zugunsten des Ausschusses der Regionen (AdR) eingeführt, die das i.ü. einschlägige Mitentscheidungsverfahren ergänzten. 249 Neu eingeführt wurde ein Anhörungsrecht des AdR etwa in Rechtsgrundlagen, die früher das Verfahren der Zusammenarbeit gern. Art. 189 c EGVa.F. (= Art. 252 EGV n.F.) vorsahen und nunmehr dem Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens gern. Art. 251 EGV n.F. (ähnl. Art. 189 b EGVa.F.) unterfallen: im Bereich der Umweltpolitik Art. 175 Abs. 1 EGV (Art. 130 s Abs. 1 EGVa.F.); Maßnahmen im Bereich der Gemeinsamen Verkehrspolitik gern. Art. 71 Abs. 1 EGV (Art. 75 Abs. 1 EGV a.F.); Maßnahmen zur beruflichen Bildung gern. Art. 150 Abs. 4 EGV (Art. 127 Abs. 4 EGVa.F.). Keine Beteiligung des AdR sieht dagegen Art. 179 EGV (Art. 130 w Abs. I EGV a.F.) bei Maßnahmen im Bereich der Entwicklungszusarnmenarbeit vor, obwohl es sich ebenso wie bei den vorgenannten um eine Rechtsgrundlage handelt, die das Zusarnmenarbeitsverfahren zugunsten des Mitentscheidungsverfahrens abschafft. 250 Hilf/ Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998, 705 (710). Mehrheitsentscheidung wird lediglich für 11 neue Vertragsbestimmungen und fünf bestehende eingeführt, so war etwa für den Erlaß mehrjähriger Rahmenprograrnme zur Forschungsförderung gern. Art. 130 i Abs. 1 Satz 2 EGVa.F. ein einstimmiger Ratsbeschluß erforderlich, während dieses Erfordernis in Art. 166 Abs. I EGV n.F. nicht mehr vorgesehen ist.
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Die dargelegte fehlende Transparenz begünstigte früher erkennbar die Tendenz, für einen angestrebten Legislativakt eine möglichst "bequeme", d. h. wenig mitwirkungsintensive Rechtsgrundlage zu wählen. 251 Inwieweit die Veränderungen durch den Amsterdamer Vertrag diesen Bestrebungen effektiv entgegenwirken, bleibt in der Praxis abzuwarten. Dadurch, daß mehr mitwirkungsintensive Rechtsgrundlagen geschaffen wurden252 ist jedenfalls die Basis für eine stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments gelegt. Um Umgehungen entgegenzuwirken, hat sich die Kommission bereits in einer Inter-Organ-Vereinbarung vom 15. März 1995 verpflichtet, die Änderungswünsche des EP bzgl. der Wahl der Rechtsgrundlage soweit als irgend möglich zu berücksichtigen. 253 Abgesichert sind die Mitwirkungsrechte des EP über die Klagebefugnis des Parlaments gern. Art. 230 Abs. 3 EGV. 254 Letztere ist gegeben, wenn das Parlament geltend machen kann, daß durch die Wahl der Rechtsgrundlage seine Mitwirkungsrechte umgangen werden. Im folgenden wird betrachtet, welche Beteiligungsformen unterschiedlicher Intensität dem Europäischen Parlament an der europäischen Sekundärrechtsetzung zur Verfügung stehen. Hierdurch werden die komplexen supranationalen Verfahren, wie sie nach dem EG-Vertrag in der Fassung des Amsterdamer Vertragswerks bestehen, transparenter. c) Anhörung
aa) Fakultative Anhörung Das politisch wie finanziell bedeutendste Feld, in dem Rechtsetzung ohne vertraglich verankerte parlamentarische Beteiligung erfolgt, ist die Gemeinsame Handelspolitik. In diesem Bereich werden vielfach Verordnungen erlassen, die die Einfuhren aus und die Ausfuhren in Nichtmitgliedstaaten regeln. Die rechtliche Grundlage des Art. 133 EGV255 verlangt lediglich einen Vorschlag der Kommission und einen mit qualifizierter Mehrheit gefaßten Beschluß des Ministerrates. Auch der Abschluß von Handelsabkommen mit Drittstaaten erfolgt nach Maßgabe 251 Bieber, Europäische Gesetzgebung nach dem Vertrag von Maastricht, ZG 1994, 297 (301 f.). 252 Relevant für die stärkere Beteiligung des EP ist dabei namentlich die Vergrößerung des Anwendungsbereichs der Mitentscheidung gern. Art. 251 EGV (Art. 189 b EGVa.F.). Zu den bereits vorhandenen 15 Rechtsgrundlagen im EG-Vertrag a.F. wurden durch den Amsterdamer Vertrag 23 neue Rechtsgrundlagen hinzugefügt, Hilf/ Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998,705 (710); s. im einzelnen u. Kap. 1, B.I.2.e) (S. 78 ff.). 253 Punkt 2 des Verhaltenskodex, ABI. 1995, Nr. C 89/69 f. Zu dem etwas schwächer formulierten vorangegangenen "Code of Conduct 1990", BullEG 1990/4, S. 83, in dem sich die Kommission verpflichtete, EP und Rat bzgl. der Auswahl der Handlungsgrundlage zu kontaktieren, Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6 th ed. 1995, p. 30. 254 Für eine Klagebefugnis bereits vor der erstmaligen normativen Verankerung in Art. 173 Abs. 3 EGVa.F. durch den Maastricht-Vertrag EuGHE 1990 1,2041 (2070 ff.); EuGHE 92 I, 4593 (4620, Rz. 10 ff.). 255 Art. 113 EGVa.F.
1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
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der Art. 300 Abs. 3 UAbs. 1, 133 Abs. 3 EGV 256 ohne obligatorische parlamentarische Beteiligung. 257 Allerdings hat sich in der Praxis die Übung entwickelt, das EP auch ohne primärrechtlich statuierte Pflicht freiwillig zu konsultieren. 258 Aufgrund einer Se1bstverpflichtung der Kommission vom 30. Mai 1975 schlägt diese dem Rat formell die Konsultation des EP zu allen wesentlichen Rechtsakten vor, und der Rat folgt dieser Empfehlung im Regelfall. 259 Speziell für den Abschluß von Handelsabkommen greift das sog. Westerterp- oder Luns-Westerterp-Verfahren, in dem der politische Ausschuß und der Ausschuß für Außenwirtschaftspolitik des EP von Kommission und Rat vertraulich über Ablauf und Abschluß unterrichtet werden. 26o Auch wenn die Annahme vorzugswürdig ist, daß ein Verstoß gegen die Selbstverpflichtung und die hierauf basierende ständige Praxis Auswirkungen auf die formelle Rechtmäßigkeit der Gemeinschaftsrechtsakte hat,261 sind die Rechte des EP angesichts der jüngeren Rechtsprechung des EuGH rechtlich ungesichert. bb) Obligatorische Anhörung
Zahlreiche Vertragsvorschriften sehen vor, daß auf einen Vorschlag der Kommission hin der Ministerrat das EP (und je nach Kompetenznorm auch andere Organe) anhört. Dieser obligatorischen Anhörung ist nicht bereits dadurch genüge getan, daß der Rat um eine Stellungnahme ersucht, das EP muß vielmehr seiner Auffassung tatsächlich Ausdruck verleihen. 262 Um dies zu erreichen, ist der Rat Art. 228 Abs. 3 UAbs. 1, 113 Abs. 3 EGVa.F. Grundsätzlich besteht gern. Art. 300 Abs. 3 UAbs. 1 EGV (= Art. 228 Abs. 3 UAbs. 1 EGV a.F.) eine Anhörungspflicht, außer bei Handelsabkommen gern. Art. 133 Abs. 3 EGV (= Art. 113 Abs. 3 EGVa.F.). Da Art. 300 Abs. 3 UAbs. 2 EGV (= Art. 228 Abs. 3 UAbs. 2 EGV) nun bestimmt, daß abweichend von UAbs. 1 die Zustimmung des EP (u. a.) für solche Abkommen erforderlich ist, die erhebliche finanzielle Folgen für die Gemeinschaft haben, dann gilt dies nach dem Wortlaut auch für (finanziell folgenreiche) Handelsabkommen. Dem steht auch Art. 133 Abs. 3 EGV (= Art. 113 Abs. 3 EGVa.F.), der vollumfänglich auf die "einschlägigen" Bestimmungen des Art. 300 EGV (= Art. 228 EGVa.F.) verweist, nicht entgegen. Die wohl überwiegende Ansicht verneint demgegenüber die Anwendbarkeit von UAbs. 2 auf bedeutsame handelspolitische Abkommen und schließt damit die obligatorische EP-Beteiligung aus, so "aus Gründen der Praktikabilität" explizit Geiger; EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 113 Rdnr. 14; i.E. ähnl. Schweitzer; in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 145 (Stand der Bearbeitung Mai 1995), Rdnr. 8; Amold, Außenhandelsrecht, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, 1996, Kap. K I, Rdnr. 56. 258 Zur Zu lässigkeit der fakultativen Anhörung EuGHE 1988,5545 (5562, Rz. 20). 259 Schweitzer/Hummer; Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 231; Huber; Das Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 36. Der Ministerrat setzt hierbei in Eilfällen eine Frist, innerhalb derer die Stellungnahme des EP zu erfolgen hat, hierzu Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (344). 260 Zur Anwendbarkeit des - an Art. 238 a.F. EWGVorientierten - Westerterp-Verfahrens auch im Rahmen des Art. 228 EGVa.F. (= Art. 300 EGV n.F.) Läufer; in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearbeitung Mai 1995), Rdnr. 19 f. 261 s.o. Kap. I, A.II.4.c) (S. 56 ff.). 262 Geiger; EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 137 Rdnr. 10. 256 257
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nach Ansicht des EuGH dazu verpflichtet, alle seine Möglichkeiten auszuschöpfen, etwa eine außerordentliche Sitzung des Parlaments gern. Art. 140 Abs. 2 EGV 263 zu beantragen. 264 Das EP berät über den Vorschlag auf der Grundlage eines vom sachlich zuständigen Ausschuß ausgearbeiteten Berichts. Parlaments intern zum Abschluß gebracht wird das Anhörungsverfahren durch Abstimmung über den gesamten im Bericht enthaltenen Entschließungsantrag ("Entwurf einer legislativen Entschließung") gern. Art. 58 Abs. 2 GO_EP?65 Der Text des Vorschlags in der vom EP angenommenen Fassung wird gern. Art. 58 Abs. 3 GO-EP vom Präsidenten des EP an Rat und Kommission als Stellungnahme des Parlaments überwiesen und zusammen mit dem Sitzungsprotokoll im Amtsblatt (Teil C) veröffentlicht. In der Praxis greift der Vorsitzende des Rates die wichtigsten Empfehlungen der vorangegangenen Sitzungswoche des EP auf und empfiehlt sie "der besonderen Aufmerksamkeit" des Rates; eine Aussprache findet allerdings nur vereinzelt statt. 266 Wenn auch das EP selbst eine Bindungswirkung seiner Stellungnahmen postuliert,267 so ist doch der Rat an die parlamentarischen Beschlüsse nach überwiegender Ansicht nicht gebunden. 268 Zugebilligt wird den Beschlüssen neben einem "ausschließlich empfehlenden Charakter" eine "erhebliche politische Bedeutung und moralische Autorität".269 Damit das Stellungnahmerecht vor diesem Hintergrund nicht leerläuft, wurde bereits 1975 das sog. Konzertierungsverfahren eingeführt mit dem Ziel der Effektivierung des Beteiligungsrechts und der Herbeiführung von Einvernehmen zwischen den beiden Organen: Sofern der Rat beabsichtigt, von Stellungnahmen des EP bzgl. Rechtsakten von allgemeiner Tragweite mit finanziellen Auswirkungen abzuweichen, wird der Konzertierungsausschuß einberufen, der sich aus Vertretern beider Organe zusammensetzt und in dem unter Beteiligung der Kommission binnen drei Monaten eine Annäherung der Positionen angestrebt wird. 27o
Art. 139 Abs. 2 EGVa.F. EuGHE 1980, 3333 (3360 f., Rz. 32 f.) - "Roquette Freres". Der Rat könnte ferner auch die Durchführung des Dringlichkeitsverfahrens gern. Art. 97 GO-EP beantragen. 265 Die GO-EP befindet sich derzeit auf dem Stand Feb. 1998 und wurde bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht entsprechend der Vorgaben des Vertrags von Amsterdarn geändert. 266 Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 EGV (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 24. 267 EP-Resolution, ABI. 1967, Nr. C 268/7 f. 268 Geiger, EG-Vertrag, 2. Auf). 1995, Art. 137 Rdnr. 9; Schloh, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. A 11, Rdnr. 225; Schweitzer / Hummer, Europarecht, 5. Auf). 1996, Rdnr. 232. 269 Läufer, in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 24. Läufers Hinweis auf den abschließenden Charakter der in Art. 189 EGVa.F. (= Art. 249 EGV n.F.) aufgezählten Handlungsformen verfangt allerdings nur im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, im Inter-Organ-Verhä1tnis sagt die Norm weder etwas über die Zu1ässigkeit der Stellungnahmen noch über deren Bindungswirkung aus. 263
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Eine Pflicht zur erneuten Anhörung besteht, wenn die Kommission ihren Vorschlag ändert oder ergänzt oder wenn der Rat seinerseits vom Kommissionsvorschlag erheblich abweichen will. 27I Hierzu ist er gern. Art. 250 Abs. I EGV272 durch einstimmigen Beschluß berechtigt. Die Pflicht zu erneuter Anhörung wird als Ausdruck des Prinzips des institutionellen Gleichgewichts der Organe angesehen, das die Aufgabenerfüllung der Organe und deren ausgewogene Verfahrensbeteiligung gewährleistet. 273 Entbehrlich soll die Rekonsultation zum einen dann sein, wenn die Änderungen gerade den Vorschlägen und Bedenken des EP Rechnung tragen, da in diesen Fällen die durch das EP repräsentierten Interessen der Gemeinschaftsbürger Berücksichtigung gefunden hätten. 274 Zum anderen könne so der EuGH - eine erneute Anhörung unterbleiben, wenn die Änderung nur geringfügig sei,275 insbesondere wenn es lediglich um die Regelung technischer Details gehe. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann aber im Zweifelsfall nur das EP selbst entscheiden; die Annahme einer Beurteilungsprärogative des Rates hieße, das Anhörungsrecht zu unterlaufen. Als letzter Verfahrensschritt erfolgt die Beschlußfassung durch den Rat mit der in der Ermächtigungsgrundlage vorgeschriebenen Mehrheit. Insgesamt war das Anhörungsverfahren zwar bereits durch den Maastricht-Vertrag und weiter nun auch durch den Amsterdamer Vertrag in einigen Bereichen durch neue Verfahren ersetzt worden,276 dennoch kommt ihm auf zahlreichen Gebieten, besonders in sol270 Geiger; EG-Vertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 137 Rdnr. 12. Während es sich bei Mißachtung des Stellungnahmerechts um die Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift i. S. d. Art. 230 Abs. 2 EGV (= Art. 173 Abs. 2 EGVa.F.) handelt, sind die Folgen einer Mißachtung des Konzertierungsverfahrens, wie oben gezeigt, umstritten. Da es nicht auf Primärrecht, sondern auf Art. 63 GO-EP und einer Interinstitutionellen Vereinbarung vom 4. März 1975 [ABI. 1975, Nr. C 89/1 f.] beruht, wird ihm in rechtlich bedenklicher Weise weitgehend kein Einfluß auf die Rechtmäßigkeit des Gemeinschaftsaktes zugebilligt, s. Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 42; Läufer; in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 137 (Stand der Bearb. Mai 1995) Rdnr. 31 unter Hinweis darauf, daß eine gewohnheitsrechtliche Verfestigung an der fehlenden einheitlichen Auffassung der EG-Organe über den Anwendungsbereich des Konzertierungsverfahrens scheitere. 271 Zum Bestehen dieser Pflicht EuGHE 1970,661 (662) - "Cherniefarma"; EuGHE 1982, 245 (262, Rz. 16)- "Buyl"; EuGHE 1982,269 (287 f.); EuGHE 1992 I, 4593 (4621, Rz 16); EuGHE 1994 I, 2081 (2085, Rz. 4). 272 Art. 189 a Abs. 1 EGVa.F. 273 Läufer; in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Stand 1996, Art. 137 (Stand der Bearbeitung Mai 1995) Rdnr. 13 f.; für Entbehrlichkeit des Rückgriffs auf das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts, Brenner; Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 180. 274 EuGHE 1992 I, 4593 (4621, Rz. 16); EuGHE 1994 1,2081 (2085, Rz. 4); Geiger; EGVertrag, 2. Aufl. 1995, Art. 189 a Rdnr. 4. 275 EuGHE 1970, 661 (692, Rz. 69). 276 So werden Richtlinien im Bereich der Niederlassungsfreiheit gern. Art. 46 Abs. 2 EGV n.F. nun im Mitentscheidungsverfahren gern. Art. 251 EGV n.F. erlassen, während zuvor der parallele Art. 56 Abs. 2 Satz 1 EGVa.F. bloß die Konsultation des EP vorsah. Das Anhörungsverfahren für bestimmte Richtlinien über Berufszugangsregeln gern. Art. 57 Abs. 2 Satz 2
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chen Bereichen weiterhin Bedeutung zu, die wegen ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen von politischer Relevanz sind oder weil sie die Souveränität der Mitgliedstaaten berühren. 277 Der Umstand, daß gerade politisch sensible Sach- und Regelungsbereiche nur verhältnismäßig schwacher parlamentarischer Beteiligung unterliegen, vermag nur auf den ersten Blick zu verwundern. Zugrunde liegt der Gedanke, daß gerade hier eine Schwächung der im Rat vertretenen mitgliedstaatlichen Gubemative 278 vennieden werden soll. Knüpft das Gemeinschaftsrecht auf diese Weise stark an den Mitgliedstaat an, ist damit notwendig auch ein Mehr an demokratischer Legitimation durch die mitgliedstaatlichen Parlamente gefordert. d) Verfahren der Zusammenarbeit gern. Art. 252 EGV 279 Das Verfahren der Zusammenarbeit280 ist als solches durch den Amsterdamer Vertrag nicht refonniert worden - allerdings ist sein Anwendungsbereich derart EGVa.F. wurde durch Art. 47 Abs. 2 EGVa.F. zugunsten des Mitentscheidungsverfahrens verbunden mit Einstimmigkeit im Rat abgeschafft. Im Bereich der Visapolitik, die durch den Amsterdamer Vertrag neu aus der früheren dritten Säule der EU (ZJI) nun als IV. Titel in den EG-Vertrag aufgenommen wurde, sehen Art. 62 Satz I Nr. 2, Art. 67 EGV noch für eine Übergangszeit von fünf Jahren das Anhörungsverfahren vor. Dann ist gern. Art. 65 Abs. 2, 2. SpStr. EGV per Ratsbeschluß das Mitentscheidungsverfahren des Art. 251 EGV (Art. 189 b EGVa.F.) für anwendbar zu erklären. 277 Konsultation des EP ist beispielsweise weiterhin vorgeschrieben für die Festlegung von Einzelheiten des aktiven und passiven Wahlrechts von Unionsbürgern bei Kommunalwahlen sowie Wahlen zum EP gern. Art. 19 Abs. 1,2 EGV (= Art. 8 b Abs. 1,2 EGVa.F.); für Bestimmungen über die Unionsbürgerschaft, die des weiteren der nationalen Ratifikation bedürfen gern. Art. 22 Abs. 2 EGV (= Art. 8 e Abs. 2 EGVa.F.); im Bereich der Gemeinsamen Agrarpolitik gern. Art. 37 Abs. 2 UAbs. 3 EGV (= Art. 43 Abs. 2, UAbs. 3 EGVa.F.); für wettbewerbsrechtliche Verordnungen und Richtlinien gern. Art. 83 Abs. 1 EGV (= Art. 87 Abs. 1 EGVa.F.); für Durchführungsverordnungen im Bereich staatlicher Beihilfen gern. Art. 89 EGV (= Art. 94 EGVa.F.); für die Harrnonisierung indirekter Steuern gern. Art. 93 EGV (= Art. 99 EGVa.F.); für die Harrnonisierung von Vorschriften über den Gemeinsamen Markt gern. Art. 100 EGV (= Art. 100 EGVa.F.); für einzelne Maßnahmen im Bereich der Umweltpolitik gern. Art. 175 Abs. 2 EGV (= Art. 130 s Abs. 2 EGV a.F.); im Bereich Industrie gern. Art. 157 Abs. 3 EGV (= Art. 130 Abs. 3 EGV a.F.); im Bereich des Eigenmitteisystems gern. Art. 269 EGV (= Art. 201 EGVa.F.); für haushaltsrechtliche Regelungen gern. Art. 279 EGV (= Art. 209 EGVa.F.); für bestimmte Vorschriften über die Grundsätze der Verkehrsordnung gern. Art. 71 Abs. 2 EGV (= Art. 75 Abs. 3 EGVa.F.); für spezifische Programme zur Forschungsförderung gern. Art. 166 Abs. 4 EGV (= Art. 130 i Abs. 4 EGVa.F.); für den Abschluß von Abkommen mit Drittstaaten gern. Art. 310 EGV (Art. 228 EGVa.F.) und auch für den Erlaß von Vorschriften aufgrund der Generalermächtigung des Art. 308 EGV (= Art. 235 EGVa.F.). 278 Zur Janus-Köpfigkeit des Ministerrates Schweitzer. in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 146 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. l. 279 Art. 189 c EGVa.F. 280 Diese Bezeichnung des durch die Einheitliche Europäische Akte (EEA) 1987 eingeführten Verfahrens fand sich ausdrücklich in Art. 149 Abs. 2 EWGV. Sie entspricht nicht mehr den Formulierungen des EG-Vertrages, der in den Handlungsermächtigungen ein "Ta-
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
verkürzt worden, daß ihm keine praktische Relevanz mehr zukommt. Ersetzt wurde das Kooperationsverfahren durch das Verfahren der Mitentscheidung. 281 Im wesentlichen unterscheidet sich das Verfahren der Zusammenarbeit von dem Anhörungsverfahren, in dem prinzipiell nur eine Lesung von EP und Rat erfolgt, durch die Durchführung von jeweils zwei Lesungen, die im Wechselspiel im Rat wie im EP stattfinden. Wahrend die zusätzliche zweite Stufe die Annäherung der Positionen zum Ziel hat, gelten für die erste (konsultative) Stufe die Ausführungen zum Anhörungsverfahren mit dem EP entsprechend. 282 Allerdings endet sie nicht mit dem Erlaß einer Maßnahme, sondern mit der Festlegung eines "Gemeinsamen Standpunkts" (Common Position) durch den Rat mit qualifizierter 283 Mehrheit. Dieser Gemeinsame Standpunkt wird dem EP zugeleitet. Dabei hat der Rat das EP in allen Einzelheiten über die Gründe zu unterrichten, aus denen er den Standpunkt festgelegt hat. Die dahingehende Formulierung des Art. 252lit. b, UAbs. 1, Satz 2 EGV 284 ist mit Blick auf die Rolle der Kommission nicht geglückt. 285 Gemeint ist nicht, daß die Kommission den Standpunkt und die Gründe des Rates zu kommentieren hat, sondern daß für jedes Organ eine separate Informationspflicht (bezogen jeweils auf den eigenen Standpunkt) gegenüber dem EP besteht. Dieses Verständnis wird auch durch die deutlichere Fassung der korrespondierenden Vorschrift für das Mitentscheidungsverfahren, Art. 251 Abs. 2 UAbs. 2, 3. SpStr., S. 2, 3 EGV,286 unterstrichen. Nach der Zuleitung stehen dem EP drei Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung, die die zweite Phase determinieren. Zum einen kann es den Gemeinsamen Standpunkt ausdrücklich oder stillschweigend billigen, indem es die Dreimonatsfrist ab tigwerden gemäß dem Verfahren des Artikels 252 EGV (= Art. 189 c EGVa.F.)" verlangt, ist aber im Sprachgebrauch der Gemeinschaftspraxis weiterhin üblich. 281 So im Bereich der Umweltpolitik gern. Art. 175 Abs. 1 EGV (Art. 130 s Abs. 1 EGV a.F.); bei Erlaß von Maßnahmen im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik gern. Art. 71 Abs. 1 EGV (Art. 75 Abs. 1 EGV a.F.); bei Erlaß von Maßnahmen zur beruflichen Bildung gern. Art. 150 Abs. 4 EGV (Art. 127 Abs. 4 EGV a.F.); bei bestimmten Maßnahmen im Bereich der Transeuropäischen Netze TEN gern. Art. 156 Abs. 3 EGV (129 d Abs. 3 EGVa.F.); bei Durchführungsbeschlüssen betreffs des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gern. Art. 162 EGV (Art. 130 e Abs. 1 EGVa.F.); bei Maßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit gern. Art. 179 Abs. 1 EGV (130 w Abs. 1 EGVa.F.). 282 Dies kommt auch in Art. 51 Abs. 1, UAbs. 4 GO-EP zum Ausdruck, der grundsätzlich die Bestimmungen über die erste Lesung für alle Legislativvorschläge anwendbar erklärt, gleichgültig, ob diese ein, zwei oder wie - unter dem EG-Vertrag i.d.F. des Maastricht-Vertrages U.U. - drei Lesungen erfordern. 283 Will der Rat von seiner Befugnis Gebrauch machen, Änderungen des Kommissionsvorschlags zu beschließen, gilt das Einstimmigkeitserfordernis aus Art. 250 Abs. 1 EGV (= 189 a Abs. 1 EGVa.F.) auch für die Festlegung des Gemeinsamen Standpunktes. 284 Art. 189 c lit. b, U Abs. 1 Satz 2 EGVa.F. 285 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (347, bes. Fußn. 17) spricht diesbezüglich von einem "awkward drafting". 286 Art. 189 b Abs. 2, UAbs. 2, Satz 3, 4 EGVa.F.
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Übennittlung gern. Art. 252 lit. b, UAbs. 2 EGV 287 verstreichen läßt. Dies hat zur Folge, daß der Rat zum Erlaß der Maßnahme entsprechend dem Gemeinsamen Standpunkt berechtigt und auch verpflichtet ist. Daß dem Rat insoweit kein Beurteilungsspielraum zusteht, kommt klar in der Formulierung "der Rat erläßt den Rechtsakt endgültig" zum Ausdruck. Damit kommt im Falle des Nichterlasses auch eine Untätigkeitsklage des EP gern. Art. 232 Abs. I EGV288 in Betracht. Die zweite Handlungsvariante des EP besteht gern. Art. 252 lit. c, Satz 2 EGV 289 in der Ablehnung des Gemeinsamen Standpunkts mit absoluter Mehrheit. Nachdem Rat und Kommission hiervon durch offizielle Zuleitung unterrichtet sind, kann der Rat nur mit Einstimmigkeit beschließen. Bleibt er untätig, gilt der Kommissionsvorschlag gern. Art. 252 lit. f EGV 290 nach Ablauf von drei Monaten als nicht angenommen. In der Praxis hat sich das Einstimmigkeitserfordernis als beachtliches Hindernis für das Letztentscheidungsrecht des Rates erwiesen: Wird der Gemeinsame Standpunkt mehrheitlich beschlossen, ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß die in der ersten Lesung überstimmte Minderheit nun mit der Mehrheit kooperiert, um den mit absoluter Mehrheit gefaßten Parlaments beschluß zu Fall zu bringen?91 In den meisten Fällen wählt das EP allerdings die durch Art. 252 lit. c, Satz I EGV 292 eröffnete Möglichkeit, binnen drei Monaten Abänderungen an dem Gemeinsamen Standpunkt vorzuschlagen. Erforderlich ist wiederum die absolute Mehrheit der Mitglieder; hierin kommt einmal mehr die untergeordnete Bedeutung parlamentarischer Minderheitenrechte im Rechtsetzungsverfahren zum Ausdruck. Der Änderungsvorschlag führt zu einer erneuten Einschaltung der Kommission, die innerhalb eines Monats ihren ursprünglichen Vorschlag, aufgrund dessen der Gemeinsame Standpunkt festgelegt worden war, zu überprüfen hat. Hierbei hat sie gern. Art. 252 lit. d, UAbs. 2 EGV 293 die Stellungnahme des EP zu berücksichtigen. Die Frage, was die "Berücksichtigung" genau beinhaltet, ist umstritten. Eine vergleichbare Problematik stellt sich auf der noch zu untersuchenden nationalen Ebene im Zusammenhang mit Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG, § 5 Satz 3 EUZBBG. Im deutschen Recht besteht zwischen der einfachgesetzlichen Konkretisierung und Art. 189 c lit. b, UAbs. 2 EGVa.F. Art. 175 Abs. I EGVa.F. 289 Art. 189 c lit. c, Satz 2 EGVa.F. 290 Art. 189 c lit. f EG V a.F. 291 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (347, Fußn. 19) unter Hinweis auf den Entwurf einer Richtlinie zum Arbeitsschutz gegen die Risiken von Benzol, der durch Verstreichenlassen der Dreimonatsfrist aus Art. 189 c lit. f EGVa.F. (Art. 2521it. f. EGV n.F.) scheiterte. Im Jahr 1992 erklärte sich der Rat angesichts der parlamentarischen Ablehnung eines Richtlinienentwurfs über Süßstoffe sogar ausdrücklich außerstande, in der zweiten Lesung Einstimmigkeit zu erzielen. 292 Art. 189 c lit. c Satz I EGVa.F. 293 Art. 189 c lit. d, UAbs. 2 EGVa.F. 287 288
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der Verfassungs vorschrift ein Formulierungsunterschied. Auf der vorliegend zunächst untersuchten gemeinschaftsrechtlichen Ebene bestehen ebenfalls divergierende Formulierungen, allerdings nicht auf verschiedenen Stufen der Normenhierarchie, sondern zwischen unterschiedlichen sprachlichen Fassungen der Primärrechtsnorm: Wahrend die englische Fassung "taking into account the amendments" der deutschen Fassung entspricht, geht die französische Fassung "a partir des amendements propose par le Parlement europeen" davon aus, daß der Parlamentsbeschluß zum Ausgangspunkt der Überpriifung gemacht wird. Während Art. 100 EGKSV Französisch als einzig authentische Sprache anerkennt,294 bestimmen Art. 53 EUV, Art. 314 EGV,295 daß der Wortlaut aller Sprachen, in denen das Primärrecht urschriftlich abgefaßt wurde, gleichermaßen verbindlich ist. Dennoch sprechen nicht nur demokratietheoretische Erwägungen, sondern auch die Zusammenschau mit den übrigen Verfahrens vorschriften dafür, i. S. d. französischen Fassung die Stellungnahme des EP zum Ausgangspunkt der Überpriifung zu machen. 296 Dem Bedürfnis nach einer allgmeinen Darlegung der jeweiligen Positionen wurde bereits in der Konsultationsphase Rechnung getragen; neue Gesichtspunkte ergeben sich in der zweiten Phase allein aus den parlamentarischen Änderungsvorschlägen. Soll das komplizierte Verfahren nicht auf der Stelle treten, müssen diese Vorschläge des EP als Basis der Vorschlagsüberpriifung genommen werden. Keinesfalls kann hierin ein Verstoß gegen das grundsätzliche Vorschlagsrecht der Kommission - und damit gegen das Prinzip des institutionellen Gleichgewichts - gesehen werden, zumal das Letztentscheidungsrecht über die (Nicht)übernahme der parlamentarischen Änderungsvorschläge in den Neuvorschlag gern. Art. 252 lit. d, UAbs. 2, Satz 1 EGV 297 bei der Kommission liegt. Nachdem der überpriifte Vorschlag erneut dem Rat zugeleitet worden ist, kann dieser ihn entweder mit qualifizierter Mehrheit annehmen, ihn einstimmig abändern, oder durch Verstreichenlassen der Dreimonatsfrist aus Art. 252 lit. f EGV 298 scheitern lassen. e) Verfahren der Mitentscheidung gern. Art. 251 EGV 299 aa) Anwendungsbereich Nach dem EG-Vertrag werden im Wege der sog. Kodezision gern. Art. 251 EGV 300 beispielsweise Harmonisierungsmaßnahmen i. S. d. Art. 95 Abs. 1 Satz 2 Schweitzerl Hummer; Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 141. Art. S EUVa.F., Art. 248 EGVa.F. 296 So i.E. auch Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (347, Fußn. 20), ohne nähere Begründung. Enger, für eine bloße Überprüfung "im Lichte" der parlamentarischen Änderungsvorschläge Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6. ed. 1995, p. 32. 297 Art. 189 c lit. d, UAbs. 2 Satz 1 EGVa.F. 298 Art. 189 c lit. f. EGVa.F. 299 Art. 189 b EGVa.F. 294
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EGV 301 erlassen. Die Einsetzung des kompliziertesten Rechtsetzungsverfahrens verwundert zunächst, da es sich gerade hierbei um höchst technische Detailregelungen handelt, weniger um parlamentarischer Legitimation bedürftige Grundsatzentscheidungen. Der Grund ist wohl in der zentralen Bedeutung eines gut funktionierenden Gemeinsamen Marktes für die Europäische Union zu sehen?02 In anderen Anwendungsbereichen des Mitenscheidungsverfahrens 303 werden zwar durchaus ebenfalls grundsätzliche Wertenscheidungen getroffen, allerdings handelt es sich - im Gegensatz zu den Anwendungsbereichen des Anhörungsverfahrens - zumeist nicht um finanziell einschneidende oder souveränitätsbegrenzende Maßnahmen. Kodezision wird im wesentlichen praktiziert in Bereichen, in denen die Sekundärrechtsetzung ohnehin schon mehr oder weniger abgeschlossen ist, wie in den Bereichen Freizügigkeit und Niederlassungsfreiheit. 304 Ein weiterer Anwendungsbereich liegt auf dem Gebiet der Fördermaßnahmen (in den Sektoren Bildung, Gesundheit, Kultur), und damit in Bereichen, in denen eher begrenzte gemeinschaftliche Befugnisse bestehen. Insgesamt wurden in den fünf Jahren seit der Einführung des Mitentscheidungsverfahrens durch den Maastrichter Vertrag 137 Rechtsakte auf der Grundlage des Art. 189 b EGV a.F. 305 verabschiedet. 306
300 Art. 189 b EGVa.F. Gegen die verbreitete Bezeichnung als Kodezision Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (349), da dies ein nicht existierendes gleichwertiges Recht von Europäischem Parlament und Rat bei Erlaß von Rechtsakten impliziere. 301 Art. 100 a Abs. 1 Satz 2 EGVa.F. 302 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (361). 303 Im Verfahren nach Art. 251 EGV (189 b EGVa.F.) werden erlassen: Richtlinien oder Verordnungen zur Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gern. Art. 40 EGV (Art. 49 EGVa.F.); bestimmte Richtlinien im Bereich der Niederlassungsfreiheit gern. Art. 44 Abs. 1 EGV (Art. 54 Abs. 2 EGV a.F.) und gern. Art. 46 Abs. 2 EGV (Art. 56 Abs. 2 Satz 2 EGV a.F.); Richtlinien bzgl. Anerkennung von Diplomen und über die Aufnahme selbständiger Tätigkeit gern. Art. 47 Abs. 1, 2 EGV (Art. 57 Abs. 1, 2 EGVa.F.). Im Bereich der Dienstleistungsfreiheit gelten gern. Art. 55 EGV (Art. 66 EGVa.F.) die Art. 45-48 EGV (55-58 EGV a.F.) entsprechend. Ferner findet das Kodezisionsverfahren Anwendung bei Erlaß von Fördermaßnahmen in den Bereichen Bildung gern. Art. 149 Abs. 4, 1. SpStr. EGV (Art. 126 Abs.4, 1. SpStr. EGVa.F.); Kultur gern. Art. 151 Abs. 5, 1. SpStr. EGV (Art. 128 Abs. 5, 1. SpStr. EGV a.F.) und Gesundheit gern. Art. Art. 152 Abs. 4 Satz 1 EGV (Art. 129 Abs. 4, 1. SpStr. EGVa.F.). Schließlich kommt das Mitentscheidungsverfahren zum Einsatz bei Maßnahmen, die der Überwachung etc. der Verbraucherschutzpolitik der Mitgliedstaaten dienen gern. Art. 153 Abs. 4 EGV (leicht modifiziert bezog sich der korrespondierende Art. 129 a Abs. 2 EGVa.F. auf spezifische Aktionen, die die mitgliedstaatliche Verbraucherschutzpolitik unterstützten); ferner bei Leitlinien für den Bereich Transeuropäische Netze TEN gern. Art. 156 Abs. 1 EGV (Art. 129 d Abs. 1 EGVa.F.); bei Rahmenprogrammen für Gemeinschaftsaktionen im Bereich Forschung gern. Art. 166 Abs. 1 EGV (Art. 130 i Abs. 1 EGV a.F.); bei Allgemeinen Aktionsprogramme im Bereich Umwelt gern. Art. 175 Abs. 3 EGV (Art. 130 s Abs. 3 EGVa.F.). 304 Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6th ed. 1995, p. 35. 305 Art. 251 EGV n.F.
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I. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
bb) Erste Lesung im EP - Konsultation
Wie bereits für das Verfahren der Zusammenarbeit mit dem EP festgestellt, entspricht auch die erste Lesung des Mitentscheidungsverfahrens grundsätzlich dem Anhörungsverfahren. Ein - eher symbolisch zu wertender307 - Unterschied besteht darin, daß der Kommissionsvorschlag gern. Art. 251 Abs. 2, UAbs. 1 EGV 308 nicht nur dem Rat, sondern gleichzeitig auch dem EP offiziell zugeleitet wird. In der Praxis beschränkt die Kommission die Unterrichtung des EP allerdings nicht auf das Mitentscheidungsverfahren, sondern informiert auch umfassend über Legislativvorhaben, die in den anderen Verfahrensarten zu fassen sind. In Punkt 3.1. des Verhaltenskodex vom März 1995 309 hat sie sich dazu verpflichtet, in den Bereichen, in denen die Gemeinschaft regelnd tätig werden kann, das EP in absoluter Gleichbehandlung mit dem Rat über alle strategischen Initiativen (auch Griinbücher, Weißbücher) zu informieren. Die primärrechtliche Festlegung der Zuleitungspflicht seitens der Kommission im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens macht eine gesonderte förmliche Unterrichtung des EP durch den Rat entbehrlich. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob eine Pflicht des Rates zur erneuten Anhörung des EP im Falle wesentlicher Abweichung des beabsichtigten Gemeinsamen Standpunktes von dem urspriinglichen Vorschlag besteht. Die GOEP sieht insofern in Art. 62 vor, daß der Präsident des EP den Rat auf Antrag eines Ausschusses oder einer Fraktion um erneute Konsultation ersucht. Da der Kommissions vorschlag wie gezeigt dem EP nicht durch den Rat übermittelt wird, sondern Rat wie EP den Vorschlag unabhängig voneinander erhalten, könnte man den Standpunkt vertreten, daß bei strenger Betrachtung ohnehin bereits keine Konsultation des EP zu dem Vorschlag stattfinde. 3 10 Damit schiede dann erst recht eine 306 Hierzu und zu weiteren statistischen Auswertungen Maurer, Regieren nach Maastricht: Die Bilanz des Europäischen Parlaments nach fünf Jahren "Mitentscheidung", Integration 1998,212 ff. In der Zeit vom Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages am 1. November 1993 bis zum 30. Juni 1998 hatte die Kommission 243 Legislativvorschläge gemacht, die Art. 189 b EGV a.F. (Art. 251 EGV n.F.) als Rechtsgrundlage vorsahen. Hiervon wurden 137 (56,37%) verabschiedet, in 15 Fällen scheiterte der Rechtsaktsvorschlag. Dies geschah nur in 3 Fällen im Rahmen des Vermittlungsverfahrens, 12 Mal nahm die Kommission ihren Vorschlag selbst zuriick. Von den 137 verabschiedeten Rechtsakten wurden 74 (60,65%) ohne Vermittlungsverfahren verabschiedet, davon 50 (67,56%), in denen das EP dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates zustimmte - s. hierzu cc) (1). In den übrigen 24 Fällen (32,43%) übernahm der Rat alle parlamentarischen Änderungsanträge aus der 2. Lesung des EP - s. hierzu dd)(1). Somit verblieben 48 Gemeinsame Standpunkte als Gegenstände der Vermittlungsverfahrens - s. hierzu dd)(2). 307 Dashwood, Comrnunity Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (351). 308 Art. 189 b Abs. 2 UAbs. I EGVa.F. 309 Auf diesen Verhaltenskodex hat sich die Kommission gegenüber dem EP im Wege einer Interinstitutionellen Vereinbarung verpflichtet, ABI. 1995, Nr. C 89/69 f. 310 Krit. zu einem solchen Ansatz auch Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (351).
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Pflicht zur Rekonsultation aus. Das Gegenteil ist der Fall - die direkte Unterrichtung des EP durch die Kommission dient der friihzeitigeren Information des EP und soll dessen Stellenwert im Organgefüge der Union betonen. Keineswegs entspricht es aber den Zielen des Mitentscheidungsverfahrens, das Parlament im weiteren Verlauf der ersten Lesung weniger einzubeziehen als in den übrigen Verfahren. Auch der Hinweis auf die Möglichkeit des EP, im Rahmen der - im folgenden näher zu betrachtenden - zweiten Lesung zu Abänderungen Stellung zu nehmen, verfängt mangels Gleichwertigkeit nicht: Eine erneute Stellungnahme in der ersten Lesung kann mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgen, während Änderungsvorschläge zum einmal festgestellten Gemeinsamen Standpunkt gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3 lit c EGV 311 der absoluten Mehrheit der Mitglieder des EP bedürfen. Die erste konsultative Lesung im EP endet mit einer Stellungnahme, die dem Rat vor der weiteren Behandlung des Rechtsetzungsvorhabens vorliegen muß. Hier wird durch den Amsterdamer Vertrag nun eine Verfahrenserleichterung eingeführt. Unter den Vorraussetzungen des Art. 251 Abs 2 Uabs. 2, 1. und 2. SpStr. EGV kann der Rat nunmehr ohne vorgeschalteten Beschluß eines Gemeinsamen Standpunktes den Rechtsakt sofort erlassen. Dies ist der Fall, wenn er alle Änderungen des EP billigt oder wenn das EP keine Änderungen wollte. Nur wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, bedarf es gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 2, 3. SpStr. EGV eines Gemeinsamen Standpunktes, während ein solcher nach der bisherigen Rechtslage immer erforderlich war. Somit besteht nunmehr die Möglichkeit, das Rechtsetzungsverfahren der Mitentscheidung bereits nach der ersten Lesung des EP abzuschließen. Unverändert ist gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 2 EGV 312 , daß der Rat seine Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit trifft. 313 Ist ein Gemeinsamer Standpunkt zu beschließen, so stellt dieser auch aus Sicht der nationalen Parlamente einen tauglichen Beratungsgegenstand dar; die Stellungnahmen können die Verhandlungsführung dann in einem wichtigen und für die inhaltliche Gestaltung noch offenen Verfahrensstadium erreichen. ce) Zweite Lesung im EP - Behandlung des Gemeinsamen Standpunktes (1) Billigung des Gemeinsamen Standpunktes
Wie im Verfahren der Zusammenarbeit beginnt die zweite Phase mit der Zuleitung des Gemeinsamen Standpunktes an das EP und dessen detaillierter Unterrichtung über die Griinde für die Festlegung gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 2, 3. SpStr. Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 lit. d EGVa.F. Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 2 Satz 1 EGVa.F. 313 Dies gilt - wie auch in den weiteren Verfahrensstufen - allerdings nur vorbehaltlich speziellerer Regelungen in den Handlungsermächtigungen. So gilt etwa im Bereich Kultur gern. Art. 151 Abs. 5, 1. SpStr. EGV (Art. 128 Abs. 5, 1. SpStr., Satz 2 EGVa.F.) das Prinzip der Einstimmigkeit. 311
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EGy 314 . Die Handlungsmöglichkeit des EP, den Gemeinsamen Standpunkt gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3 lit. a EGYausdrücklich oder stillschweigend durch Yerstreichenlassen der Dreimonatsfrist zu billigen, führt dazu, daß der Rechtsakt als dem Gemeinsamen Standpunkt entsprechend erlassen gilt. Diese Fiktion stellt eine sinnvolle Yerfahrenserleichterung gegenüber Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 lit. a und b EGY a.F. dar, demzufolge der Rat den betreffenden Rechtsakt noch gesondert erlassen mußte, ohne hierbei noch einen Entscheidungsspielraum zu haben. (2) Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes Während im Kooperationsverfahren trotz Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes durch das EP dem Rat gern. Art. 252lit. c, UAbs. 2 EGy315 die Möglichkeit bleibt, mit Einstimmigkeit einen dem Standpunkt entsprechenden Rechtsakt zu beschließen, handelt es sich bei der Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes im Mitentscheidungsverfahren um ein echtes Veto. Da es sich für gemeinschaftsrechtliche Verhältnisse um eine äußerst weitreichende Parlamentsbefugnis handelt, war dem endgültigen Scheitern des Rechtsaktes bis zur Refonn durch den Amsterdamer Vertrag noch ein Zwischenverfahren vorgeschaltet. 316 Gern. Art. 189 b Abs. 2, UAbs. 3, lit. c EGVa.F. war das EP zunächst gehalten, förmlich seine Absicht zur Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes zu äußern und den Rat hiervon unverzüglich zu unterrichten. Dieser hatte daraufhin die Möglichkeit, den Vermittlungsausschuß i. S. d. Art. 189 b Abs. 4 EGVa.F. anzurufen, um seine Position näher darzulegen, woraufhin das EP entweder mit absoluter Mehrheit seiner Mitglieder31 ? die Ablehnung bestätigte und der Rechtsakt als endgültig nicht angenommen galt, oder es Änderungen gern. Art. 189 Abs. 2, UAbs. 3, lit. d EGVa.F. vorschlug. In diesem Fall ging das Ablehnungsverfahren in das (im folgenden näher behandelte) Abänderungsverfahren nach Maßgabe von Art. 189 b Abs. 2, UAbs. 3, lit. d; Abs. 3 ff. EGVa.F. über. Offen blieb, was im Falle der Untätigkeit des Rates zu geschehen hatte, da nach dem Wortlaut von Art. 189 b Abs 2 UAbs. 3, lit. c EGVa.F. vorausgesetzt wurde, daß der Rat den Vermittlungsausschuß einschaltete ("daraufhin"). Eine mögliche Lösung bot Art. 69 Abs. 2 Satz 2 GO-EP, derzufolge der Präsident des EP bei Untätigbleiben des Rates den Abschluß des Verfahrens im Plenum bekannt gab. Diese Regelung war allerdings im Hinblick auf Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 lit. c, Satz 3 EGVa.F. bedenklich, der ausdrücklich das Erfordernis einer zweiten Lesung mit nochmaliger Ablehnung durch die absolute Mehrheit der Mitglieder vorsah. Eine Ersetzung durch die Feststellung des Parlamentspräsidenten war mit den primärrechtlichen Vorgaben unvereinbar. 318 Gleichwohl war es nicht Sinn und Zweck des ZwischenArt. 189 b Abs. 2, UAbs. 2, Sätze 2 - 4 EGVa.F. Art. 189 c lit. c UAbs. 2 EGVa.F. 316 Damit hinreichend Zeit für das Zwischenverfahren und die Einschaltung des Vermittlungsausschusses gegeben war, verlängerte Art. 189 b Abs. 7 Satz 2 EGVa.F. (nunmehr entfallen) automatisch die Drei- in eine Fünfmonatsfrist. 317 Hierbei handelte es sich um eine Abweichung von der Regel des Art. 141 Abs. 1 EGV a.F. (= Art. 198 Abs. 1 EGV n.F.), derzufolge das EP vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließt. 314 315
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verfahrens, das Vetorecht des Parlamentes zu schwächen, sondern einzig, dem Rat die Möglichkeit der näheren Erläuterung zu geben. Es blieb diesem unbenommen, diese Option ungenutzt zu lassen - allerdings mußte es ausgeschlossen sein, daß in diesem Fall das Veto- bzw. Abänderungsrecht des EP unterlaufen wurde. Dem EP mußte die Möglichkeit zugebilligt werden, das Verfahren nach Ablauf einer angemessenen Frist - wenn auch nicht nach Art. 69 Abs. 2 GO-EP, so doch durch erneute Abstimmung im Plenum - fortzusetzen. 319 Das EP war dabei nicht auf die Ablehnung oder die Abänderung beschränkt, a fortiori waren dann alle Handlungsvarianten einsetzbar. Zulässig blieb damit die Billigung des Gemeinsamen Standpunkts i.S.v. lit. a, obwohllit. c diese Handlungsalternative nicht ausdrücklich anführte. 32o In der Praxis war es allerdings unwahrscheinlich, daß das EP sich allein aufgrund der ausführlicheren "Werbung" des Rates im Vermittlungsausschuß von seiner ursprünglich ablehnenden Haltung abbringen li~ß. Hierbei galt es zu beachten, daß die Sitzung des Vermittlungsausschusses nach lit. c eine gänzlich andere Rolle spielte, als das - auch unter dem Amsterdamer Vertrag in modifizierter Form fortbestehende - "eigentliche" Vermittlungsverfahren nach Abs. 3 ff.: Formell bestand - so die semantische Auslegung - nach Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 lit. c EGVa.F. tatsächlich nur die Befugnis zur näheren Darlegung, nicht aber zur Abänderung des Gemeinsamen Standpunktes. Gegen eine Abänderungsbefugnis des Rates in diesem Verfahrensstadium sprach auch, daß ausdrücklich nur dem Parlament das Recht zu Änderungsvorschlägen eingeräumt war, welche zudem noch von der Kommission zu kommentieren waren, bevor der Rat erneut beschließen konnte. Dieses verzahnte Rechtserzeugungsmodell schien kaum vereinbar mit einem - ungeschriebenen - Recht des Rates, faktisch zur ersten (konsultativen) Phase zurückzukehren. 32t Wenn es möglicherweise auch im Sinne des effet utile gewesen wäre, das Verfahren so zu wählen bzw. zu modifizieren, daß schnellstmöglich ein Konsens zu erzielen wäre, so hätte dies doch gegen die explizite Kompetenzverteilung des primären Gemeinschaftsrechts verstoßen. Schließlich wäre ein solcher Ansatz auch kontraproduktiv für das Ziel stärkerer Transparenz der Entscheidungsprozesse gewesen. 322 Das schloß nicht aus, daß informelle Kontakte zwischen EP und Rat am Rande der Vermittlungsausschußsitzungen die Durchführung des förmlichen Verfahrens (zulässigerweise) erleichterten und beschleunigten. 323
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So auch Hetmeier, in: Lenz, EG-Vertrag, 1994, Art. 189 b Rdnr. 8. Hetmeier, in: Lenz, EG-Vertrag, 1994, Art. 189 b Rdnr. 8.
320 Für Zulässigkeit aufgrund des Prinzip des effet utile Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (352). 321 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (354). 322 Zur Transparenz der europäischen Entscheidungsprozesse als entscheidender Zielvorstellung BVerfGE 89, 155 (185) - "Maastricht"; BT-Drs. 13 / 3040, S. 2. 323 Grundlage hierfür war die interinstitutionelle Vereinbarung von EP, Rat und Kommission vom 25. Oktober 1993, BullEG 1993/10, S. 126; s.a. die korrespondierende Aufforderung des EP, ABI. 1993, Nr. C 329/141 f. Punkt 14 der Vereinbarung, der die Regelungen auch für das Vermittlungsverfahren nach Art. 189 b Abs. 2 EGV a.F. anwendbar erklärt, macht deutlich, daß die zwei Einsatzmöglichkeiten des Vermittlungsausschusses auseinanderzuhalten waren.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Gern. Art. 251 EGV n.F. entfällt dieses komplexe und langwierige Zwischenverfahren zugunsten einer sofortigen Entscheidungsbefugnis des Parlaments: nach Abs. 2 UAbs. 3 lit. b muß das EP nur einmal mit absoluter Mehrheit gegen einen Rechtsakt stimmen, damit dieser als nicht erlassen gilt. Alternativ kann es sofort den Weg des Abänderungsverfahrens gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3 lit. c, Abs. 3 ff. EGV 324 einschlagen. (3) Abänderung des Gemeinsamen Standpunktes
Entschließt sich das EP in vorgenanntem Sinn dazu, Abänderungen zum Gemeinsamen Standpunkt vorzuschlagen, so muß der geänderte Text gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3 lit. C325 dem Rat wie auch der Kommission zugeleitet werden; letztere hat hierzu eine Stellungnahme abzugeben. dd) Beschlußfassung im Rat (1) Billigung der parlamentarischen Änderungen durch den Rat
Die nächste Phase, die der Beschlußfassung im Rat gern. Art. 251 Abs. 3 EGV, beginnt unabhängig davon, ob die Kommission ihrer Pflicht zur Stellungnahme nachkommt. Dies wird daran deutlich, daß der Rechtsakt in der abgeänderten Fassung des Gemeinsamen Standpunktes als erlassen gilt,326 wenn der Rat binnen drei Monaten nach Zuleitung der Abänderungen des EP - spätestens aber nach vier Monaten, wenn die Frist auf Initiative von EP oder Rat gern. Art. 251 Abs. 7 EGV verlängert wurde 327 - die Änderungen mit qualifizierter Mehrheit billigt. Für die Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 lit d, Abs. 3 ff. EGVa.F. Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 EGVa.F. 326 Unter der Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag wurde der Rechtsakt gern. Art. 189 b Abs. 3 EGV a.F. nach der Billigung nicht fingiert, es bedurfte vielmehr eines gesonderten Ratsbeschlusses. Auch in dessen Abschaffung ist eine begrüßenswerte Verfahrensvereinfachung zu sehen, auch wenn die drei Schritte Billigung - Abänderung - Rechtsakt in der Praxis ohnehin nicht drei separate Beschlüsse bedeuteten: für die Billigung wurde die ProtokolIierung in den Stenographischen Berichten als ausreichend erachtet, s. Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era ofthe Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (354). Auch die Forderung nach einem zusätzlichen förmlichen Änderungsbeschluß bzgl. des Gemeinsamen Standpunktes durfte als unnötige Formalie abzulehnen gewesen sein, solange in dem Beschluß des Rechtsaktes den Änderungsvorschlägen des EP vollumfanglich Rechnung getragen wurde. Der übergangslos anknüpfende Art. 189 b Abs. 3 Satz 2 EGVa.F. ("Erläßt der Rat den Rechtsakt nicht. .. ") statuierte dabei nicht den Nichterlaß des Rechtsaktes als Handlungsalternative, die sich an Billigung und Abänderung hätte anschließen können. Zu ergänzen war die ungeschriebene Voraussetzung, daß keine Billigung und keine Änderung des Gemeinsamen Standpunktes stattgefunden hatte. Bei erfolgter Billigung bestand dagegen eine Rechtspflicht zum Erlaß. In der Praxis war dieser Ansatz unproblematisch, da nicht ersichtlich war, wieso der Rat zunächst mit qualifizierter Mehrheit Änderungsvorschläge hätte billigen sollen, um dann deren Umsetzung in verbindliche Akte zu unterlassen. Ware dies sein Ziel, hätte es in seinem Ermessen gestanden, gar keine Billigung auszusprechen. 324 325
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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Stellungnahme der Kommission ist demgegenüber keine explizite Ausschlußfrist vorgesehen. Gegen eine Pflicht des Rates, in jedem Fall zunächst die Stellungnahme der Kommission abzuwarten, streitet auch Art. 251 Abs. 3 Satz 1, 2.HS. EGY: Die Bestimmung knüpft Rechtsfolgen nur an ablehnende Stellungnahmen der Kommission, indem sie für diesen Fall einen gesonderten Ratsbeschluß fordert, der mit Einstimmigkeit zu fassen ist. 328 Für bloß unterbliebene Kommissionsvoten gilt dies nicht. 329 Ausreichend ist es allerdings, wenn die Kommission nur zu einzelnen Änderungsvorschlägen ablehnend Stellung nimmt, da die Änderungen "im Paket" angenommen werden - auch in diesem Fall ist anstelle der Fiktion ein einstimmiger Ratsbeschluß erforderlich. Beigelegt wurde hierdurch die unter der alten Rechtslage bezüglich teilweise ablehnender Kommissionsentscheidungen herrschende Rechtsunsicherheit: Es kollidierten in diesem Fall zwei Mehrheitsanforderungen, wobei die Einstimmigkeit nicht notwendig die qualifizierte Mehrheit umfaßte. Damit bestanden Bedenken dagegen, bei teil weiser Ablehnung durch die Kommission prinzipiell Einstimmigkeit zu fordern. Einstimmigkeit bedeutet das Fehlen von Gegenstimmen, während Enthaltungen gern. Art. 205 Abs. 3 EGy 330 unschädlich sind. Die qualifizierte Mehrheit ist dagegen gern. Art. 205 Abs. 2 EGy 331 bei 62 Ja-Stimmen von 87 möglichen erreicht. Damit ist es jedenfalls theoretisch denkbar, daß sich Ratsmitglieder, die sich zu einer positiven Zustimmung außerstande sehen, mit Rücksicht auf das Einstimmigkeitserfordernis enthalten. Gleichzeitig können sie aber genug Stimmen innehaben, um die Sperrminorität332 von 26 zu erreichen, die eine qualifizierte Mehrheit verhindert. 327 Art. 189 b Abs. 7 Satz 1 EGV a.F. sah vor, daß zwischen EP und Rat Einvernehmen über die Fristverlängerung erzielt werden mußte. 328 Art. 189 b Abs. 3 Satz 1,2. HS. EGVa.F. korrespondierte mit dieser Rechtslage insofern, als er ebenfalls nur an ablehnende - nicht aber an unterbliebene - Kommissionsvoten eine Rechtsfolge knüpfte. Da hier ohnehin ein gesonderter Ratsbeschluß erforderlich war, bestand die besondere Rechtsfolge in der Anordnung des Einstimmigkeitsprinzips. 329 Nach der alten Rechtslage wurde davon ausgegangen (Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 [354]), daß der Rat nach Ablauf einer angemessenen Frist, i.d.R. von einem Monat, so verfahren durfte, als hätte die Kommission den Änderungsvorschlägen zugestimmt. 330 Art. 148 Abs. 3 EGVa.F. 331 Art. 148 Abs. 2 EGVa.F. 332 Geiger; EG-Vertrag, 2. Auf!. 1995, Art. 148 Rdnr. 16 f.; Schweitzer; in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 148 (Stand der Bearbeitung Mai 1995), Rdnr 7, jeweils unter Hinweis auf den im Zusammenhang mit der Erweiterung der EU um Österreich, Finnland und Schweden geschlossenen "Kompromiß von Ioannina". In dem hierauf basierenden Beschluß des Rates v. 27. März 1994, ABI. 1994, Nr. C 10511; Neufassung ABI. 1995, Nr. C 1/1, wurde zwar nicht festgelegt, jenseits von Art. 148 Abs. 2 EGVa.F. (Art. 205 EGV n.F.) die frühere Sperrminorität von 23 Stimmen fortgelten zu lassen, so aber Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, S. 199. Statuiert wurde aber eine Bemühenspf!icht des Rates, in Fällen, in denen die frühere Sperrminorität erreicht wird, kompromißf:ihigere Lösungen anzustreben.
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Während das Kooperationsverfahren der Kommission im Hinblick auf parlamentarische Änderungsvorschläge noch eine tragende Rolle einräumt,333 ist im Kodezisionsverfahren nicht mehr der Kommissions-, sondern der Parlamentsbeschluß Ausgangsbasis für die Verhandlungen im Rat. Der Rat handelt in dieser Phase des Mitentscheidungsverfahrens gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3 lit. c, Abs. 3 EGV 334 damit nicht mehr auf Vorschlag der Kommission. 335 Ob ein Handeln auf Kommissionsinitiative vorliegt oder ein anderer Fall, wirkt sich auf die Anforderungen aus, die an die qualifizierte Mehrheit bei der Billigung der Änderungen zu stellen sind. 336 Für die qualifizierte Mehrheit wären bei Handeln auf Kommissionsinitiative 62 Stimmen von 87 möglichen ausreichend, während vorliegend gern. Art. 205 Abs. 2, 2. SpStr. EGV 337 die verschärfte Anforderung gilt, daß die 62 Stimmen die Zustimmung von mindestens zehn Mitgliedern umfassen müssen; angesichts des ponderierten Schlüssels könnten die 62 Stimmen sonst bereits von acht großen Mitgliedstaaten aufgebracht werden. Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EGV schafft nun auch Rechtsklarheit bezüglich der friiher ungeklärten Frage, ob eine nur teilweise Billigung zulässig war, mit der Folge, daß der Gemeinsame Standpunkt als in diesem Umfang geändert anzusehen gewesen wäre. Trotz der Beschränkung des Art. 189 b Abs. 3 Satz 1 EGVa.F. auf die Gesamtheit der Abänderungen war diese Option denkbar. Dafür hätte der - nunmehr gestrichene - Art. 189 b Abs. 6 EGVa.F. angeführt werden können, weIcher "den Gemeinsamen Standpunkt, den der Rat vor Eröffnung des Vermittlungsverfahrens gebilligt hatte", erwähnt. 338 Dies bedeutete jedoch nicht, daß der nach Abschluß der konsultativen Phase beschlossene Gemeinsame Standpunkt und der vor Beginn des Vermittlungsverfahrens vorliegende Gemeinsame Standpunkt hätten divergieren können. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß es sich auch bei letzterem um den (nach wie vor) gebilligten ursprünglichen Standpunkt handelte, zumal der nächste Halbsatz die Option zu (teiIweiser) Berücksichtigung parlamentarischer Änderungen erst nach Scheitern des Vermittlungsverfahrens vorsah. Schließlich war zu beachten, daß der Rat nicht beurteilen konnte, weIchen Wert das EP einzelnen Än333 S. o. Kap. 1, B.I.2.d) (S. 75 ff.) zu der Frage, ob die Kommission gern. Art. 252 lit. d EGV (Art. 189 c lit. d EGVa.F.) die parlamentarischen Änderungen lediglich berücksichtigen oder zugrundelegen muß. Letztlich stellt auch die Mehrheitsregelung des Kooperationsverfahrens in Art. 252 lit. e EGV (Art. 189 c lit. e EGVa.F.) nur eine Ausprägung des Grundsatzes aus Art. 250 Abs. 1 EGV (Art. 189 a Abs. 1 EGVa.F.) dar, demzufolge Änderungen des Kommissionsvorschlags nur einstimmig erfolgen können. 334 Art. 189 b Abs. 2, UAbs. 3 lit. d, Abs. 3 EGVa.F. 335 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (356); Fugmann, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand Nov. 1996, Kap. All, Rdnr. 86 c. 336 Nach der Rechtslage vor dem Amsterdamer Vertrag bedurfte es einer qualifizierten Mehrheit ferner für den gesonderten Beschluß über den Rechtsakt im Falle einer positiven bzw. unterbliebenen Kommissionsstellungnahme. 337 Art. 148 Abs. 2 2. SpStr. EGVa.F. 338 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (355).
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derungen beimaß, ob es sie für verzichtbar erachtete oder als so maßgeblich für den gesamten Rechtsakt, daß es dessen Scheitern vorgezogen hätte. Erforderlich war vielmehr die Annäherung der Positionen unter Mitwirkung aller Beteiligten, die in dem hierfür vertraglich vorgesehenen Verfahren zu erfolgen hatte.
Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EGV stellt nunmehr in diesem Sinne klar, daß auch bei teilweiser Billigung durch den Rat der Rechtsakt nicht als teilweise erlassen gilt, sondern daß in diesem Fall bereits der Vermittlungsausschuß einzuberufen ist. (2) Vermittlungsverfahren bei fehlender Billigung der Änderungen Billigt der Rat die Änderungen des EP gern. Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EGV 339 nicht vollständig, ist das Vermittlungsverfahren einzuleiten. Hierzu beruft der Präsident des Rates im Einvernehmen mit dem Präsidenten des EP binnen sechs Wochen oder auf Initiative eines der beiden Organe spätestens in der gern. Art. 251 Abs. 7 EGV verlängerten Frist von acht Wochen - den Vermittlungsausschuß ein. Diese strikten Fristen sollen der Verfahrensbeschleunigung dienen, da sich die bisher in Art. 189 b Abs. 3 Satz 2 EGVa.F. vorgesehene "Unverzüglichkeit" der Einberufung als recht dehnbare Bestimmung erwiesen hat. Das Vermittlungsverfahren hat zum Ziel, eine Einigung über einen gemeinsamen Entwurf herbeizuführen. Der Ausschuß verfahrt auf der Grundlage einer 14 Punkte umfassenden interinstitutionellen Vereinbarung (IV) aus dem Jahr 1993.340 Der Ausschuß besteht gern. Art. 251 Abs. 4 Satz 1 EGV 341 aus den Mitgliedern des Rates oder deren Vertretern und ebensovie1en Vertretern des EP. Als Vertreter der Ratsmitglieder, die oft zeitlich an der Sitzungsteilnahme gehindert sind, werden Mitglieder des AStV (Teil I oder 11, je nach betroffenem Sachgebiet) in den Ausschuß gesandt. 342 Kein Mitglied, aber doch zur Sitzungsteilnahme berechtigt ist die Kommission, die gern. Art. 251 Abs. 4 Satz 2 EGV343 i.V.m. Punkt 2 IV alle erforderlichen Initiativen zu ergreifen hat, um auf eine Annäherung der Standpunkte von EP und Rat hinzuwirken. Was das Zusammenwirken der Organe in der Praxis anbelangt, so verweist die Einleitung der Vereinbarung auf die im Rahmen des Kooperationsverfahrens herausgebildete Übung, besonders in wichtigen Fällen ["sensitive cases"] informelle Treffen und Kontakte zwischen der Ratspräsidentschaft, der Kommission und dem Vorsitzenden bzw. Berichterstattern der zuständiArt. 189 b Abs. 3 Satz 2 EGVa.F. Interinstitutionelle Vereinbarung von EP, Rat und Kommission vom 25. Oktober 1993, BullEG 1993/10, S. 126; dieser ging eine Aufforderung des EP, ABI. 1993, Nr. C 329/141 f., voraus. 341 Art. 189 b Abs. 4 Satz 1 EGVa.F. 342 Dashwood, Comrnunity Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (357); näher zum AStV s.o. Kap. I, A.lI.3.b) (S. 28 ff.). 343 Art. 189 b Abs. 4 Satz 2 EGVa.F. 339
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
gen EP-Ausschüsse durchzuführen. Dieses Verfahren soll auch weiterhin aufrechterhalten und fortentwickelt werden. Insgesamt kommt in den Vorschriften der interinstitutionellen Vereinbarung eine weitgehende Gleichstellung und Gleichberechtigung der Organe zum Ausdruck, die natürlich auch Symbo1charakter hat. So regelt Punkt 3 Abs. 3 mit Blick auf die Einberufung des Vermittlungsausschusses, die gern. Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EGV 344 namens der Ratspräsidentschaft erfolgt, daß das notwendige Einvernehmen des Präsidenten des EP sich auf die Details wie Termine und Tagesordnung der Sitzungen erstrecken muß?45 In Abs. 1, 2 des Punkt 3 wird festgelegt, daß beide Präsidenten den Vorsitz im Vermittlungs ausschuß innehaben und diese Funktion abwechselnd ausüben. So finden die Sitzungen abwechselnd in den Räumlichkeiten von EP und Rat statt (Punkt 12)346, die unterstützende Arbeit wird gemeinsam von den Generalsekretariaten der beiden Organe (in Zusammenarbeit mit dem Generalsekretariat der Kommission) geleistet (Punkt 10, 11). Hier erhalten die Textentwürfe ihre sprachliche und juristische Endfassung, die gern. Punkt 6 der abschließenden Billigung der Vermittlungsausschußvorsitzenden bedarf. Für die Billigung ist auf Seite des Rates gern. Art. 251 Abs. 4 Satz 1 EGV 347 die qualifizierte Mehrheit erforderlich, dies gilt gern. Art. 250 Abs. 1 EGV 348 auch für die Fälle, in denen Von dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag abgewichen wird, was im Normal fall zum Erfordernis der Einstimmigkeit führen würde. Das EP muß mit einfacher Mehrheit seiner Vertreter, d. h. mit 8 von 15 Stimmen für den gemeinsamen Entwurf stimmen. Der Ausschuß ist gern. Art. 7 Abs. 5, 2. SpStr. GO-Rat i.Y.m. Punkt 8 der IV von den Abstimmungsergebnissen, dem Stimmverhalten der einzelnen Delegationen und den angegebenen Gründen in Kenntnis zu setzen. Art. 251 Abs. 5 EGV 349 gewährt dem Vermittlungsausschuß eine Frist von sechs Wochen, binnen derer er den gemeinsamen Entwurf erarbeiten und billigen kann. Der neueingeführte Satz 3 der Vorschrift regelt, daß Arbeitsgrundlage der Gemeinsame Standpunkt mit den vom EP vorgeschlagenen Änderungen ist. Hierdurch wird die besondere Bedeutung der parlamentarischen Mitgestaltung auch primärrechtlich verankert.
Art. 189 b Abs. 3 Satz 2 EGVa.F. Nach Maßgabe von Punkt 13 ist der Rat auch im gesamten Vermittlungsverfahren gehalten, den Zeitplan des EP zu berücksichtigen. 346 In der Praxis bringt diese Regelung sogar doppelte Alternanz mit sich - stehen mehrere Vermittlungsverfahren an, und wurde eines beispielsweise in dem Räumlichkeiten des Rates eröffnet, wird das nächste im EP eröffnet. Evtl. erforderliche weitere Sitzungen finden in den Räumlichkeiten des jeweils anderen Organs statt, wobei die verschiedenen Verfahren unabhängig voneinander rotieren. Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (357, Fußn. 51). 347 Art. 189 b Abs. 4 Satz I EGVa.F. 348 Art. 189 a Abs. 1 EGVa.F. 349 Art. 189 b Abs. 5 EGVa.F. 344 345
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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Entgegen Art. 74 Satz 2 GO-EP, der das Datum der ersten Sitzung des Ausschusses als maßgeblich für den Fristbeginn erachtet, stellt der ausschlaggebende Wortlaut des Primärrechts auf das Datum der Einberufung durch den Ratspräsidenten ab. 350 Hat der Vermittlungsausschuß fristgerecht gemeinsame Textentwürfe gebilligt, werden diese nach Maßgabe von Punkt 9 der IV unverzüglich an Rat und Parlament weitergeleitet, denen nun ihrerseits ein Zeitraum von sechs Wochen für den Erlaß eines korrespondierenden Rechtsaktes zur Verfügung steht. Findet der Rechtsakt binnen dieser Frist nicht die qualifizierte Mehrheit des Rates und nicht die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen des EP, gilt er gern. Art. 251 Abs. 5 Satz 2 EGV 351 als nicht angenommen. In diesem Fall war das Rechtsetzungsverfahren auch nach der bisherigen Rechtslage beendet; es kam nicht mehr zu dem - nunmehr durch Art. 251 Abs. 6 EGVabgeschafften - dritten Verfahrens stadium. (3) Abschaffung der dritten Lesung im EP bei Scheitern des Verrnittlungsverfahrens Entsprechend einer alten Forderung des Parlaments regelt Art. 251 Abs. 6 EGV nunmehr das sofortige Scheitern des Rechtsetzungsverfahrens für den Fall, daß der Vermittlungsausschuß keinen gemeinsamen Entwurf billigt. 352 Nach der bisherigen Rechtslage galt, daß das Rechtsetzungsverfahren nicht automatisch gescheitert war, wenn es nicht wie in den vorangegangenen Ausführungen Rat und EP sind, die sich zu einer Einigung außerstande sehen, sondern (bereits) der Vermittlungsausschuß. Dem Rat blieb gern. Art. 189 b Abs. 6 EGV a.F. die Möglichkeit, seinen - ursprünglichen, vor Beginn des Verrnittlungsverfahrens gebilligten 353 - Gemeinsamen Standpunkt zu bestätigen, "ggf. mit vom EP vorgeschlagenen Abänderungen". Zu diesem Zugeständnis mußte der Rat in der Praxis nicht nur "gegebenenfalls", sondern in aller Regel bereit sein, damit der Gemeinsame Standpunkt eine Chance hatte, der endgültigen Ablehnung durch das EP zu entgehen: Gern. Art. 189 b Abs. 6 Satz 2 EGV a.F. mußte das EP in einer dritten Lesung mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder gegen die Position des Rates votieren, wenn es verhindern wollte, daß ein entsprechender Rechtsakt nach Ablauf einer weiteren Sechs350 Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994, 343 (359, Fußn. 60) mit dem praxisorientierten Lösungsvorschlag, den Zeitraum zwischen Einberufung und erster Sitzung auf ein Minimum zu reduzieren. 351 Art. 189 b Abs. 5 Satz 2 EGVa.F. 352 Hilf/ Pache, Der Vertrag von Amsterdam, NJW 1998, 705 (710). 353 Wie bereits im Zusammenhang mit Abs. 3 erläutert, hat die Billigung einzelner parlamentarischer Änderungsvorschläge keine Auswirkungen auf den Gemeinsamen Standpunkt, dieser ist vielmehr weiterhin mit dem Standpunkt identisch, der nach Abschluß der ersten konsultativen Phase vorlag; s.o. Kap. 1, B.I.2.e)dd)(l), S. 84 f.
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wochenfrist als erlassen galt. Die in Art. 189 b Abs. 7 Satz I EGV a.F. eröffnete Möglichkeit zur Verlängerung der Sechswochenfristen um jeweils zwei Wochen blieb dabei rein theoretisch, da angesichts der Umstände, unter denen das Mitentscheidungsverfahren in die dritte Phase ging, die Erzielung des notwendigen Einvemehmens 354 zwischen Rat und EP kaum möglich war. Je weiterreichend der Rat bei Bestätigung des Gemeinsamen Standpunktes auch die dem Parlament wichtigen Aspekte berücksichtigte, um so wahrscheinlicher war es, daß sich die für ein Veto erforderliche absolute Mehrheit im EP nicht fand. Die Fonnulierung "ggf. mit vom EP vorgeschlagenen Änderungen" verdeutlicht, daß nicht "die", d. h. alle, Änderungen heranzuziehen waren. Der Rat war in diesem Verfahrens stadium insoweit also nicht mehr nur zur Entscheidung über das "Ob", sondern auch über das "Inwieweit" befugt. Fraglich war allerdings, ob nur fönnliche Änderungsvorschläge des EP herangezogen werden konnten, oder ob der Rat, sofern er die fönnlichen Vorschläge des EP weiterhin ablehnte, sich diesen in der Sache annähern und modifiziert in den Standpunkt übernehmen durfte. 355 Was bei erster Betrachtung a maiore ad minus zu gelten schien, war so eindeutig indes nicht. Denkbar war, daß das EP ein Scheitern des Rechtsaktes dem Erlaß einer Maßnahme, die nur marginal seinen Interessen Rechnung trug, vorzog. Diese Präferenz auch durchzusetzen, konnte ihm durch das Erfordernis der absoluten Mehrheit erschwert werden. Der ebenfalls zu beachtende Aspekt des effet utile stritt auch nicht für eine Auslegung, die es ennöglichte, so viele Sekundärrechtsetzungsverfahren wie möglich erfolgreich abzuschließen. Das Prinzip der weitestgehenden Verwirklichung des Gemeinschaftsrechts umfaßt ebenso die bestmögliche Wahrung der primärrechtlichen Kompetenzordnung. Die Annahme lag nahe, daß die Rechte des EP unterlaufen werden konnten, sofern der Rat zur Unterbreitung eigener - auch dem EP entgegenkommender - Änderungsvorschläge befugt war. Mit diesen u.U. erstmals vorgetragenen Änderungen wäre der Rechtsakt zustande gekommen, sofern das EP nicht mit absoluter Mehrheit sein Veto einlegte. Führt man sich vor Augen, daß die dritte Verfahrensphase eine inhaltliche Mitgestaltung durch das EP nicht mehr vorsah, war eine am Wortlaut von Art. 189 b Abs. 6 Satz I a.E. EGVa.F. ausgerichtete enge Auslegung geboten. Diesen Bedenken trägt der Amsterdamer Vertrag durch die ersatzlose Abschaffung der dritten Lesung damit in begrüßenswerter Weise Rechnung; der neue Art. 251 Abs. 6 EGV dient neben der Verfahrensbeschleunigung auch der Stärkung der Rechte des EP.
354 Art. 251 Abs. 7 EGV verlangt nunmehr nicht mehr das Einvernehmen, sondern läßt die Initiative von EP oder Rat ausreichen. 355 Gegen eine Übernahme anderer als der ausdrücklichen Änderungen, allerdings ohne nähere Begründung: Hetmeier. in: Lenz, EG-Vertrag, 1994, Art. 189 b Rdnr. 16.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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ee) Veifahrensbeendigung Im Unterschied zum Anhörungs- und zum Kooperationsverfahren, die mit einem Normativakt des Rates enden, resultiert das Mitenscheidungsverfahren in einem Rechtsakt, der gemeinsam von Rat und EP erlassen wird. Dem tragen auch die Formulierungen in Art. 249 Abs. 1,253,254 EGy 356 wie auch Art. 11 ff. GO-Rat Rechnung, die ausdrücklich auf gemeinsam angenommene Rechtsakte Bezug nehmen. Art. 254 Abs. 1 EGy 357 bestimmt, daß die im Verfahren gern. Art. 251 EGy 358 angenommenen Akte sowohl von dem Präsidenten des EP wie auch von dem Präsidenten des Rates unterzeichnet werden. 359 Die Zeichnung durch den Präsidenten des EP war angesichts des nicht differenzierenden Wortlauts des Art. 191 EGYa.F. auch in solchen Fällen vonnöten, in denen das Yermittlungsverfahren gescheitert war und der Rat seine einseitige Befugnis aus Art. 189 b Abs. 6 EGYa.F. ausgeübt hatte. Verweigerte der Parlamentspräsident die Unterzeichnung eines unter solchen Umständen zustande gekommenen Rechtsaktes, konnte der Rat hiergegen im Wege der Untätigkeitsklage gern. Art. 175 EGYa.F. vorgehen?60
f) Zustimmungsverfahren
Im Zustimmungsverfahren beschließt der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Zustimmung des EP, andere Organe sind ggf. anzuhören. Die relative Überschaubarkeit dieses Verfahrens, für das im Gegensatz zum Mitentscheidungsverfahren keine verschiedenen Lesungen und komplexen Konstellationen des Zusammenwirkens vorgesehen sind, täuscht über seine Bedeutsarnkeit hinweg: nur hier bedarf eine Maßnahme notwendig der ausdrücklichen Billigung sowohl seitens des Rates wie auch seitens des Ep' 361 Auch in diesem Verfahren ist eine frühzeitige Befassung des EP anstrebenswert, da dies die spätere Zustimmung erleichtert und wahrscheinlicher macht; allerdings ist der frühe Zeitpunkt angesichts des parlamentarischen Letztentscheidungsrechts nicht in demselben Maße essentiell wie im schlichten Konsultationsverfahren.
Art. 189 Abs. I, 190, 191 EGVa.F. Art. 191 EGVa.F. 358 Art. 189 b EGVa.F. 359 Dies symbolisiert deutlich den Charakter eines gemeinsamen Rechtsaktes, vgl. Art. 14 Abs. 3, 3. SpStr., lit. a GO-Rat. 360 Dashwood. Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (363). 361 Dashwood. Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (364) qualifiziert das Zustimmungsverfabren daher auch als das eigentliche Kodezisionsverfabren ("pure codecision"). 356 357
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Der enge Anwendungsbereich des Zustimmungsverfahrens bewirkt unterdessen, daß ihm dennoch ein nur geringer Stellenwert im Rechtsetzungsprozeß zukommt. Der Zustimmung des EP bedürfen als Maßnahmen der Union im Außenverhältnis gern. Art. 49 Abs. 1 EUV 362 die Aufnahme neuer Mitglieder, gern. Art. 300 Abs. 3 UAbs. 2 i.Y.m. Art. 310 EGV 363 der Abschluß von Assoziierungsabkommen. Das Zustimmungserfordernis gilt auch für sonstige Abkommen, die durch Einführung von Zusammenarbeitsverfahren einen besonderen institutionellen Rahmen schaffen oder die erhebliche finanzielle Folgen für die Gemeinschaft haben, sowie für Abkommen, die eine Änderung eines nach dem Verfahren des Art. 251 EGV 364 angenommenen Rechtsaktes bedingen. Es handelt sich damit prinzipiell um die Zustimmung zu völkerrechtlichen Verträgen, nicht um gemeinschaftsinterne Vorschriften. 365 Für das EP bleibt es - außer im Fall der Aufnahme neuer Mitglieder, die mit absoluter Mehrheit der Mitglieder gebilligt werden muß - bei der Regel des Art. 198 Abs. 1 EGV,366 derzufolge die Mehrheit der abgegebenen Stimmen ausreichend ist. In Ansehung des Rates fordern die Handlungsermächtigungen grundsätzlich Einstimmigkeit. 367
g) Sonderproblem: Beteiligung im sog. Komitologieverfahren Während der Kommission wie dargelegt im Bereich des EG-Vertrages (und auch des EAG-Vertrages) nur wenige eigenständige Rechtsetzungsbefugnisse zukommen, wird sie in großem Umfang aufgrund sekundärrechtlicher Übertragung von Durchführungsbefugnissen durch den Rat tätig. Die Ermächtigung zu einer solchen Delegation, die auch in Art. 211,4. SpStr. EGV 368 angesprochen ist, findet sich in Art. 0 Abs. 1 EUVa.F. Art. 228 Abs. 3 UAbs. 2 i.Y.rn. Art. 238 EGVa.F. 364 Art. 189 b EGVa.F. 365 Ein Zustimmungserfordernis für gemeinschaftsinterne Regelungen besteht für die Übertragung bestimmter Aufsichtsbefugnisse auf die Europäische Zentralbank (EZB) gern. Art. 105 Abs. 6 EGV (n.F. = a.F.), für die Organisation von Struktur- und Kohäsionsfonds gern. Art. 161 EGV (Art. 130 d EGVa.F.), für Vorschriften zu einem einheitlichen Wahlrecht zum EP gern. Art. 190 Abs. 4 UAbs. 2 EGV (Art. 138 Abs. 3 Uabs. 2 EGV a.F.), für die Ernennung der Kommission gern. Art. 214 Abs. 2 UAbs. 3 EGV (Art. 158 Abs. 2 EGVa.F.). Nach Art. 214 Abs. 2 UAbs. 1 EGVerstreckt sich das Zustimmungsrecht des EP nunmehr auch auf die Ernennung des Kommissionspräsidenten; hier war zuvor nur die Anhörung des Parlaments erforderlich. Während auch Art. 8 a Abs. 2 EGVa.F. für Vorschriften zur Erleichterung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts für Unionsbürger das Zustimmungsverfahren anordnete, sieht der korrespondierende Art. 18 Abs. 2 EGV die Anwendung des Mitentscheidungsverfahrens gern. Art. 251 EGV (Art. 189 b EGV) vor. 366 Art. 141 Abs. 1 EGVa.F. 362 363
367 Gern. Art. 300 Abs. 3 UAbs. 2 i.V.rn. Abs. 2 EGV (Art. 228 Abs. 3 UAbs. 2 i.Y.rn. Abs. 2 EGVa.F.) genügt ausnahmsweise die qualifizierte Mehrheit, sofern das Abkommen nicht einen Bereich betrifft, in dem für die Annahme interner Vorschriften die Einstimmigkeit erforderlich ist.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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Art. 202, 3. SpStr. EGV 369 . Die Bestimmung verpflichtet den Rat, auf Vorschlag der Kommission und nach Stellungnahme des EP Grundsätze zur Regelung der näheren Modalitäten festzulegen. Dieser Verpflichtung ist der Rat im sog. "Komitologie-Beschluß,,37o nachgekommen, der in Art. 2 die Einschaltung von Ausschüssen (Beratender Ausschuß, Verwaltungsausschuß, Allgemeiner bzw. Besonderer Regelausschuß) vorsieht. Welches Ausschußverfahren konkret anzuwenden ist, bestimmt sich nach dem Sekundärrecht. In Verfahren I gibt der beratende Ausschuß eine nicht bindende Stellungnahme zu einem Kommissionsentwurf ab, die die Kommission soweit wie möglich berücksichtigt. Der beratende Ausschuß beschließt mit einfacher Mehrheit. Das Verfahren 11 wurde vor allem im Agrarsektor entwickelt, hier stimmt der Verwaltungsausschuß gern. Art. 205 Abs. 2 EGV 371 ab. Will die Kommission von dem Votum abweichen, teilt sie dies dem Rat mit. Dieser kann binnen einer Frist von einem bzw. maximal drei Monaten mit qualifizierter Mehrheit einen anderslautenden Beschluß fassen. Geschieht dies nicht, bleibt das Votum des Verwaltungsausschusses ohne Konsequenzen. Das Verfahren 111 zeichnet sich durch die weitestgehende Beschränkung der Kommissionsbefugnisse aus. Plant die Kommission, von einer (wie im Verfahren 11 gefaßten) Stellungnahme abzuweichen, ist sie nicht unmittelbar befugt, die Maßnahme selbst zu erlassen. Dies setzt vielmehr voraus, daß sie zuvor dem Rat einen Vorschlag unterbreitet hat, dieser aber keinen entsprechenden Beschluß gefaßt hat. Die im Anschluß an diese Untätigkeit erlassene Maßnahme der Kommission ist endgültig, wenn das allgemeine Regelungsausschußverfahren (III a, sog. "Filet-Verfahren") angeordnet ist, während der Rat im besonderen Regelungsausschußverfahren (III b, sog. "Contre-Filet-Verfahren") die Maßnahme mit einfacher Mehrheit wieder zu Fall bringen kann?72
Unabhängig von den unterschiedlichen Befugnissen der Ausschüsse sind sie dadurch geprägt, daß sie mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt und in der Praxis außerordentlich bedeutsam sind. 373 In den Ausschüssen selbst regiert das Prinzip
Art. 155,4. SpStr. EGVa.F. Art. 145, 3. SpStr. EGVa.F. Die Vorschrift war durch Art. 10 der EEA von 1986 eingeführt worden. Der Vertrag von Amsterdam hat nicht alle institutionellen Reformen abgeschlossen. Vertagt wurde u. a. die Überarbeitung der Komitologie, hierzu Hofmann/TOller, Zur Reform der Komitologie - Regeln und Grundsätze für die Verwaltungskooperation im Ausschußsystem der Europäischen Gemeinschaft, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1998, 209 ff. 370 Beschluß zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse vom 13. Juli 1987, ABI. 1987, Nr. L 197/33 ff. Damit wurde die bereits früher entwickelte Praxis, deren Rechtmäßigkeit der EuGH bereits im Jahr 1970 festgestellt hatte, EuGHE 1970, 1161 (1171 f., Rz. 3 f.); EuGHE 1970, 1197 (1209 f., Rz. 15 f.), auf eine verbindliche Grundlage gestellt. 371 Art. 148 Abs. 2 EGVa.F. 372 Ausführlich und kritisch Mathijsen, A Guide to European Union Law, 6 th ed. 1995, p. 75 f., der die Verfahren i.E. als "so kompliziert und langatmig" ansieht, daß sie "lächerlich" erschienen; ferner Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 24 Rdnrn. 6 ff. 373 Streinz, Europarecht, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 457 ff. 368 369
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1. Kap.: EuroparechtIiche Grundlagen der Mitwirkung
des "c1osed-shop",374 d. h. nur Regierungsvertreter sind in diesen Gremien teilnahme- und abstimmungs befugt. Von "erstaunlicher Offenheit,,375 seien demgegenüber die vom Regelungsausschuß eingesetzten Arbeitsgruppen, in denen die eigentliche Hauptarbeit geleistet wird. Ob diese Feststellung berechtigt ist, ist zu bezweifeln, impliziert sie doch die Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit und insbesondere der Volksvertretung. Diese partizipiert allerdings nicht in den Arbeitsgruppen, die ebenfalls Ld.R. mit Angehörigen der nationalen Fachministerien und -verwaltungen besetzt sind. Die Offenheit besteht namentlich gegenüber Vertretern europäischer Interessenverbände, die zu Arbeitsgruppensitzungen eingeladen werden und die in Expertengremien mitwirken können, in denen Entwürfe angefertigt werden, welche den Gruppen als Beratungsgrundlage dienen. 376 Letztlich kommt damit nicht nur im Ministerrat, sondern auch auf der nächstniedrigeren Ebene der europäischen Rechtsetzung die dominierende Rolle den Mitgliedstaaten ZU. 377 Das EP hat in diesem Bereich dagegen keine primärrechtlich verankerten Einflußnahmemöglichkeiten und blieb zunächst auch in der Praxis unbeteiligt. Die Nichtbeteiligung des EP wird verbreitet als zulässig erachtet,378 jedenfalls sofern es sich um bloße Durchführungsbefugnisse der Kommission handelt und das Parlament am Erlaß der Grundverordnung ordnungsgemäß beteiligt wird. 379 Da es Sinn und Zweck der Ausschußverfahren ist, den Rat von reiner Verwaltungsrechtsetzung zu entlasten,380 nicht dagegen von wesentlichen Grundsatzentscheidungen, ist diese Auffassung mit dem EU-Vertrag zu vereinbaren und auch aus demokratietheoretischer Sicht nicht unhaltbar. Die Gefahr einer mißbräuchlichen Umgehung des EP ist aber - ungeachtet des einschlägigen Rechtsetzungsverfahrens - zumindest theoretisch gegeben. 374 Winter, Drei Arten gemeinschaftlicher Rechtsetzung und ihre Legitimation, in: Brüggemeier, Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994,45 (50). 375 Winter, in: Brüggemeier, Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994,45 (50). 376 Winter, in: Brüggemeier, Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994,45 (45 f., 50), unter Hinweis auf die gängige Größenordnung einer Arbeitsgruppe, in die kleinere Mitgliedstaaten einen, größere Mitgliedstaaten zwei Ministerialbeamten entsenden. 377 Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (416). 378 Röttinger, in: Lenz, EG-Vertrag, 1994, Art. 145 Rdrn. 3; Huber, Recht der Europäischen Integration, 1996, § 24 Rdnr. 5, unter Bezugnahme auf "allgemeine demokratietheoretische Erwägungen (Wesentlichkeitstheorie)". 379 Streinz, Europarecht, 2. Aufl. 1995, Rdnr. 456, ebenfalls unter Hinweis auf die "Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts". Allg. / Krit.: Grams, Komitologie im Gesetzgebungsprozeß der Europäischen Union und die Einbeziehung des Europäischen Parlaments, KritV 1995, 112 (113 ff.) zu der umstrittenen Vereinbarkeit des neuen Mitentscheidungsverfahrens mit der Komitologiepraxis, d. h. mit dem Ausschußverfahren, durch das sich der Rat maßgeblichen Einfluß auf die Durchführungsrechtsetzung der Kommission sichern kann. 380 Schweitzer / Hummer, Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 932.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
95
Bedenken im Hinblick auf die demokratische Legitimation begegnet die Kombination von Anhörungsverfahren und Komitologie: selbst wenn das EP bei Erlaß einer Grundverordnung angehört wurde, kann es diese im Regelfall nicht verhindern, auch wenn es die der Kommission übertragenen Befugnisse als zu weitgehend erachtet. Besonders in Fällen, in denen der ablehnenden Stellungnahme des EP nicht entsprochen wurde, ist nicht ersichtlich, wie die bloße Durchführung des Anhörungsverfahrens bei Erlaß des zugrundeliegenden Rechtsakts demokratisch legitimierende Wirkung für die delegierte Rechtsetzung entfalten könnte. Mit dem konkreten institutionellen Gleichgewicht des EG-Vertrages wäre ein solches Vorgehen - d. h. ablehnende, aber immerhin erfolgte, parlamentarische Stellungnahme zum zugrunde liegenden Rechtsakt, keine Beteiligung am Durchführungsrechtsakt - zu vereinbaren. Um der Zielbestimmung einer demokratischen Europäischen Union 381 gerecht zu werden, sind hier die Mitgliedstaaten als pouvoir constituant gefordert. Um eine gemeinschaftsrechtswidrige Verletzung der Kompetenzordnung kann es sich allerdings im Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens handeln, wenn dieses durch zu weitgehende Delegation umgangen wird. Um für diesen Bereich das Komitologieproblem zu lösen, haben EP, Rat und Kommission einen "Modus vivendi" betreffend Maßnahmen zur Durchführung der im Mitentscheidungsverfahren erlassenen Rechtsakte beschlossen. 382 Gern. Punkt 4 Abs. 1 erhält der zuständige Ausschuß des EP zur gleichen Zeit und unter den gleichen Bedingungen wie der Verwaltungsausschuß jeden Kommissionsentwurf für Durchführungsrechtsakte von allgemeiner Geltung (inklusive eines detaillierten Zeitplanes). Wird in diesem Zusammenhang ein Vorschlag der Kommission an den Rat zurückverwiesen, dann verabschiedet der Rat den Durchführungsrechtsakt erst, nachdem er das EP unterrichtet und ihm eine angemessene Frist zur Stellungnahme eingeräumt hat - bzw. im Fall einer ablehnenden Stellungnahme von diesem Standpunkt des EP unverzüglich und ordnungsgemäß Kenntnis genommen hat. Interessanterweise ist die Verpflichtung, den Bemerkungen des EP möglichst weitgehende Rechnung zu tragen, lediglich für die Kommission (in Punkt 6) statuiert, nicht aber für den Rat. Insgesamt ist - trotz Problemen bei der praktischen Handhabung 383 _ mit der Statuierung von Unterrichtungspflicht und Anhörungsrecht ein Schritt in die richtige Richtung getan, der der Forderung des EP nach der Ersetzung des Regelungsausschußverfahrens durch ein Konzertierungsverfahren 384
381 In der Präambel des EU-Vertrages bestätigen die Unterzeichner ihr Bekenntnis zum Grundsatz der Demokratie und bringen ihren Wunsch zum Ausdruck, Demokratie und Effizienz in der Arbeit der Organe weiterhin zu stärken; ferner enthält der ergänzte Art. 6 Abs. 1 EUV n.F. nunmehr ein ausdrückliches Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. 382 ABI. 1996, Nr. C 102/ I f. 383 Hojmann/Töller; Zur Reform der Kornitologie - Regeln und Grundsätze für die Verwaltungskooperation im AusschuBsystem der Europäischen Gemeinschaft, Staatswissenschaft und Staatspraxis 1998,209 (213), konstatieren ein Problem der praktischen Umsetzung des Stellungnahmerechts. 384 Zu dieser Auffassung des EP EuGHE 1988, 5615 (5619).
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
Rechnung trägt. Dennoch bleibt die Ausschaltung des EP rechtlich bedenklich, zumal seine Klage gegen den Komitologie-Beschluß wegen (zweifelhafter) Unzulässigkeit abgewiesen und nicht sachlich vom EuGH beschieden wurde. 385 11. Sonstige parlamentarische Zuständigkeiten auf der europäischen Ebene
Alternativ zu der Stärkung des EP wurden zum Zwecke der Stärkung der europäischen Demokratie immer wieder grundsätzliche Umstrukturierungen der Europäischen Union erwogen, beispielsweise durch Etablierung eines Zweikammersystems, das der nationalstaatlieh zu besetzenden Kammer entscheidenden politischen Einfluß einräumt, oder mittels eines primärrechtlichen Katalogs von Rechtsakten, die nur zustande kommen können, wenn die nationalen Parlamente an ihrem Erlaß maßgeblich beteiligt werden. 386 Für beide Ansätze hat sich die Prognose, daß "der große Wurf' auch durch den Amsterdamer Vertrag nicht in Sicht sei,387 bewahrheitet. Nachdem sich das 1995 diskutierte Zwei-Kammer-System mit Beginn der Folgekonferenz als wenig aussichtsreich erwiesen hatte, wurde eine gemeinschaftsrechtliche Institutionalisierung der COSAC (Conference des Organes specialises en Affaires communautaires des Parlernents de l'Union Europeenne), d. h. der halbjährlich stattfindenden Konferenz der Europaausschüsse der mitgliedstaatlichen Parlamente, zum aktuellen "NachfolgernodelI". 388 Damit war die Möglichkeit der Stärkung parlamentarischer Einflußnahme durch die Zusammenarbeit der Parlamente angesprochen. Eine solche fand und findet auch heute noch sehr unterschiedliche Resonanz. Teilweise wird die interparlamentarische Zusammenar-
385 EuGHE 1988, 5615 (5638 ff.) - "Komitologie"; zust. Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, § 24 Rdnr. 5; krit. Streinz, Europarecht, 2. Auf!. 1995, Rdnr. 456, 323. Der EuGH verneinte die - nach Art. 173 Abs. I a.F. EWGV noch nicht ausdrücklich statuierte Klagebefugnis des EP unter Hinweis u. a. auf die Befugnis der Kommission, die Rechte des EP im Wege der Nichtigkeitsklage zu wahren. Effektiver Rechtsschutz ist allerdings nur gegeben, wenn jedes Organ seine Rechte selbst wahren kann. So wird die Kommission keine Klage erheben, wenn sie selbst von der Rechtmäßigkeit des Normativaktes überzeugt ist. In diesem Sinne auch EuGHE 1992 I, 4593 (4620, Rz. 11 ff.), unter Annahme der Klagebefugnis, bereits vor Einführung des Art. 173 Abs. 3 EGVa.F. (230 Abs. 3 EGV n.F.). 386 Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtsetzung, KritV 1994,405 (428). 387 Schmuck, Die EU-Regierungskonferenz 1996: Zum Stand der Reformdebatte, Integration 1995,68 (73). 388 Insbesondere Frankreich steuerte immer wieder in diese Richtung gehende Vorschläge zur Debatte bei, s. etwa die Denkschrift Jacques Chiracs, Le Figaro vom 20. Februar 1996 ("Haut Conseil Parlementaire, qui pourrait etre mise en reuvre partir d'une institutionalisation de la Cosac"), s. a. FAZ vom 21. Februar 1996, S. I. Ausgehend von der begrenzten Rechtsstellung der Assemblee Nationale - der beispielsweise gern. Art. 48 Abs. 1 Cf. selbst die eigene Tagesordnung von der Regierung vorgegeben wird - erscheinen die Bestrebungen Frankreichs eher auf eine Nationalisierung denn auf eine zunehmende Demokratisierung durch Parlamentarisierung abzuzielen.
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B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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beit sehr begrüßt,389 teilweise wird sie als unschädlich aber im wesentlichen nutzlos gewertee 90 ; verschiedentlich wird sie auch als kontraproduktiv abgelehnt. 391 Letzteres dürfte jedenfalls immer dann anzunehmen sein, wenn die Kooperationsformen mehr als nur eine die Arbeit des EP ergänzende Stellung einnähmen, sondern in Konkurrenz zu diesem träten. Daher hat sich die XV. COSAC im Oktober 1996 selbst zwar für eine Verbesserung ihrer Arbeitsweise eingesetzt, aber gegen eine stärkere institutionelle Verfestigung (etwa durch ein eigenes Sekretariat) ausgesprochen. Der Europaausschuß hat gern. Art. 45 Satz 2 GG für den Deutschen Bundestag ebenfalls dahingehend Stellung genommen, daß die COSAC ihren flexiblen Status beibehalten sollte392 und nicht etwa als neues Organ mit Anhörungsrechten wie der Ausschuß der Regionen (AdR) eingesetzt werden sollte. In diesem Sinne wurde auch im Amsterdamer Vertrag auf jede weitere Verkomplizierung und Renationalisierung des Rechtsetzungsprozesses verzichtet. In dem Protokoll zum Vertrag von Amsterdam über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union wird u. a. festgelegt, daß die Beiträge der COSAC in keiner Weise die einzelstaatlichen Parlamente binden oder deren Standpunkte präjudizieren. 393 Die COSAC bleibt damit ein Forum für informellen Informations- und Erfahrungsaustausch, welches in dieser Eigenschaft vom Europaausschuß des Deutschen Bundestages als sehr wertvoll eingeschätzt wird. 394 Der informelle Charakter des Gremiums ist auch durch seine fehlende repräsentative Besetzung vorgegeben; so sind nicht alle Fraktionen des Bundestags vertreten, da dieser lediglich vier Mitglieder entsenden kann, während - als deutsche Besonderheit - zusätzlich zwei Mitglieder des Bundesrates zu der Delegation gehören. Der Vollständigkeit halber sei auf die Konferenz der Parlamentspräsidenten (PPK) hingewiesen, die ein weiteres Kooperationsforum bildet. Sie hat rein informativen Charakter, wobei zu berücksichtigen ist, daß wie der deutsche Bundestagspräsident auch die Präsidenten der Parlamente Großbritanniens, Dänemarks und Irlands zu Neutralität verpflichtet sind. Ferner ist die Abhaltung von Assisen, d. h. Konferenzen der Gesamtparlamente, denkbar. Bisher hat erst eine Assise - am Vorabend der Eröffnung der Maastrichter Konferenz in Rom - stattgefunden 395, die zu zwei Dritteln mit nationalen Abgeordneten, zu ei389 Pöhle, Europäische Union a la Maastricht - Eine Herausforderung für die Parlamente der EG, ZPar11993, 49 (60 f.). 390 Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtsetzung, KritV 1994,405 (429); allg. Bleckmann, Die Umsetzung von Gemeinschaftsbeschlüssen in nationales Recht im Licht der Beziehungen zwischen den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament, ZParl. 1991,572 (578 f.). 391 So bereits die Einschätzung des EG-Ausschusses, der die Kooperation als konkurrierende Institution zum Europäischen Parlament auffaßte, Schoo/. EG-Ausschuß, 1993, S. 19. 392 BT-Drs. 13/6891 vom 3. Februar 1997, mit Abdruck der Schlußfolgerungen der xv. COSAC, S. 5. 393 s.u. Anhang IV. 394 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 47.
7 Hansmeyer
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung nem Drittel mit Mitgliedern des Europäischen Parlaments besetzt war. Angesichts ihrer Schwerfälligkeit ist eine Wiederholung wohl nur vor neuen Regierungskonferenzen sinnvoll. 396
Was die Rolle der einzelnen mitgliedstaatlichen Parlamente anbelangt, so kommt ihnen keine in den Gemeinschaftsverträgen normativ verankerte Zuständigkeit ZU. 397 Erwähnung fanden sie bereits seit Erklärung 13 der Schlußakte zum Maastrichter Vertrag, deren Hauptaussage in der Anerkennung der Förderungswürdigkeit nationaler Parlamente sowie dem Wunsch nach verstärkter Kooperation zwischen denselben und dem Europäischen Parlament besteht. In Abs. 2 Satz 2 der Erklärung 13 ist festgelegt, daß im Hinblick auf den Informationsaustausch mit dem EP die Regierungen der Mitgliedstaaten u. a. dafür Sorge zu tragen haben, daß die einzelstaatlichen Parlamente zu ihrer Unterrichtung und gegebenenfalls zur Prüfung rechtzeitig über die Vorschläge für Rechtsakte der Kommission verfügen. Generell gilt, daß die "Erklärung" gern. Art. 31 Abs. 2 lit. ader Wiener Vertragsrechtskonvention bei der Auslegung des EU-Vertrages zu beachten ist. 398 Für die Unterzeichnerstaaten des Protokolls zum Amsterdamer Vertrag über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente gilt überdies gern. Bestimmung 1.1 und 1.2. verbindlich, daß alle Konsultationsdokumente der Kommission den nationalen Parlamenten unverzüglich zugeleitet werden müssen und daß Legislativvorhaben so rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden müssen, daß die Regierung jedes Mitgliedstaates dafür Sorge tragen kann, daß ihr Parlament sie erhält. 399 Dieser Wort395 Bericht der deutschen Delegation über die Konferenz der Parlamente der Europäischen Gemeinschaft vom 27. - 30. November, BT-Drs. 121550. 396 In Erklärung 14 der Schlußakte zum Maastricht-Vertrag ersucht die Konferenz der Regierungsvertreter das Europäische Parlament wie die einzelstaatlichen Parlamente, erforderlichenfalls erneut als Assise zusammenzutreten. Unbeschadet der Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments und der Rechte der nationalen Parlamente werde diese Assise zu wesentlichen Leitlinien der EU gehört, außerdem würden der Präsident des Europäischen Rates und der Präsident der Kommission Berichte über den Stand der Union geben. 397 Für eine Stärkung der nationalen Parlamente Streinz, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, DVBI. 1990, 949 (961); Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - Eine verfassungsrechtliche Wende? DVBI. 1993,629 (635); Dashwood, Community Legislative Procedures in the Era of the Treaty on European Union, European Law Review 1994,343 (366). 398 Allg. Beutler, in: ders./ Bieber / Pipkorn / Streil, Die Europäische Union. Rechtsordnung und Politik, 4. Auf!. 1993,2.2.1.6 (S. 50). § 31 Abs. 2Iit.a. WVK lautet: "Für die Auslegung eines Vertrages bedeutet der Zusammenhang [in dem die Bestimmungen zu sehen sind] außer dem Vertragswortlaut samt Präambel und Anlagen jede sich auf den Vertrag beziehende Übereinkunft, die zwischen allen Vertragsparteien anläßlich des Vertragsabschlusses getroffen wurde." 399 Entsprechend der COSAC-Schlußfolgerungen, BT-Drs. 13/6891, S. 5, wurde in das Protokoll ferner die Verpflichtung aufgenommen, daß zwischen der Unterbreitung eines Kommissionsvorschlages und der Beschlußfassung im Rat ein Mindestzeitraum von sechs Wochen liegen muß, um die Mitarbeit der nationalen Parlamente nicht zu konterkarrieren. Zwar bestehen in dringenden Fällen Abweichungsmöglichkeiten, die jedoch eine Begründung im Rechtsakt erforderlich machen.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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laut spiegelt den Grundsatz wieder, der auch in der ersten Erwägung des Protokolls festgelegt wird: die Kontrolle der jeweiligen Regierungen durch die einzelstaatlichen Parlamente hinsichtlich der Tätigkeiten der Union ist Sache der besonderen verfassungsrechtlichen Gestaltung und Praxis jedes Mitgliedstaates. 4OO Als Ausgangspunkt für die folgende Untersuchung der Mitwirkungsrechte des deutschen Bundestags gilt damit, daß die europäische Rechtsordnung die Rahmenbedingungen für eine weitreichende Beteiligung stellt. Der maßgeblichen innerstaatlichen Rechtsordnung werden dabei gemeinschaftsrechtlich geringe Schranken gesetzt.
IU. Ergebnis und Thesen Die bisherige Untersuchung hat ergeben, daß die europäische Sekundärrechtsetzung entsprechend einem eigenständigen supranationalen Modell demokratisch legitimiert ist. Tragende.Bedeutung kommt dabei den Zuständigkeiten des Europäischen Parlaments im Rechtserzeugungsprozeß zu. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen und bewerten: Will das EP einen Rechtsakt inhaltlich mitgestalten, dann besteht im Anhörungsverfahren die aussichtsreichste Handlungsmöglichkeit darin, politischen Druck auf die Kommission dahingehend auszuüben, daß sie die parlamentarischen Änderungsvorschläge aufnimmt. Ein Abweichen des Rates ist dann nur mit Einstimmigkeit gern. Art. 250 Abs. 1 EGV401 möglich. Im Mitentscheidungsverfahren kann das EP demgegenüber unmittelbar Einfluß auf das Resultat nehmen, über direkte Verhandlungen mit dem Rat im Vermittlungsausschuß gern. Art. 251 Abs. 4 EGV. 402 Das durch den Maastricht-Vertrag neu eingeführte Verfahren, dessen Anwendungsbereich durch den Vetrag von Amsterdam beträchtlich erweitert wurde, ermöglicht es dem EP, einen Rechtsakt scheitern zu lassen oder aber gemeinsam mit dem Rat gegen die Kommission zu verabschieden. Noch stärker ist das (echte) Mitentscheidungsrecht des EP im Fall des Zustimmungsverfahrens, dessen Anwendungsbereich allerdings wenig ausgeprägt ist und sich weitgehend auf die Außenbeziehungen der EU (und damit auf die völkerrechtliche Ebene) erstreckt. In den beiden letztgenannten Verfahren ist es damit nicht mehr so, daß sich der Rat - in Zusammenarbeit mit der Kommission oder allein mit Einstimmigkeit -letztlich immer gegen den Willen des Parlaments durchsetzen kann. Wenn gerade die Möglichkeit, einen echten gemeinsamen Entwurf im Vermittlungsausschuß durchzusetzen als bedeutendstes Mitwirkungsrecht gewertet wird,403 dann trifft dies deshalb zu, weil in erster Linie konstruktive Mitgestaltung demokratische LeSo auch der Standpunkt des Bundestages, BT-Drs. 13/6891, S. 3. Art. 189 a Abs. 1 EGVa.F. 402 An. 189 b Abs. 4 EGVa.F. 403 Mathijsen. A Guide to European Union Law, 6th ed. 1995, p. 34; ähnl. Streinz. Demokratische Legitimation der Rechtssetzung der Europäischen Gemeinschaft, ThürVBI. 1997, 73 (76). 400 401
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
gitimation gewährleistet. Die notwendige rechtliche Durchsetzungskraft beruht allerdings darauf, daß das EP ggf. sein (nicht konstruktives) Vetorecht und die damit verbundene (negative) Letztentscheidungsbefugnis ausübt. Auffällig ist, daß parlamentarische Minderheitenrechte im Rahmen der Beteiligung an Rechtsetzungsvorhaben nicht vorgesehen sind. 404 Das Verfahren der Anhörung, häufig verbunden mit einstimmiger Beschlußfassung im Rat, findet derzeit in politisch oder wirtschaftlich sensiblen Bereichen Anwendung, während im Wege des Mitentscheidungsverfahrens weniger finanziell einschneidende oder souveränitätsbegrenzende Maßnahmen ergehen. Besonders das Zusammentreffen von bloßer Anhörung des Parlaments mit Mehrheitsentscheidung im Rat erschwert die Zuordnung von Verantwortlichkeit. Teilweise wird sogar der Verdacht als naheliegend gesehen, es handele sich um "vermachtete Felder", die keinesfalls der Öffentlichkeit intensiver parlamentarischer Beratung ausgesetzt werden sollten. 405 Vor diesem Hintergrund war es ein Kernanliegen der Reform im Rahmen der Folgekonferenz, die sich erst in ihrer Abschlußphase gegen Ende der niederländischen Ratspräsidentschaft im Sommer 1997 der Klärung institutioneller Fragen widmete, insbesondere den Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens zu erweitern, ferner die Verfahren insgesamt zu vereinfachen und das Zusammenarbeitsverfahren abzuschaffen. 406 Bereits durch den Maastricht-Vertrag war das Verfahren der Zusammenarbeit vielfach durch das Mitentscheidungsverfahren substituiert worden; diesen Weg hat der Amsterdamer Vertrag konsequent weiter eingeschlagen. Durch den Vertrag von Amsterdam fällt das Verfahren der Zusammenarbeit nun endgültig zugunsten des Mitentscheidungsverfahrens der Bedeutungslosigkeit anheim. Das Europäische Parlament in seiner Eigenschaft als unmittelbar gewählte Vertretung der europäischen Völker gern. Art. 189 Satz 1 EGV407 vermittelt der europäischen Sekundärrechtsetzung partiell, nämlich soweit seine vorbenannten Mitwirkungsbefugnisse reichen, eine originäre demokratische Legitimation. Selbst wenn manche Bereiche auch nach der Reform der Verträge noch entwicklungsbedürftig bleiben, kann der Auffassung zugestimmt werden, die konstatiert, daß der 404 Als Minderheitenrecht ist dagegen gern. Art. 193 Abs. 1 EGV (138 c Abs. 1 EGVa.F.) das Untersuchungsrecht ausgestaltet: das EP kann auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen. Auf der Geschäftsordnungsebene existieren natürlich durchaus Minderheitenrechte, so sind etwa gern. Art. 71 Abs. 1 GOEP u. a. ein Ausschuß oder eine Fraktion befugt, bei Legislativvorschlägen im Mitentscheidungsverfahren die Ablehnung des Gemeinsamen Standpunktes vorzuschlagen. Es handelt sich indes nicht um ein Recht auf Erlaß der Absichtserklärung. Diese darf nur mit Mehrheit der Stimmen der Mitglieder beschlossen werden. 405 Winter, in: Brüggemeier, Verfassungen für ein ziviles Europa, 1994,45 (57 f.). 406 s.a. die Leitsätze des Bundestages zu der Folgekonferenz "Die Europäische Union zukunftsfähig machen", BT-Drs. 13/3040, S. 4; BT-PlPr. 13. WPI77. Sitzung vom 7. Dezember 1995, 6760 (C); Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zur Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des EP, BT-Drs. 1317370, S. 1. 407 Art. 137 EGVa.F.
B. Die konkrete Ausgestaltung von Demokratie und Funktionenverschränkung
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Zuordnung der neugeschaffenen institutionellen Ordnung zum Typus des gemeineuropäischen parlamentarischen Regierungssystems nichts im Wege stehe. 408 Das europäische System sieht ferner vor, daß die Legitimationswirkung zu einem erheblichen Teil mitgliedstaatlich über den Ministerrat vermittelt wird. Diese Konzeption ist als solche nicht undemokratisch, da hier eine mittelbare, d. h. keine "zweitklassige" Legitimation vorliegt. 409 Ihr kommt vielmehr eine tragende Bedeutung im institutionellen Gleichgewicht der Union zu; sie dient der Wahrung der nationalen und regionalen Interessen der Mitgliedstaaten und der Absicherung des Subsidiaritätsprinzips. Teilweise wird sogar vertreten, daß aus der Perspektive des deutschen Verfassungsrechts die Integrationsoffenheit der Bundesrepublik in verfassungswidriger Weise unterlaufen werde, sobald die Förderung der gouvernementalen Ausgestaltung der Europäischen Union behindert werde. 410 Zutreffend ist insoweit, daß auch in der Maastricht-Entscheidung die gouvernementale Prägung als Konsequenz der Tatsache angesehen wird, daß die Union derzeit aus souveränen Staaten besteht. 411 Je stärker die Parlamentarisierung, um so eher ist von einem Vorgang der Staatenbildung auszugehen, der die Union von den Mitgliedstaaten verselbständigt. Allerdings folgert das Gericht hieraus nicht die Notwendigkeit der Regierungsdominanz für immer, sondern deren derzeitige Hinnehmbarkeit, die im innerstaatlichen Bereich nicht gegeben wäre. Tragende Bedeutung wird den nationalen Parlamenten also nicht nur durch die Erklärung 13 der Schlußakte zum Maastrichter Vertrag und durch das Protokoll zum Amsterdamer Vertrag zugebilligt. Auch der EG-Vertrag billigt ihnen mittelbar Bedeutung zu, indem er die Rechte des Rates und damit der nationalen Regierungsvertreter gewährleistet, die ja der nationalen parlamentarischen Kontrolle unterliegen. Die konkrete Ausgestaltung bleibt insoweit dem nationalen Verfassungsrecht überlassen, die europäische Rechtsordnung bildet durch vorgegebene Organzuständigkeiten und Rechtsetzungsverfahren nur den rechtlichen Rahmen. Gemessen am Gesetzgebungsverfahren des Grundgesetzes hat der deutsche Bundestag im Zuge der zunehmenden europäischen Integration erhebliche Kompetenzverluste erlitten. Bereits vor Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages war ein Großteil der deutschen Gesetze durch das Gemeinschaftsrecht festgelegt. Die BeiKluth, Die demokratische Legitimation der Europäischen Union, 1995, S. 78. Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, § 14 Rdnr. 52, leitet gerade aus dem Demokratieprinzip die Notwendigkeit ab, daß beim Rat als mitgliedstaatlich beschicktem zentralen Lenkungsorgan der EU das letzte Wort verbleiben müsse. Allg. gegen die Annahme einer Organlegitimation "zweiter Klasse" aufgrund von Mittelbarkeit Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (183). 410 So Brenner; Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S.257. 411 BVerfGE 89, 155 (186 f.) - "Maastricht". Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 257 ff. wertet die duale Legitimation nicht nur als festzustellenden Istzustand im derzeitigen Integrationsstadium, sondern als von der Unionsgrundordnung dauerhaft gewollten Sollzustand. 408
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1. Kap.: Europarechtliche Grundlagen der Mitwirkung
behaltung der Zuständigkeiten der nationalen Parlamente im Bereich des Primärrechts durch den Amsterdamer Vertrag war gern. Art. 23 Abs. 1 GG und nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unabdingbar, da hierauf maßgeblich die Annahme hinreichender demokratischer Legitimation der Europäischen Union gestützt wurde. 412 Die weitgehende demokratische Legitimation des Primärrechts berechtigt indes nicht zu dem Rückschluß, daß lediglich solche Sekundärrechtsakte der parlamentarischen Legitimation entbehrten, die gegen die Gemeinschaftsverträge bzw. gegen Zustimmungsgesetze verstoßen. 413 Dies hieße zu verkennen, daß das notwendig weitgefaßte Primärrecht nicht garantiert, daß die Legitimationskette bis hin zum Einzelrechtsakt gewährleistet ist. Allein auf die nationalen Zustimmungsgesetze zum EU-Vertrag und zum EG-Vertrag kann damit die im Maastricht-Urteil geforderte Rückkoppelung von Sekundärrechtsetzungsakten an die mitgliedstaatlichen Parlamente damit nicht gestützt werden. Eine vollständige Ausschaltung des Bundestages aus der europäischen Rechtsetzung würde den Kembestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes verletzen. Zugunsten des Deutschen Bundestags besteht vor diesem Hintergrund ein auf den Grundgedanken des Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 GG gestütztes Bedürfnis nach Kompensation durch Beteiligung im innerstaatlichen Bereich. 414 Dem Anspruch hat der deutsche Verfassungsgeber durch die Schaffung der Art. 23 Abs. 2,3 GG und Art. 45 GG grundsätzlich Rechnung getragen. Diese konkrete Ausgestaltung ist im folgenden Kapitel zu untersuchen.
412 BVerfGE 89, 155 (181) - "Maastricht"; auch Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 99 ff., 126 ff. 413 In diesem Sinn aber bzgl. der Bereiche der GASP und zn Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVBI. 1996,937 (945). 414 Ähnlich bzgl. eines auf das föderale Prinzip gestützten Anspruchs der Länder auch Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 132.
Zweites Kapitel
Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen der Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung in Angelegenheiten der Europäischen Union I. Methodischer Ansatz 1. Grenzen eines inhaltlich-funktionalen Gewaltenteilungsverständnisses
Im Rahmen der europäischen Sekundärrechtsetzung stehen der Bundesrepublik Deutschland Beteiligungsrechte zu, deren Ausgestaltung nach Maßgabe der nationalen Verfassung erfolgt. Angesichts der integrationsbedingten Funktionsverluste des Deutschen Bundestages und der hierdurch bedingten Rückwirkungen auf das demokratische Prinzip und den Gewaltenteilungsgrundsatz des Grundgesetzes gebietet Art. 79 Abs. 3 LY.m. Art. 20 GG einen Ausgleich im Rahmen der neuen Beteiligungsrechte. Der Kernbestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes verbietet es, den weitgehenden Bereich europäischer Rechtsetzung innerstaatlich völlig ohne Beteiligung des Bundestages auszugestalten. Darüber hinaus sind allerdings keine absoluten Vorgaben gegeben, die eine bestimmte Art und Weise der Legitimationsvermittlung erfordern. I Das Bundesverfassungsgericht ist in seiner Maastricht-Entscheidung davon ausgegangen, daß der unantastbare Kernbestand des demokratischen Prinzips durch Art. 23 GG gewahrt ist und daß insbesondere der Gehalt des Art. 38 GG und die durch Wahl bewirkte Legitimation der Staatsgewalt nicht zu weit entleert wird. Dem Deutschen Bundestag verblieben Aufgaben und Befugnisse von hinreichend substantiellem Gewicht durch seine Rechte aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG i.Y.m. dem Ausführungsgesetz (EUZBBG) sowie durch die herkömmlichen parlamentarischen Kontrollinstrumente der Art. 63, 67 GG,z Unbeantwortet bleibt die Frage nach der veränderten Zuständigkeitsverteilung 3 I Streinz, Die demokratische Legitimation der Rechtssetzung der Europäischen Gemeinschaft, ThürVBl. 1997,73 (80). 2 BVerfGE 89, 155 (LS 3,4; S. 190 f.). 3 Obwohl ,,zuständigkeit" als die Zuordnung von Aufgaben auf Wahrnehmungssubjekte verstanden wird, "Kompetenz" demgegenüber als Gegenstand der Wahrnehmungsverpflichtung, werden beide Begriffe zumeist synonym gebraucht, Wolffl Bachof, Verwaltungsrecht II,
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
zwischen Bundestag und Bundesregierung und ihrer Vereinbarkeit mit den Anforderungen des über Art. 79 Abs. 3 i. V.m. Art. 20 Abs. 2 GG gesicherten Gewaltenteilungsprinzips. Zu untersuchen bleibt daher, ob sich möglicherweise normative Direktiven des Gewaltenteilungsprinzips für die Rolle des Bundestags in europäischen Angelegenheiten im System der Staatsfunktionen herleiten lassen. Hierzu scheint zunächst ein Rekurs auf den "allgemeinen Gewaltenteilungsgrundsatz" in Betracht zu kommen, wie er in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts praktiziert wird. 4 Gemeinhin stößt es bei der ersten Betrachtung kaum auf Widerspruch, diesem Grundsatz neben der in Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG vorgenommenen Unterscheidung der Staatsaufgaben in Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung auch das Verbot der Wahrnehmung solcher Funktionen zu entnehmen, die einer anderen Gewalt zugewiesen sind. In diesem Sinn formuliert das Bundesverfassungsgericht seine Kembereichstheorie, derzufolge der Kembereich jeder Funktion vor Überlagerungen bzw. Usurpationen zu schützen ist. 5 Ausgehend von dieser Prämisse liegt zunächst die Annahme nahe, daß sich aus dem Gewaltenteilungsprinzip die rechtliche Notwendigkeit für eine Stärkung des Bundestages ergibt, dessen Mitwirkungsrechte an der europäischen Sekundärrechtsetzung einen Ausgleich für den Verlust legislativer Zuständigkeiten bieten können. Staatstheoretisch-historischer Hintergrund der Kembereichstheorie ist ein idealtypisches Bild der Gewaltenteilung, in dem das Ineinandergreifen und die wechselseitigen Kontroll- und Beeinflussungsmöglichkeiten die gegenseitige Hemmung und Balancierung der Funktionen bewirken. 6 In dieser Bedeutung als Mittel zur Mäßigung der Staatsgewalt diente das Gewaltenteilungsprinzip zunächst dem Schutz der Freiheit des Einzelnen. 7 Diese um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert herausgebildete Zwecksetzung der Abwehr staatlicher Eingriffe8 erfuhr bereits 4. Aufl. 1976, § 72 I c I, S. 15. Hiergegen bestehen keine Bedenken, da beide Begriffe eng zusammengehören und weder Kompetenz ohne Zuständigkeit, noch Zuständigkeit ohne Kompetenz möglich ist. Auch im folgenden werden die beiden Bezeichnungen gleichbedeutend verwandt, soweit nicht ausdrücklich anders kenntlich gemacht. 4 BVerfGE 68, I (86 f.) - "Pershing" mit ablehnendem Sondervotum Mahrenholz. S. 111, 129. 5 BVerfGE 9, 268 (279 f.); BVerfGE 22, 106 (111); BVerfGE 30, I (28); BVerfGE 34, 52 (59). Damit sei ausgeschlossen, daß eine der Gewalten die ihr von der Verfassung zugeschriebenen typischen Aufgaben preisgebe. s.a. Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 36 IV 5 (S. 541 f.); Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee / Kirchhof, HdbdStR I, 1987, § 24 C I, Rdnr. 49. Zum Kembereich exekutivischer Eigenverantwortung BVerfGE 68, I (87); BVerfGE 90, 286 (357). 6 Zu diesem herrschenden Verständnis vom Inhalt des Prinzips Hesse. Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 476; v. Danwitz. Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 45. 7 BVerfGE 5, 85 (199); BVerfGE 9, 268 (279); BVerfGE 22, 106 (111); BVerfGE 30, I (27 f.).
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mit der Entwicklung von der Monarchie zur Demokratie und der sich herausbildenden "Einheit" von parlamentarischer Mehrheit und Regierung Kritik. 9 Wenn der individualschützende Aspekt damit auch nicht obsolet ist, so tritt doch im heutigen Sozialstaat zunehmend die Komponente des Ordnungsprinzips und der Leistungsfähigkeit des Staates hinzu. 10 Erkennbar ist "das" idealtypische Gewaltenteilungsprinzip also kein überzeitliches, naturrechtliches. 11 Damit wird aber auch die Schwierigkeit deutlich, ein dem staatstheoretischen Vorverständnis des jeweiligen Interpreten offenstehendes Prinzip zur Herleitung normativer Direktiven für die Kompetenzordnung zu instrumentalisieren. Einer methodischen Vorgehensweise, die allein auf einer inhaltlichen Bestimmung der Funktion beruht l2 und die sich damit vor der Rechtsordnung bewegt, ist die Gefahr immanent, daß positiv-rechtliche Bestimmungen dem inhaltlichen Zuordnungsschema zuwiderlaufen. Die expliziten Kompetenzzuweisungen der Verfassung würden hierdurch unterlaufen, bzw. erschienen jedenfalls als eine "Agglomeration von Pathologien",13 wie etwa in der Qualifizierung des Erlasses von Rechtsverordnungen als "Durchbrechung,,14 des Prinzips zum Ausdruck kommt. Wenn aber die Verfassung ausdrückliche Zuordnungen getroffen hat, darf deren normativer Geltungsanspruch nicht wieder durch apriorische materielle Funktionsbegriffe unterlaufen werden. 15 Das Ziel einer normativen Kompetenzordnung, Rechtssicherheit namentlich durch die Verhinderung unzurechenbarer Willkürent8 Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Aufl. 1979, S. 99, unter Hinweis auf die zuvor im Mittelalter im Vordergrund stehende Zielrichtung der Arbeitsteilung, die auch nach modernerem Verständnis wieder aktuell ist, vgl. v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 45 f. zur Eigenschaft der Gewaltenteilung als kooperativem Zuordnungssystem. 9 Thol'TUl, Grundbegriffe und Grundsätze, in: Anschütz!Thoma, HdbdDtStR 11,1932, § 71, S. 108 (117) spricht von einem "gewaltenvereinigenden parlamentarischen Monismus". 10 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (129); Leisner; Die quantitative Gewaltenteilung, DÖV 1969,405 (411). II Ausführlich zu der historischen Wandlung der Gewaltenteilung - von Aristoteles über Locke und Montesquieu bis zu Kant und Hegel, abschließend mit den neuen Art. 23, 50 GG - Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 157 ff., mit der Schlußfolgerung einer zukunftsgerichteten Offenheit des Gewaltenteilungsprinzips für Modifikationen durch die europäische Integration. 12 Einen solchen Ansatz - allerdings im Rahmen der normierten Kompetenzordnung verfolgt mit Blick auf die Exekutivfunktion Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl. 1981, S. 388 f. I3 So explizit Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 182 (190); in diesem Sinne kritisch auch Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 39; Zimmer; Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 24. 14 So BVerfGE 18, 52 (59). 15 In diesem Sinn bereits Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, in: v. Stengel! Fleischmann, Worterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3,2. Aufl. 1914, S. 688 (695); so auch Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl. 1981, S. 389; Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (190).
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scheidungen und durch die Vermeidung von Reibungsverlusten zu gewährleisten, wäre so nicht mehr zu verwirklichen. Diese Schwäche eines rein funktionalen Ansatzes wird auch nicht durch die Heranziehung des Art. 20 Abs. 2 GG überwunden, der häufig als "sedes materiae", als normative Verankerung des überpositiven Dogmas im konkreten System des Grundgesetzes gesehen wird. 16 Der normative Gehalt der Verfassungsvorschrift beschränkt sich darauf, daß erstens alle Staatsgewalt in Gestalt von Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung ausgeübt wird, und daß dies zweitens durch voneinander geschiedene und unterscheidbare Organe geschehen soll Kompetenzzuweisungen sind hierin nicht enthalten. I? Ausgehend davon, daß es sich bei dem Begriff der Gewaltenteilung um einen Typus l8 handelt, läßt sich die für die juristische Handhabung des Prinzips notwendige Definierbarkeit nur dadurch erschließen, daß man sich an der konkreten gesetzlichen Ausgestaltung orientiert. Aus der Summe der sich hieraus ergebenden Einzelbefugnisse aber weiterreichende Befugnisse "abzuleiten", bedeutet einen logischen Fehlschluß. 19 Da eine bindende Festlegung von Aufgaben und Befugnissen der Verfassungsorgane im Grundgesetz regelmäßig nicht in Einzelheiten erfolgt, bedarf es in größerem Umfang der Auslegung und des Einsatzes der Methoden der juristischen Hermeneutik. Namentlich die verfassungssystematische Auslegung lenkt den Blick erneut auf die Funktionenordnung, denn auch wenn sich ein inhaltlich-funktionaler Ansatz "in Reinkultur" wie dargelegt verbietet, kann er dennoch im Rahmen des geltenden Rechts Bedeutung erlangen. Zu welchem konkreten Stellenwert des Gewaltenteilungsprinzips dies allerdings führt, wird durchaus differenziert beurteilt. Die Einschätzung reicht hierbei von einer ,,rudimentären Andeutungsfunktion,,2o
16 In diesem Sinn BVerfGE 7, 183 (188); Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Aufl. 1979, S. 98, mit Hinweis darauf, daß Satz 1 die Unteilbarkeit der Staatsgewalt postuliert, während Satz 2 deren Ausübung verschiedenen organisatorischen Gliederungen zuordnet, was die Bezeichnung als "Funktionenordnung" bzw...-gliederung" näher legt; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 476 f. 17 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 477; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 20 Rdnm. 32 ff.; ders., Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBI. 1990,186 (188); ders., Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (190). 18 Zu näheren Einzelheiten Kokert, Der Begriff des Typus bei Karl Larenz, 1995, S. 130 ff., 275 ff.; Schnapp, Was können wir über das Sozialstaatsprinzip wissen?, JuS 1998, 873
(874 f.).
19 Mill, System der deductiven und inductiven Logik, (Übersetzung der Originalversion System of logic, ratiocinative and inductive, 1843),4. Aufl. 1877, S. 217 f.; zust. Leiminger; Die Problematik der Reinen Rechtslehre, 1967, S. 12 f.; Schnapp, Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBI. 1990, 186 (189). 20 Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (191) unter Hinweis darauf, daß auch die Kembereichstheorie nur im Rahmen der normativen Kompetenzordnung ihren sinnvollen Platz haben könne.
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bis zum "Auffangtatbestand".21 Um es insofern nicht bei bloßen Begrifflichkeiten zu belassen, bedarf es juristisch handhabbarer Regeln: Anzusetzen ist hierfür bei dem Gedanken, daß die Problematik nicht lediglich auf eine andere Ebene verlagert werden darf, indem der vorverständnisorientierte inhaltliche Ansatz als Auslegungshilfe oder Kompetenzpräsumtion umetikettiert wird. Das Schweigen des Verfassungstextes allein berechtigt jedenfalls nicht dazu, sogleich auf eine Zuständigkeitsvermutung zuriickzugreifen. 22 Unzulässig ist vor diesem Hintergrund eine Zuständigkeitsvermutung dahingehend, nicht zweifelsfrei zugewiesene Kompetenzen als immer einem Staatsorgan zufallend zu betrachten,23 etwa weil man diesem Organ "Organsouveräntität" oder "Suprematie,,24 zubilligt. Wenn überhaupt eine Präsumtion verfassungsrechtlichen Rückhalt hat, dann ist es die - bereits von Richard Thoma unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung angenommene 25 - Rechtsvermutung für die Exklusivität ausdriicklich statuierter Kompetenzen. Prinzipiell ist es vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen, unter vergleichender Heranziehung expliziter verfassungsrechtlicher Kompetenzzuweisungen Regeln herauszuarbeiten, die eine Kompetenzbestimmung in den offengebliebenen Fällen ermöglichen. 26 Die Verwand21 Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Auf!. 1979, S. 100. Die Gewaltenteilung in ihrer Eigenschaft als Auffangtatbestand sei vor dem Hintergrund ihrer dogmengeschichtlichen Entwicklung, des vorverfassungsmäßigen Gesamtbildes und im Kontext expliziter verfassungsgesetzlicher Regelungen zu konkretisieren. Zurückhaltend für Subsidiarität Stettner; Not und Chance der grundgesetzlichen Gewaltenteilung, JöR 35 (1986), 57
(76).
22 Bevor ein Rückgriff auf die praesumtio zulässig sei, bedürfe es vielmehr weiterer hermeneutischer Anstrengungen, Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 214 (bes. Fußn. 136) bei kritischer Betrachtung der Vorgehensweise von fesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Auf!. 1968, S. 205, bei Begründung des Totalvorbehalts. Kritisch auch Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Auf!. 1991, S. 132. 23 Ablehnend auch Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 171; Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auf!. 1984, S. 157. s. bereits Kaufmann, Untersuchungsausschuß und Staatsgerichtshof, 1920, S. 10, der nach Ablösung des konstitutionellen Systems ausführte, daß kein Organ eine unbeschränkte oder auch nur präsumtiv unbeschränkte Gewalt hat. Zumindest insoweit ist der Feststellung der Kalkar-Entscheidung, BVerfGE 49,89 (1. LS und S. 126), zuzustimmen, wonach aus dem Grundsatz der parlamentarischen Demokratie kein Vorrang des Parlaments als ein alle konkreten Kompetenzuzuordnungen überspielender Auslegungsgrundsatz hergeleitet werden könne. In der folgenden Untersuchung wird durch die Staatspraxis in europäischen Angelegenheiten allerdings vielmehr die Frage aufgeworfen, ob ein zu weit reichender Vorrang der Gubemative praktiziert wird. 24 So für das Parlament fesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Auf!. 1968, S. 92 ff., 171,205; Achterberg, Das Parlament im modemen Staat, DVBI. 1974,693 (696 f.). 25 ThoTTUl, Grundbegriffe und Grundsätze, in: Anschütz I Thoma, HdbdDtStR 11, 1932, § 71, S. 108 (149). Nach Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (186) ist aus dieser These die praesumtio zu eliminieren und durch eine fixe Rechtsrege1 zu ersetzen. 26 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungmrdnung des Grundgesetzes, 1979, S. 171.
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schaft ausdrücklich zugewiesener Kompetenzen mit der zweifelhaften muß aber normativ belegbar sein, um als Anknüpfungspunkt einer Kompetenzzuweisung fungieren zu können. Im organisationsrechtlichen Idealbild bestehen keine Grauzonen,27 faktisch kommen diese allerdings vor. Ist dies der Fall, dann ist nicht der interpretierende Verfassungsjurist oder -historiker, sondern der (Verfassungs)gesetzgeber de constitutione (lege) ferenda zur Schaffung der notwendigen Rechtssicherheit berufen. Dieser Ansatz setzt sich leicht der Kritik aus, durch Ausklammerung der "nichtjuristischen" Elemente wie der verfassungsgeschichtlichen, politischen, sozialen Inhalte (mißbräuchlich) zur Absicherung bestimmter politischer, undemokratischer Positionen instrumentalisiert werden zu können. 28 Eine solche Kritik verkennt aber, daß die fehlende Ausrichtung an überpositiven Werten keineswegs deren Ablehnung bedeutet, daß es aber angesichts der unterschiedlichen Aufgabenstellung von Gesetzgebung und dogmatischer Rechtswissenschaft erforderlich ist, für die Realisierung der Werte den (Verfassungs)gesetzgeber in die Pflicht zu nehmen. 29 Festzuhalten ist damit die Notwendigkeit einer dogmatisch restriktiven Handhabung des Aspekts der Funktionentrennung. Für den über Art. 79 Abs. 3 i.V.m. Art. 20 Abs. 2 GG gewährleisteten Schutz bedeutet dies einen weiten Gestaltungsspielraum des verfassungsändernden Gesetzgebers.
2. Funktionsgerechte Organstruktur; organadäquate Aufgabenzuordnung und Verantwortlichkeitszurechnung
Eng mit dem allgemeinen funktionalen Ansatz im zuvor dargelegten Sinn verknüpft (und in gleichem Maße vorsichtig zu handhaben) sind die aus dem Gewaltenteilungsprinzip abgeleiteten und dieses konkretisierenden Rechtsinstitute der Funktionsgerechtigkeit30 und der Organadäquanz,3\ die auch im Laufe der folgen27 Staatstheoretisch hängt die Perfektion und Funktionsfähigkeit eines Rechtssystems entscheidend von der Existenz eines engmaschigen Netzes von Kompetenzzuweisungen ab, welches weder Überschneidungen noch Grauzonen zuläßt, vgl. Schnapp, Zu Dogmatik und Funktion des staatlichen Organisationsrechts, Rechtstheorie 9 (1978), 275 (296). 28 Friedrich Müller, Juristische Methodik, 5. Aufl. 1993, S. 68 ff. unter Hinweis auf eine solche Instrumentalisierung unter Bismarck. 29 Zu den unterschiedlichen AufgabensteIlungen von Gesetzgebung und dogmatischer Rechtswissenschaft s. Schnapp, Zum Rechtsschutz der Ortskrankenkassen gegen Organisationsverordnungen im Gefolge kommunaler Neugliederung, VSSR 1974, 191 (212). Es geht damit nicht um die Richtigkeit einer Methode, sondern um die KlarsteIlung ihrer Anliegen und ihrer Leistungsfähigkeit, hierzu bereits Laband, Deutsches Staatsrecht, Bd. 1, 5. Aufl. 1911, Vorwort zur zweiten Auflage 1887, S. IX f.; Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 16 f. 30 Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, 1970, S. 55, als Abgrenzungskriterium für zulässige parlamentsinterne Delegation auf Ausschüsse. 31 Meyer, Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, VVDStRL 33 (1975), 69 (102).
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den Untersuchung zu beriicksichtigen sind?2 Unter Heranziehung dieser Kriterien soll das in punkto Maßstabbildung und Direktionswirkung bestehende Defizit33 des allgemeinen Gewaltenteilungsprinzips überwunden werden. 34 Maßstabbildend wiederum für die Annahme von Organadäquanz, d. h. für die Eignung des Entscheidungsträgers, soll dessen innere Struktur, seine Besetzung und Arbeitsweise sein, während die Funktionsgerechtigkeit sich nach Inhalt und Zuschnitt der Aufgabe bemißt. 35 Soweit den Rechtsfiguren die gleiche Verfassungswertigkeit beizulegen ist, die dem Gewaltenteilungsprinzip selbst nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG zukommt, 36 gilt auch hier zu bedenken daß sie ihre Begriindung weitgehend in einem überrechtlichen Vorverständnis finden. So ist etwa der Umstand, daß bereits Charles de Montesquieu die Zuordnung von Funktionen zu staatlichen Organen emp.irisch gewonnen hat und daß sich damit die Eignung von Organen zur Aufgabenerfüllung als maßgebliche Zuordnungsregel entwickelte,37 ein bedeutsamer organisationssoziologischer Gesichtspunkt, der allerdings in kompetenzbegriindender Hinsicht irrelevant ist. Auch für die Zuordnungsmaßstäbe gilt die geschriebene Kompetenzordnung als Grenze; faktische Phänomene ohne (verfassungsrechtliche) normative Entsprechung können diese Grenze nicht überschreiten oder modifizieren. Richtig ist, daß Sachverstand und Entscheidungsfähigkeit von Funktionsträgem unverzichtbare Voraussetzungen für eine adäquate Kompetenzwahmehmung sind. Es bedarf aber stets der rechtssatzmäßigen Vermittlung von Aufgaben und Befugnissen, damit diese Kompetenzen überhaupt wahrgenommen werden dürfen. 38 Vergleichbares gilt für die Aspekte der Praktikabilität, Flexibilität, Effizienz und Kapazität, die ebenfalls in diesem Zusammenhang als kompetenzbegriindend herangezogen und teilweise mit Verfassungsrang ausgestattet werden. 39 s.u., Kap. 2, A.lV.2., 3. (S. 148 ff.). Ossenbühl, Aktuelle Probleme der Gewaltenteilung, DÖV 1980, 545, sieht das Prinzip der Funktionentrennung als von Maßstablosigkeit und Direktionsschwäche gekennzeichnet und die Kriterien der Funktionsgerechtigkeit und der Organadäquanz als konkretisierende Zwischenfigur. 34 Bereits Küster, Das Gewaltenproblem im modemen Staat, AöR 75 (1949), 397 (402 f.); heute v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 46 f.; ders., Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (338 f.); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 489; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 90 m. w. N. in Fußn. 240. 35 BVerfGE 49,89 (139 f.) - "Kalkar"; BVerfGE 68, 1 (87) - "Pershing 11". 36 So v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (331 ff.). 37 v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (332); Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 36 11 I a (S. 523 f., bes. 526). 38 Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (191); Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 172 f., 181, mißverständlich S. 178. 39 Kopp, Grenzen der Gesetzgebung lind der Rechtskontrolle im Bereich der öffentlichen Verwaltung, BayVBI. 1983,673 f. m. w. N.; Nevermann, Lehrplanrevision und Vergesetzli32 33
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Für die rechtliche Bedeutung der Figur der funktionsgerechten Organstruktur im Bereich des Staatsorganisationsrechts40 heißt dies, daß ihr eine lückenfüllende Auslegungsfunktion zukommen kann. 41 Dies läßt sich anhand des Beispiels "Sachverstand" illustrieren. Sachverstand und Informationsvorsprung werden gemeinhin mit der Regierung und ihrer Ministerialbürokratie assoziiert, während die unmittelbare demokratische Legitimation des Bundestages und dessen hierauf basierender Wertungsvorsprung als typische parlamentarische Leistungsstruktur gesehen werden. 42 Sachverstand und die damit verbundene sachgerechte Entscheidungsmöglichkeit wird erst durch umfassende Information gewährleistet. 43 Allerdings hieße es Ursache und Folge verwechseln, sähe man nun das in einem Bereich "bestinformierte" Organ allein aufgrund seines Sachverstandes als zuständig an. Ist aufgrund einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm vielmehr ein anderes Verfassungsorgan zuständig, dann ist dieser Norm im Lichte funktionsgerechter Organstruktur die Obliegenheit des gutinformierten, unzuständigen Organs zu entnehmen, dem zuständigen Organ umfassend Information zu vermitteln. Auf solche Weise kann Funktionsgerechtigkeit gerade in interfunktional verschränkten Entscheidungsstrukturen, wie kooperativen Rechtsetzungsverfahren (wie z. B. bei Rechtsverordnungsgebung unter dem Vorbehalt parlamentarischer Zustimmung oder Befassung) dazu dienen, das vom demokratischen Prinzip des Grundgesetzes verlangte Legitimationsniveau in spezifischer Weise abzustützen. 44 chung, VerwArch. 71 (1980),241 (254 f.); Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 36,43; Amdt, Praktikabilität und Effizienz, 1983, 102 ff. sieht Effizienz als normatives Gebot mit Verfassungsrang, besonders in den Bereichen des Prozeßrechts und der materiellen Grundrechtsgewährleistung. Zurückhaltend, für kaum bestehende normative Bedeutsarnkeit Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, 1971, S. 26, 58. Kritisch Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (80); Degenhart, Der Verwaltungsvorbehalt, NJW 1984,2184 (2188); Schröder, Der Verwaltungsvorbehalt, DVBI. 1984,814 (822 f.). 40 Neben dem organisationsrechtlichen Gesichtspunkt kann die Rechtsfigur auch unter dem Aspekt der Sicherung der bürgerlichen Freiheiten Bedeutung zukommen, hierzu v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter ürganstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (337). Auch wenn einer funktionsgerecht getroffenen Entscheidung, die u.U. besseren Freiheitsschutz zu verbürgen vermag, ein rechtstaatlicher Mehrwert - so der Ausdruck von Ossenbühl, 40 Jahre Bundesverwaltungsgericht, DVBI. 1993,753 (759) - zukommt, ändert dies allerdings nichts an der Verbindlichkeit speziellerer Kompetenznormen. 41 In diesem Sinn BVerfGE 68, 1 (111, 128 ff.) - Sondervotum Mahrenholz; Stettner, Not und Chance der grundgesetzlichen Gewaltenteilung, JöR 35 (1986), 57 (75 f.). Weitergehend v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter ürganstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (339), der den Grundsatz als staatsrechtliche Grundnorm versteht, die im Wege praktischer Konkordanz mit der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung in Einklang zu bringen ist. 42 v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 50; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 232 ff. 43 v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter ürganstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (335 m. w. N. in Fußn. 49); zum Sachverstand als entscheidendem Faktor Zimmer, FunktionKompetenz - Legitimation, 1979, S. 178.
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Zu erwähnen ist schließlich die Rechtsfigur der Verantwortungszurechnung, die als Element des Kompetenzbegriffs in engem Zusammenhang mit den funktional geprägten Kriterien funktionsgerechter und organ-adäquater Aufgabenzuordnung steht. 45 Entsprechend gilt auch hier, daß Verantwortung keine Kompetenz begründet, sondern eine Folge der rechtssatzmäßig festgelegten Kompetenz ist. 46 Festzuhalten ist, daß nicht ein inhaltlich-funktionales Gewaltenteilungsverständnis, sondern die mit Art. 23 GG neu geschaffene Verfassungslage den verfassungsrechtlichen Maßstab für die parlamentarische Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung und für die diesbezügliche Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung bildet. Der verfassungsändernde Gesetzgeber hatte bei der Ausgestaltung im Hinblick auf die (materielle) Funktionenordnung einen weiten, lediglich durch Art 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 GG begrenzten Gestaltungsspielraum. Dessen Einhaltung und die Modifikationen des bisherigen Verfassungssystems werden unter Punkt IV bis VI behandelt. Zuvor interessiert die verfassungsrechtlich vorgegebene Stellung der deutschen Beteiligung an der supranationalen Rechtsetzung im Gefüge der Staatsgewalt (11), anschließend speziell die Funktion des Deutschen Bundestages hierbei (III).
11. Die deutsche Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung als eigenständiger Unterfall der Staatsgewalt? 1. Grenzen der Aussagekraft einer dogmatischen Einordnung
Bei der Untersuchung der Funktionenordnung wird vielfach zunächst die Frage aufgeworfen, ob die nationale Mitwirkung in Angelegenheiten der Europäischen Union, speziell an der europäischen Sekundärrechtsetzung, möglicherweise einen eigenständigen Unterfall der - wie aus Art. 20 Abs. 2 Satz 1 hervorgeht, unteilbaren47 - Staatsgewalt darstellt, oder ob sie einer anderen Funktion zuzuordnen ist. 44 BVerfGE 83, 60 (72) - ..Ausländerwahlrecht", wertet als verfassungsrechtlich entscheidend nicht die Form der demokratischen Legitimation, sondern deren Effizienz; v. Danwitz. Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (345), ferner S. 346 ff. zur gerichtlichen Kontrolldichte und der Möglichkeit des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere evident ungeeignete Entscheidungsstrukturen als verfassungswidrig zu beanstanden. 45 v. Danwitz. Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 63; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Grundfragen des Länderfinanzausgleichs gern. Art 107 11 GG, 1984, S.104. 46 Lecheler, Die Personalgewalt öffentlicher Dienstherren, 1977, S. 193; Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (191); Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, 1979, S. 179, Fußn. 147, S. 182. 47 Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Auf!. 1979, S. 98, mit Hinweis darauf, daß Satz 1 die Unteilbarkeit der Staatsgewalt postuliert, während Satz 2 deren Ausübung verschiedenen organisatorischen Gliederungen zuordnet, was die Bezeichnung als ..Funktionenordnung" bzw...-gliederung" näher legt. Die Vorstellung von der Einheit der
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Eine verbreitete Ansicht ordnet die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in Gremien der Europäischen Union - entsprechend der herkömmlichen Einordnung von Mitgliedschaftsrechten in anderen Internationalen Organisationen - dem Bereich der auswärtigen Gewalt ZU. 48 Auswärtige Gewalt bezeichnet dabei die Zuständigkeit, in dem Sachbereich der "auswärtigen Angelegenheiten", d. h. im Hinblick auf die tatsächlichen und rechtlichen Beziehungen des Staates zu anderen Völkerrechtssubjekten auf der Basis der Völkerrechtsordnung tätig zu werden. 49 Der allseits verwandte Begriff der auswärtigen Gewalt 50 stellt nun allerdings keine selbständige Erweiterung der grundgesetzlichen Funktionendreiteilung dar. 51 Die Staatsgewalt steht in dogmenhistorischem Zusammenhang mit der Genese des Staatspersönlichkeitsgedankens im Frühkonstitutionalismus, hierzu ausführl. Schnapp, Die Einheitsfunktion der Aufsichts- und Versicherungsbehörden, in: Sozialversicherung - Organisatorische Gliederung und funktionale Einheit der Sozialverwaltung, SDSRV 31 (1988), 116 (118,150); ders., Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 33 m. w. N. unter Hinweis darauf, daß bereits die Scholastik im Mittelalter organschaftliche Gedankengänge kannte und die "potestas quoad substantiam" dem Volk, die "potestas quoad exercitium" dem Herrscher zugestand. Unter der Geltung des Grundgesetzes ist die Rechtsfigur äußerst vorsichtig zu handhaben, sie rechtfertigt nicht das Postulat des Zentralismus, s. Schnapp, Die Einheitsfunktion der Aufsichts- und Versicherungsbehörden, in: Sozialversicherung - Organisatorische Gliederung und funktionale Einheit der Sozialverwaltung, SDSRV 31 (1988), 116 (119 ff., 150). Bedenklich ist etwa die Kritik Leisners (Demokratie - Auflösung der Staatseinheit, in: Depenheuer 1 Heintzenl Jestaedtl Axer (Hrsg.), Symposium für Isensee, 1998,29 [34]), daß das Staatseinheitsbild nicht verwirklicht werde, weil die Verfassung die Machtzerreißung zwischen den bei den ersten Gewalten anordne und daß dieses institutionalisierte Mißtrauen der Todfeind der Einheit sei. 48 Brenner, Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (201); Delbrück/Woljrum, Völkerrecht, Bd. 1/1, 1989, S. 248; Frowein, Bundesrat, Länder und europäische Einigung, in: Vierzig Jahre Bundesrat, 1989, S. 285 (293); Ress, Die Europäischen Gemeinschaften und der deutsche Föderalismus, EuGRZ 1986,549 (555); ders., Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte, EuGRZ 1987, 361 (366) sieht die Bundesregierung als "Träger der materiellen auswärtigen und europawärtigen Gewalt"; Woljrum, Kontrolle der Auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 39 (40, 64, Ls 2). 49 Ausführliche Herleitung bei Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 56 ff.; Maunz, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 32 (Stand der Bearb. 1961), Rdnr. 1; Mosler, Die auswärtige Gewalt im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift für Bilfinger, 1954, S. 243 (246, 252 ff.); Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 306 f. 50 Bereits Haenel, Deutsches Staatsrecht I. 1892, S. 531 ff. Schon Mosler, Die auswärtige Gewalt im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift für Bilfinger, 1954, S. 243 (246) konstatierte, daß sich der Begriff zu sehr eingebürgert habe, als daß er aus der Staatsrechtslehre entfernt werden könne, obwohl er unrichtige Vorstellungen evoziere. Die "Kontrolle der auswärtigen Gewalt" war erster Beratungsgegenstand auf der Staatsrechtslehrertagung 1996 in Dresden, s. VVDStRL 56 (1997); die Thematik stand bereits 1953 in Bonn auf der Tagesordnung der Staatsrechtslehrer, s. VVDStRL 12 (1954). 51 Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 7 (8); Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1954), 179 (183 ff.); Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 306 m. w. N., demzufolge die Ablehnung der vierten Gewalt zum "wissenschaftlichen Ritual im Verfassungsrecht" gehöre.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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Annahme eines solchen Aliud verbietet sich vor dem Hintergrund des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG, denkbar ist aber ein sachinhaltlich begrenzter Unterfall einer (oder mehrerer) der drei Hauptfunktionen. Entgegen der überwiegenden Ansicht im Schrifttum wird teilweise ein neuer, rechtlich eigenständig zu beurteilender Fall der Staatsgewalt, der als "unionswärtige Gewalt,,52 bezeichnet werden könnte, vertreten. In der Literatur findet sich auch die Bezeichnung als "Integrationsgewalt",53 die herkömmlicherweise aber die Kompetenz zur Übertragung von Hoheitsrechten bis hin zur Integration in supranationale Einrichtungen kennzeichnet,54 nicht aber den hier interessierenden Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung. Hintergrund für den Versuch, eine weitere Gewalt zu "entwickeln", ist zumeist das Interesse, zu einer Freistellung von verfassungsrechtlich vorgesehenen Zuständigkeiten und Bindungen zu gelangen. 55 Vorliegend geht es zum einen um die Frage nach der Verfassungsbindung von Bundestag und Bundesregierung bei der Ausübung der Beteiligungsrechte. Insbesondere geht es aber um die Frage, ob und inwieweit die in Rechtsprechung und Lehre für den Bereich der auswärtigen Gewalt entwickelten Kompetenzverteilungsgrundsätze übertragbar sind. Die auswärtige Gewalt wird von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der ihr folgenden exekutivfreundlichen Lehre weitgehend der vollziehenden Gewalt zugeordnet und überwiegend als originärer Bereich der Regierungsverantwortlichkeit aufgefaßt. 56 So qualifiziert das Bundesverfassungsgericht 52 So Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (117 ff.); zustimmend Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 311. 53 Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBl. 1993, 196 (201); Frowein, Bundesrat, Länder und europäische Einigung, in: Vierzig Jahre Bundesrat, S. 285 (293); Grewe, Zum Verfassungsrecht der auswärtigen Gewalt, AöR 112 (1987), 521 (536 f.); Steinberger; Der Verfassungs staat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), 9 (41, Fußn. 92). 54 In diesem Sinn Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR 111, 1988, § 77 Rdnr. 68; Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995,114 (114). 55 Dies gilt nicht nur für die europawärtige Gewalt, sondern auch für die auswärtige Gewalt, krit. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 20 Rdnr. 25; ablehnend gegen die Annahme einer Planungs gewalt Hoppe, Planung, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR III, 1988, § 71 Rdnr. 39. Konkret gegen die Freistellung von der Bindung aus Art. 20 Abs. 3 GG durch Annahme etwa der Gnadengewalt, der auswärtigen Gewalt, der Wehrgewalt oder der Prüfgewalt: Schnapp, in: v. Münchl Kunig, GG, Bd. 1,4. Auf!. 1992, Art. 20 Rdnr. 37; ders., Die Grundrechtsbindung der Staatsgewalt, JuS 1989, I (5). 56 BVerfGE I, 351 (369); BVerfGE 1,372 (394); BVerfGE 68, I (87); Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11,1987, § 77 Rdnm. 41 ff.; ders., Zum Verfassungsrecht der auswärtigen Gewalt, AöR 112 (1987), 521 (526 f.); Doehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auf!. 1984, S. 194 f. Letztlich liege der Vorrang der Gubernative "in der Natur der Sache" begründet, Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
sogar die in Gesetzesform erforderliche Zustimmung des Deutschen Bundestags zu völkerrechtlichen Verträgen LS.v. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG funktionell als Regierungsakt57 und deutet hiermit die Durchbrechung eines Grundsatzes an. Die methodische Unzulässigkeit, aus solch inhaltlichen Funktionsbestimmungen Rückschlüsse auf Zuständigkeiten zu ziehen, wurde bereits dargelegt. So kann auch etwa Art. 65 GG nicht - weder in auswärtigen noch in europäischen Angelegenheiten - die Annahme exekutivischer AIIzuständigkeit begründen, da die Vorschrift nur intern die Verantwortung verteilt, die der Regierung ohnehin zusteht. 58 Die bloße dogmatische Einordnung der Beteiligungsrechte als "auswärtige Gewalt" kann damit ebensowenig eine exekutive Kompetenzpräsumtion stützen wie eine Einordnung als "europawärtige Gewalt" eine prinzipielle Parlamentszuständigkeit. All dies kann sich nur nach der konkreten Verfassungsordnung richten. Sind dergestalt die Grenzen der Leistungsfähigkeit einer dogmatischen Einordnung aufgezeigt, so ist der Weg frei für eine phänomenologische Betrachtung der Besonderheiten der europäischen Angelegenheiten im Vergleich zu den auswärtigen. Dies wird erweisen, daß selbst bei Annahme des hier abgelehnten funktionalen Ansatzes eine Zuordnung zum Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung ausgeschlossen ist.
2. Auswärtige und "europawärtige" Angelegenheiten im Vergleich a) Außenvertretungsmacht aa) Völkerrechtliche Vertretungsmacht In auswärtigen Angelegenheiten ist der - der Exekutive zuzurechnende59 - Bundespräsident gern. Art. 59 Abs. 1 Satz 1 GG Träger der formellen auswärtigen Gewalt, er vertritt den Bund völkerrechtlich. Dies gilt namentlich für den Bereich völkerrechtsförmlichen Verhaltens, wozu auch die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten in Internationalen Organisationen rechnet. 60 In der Verfassungswirklichkeit Union, ThürVBI. 1993, 196 (201); Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 124, dieser allerdings differenzierter und auf die Initiative zu und den Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen beschränkt. Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 43, geht davon aus, daß an der Vorrangstellung der Exekutive schon aus Praktikabilitätsgründen festgehalten werden müsse. Ablehnend gegenüber einer Theorie vom "Hausgut der Regierung", die nicht einmal historisch berechtigt sei: Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 311. 57 BVerfGE 1, 351 (395); BVerfGE 90,286 (357). 58 Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 215 f. Allg. ablehnend auch Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 39 (40). 59 Hemmrich, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Aufl. 1996, Art. 54 Rdnr. 2; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 54 (Stand der Bearb. 1986), Rdnr. 17; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 54 Rdnr. 1.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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ist es allerdings die Bundesregierung, die im Außenverhältnis verhandelt und Willenserklärungen für den Staat abgibt, während dem Bundespräsidenten im wesentlichen eine notarielle, repräsentative Rolle zukommt. Dies geschieht nicht nur in Übereinstimmung mit der internationalen Staatenpraxis, sondern ist auch völkerrechtskonfonn, wie aus Art. 7 Abs. 2 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WVK) hervorgeht, demzufolge neben den Staatsoberhäuptern auch Regierungschefs und Außenminister allein kraft ihres Amtes als Vertreter ihres Staates angesehen werden. Die Nonn kodifiziert die völkergewohnheitsrechtliche Figur des ius omnimodo repraesentationis. 61 Auf abweichende Zuständigkeitsverteilung nach Maßgabe innerstaatlichen Rechts und fehlende Vertretungsmacht im Innenverhältnis kommt es dabei für die Außenwirksamkeit eines völkerrechtlichen Vertrages gern. Art. 27,46 Abs. 1 WVK grundsätzlich nicht an. 62 Auch die Beteiligungsrechte in internationalen Organisationen werden von Regierungsmitgliedem wahrgenommen. 63 Insgesamt wird die Außenvertretungsbefugnis der Bundesregierung kraft Übertragung aber auch nach nationalem Recht allgemein anerkannt. 64 Ausnahmsweise sind gern. Art. 32 Abs. 3 GG die Länder berechtigt, Verträge mit auswärtigen Staaten abschließen, wenn sie innerstaatlich für die Gesetzgebung zuständig sind und die Bundesregierung zustimmt. Die völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Außenvertretungsmacht der Regierung bestimmt aber weder die Entscheidungszuständigkeit im staatsorganisationsrechtlichen Innenverhältnis, noch spiegelt es eine solche wieder. So nimmt die explizite Kompetenzordnung der Verfassung in Art. 24 Abs. I, 59 Abs. 2 GG auch das Parlament in die Pflicht. Die auswärtige Gewalt ist damit de constitutione lata 60 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 59 Rdnr. 2, Art. 32 Rdnr. 4; Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 59 Rdnr. 21. . 61 Das ius ornnimodo repraesentationis, d. h. die allseitige Außenvertretungsbefugnis für den Staat, hat sich, was die Außenminister anbelangt, erst 1933 als Gewohnheitsrecht durchgesetzt, s. Heintschel von Heinegg, Abschluß, Inkrafttreten und Geltungsgrund völkerrechtlicher Verträge, in: Ipsen, Volkerrecht, 3. Auf!. 1990, § 10 Rdnr. 3 f. 62 Etwas anderes gilt nur, wenn die Verletzung offenkundig i.S.v. Art. 46 Abs. 2 WVK war und eine innerstaatliche Rechtsvorschrift von grundlegender Bedeutung betraf. Hierbei handelt es sich um eine Kodifikation der heute herrschenden, vermittelnden Evidenztheorie, dazu Heintschel von Heinegg, Abschluß, Inkrafttreten und Geltungsgrund völkerrechtlicher Verträge, in: Ipsen, Volkerrecht, 3. Auf!. 1990, § 15 Rdnm. 20 ff. 63 So sind beispielsweise gern. Art. 14 Europaratssatzung die Außenminister die nationalen Vertreter im Ministerkomitee des Europarates, bzw. bei ihrer Verhinderung ein Beauftragter, der, wenn irgend möglich, Regierungsmitglied sein soll. Zur Regelbesetzung der national ausgerichteten Organe Internationaler Organisationen mit Regierungsvertretem allg. Epping, Grundlagen, in: Ipsen, Volkerrecht, 3. Auf!. 1990, § 27 Rdnr. 22. 64 BVerfGE 68, 1 (82): ,Jedenfalls kraft stillschweigend erteilter Vollmacht"; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rdnr. 663; Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 59 Rdnr. 21; differenzierend Jarass, in: Jarass/Pieroth, 4. Auf!. 1997, GG, Art. 59 Rdnr. 2; ausführlich zu den unterschiedlichen Begründungsansätzen, die von Mandat über Delegation bis zu originärer Regierungszuständigkeit reichen: Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 309, 316 ff.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
nicht auf das Organ beschränkt, an dessen Verhalten formell die angestrebten (Volker)rechtswirkungen geknüpft sind. Ebenfalls Träger der materiellen auswärtigen Gewalt sind diejenigen Organe, die innerstaatlich an der Willens bildung teilhaben,65 wobei Art und Umfang dieser Mitträgerschaft sich nach ihrer verfassungsrechtlichen Ausgestaltung richten. bb) Außenvertretungsmacht im Rahmen der europäischen Sekundärrechtsetzung Auch in europäischen Angelegenheiten wird von keiner Seite eine Außenvertretungsbefugnis des Bundestags angenommen;66 die Vertretung erfolgt in aller Regel durch ein Mitglied der Bundesregierung im Ministerrat. Rechtsgrundlage auf europarechtlicher Ebene war zunächst Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Fusionsvertrag, der entsprechend der herkömmlichen Praxis internationaler Organisationen auch auf Gemeinschaftsebene verlangte, daß jede Regierung eines ihrer Mitglieder in den Rat entsandte. Seit der Neufassung durch den Maastrichter Vertrag formulierte Art. 146 Abs. 1 EGV67 differenzierter, daß als Vertreter des Mitgliedstaates ein Vertreter auf Ministerebene auftreten kann, der befugt ist, für die Regierung verbindlich zu handeln. Damit sind zwei explizite Voraussetzungen aufgestellt, nämlich (a) der Ministerrang und (b) die Vertretungsmacht, die beide nach dem nationalem Verfassungsrecht zu beurteilen sind. 68 Teilweise wird hieraus gefolgert, daß durch die implizite Inbezugnahme innerstaatlicher Kompetenzvorschriften eine entsprechende Anwendung der Art. 27, 46 WVK ausgeschlossen sei. 69 Damit könnte ein gravierender Unterschied zu der Besetzung herkömmlicher internationaler Organisationen vorliegen, wenn dies be65 Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1954), 179 (197); zust. insoweit Schneider, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 12 (1954), 248 (249); Mosler; Die auswärtige Gewalt im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift für Bilfinger, 1954, S. 243 (251), der diesen inneren und äußeren Aspekt der auswärtigen Gewalt als formellen und materiellen qualifiziert; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 308. Als Trägerin der materiellen auswärtigen und europawärtigen Gewalt sieht dagegen Ress, Das deutsche Zustimmungsgesetz zur Einheitlichen Europäischen Akte, EuGRZ 1987, 361 (366) die Bundesregierung. 66 Für ausgeschlossen erachtet dies auch Hilf, Europäische Union: Gefahr oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz, VVDStRL 53 (1994), 8 (18), der aus diesem Grunde die Einordnung als Außen- oder europäische Innenpolitik dahinstehen läßt. BVerfGE 92, 203 (227) - "Fernsehrichtlinie" sieht prinzipiell die Wahrnehmungszuständigkeit der Bundesregierung für die Beteiligungsrechte des Bundes innerhalb der Gemeinschaft und ihrer Organe gegeben. 67 =Art. 203 Abs. 1 EGV n.F. 68 Schweitzer; in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 146 EGV (Stand der Bearb. Mai 1995) Rdnr. 3; Pechstein I Cirkel, EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997,365 (367). 69 Pechstein/Cirkel, EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997, 365 (368 f.), ferner ablehnend gegenüber einem gemeinschaftsrechtlichen Rechtsgrundsatz der Anscheinsbefugnis.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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deutete, daß - quasi als supranationale Besonderheit - Mängel im nationalen Innenverhältnis auch auf das supranationale Außenverhältnis durchschlagen könnten. Da eine Fehlbesetzung des Ministerrats immer möglichen inhaltlichen Einfluß auf dessen Rechtshandlungen haben kann, wäre sie als Verletzung einer wesentlichen Formvorschrift gern. Art. 230 Abs. 2 EGV 70 justiziabel und könnte zur Nichtigkeit des Rechtsaktes führen. 71 In Betracht kommen könnten als fehlerhafte Besetzungsformen - sieht man von der Vertretung der Bundesrepublik im Rat durch Staatssekretäre ab, die gemeinschaftsgewohnheitsrechtlich anerkannt ist72 - zwei Konstellationen: zum einen die unzureichende Berücksichtigung von Stellungnahmen der gesetzgebenden Körperschaften, zum anderen die unterbliebene Zuständigkeitsübertragung auf einen Landesminister. Die Annahme, daß Art. 203 Abs. 1 EGV 73 unterschiedslos alle nationalen Vorschriften in Bezug nimmt, unabhängig davon, ob diese sich auf das Innen- oder Außenverhältnis beziehen, geht indes fehl. Die in der Vorschrift angesprochene Befugnis, für den Mitgliedstaat verbindlich zu handeln, umfaßt nur die nach nationalem Recht geregelte Vertretungsmacht nach außen. Dies wird deutlich nach Sinn und Zweck der Vorschrift, deren Ziel es nicht war, ein "Einfallstor" für die Überprüfung aller nationalen Beteiligungsrechte zu schaffen. Vielmehr sollten neben Mitgliedern der Zentralregierungen auch solche der Regionalregierungen als Ratsvertreter handeln können. 74 Mit der Neufassung des Art. 146 EGV 75 wurde so den Art. 173 Abs. 2 EGVa.F. Damit zeichnet sich eine hier nicht weiter zu verfolgende problematische Zuständigkeitsabgrenzung zwischen EuGH und Bundesverfassungsgericht (respektive allgemein der jeweiligen nationalen Verfassungsgerichtsbarkeit, sofern eine solche in den Mitgliedstaaten existiert) ab. Zwar hat der EuGH gern. Art. 220 EGV (= 164 EGVa.F.) nur die Wahrung des Rechts bei Auslegung und Anwendung des EG-Vertrages zu sichern, für eine Überprüfung am Maßstab nationalen Rechts ist er dagegen nicht zuständig. Wenn aber gemeinschaftsrechtliche Normen als eigene Wirksamkeitsvoraussetzung nationale Mitwirkungsakte entsprechend verfassungsrechtlicher Maßstäbe der jeweiligen Mitgliedstaaten fordern, dann hätte der EuGH auch über nationales Verfassungsrecht zu befinden. Dies gilt für Art. 48 Abs. 1 UAbs. 3 EUV (= Art. N Abs. I UAbs. 3 EUVa.F.) und Art. 49 Abs. 2 Satz 2 EUV (= Art. 0 Abs. 2 Satz 2 EUVa.F.), für die der EuGH gern. Art. 461it. e EUV (= Art. L lit. c EUVa.F.) zuständig ist. In der Praxis ist ein solcher Fall noch nicht vorgekommen; eine Lösungsmöglichkeit könnte in einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht zu sehen sein, hierzu ausführlich Pechstein/ Cirkel, EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997, 365 (369); allg. Breuer, Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994,417 (428). 72 Schweitzerl Hummer, Europarecht, 5. Auf!. 1996, Rdnr. 145; seit Inkrafttreten des Art. 146 EGVa.F. allerdings teilweise wieder in Frage gestellt, s. Schweitzer, in: Grabitzl Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 146 (Stand der Bearb. Mai 1995) Rdnr. 4. Für die Ausdehnung sogar auf Staatssekretäre der Länder dagegen Morawitz/ Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 112. 73 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 74 Schweitzer, in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 146 EGV (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnrn. 3, 6; Schloh, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, Stand April 1997, A.II. Rdnr. 158. 75 Art. 203 EGV n.F. 70 71
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Forderungen der Gliedstaaten Rechnung getragen, neben dem durch den Maastricht-Yertrag geschaffenen Ausschuß der Regionen gern. Artt. 263 ff. EGy76 auch im Rat auf der Gemeinschaftsebene für den Mitgliedstaat nach außen auftreten zu dürfen. 77 Was die unzureichende oder fehlende Beriicksichtigung einer Stellungnahme des Bundestags gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG i.Y.m. § 5 Satz 3 EUZBBG anbelangt, so wirkt sich diese nicht auf das "Ob" der gubemativen Yertretungsbefugnis im Rat aus. Das parlamentarische Beteiligungsrecht regelt nur die Frage, wie der deutsche Vertreter von seinen Rechten Gebrauch machen soll, nicht aber seine Befugnis dem Grunde nach. 78 Entsprechendes gilt für die Beriicksichtigung von Stellungnahmen des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 GG. Fehler in diesem Bereich wirken sich mithin nicht auf das Außenverhältnis und damit auch nicht gern. Art. 203 Abs. I EGy 79 aus. Anders könnte der Fall gelagert sein, in dem die Yerhandlungsführung zu Unrecht nicht an einen Ländervertreter übertragen wird. Einem Bundesminister könnte es nach nationalem Recht an der Yertretungsbefugnis mangeln, wenn die Mitwirkung im Rat sich auf Angelegenheiten bezieht, die im Schwerpunkt ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder betreffen. In diesem Fall sieht Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG vor, daß eine Übertragung der Außenvertretungsmacht auf einen Ländervertreter erfolgen soll. Der Ausdruck "soll" statuiert nach allgemeiner Ansicht eine strikte Bindung für den Regelfall, 80 so daß eine fehlerhafte Vertretung Deutschlands durch einen Bundesminister denkbar scheint, wenn die Delegationsverpflichtung mißachtet wird, ohne daß hinreichende Ausnahmegriinde bestehen. Dies kann letztlich aber nicht ausschlaggebend sein, denn die national fundierte Yertretungsbefugnis, auf die Art. 203 Abs. 1 EGy 81 rekurriert, liegt originär beim Bund und geht erst durch Rechtsübertragungsakt auf den Landesminister über. Das verfassungswidrige Unterlassen einer Delegation bedeutet im Außenverhältnis nur, daß die Wahmehmungsrechte beim Bund bleiben und trotz der Pflicht aus Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG wirksam durch einen Bundesminister wahrgenommen werden können. 82 Auch in dieser Konstellation ist nur Art. 198 a ff. EGVa.F. Bleckmann. Europarecht, 6. Aufl. 1997, Rdnr. 212; Morawitzl Kaiser, Die Zusarnrnenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 123 f. zur Schaffung des AdR. 78 Pechstein I Cirkel. EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997, 356 (366). 79 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 80 Breuer, Die Sackgasse des neuen Europaartike1s (Art. 23 GG), NVwZ 1994,417 (428); Lang. Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997. S. 208; Schoh. Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, 817 (823); Wilhelm. Europa im Grundgesetz: Der neue Art. 23, BayVBI. 1992,705 (710). 81 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 82 PechsteinlCirkel. EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997, 365 (368); aIlg. gegen eine Übertragungsautomatik auch Lang. Die Mitwirkungsrechte des 76 77
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das Innenverhältnis der deutschen Verfassungsorgane betroffen, und zwar dergestalt, daß die Verletzung der verfassungsrechtlichen Rechte des Bundesrates und der Länder nicht auf das Außenverhältnis durchschlägt. Evoziert werden könnte allenfalls ein Organstreitverfahren gern. Art. 93 Abs. I Nr. 1 GG oder auch ein Bund-Länder-Streit gern. Art. 93 Abs. I Nr. 3 GG. 83 Als Fazit ergibt sich, daß durch Art. 203 Abs. 1 EGV 84 die Rechte der nationalen gesetzgebenden Körperschaften nicht stärker gewahrt werden als durch Art. 2 Abs. 1 Fusionsvertrag oder als in herkömmlichen internationalen Organisationen. Auch im Bereich der europäischen Rechtsetzung obliegt die Außen vertretungs befugnis prinzipiell der Bundesregierung, ohne daß dies etwas über die Zuständigkeitsverteilung im Innenverhältnis besagt. Überschreitungen des rechtlichen Dürfens im innerstaatlichen Interorganverhältnis hindern nicht das rechtliche Können auf der supranationalen Ebene. Die effektive Ausgestaltung der nationalen Beteiligungsrechte bleibt daher Aufgabe des jeweiligen nationalen Verfassungsrechts. Aus diesen Erwägungen ist auch erst recht diejenige Ansicht abzulehnen, die Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 85 die Wirkung zuspricht, innerstaatlich eine Schwächung der nationalen Parlamente zu gebieten: Die Norm impliziere, daß die inhaltliche Entscheidungsbefugnis bei der Regierung liegen müsse. Daher sei die gestalterische Einflußnahme der nationalen Parlamente im Vorfeld einer Ratssitzung gemeinschaftsrechtlich ausgeschlossen. 86 Als Besonderheit gegenüber der Beteiligung an zwischenstaatlichem Handeln bleibt nur die oben angesprochene Möglichkeit der Delegation der Außenvertretungsmacht auf Vertreter der Bundesländer, die Ministerrang haben, zu beachten. Die im Rahmen der Grundgesetzreform von den Ländern erstrittene Abkehr von der Alleinvertretungsbefugnis der Bundesregierung könnte die Rechte des Bundestages in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise verkürzen. So ist das parlamentarische Stellungnahmerecht aus Art. 23 Abs. 3 GG als Recht gegenüber der Bundesregierung ausgestaltet und kann gegenüber einem vom Bundesrat benannten Ländervertreter in den Verhandlungen des Ministerrats nur sehr schwer durchgesetzt werden. Denkbar ist allenfalls, daß die Bundesregierung im Rahmen ihrer Abstimmung mit dem Ländervertreter gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 2 GG die Stellungnahme Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 209. 83 Für die Zulässigkeit auch des Bund-Länder-Streits, obwohl die Länder gern. Art. 23 Abs. 2, 4-7 GG nur durch den Bundesrat handeln: Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 266 f. m. w. N. 84 Art. 146 Abs. I EGVa.F. 85 Art. 203 Abs. I EGV n.F. 86 Griller; Verfassungsfragen der österreichischen EU-Mitgliedschaft, ZtRV 1995, 89 (106); ähnl. ders., Zur demokratischen Legitimation der Rechtsetzung in der EU, JRP 1995, 164 (171). Zutreffend dagegen Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 267 f.
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des Bundestages in die Beratungen einbringt. Der Anwendungsbereich der herkömmlichen parlamentarischen Kontrollmittel des Bundestags ist in diesen Fällen jedoch verschlossen. Die Annahme, daß die "desorientierte" parlamentarische Verantwortlichkeit des vertretungsbefugten Landesministers kaum mit dem unantastbaren Kern des Demokratieprinzips i.S.v. Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 Abs. I, 2 GG zu vereinbaren ist,87 liegt vor diesem Hintergrund nahe. Anzustreben ist die Verankerung parlamentarischer Verantwortlichkeit des im Außenverhältnis handelnden Landesministers gegenüber dem Bundestag, etwa angelehnt an das österreichische Muster. 88 Jedenfalls ist die Übertragungsmöglichkeit aus Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG abschließend, eine darüber hinausgehende Übertragung der Wahrnehmungszuständigkeit etwa im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ist ausgeschlossen. b) Verbindlichkeit der europäischen Sekundärrechtsetzung Ungeachtet der Parallelen im Rahmen der Außenvertretungsmacht setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, daß es sich bei der europäischen Sekundärrechtsetzung nicht um klassische Außen-, sondern um europäische Innenpolitik handelt. 89 87 Breuer, Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994, 417 (428); ähnl. Oppermann/Classen, Die EG vor der Europäischen Union, NJW 1993, 5 (12). Zwar besteht eine parlamentarische Verantwortung gegenüber dem jeweiligen Landtag, allerdings wird primär gar nicht das Land vertreten, die anderen Länder sind gänzlich ausgeschlossen. Im übrigen wird die Annahme eines doppelten Parlamentsvorbehalts, d. h. eines zusätzlichen Landtagsvorbehalts, zumeist unter Hinweis auf Art. 23 GG und Art. 10 EGV (= Art. 5 EGV a.F.) i.S.v. Handlungsfähigkeit des Rates strikt abgelehnt, s. Hilf, Europäische Union: Gefahr oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz?, VVDStRL 53 (1994), 8 (91). 88 Explizit regelt Art. 23 d Abs. 3 Satz 4 BVG, daß der Ländervertreter im Rat in Angelegenheiten der Bundesgesetzgebung dem Nationalrat (österreichisches Bundesparlament), in Angelegenheiten der Landesgesetzgebung den Landtagen gern. Art. 142 BVG verantwortlich ist. Art. 142 Abs. I BVG schreibt die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes fest für Anklagen, mit denen über die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird. Außerdem dehnt Öhlinger, Die Mitwirkung des Bundesparlamentes sowie der Länder in Österreich an der Entstehung von Europäischem Recht, ZG 1996, 57 (62), die gern. Art. 23 e Abs. 2 Satz I BVG für das Mitglied der Bundesregierung bestehende grundsätzliche Bindungswirkung von Stellungnahmen des Nationalrats auch auf den Ländervertreter aus. Von der Bindung bei Verhandlungen und Abstimmungen im Rat darf gern. Satz 2 nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abgewichen werden. 89 Hilf, Europäische Union: Gefahr oder Chance für den Föderalismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz?, VVDStRL 53 (1994), 8 (18); Möller/ Limpert, Inforrnationsund Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993, 21 (24); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (246); Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVBI. 1996,937 (938); Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997,458
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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Dieser Befund an sich ist rechtlich noch nicht aussagekräftig, zumal auch für den Bereich klassischer außenpolitischer Angelegenheiten verbreitet angenommen wird, daß Innen- und Außensphäre nicht strikt voneinander getrennt sind,9o sondern daß außenpolitische Aspekte in immer stärkeren Maße innenpolitische Entscheidungen beeinflussen und innenpolitische Sachverhalte Gegenstand außenpolitischer Regelungen werden. 91 Dem Begriff der europäischen Innenpolitik liegt aber eine konkrete rechtliche Besonderheit zugrunde. Völkerrechtliche Verträge und Sekundärrechtsakte Internationaler Organisationen sind dadurch gekennzeichnet, daß sie innerstaatlich keine unmittelbare rechtliche Verbindlichkeit zeitigen. Dies bezieht sich nicht allein auf die assoziativ hiermit besonders verbundene fehlende Durchgriffswirkung auf das Individuum, sondern gilt auch für die nationalen Staatsorgane. 92 So ist der Deutsche Bundestag im Anwendungsbereich von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG nicht durch den Abschluß von völkerrechtlichen Verträgen seitens der Regierung rechtlich dahingehend gebunden, daß er an abweichender Rechtsetzung gehindert wäre, solange er nicht selbst in Form eines Bundesgesetzes zugestimmt hat. Und selbst wenn die gesetzesförmige Zustimmung erfolgt ist, hat das Völkervertragsrecht damit innerstaatlich lediglich den Rang einfachen Gesetzesrechts, so daß prinzipiell die lex posterior-Regel gilt. 93 Das bedeutet, daß zumindest die rechtliche Möglichkeit für die gesetzgebenden Körperschaften besteht, durch spätere Gesetze das vertragsmäßige zu derogieren. In der Praxis sind derartige Kollisionen allerdings außerordentlich selten, der Grundsatz der völkerrechtsfreundlichen Auslegung und der Vorrang der lex (458); Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Art. 23, BayVBI. 1992,705 (708); vorsichtiger Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Aufl., 1995, Art. 23 Rdnr. 59; krit. Brenner, Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (200 ff.). 90 Zur Verflechtung von Innen- und Außensphäre Tomuschat, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 7 (23 ff.); Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 7 (9) qualifiziert dahingehende Ansätze als "These von der Ununterscheidbarkeit von Innen- und Außenpolitik". 91 Hierauf basierend wird teilweise sogar für den traditionellen zwischenstaatlichen Bereich der auswärtigen Gewalt eine parlamentsfreundliche Neuorientierung des klassischen Ansatzes zur Kompetenzverteilung gefordert, so Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 57 (1997), 39 (40 f., 64, LS 11). 92 Vorliegend sollen nicht die strukturellen Veränderungen auf der Ebene des Völkerrechts durch die zunehmende Verbesserung der Rechtsstellung des Individuums verkannt werden: Neben der steigenden Bedeutung der Menschenrechte und ihrer verfahrensmäßigen Absicherung tragen hierzu auch die völkerrechtlichen Inpflichtnahmen etwa durch die Fortentwicklung eines Völkerstrafrechts - hierzu allg. Knut Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 38 Rdnrn. I ff.; Schachta, Der "Fall" Ex-Jugoslawien(s): Vom Amselfeld bis Den Haag - Der Jugoslawienkonflikt und das UN-Kriegsverbrechertribunal, 1997, S. 106 ff., 182 ff. Gegenstand der Untersuchung ist hier aber nicht der Individualaspekt, sondern die unterschiedliche Bindung des Parlaments an zwischenstaatliches und an supranationales Recht. 93 Bemhardt, Normativität und Schutz der Verfassung - Internationale Beziehungen. in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 174 Rdnr. 29; Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (118).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
specialis-Regel stehen in aller Regel der Annahme einer Verdrängung entgegen. 94 Fehlt dagegen ein parlamentarisches Zustimmungserfordernis - typischerweise im Rahmen der Sekundärrechtsetzung durch Internationale Organisationen -, dann kommt es auch in aller Regel zu keiner rechtlichen Bindungswirkung, sondern allenfalls zu unverbindlichen Deklarationen wie gern. Art. 10 UN-Charta zu Resolutionen der UN-Generalversammlung oder gern. Art. 15 Europaratsatzung zu Empfehlungen des Europarat-Komitees. 95 Die rechtliche Besonderheit der europäischen Sekundärrechtsetzung liegt demgegenüber in der regelmäßigen - in unterschiedlichen Abstufungen möglichen Bindungswirkung. Diese tritt für das innerstaatlich - in noch zu klärendem Umfang - rnitwirkungsbefugte Parlament bereits durch das Handeln der Regierung im Außenverhältnis ein. Nicht nur die EG-Verordnungen gern. Art. 249 Abs. 2 EGV96 mit ihrer unmittelbaren Durchgriffswirkung auf den einzelnen Bürger haben solche Bindungswirkung, sie kommt ebenso Richtlinien i.S.v. Art. 249 Abs. 3 EGV 97 zu: Hier läßt das Erfordernis des parlamentarischen Transformationsaktes im Gegensatz zu der Ratifikation völkerrechtlicher Verträge dem Gesetzgeber keineswegs die Wahl über das "Ob" der Zustimmung, sondern allenfalls über die Modalitäten. Der Bundestag ist also u.U. dazu verpflichtet, eine Richtlinie, die er für verfassungswidrig erachtet, umzusetzen und hierfür auch die parlamentarische Verantwortung zu tragen. 98 Selbst was diese Zuständigkeit der näheren Ausgestaltung angeht, ist angesichts der zunehmenden hochgradigen Detalliertheit der Richtlinien zumeist der Charakter einer bloßen Rahmenvorgabe überschritten. 99 Bedenken da94 Bemhardt, Normativität und Schutz der Verfassung - Internationale Beziehungen, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 174 Rdnr. 29; Tomusehat, Die staatsrechtliche Entscheidung für die Internationale Offenheit, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 172 Rdnr. 35. Die derogierende Wirkung späteren einfachen Gesetzesrechts wird beispielsweise von Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB explizit ausgeschlossen. 95 Eine Ausnahme bilden gern. Art. 25 UN-Charta Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates, hierzu Delbrück, in: Simma, Charta der Vereinten Nationen, 1991, Art. 25 UNCh, Rdnr. 14. Bedenklich ist die Herstellung von Verbindlichkeit durch einseitige Zustimmung der Bundesregierung zu einer schlichten Empfehlung, vgl. BVerfGE 68, 1 (111, 129 f.) - Sondervotum Mahrenlwlz; Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (119, Fußn. 35). 96 Art. 189 Abs. 2 EGVa.F. 97 Art. 189 Abs. 3 EGVa.F. 98 Bleckmann, Die Umsetzung von Gemeinschaftsbeschlüssen in nationales Recht im Lichte der Beziehungen zwischen dem nationalen Parlament und dem Europäischen Parlament, ZParl 1991,572 (575). Was die gerichtliche Verantwortung anbelangt, so kann das Umsetzungsgesetz jedenfalls dann vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen werden, wenn die Richtlinie nicht zu detailliert war, wenn also ein Umsetzungsspielraum des Parlaments bestand, BVerfG, NJW 1990,974 - "Tabakrichtlinien". 99 Sogar die Frage des "Wie" der Richtlinienumsetzung kann - in begrenztem Umfangdurch einen gemeinschaftsrechtlichen Rechtssatzvorbehalt vorherbestimmt werden, der einer Delegation auf die nationale Exekutive entgegenstehen kann, ausführl. zu diesem Problemkreis v. Danwitz, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und Gemeinschaftsrecht, VerwArch 84 (1993), 73 (80).
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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hingehend, daß die Umsetzungsgesetzgebung oft kaum mehr Bedeutung hat als ein notarieller Akt, sind unter diesem Gesichtspunkt nicht von der Hand zu weisen. Dies gilt besonders im Hinblick auf die sog. effet utile-Mechanismen, namentlich angesichts des Anwendungsvorrangs des Gemeinschaftsrechts, 100 angesichts der Möglichkeit unmittelbarer Anwendung von Richtlinien, sofern diese hinreichend detalliert sind und ihre Umsetzung verspätet erfolgt, sowie angesichts des gemeinschaftsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs. 101 Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß es sich funktionell betrachtet bei der Mitwirkung des deutschen Ratsvertreters im Ministerrat der europäischen Union um gesetzgebende Tätigkeit handelt. 102 Damit kommt der deutschen Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung eine inhaltlich-funktionelle Qualität zu, deren Fehlen gerade als das charakteristische Element auswärtiger Angelegenheiten gilt. So hebt das Bundesverfassungsgericht in seiner für die Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt grundlegenden Nachrüstungsentscheidung hervor, daß Akte auf der Ebene des Völkerrechts es als solche grundsätzlich nicht vermöchten, innerstaatlich geltende Rechtssätze zu erzeugen. 103 Hieraus folge, daß ein Handlungsbereich betroffen sei, der funktionell betrachtet keine Gesetzgebung i. S. d. Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG darstelle. Dies wiederum zeitige als Konsequenz, daß kein Gesetzesvorbehalt gelte. Konsequenterweise hätte das Bundesverfassungsgericht in der ,,Maastricht-Entscheidung" darauf abstellen müssen, daß vorgenannte Argumentation für die europäische Sekundärrechtsetzung gerade nicht gilt, sondern daß es sich in diesem Bereich nun sehr wohl um Gesetzgebung im funktionellen Sinne handelt. Dies ist allerdings unterblieben. Konsequent ist dabei weniger die Methode als das exekutivfreundliche Ergebnis des Gerichts. Dieser Umstand darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß es im Ergebnis dogmatisch korrekt ist, aus der funktionellen Einordnung als Gesetzgebung keine auch nur präsumtive (All)Zuständigkeit des Bundestags in europäischen Angelegenheiten zu schließen.
100 Die Annahme eines Anwendungsvorrangs ist allg. anerkannt; teilweise wird darüber hinausgehend auch Geltungsvorrang angenommen wird; hierzu und zu der Tendenz, diese Diskrepanz zu nivellieren: Knut lpsen, Soziale Dienstleistungen und EG-Recht, 1997, S. 23 f. 101 Zu den Instrumenten zur Bekämpfung von Umsetzungsdefiziten v. Danwitz, Die Nichtumsetzung von EG-Recht durch die Legislative, NWVBI. 1997,7 (9 ff.). 102 Stein, Staatsrecht, 15. Aufl. 1995, § 10 IX (S. 97 f.) unter Hinweis darauf, daß die vollziehende Gewalt gern. Art. 20 Abs. 3 GG an parlamentsbeschlossene Gesetze gebunden sei, während nun umgekehrt eine Bindung des Bundestags an exekutiverlassenes sekundäres Gemeinschaftsrecht bestehe. s. a. Kap. 2, A.V.l. (S. 153 f.). 103 BVerfGE 68, 1 (87) - "Pershing".
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
3. Veifassungsbindung bei Ausübung der deutschen Beteiligungsrechte
a) Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union als Ausübung deutscher Staatsgewalt Eingangs wurde darauf hingewiesen, daß die Annahme eines eigenständigen Bereichs der europawärtigen Gewalt oft in methodisch unzulässiger Weise instrumentalisiert wird, zum einen, um die Freistellung von verfassungsrechtlichen Bindungen zu rechtfertigen, zum anderen, um eine bestimmte Kompetenzverteilung zwischen den nationalen Staatsorganen zu begründen. Vor weiterer Klärung der innerstaatlichen Zuständigkeiten in europäischen resp. auswärtigen Angelegenheiten soll zunächst die ebenfalls aufgeworfene, grundsätzlichere Frage nach der Verfassungsbindung beantwortet werden. Die Bindung an die Grundrechte gern. Art. 1 Abs. 3 GG und allgemein an die verfassungsmäßige Ordnung gern. Art. 20 Abs. 3 GG greift unabhängig von der funktionellen Qualifizierung staatlichen Handeins als exekutiv oder legislativ: Zwar ist Adressat des Art. 20 Abs. 3, 1. Halbsatz GG nur die Gesetzgebung (gemeint ist nach überwiegender Ansicht die formelle Parlamentsgesetzgebung), 104 über Halbsatz 2 sind aber auch alle anderen Manifestationen der Staatsgewalt an das Grundgesetz gebunden. \05 Auch für die später zu klärende Frage nach einer Bindung des Ratsvertreters an Normen unter Verfassungsrang kommt es nicht auf eine materielle Funktionsbestimmung an - so gilt in der nationalen Rechtsordnung der Vorrang des Gesetzes gern. Art. 20 Abs. 3, 2. Halbsatz GG für die vollziehende Gewalt auch dann, wenn sie rechtsetzend tätig wird. \06 Bedenklich ist damit die Annahme, daß die Bundesregierung (bzw. der Ländervertreter im Rat) bei der Mitwirkung an der europäischen Sekundärrechtsetzung nicht an die verfassungsmäßige Ordnung i. S. d. Art. 20 Abs. 3 GG, d. h. an den gesamten Normbestand der Verfassung, \07 gebunden sei. \08 Die Verfassungsge104 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 20 Rdnr. 23; Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 20 VI (Stand der Bearb. Sept. 1980) Rdnr. 16; weitergehend, für die gesamte Staatsfunktion Gesetzgebung dagegen Sachs, in: ders., GG, 2. Aufl. 1999, Art. 20 Rdnr. 100. 105 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 20 Rdnr. 25 f.; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Bd. 2,1998, Art. 20 Rdnr. 75. 106 Ausführl., wenn auch i.E. offenlassend Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 228 f. s. ferner unten, Kap. 2, A.II!.1. (S. 132 ff.). 107 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. Aufl. 1997, Art. 20 Rdnr. 23; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 1,4. Aufl. 1992, Art. 20 Rdnr. 35. 108 Für fehlende Bindung gern. Art. 1 Abs. 3 GG Herdegen, Diskussionsbeitrag in der Aussprache zum ersten Beratungsgegenstand "Kontrolle der auswärtigen Gewalt", VVDStRL 56 (1997), 119 (120); Hailbronner, Zwischenwort, ebd., 121 (122); Tomuschat, Aller guten Dinge sind III? Zur Diskussion um die Solange-Rechtsprechung des BVerfG, EuR 1990, 340 (347 f.). Postuliert wird dabei allerdings keine gänzliche Grundrechtsfreiheit, sondern ein Abrücken vom vollen Grundrechtsstandard des deutschen Rechts bei Beibehaltung der wesentlichen Standards.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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bundenheit des innerstaatlich mitwirkenden Parlaments wird dagegen soweit ersichtlich zu Recht nicht angezweifelt. Mit Blick auf die deutsche Delegation im Ministerrat wird dagegen darauf abgehoben, daß im Falle nach außen gerichteten und nach außen wirkenden Handeins der Staatsorgane ja gerade fraglich sei, ob das Grundgesetz insoweit überhaupt Geltung beanspruche. 109 Abgesehen davon, daß eine solche Ausgrenzung nach außen gerichteten Handeins 110 vom Wortlaut der Verfassung nicht gedeckt ist, entfalten europäische Sekundärrechtsakte wie dargelegt sehr wohl faktische und rechtliche Rückwirkungen in das deutsche Rechtsgebiet hinein. Dennoch ist die verfassungsrechtliche Ausgangslage im Anwendungsbereich des in Art. 23 Abs. I GG verankerten Integrationsprinzips eine andere als im Fall der rein auf der nationalen Ebene angesiedelten Versuche, etwa die "Gnaden"- oder "Prüfgewalt" von ihrer Verfassungsgebundenheit zu lösen. Eine Freistellung von der Verfassungsbindung in Angelegenheiten der Europäischen Union ließe sich nämlich begründen, wenn der Ausübung der Beteiligungsrechte an der Sekundärrechtsetzung die Eigenschaft nationalen hoheitlichen Handelns schlechthin aberzuerkennen wäre. In diese Richtung zielt die Argumentation, daß die deutsche Delegation bei Abstimmung im Rat keine nationale Staatsgewalt ausüben könne, da sich die Bundesrepublik ja insoweit ihrer Hoheitsrechte entäußert habe. 11 1 In diesem Sinn wird vereinzelt vertreten, daß das Verhalten des deutschen Vertreters im Rat ausschließlich den unselbständigen Teil der Handlung eines Gemeinschaftsorgans darstelle. 112 Es sei daher unzulässig, "imaginäre Teile eines solchen Organaktes herauszupräparieren" und sie dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates zu unterwerfen. Diese Position verkennt die Doppelfunktionalität des Rates, seine "Janus-Köpfigkeit",113 die insoweit der klassischen 109 Heintzen. Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrats, Der Staat 31 (1992),367 (380 f.); Tomuschat. Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 7 (38); ähnlich Hailbronner; Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 7 (35, LS 111.2). 110 Kritisch gegenüber dem Kriterium der Handlungsrichtung zur Bestimmung des Merkmals "auswärtig" Fastenrath. Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986. S. 65 f. 111 Heintzen. Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrates, Der Staat 31 (1992),367 (382), sieht Hoheitsgewalt nur bei Vorliegen eines Subjektionsverhältnisses gegeben, das aber zwischen deutscher Delegation und potentiellem Adressaten des europäischen Rechtsaktes nicht gegeben sei. 112 Nicolaysen. Tabakrauch, Gemeinschaftsrecht und Grundgesetz. Zum BVerfG-Beschluß vom 12. Mai 1989, EuR 1989,215 (218 f.); ähnl. ders., Europarecht I, 1991, § 5 I 1 (S. 82). 113 Schweitzer; in: Grabitz I Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 146 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 1. I.d.S. auch Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, § 13 Rdnr. 43, der den Rat als "Transmissionsriemen nationaler Interessen in der EGO. kennzeichnet; Schilling. Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997,458 (462, m. w. N. in Fußn. 51 f.); Streinz. Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften. 1990, S. 23 f.; Ress. Über die Notwendigkeit der
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
Struktur anderer internationaler Organisationen entspricht - auch hier existiert neben einem gemeinschaftsorientierten Organ zumindest eines, das mit der Wahrung der nationalen Positionen betraut ist und das gerade aus diesem Grund mit Regierungsvertretern der Mitgliedstaaten besetzt iSt. 114 Daher ist die Teilnahme in den europäischen Gremien gerade als Ausfluß der deutschen Hoheitsgewalt zu werten, die sich mittelbar über die Gemeinschaft auswirkt. 115 Daß dies zutrifft, erhellt daraus, daß Art. 23 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 GG die Mitwirkung an der europäischen Sekundärrechtsetzung explizit regeln: Geht das Grundgesetz somit von nationaler Regelungsfähigkeit des Verhaltens aus, muß im Rückschluß deutsches staatliches Handeln vorliegen. 116 Auch wenn die deutsche Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung damit dem nationalen Hoheitsbereich zuzurechnen ist, könnte es dennoch an der Ausübung hoheitlicher Gewalt fehlen: Prinzipiell gilt, daß der Begriff der Staatsgewalt i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG nur hoheitliches Handeln mit Entscheidungscharakter, nicht aber bloß vorbereitende oder rein konsultative Tatigkeiten umfaßt. 117 Das hat zur Folge, daß beratende Tätigkeiten beispielsweise von Beiräten und Expertengremien von der Notwendigkeit demokratischer Legitimation ausgeschlossen sind. Um die Ausübung von Hoheitsgewalt handelt es sich dagegen, wenn Mitentscheidungsbefugnisse wahrgenommen werden. Mitentscheidungsbefugnisse kommen ungeachtet der Möglichkeit mehrheitlicher Überstimmung dem nationalen parlamentarischen Legitimierung der Rechtsetzung der Europäischen Gemeinschaften, in: Gedächtnisschrift für Geck, 1989, S. 625 (625). 114 Epping, Grundlagen, in: Ipsen, Volkerrecht, 3. Aufl. 1990, § 27 Rdnr. 22. 115 So Huber; Recht der Europäischen Integration, 1996, § 13 Rdnr. 43; Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 265 f.; v. Simson/Schwarze, Europäische Integration und Grundgesetz, in: Benda/Maihofer/Vogel, Handbuch des Verfassungsrechts, 2. Aufl. 1994, § 4 Rdnr. 152; Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBl. 1997,458 (459). 116 Für die Mitwirkung an europäischer Rechtsetzung als staatliches Handeln auch BVerfG, NJW 1990, 974; BVerfGE 92, 203 (227) - "Fernsehrichtlinie", das von Beteiligungsrechten des Bundes innerhalb der Gemeinschaft und ihrer Organe spricht, für die prinzipiell die Wahrnehmungszuständigkeit der Bundesregierung gegeben sei. Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (Stand der Bearb. Jan. 1985), Rdnr. 50; Streinz, Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der Europäischen Gemeinschaften, 1990, S. 23 f.; Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBl. 1997,458 (459). 117 BVerfGE 83, 60 (73 f.) - "Ausländerwahlrecht"; nach BVerfGE 93,37 (68) handelt es sich bereits dann um die legitimationsbedürftige Ausübung von Hoheitsgewalt, wenn (behörden)internes Handeln die Voraussetzung für die Wahrnehmung der hoheitlichen Aufgabe schafft; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 20 Rdnr. 4; ähnlich Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 245; Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 214 f.; ausführl. Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominalverwaltung, 1993, S. 225 ff., 255 ff.
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Ratsvertreter zu, während die Subgremien nur vorbereitend tätig werden und daher mit Vertretern der Ministerialbürokratie besetzt werden können. 118
b) Reichweite der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung Die Staatsorgane sind damit bei Ausübung der Mitwirkungsrechte als deutsches hoheitliches Handeln an das Grundgesetz gebunden, konkret aber möglicherweise nur an Art. 23 Abs. I Satz I GG, sofern er als lex specialis zu der Striktbindung aus Art. 20 Abs. 3 GG eine Bindung nur an einen Kernbestand fordert. 1I9 Damit ist die Frage nach dem Regelungsgehalt und der Reichweite der sog. Struktursicherungsklausel aufgeworfen. Relevant ist dabei, ob sich die Nonn nur auf Integrationsakte oder auch - und wenn, inwieweit - auf organgeschaffenes Sekundärrecht bezieht. In Frage stehen namentlich Verfahrenshandlungen, d. h. die Bindung bei der Verhandlungsführung und beim Abstimmungsverhalten, da die resultierenden gemeinschaftsrechtlichen Nonnen nicht direkt an der deutschen Verfassung zu messen sind. Ausdriicklich ist Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zu entnehmen, daß die Staatsorgane Integrationsakten nur zustimmen dürfen, wenn diese den genannten demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen, föderativen Grundsätzen entsprechen; 120 außerdem ist Voraussetzung einer Mitwirkung an Akten der Europäischen Union, daß die geschaffenen Institutionen mit diesen Strukturprinzipien übereinstimmen. 121 Damit stehen zwar Änderungen auf der Ebene des Primärrechts im Vordergrund, doch ist zu berücksichtigen, daß auch Sekundärrechtsakte die Rechtsordnung der Union ausmachen und daher ebenfalls den strukturellen Grundsätzen genügen müssen. Die Verfassungsentscheidung für die offene Staatlichkeit 122 wirkt sich damit auch auf der Ebene des sekundären Gemeinschaftsrechts aus und hat in erster Linie zur Folge, daß die gemeinschaftsrechtlichen Nonnen nicht unmittelbar an den Vorgaben des Grundgesetzes, sondern nur an den Vorschriften des primären Gemeinschaftsrechts zu messen sind. 123 Maßstabbildend ist als nationale Vor118 Zum großen tatsächlichen Einfluß der Arbeitsebene auf die endgültige Gestalt der Beschlüsse s.o., Kap. I, A.II.3.b) (S. 47 ff.). 119 Geht man mit der hier abgelehnten Position von einer grundsätzlich fehlenden Verfassungsbindung der auswärtigen Gewalt aus, erscheint die Anwendbarkeit des Art. 23 Abs. I Satz I GG als Verstärkung der Bindung, während sie nach der hier vertretenen Ansicht eine Beschränkung der grundsätzlichen Striktbindung darstellt. 120 Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993,629 (633). 121 Breuer; Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994,417 (421). 122 Formulierung von Klaus Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964, S. 33, 35. Zum Begriff Verfassungsentscheidung für eine internationale Zusammenarbeit BVerfGE 58, I (41). 123 Allerdings sind solche Rechtshandlungen, die nicht von dem nationalen Zustimmungsgesetz gedeckt sind und damit gegen das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ver-
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schrift aber auch Art. 23 Abs. I Satz I GG und damit die hier in Bezug genommenen Prinzipien des Grundgesetzes. 124 Bezogen auf die mitgliedstaatliehe Position bedeutet das, daß nicht nur der nationale Gesetzgeber bei der Übertragung von Hoheitsrechten, sondern alle Organe, insbesondere die Bundesregierung, bei ihrer Mitwirkung in den Gremien der Europäischen Union und beim Erlaß sekundären EG-Rechts an die Strukturprinzipien gebunden sind. I25 In welchem Stadium der Sekundärrechtserzeugung aber findet dann der Übergang von der strikten Bindung an das Grundgesetz i. S. d. Art. 20 Abs. 3 GG zu der Bindung nur an Strukturprinzipien i. S. d. Art. 23 Abs. I Satz I GG statt? Hier ist zwischen den formellen und den materiellen Aspekten der deutschen Mitwirkung an der supranationalen Rechtsetzung zu unterscheiden. Strikt bleibt die Bindung in formeller Hinsicht, dies gebieten Rechtssicherheit und Verantwortungsklarheit. Soweit das Grundgesetz also explizite Kompetenzzuweisungen und Verfahrensabläufe der nationalen Beteiligung regelt, ist es es ausgeschlossen, daß diese unter Berufung auf Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG relativiert werden. Auch wenn ein Verhalten mit dem integrationsfesten Kernbestand von Demokratie und Funktionenordnung zu vereinbaren wäre, es aber gegen die konkrete Ausgestaltung von Zuständigkeiten und Verfahren der Mitwirkungsrechte aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG verstieße, wäre es verfassungswidrig. Was dagegen eine inhaltlich-materielle Verfassungsbindung anbelangt, so kann angesichts der Möglichkeit mehrheitlicher Überstimmung im Rat der deutsche Vertreter keinen bestimmten Erfolg schulden. In Betracht kommt allein eine Bemühenspflicht dahingehend, bei den anderen Ratsvertretern für die deutsche Position zu werben, Verfassungsvorbehalte geltend zu machen etc. Teilweise wird vertreten, daß sich der Grundsatz der offenen Staatlichkeit auf dieses Vorfeld der Rechtsetzung nicht bindungslockernd auswirke. 126 Nicht ausschlaggebend sei dabei der territoriale Aspekt - es sei unschädlich, daß die Sitzungen der Gemeinschaftsorgane meist außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes stattfinden. 127 Dieser Ansicht zufolge gilt eine präventive Maßstäblichkeit der Verfasstoßen, für die Bundesrepublik nicht bindend und insoweit auch weiterhin vom Bundesverfassungsgericht - unter Beachtung seines Kooperationsverhältnisses mit dem EuGH - am Maßstab nationalen Rechts zu entscheiden, BVerfGE 89, 155 (210). 124 Brenner, Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 100 qualifiziert dies als Einschränkung der legislativen Gestaltungsfreiheit des Integrationsgesetzgebers. 125 Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 23 Rdnr. 31, auch zur Bindung des Bundestages; Herdegen, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1997), 119 (120); explizit für das Subsidiaritätsprinzip BVerfGE 89 155 (211) - "Maastricht". 126 Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997, 458 (459, 462); a.A. Tomuschat, Aller guten Dinge sind III? Zur Diskussion um die Solange-Rechtsprechung des BVerfG, EuR 1990, 340 (347 f.). 127 Streinz, Bundesverfassungsgerichtliche Kontrolle über die deutsche Mitwirkung am Entscheidungsprozeß im Rat der europäischen Gemeinschaften, 1990, S. 24; Friauf, Die Bin-
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sung damit für die Entscheidung über die Entsendung bestimmter Minister, die an diese ergehenden Weisungen, deren Verhandlungsführung und Abstimmungsverhalten. 128 Eine solche Trennung zwischen Rechtserzeugungsverfahren und Rechtsakt, die an unterschiedlichen Maßstäben zu messen wären, erscheint allerdings willkürlich. Der Wortlaut VOn Art. 23 Abs. I Satz 1 GG stützt eine Differenzierung nicht, sondern bezieht durch die Formulierung "Mitwirkung an der Entwicklung" gerade auch das Verfahren mit ein. In diesem Sinne - und nicht strikter - sieht auch das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung durch Art. 23 Abs. 1 Satz I GG in die Pflicht genommen, ihren Einfluß zur Realisierung des Subsidiaritätsprinzips bei ihrer Gesetzgebungsarbeit im Rat geltend zu machen. 129 Diese Einflußnahme hat sich im Rahmen der gemeinschaftsrechtlichen Möglichkeiten 130 zu bewegen; sofern die deutsche Delegation ihre Position im Falle einer Mehrheitsentscheidung nicht durchsetzen kann, hat sie sich auf das aus der Gemeinschaftstreue folgende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme zu berufen. 131 Gegen die so verstandene Spezialität des Art. 23 Abs. I Satz I GG auch im Sonderfall der Grundrechtsbindung wird argumentiert, daß Grundrechtsschutz und Subsidiaritätsprinzip unvergleichbar seien, da nur letzteres gemeinschaftsrechtlich fundiert sei. 132 Richtig ist, daß das Subsidiaritätsprinzip für die Europäische Gemeinschaft in Art. 5 Abs. 2 EGV 133 explizit festgeschrieben ist und für die außerhalb des EG-Vertrages geregelten Formen der Zusammenarbeit der Union über Art. 2 Abs. 2 EUV 134 gilt, während ein ausdrücklicher Grundrechtskatalog fehlt. Mit der Solange-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist heute aber davon auszugehen, daß ein solcher Katalog entbehrlich ist, da das Gemeinschaftsrecht, insbesondere in seiner Ausprägung durch die Rechtsprechung des EuGH, einen Grundrechtsschtz gewährleistet, der nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise dem Grundrechtsstandard des Grundgesetzes gleichzuachten ist. 135 Hieran
dung der Verfassungsorgane an das Grundgesetz bei Mitwirkung an europäischen Organakten, in: ders.1 Scholz, Europarecht und Grundgesetz, 1990, S. 35. 128 Friauf, in: Die Bindung der Verfassungsorgane an das Grundgesetz bei Mitwirkung an europäischen Organakten, in: ders./ Scholz, Europarecht und Grundgesetz, 1990, S. 41 ff. 129 BVerfGE 89, 155 (211). 130 Eine Grenze etwa bildet das Fehlen eines förmlichen mitgliedstaatlichen Initiativrechts, s. Schweitzer; in: Grabitz/Hilf, Kommentar zur Europäischen Union, Art. 145 EGV (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 4. \31 Zu dieser Handlungsmöglichkeit BVerfGE 89, 155 (184); BVerfGE 92, 203 (237); die Pflicht bestehe auch nach Erlaß fort, die Regierung habe mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für die Aufhebung oder Änderung des Rechtsaktes einzutreten. \32 Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997,458 (458, Fußn. 4). 133 Art. 3 b Abs. 2 EGVa.F. 134 Art. B Abs. 2 EUVa.F. 9 Hansmeyer
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hat auch der verfassungsändernde Gesetzgeber bei der Formulierung des Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG bewußt angeknüpft 136 , so daß die bereits vor Erlaß des Art. 23 GG erhobenen Bedenken gegen eine Umgehung der Solange-lI-Entscheidung über den Umweg des Rechtserzeugungsverfahrens l37 nun auch durch den Wortlaut des Art. 23 Abs. I Satz 1 GG gestützt werden. Die These, daß die Vorschrift entbehrlich gewesen wäre, wenn eine umfassende Grundrechtsbindung ohnehin bereits gern. Art. 1 Abs. 3 GG bestanden hätte 138 , ist allerdings kein zwingender Umkehrschluß, zumal aus den bisherigen Ausführungen deutlich wird, daß in erheblichem Maße ein KlarsteIlungsbedürfnis gegeben war. Jedenfalls wirft dies die Frage auf, welche Rege1ungswirkung Art. 1 Abs. 3 GG überhaupt zukommen kann. Im Ergebnis handelt es sich bei dem Problem des Abrückens vom vollen nationalen Grundrechtsstandard um ein inhaltlich weniger gravierendes Problem als es zunächst den Anschein hat. Ohnehin greifen die Grundrechte nicht in ihrer Funktion als subjektiv-öffentliche Abwehrrechte ein, da der Grundrechtseingriff nur durch den europäischen Rechtsakt eintreten kann, wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Tabakrichtlinienentscheidung bereits vor Erlaß des Art. 23 GG feststellte. 139 Auch die Annahme einer Gefährdung durch faktisches Verhalten, die nach dem herrschenden weiten Eingriffsbegriffl40 zunächst in Betracht zu kommen scheint, ist abzulehnen. Dabei kommt es weniger darauf an, daß Gefährdung und mögliche spätere Verletzung von derselben Instanz ausgehen müssen; dies wird allerdings teilweise unter dem Gesichtspunkt gefordert, daß es sich um eine Vorverlagerung des Rechtsschutzes handele. 141 Vielmehr geht es um eine Frage der Außenwirkung im Verhältnis zum Rechtsunterworfenen - auch im nationalen Bereich werden in mehrstufigen Rechtsetzungsverfahren Mitwirkungshandlungen im Verhältnis zum Bürger als Internum begriffen werden, so daß die Gesamtverantwortung die erlassende Stelle trifft.
135 BVerfGE 73, 339 (378) - "Solange II" erachtet anders als noch BVerfGE 37, 271 (280) - "Solange I" das Fehlen eines parlamentsbeschlossenen Grundrechtskataloges als nicht mehr maßgeblich. 136 Bericht der GVK vom 5. November 1993, BT-Drs. 12/6000, S. 21. 137 Heintzen, Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrates, Der Staat 31 (1992), 367 (374). 138 Hailbronner; Zwischenwort, VVDStRL 56 (1997), 121 (122). 139 BVerfG, NJW 1990, 974, das zwar die Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung gern. Art. 20 Abs. 3 GG bejaht, allerdings die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde daran scheitern läßt, daß das Verhalten des Regierungsvertreters im Rat den Grundrechtsträger nicht unmittelbar erreicht. 140 Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 173 ff.; Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 69 ff.; PierothlSchlinck, Grundrechte, Staatsrecht II, 14. Auf!. 1998, Rdnr. 240; Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 7 (40 ff.); WeberDürler; Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 57 (74 ff.). 141 So Heintzen, Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrates, Der Staat 31 (1992),367 (373).
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In ihrer objektiv-rechtlichen Funktion könnten die Grundrechte allerdings für die deutsche Delegation im Ministerrat eine Schutzpflicht dahingehend begründen, bei ihrem Abstimmungsverhalten Grundrechtsgefährdungen entgegenzuwirken. 142 In dieser Gewährleistungsdimension geht es tatsächlich um die Vorverlagerung eines später ohnehin bestehenden Rechtsschutzes, der anderenfalls möglicherweise nicht mehr effektiv wäre. 143 Der Staat wird in die Ptlicht genommen, Grundrechtsverletzungen vorbeugend zu verhindern, die von nicht grundrechtsgebundenen Dritten ausgehen. Nun sind supranationale Gremien wie der Ministerrat nicht mit "Dritten" im herkömmlichen Sinn, d. h. vor allem Privaten, die der deutschen Staatsgewalt unterworfen sind, gleichzusetzen l44 , was gegen eine Anwendung der Rechtsfigur "Schutzptlicht" auf das europäische Rechtsetzungsverfahren spricht. Aber selbst wenn eine Paralle gezogen werden könnte, wäre der große Gestaltungsspielraum der zuständigen staatlichen Stellen zu berücksichtigen, der die Schutzptlicht nicht bereits bei schlichter Unvereinbarkeit mit den Grundrechten des Grundgesetzes eingreifen ließe: Der mit der Schutzpflicht verbundene grundrechtliche Anspruch ist nur darauf gerichtet, daß die öffentliche Gewalt Vorkehrungen trifft, die nicht gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind. 145 Im Ergebnis liefe das auf einen Grundrechtsstandard hinaus, der auch durch den "dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz" i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistet ist. Dies gilt auch unter dem Gesichtspunkt der Grundrechte als objektiver Wertordnung 146 - ohne den subjektiven Bezug verbleiben lediglich konkretisierungsbedürftige Direktiven. Das bedeutet allerdings nicht, daß die Rolle der Grundrechte auf die eines unter vielen Abwägungsbelangen reduziert ist; als Wert von Verfassungsrang sind sie maßgeblich, etwa vor rein politischen Zweckmäßigkeitserwägungen, zu beachten. 147 142 Fastenrath, Diskussionsbeitrag zum Beratungsgegenstand "Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft", VVDStRL 50 (1991), 183 (184). Zu den verschiedenen Gewährleistungsdimensionen der Grundrechte Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschlande, 20. Aufl. 1995, Rdnrn. 283 ff., 350; Pierothl Schlinck, Grundrechte, 14. Auf!. 1998, Rdnrn. 73 ff. Nicht als einen Aspekt der objektivrechtlichen Funktion, sondern als eigene Funktion werden Schutzpflichten von Heintzen, Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrates, Der Staat 31 (1992),367 (371), gesehen. 143 PierothlSchlinck, Grundrechte, 14. Auf!. 1998, Rdnr. 92. 144 Heintzen, Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrates, Der Staat 31 (1992), 367 (377). 145 BVerfGE 77, 170 (215); BVerfGE 79,174 (202); BVerfGE 92,26 (46); weiterreichend, unter Annahme eines Untermaßverbotes BVerfGE 88,103 (251 ff.) - "Abtreibung"; Pierothl Schlinck, Grundrechte, 14. Auf!. 1998, Rdnr. 91; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rdnr. 350. 146 Tomusehat, Der Verfassungsstaat im Gef!echt der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 7 (42 ff.); ders., Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1997), 114 f., entnimmt der objektiven Wertordnung der Grundrechte verbindliche Direktiven für die deutsche Außenpolitik; selbst dies wird abgelehnt von Hai/bronner, VVDStRL 56 (1997), 7 (35, LS m.2) und Diskussionsbeitrag, S. 121.
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c) Zwischenergebnis Als Fazit ist festzuhalten, daß die Wahrnehmung der deutschen Mitwirkungsrechte in Angelegenheiten der europäischen Union die Ausübung hoheitlicher Gewalt i.S.v. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG darstellt und insoweit der Bindung an die Verfassung gern. Art. 23 Abs. 1 Satz 1,20 Abs. 3 GG unterliegt. Strikt ist die Bindung an die durch das Grundgesetz festgelegten Zuständigkeits- und Verfahrensregelungen. Inhaltlich sind die Staatsorgane an die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Prinzipien gebunden; dies gilt etwa für die Entscheidung über die Entsendung bestimmter Ministerialbeamter in die Ratsarbeitsgruppen, die an diese gerichteten Weisungen, die Verhandlungsführung seitens der Minister und das Abstimmungsverhalten im Rat. Namentlich im Hinblick auf den "dem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz" i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ist der Grundrechtsstandard hierdurch aber nicht geringer als bei einer Striktbindung an die Grundrechte des Grundgesetzes. III. Die Funktion des Bundestages im Bereich der "europawärtigen Gewalt"
1. Unzulässigkeit von "Mandatsgesetzen " Träger der auswärtigen Gewalt sind wie dargelegt neben den außenvertretungsberechtigten Organen auch diejenigen, die innerstaatlich über die Gestaltung der Beziehungen zu anderen Volkerrechtssubjekten befinden, d. h. also diejenigen Organe, auf welche die formell vertretungsberechtigten Organe ihre materielle Legitimation zurückführen. 148 Für den Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung wird die innerstaatliche Zuständigkeit durch Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, speziell im Hinblick auf den Bundestag durch die Absätze 2 und 3 bestimmt. Gewährleistet werden der Grundsatz der Mitwirkung des Parlaments sowie dessen Informationsund Stellungnahmerechte. Parlamentarische Mitwirkungsrechte im Bereich der auswärtigen Gewalt gelten nicht als Ausfluß gesetzgeberischer Befugnisse, sondern vielmehr als Ausdruck der parlamentarischen Kontrollfunktion. 149 Diese Qualifizierung bringt dabei 147 Anders Herdegen, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1997), 119 (119), der Grundrechte und sonstige Werte von Verfassungsrang mit reinen wirtschaftspolitischen Belangen gleichstellt; wie dieser auch Heintzen, Zur Frage der Grundrechtsbindung der deutschen Mitglieder des EG-Ministerrates, Der Staat 31 (1992),367 (379). 148 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 308; Mosler; Die auswärtige Gewalt im Verfassungs system der Bundesrepublik Deutschland, in: Festschrift für Bilfinger, 1954, S. 243 (251) zur Qualifikation des inneren und äußeren Aspekts der auswärtigen Gewalt als formell und materiell. Für mehrere Träger der auswärtigen Gewalt allg. Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1954),179 (197). 149 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 314 f.
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keine Zweitrangigkeit im Gegensatz zu legislativer Selbstentscheidung zum Ausdruck. 15o Sie gründet in der Tatsache, daß im herkömmlichen Bereich auswärtiger Angelegenheiten keine rechtsetzende Tatigkeit stattfindet. Anders ist die Ausgangssituation bei der deutschen Beteiligung an der europäischer Sekundärrechtsetzung, die wie gezeigt funktionell Gesetzgebung darstellt. Vor diesem Hintergrund könnte die Forderung erhoben werden, daß auch eine Funktionsverluste kompensierende - innerstaatliche parlamentarische Beteiligung legislativischen Charakter haben müßte. Dabei geht es letztlich um die Frage, ob der Bundestag im Rahmen der Beteiligungsrechte zu einem Gesetzesbeschluß LS.v. Art. 77 Abs. 1 GG befugt ist, bzw. es nach dem durch Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 GG geschützten Demokratieprinzip sein müßte. Es wird vertreten, daß der Bundestag, wolle er die inhaltliche Programmierung der deutschen Verhandlungsführung an sich ziehen, auf das Mittel des förmlichen Gesetzes zurückgreifen müsse. 151 Das Gesetzgebungsrecht des Bundestags gelte auch für europäische Angelegenheiten. Gestützt wird dieser Ansatz auf eine funktional-inhaltliche Auslegung ähnlich der der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zur auswärtigen Gewalt,152 nur hier unter dem geänderten Vorzeichen, daß es sich bei der deutschen Beteiligung an europäischer Rechtsetzung materiell um gesetzgebende Tatigkeit handelt. Da nach der Rechtsprechung in solchen Bereichen, in denen funktionell keine Gesetzgebungstätigkeit stattfinde, auch grundsätzlich keine Zuständigkeit des Parlaments gegeben sei, sei nun ein Umkehrschluß folgerichtig: angesichts des Vorliegens legislativischen Handeins im Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung müsse hier von einer grundsätzlichen Parlamentszuständigkeit ausgegangen werden. 153 Konkret bedeute dies, daß Art. 23 Abs. 2,3 GG ebensowenig abschließend sei wie Art. 59 Abs. 2 GG - beide Vorschriften gingen zu Lasten der aus Art. 73 Nr. 1 GG folgenden grundsätzlichen Gesetzgebungskompetenz des Parlaments. 154 Mangels einer eindeutigen Zuweisung des Letztentscheidungsrechts an die Regierung bestehe bei ergänzendem Re150 Beide Funktionen sind verfassungsunmittelbar vorgesehen; zudem sind beide Funktionen teilweise nicht strikt zu trennen. So hat Gesetzgebung den Effekt vorauswirkender parlamentarischer Kontrolle für nachgeordnete Rechtserzeugungsstufen, hierzu Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 411 ff.; Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestages, in: Isenseel Kirchhof, HdbdStR 11,1987, § 40 Rdnr. 30. 151 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (139). Für zulässig, wenn auch in der parlamentarischen Praxis weder aussichtsreich noch anstrebenswert erachtet dies auch Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 (Stand der Bearb.Okt. 1996) Rdnr. 118. 152 BVerfGE 68, 1 (87). 153 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (126 ff.); Schotz, in: MaunzlDürig, GG, Art. 23 (Stand der Bearb. Okt. 1996), Rdnr. 118; ablehnend Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2,1998, Art. 23 Rdnr. 105. 154 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (128); zust. Schotz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 (Stand der Bearb. Okt. 1996), Rdnr. 118.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
kurs auf die Funktionenordnung weiterhin die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundestages. Erlassen werden könnten allerdings nur rein formelle Organgesetze ohne Außenwirkung für Dritte, deren Besonderheit in ihrem vorläufigen Charakter liege - die sog. Mandatsgesetze würden lediglich die deutsche Ausgangsposition festlegen, während die endgültige Entscheidung im Ministerrat falle. Keine rechtlichen Bedenken bestehen gegen diese Annahme, soweit es die Zulässigkeit von Organgesetzen ohne Außenwirkung für Dritte J55 anbelangt. Da der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes ein rein formaler (d. h. sich nach dem Verfahren des Zustandekommens bestimmender) Begriff ist, ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unschädlich, wenn ein formelles Gesetz keine abstrakt-generelle Regelung enthält. 156 Ordnungsinstrumente in diesem Sinn sind beispielsweise Plangesetze, die - auch mit zeitlich befristeter oder auf einen begrenzten Zweck orientierter Wirkung - zur Inpflichtnahme der Exekutive im Vorfeld der abschließenden Entscheidungsfindung eingesetzt werden können. 157 Hiermit ist eine Parallele zur nationalen (Vorab )Behandlung europäischer Legislativakte gegeben, in deren Rahmen ebenfalls keine endgültige Rechtsfolge gesetzt werden kann, sondern nur eine Einflußnahme auf die Weichenstellung für die abschließende Entscheidung in den europäischen Gremien möglich ist. Dennoch ist die Übertragung der Rechtsfigur auf die europäische Sekundärrechtsetzung verfassungsrechtlich bedenklich. Der inhaltlich-funktionale Ansatz des Bundesverfassungsgerichts - das wie gezeigt die auswärtige Gewalt weitgehend als Bereich originärer Regierungsverantwortlichkeit ansieht, da keine Gesetzgebung stattfindet - wird zwar konsequent auf die Besonderheiten europäischer im Vergleich zu auswärtigen Angelegenheiten angewandt. Indes bleibt der Ansatz methodisch zweifelhaft und kann das postulierte Ergebnis nicht tragen. 15S Fehlerhaft ist insbesondere die Bezugnahme auf die "aus Art. 73 Nr. 1 GG folgende grundsätzliche Gesetzgebungskompetenz des Parlaments", da dies auf einem Zirkelschluß beruht: Daß Materien der Gesetzgebung betroffen sind, ist nicht Konsequenz aus Art. 73 GG, sondern Voraussetzung für dessen Anwendbarkeit. Ausgehend von der Vorgabe, daß es sich um Gesetzgebung handelt, regelt Art. 73 (als lex specialis zu Art. 30 GG für den Bereich der Legislative) die Zuständigkeitsver155 Stern, Staatsrecht I, 2. Aufl. 1984, § 20 IV 4 f. (S. 826 f.); ders., Staatsrecht 11, 1980, § 37 I 4 b, a (S. 570); Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutsch-
land, 20. Aufl. 1995, Rdnrn. 503, 506. 156 Zu Einzelfallgesetzen und der verfassungsrechtlichen Irrelevanz der Qualifizierung eines Gesetzes als Maßnahmegesetz BVerfGE 13, 225 (228 f.); BVerfGE 25, 371 (396) "Rheinstahl"; BVerfGE 36, 383 (400 f.). 157 Gaa, Planung als neue Funktion des Parlaments, 1983, S. 80; Hoppe, Planung, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 111, 1988, § 71 Rdnr. 72; Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 40 111 3 d (S. 716) und 111 5 b (S. 720). 158 Zur Methodik s.o. Kap. 2, A.1. (S. 103 ff.). Konkret gegen die Methode der Nachrüstungsentscheidung BVerfGE 68, 1 (111, 129) - Sondervotum Mahrenholz; ferner Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVBI. 1996,937 (939).
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teilung zwischen Bund und Ländern; er zielt nicht auf die Abgrenzung von Befugnissen der Verfassungsorgane. Aber auch auf Art. 77 Abs. I Satz I GG läßt sich ein Recht zu formeller Parlamentsgesetzgebung neben Art. 23 Abs. 3 GG nicht stützen. Eine solche Theorie basiert auf der dogmatisch fehlerhaften Annahme einer grundsätzlichen Allzuständigkeit des Gesetzgebers. Gegen einen gegenständlich unbegrenzten Bereich der Parlamentsgesetzgebung 159 spricht das Fehlen einer positivrechtlichen Grundlage. Vielmehr handelt es sich hier um eine Konzeption von Parlamentssuprematie, die einem außerrechtlichen Vorverständnis entspringt, welches aber von der allein maßgeblichen Verfassung nicht gedeckt ist. Insbesondere läßt sich die Position des Totalvorbehalts nicht auf Art. 20 Abs. 3 GG stützen, da das Prinzip vom Vorrang des Parlamentsgesetzes eine Rangordnung beinhaltet, nicht aber eine Kompetenzzuweisung. 160 Sind demnach verfassungsrechtliche Aufgabenzuweisungen konstitutive Grundlagen verfaßter Staatsgewalt und nicht deren nachträgliche Beschränkung, 161 dann darf nicht die Existenz von Art. 23 Abs. 3 GG unter Hinweis auf den angeblich deklaratorischen Charakter der Vorschrift außer Acht gelassen werden. 162 Die hier festgeschriebene Handlungsform ist abschließend. Insbesondere ermächtigt der in Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG festgeschriebene Gesetzesvorbehalt nur zur näheren Ausgestaltung des Beteiligungsverfahrens per Gesetz, nicht zu gesetzesförrnigen Beschlüssen neben den auf Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG gestützten schlichten Beschlüssen. 163 Die hierauf gestützten Mitwirkungshandlungen des Deutschen Bundestages sind - wie es auch nach der innerstaatlichen Rechtsordnung für die parlamentarische Mitwirkung an innerstaatlicher exekutiver Rechtssetzung, konkret für Zustimmungen zu Rechtsverordnungen gilt l64 - keine legislative, sondern kontrollierende Tätigkeit. 159 So allg. Frowein, Rechtsetzungsbefugnisse der Exekutive, DÖV 1977, 555 (556); s.a. Jesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Auf!. 1968, S. 171 f. Etwas abgeschwächt, für ein Zugriffsrecht außerhalb der anerkannten Vorbehaltsbereiche Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 (Stand der Bearb. Sept. 1980),11 Rdnr. 84, V Rdnr. 79, VI Rdnr. 44; Puhl, Die Minderheitsregierung nach dem Grundgesetz, 1986, S. 157 f., 176. Allg. zur Abgrenzung von Zugriffsund Vorbehaltsbereich Stern, Staatsrecht I, 2. Auf!. 1984, § 22 III 4 (S. 1003). 160 Schnapp, Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBl. 1990, 186 (187). 161 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Auf!. 1998, S. 33; Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (185 f.), unter Hinweis auf die bereits 1932 von Richard Thoma aufgestellte These von der Rechtsvermutung für die Exklusivität ausdrücklich statuierter Kompetenzen, S. 177; ders., Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBl. 1990, 186 (187). 162 So aber Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (142) mit Hinweis darauf, daß das ohnehin selbstverständliche Recht zur Stellungnahme vor allem aus Gründen der besseren Optik aufgenommen worden sei, man habe gegenüber dem Bundesrat nicht mit leeren Händen dastehen wollen. 163 Mißverständlich Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht, Verwaltungsrundschau 1993, 89 (92), demzufolge der Gesetzesvorbehalt in Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG dem Bundestag das Recht gebe, im Rahmen seiner nationalen Zuständigkeiten alle Materien zu beraten und der Bundesregierung für ihr Verhalten im Rat Vorgaben zu machen, an die sie innerstaatlich im Verhältnis zum Bundestag politisch gebunden sei.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
2. Mitwirkung als kooperativer Prozeß zwischen Parlament und Regierung
Die Funktion des Bundestages in europäischen Angelegenheiten ist mit dem Begriff "Kontrolle" allerdings dann nicht korrekt erlaßt, wenn Kontrolle dahingehend verstanden wird, daß derjenige, der kontrolliert, anderen jede Initiative überläßt, daß er nicht selbst handelt, sondern lediglich in der Vergangenheit liegende Sachverhalte beurteilt und versucht, dadurch für die Zukunft korrigierend zu wirken. 165 Diese Wortbedeutung ist semantisch und sprachgeschichtlich zwar denkbar 166 und trifft im juristischen Sprachgebrauch etwa für die richterliche Kontrolle der vollziehenden Gewalt zu. 167 Hiervon ist das Verhältnis zwischen erster und zweiter Gewalt im parlamentarischen Regierungssystem allerdings losgelöst zu betrachten. Konkret gestaltet wird dieses Verhältnis für die Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung durch Art. 23 GG. Der in Art. 23 Abs. 2 Satz I GG statuierte Mitwirkungsgrundsatz 168 erlaßt nach seinem Wortsinn eine aktive, begleitende Mitarbeit des Bundestags in Angelegenheiten der Europäischen Union. "Mitwirkung" knüpft assoziativ an Formulierungen wie "Kontrolle durch Zusammenwirken,,169 oder "Mitregierung" des Parlaments 170 an, die für ein ganz bestimmtes staatsrechtliches Verständnis des Verhältnisses von v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 113 f. m. w. N. Kritisch zu dieser Definition Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, 1970, S. 29. Ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 120 ff.; Hans Joachim Berg, Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, 1982, S. 75 ff.; zur Kontrolle als nur reaktiver Handlungsmöglichkeit Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 279. 166 So wird eine restriktive Deutung der parlamentarischen Kontrollfunktion auf die Parallele zum französischen "contre-röle" gestützt, das die historische Wurzel bezeichne und i.S.v. "Gegenrolle" (Kröger; Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 28; Hans Joachim Berg, Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, S. 79; Steffani, Formen, Verfahren und Wirkungen der parlamentarischen Kontrolle, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 49 Rdnr. 2), d. h. als zeitlich nachfolgende Überwachung (Kröger; Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 28), zu verstehen sei. Zum einen scheint letztgenannte Wertung aber eher vom Vorverständnis dominiert als objektiv. Zum anderen wäre ebenso berechtigt eine Anlehnung an die weiterreichende Konnotation des englischen "control", das Mitentscheidung und Mitgestaltung umfasse (Tomuschat, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 [1997], 114). Allg. ausführ!. zum Spektrum des Kontrollbegriffs Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 4 ff. 167 Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestages, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40 Rdnr. 30. 168 So die Bezeichnung in der Entwurfsbegründung der Bundesregierung, BT-Drs. 12/ 3338, S. 7. 169 Erstmals wohl Bäumlin, Die Kontrolle des Parlaments über Regierung und Verwaltung, RMSJ 1966, 165 (244 ff.). 164 165
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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Parlament und Regierung, nämlich für die Überwindung des Trennungsgedankens stehen: Im Gegenzug zu der bereits erwähnten gubemativorientierten Rechtsprechung zur auswärtigen Gewalt bildete sich in den 50er Jahren, bekannt geworden unter dem Stichwort von der "kombinierten Gewalt"171 bzw. von der ,,staatsleitung zur gesamten Hand",172 eine ganz andere Konzeption des Verhältnisses von Parlament und Regierung heraus. Zunächst entwickelt für den Teilbereich der auswärtigen Gewalt, wurde die Überwindung des Trennungsgedankens zum Symbol für das Neuverständnis des Verhältnisses von erster und zweiter Gewalt im Gesamtbereich der Staatsleitung. 173 Die Bedeutung dieses Ansatzes lag dabei im Grundsätzlichen, ohne daß er konkrete Aufgabenverteilungen vorsah. Selbst Mitschöpfer Friesenhahn konstatierte, daß die Zusammenarbeit von Parlament und Regierung sich einer genauen Analyse entziehe und die Akzente von Mal zu Mal anders gesetzt sein könnten. 174 Nachdem das "Ob" parlamentarischer Mitwirkung damit grundsätzlich neubestimmt war, wandte sich die Staatsrechtslehre in den 70er und 80er Jahren dem "Wie" der Mitwirkung im einzelnen zu. 175 So wurde es als Ausfluß der funktionsgerechten Organstruktur angesehen, daß das Parlament so frühzeitig in die Vorbereitungen der Regierung eingeschaltet werden müsse, daß die parlamentarischen Anregungen noch tatsächlich einfließen könnten und die Regierung nicht aus Furcht vor einem Gesichtsverlust an einer bereits zementierten Position festhalten müsse. 176 Damit korrespondiert die ausdrückliche verfassungsrechtliche Verankerung der frühestmöglichen und umfassenden Unterrichtung des Bundestages in Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG. Menzel beschränkt seine parlamentsfreundliche Konzeption im Bereich der auswärtigen Angelegenheiten allerdings selbst dahingehend, 170 Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, 1970, S. 30 f.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 240 ff. 171 Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1954), 179 (197). 172 Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), 9 (38). 173 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 250 f., auch zur weiteren Ausdehnung auf den Bereich der Planung in den 70er Jahren. 174 Friesenhahn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), 9 (36); i.d.S. auch Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 588, demzufolge sich der konkrete Anteil des Bundestags an der Gestaltung der inneren und äußeren Politik vor allem aus dem Zusammenspiel der politischen Kräfte ergibt. Als "nicht ermutigend" kritisiert Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 253, solche "resignierenden Einschätzungen". 175 Ausführlich Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 254, der im Jahr 1979 die Herausarbeitung der Details der Beteiligung als "die gegenwärtig noch offene verfassungsrechtliche Kardinalfrage" kennzeichnete. 176 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 260 f.; LE. auch Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 188 f., der den Grund frühstmöglicher Einbeziehung weniger in der funktionsgerechten Organstruktur als vielmehr in den wohlfahrts- und parteien staatlichen Zwängen der Aufgabenerledigung sieht.
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
daß er nicht auf den Träger der täglichen Routinearbeit abstellt, sondern darauf, wer die qualitativ schwerwiegendsten, hochpolitischen Entscheidungen zu fällen hat. 177 Gerade der Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung ist nun in hohem Maße von technischer Detailarbeit geprägt. Damit entspräche es dem Konzept vom "Beteiligungsrecht zur gesamten Hand", wenn das Instrument der parlamentarischen Stellungnahme in Fällen mit staatsleitender Bedeutung zum Einsatz kommt und dies zu einem so frühen Zeitpunkt, daß die grundsätzliche Weichenstellung eines Rechtsetzungsvorhabens determiniert werden kann. In technischen Einzelfragen wäre demgegenüber keine Verpflichtung des Bundestages zur Einsetzung des förmlichen Instruments gegeben, es könnte insoweit eine schlichte begleitende Kontrolle in Betracht kommen, etwa im Rahmen der Kontakte zwischen Fachministerium und federführendem Bundestagsausschuß. Der Mitwirkungsgrundsatz des Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG ist damit nicht lediglich eine systematisierende Einleitungsformel, 178 zutreffender ist die rechtliche Einordnung als "Generalklausel, in der eine aktive und gestaltende Rolle zum Ausdruck kommt". 179 Angedeutet wird eine Abkehr von einem antagonistisch-abgrenzenden zugunsten eines kooperativ-zusammenwirkenden Verhältnisses von erster und zweiter Gewalt. Die Bewertung seitens des Bundesverfassungsgerichts als wechsel bezügliche Kompetenzen, die im Sinne der Organtreue wahrzunehmen sind l8o , unterstützt diese Auslegung, die auch durch das System der nachfolgenden Absätze bestätigt und konkretisiert wird. 181 Europarechtliche Bedenken gegen eine solche Konzeption, gestützt etwa auf Art. 10 EGV I82 oder Art. 203 Abs. 1 EGV I83 bestehen wie gezeigt nicht. 184 Die supranationale Rechtsordnung überläßt die Ausgestaltung der Beteiligungsrechte den Verfassungen der Mitgliedstaaten. 185 177 Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1954),179 (194 f.). Neben den Gesetzen zu völkerrechtlichen Verträgen und o.g. hochpolitischen Akten sieht er allerdings noch als dritte Kategorie allgemeine außenpolitische Entschließungen, die offenbar nicht notwendig hochpolitische Leitentscheidungen betreffen sollen, sondern sich auf durchaus konkrete Einzelfälle beziehen. Auch diesen Resolutionen billigt Menzel eine verbindliche, die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers einschränkende Wirkung zu. 178 Breuer, Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994, 417 (426). 179 Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Artikel 23, BayVBI. 1992,705 (708). Für die Bezeichnung als Generalnorm auch Scholz, Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, 817 (822). Offenlassend, ob hierin die Anordnung einer gesamthänderischen Gewalt zu sehen ist Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 312. 180 BVerfGE 89, 155 (191). 181 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 1995, Art. 23 Rdnr. 58 unter Hinweis darauf, daß sich die Intensität der parlamentarischen Mitwirkung abschließend nach dem Katalog der nachfolgenden Absätze des Art. 23 GG bestimmt. 182 Art. 5 EGVa.F. 183 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 184 s.o. Kap. 1, A.IIA.b) (S. 53 ff.); Kap. 2, A.II.2.a)bb) (S. 116 ff.).
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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Auf den Inhalt der Rechte aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG wird im einzelnen an späterer Stelle einzugehen sein. Zunächst ist aus der grundsätzlichen Perspektive des parlamentarischen Regierungssystems festzuhalten, daß sie einen arbeitsteiligen kooperativen Prozeß beschreiben. Der außenvertretungsberechtigten Regierung obliegt die Verhandlungsführung, über die sie das Parlament frühzeitig und umfassend informiert und die sie nur unter Berücksichtigung der parlamentarischen Beschlüsse wahrnimmt. Es soll mithin de constitutione lata eine wechselseitige, begleitende Rückkoppelung stattfinden. 186 Die nationale Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung bildet daher keinen Internbereich der Regierung, sondern wird - und dazu bedarf es keiner Striktbindung parlamentarischer Stellungnahmen - von den Verfassungsorganen zur gesamten Hand ausgeübt. Nur dieses Verständnis wird dem entstehungs geschichtlichen und teleologischen Hintergrund des Art. 23 GG gerecht. Im Zuge der Ratifizierung des Maastrichter Vertrages sollten Kompensationsmöglichkeiten für die erlittenen und in Zukunft zu erwartenden parlamentarischen Kompetenzverluste geschaffen werden. 187 Die vom Bundesverfassungsgericht gern. Art. 79 Abs. 3 i. V.m. Art. 20 Abs. 2 GG geforderte Rückkoppelung des Handeins der europäischen Organe durch den Bundestag, dem Aufgaben und Befugnisse von substantiellem Gewicht verbleiben müssen,188 ist nur bei einer so großzügig wie möglichen Auslegung des Art. 23 Abs. 2, 3 GG gewahrt. Die gegenteilige Ansicht, die eine Zuständigkeit zur gesamten Hand ebenso ablehnt wie eine großzügige Interpretation des Art. 23 Abs. 2, 3 GG I89 stützt sich demgegenüber auf die Annahme einer Regierungsprärogative in auswärtigen wie europapolitischen Angelegenheiten, die methodisch nicht haltbar ist. Ist die Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung Parlament und Regierung damit gemeinsam übertragen, so hat dies auch Auswirkungen auf die Zuständigkeiten zur Ausgestaltung der jeweiligen Binnenorganisation und der Kooperationsverfahren, mit anderen Worten auf die Organisationsgewalt. 19o Gerade die Frage, wer für organisationsrechtliche Regelungen zuständig ist, ist ein bedeutendes Problem im Rahmen der Befugnisabgrenzung von erster und zweiter
185 So auch der Standpunkt des Bundestages, BT-Drs. 13/6891, S. 3. 186 Zur begleitenden Kontrolle in europäischen Angelegenheiten bereits vor Schaffung des
Art. 23 GG Eclwrt Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), 56 (76). 187 Abg. Möller, GVK-StenBer., 7. Sitzung vom 4. Juni 1992, S. 3; GVK-StenBer., 8. Sitzung vom 26. Juni 1992, S. 5; Möller! Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993,21 (23 f.); ausführlich Schmalenbach, Der neue Europaartikel 23 des Grundgesetzes im Lichte der Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission, 1996, S. 141 ff. Zur Genese ferner unten, Kap. 2, B.I.1. (S. 183 ff.). 188 BVerfGE 89, 155 (LS 3a, 4; S. 184 ff., 191). 189 Schotz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 23 (Stand der Bearb. Okt. 1996), Rdnm. 98 f., 101. 190 s. im einzelnen später, etwa Kap. 2, B.l1.2., 4. (S. 189 ff.); Kap. 3, A.I. (S. 238 ff.); B.I.2.b) (S. 279 ff.).
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Gewalt. 191 Im Anschluß an Böckenförde ist unter Organisationsgewalt die Befugnis zur Schaffung, Veränderung, Zusammenordnung, Bestimmung der Aufgaben und der inneren Gliederung und Geschäftsregelung öffentlicher Funktionsträger zu verstehen. 192 Verbreitet wird hiervon die innere Organisation nicht-exekutiver unmittelbarer Verfassungsorgane ausgeschlossen,193 für das Parlament ist insoweit der Begriff des Selbstorganisationsrechts gebräuchlicher. 194 In der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist hier der Terminus der Geschäftsordnungsautonomie verbreitet; 195 verstanden wird hierunter das durch Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Recht des Parlaments zum Erlaß organisations- und auch verfahrensrechtlicher 196 Geschäftsordnungsvorschriften. Die Parlamentsautonomie erstreckt sich daher jedenfalls auf solche Regelungsgegenstände, die herkömmlicherweise als Geschäftsordnungsangelegenheiten gelten. Erfaßt ist damit aber nur ein Teilbereich der Eigenorganisation. Hierzu rechnet etwa die Untergliederung in Ausschüsse und Fraktionen, die Regelung des Geschäftsganges, die Aufrechterhaltung der Disziplin, etc. 197 Insoweit hat der Bundestag einen sehr weiten Gestaltungsspie1raum, der sich allerdings im Bereich der verfassungsrechtlichen Vorgaben halten muß. 198 Ob das Parlament über diese klassischen Binnenrechtsangelegenheiten hinaus Regelungen treffen kann, ist umstritten. 199 Denkbar 191
(295).
Schnapp, Ausgewählte Probleme des öffentlichen Organisationsrechts, Jura 1980,293
192 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 29 zu einem allgemein-staatswissenschaftlichen Begriff; zur erstmalige Verwendung durch Romeo Maurenbrecher, S. 21. 193 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 38, stellt dem neutralen staatswissenschaftlichen Begriff einen engeren verfassungsrechtlichen Begriff gegenüber. Damit lehnt er sich an die früher herrschende Ansicht in der Staatsrechtslehre an, die die Organisationsgewalt allein im Zusammenhang mit der Exekutive erörtert und für möglich gehalten hat, s.a. Nachweise bei Wolf!/ Bachof, Verwaltungsrecht 11, 4. Aufl. 1976, § 78 I a, S. 128 f. 194 Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 43 f.; Steiger, Selbstorganisation und Ämterbesetzung, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 25 Rdnrn. 5 ff. Für eine synonyme Bedeutung von Geschäftsordnungsautonomie, Selbst- und Eigenorganisationsrecht Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen und allgemeine verfassungsrechtliche Grenzen des Se1bstorganisationsrechts des Deutschen Bundestages, 1992, S.28f. 195 BVerfGE 44,308 (314); BVerfGE 70,324 (360). 196 Zur Unterscheidung des statisch-institutionellen und des dynamisch-prozeduralen Aspekts und der entsprechenden rechtlichen Tenninologie des Organisations- und des Verfahrensrechts Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980) S. 243 (256). 197 Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnrn. 4, 20; zum Recht, eine beliebige Anzahl von Ausschüssen zu bestellen Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (23). 198 BVerfGE 80, 188 (218 f.); BVerfGE 84, 304 (322); Ritzel/Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, Ein!. zur GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), S. 3.
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ist die Annahme, daß in dem gesamten übrigen Bereich der Beteiligung an europäischer Sekundärrechtsetzung die Bundesregierung Trägerin der Organisationsgewalt ist. Wahrend in der konstitutionellen Monarchie die Organisationsgewalt dem Herrscher oblag, soweit nicht Verfassung und Gesetz einen Vorbehalt setzten,2oo ist die Annahme eines Hausgutes der Exekutive 201 unter Geltung des Grundgesetzes jedoch nicht berechtigt. Nach heutigem Verständnis umschreibt der Begriff der Organisationsgewalt nicht einen Bereich, der dem parlamentarischen Zugriff deswegen entzogen ist, weil er der Exekutive aus sich heraus zustünde. Verfassungsrechtlich unhaltbar ist damit die Ansicht, der zufolge alle legislativen Organisationsvorbehalte rechtsdogmatisch lediglich als Einschränkung einer prinzipiell der Exekutive zuzurechnenden Organisationsgewalt zu qualifizieren sind. 202 Die nur vereinzelt im Grundgesetz normierten speziellen Organisationsvorgaben 203 stellen dabei ebenfalls keine "Durchbrechungen" der Parlamentsautonomie dar, sondern verfassungskräftige Vorgaben und Direktiven für das Parlament. 204 Auch hier kommt keinem Verfassungsorgan Suprematie zu, vielmehr sind alle voneinander wechselseitig unabhängig. Dies trifft insbesondere in dem den Organen zur gesamten Hand überantworteten Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung zu. Der Bundestag ist also wie die Regierung Inhaber einer eigenen Organisationsgewalt; in kompetenzrechtlicher Hinsicht bedeutet dies, daß er die erforderlichen originären Befugnisse für eine zweckmäßige Organisation des gesamten inneren Bereichs hat, den er auch rechtssatzmäßig regeln kann?05 Die wechselseitige Unabhängigkeit der Verfassungsorgane unterstützt die extensivere Auffassung, die die Organisationsgewalt so weit reichen läßt, wie sich der Internbereich einer Funktion erstreckt. Aufgeworfen ist im folgenden die Frage, ob der verfassungsändernde Gesetzgeber bei Schaffung des Art. 23 Abs. 2, 3 GG in der hier vertretenen Interpretation 199 Dagegen BVerfGE 44,308 (314), Stern, Staatsrecht 11,1980, § 26 III 6 b (S. 83); Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnrn.
4,20.
Laband, Deutsches Reichsstaatsrecht, 7. Auf!. 1919, S. 57. In diesem Sinn Köttgen, Die Organisationsgewalt, VVDStRL 16 (1958), 154 (154); allg. zum Begriff des Hausguts Thoma, Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Ge200
201
setzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts 11, 1932, § 76, S. 221 (228). 202 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Auf!. 1998, S. 84, 88. 203 Verfassungsrechtlich festgelegt sind neben der Geschäftsordnungsautonomie der Verfassungsorgane in Art. 40 Abs. 1 Satz 2, Art. 52 Abs. 3 Satz 2, Art. 65 Satz 4 GG auch die Pflichtausschüsse in Art. 45, 45 a, c GG und die in Art. 62, 65 GG niedergelegten Befugnisse, auf die an späterer Stelle noch näher eingegangen wird. 204 Dreier, Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990,310 (3\3). 205 Allg. Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 118; Kretschmer, Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages, ZParl. 1986,334 (335 ff.).
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den durch Art. 79 Abs. 3 i. v.m. Art. 20 GG geschützten Kembestand des Grundgesetzes beachtet hat.
IV. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" mit dem Kernbestand der Funktionenordnung des Grundgesetzes 1. Der Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung im Lichte der Rechtsprechung des Bundesveifassungsgerichts Die zuvor herausgearbeitete Beteiligung zur gesamten Hand dürfte nicht den Kembereich der Regierung verletzen. Bemerkenswerterweise nimmt das Maastricht-Urteil auf die bundesverfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur auswärtigen Gewalt kaum Bezug,206 obwohl hier grundlegende Ausführungen zur Reichweite des Kembereichs exekutivischer Eigenverantwortung getroffen wurden. In der Nachrüstungsentscheidung aus dem Jahr 1984, in der dem Bundestag kein Mitspracherecht über die Stationierung von Pershing-lI-Raketen auf dem Gebiet der Bundesrepublik zugestanden wurde, legte das Bundesverfassungsgericht dar, inwieweit dem Bundestag durch die Verfassung Aufgaben im Bereich der auswärtigen Gewalt zugewiesen sind. 207 Leitgedanke ist die Annahme eines gubemativen Internbereichs, der auch im Rahmen parlamentarischer Verantwortung der Regierung bestehe und dem insbesondere die politische Gestaltung auswärtiger Beziehungen zugeordnet sei. 208 Die konkrete Ordnung dürfe nicht durch einen aus dem Demokratieprinzip fälschlich abgeleiteten Gewaltenmonismus in Form eines all206 Eine Rückbeziehung auf das Pershing-Urteil, BVerfGE 68, 1 (109 f.), erfolgt im Hinblick auf die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung gern. Art. 63, 67 GG, BVerfGE 89, 155 (191). Außerdem verweist Ls. 5 auf die nach Maßgabe von BVerfGE 58, 1 (37) an die Bestimmtheit eines vertraglich vereinbarten Integrationsprogramrns gern. Art. 24 Abs. 1 GG zu stellenden Anforderungen. Die Hauptsacheentscheidung zu Out-of-Area Einsätzen der Bundeswehr erging erst 9 Monate nach der Maastricht-Entscheidung. Allerdings war bereits in der einstweiligen Anordung zu UNOSOM 11, BVerfGE 89, 38 (46 f.), die 4 Monate vor der Maastricht-Entscheidung erging, die Bindung der Bundesregierung an einen konstitutiven Bundestagsbeschluß festgestellt worden, lediglich die explizite Bezeichnung als "Parlamentsvorbehalt" war noch nicht erfolgt. 207 BVerfGE 68, 1 (80 ff.). 208 BVerfGE 1,351 (369); BVerfGE I, 372 (394); BVerfGE 68, 1 (87); BVerfGE 67, 100 (139); BVerfGE 90,286 (357); Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 77 Rdnm. 41 ff.; ders., Zum Verfassungsrecht der auswärtigen Gewalt, AöR 112 (1987), 521 (526 f.); Daehring, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 3. Auf!. 1984, S. 194 f.; Brenner, Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (201); Kahnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 43. Das Bundesverfassungsgericht folgt mit der Formulierung des Kembereichs exekutivischer Eigenverantwortung Schatz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), 564 (598). Demgegenüber falle, so BVerfGE 34, 52 (59), dem Parlament als Legislative die verfassungsrechtliche Aufgabe der Normsetzung zu.
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umfassenden Parlamentsvorbehalts unterlaufen werden. 209 Dieser grundsätzliche operative Vorrang der Regierung soll nur dann durchbrochen sein, wenn dem Parlament explizit (Mit)Entscheidungsbefugnisse eingeräumt sind, wie etwa in Art. 24 Abs. 1, Art. 59 Abs. 2, Art. 115 a GG?1O Konkret erstrecke sich die Kontrollkompetenz des Bundestages nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge und enthalte nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. 211 Zutreffend ist dabei die Ablehnung eines parlamentarischen Totalvorbehaltes, der allerdings in methodisch ebenso anfechtbarer Weise durch eine Kompetenzvermutung zugunsten der Gubernative ersetzt wird. Was die zum Ausdruck kommende Befürchtung einer übermächtigen Parlamentszuständigkeit im Bereich der auswärtigen Gewalt anbelangt, so ist diese überdies als gegenstandslos anzusehen. Ganz im Gegenteil besteht vielmehr die Gefahr einer fortschreitenden Aushöhlung parlamentarischer Befugnisse?12 Potenziert gilt dies bei Berücksichtigung der integrationsbedingten Entparlamentarisierung des europäischen Rechtsetzungsprozesses. Der Regierung wird angesichts der sachbereichsspezifischen Besonderheiten wie der Unvorhersehbarkeit außenpolitischer Entwicklungen und der Komplexität internationaler Beziehungen eine weite Einschätzungsprärogative und ein weiter Gestaltungsspielraum zugebilligt. 213 Hervorzuheben ist noch, daß der Gestaltungsspielraum nicht unmittelbar für die Ministerialbürokratie gilt, die wie bereits gezeigt faktisch einen beherrschenden Einfluß auf die europäische Rechtsetzung ausübt. Zwar wird teilweise ein qualitativer' Unterschied zwischen gubernativem Gestaltungsspielraum und administrativem Ermessen negiert. 214 Dieser Ansatz verkennt den grundsätzlichen Unterschied zwischen politischer Leitung und gesetzesgebundener Verwaltung. Bereits Smend arbeitete heraus, daß der politische Wille der Verfassungsorgane von der Verfassung vorausgesetzt und bereits seinem Ursprung nach frei sei, das freie Ermessen der Verwaltung dagegen nur seiner Ausübung nach. 215 209 BVerfGE 49, 89 (125) - "Kalkar"; BVerfGE 67, 100 (139); BVerfGE 68, I (87); zust. Grewe. Auswärtige Gewalt, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR 11,1987, § 77 Rdnm. 41 ff. 210 Ausgeschlossen sei etwa eine Beteiligung an nicht ausdrücklich im Grundgesetz geregelten einseitigen auswärtigen Akten, wie etwa an der Kündigung völkerrechtlicher Verträge oder dem Verzicht auf völkerrechtlich begründete Ansprüche. 211 BVerfGE 67, 100 (139). 212 So auch Tomuschat, Der Verfassungs staat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 7 (60); Reiner Schmidt, ebd., S. 65 (97 ff.); Bryde, Sicherheitspolitik zwischen Regierung und Parlament, Jura 1986,363 (366); Mahrenholz. Sondervotum zu BVerfGE 68, I (lll, 128). 2\3 Zur geringen gerichtlichen Kontrolldichte BVerfGE 55, 349 (366); BVerfGE 84, 90 (128); BVerfGE 93, 248 (256 f.); BVerfGE 94, 12 (35). 214 Frotscher, Regierung als Rechtsbegriff, 1975, S. 231; Leisner, Regierung als Macht kombinierten Ermessens. Zur Theorie der Exekutivgewalt, JZ 1968,727 (729, 731). Beide Entscheidungsspielräume sollen demnach nicht wesensmäßig divergieren, sondern allenfalls quantitativ hinsichtlich der Weite der von der Rechtsordnung gezogenen Grenzen. 215 Smend, Die politische Gewalt im Verfassungsstaat und das Problem der Staatsform (1923), in: ders., Staatsrechtliche Abhandlungen und andere Aufsätze, 2. Aufl. 1968, S. 68
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Der Gestaltungsspielraum der Gubernative wäre möglicherweise verletzt, wenn der Bundestag durch Art. 23 Abs. 2,3, GG ermächtigt würde, die Entscheidung über einen Sekundärrechtsakt quasi "an sich zu reißen,,216 oder wenn die Bundesregierung dem Bundestag nicht mehr als gleichrangiges Verfassungsorgan gegenüberstünde, sondern zu einem "Exekutivausschuß" des Parlaments würde?17 Dies ist aber selbst bei extensivster Auslegung der parlamentarischen Befugnisse ausgeschlossen. Die bloße Öffnung des Friihstadiums der exekutiven Willensbildung und die Beriicksichtigungspflicht der parlamentarischen Beschlüsse stellen vielmehr einen Mindeststandard dar, der mit Art. 79 Abs. 3 i. Y.m. Art. 20 GG vereinbar ist. Schließlich wäre selbst eine striktere Bindung unter dem Aspekt der Kompensation verlorener Legislativbefugnisse verfassungsrechtlich haltbar gewesen. Dies gilt jedenfalls in den Fällen, in denen der europäische Rechtsakt wesentliche Regelungen betrifft und nicht nur technische Einzelheiten, die auch auf der nationalen Ebene im Wege exekutiver Verordnungsgebung hätten erfolgen dürfen. 218 Die Annahme einer untragbaren Blockierung der Regierung 219 findet demgegenüber keinen rechtlichen Rückhalt. Allerdings war die Gestaltungsfreiheit des Verfassungsgesetzgebers auch nicht dergestalt eingeschränkt, daß nur eine Striktbindung dem Kompetenzverlust Rechnung getragen hätte. Hier ist zu beriicksichtigen, daß der bei weitem größte Teil der EG-Vorlagen, mit denen sich der Bundestag zu befassen hat, auch im nationalen Bereich nicht dem Vorbehalt des Pariamentsgesetzes 220 un(78, Anm. 44); zust. Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 103. Hailbronner, Zwischenwort, VVDStRL 56 (1997), 121 (125) spricht zwar von einem außenpolitischen Ermessensspie1raum, qualifiziert diesen aber als originär. 216 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 353. 217 Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 62 (Stand der Bearb. Okt. 1984), Rdnr. 65. 218 Pöhle, Europäische Union la Maastricht - Eine ernste Herausforderung für die Parlamente der EG, ZParl. 1993,49 (53). Verfolgt man weiter den Vergleich zu den auswärtigen Angelegenheiten, so ist festzustellen, daß auch in diesem Bereich die innerstaatliche Delegation von Legislativbefugnissen auf die Exekutive für die Zuständigkeitsverteilung beriicksichtigt wird: Im Anwendungsbereich von Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG negiert die h.M. das Erfordernis parlamentarischer Zustimmung dann, wenn durch den völkerrechtlichen Vertrag zwar Gegenstände der Bundesgesetzgebung betroffen sind, in dem Sachbereich aber auf nationaler Ebene eine allgemeine Verordnungsermächtigung besteht; differenzierend hierzu Streinz, in: Sachs, GG, 2. Auf!. 1999, Art. 59 Rdnr. 36. Mahrenholz weist in seinem abweichenden Votum zu der Pershing-Entscheidung, BVerfGE 68, I (111, 113) darauf hin, daß Art. 24 GG Formenstrenge und strikte Einhaltung gebiete: Mißhelligkeiten aufgrund unscharfer gesetzlicher Ermächtigung nach Art. 80 Abs. 1 GG seien korrigierbar, im völkerrechtlichen Bereich belasteten sie dagegen die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Vertragspartner; bereits der Wunsch nach einer nachträglichen Korrektur würde in das Gefüge dieser Beziehung störend eingreifen. 219 Seider; Die Zusammenarbeit von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes und des Deutschen Bundestags und ihr Beitrag zum Abbau des parlamentarischen Defitzits in der EG, 1990, S. 327, unter Hinweis auflnterviews mit verschiedenen MdEP und MdB. 220 Zu der Frage von Gesetzesvorbehalt und Parlaments vorbehalt s. ferner unten, Kap. 2, A.Y.2. (S. 154 ff.).
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terlegen hätte, sondern als technische Detailregelungen im Verordnungswege erledigt worden wäre. 221 Letztlich entspricht die Entscheidung für parlamentarische Stellungnahmen mit verfassungsrechtlich abgesicherter Beriicksichtigungspflicht der in der Staatsrechtslehre jüngst konstatierten zunehmenden Tendenz zur Parlamentarisierung der auswärtigen Gewalt. 222 Ausgangspunkt für diese Annahme sind namentlich die verfassungsgerichtlichen Urteile zum Einsatz der Streitkräfte in Somalia und zu AWACS-Aufklärungsflügen über der Adria?23 Wenn auch weiterhin von der Prämisse ausgegangen wird, daß nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung Außenpolitik eine Funktion der Regierung sei,224 ist dennoch eine Akzentverschiebung zu beobachten. Außeneinsätze der Bundeswehr bedürfen der grundsätzlich vorherigen konstitutiven Zustimmung des Deutschen Bundestags ("Parlamentsvorbehalt,,).225 Zwar soll dem die Entscheidung tragenden Mehrheitsvotum zufolge die dynamische Entwicklung und Auslegung der Verträge von 1955 und 1974 (NATO-/WEU-Vertrag und UN-Charta) die neuartigen "out of area"-Einsätze, d. h. solch außerhalb des atlantischen Bündnisses, bei friedenschaffenden Maßnahmen decken. Jedoch darf dies nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht dazu führen, daß die - angesichts der politisch riskanten Erweiterung der Bündnispflichten in der parlamentarischen Demokratie selbstverständliche Rückbindung an den Bundestag unterbleibt. 226 Daher kann eine auf den Einzelfall bezogene Einsatzentscheidung einen parlamentarischen Beschluß notwendig ma221 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZPar!. (Sdbd.) 1995, 114 (135) geht von 90% aus; so bereits Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 63, Fußn. 53 a; ähn!. Meßerschmidt, Begründen Richtlinienvorschläge der EG-Kommission eine Stillhaltepflicht für den deutschen Gesetzgeber? Parallelen und Divergenzen zur staatsrechtlichen Vorwirkungsdiskussion, ZG 1993, 11 (30). 222 Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVB!. 1996,937 f.; Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997),39 (62). 223 BVerfGE 90,286 ff. Vorangegangen waren Entscheidungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, BVerfGE 88,173 ff. (AWACS) und BVerfGE 89, 38 ff. (UNOSOM 11). 224 BVerfGE 90, 286 (357). 225 BVerfGE 90,286 (Ls. 3, 381 ff.). In der jüngeren Vergangenheit gab es weitere Anwendungsflille. So erfolgte am 15. März 1997 ein Einsatz der Bundeswehr zur Evakuierung deutscher Staatsangehöriger aus Tirana, Albanien. Erstmals in der Nachkriegsgeschichte handelte die Bundeswehr damit in eigener Regie und Verantwortung im Ausland. Am 18. März beschloß das Kabinett, die - angesichts der Eilbedürftigkeit des Wochenendeinsatzes nachträgliche - Zustimmung des Deutschen Bundestages einzuholen. Diese wurde am 20. März erteilt, BT-PIPr. 13. WP1l66. Sitzung vom 20. März 1998, S. 14969 ff.; BT-Drs. 13/7233; Ein weiterer konstitutiver Parlamentsbeschluß wurde - aufgrund der Eilbedürftigkeit trotz bereits erfolgter Wahl zum 14. Deutschen Bundestag noch von dem 13. Deutschen Bundestagüber die Frage des Kosovo-Einsatzes gefaßt, BT-PIPr. 13. WP /248. Sitzung vom 16. Oktober 1998, S. 23161 (B); BT-Drs. 13/11469; zum Anschlußbeschluß s. Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses des 14. Bundestages, BT-Drs. 14/32. 226 BVerfGE 90, 286 (387).
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
chen, d. h. unter Parlamentsvorbehalt stehen, obwohl keine Verfassungsvorschrift explizit diese Mitentscheidungsbefugnis des Bundestages anordnet. Sie ergeht als konstitutiver, d. h. bindender schlichter Parlamentsbeschluß, der gern. Art. 42 Abs. 2 GG zu fassen ist. 227 Gestützt wird die Begrenzung des operativen Vorrangs der Exekutive auf die Interpretation der grundgesetzlichen Vorschriften über die Wehrverfassung, namentlich auf die Art. 45 a, b, den früheren Art. 59 a, Art. 87 a Abs. 1 Satz 2, Art. 115 a Abs. 1 GG, die - basierend auf der Tradition der Weimarer Reichsverfassung - für den Einsatz bewaffneter Streitkräfte die parlamentarische Legitimation erforderten. 228 Damit hält das Gericht prinzipiell an der restriktiven Interpretation des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG fest,229 der im Pershing-Urteil entgegen dem Vorbringen der damaligen Antragstellerin 230 nicht im Sinne der Wesentlichkeitstheorie dahingehend ausgelegt wurde, daß alle wichtigen oder wesentlichen Akte der auswärtigen Gewalt parlamentarischer Kontrolle unterliegen. Da das Gericht aber, obwohl sich keine dahingehenden expliziten Kompetenzzuweisungen an das Parlament finden, gerade für den grundrechtsrelevanten Außeneinsatz der Streitkräfte die parlamentarische Beteiligung fordert, liegt nach teilweiser Einschätzung im Schrifttum nahe, daß sich daß Gericht zumindest auf "der Wesentlichkeitstheorie verwandte Prinzipien" gestützt hat. 23 ! Methodisch ist es allerdings nicht haltbar, hierin einen subsumtionsfahigen Obers atz zu sehen, etwa in dem Sinne, daß bei Vorliegen von Grundrechtsrelevanz einer Maßnahme oder bei deren Bedeutung für die Allgemeinheit logisch zwingend die Regelung in der Form eines Gesetzes erfolgen
227 Art. 42 Abs. 2 Satz 1 GG selbst ist eine Regel des objektiven Verfassungsrechts, die ausschließlich organisatorische Bedeutung hat und nicht bestimmt, ob der Bundestag überhaupt beschließen kann, mit welcher Wirkung dies geschehen kann oder ob jemand ein subjektives Recht auf einen solchen Beschluß hat, BVerfGE 2, 143 (161); Ipsen/ Epping, Der Berlin/Bonn-Beschluß der Bundesregierung, Jura 1994, 605 (606); Maunz, in: Maunzl Dürig, GG, Art. 42 (Stand der Bearb. 1960), Rdnr. 15; Schulte, in: v. Mangoldt I Klein I Achterberg/Schulte, GG, Bd. 6, 3. Auf!. 1991, Art. 42 Rdnr. 29. 228 BVerfGE 90,286 (314, 381 ff.). 229 BVerfGE 90, 286 (287, 358). Leitsatz 7 a formuliert, daß eine analoge oder erweiternde Auslegung der Vorschrift - etwa dahingehend, daß immer dann, wenn ein Handeln der Bundesregierung im völkerrechtlichen Verkehr Gegenstände der Bundesgesetzgebung betrifft, die Form eines der gesetzgeberischen Zustimmung bedürftigen Vertrages gewählt werden müsse - nicht in Betracht kommt. 230 Antragstellerin war die Bundestagsfraktion der Partei DIE GRÜNEN, BVerfGE 68, 1 (13). Die Bundesregierung als Antragsgegnerin stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, Art. 59 GG sei bereits die Ausprägung der Wesentlichkeitsdoktrin, S. 61. 231 So Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVBI. 1996,937 (939). Auch Wolfrum, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 39 (44, 53) begrüßt die Entscheidung im Ergebnis, sieht als dogmatisch ausschlaggebend aber ebenfalls nicht die Wehrverfassung, sondern den aus Art. 23, 24, 59 Abs. 2, 115 a GG abzuleitenden Gedanken, daß alle staatsleitenden Entscheidungen parlamentarischer Mitgestaltung bedürfen. Speziell für die Schaffung von Normen geböten Art. 23 und 59 Abs. 2, 2. Alt. GG außerdem die Kompensation von Funktionsverlusten durch Verfahrensbeteiligung.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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muß,232 bzw. nach o.g. "abgeschwächten Wesentlichkeitserwägungen" ein bindender Parlamentsbeschluß. Damit ist es de constitutione lata ausgeschlossen, über die ausdrückliche Regelung des Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG hinaus, also über die Bindung mit Abweichungsmöglichkeit hinaus, einen strikt bindenden Parlamentsbeschuß in Angelegenheiten der europäischen Union zu verlangen. 233 Auch die bedenklich weit reichende Annahme des Gerichts, daß die verfassungsunmiuelbare Verankerung des Verteidigungsausschusses in Art. 45 a Abs. 1 GG einen tragenden Stützpfeiler des Prinzips des konstitutiven Parlamentsvorbehalts im wehrrechtlichen Bereich darstelle,234 kann keinen strikt bindenden Parlaments beschluß in europäischen Angelegenheiten rechtfertigen. Zwar ist nunmehr auch der Europaausschuß des Bundestages durch Art. 45 GG in der Verfassung verankert. 235 Dies bedeutet indes nicht, daß die durchgehende parlamentarische Beteiligung über den in Art. 23 Abs. 2, 3 GG vorgesehenen Umfang hinausgeht. Festgehalten werden kann aber eine deutliche Parallelität der Rechtslagen: sowohl bei Truppeneinsätzen im Rahmen der NATO wie auch bei der Übertragung von Hoheitsrechten an die Europäische Union gern. Art. 23 Abs. 1 Satz 2, 3 GG erfolgt die generelle parlamentarische Legitimation durch ein Zustimmungsgesetz. Auf jeden Einzelfall erstreckt sich diese Legitimationswirkung allerdings nicht in hinreichendem Maße, so daß es weiterer parlamentarischer Beteiligung bedarf. Diese erfolgt nach der Rechtsprechung für NATO-Truppeneinsätze durch konstitutiven Parlamentsbeschluß; dies wird teilweise als punktuelle Relativierung der juristischen Unterschiede zwischen Parlamentsbeschluß und Parlamentsgesetz eingeschätzt. 236 Für die Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung erfolgt sie durch Parlamentsbeschluß mit Berücksichtigungspflicht gern. Art. 23 Abs. 3 GG. Auch insofern findet sich die Annahme, daß es sich um ein "verfassungsrechtliches Novum", um die Fortentwicklung des Instituts des schlichten Parlamentsbeschlusses handelt. 237 Dabei muß eine konstitutive, einmalige Striktbindung nicht notwendig 232 Kritisch gegenüber einer solchen Methode auch Schnapp, Garzweiler 11 und die Wesentlichkeitstheorie, NWVBI. 1996,415 (416). 233 Nicht näher einzugehen ist hier auf die Frage nach dem Konkurrenzverhältnis von Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 23 Abs. 3 GG bzgl. Maßnahmen der europäischen Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik. Für Spezialität des Art. 23 Abs. 3 GG Kokott, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, DVBI. 1996, 937 ( 942 ff.). Unter dem teleologischen Aspekt der beabsichtigten Stärkung des Parlaments erscheine es allerdings bedenklich, die stärkeren Rechte aus Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG als ausgeschlossen anzusehen, es sei denn, man erkenne Stellungnahmen i.S.v. Art. 23 Abs. 3 GG eine strikt verbindliche Wirkung zu. 234 BVerfGE 90, 286 (385); zust. Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 a (Stand der Bearb. Nov. 1997), Rdnr. 5. 235 Ausführlich s.u., Kap. 3, B.I. (bes. 2.b)), S. 279 ff.). 236 Kloepfer, Wesentlichkeitstheorie als Begründung oder Grenze des Gesetzesvorbehalts?, in: Hili, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, 187 (212), bereits für die Nachrüstungsentscheidung. 237 Möller / Limpert, Inforrnations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZPar11993, 21 (28).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
das effektivere Mittel darstellen. Anders als bei den Truppeneinsätzen geht es bei der Beteiligung an europäischer Rechtsetzung nicht um eine Frage, die im wesentlichen auf eine Zustimmung oder Ablehnung zielt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung um Gestaltungsmöglichkeiten setzt vielmehr wechselseitige Rechte voraus, die über den gesamten, oft langwierigen Rechtsetzungsprozeß ausgeübt werden. Unter dem Gesichtspunkt des verfassungsänderungsfesten Kerns der grundgesetzlichen Funktionenverteilung zwischen erster und zweiter Gewalt bestehen mithin keine Bedenken gegen die Ausgestaltung des Art. 23 Abs. 2, 3 GG. Weder bleibt diese in verfassungswidriger Weise hinter der Kompensationspflicht zugunsten des Parlaments zurück, noch verletzt sie den Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung. Dieses Ergebnis wird im folgenden noch anhand der Hilfskriterien der funktionsgerechten Organstruktur und der Verantwortlichkeit überprüft.
2. Funktionsgerechte Organstruktur
Nicht nur im traditionellen Bereich der auswärtigen Gewalt, sondern auch bezogen auf die Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung wird - im wesentlichen zugunsten der Regierung - der Gedanke der funktionsgerechten Organstruktur in Ansatz gebracht. 238 Ziel hierbei kann es sein, eine Auslegungshilfe für das wenig nonnative Direktiven bietende Gewaltenteilungsprinzip zu erhalten. Bedenken bestehen dagegen gegen eine Methode, die Zuständigkeiten aus bloßen Praktikabilitätserwägungen heraus zu begründen sucht. 239 Dies war allerdings das Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts in der Nachrüstungsentscheidung, in der nur der Regierung die erforderlichen personellen, sachlichen und organisatorischen Möglichkeiten zugetraut wurden, die ihr erlaubten, die Bundesrepublik zügig, flexibel und sachgerecht zu vertreten. Sieht man als "Aufgabe der Gewaltenteilung" neben der freiheitssichernden Gewaltenhemmung die Bewahrung der staatlichen Leistungsfähigkeit, und zwar dahingehend, daß die Staatsfunktionen denjenigen Staatsorganen zugeordnet werden sollen, die diese nach ihrer inneren Struktur, Besetzung und Arbeitsweise bestmöglich erfüllen können,240 dann würde dies überspitzt betrachtet bedeuten, daß ein Organ durch personelle und technische Aufrüstung seinen Zuständigkeitsbereich erweitern könnte. 238 Streinz, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 23 Rdnr. 91. Allg. zu dem Grundsatz und seiner methodischen Bedeutung v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter ürganstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (338 f.); ders., Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 46 f.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 489. 239 Dagegen auch Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (191 f.). 240 BVerfGE 68, 1 (87); zust. Gotzen, Die Stellung der auswärtigen Gewalt im Gewaltenteilungssystem des Grundgesetzes, VerwRdsch. 1996,7 (10); Grewe, Auswärtige Gewalt, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR 111, 1988, § 77 Rdnr. 49; Kuhl, Der Kembereich der Exekutive, 1993, S. 142 ff.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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Selbst wenn man dem Gesichtspunkt funktionsgerechter Organstruktur kompetenzbegründende Wirkung zubilligte, wäre speziell für den Bereich der europäischen Angelegenheiten gerade fraglich, ob er für einen operativen Vorrang der Gubernative ins Feld geführt werden könnte. Was Schnelligkeit und Anpassungsfahigkeit des Exekutivhandelns anbelangt, so könnte es dem Bundestag hieran angesichts der Tatsache, daß seine Empfehlungen häufig erst nach Abschluß des Brüsseler Verfahrens ergingen 241 , tatsächlich fehlen. Dies ist bei genauerer Betrachtung indes unzutreffend. Es ist zu berücksichtigen, daß es sich - wie in Kapitel 1 ausführlich dargelegt - bei der europäischen Rechtsetzung um komplexe Verfahrensabläufe handelt, die sich in den für den Bundestag interessanten Bereichen in aller Regel über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr erstrecken. 242 Agiert der Bundestag in diesem Verfahren nicht zügig genug, so ist dies eher auf seine Einschaltung in einem zu späten Verfahrensabschnitt zurückzuführen denn auf eine organisatorische Schwerfälligkeit. Eine Vergleichbarkeit mit klassischen außenpolitischen Interessenlagen, in denen etwa ad hoc auf internationale Krisen und schnell wechselnde diplomatische oder militärische Lagen reagiert werden muß, ist damit kaum gegeben. 243 Selbst der deutsche Regierungsvertreter ist bei der Setzung von Gemeinschaftsrecht kaum in der Lage, auf plötzliche Wendungen etwa in einer Ministerratstagung in derselben Sitzung zu reagieren. Vielmehr muß er die Rückkoppelung mit dem nationalen Ministerium suchen, weIches seinerseits in zeitintensive regierungsinterne Koordinationsabläufe eingebunden ist. Die zusätzliche Erwägung, allein die Regierung verfüge im auswärtigen Bereich über die nötigen Infonnationen und dem zu deren Verwertung notwendigen Sachverstand, vernachlässigt, daß es auch der Regierung als Organ i.S.v. Art. 62 GG, d. h. der demokratisch legitimierten politischen Leitungsebene, an Sachkenntnis im Detail mangelt. Dieser Wissensvorsprung liegt vielmehr bei der Ministerialbürokratie, die trotz ihres Charakters als "Unterbau" der Regierung von dieser unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten strikt zu unterscheiden ist. 244 Hierbei handelt es sich um ein Zentralproblem gerade der Europapolitik und der europäischen Sekundärrechtsetzung, wie die Betrachtung der regierungsinternen Willensbildung (in Kapitel 3 A) erweisen wird. Generell ist auch die pauschale These, es fehle dem Parlament an Sachkunde, angesichts von Experten-Hearings, Sachverständigengutachten, spezialisierten Abgeordneten in den Fachausschüssen und 241 Schoof, EG-Ausschuß, 1993, S. 11 f.; Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl. 1988,220 (221). 242 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (133); Maurer; Regieren nach Maastricht: Die Bilanz des Europäischen Parlaments nach fünf Jahren "Mitentscheidung", Integration 1998,212 ff. unter Hinweis auf eine Regeldauer von über 700 Tagen im Mitentscheidungsverfahren. 243 Etwas anderes gilt möglicherweise in dem hier nicht in Frage stehenden Bereich der 2. und 3. Säule der Europäischen Union, namentlich bei Maßnahmen der Gemeinsamen Außenund Sicherheitspolitik. 244 ]arass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, bes. S. 93 ff.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
sachkundigen Fraktionsstäben zumindest zu relativieren?45 Soweit dennoch ein Informationsvorsprung der Regierung bejaht werden kann, führt selbst dies nicht zu einer Kompetenzerweiterung. Ist aufgrund einer verfassungsrechtlichen Kompetenznorm vielmehr ein anderes Verfassungsorgan zuständig, dann ist dieser Norm im Lichte funktionsgerechter Organstruktur die Obliegenheit des gutinformierten, unzuständigen Organs zu entnehmen, dem zuständigen Organ umfassend Information zu vermitteln. Auf solche Weise kann Funktionsgerechtigkeit gerade in interfunktional verschränkten Entscheidungsstrukturen wie kooperativen Rechtsetzungsverfahren demokratische Legitimation vermitteln. 246 Schließlich wird herkömmlicherweise ein weiterer Funktionsvorteil der Exekutive in ihrer Fähigkeit gesehen, ein einheitliches Auftreten der Bundesrepublik Deutschland nach außen zu sichem?47 Abgesehen davon, daß diese Argumentation auf eine - aus europäischer Perspektive unerwünschte - starke Ausrichtung an nationalen anstelle von supranationalen Interessen hindeutet,248 ließe sich außenpolitische Geschlossenheit theoretisch ebenso durch eine strikte Bindung des Regierungsvertreters an die Position des Bundestages erreichen. Im übrigen wird sich bei genauerer Untersuchung auch die Haltung der Regierung angesichts der in großem Umfang ressortbestimmten Willensbildung in europäischen Angelegenheiten als wenig einheitlich erweisen. 3. Verantwortlichkeit
Gegen eine kombinierte Gewalt werden gewaltenteilungsrechtliche Bedenken nicht nur dahingehend geltend gemacht, daß die Handlungsfähigkeit der Regierung in verfassungswidriger Weise eingeschränkt wird. Darüber hinaus führe die Auflösung der Verantwortungsbereiche in systemwidriger Weise dazu, daß letztlich niemand mehr verantwortlich sei?49 Denn wenn das Parlament selbst in exekutiviButzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (79). BVerfGE 83, 60 (72) - "Ausländerwahlrecht", wertet als verfassungsrechtlich entscheidend nicht die Form der demokratischen Legitimation, sondern deren Effizienz; v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (345), ferner S. 346 ff. zur gerichtlichen Kontrolldichte und der Möglichkeit des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere evident ungeeignete Entscheidungsstrukturen als verfassungswidrig zu beanstanden. 247 Gegen "Zersplitterungen und sonstige Hemmschuhe" etwa Lerche, Stellungnahme bei der Sachverständigen-Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskomrnission von Bundestag und Bundesrat, GVK-StenBer., 1. Öffentliche Anhörung "Grundgesetz und Europa", 22. Mai 1992, Anh. S. 110. 248 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (137) mit Hinweis auf die Fraktionenbildung im Europäischen Parlament, die nach politischen GrundeinsteIlungen, nicht nach nationalen Interessen erfolgt; zum folgenden S. 138. 249 Hans Joachim Berg, Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, 1982, S. 84 ff. unter Hinweis auf die problematische Grenzziehung, wann zulässige Kontrolle in 245
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sches Handeln verstrickter Akteur sei, dann verliere es die Freiheit, der Regierung sein Vertrauen zu versagen oder ihr das Mißtrauen auszusprechen. 25o Zutreffend daran ist, daß wirksame Überwachung eine gewisse Distanz zwischen Kontrollierendem und zu Kontrollierendem voraussetzt, um objektive Betrachtungen und "neutrale" Entscheidungen zu gewährleisten. 251 Parlamentarische Kontrollrechte
wie das aus dem Abgeordnetenstatus i.S.v. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG erwachsende Interpellationsrecht,252 das Zitierungsrecht aus Art. 43 Abs. 1 GG oder das Untersuchungsrecht aus Art. 44 Abs. 1 GG sind explizit in der Verfassung eingeräumt und stellen damit weder defizitäre Befugnisse dar noch betreffen sie zweitrangige Aufgabenbereiche. Aber auch bei Anerkennung der Kontrollfunktion als eigenständigem Verfassungsprinzip253 kommt dieser kein Selbstwert dergestalt zu, daß ihr in jedem Fall der Vorzug vor einer Sachentscheidung durch das Parlament selbst einzuräumen wäre. In der politischen Praxis erweisen sich die klassischen Kontrollrechte zudem entweder als so schwach, daß ihr Einsatz dem Bundestag keinen entscheidenden Vorteil bringt, oder aber als so stark, daß ihr Einsatz drastisch und unangemessen ist. Erst die begleitende, mitgestaltende Kontrolle gewährleistet, daß auch die Kontroll- und Alternativfunktion der Opposition, die gerade vor dem Hintergrund der Verzahnung von Regierung und Parlamentsmehrheit eine tragende demokratische Bedeutung in der parteienstaatlichen Demokratie i. S. d. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG genießt, geltend gemacht werden kann. Nur so kann eine systemwidrige Konzentration der Staatsgewalt bei der Gubemative verhindert werden. Es handelt es sich mithin nicht um eine Verletzung des exekutiviunzulässige Einflußnahme umschlägt; Kroger; Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 28, 92, 104. Diese Gefahr sieht auch und gerade mit Blick auf kombinierte Verantwortung gern. Art. 23 GG Stern, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 56 (1997), 97 (lOO). 250 I.d.S. Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (40), für den Sonderfall der Delegation von Entscheidungsbefugnissen auf Parlamentsausschüsse. Gerade letztere steht mit der systembedingten Schwäche der hergebrachten Kontrollmechanismen in engem Zusammenhang. Kewenig, Staatsrechtliche Probleme parlamentarischer Mitregierung am Beispiel der Arbeit der Bundestagsausschüsse, 1970, S. 27, 29 sieht den Grund für die relative Bedeutungslosigkeit der hergebrachten Kontrollmechanismen in dem Informationsgefälle, das zwischen Regierung und Parlament besteht, trotz dessen unbegrenzten Fragerechts. 251 So das Postulat Scheuners, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung (1970), in: Listl/Rüfner (Hrsg.), Staatstheorie und Staatsrecht (Gesammelte Schriften), 1978, S. 293 (305). 252 Kunig, Politische Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament, Jura 1993, 220 (221). 253 Hans Joachim Berg, Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, 1982, S. 92 f.; Kroger; Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 104; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 363 ff.; a.A. Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestages, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40 Rdnr. 30. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 122 ff., erachtet die Sonderung parlamentarischer Kontrolle von anderen Parlamentsfunktionen weder als verfassungsrechtlich geboten noch als trennscharf möglich.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
schen Vorbehaltsbereichs, sondern um nicht mehr als die Aufrechterhaltung der politischen Prärogative gegenüber dem technischen Vorsprung der Ministerialbürokratie. 254 Damit ist die Funktionenordnung nicht gegen eine, sondern zugunsten einer Mitgestaltung durch das Parlament in Ansatz zu bringen. 255 Dies gilt in noch stärkerem Maße für das komplexe Verfahren der Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung. So ist zu berücksichtigen, daß das Postulat der Verantwortungsklarheit auf der supranationalen Ebene ohnehin nur abgeschwächt gilt, da sich die Regierung auf die Zwänge europäischer Entscheidungsverfahren berufen und so die Verantwortung für einen europäischen Normativakt von sich weisen kann?56 Ferner wurde bereits auf die fehlende parlamentarische Verantwortlichkeit des gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG handelnden Ländervertreters hingewiesen. Wenn die integrationsbedingten Strukturen damit eine reine nachträgliche Beurteilung mangels Verantwortungszurechenbarkeit ohnehin erschweren, spricht auch funktionstheoretisch alles für eine möglichst weitreichende, kompensierende Kontrolle durch parlamentarische Mitgestaltung. Hinzu tritt noch die weitere integrationsbedingte Besonderheit, daß sich das Parlament bei der Umsetzung von Richtlinien auch vor dem Bürger politisch und ggf. gerichtlich verantworten muß. 257 Schließlich zeigt der Vergleich zu parlamentarischer Mitwirkung an innerstaatlicher exekutivischer Rechtsetzung, daß auch hier keine durchgreifenden Bedenken aus dem Argument der Verantwortungsklarheit resultieren. Zum einen führt die unechte Delegation i. S. d. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG und der damit verbundene Verlust der Ausschließlichkeit der Parlamentszuständigkeit nicht zu einer Verwischung der Verantwortung. 258 So ist klar zu unterscheiden zwischen der Einhaltung der Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, die dem Verantwortungsbereich des Parlaments unterfällt, und der inhaltlichen Ausgestaltung, für die der exekutivische Verordnungsgeber zuständig und damit auch verantwortlich ist. Stehen Rechtsverordnungen unter dem Vorbehalt (konstitutiver) parlamentarischer Zustimmung oder unter einem Kassationsvorbehalt,259 unterfällt die spezifische Wir254 Allg. Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 185 ff.; zust. Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (80). 255 Darin, daß in der staatsrechtlichen Diskussion die auf das Gewaltenteilungsprinzip und die Verantwortungsklarheit gestützen Positionen sowohl für wie auch gegen eine kombinierte Gewalt in Ansatz gebracht werden, sieht Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 186, die Direktionsschwäche des Gewaltenteilungsprinzips manifestiert. 256 Bereits Mößle. Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 188. 257 s.o. Kap. 2, A.lI.2.b) (S. 120 ff.). Im Verfassungsbeschwerdeverfahren, in dem es keinen Antragsgegner gibt, ist das Parlament nicht förmlich beteiligt, BVerfGE 7, 99 (106); Lechner/Zuck. BVerfGG, 4. Aufl. 1996, § 94 Rdnr. 1. Der Bundestag muß allerdings gern. § 94 Abs. 1 bzw. Abs. 4 i.V.m. § 77 BVerfGG angehört werden und kann dem Verfahren gern. § 94 Abs. 5 Satz 1 BVerfGG beitreten. 258 v. Danwitz. Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 29 ff., 63 ff. 259 Etwa gern. Art. 109 Abs. 4 Satz 4 GG, § 20 Abs. 5 StabWG.
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kung des Zustimmungsaktes der Verantwortlichkeit des Bundestags, der sich hierfür ggf. im Organstreitverfahren zu verantworten hätte. Strikt hiervon zu unterscheiden ist die Verantwortung für das "Endprodukt" gegenüber dem Normunterworfenen?60 Ähnlich ist die Rechtslage etwa bei Vollzugshandlungen eines Amtswalters, deren Rechtmäßigkeit sich allein nach der Rechtsvorschrift richtet, die im Außenverhältnis vollzogen wird. Die Frage nach dem weisungsgemäßen Verhalten des Amtswalters im Innenverhältnis ist demgegenüber von disziplinarrechtlicher Bedeutung. 261 Vergleichbares gilt für die Behandlung mehrstufiger Verwaltungsakte, in deren Fall eine (bindende) Mitwirkungshandlung im Verhältnis zum Bürger als Internum begriffen wird, so daß die Gesamtverantwortung die Erlaßbehörde trifft. Damit gilt, daß kooperatives und arbeitsteiliges Ineinandergreifen von exekutiver Rechtsetzung und parlamentarischer Zustimmung im Rechtssetzungsprozeß von Relevanz ist, während die Frage nach dem Träger der Verantwortung für den Rechtsakt im Verhältnis zum Bürger und dessen Rechtsschutzmöglichkeiten auftritt.
V. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" und des demokratischen Parlamentsvorbehalts mit dem Kernbestand des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes 1. Einleitung
Art. 23 Abs. 2, 3 GG statuiert nach der bisherigen Untersuchung eine Beteiligung zur gesamten Hand, ohne den Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung zu beeinträchtigen. Deutlich wurde eine neue Konzeption des Parlamentsvorbehalts, der unabhängig von der Handlungsform des Gesetzes besteht. Modifiziert wurde auch das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes aus Art. 20 Abs. 3, 2. Halbsatz GG, das eng mit dem Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes verknüpft ist: 262 Im ausschließlich nationalen Bereich ist allein der förmliche Gesetzgeber frei von der Bindung an Normen unter Verfassungsrang, während die vollziehende Gewalt auch bei materiell rechtsetzender Tätigkeit an das Gesetz gebunden ist. 263 Nunmehr ist v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 65. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 179, zur Bedeutung des Remonstrationsverfahrens in diesem Zusammenhang S. 183; Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 47 f. 262 Zur Verknüpfung bereits Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, in: v. Stengel/ Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 2. Aufl. 1914, S. 688 (698); Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR III, 1988, § 62 Rdnrn. I ff.; zu der Möglichkeit teilweiser Konvergenz beider Komponenten des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 238. 263 Ähnlich Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBI. 1997, 458 (460), der das Parlament im nationalen Recht als legibus solutus bezeichnet, was nach Art. 23 GG il} europäischen Ange260
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
de constitutione lata auch der Regierungsvertreter im Rat von der strikten Gesetzesbindung frei, die Bindung besteht nur - in noch zu klärendem Umfang - an die parlamentarischen Stellungnahmen i. S. d. Art. 23 Abs. 3 GG. Fraglich ist, ob die durch Art. 23 Abs. 2, 3 GG bedingten Veränderungen der Verfassungsprinzipien mit dem über Art. 79 Abs. 3 GG gewährleisteten Schutz des Kembestandes des Demokratieprinzips zu vereinbaren sind. 2. Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt
Mit der Frage nach Existenz und Reichweite eines parlamentarischen Vorbehaltes, also der Zentralfrage der Gewaltenteilung,264 betritt man unter dem Aspekt der Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung wissenschaftliches Neuland. 265 Ansatzpunkt für die dogmatische Einordnung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG in die Vorbehaltslehre ist der grundlegende Funktions- und Verständniswandel, den die Figur des Vorbehalts in den letzten Jahrzehnten namentlich im Zuge der Wesentlichkeitsrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfahren hat. 266 Eine der Kernaussagen der grundlegend im Bereich des Schulrechts entwickelten Wesentlichkeitsrechtsprechung ist die Loslösung des Allgemeinvorbehaltes vom Merkmal des Eingriffs i. S. d. "Freiheit- und Eigentum"-Formel. 267 Nach der Abkehr von einem reinen Eingriffsvorbehalt galt legenheiten nun auch für den Ratsvertreter gelte. Außerdem ist nun der Bundestag an das vom Rat erlassene sekundäre Gemeinschaftsrecht gebunden, so daß von einer Umkehrung des Verhältnisses von Bundestag und Bundesregierung gesprochen werden kann. So Stein, Staatsrecht, 15. Auf!. 1995, § 10 IX (S. 97 f.). 264 Für diese Bewertung des Gesetzesvorbehalts Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR III, 1988, § 62 Rdnr. 7. 265 Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 133, 141 ff., konstatiert, daß es sich bei den Modifikationen des Grundgesetzes um tiefgreifende Durchbrechungen des Grundsatzes des allgemeinen Gesetzesvorbehalts handele. Diese fänden ihre Rechtfertigung zwar grundsätzlich in Art. 23 GG, allerdings sei wegen der Einheit der Rechtsordnung zwischen dem Allgemeinvorbehaltsprinzip einerseits und dem entgegenstehenden Integrationsprinzip des Grundgesetzes andererseits eine verhältnismäßige Zuordnung i.S. praktischer Konkordanz erforderlich. 266 Zu den Entwicklungsschritten hin zum rechts staatlich-demokratischen Gestzesvorbehalt Kloepfer. Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, JZ 1984,685 (686 ff.), auch zur Loslösung von der Wesentlichkeitstheorie; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 42 ff., 104 ff.; Butzer. Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (82 f.); Papier. Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen, in: Götz/ Klein / Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 (37 f.) konstatiert eine "gewaltige Umwälzung der traditionellen Vorbehaltslehre". 267 BVerfGE 8, 155 (167) sah es noch als Inhalt des Allgemeinvorbehaltes, daß ein Gesetz dort erforderlich sei, wo Eingriffe in Freiheit und Eigentum in Frage ständen; s. ausführ\. Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 135 ff.; fesch, Gesetz und Verwaltung, 2. Auf!. 1968, S. 102 ff.
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nunmehr, daß sich die Reichweite des (Allgemein)vorbehaltes nach dem Kriterium der Wesentlichkeit einer Maßnahme richtet. 268 Hierbei konnte das Gericht auf bereits Anfang dieses Jahrhunderts bekanntes Gedankengut zuriickgreifen?69 Die Wesentlichkeitstheorie wurde für das Verhältnis zwischen Staat und Bürger entwickelt,270 so daß fragwürdig erscheint, ob sie zur Bestimmung der Kompetenzen von Verfassungsorganen geeignet ist. 271 Keineswegs kann eine Theorie die verfassungsrechtlich vorgenommene Kompetenzverteilung derogieren;272 möglicherweise kann sie - d. h. ihre verfassungsrechtliche Wurzel - aber Anhaltspunkte für die Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 GG geben. 273 Im Vordergrund steht für die Wesentlichkeitstheorie der Grundrechtsschutz, hierdurch wird das äußerst unbestimmte Bedeutsamkeitskriterium konkretisiert. In diesem Sinne gilt, daß der Gesetzgeber - losgelöst vom Merkmal des "Eingriffs" - in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlicher Regelung zugänglich ist, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat. 274 Als immanente Schranke der Wesentlichkeitstheorie wird damit
268 Als Definition des allgemeinen Vorbehalts des Gesetzes heißt es in BVerfGE 49, 89 (126): "Akte, die den Freiheits- und Gleichheitsbereich des Bürgers wesentlich betreffen, bedürfen der gesetzlichen Grundlage". 269 Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, in: v. Stengell Fleischmann, Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, Bd. 3, 2. Aufl. 1914, S. 688 (698) führte im Zusammenhang mit dem Gesetzesvorbehalt aus, die Legislative solle verfassungsmäßig gehalten sein, bestimmte und besonders wichtige Inhalte nicht der Verwaltung zu überlassen, sondern sie selbst zu nonnieren. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 1914, S. 71 fonnuliert in diesem Sinn, daß das fönnliche Gesetz "nur für gewisse besonders wichtige Gegenstände zur notwendigen Bedingung aller Staatstätigkeit gemacht" worden sei. Jedenfalls hätte das BVerfG auf diese Ideen zurückgreifen können, wenn dies auch nicht immer zum Ausdruck kommt, s. BVerfGE 84, 212 (226): "Die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Lehre ... ". Zur weiteren Rückverfolgung des Bedeutsamkeitskriteriums bis ins frühe 19. Jahrhundert s. Schnapp, Garzweiler 11 und die Wesentlichkeitstheorie, NWVB\. 1996, 415 (416); ders., Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996, 418 (420); ausführ\. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 109 f. 270 BVerfGE 84,212 (226). 271 Schnapp, Garzweiler 11 und die Wesentlichkeitstheorie, NWVB\. 1996,415 (418) mit Bedenken gegen eine Instrumentalisierung zur Bestimmung der Kompetenzen von Verfassungsorganen. 272 Schnapp, Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996,418 (420 f.). 273 Für eine Heranziehung als Auslegungshilfe, wenn die staatsorganisationsrechtliche Kompetenzordnung schweigt Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Aufl. 1979, 103 f., unter Hinweis auf verfassungsgesetzlich unentschiedene Zuständigkeiten im Bereich der mittelfristigen Finanzplanung; Krebs, Zum aktuellen Stand der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes, Jura 1979, 304 (309); Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation zwischen parlamentarischer Steuerung und exekutivischer Organisationsgewalt, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 333 (341). Zu kompetenzzuweisenden Wirkungen der Wesentlichkeitstheorie s. Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (184).
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
zum einen gesehen, daß es sich um normative Bereiche handeln muß. 275 Dies ist wie gezeigt auch im Bereich der europäischer Rechtsetzung der Fall. Zum anderen bedeutet "wesentlich" im grundrechtsrelevanten Bereich damit in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte".276 Verfassungsrechtliche Verankerung findet die Wesentlichkeitstheorie damit in den ausdrücklichen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalten. 277 Da sie im grundrechtsrelevanten Bereich keinen darüber hinausgehenden Aussagegehalt haben kann, wird sie im Schrifttum auch weitgehend als überflüssig angesehen?78 Im Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung sind die Grundrechte wie gezeigt allerdings nicht unmittelbar maßstabbildend, sondern nur der über Art. 23 Abs. I Satz I GG geschützte vergleichbare Standard. 279 Dementsprechend ist auch eine Modifikation des Vorbehaltsbereichs prinzipiell zulässig und erforderlich. Daneben findet das Kriterium der Wesentlichkeit und der inhaltlichen Bedeutsarnkeit aber auch über grundrechtliche Tangierungen hinaus Anwendung. 28o In diesem Sinn zielt die Wesentlichkeitstheorie damit nicht in erster Linie auf eine Sicherung der Rechtsetzungsprärogative des Parlaments ab, sondern auf die Durchsetzung seiner politischen Führungsaufgaben und auf die Teilhabe der Volksvertretung an der materiellen Staatsleitung?81 Als problematisch erweist es sich dabei,
274 BVerfGE 49, 89 (126) - "Kalkar", bereits unter Hinweis auf das gewandelte Verständnis des Gesetzesvorbehalts und der Erkenntnis auch seiner demokratischen Komponente. 275 Lerche, Verfassungsfragen der Festlegung des Parlaments- und Regierungssitzes - Erforderlichkeit eines Gesetzes?, ZG 1991, 193 (199). 276 Nach BVerfGE 47, 46 (79) - "Sexualkunde", richtet sich die Wesentlichkeit einer Maßnahme allgemein nach dem Grundgesetz; hierbei vennittele der Schutz der Grundrechte einen wichtigen Gesichtspunkt; BVerfGE 80, 124 (132). 277 Für eine Verortung des Gesetzesvorbehalts in den Grundrechtsbestimmungen Klaus Vogel, Gesetzgeber und Verwaltung, VVDStRL 24 (1966), 125 (149 ff.); Krebs, Zum aktuellen Stand der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes, Jura 1979,304 (310); Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 248 ff.; ders., Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (184); ders., Garzweiler 11 und die Wesentlichkeitstheorie, NWVBI. 1996,415 (417). 278 Erichsen, Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Auf!. 1979, S. 104, anders allerdings für den Bereich der staatlichen Organisation; Badura, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 40 (1982), 106; kritisch gegenüber der "dem juristischen Niemandsland entstammenden Großtheorie" auch Papier; Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen, in: Götz / Klein / Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 (43). Roellecke, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 40 (1982), 109 spricht ihr die Eigenschaft einer Theorie ab, es handele sich um eine "Fehlstelle in der Verfassungsdogmatik"; Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (185); ders., Garzweiler 11 und die Wesentlichkeitstheorie, NWVBI. 1996,415 (417). 279 s.o. Kap. 2, A.II.3.b), c) ( S. 128 ff.). 280 Lerche, Verfassungsfragen der Festlegung des Parlaments- und Regierungssitzes - Erforderlichkeit eines Gesetzes?, ZG 1991, 193 (196 f.); Kloepfer; Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, JZ 1984, 685 (692). Für die Anwendbarkeit der Wesentlichkeitstheorie auf schlichte Parlamentsbeschlüsse auch Kretschmer; Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnr. 65.
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taugliche Kriterien für die Annahme von Wesentlichkeit zu benennen, wenn das Kriterium der Grundrechtsrelevanz in den Hintergrund tritt. 282 Zu diesem Bereich des sog. demokratischen Parlamentsvorbehalts rechnen namentlich die bereits aufgezeigten Fälle sog. "typischer originärer Regierungsverantwortlichkeit" .283 Hier sollen wesentliche politsche Entscheidungen "nicht am Parlament vorbei" getroffen werden dürfen,284 ohne daß es allerdings der Gesetzesform bedürfte. Auch in der Maastricht-Entscheidung erwähnt das Bundesverfassungsgericht ausdriicklich die Rechtsfigur des Parlamentsvorbehalts im Zusammenhang mit dem Verfahren zum Übergang zur dritten Stufe der W3hrungs- und Wirtschaftsunion (WWU). Vorbereitende Arbeiten zur WWU richteten sich, so das Bundesverfassungsgericht, nach dem nationalen Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten und könnten dort unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden. Der Deutsche Bundestag könne insoweit seinen Willen jedenfalls im Rahmen des Art. 23 Abs. 3 GG und der im Sinne der Organtreue zu handhabenden Entschließung vom Dezember 1992 und des Schreibens des BMF vom April 1993 zur Wirkung bringen. 285 Ein allgemeines Letztentscheidungsrechts des Bundestages kann hieraus allerdings nicht entnommen werden?86 281 Papier, Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen, in: Götz / Klein / Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 (37 f.). 282 Georg Müller, Inhalt und Formen der Rechtsetzung als Problem der demokratischen Kompetenzordnung, 1979, 110 ff. nennt als Indizien zur Ermittlung der Wichtigkeit einer Norm u. a. die Zahl der geregelten Verhaltensalternativen, die Größe des Adressatenkreises, die finanziellen Auswirkungen, die Bedeutung für die Ausgestaltung des politischen Systems. Krit. Schnapp, Garzweiler II und die Wesentlichkeitstheorie, NWVBI. 1996, 415 (416 m. w. N.) unter Hinweis darauf, daß Topoi wie die Bedeutung für die Allgemeinheit, die politische Umstrittenheit einer Materie und die Intensität staatlichen Handeins nur Indizien sein können. Von der politischen Umstrittenheit, die von einer alerten Opposition problemlos herbeigeführt werden könne, könne keine Verfassungsdogmatik abhängen; ebenso Papier, Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen, in: Götz / Klein / Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 36 (43); Kloepfer, Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel, JZ 1984,685 (692). 283 So etwa für außen-, verteidigungs- und bündnispolitische Fragen. Statt vieler Bleckmann, Gesetzesvorbehalt für Nachrüstung?, DVBI. 1984, 6 (13); Bryde, Sicherheitspolitik zwischen Regierung und Parlament, Jura 1986,363 (366); Degenhart, Staatsrecht I, 12. Aufl. 1996, Rdnr. 51; Kloepfer, Wesentlichkeitstheorie als Begründung oder Grenze des Gesetzesvorbehalts?, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 187 (213). Explizit zur Einflußnahme im Vorfeld auf europäische Rechtsakte Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994) 61 (65); Kretschmer, Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnr. 65. 284 BVerfGE 68, 1 (109). 285 BVerfGE 89, 155 (203). Gemeint ist die Entschließung, die der Bundestag zusammen mit dem Zustimmungsgesetz zum EU-Vertrag am 2. Dezember 1992 verabschiedet hatte (BT-PIPr. 12. WP /126. Sitzung vom 2. Dezember 1992, S. 10885 B; BT-Drs. 12/3906, S. 2) und derzufolge das Stimmverhalten der Bundesregierung bei Ratsbeschlüssen gern. Art. 109 j Abs. 3 und 4 EUVa.F. (= Art. 121 Abs. 3, 4 EUV n.F.) des zustimmenden Votums des Deutschen Bundestags bedarf. Auch der Bundesrat hat am 18. Dezember 1992 eine weitgehend gleichlautende Entschließung zur WWU verabschiedet, BRat-Drs. 810/92 (Beschluß), S. 6 f. Der Bundesminister der Finanzen, Dr. Theo Waigel, versicherte dem Bundestagsplenum, daß sich die Bundesregierung der Rückendeckung durch die gesetzgebenden Gremien versichern
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Neben der Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts über die bislang maßgeblichen Grenzen i. S. d. "Freiheit- und Eigentum-Formel" hinaus stand und steht damit vor allem die Figur des Parlamentsvorbehalts im Mittelpunkt der Erörterungen. Der Begriff "Parlamentsvorbehalt" wird dabei, wie bereits deutlich geworden ist, nicht immer im gleichen Bedeutungszusammenhang verwandt. Während im Sinne der herkömmlichen Terminologie das Prinzip des Gesetzesvorbehalts verlangt, daß die von ihm erfaßten Maßnahmen nur durch oder aufgrund von Gesetzen erfolgen dürfen, soll der Parlamentsvorbehalt hieraus den Teilbereich erfassen, in dem eine Übertragung auf die Exekutive ausgeschlossen und das Gesetz vom Parlament selbst zu beschließen ist,287 m.a.W. kennzeichnet der Parlamentsvorbehalt den delegationsfeindlichen Bereich parlamentarischer Gesetzgebung. 288 Dem entsprechen in ihrer inhaltlichen Aussage auch diejenigen Stimmen, die den Parlamentsvorbehalt lieber als "Vorbehalt des formellen Gesetzes"289 oder als "Parlamentsgesetzesvorbehalt,,290 titulieren wollen. Neben solchen semantischen Überlegungen entwickelte sich im Zuge des Funktionswandels des Vorbehaltsbegriffs aber auch ein inhaltlich differenzierender Ansatz in punkto Parlamentsvorbehalt. Dieser basiert auf der Erkenntnis, daß der Vorbehaltsbegriff zwei prinzipiell eigenständige Elemente umfaßt: 291 hierbei handelt es sich zum einen um das rechtstaatlich-bürgerorientierte Element, das auf die kontinuitätssichemde und individualschützende Funktion der Handlungsfonn "Gesetz" abstellt, zum anderen um den demokratischen Aspekt, der sich auf das Problem der Funktionenverteilung bezieht. Nach dieser heute verbreiteten dogmatischen (Neu)Konzeption 292 kennzeichnet der und deren Zustimmung einholen werde. Von diesem Verfahren werde er gemeinsam mit dem Außenministerium die Partner in der Gemeinschaft in Kenntnis setzen, BT-PIPr. 12. WP / 126. Sitzung vom 2. Dezember 1992, S. 10842 A; dies bestätigte der Finanzminister ausdrücklich mit Schreiben vom 2. April 1993 an die Vorsitzende des EG-Ausschusses, abgedruckt in BVerfGE 89, 155 (164). 286 So aber Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995,114 (116,140). 287 Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 239 ff. ; ders., Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (175) m. w. N. Umfassend zu allen terminologischen Spielarten und "Scheingefechten" Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 29 ff. 288 So wohl zuerst Erichsen, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Verwaltungsrecht. Geltung und Reichweite von Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, VerwArch. 67 (1976), 93 (96 ff.); ders., Staatsrecht und Verfassungsgerichtsbarkeit 11, 2. Auf!. 1979, S. 112. 289 VG Hamburg, DÖV 1973,54 (55). 290 Börger, Genehmigungs- und Planungsentscheidungen unter dem Gesichtspunkt des Gesetzesvorbehalts, 1987, S. 51. 291 Grundlegend Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR III, 1988, § 62 Rdnm. 33 ff., bes. 39; ansatzweise schon ders., Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 214 (Fußn. 136),273; s. bereits Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 239 ff.; ders., Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985), 172 (184). 292 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (82 f.); Degenhart, Staatsrecht I, 12. Auf!. 1996, Rdnm. 54, 296; Erichsen, Staatsrecht und Verfas-
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"Parlamentsvorbehalt" damit nicht nur im Sinn der herkömmlichen Terminologie eine "verschärfte" Form des (traditionellen) Gesetzesvorbehalts,293 sondern auch die rein auf die institutionelle Ebene des entscheidungsbefugten Organs abstellende Komponente. Im Sinne eines so verstandenen Vorbehaltsbegriffs ist zunächst unter dem Aspekt des - der Staatsfunktionenlehre zuzurechnenen - Parlaments vorbehalts die Notwendigkeit des "Ob" der parlamentarischen Befassung zu klären. Erst wenn dies bejaht wird, stellt sich - aus der Perspektive der allgemeinen Grundrechtslehren - die Frage des "Wie", d. h. nach der Handlungsform. Was das "Ob" der Befassung anbelangt, so ist noch festzuhalten, daß es sich nicht nur um ein Recht, sondern auch um eine Pflicht des Parlaments handelt. 294 Es handelt sich damit im Sinne der von Hans J. Wolff entwickelten Formel für "Zuständigkeit" nicht nur um eine berechtigende Anvertrautheit, sondern zugleich eine verpflichtende Aufgegebenheit. 295 Auch mit Blick auf diese Pflicht stellt das Bundesverfassungsgericht auf das Kriterium der Wesentlichkeit ab?96 Eine grundsätzliche Verpflichtung des Bundestags besteht daher auch bei der Beteiligung an der nationalen Vorbereitung von europäischen Rechtsetzungsakten. 297 Damit scheint sich Art. 23 Abs. 2, 3 GG und die in ihm vorgesehene - nicht gesetzesförmige - parlamentarisungsgerichtsbarkeit 11, 2. Aufl. 1979, S. 104 f.; Kloepfer; Wesentlichkeitstheorie als Begründung oder Grenze des Gesetzesvorbehaits?, in: Hill, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 187 (211 ff.); ders., Der Vorbehalts des Gesetzes im Wandel, JZ 1984,685 (694 f.); Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 32 ff.; Lerche, Verfassungsfragen der Festlegung des Parlaments- und Regierungssitzes Erforderlichkeit eines Gesetzes?, ZG 1991, 193 (198, Fußn. 25,199); Klaus Vogel, Gesetzesvorbehalt, Parlamentsvorbehalt und völkerrechtliche Verträge, in: Festschrift für Lerche, 1993, S. 95 (97 f.). 293 Hierauf rekurrieren dagegen Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 73 f.; Eberle, Gesetzesvorbehalt und Parlamentsvorbehalt, DÖV 1984, 485 (486 f. bes. Fußn. 15 unter expliziter Ablehnung des von Ossenbühl entwickelten Verständnisses); Krebs, Zum aktuellen Stand der Lehre vom Vorbehalt des Gesetzes, Jura 1979, 304 (311); Pietzcker; Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, JuS 1979, 710 (712). So auch BVerfGE 45, 400 (418); BVerfGE 49, 89, 126 ff. - ..Kalkar"; BVerfGE 58, 257 (268 ff.); offen lassend BVerfGE 76, 171 (184); i. S. d. Neukonzeption dagegen BVerfGE 90,286 (Ls. 3, 381 ff.). 294 Bereits Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1914, S. 565 formuliert, daß Organzuständigkeiten und normierte Befugnisse in Wahrheit berechtigende Pflichten sind. So auch BVerfGE 33, 125 (159). 295 Wolffl Bachof, Verwaltungsrecht 11, 4. Aufl. 1976, § 72 I b 2, S. 14. So auch Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (94) m.w.N. in Fußn. 92; Brenner; Der Gestaltungsauftrag der Verwaltung in der Europäischen Union, 1996, S. 241; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 23; Schnapp, Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996,418 (422). 296 BVerGE 33, 125 (158); BVerfGE 33, 303 (346); BVerfGE 34, 52 (59 f.); BVerfGE 40, 237 (249 f.); BVerfGE 45, 400 (417 f.); BVerfGE 47, 46 (78); BVerfGE 49,89 (126 f., 129); BVerfGE 57, 295 (321); BVerfGE 58, 257 (268). 297 BVerfGE 89, 155 (212) - .. Maastricht" qualifiziert das durch Art. 23 Abs. 3 GG begründete Mitwirkungsrecht als Möglichkeit der Einflußnahme auf die Ratspraxis im Sinne
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
sche Stellungnahme systemgerecht in das demokratische Prinzip des Grundgesetzes einzufügen und eine neue Ausprägung des demokratischen Parlamentsvorbehaltes zu statuieren. Dieses Zwischenergebnis ist im folgenden zu überpriifen. 3. Zulässigkeit der handlungsformunabhängigen Betrachtung
Herkömmlich werden zur Begriindung eines Parlaments(gesetzes)vorbehalts im traditionellen Sinn das Rechtstaatsprinzip und das Demokratieprinzip herangezogen. 298 Teilweise wird vertreten, daß eine getrennte Betrachtung ausgeschlossen sei. So könne sich die Fragestellung nach den Grenzen der parlamentarischen Delegationsbefugnis (i.S.v. Art. 80 Abs. 1 GG) nur in Abhängigkeit vom Gesetzesvorbehalt lösen lassen. Die Diskussion werde anderenfalls in eine Richtung gelenkt, die von der bisher mit dem Terminus "Parlamentsvorbehalt" umrissenen Problematik abweiche. 299 Dies ist allerdings unschädlich; wenn sich bisherige Problemstellungen im Laufe der Verfassungsentwicklung wandeln und neue Lösungen erfordern, darf und muß sich auch die rechtliche Diskussion neu orientieren. 300 Richtig ist, daß auch die Handlungsform des Gesetzes nicht nur rechtstaatliche, sondern auch demokratische Elemente in sich bündelt. 301 Allerdings besteht keine Kongruenz der beiden Komponenten,302 wie sich aus der geschichtlichen Entwicklung erweist: Seit Beginn des 19. Jahrhunderts durften Eingriffe der monarchischen Exekutive in die bürgerliche Individualsphäre nur durch oder aufgrund von Gesetzen, d. h. unter Mitwirkung und Zustimmung der Landstände, später des Parlaments als Vertreter der Bürgerschaft erfolgen?03 Indem die Machtausübung des des Subsidiaritätsprinzips. Damit erfülle auch der Bundestag eine ihm nach Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG obliegende Verfassungspflicht. Allg. für die Beteiligungsrechte als Pflichten Pechstein/ Cirkel, EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997, 365 (367); Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 91, 169; Streinz, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 23 Rdnr. 99, mit zutreffendem Hinweis, daß die Erfüllung dieser Pflicht nicht in jedem Fall die Abgabe einer Stellungnahme gebietet. 298 Degenhart, Staatsrecht I, 12. Aufl. 1996, Rdnr. 49; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 27 ff.; ausführl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und De1egationsbefugnis, 1992, S. 163 ff., 175 ff. 299 Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 68 f. 300 Ld.S. Löffler, Parlamentsvorbehalt im Kernenergierecht, 1985, S. 41 f. 301 In diesem Sinn führte Kant, Die Metaphysik der Sitten, 1797, in: Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Kanfs gesammelte Schriften, Bd. VI, § 46, S. 313, aus, daß die gesetzgebende Gewalt nur dem vereinten Willen des Volkes zukommen könne. Denn da von ihr alles Recht ausgehen solle, müsse sie durch ihr Gesetz schlechterdings niemand unrecht tun können. Wenn jemand etwas gegen einen anderen verfüge, sei es immer möglich, daß er ihm dadurch unrecht tue, nie aber in dem, was er über sich selbst beschließe - denn volenti non fit inuria. 302 Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee / Kirchhof, HdbdStR 111, 1988, § 62 Rdnr. 40.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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Monarchen der Mitwirkung derjenigen unterlag, die die Gesetze zu befolgen hatten, war das Gesetz Garant bürgerlicher Freiheit. Damit wurde zwar auch demokratisches Gedankengut verwirklicht, es ging jedoch weniger um demokratische (geschweige denn allgemeine) Mitwirkung, sondern um Machtkontrolle und individuelle Freiheit gegenüber dem Landesherm, so daß der demokratische Aspekt gegenüber der rechtsstaatlichen Funktion des Gesetzes in den Hintergrund trat. 304 Dennoch könnte es willkürlich sein, die Rolle des Gesetzes einseitig auf seine Bedeutung für die Verwirklichung rechtstaatlicher Aspekte zu beschränken. 305 Zu diesem Ergebnis gelangt, wer gerade (und allein) durch das förmlichen Gesetzgebungsverfahren den "demokratischen Mehrwert" parlamentarischer Entscheidungen gewährleistet sieht, so daß es im Hinblick auf die demokratische Wurzel des Vorbehaltsprinzips nicht gleichgültig sein kann, in welcher Handlungform die parlamentarische Entscheidung vollzogen wird?06 Ob diese Prämisse zutrifft, oder ob nicht vielmehr Gesetze wie schlichte Beschlüsse - ihres Zeichens gleichermaßen Willensäußerungen der Volksvertretung - im Hinblick auf ihre demokratisch legitimierende Wirkung gleichwertig sind, ist im folgenden zu untersuchen.
4. Schlichte Parlamentsbeschlüsse
a) Terminologie und Systematik Indem man den demokratisch verstandenen Parlamentsvorbehalt zumindest teilweise von der Verknüpfung mit der Gesetzesform löst, wird die Frage nach der Rolle sog. schlichter Parlamentsbeschlüsse als rechtlich relevanter Handlungsform aufgeworfen. Der Begriff vom "schlichten Parlamentsbeschluß" geht auf Richard Thoma zurück, der hiermit solche Akte des Parlaments kennzeichnete, die nicht im förmlichen Gesetzesverfahren ergehen. 307 Hierauf basiert der im Schrifttum verbreitete 303 Erichsen, Verfassungs- und verwaltungsrechtsgeschichtliche Grundlagen der Lehre vom fehlerhaften belastenden Verwaltungsakt und seiner Aufhebung im Prozeß, 1971, S. 135 ff. 304 Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. I S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 29 f.; Ossenbühl, Der Vorbehalt des Gesetzes und seine Grenzen, in: Götz/ Klein / Starck, Die öffentliche Verwaltung zwischen Gesetzgebung und richterlicher Kontrolle, 1985, S. 19 f. 305 Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 69. Nach Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Aufl. 1981, S. 392 ff. fallen - als Konsequenz der Wesentlichkeitstheorie und ihres Abstellens auf die Grundrechtsrelevanz - die rechtstaatliche und die demokratische Komponente und damit Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt inhaltlich zusammen. 306 Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 69; Herrnes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 77.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
dualistische Systematisierungsansatz, der alle nicht in Gesetzesform verabschiedeten Parlamentsentscheidungen als schlichte Parlamentsbeschlüsse einordnet. 308 Auch die Stellungnahmen des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gern. Art. 23 Abs. 3 GG stellen nach dieser Konzeption schlichte Parlamentsbeschlüsse dar. Dies gilt auch nach der modifizierenden Auffassung, derzufolge innerparlamentarische Akte aus dem Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses herausfallen,309 da die Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG nicht das Binnenverhältnis des Bundestags betreffen, sondern das des Parlaments zur Regierung. Kein bloßer schlichter Parlamentsbeschluß liegt allerdings nach einem weiteren in der Literatur vertretenen Systematisierungsversuch vor, der im wesentlichen auf einer Dreiteilung in Gesetze, "echte Beschlüsse" und "schlichte Beschlüsse" fUßt. 31O Der Unterschied zwischen echten und schlichten Beschlüssen wird darin erblickt, daß echte Beschlüsse auf rechtlicher Grundlage basieren und normativ bestimmte Rechtsfolgen herbeiführen, während schlichte Beschlüsse ohne Abstützung auf eine Rechtsquelle erlassen werden und - so etwa Stern - lediglich politische Absichts- oder Meinungserklärungen des Parlaments ohne rechtliche Relevanz bekunden. 311 Um echte Beschlüsse handelt es sich nach dieser Definition etwa bei den Wahl- und Kreationsakten, denen im Verhältnis zu anderen Verfassungsorganen konstitutive Wirkung zukommt. 312 Verbindlich sind auch die 307 Thoma, Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung, in: Anschütz I Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1932, § 76, S. 221, benutzt bereits explizit die Formulierung vom Vorbehalt des schlichten Parlamentsbeschlusses (i. S. d. Vorbehalts der Legislative, in Abgrenzung vom Vorbehalt des förmlichen Gesetzes), z. B. beim Mißtrauensvotum nach der Reichsverfassung. Zur weiteren Entwicklung, so auch der synoym verwandten Bezeichung als "einfacher" Parlamentsbeschluß in den 60er Jahren Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (70 f.). 308 Friedrich Klein, Zur Anwendbarkeit der gemeinsamen Entschließung vom 17. 5. 1972 auf den Grundlagenvertrag, in: Festschrift für Weber, 1974, S. 105 (113); Kirchhof, Rechtsquellen und Grundgesetz, in: Festschrift "Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz", Bd. 2, 1976, S. 50 (77); Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Beriicksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 92 f.; Obermeier, Die schlichten Parlamentsbeschlüsse nach dem Bonner Grundgesetz, insbesondere ihre Zulässigkeit und Rechtsnatur, 1965, S. I ff.; Schmelter, Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtsetzung gehörende Akte der Legislative, 1977, S. 25; Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, 1966, S. 15. 309 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 738. 310 Böckenförde, Der Honnef-Fall, JuS 1968,375 (376); Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestags, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40, Rdnr. 11 f.; Schulte, in: v. Mangoldtl Klein I Achterberg I Schulte, GG, Bd. 6, 3. Auf!. 1991, Art. 42 Rdnr. 30 f.; Versteyl, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 42 Rdnr. 16. 311 Nach Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 26, 11 2 c (S. 48) ist zwischen echten und schlichten Beschlüssen zu unterscheiden, wobei erstere auch Gesetzesbeschlüsse sowie sonstige Beschlüsse auf normativer Grundlage erfassen, die durch Gesetz eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen, wie Wahlpriifungs- oder Zitierungsentscheidungen. Für eine solche Systematisierung auch Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestags, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40 Rdnr. 11 f.
A. Die Zuständigkeits verteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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parlamentsinternen Kreationsakte. Ebenso wie die Bestellung des Auswärtigen, des Verteidigungs- und des Petitionsausschusses gern. Art. 45 a Abs. I, Art. 45 c Abs. I GG sowie die Berufung des Wehrbeauftragten gern. Art. 45 b Satz 1 GG, ferner die Wahl des Bundestagspräsidenten, seiner Stellvertreter und der Schriftführer gern. Art. 40 Abs. 1 Satz 1 GG ist auch die Bestellung des Europaausschusses gern. Art. 45 Satz 1 GG verbindlich. 313 Die Stellungnahmen des Bundestags in Angelegenheiten der Europäischen Union sind nach diesem Ansatz aufgrund ihrer Verankerung in Art. 23 Abs. 3 GG als echte Beschlüsse zu qualifizieren. Die Zuordnung der europarechtlichen Stellungnahmen des Bundestags zu der einen oder anderen Gruppe ist allerdings nur insoweit interessant, als hiermit rechtliche Konsequenzen verbunden sind. Zulässig sind nach einhelliger Ansicht beide Beschlußarten. 314 Die Differenzierung in echte und schlichte Beschlüsse ist korrekterweise auch nicht dahingehend zu verstehen, daß die normativ verankerten "echten" Beschlüsse allein aufgrund ihrer formalen normativen Verankerung eine weitergehende, strikte (Bindungs)wirkung entfalten als ihr nicht gesetzlich abgesichertes Pendant. Zumindest mißverständlich ist der Hinweis, daß schlichte Parlaments beschlüsse verbindlich seien, wenn sie ihre Rechtsgrundlage unmittelbar in der Verfassung fänden?15 Tatsächlich wird die genaue Reichweite der verbindlichen Wirkung durch die in der Rechtsgrundlage angeordnete Rechtsfolge bestimmt. Eine strikte Bindung der Regierung an die Zu312 So etwa die Wahl des Bundeskanzlers gern. Art. 63 Abs. 1, 67 Abs. 1,68 Abs. I Satz 2 GG oder die Wahl der vom Bundestag zu benennenden Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts gern. Art. 94 Abs. I Satz 2 GG und des Richterwahlausschusses für die obersten Gerichtshöfe des Bundes gern. Art. 95 Abs. 2 GG. 313 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 145. Für eine unmittelbare rechtliche Wirkung nur im Innenverhältnis zwischen dem Organ und seinen Mitgliedern Hufen, Entscheidung über Parlaments- und Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland ohne Gesetz?, NJW 1991, 1321 (1323). 314 Für die Zulässigkeit von Parlamentsbeschlüssen auch ohne gesetzliche Grundlage, mit unterschiedlichen dogmatischen Begründungsansätzen Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 741 ff.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 214; Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestags, in: Isensee/ Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40 Rdnr. 12; Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, 1966, S. 41, zu den unterschiedlichen dogmatischen Begründungsansätzen S. 24 ff.; Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (69) mit Hinweis auf die ebenfalls herangezogenen Grundsätze der Gewaltenteilung, der Gleichrangigkeit von Exekutive und Legislative sowie der Gesetzmäßigkeit. 315 So Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 109, unter Hinweis auf Art. 17, Art. 23 Abs. 3 Satz I, Art. 39 Abs. 3 Satz I, Art. 40 Abs. I Satz 1,2, Art. 41 Abs. 1, Art. 42 Abs. I Satz 2, Art. 44 Abs. I Satz I, Art. 45 a Abs. I, Art. 45 b, Art. 46 Abs. 2-4, Art. 53 a Abs. I Satz 2, Art. 60 Abs. 4, Art. 61 Abs. I, Art. 63 Abs. I, Art. 66, Art. 67 Abs. I Satz I, Art. 68 Abs. I Satz 2, Art. 80 a Abs. 1 Satz 1, Art. 87 Abs. 3 Satz 2, Art. 87 a Abs. 4 Satz 2, Art. 94 Abs. I Satz 2, Art. 95 Abs. 2, Art. 115 a Abs. 1 Satz I GG. Verbindlichkeit gelte nur dann nicht, wenn die Verfassungsnorm etwas Gegenteiliges anordne, was derzeit in keiner Verfassungsvorschrift der Fall sei.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
stimmung des Bundestages sehen ausdrücklich etwa Art. 66, 87 a Abs. 4 Satz 2, 115 a Abs. I GG, auf einfachgesetzlicher Ebene z. B. § 64 Abs. 2 Satz I BHO vor. Für die in Art. 23 Abs. 3 Satz I GG verankerte Stellungnahme bedeutet dies, daß allein durch die verfassungskräftige Verankerung keine allgemeinverbindliche Striktbindung geschaffen ist. Konkret sieht Satz 2 der Vorschrift als Bindungsadressaten die Bundesregierung und als Bindungsumfang die Berücksichtigung bei den Verhandlungen vor. Auch das kumulative Hinzutreten der einfachgesetzlichen Rechtsgrundlagen für den Parlamentsbeschluß in § 5 Abs. 3 EUZBBG ist weder ungewöhnlich 316 noch zur Begründung einer andersartigen Bindungswirkung heranzuziehen. Es handelt sich bei den parlamentarischen Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG um verfassungsrechtlich abgesicherte schlichte bzw. einfache Parlamentsbeschlüsse. Sie sind nicht lediglich politisch verbindlich, ebensowenig strikt allgemeinverbindlich, sondern verpflichten die Regierung in dem von Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG vorgeschriebenen Maße zur Berücksichtigung. b) Schlichte Parlamentsbeschlüsse als Instrument zur Kontrolle exekutivischen Hande1ns bei der innerstaatlichen Rechtsetzung Nicht nur auf der europäischen Ebene, sondern auch im rein innerstaatlichen Bereich der Gesetzgebung ist eine Entmachtung des Parlaments zu Gunsten der Exekutive zu verzeichnen?17 So führt die stetig ansteigende Regelungsbedürftigkeit im modemen Industrie- und Sozialstaat zu einer Überlastung des Parlaments, ganz besonders bei Materien mit hoher Komplexität und ständigem Anpassungs- und Änderungsbedarf. 318 Hier ist es verbreitete und gemessen an der Bestimmtheitstrias des Art. 80 Abs. I Satz 2 GG verfassungsrechtlich nicht unbedenkliche Praxis, der Exekutive durch weitgefaßte Zielbeschreibungen und extrem offene Blankettermächtigungen die eigentlichen Regelungen (per Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift) zu überlassen. 319 Besonders im Mittelpunkt der jüngeren Diskus316 Ebenfalls durch grundgesetzliche Anordung zusätzlich der näheren Regelung durch Gesetz unterworfen sind etwa gern. Art. 41 Abs. 3 GG die Wahl prüfung und Entscheidungen über Mandatsverluste und gern. Art. 115 lAbs. 3 GG der Friedensschluß (während die Beendigung des Verteidigungsfalls durch Parlamentsbeschluß festgestellt wird). 317 In beiden Bereichen beruht dies nach Ansicht von Hans Peter Ipsen, Zur Exekutivrechtsetzung in der Europäischen Gemeinschaft, in: Festschrift für Lerche, 1993, S. 425 (427) auf denselben Motiven: so markiere die Irreversibilität technisch-wissenschaftlicher Entwicklungen die Grenze parlamentarischer Normierungsmacht und bewirke, daß auch bei parlamentarischem Mehrheitwechsel keine Abänderbarkeit gegeben sei und das demokratische Prinzip wirkungslos bliebe. 318 Hier handelt es sich besonders um Sachgebiete, die durch die ständige Weiterentwicklung in Wissenschaft und Technik der permanenten Aktualisierung bedürfen, wie etwa das Sozialrecht, das Steuerrecht, das Immissionsschutzrecht, das Gentechnikrecht und das technische Sicherheitsrecht.
A. Die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundestag und Bundesregierung
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sion stehen die sog. normkonkretisierenden Verwaltungs vorschriften. 320 Der Blick auf die nationale Ebene verdeutlicht in punkto Kompetenzverlust, daß auch im innerstaatlichen Bereich die parlamentarische Beteiligung nicht so idealtypisch gewährleistet ist, wie vordergründig angenommen. Insoweit ist das auf Art. 79 Abs. 3 GG gestützte Kompensationsbedürfnis für parlamentarische Funktionsverluste relativiert zu sehen; dies entspricht auch dem dargelegten Konzept des Beteiligungsrechts zur gesamten Hand. Auch im nationalen Bereich wird diskutiert, das flexible und zeitsparende Rechtsinstrument des schlichten Parlamentsbeschlusses zur Stärkung der parlamentarischen Mitwirkung an der Rechtsetzung einzusetzen. 321 In der nationalen Praxis ist diese Möglichkeit, die etwa in dem Ersuchen um Vorlage eines Gesetzesentwurfs 322 liegen kann, ggf. verbunden mit einer Fristsetzung, oder in dem Ersuchen um Beachtung bestimmter Leitlinien bei staats leitenden Planungsprozessen, allerdings noch selten. 323 Die bei Einsatz dieser Beschlußform größere Handlungsfähigkeit des Bundestags gründet nicht nur darin, daß anders als im förmlichen Gesetzgebungsverfahren Plenum und Ausschüsse in aller Regel nur einmal mit Beschlußanträgen befaßt werden. Sie basiert vielmehr auch auf der fehlenden Notwendigkeit, andere Verfassungsorgane - namentlich den Bundesrat und den Bundespräsidenten - am Verfahren zu beteiligen und den Beschluß in einem Gesetzblatt zu publizieren. Gerade die beiden letztgenannten Punkte bedingen aber auch die rechtliche Fragwürdigkeit einer Substitution der Handlungsform des förmlichen Gesetzes. 324 Im Rahmen der Beteiligung an der europäischen Sekun319 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (62,77, 104). So z. B. § 48 BImschG, § 1 StabilitätsG, § 7 a Abs. 1 Satz 3 WHG. 320 Zur Problematik v. Danwitz, Norrnkonkretisierende Verwaltungsyorschriften und Gemeinschaftsrecht, VerwArch 84 (1993), 73. Die Tenninologie findet sich bereits bei Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, 545 f. 321 Kloepfer; Wesentlichkeitstheorie als Begründung oder Grenze des Gesetzesvorbehalts?, in: Hili, Zustand und Perspektiven der Gesetzgebung, 1989, S. 187 (211 f.); Kretschmer; Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnr. 65, ferner explizit für die Einsatzmöglichkeit zur Beeinflussung von EG-Rechtsakten in deren Vorfeld. Ausführlich, aber i.E. ablehnend Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 70 ff.; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, 128 ff.; für die grundsätzliche Zulässigkeit der Substitution der gesetzesfönnigen Handlungsfonn durch schlichten Parlamentsbeschluß dagegen Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (104 f.).
322
Etwa BT-PlPr. 12. WP/33. Sitzung vorn 19. Juni 1991, S. 2661 D; BT-Drs. 12/763.
Ausführliche Bestandsaufnahme zu den Beschlußinhalten in der Parlamentspraxis bei Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994) 61 (72 ff.). 323
324 Gegen eine Substitution wegen fehlender Publikation Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, 1966, S. 140 f., außerdem sei auch das Verfahren lediglich ein abgekürztes summarisches. Kritisch wegen der Möglichkeit des Fonnenrnißbrauchs zur Umgehung von Mitwirkungsbefugnissen anderer Verfassungsorgane v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, 132 f.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, s. S. 174,215.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
därrechtsetzung ist dieses Problem nicht aufgeworfen, da die Gesetzesfonn - und damit ihre fonnenmißbräuchliche Umgehung - de constitutione lata ausgeschlossen ist. Allerdings muß die folgende Überprüfung am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG durchaus ähnliche Gesichtspunkte - wie die Publizität, die Beteiligung des Bundesrates, die lustiziabilität - berücksichtigen. c) Vergleich mit fönnlichen Gesetzen
aa) Personelle demokratische Legitimation des Organs Wie bereits dargestellt, sind alle Organe der drei Staatsfunktionen institutionell und funktionell durch die Entscheidung des Verfassungsgebers in Art. 20 Abs. 2 GG gleichennaßen verfassungs unmittelbar demokratisch legitimiert. 325 Als Anknüpfungspunkt für die Annahme einer hervorgehobenen demokratischen Legitimation des Bundestags gegenüber anderen Staatsorganen, namentlich der Bundesregierung, kommt damit nur die personelle Komponente in Betracht. Diese greift unabhängig von der Handlungsfonn ein, in der der Bundestag seine Entscheidungen trifft. Grund hierfür ist, daß gern. Art. 38 Abs. 1 GG allein die Mitglieder des Bundestags (auf Bundesebene) ohne zwischengeschalteten Akt unmittelbar durch turnusmäßig stattfindende Wahlen legitimiert sind und durch dieses direkte Mandat in der Stufenleiter der personellen Ableitungskette näher zum Volk - in seiner Eigenschaft als demokratischem Souverän - stehen, als dies für exekutivische Funktionseinheiten zutrifft. Diese Mittelbarkeit der vollziehenden Gewalt kennzeichnet auch die Mitglieder der Bundesregierung. So wird der Bundeskanzler gern. Art. 63 Abs. 1 GG auf Vorschlag des Bundespräsidenten vom Bundestag gewählt und die Bundesminister werden gern. Art. 64 Abs. 1 GG auf Vorschlag des Bundeskanzlers vom Bundespräsidenten ernannt. Ob aus dieser Mittelbarkeit, die wie dargelegt strukturell kein Defizit, sondern ein Baustein der Rechtsordnung ist, ein qualitatives "Weniger" an Legitimation zu schließen ist,326 bedarf allerdings näherer Betrachtung. Teilweise wird unter Rekurs auf die Mediatisierungsfunktion politischer Parteien ein rechtlich relevanter Unterschied abgelehnt. 327 Eine Annäherung liegt nämlich darin begründet, daß in325 Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 196 ff.; Schnapp, Der Verwaltungsvorbehalt, VVDStRL 43 (1985),172 (183); ders., Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBI. 1990, 186 (187); Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee / Kirchhof, HdbdStR I, 1987, § 22 Rdnr. 15. 326 Für ein .. Mehr" an Legitimation auf seiten der Volksvertretung BVerfGE 34, 52 (59); BVerfGE 40,237 (249); BVerfG, NJW 1988, 191; Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (96 f.); v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 66 f.; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 (Stand der Bearb. Sept. 1980), H, Rdnrn. 74 ff., VI Rdnr. 35., Rdnr. 77 betont eine .. Präponderanz des Bundestages als unantastbarer Bestandteil des Art. 20 GG".
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folge der Mitwirkung der Parteien bei der politischen Willensbildung - der insbesondere verfassungspolitische,328 aber gern. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG auch verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt - Wählerinnen und Wähler über ein "Pauschalangebot,,329 entscheiden, das sowohl sachinhaltliche wie auch personelle Aspekte umfaßt. Im Hinblick hierauf ist eine geringere Bedeutung der personengebundenen Erststimme im Vergleich zu der parteilistenorientierten Zweitstimme zu verzeichnen, was in rechtlicher Hinsicht im Wahlsystem des Grundgesetzes angelegt ist und faktisch aufgrund der Entwicklung der Bundesrepublik zu einem "Wenige-Parteien-System" unterstiitzt wird. Aus diesen Gründen wirkt sich die Wahlentscheidung schwerpunktmäßig auf die Bestimmung des Sitzanteils der Parteien im Parlament aus,330 während das Ziel, jeden Mandatsinhaber und Organwalter (als natürliche Person und kleinste organisationsrechtliche Einheit) durch konkrete Entscheidung des Volkes in sein Amt zu berufen, damit auch im Hinblick auf die Bundestagsabgeordneten nicht vollständig verwirklicht ist. Was die personelle demokratische Legitimation angeht, wird mit der Wahl (lediglich) über die Spitzenkandidaten der Partei entschieden, und damit letztlich allenfalls über die Zusammensetzung der Regierung und die Person des Bundeskanzlers?31 Diese Überlegungen lassen eine Rangordnung der demokratischen Legitimation von Parlament und Regierung als Folge einer zu isolierten Betrachtung der punktuellen Wahl- und Ernennungsakte erscheinen. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, daß - auch wenn herkömmlicherweise die Parteien die von ihnen im Falle eines Wahlsiegs zu stellenden Regierungsmitglieder größtenteils vor der Wahl benennen - die Vorstellung eines Schattenkabinetts keine rechtliche Verpflichtung ist. Von der jeweiligen Parteipraxis der Benennung des Kanzlerkandidaten kann die Zubilligung demokratischer Legitimation 327 Bachof, Die richterliche Kontrollfunktion im westdeutschen Verfassungsgefüge, in: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, Festschrift für Hans Huber, 1961, S. 26 (43); Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 36 f.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 103 ff., bes. S. 108; Hans Meyer; Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, VVDStRL 33 (1975), 69 (91 f.). Ohne nähere Begründung, nur unter Hinweis auf die auch personelle demokratische Legitimation ebenfalls Hili, Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, NVwZ 1989,401 (407). 328 So v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 66. 329 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 106. 330 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 106; Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 37, ferner mit Hinweis auf den gleichwertigen demokratischen, durch Art. 67, 68 GG vermittelten Verantwortlichkeitszusarnmenhang. 331 Zur Eigenschaft der Bundestagswahl als Kanzlerwahl s. ]arass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 65 f.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 107 m. w. N. in FuBn. 78; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 169, bes. FuBn. 47; ähnl. Steiger; Organisatorische Grundlagen des parlamentarisches Regierungssystems, 1973, S. 176 f.
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nicht abhängen. Ferner besteht keine rechtliche Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Vorschläge nach der Wahl, das Ergebnis der Bundestagswahl ist für die Kanzlerwahl durch den Bundestag und das Vorschlagsrecht des Bundespräsidenten rechtlich nicht bindend. 332 Wegen Art. 38 GG endet der Wahlerwille bei der Wahlurne. Die Annahme einer nachträglichen Geringschätzung des Wahlergebnisses durch Wechsel des Kanzlerkandidaten ist allerdings wirklichkeitsfremd. Ausschlaggebend für die Frage, ob Regierung und Parlament auch in personeller Hinsicht in gleichem Maße demokratisch legitimiert und auf den Willen des Volkes riickführbar sind, ist schließlich nicht die weitreichende Annäherung von Abgeordneten- und Regierungsamt, sondern die Bedeutung des Wahlaktes für die Zusammensetzung der Verfassungsorgane in ihrer Gesamtheit: Wahrend der Bundestag in seiner jeweiligen Zusammensetzung grundsätzlich eine umfassende Gesamtrepräsentation des Volkes darstellt, die sich spiegelbildlich auch in seinen Ausschüssen und Gremien wiederfinden muß,333 weist die Regierung demgegenüber eine erhebliche Verengung auf?34 Zunächst und vorrangig trifft dies die Parlamentsminderheit, also die von der Regierung gänzlich ausgeschlossenen Fraktionen, aber auch die nur zu einem geringen Teil - und nicht notwendig als getreues Spiegelbild im Kabinett repräsentierte - Parlamentsmehrheit. 335 Auch die Parteizugehörigkeit verklammert Regierung und Parlamentsmehrheit angesichts der (insbesondere, aber nicht nur bei Koalitionsregierungen) fehlenden zentralen Parteisteuerung nicht zu einer personellen Einheit. Trotz der Fraktionsdisziplin innerhalb der konkurrierenden Fraktionen weist das Gesamtorgan nicht die homogene Interessenstruktur der Exekutive auf?36 Insgesamt läßt sich festhalten, daß das Parlament im Verhältnis zur Regierung eine umfassendere Volksrepräsentation darstellt und damit nach seiner personellen Zusammensetzung eine stärkere demokratische Legitimation genießt. Inwieweit diese auch den dem Organ zugerechneten Handlungen und Entscheidungsakten vermittelt wird, stellt demgegenüber eine weiterreichende Frage
332 Steiger; Organisatorische Grundlagen des parlamentarisches Regierungssystems, 1973, S.240. 333 BVerfGE 80, 188 (222); BVerfGE 84, 304 (323) - "PDS I"; früh bereits: Jörg Kürschner; Die Statusrechte des fraktionslosen Abgeordneten, 1984, S. 181; Abmeier; Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 167 ff. 334 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 115 ff.; Meyer; Das parlamentarische Regierungssystem des Grundgesetzes, VVDStRL 33 (1975), S. 69 (89, 102). Diese differenzierte Betrachtung nimmt etwa Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 79, nicht vor, wenn aus der fehlenden sozialen Distanz von Regierung und Parlamentsmehrheit zugleich eine fehlende Konfrontation zwischen Regierung und Parlament geschlossen wird. 335 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 117; Scheuner; Die Lage des parlamentarischen Regierungssystems in der Bundesrepublik, DÖV 1974, S. 433 (438). 336 Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 52.
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dar, deren Beantwortung von den Willensbildungs- und Entscheidungsstrukturen abhängt. bb) Parlamentarisches Verfahren
Die zweite Quelle demokratischer Legitimation ist das Verfahren der Entscheidungsfindung 337 und in diesem Rahmen sind es insbesondere die Minderheitenrechte und -gestaltungsmöglichkeiten. In Rechtsprechung und Literatur wird das parlamentarische Verfahren häufig synonym mit dem Gesetzgebungsverfahren gesehen. 338 Dies ist auf das traditionelle Verständnis vom Verhältnis des Gesetzesvorbehalts zum Parlamentsvorbehalt zurückzuführen: die Frage nach dem Vorliegen eines dem Parlament zur Entscheidung vorbehaltenen Bereichs stellt sich vor diesem Hintergrund erst dann, wenn bereits die Erforderlichkeit eines (materiellen) Gesetzes feststeht, mit der Folge, daß als parlamentarisches Verfahren nur das förmliche Gesetzgebungsverfahren in Betracht kommt. Für den vorliegend interessierenden Bereich ist aber gerade zu differenzieren, worin die besonderen demokratischen Vorzüge des förmlichen Gesetzgebungsverfahrens bestehen, oder ob und ggf. inwiefern auch das schlichte Beschlußverfahren geeignet ist, gleichwertige Legitimation zu vermitteln. Kennzeichnend für das förmliche Gesetzgebungsverfahren ist seine detaillierte Festlegung und Formalisierung durch die Verfassung, die in Artt. 76 - 82 GG Initiativrechte, Verfahrensabläufe, Beteiligungsrechte anderer oberster Staatsorgane bis zu Verkündung und Inkrafttreten regeln. Keinen verfassungsrechtlichen Rückhalt findet allerdings die Annahme,339 ein sich über drei Lesungen erstreckendes Gesetzgebungsverfahren sei unverzichtbarer Bestandteil der parlamentarischen Demokratie. 34o Der Regelfall von drei Beratungen ist lediglich in §§ 78 ff. GO-BT festgeschrieben. Zwar wird teilweise darauf abgestellt, daß parlamentarische Geschäftsordnungen auf das primäre Verfassungsrecht zurückwirkten und damit einen tauglichen Anknüpfungspunkt für die Entscheidung verfassungsrechtlicher Kom337 Zu den einzelnen Elementen der Legitimation durch Verfahren Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 52 f.; allgemein Zimmer, Funktion-Kompetenz-Legitimation, 1979, S. 256 ff. 338 BVerfGE 40, 237 (249); BVerfGE 82, 30 ( 36 f., 42); Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Auf!. 1981, S. 384 "Deliberations- und (in aller Regel) Ausgleichsmoment des Gesetzgebungsverfahrens."; Eberle, Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, DÖV 1984,485 (489). 339 So aber v. Mangoldt / Klein, GG, Bd. 2, 2. Auf!. 1964, Art. 77, Anm. III 6 a, S. 1750 f. "im Grundgesetz stillschweigend mitgeschrieben"; ähnl. auch v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 132, der allerdings auch Verfahren mit nur einer Beratung im Kern Adäquanz zubilligt. 340 Ablehnend auch Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 361, bes. Fußn. 83; Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (85, m. w. N. in Fußn. 99).
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petenzfragen darstellten. 341 Aber auch wenn vor diesem Hintergrund die traditionell in mehreren Lesungen erfolgende Gesetzesberatung als fester Bestandteil der politischen Kultur der Bundesrepublik bewertet wird, ist ausschlaggebend, daß es kein Verfassungsgewohnheitsrecht gibt, wonach mehrere Beratungen erforderlich wären oder auch nur einen demokratischen Mehrwert bewirkten. 342 Dies wird auch durch die Bestrebungen zur Reduzierung der Lesungen durch Geschäftsordnungsänderung deutlich. 343 Im übrigen sind die verfahrensmäßigen Divergenzen marginal. Auch wenn die parlamentarische Beratung nicht in das förmliche Gesetzgebungsverfahren, sondern in ein Beschluß-Vorbereitungsverfahren eingebettet ist, sind Parlamentsausschüsse, Präsidium, Ältestenrat, Fraktionen und Plenum eingeschaltet, deren zumeist interfraktionelle Besetzung sicherstellt, daß - soweit das einzelnen Abgeordneten erforderlich scheint - auf vielfältige Weise eine breite öffentliche Diskussion erzwungen werden kann. 344 Das Ergebnis muß vor dem Druck der öffentlichen Meinung begründet und gerechtfertigt werden. Die wesentliche Eigenschaft des parlamentarischen Verfahrens, die (relative),345 für das Plenum in Art. 42 Abs. I Satz 1 GG verankerte Öffentlichkeitsfunktion, ist somit in beiden Fällen gegeben. Damit ist nicht nur das förmliche Gesetzgebungsverfahren, sondern auch das schlichte Beschlußverfahren geeignet und auch gleich effektiv, das Ziel der öffentlichen parlamentarischen Auseinandersetzung zu erreichen, das darin liegt, bedeutsame Angelegenheiten dem exekutiven Arkanbereich zu entziehen. 346 Sie dient dazu, frühzeitig die Aufmerksamkeit Betroffener und der parlamentarischen Opposition zu wecken, die Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte und den Ausgleich divergierender Interesssen zu gewährleisten und die Entscheidungsfindung zu optimieren. 347 Insbesondere der parlamentarischen Min341 Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 220, Fußn. 96, auch zum folgenden. 342 BVerfGE I, 144 (151); Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 361; Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (85); Klaus Vogel, Gesetzesvorbehalt, Parlamentsvorbehalt und völkerrechtliche Verträge, in: Festschrift für Lerche, 1993, S. 95 (99). 343 BT-Drs. 7/5924, S. 80 f. mit Vorschlag der Enquete-Kommission Verfassungsreform vom 9. Dezember 1976 zur Reduzierung auf zwei Lesungen. 344 Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (86). 345 Zu der i.d.R. nichtöffentlichen Vorarbeit in Ausschüssen und Fraktionsarbeitsgruppen Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 225; Kissler; Parlamentsöffentlichkeit: Transparenz und Artikulation, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 36 Rdnrn. 39 ff. 346 Schmidt-Aßmann, Verwaltungsorganisation zwischen parlamentarischer Steuerung und exekutivischer Organisationsgewalt, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, 1977, S. 333 (337) unter Hinweis auf klare Programme mit vorhersehbaren Folgen statt einer Strategie der verschleierten Konsequenzen im administrativen Arkanbereich. 347 BVerfGE 82, 30 (36 f., 41); BVerfGE 85, 386 (403 f.); Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (85); Eberle, Gesetzes- und Parlamentsvor-
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derheit kommt hierbei eine bedeutsame Integrations- und Optimierungsfunktion zu, die etwa im Wege des Aufzeigens sachlicher und personeller Alternativen, durch Kontrolle und Mitentscheidung ausgefüllt wird. 348 So ermöglicht das Parlament die Partizipation an politischer Herrschaft und legitimiert diese; dies nicht allein im Entscheidungsakt, sondern (auch) in der öffentlichen Debatte. 349 Demgegenüber streiten keine weiteren tragfähigen Argumente für einen demokratischen Mehrwert der Handlungsform Gesetz. Wenig überzeugend ist etwa die Annahme, daß die Feierlichkeit der Gesetzesform eine besonders gründliche Vorbereitung der Entscheidung sichere350 und daß diese Gründlichkeit wiederum der Gesetzesform besondere Autorität verleihe. 351 Diese Hoffnung realisiert sich - wie am bereits erwähnten Beispiel der zahllosen Blankettermächtigungen und "mit der heißen Nadel gestrickten" Vorlagen deutlich wird - in der Verfassungswirklichkeit kaum. Per se durchaus überzeugend sind zwar die verfassungsrechtlichen Bedenken, die auf der rein nationalen Ebene bei Substituierung der Gesetzesform gegen eine Umgehung des Bundesrates bestehen. 352 Dies gilt jedenfalls, sofern die Beteiligung des Bundesrates nicht anderweitig durch das Grundgesetz gesichert ist, wie etwa in Artt. 80 Abs. 2, 115 a Abs. 1 Satz. 1, 115 lAbs. 1 Satz 1 GG. Für die Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung greifen die Bedenken aber nicht durch - die Beteiligungsrechte des Bundesrates sind explizit in Art. 23 Abs. 2, 4 - 7 GG gewährleistet und dominieren in der Praxis. 353 Vielfach gilt gerade die im Verhältnis zum Bundestag bessere Kompensation für verlorene Gesetzgebungsbefugnisse behalt, DÖV 1984,485 (489); Hermes. Der Bereich des Parlamentsgesetzes. 1988. S. 52 f.; Kloepfer, Der Vorbehalt des Gesetzes im Wandel. JZ 1984.685 (694). 348 Ausführlich zu den verfassungspolitischen Aufgaben der parlamentarischen Opposition Haberland. Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition nach dem Grundgesetz. 1995, S. 39 ff.; Sebaldt. Die Thematisierungsfunktion der Opposition. 1992, S. 335 f. 349 Tomuschat. Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 7 (36). 350 Bleckmann. Gesetzesvorbehalt für Nachrüstung?; DVBI. 1984,6 (9); Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 53, zufolge soll die Rationalität des Verfahrens die inhaltliche Qualität des Ergebnisses fördern. Obermayer, Rechtsverordnung im formellen Sinn?, DÖV 1955,364 (365) zur "Solennität" des Gesetzgebungsverfahrens; Starck. Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 169 ff.; Hufen, Entscheidung über Parlaments- und Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland ohne Gesetz?, NJW 1991, 1321 (1326). 351 Kirchhof, Rechtsquellen und Grundgesetz, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 2, 1976, S. 50 (77), allerdings könne auch der schlichte Parlamentsbeschluß Rechtsverbindlichkeit begründen. 352 Unter Hinweis auch auf den Bundespräsidenten Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 38; v. Danwitz. Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 132; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 173; Staupe. Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 329. 353 Ausführlich Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 - 7 GG, 1997, S. 130 ff.
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als bedenkliche Besserstellung des Bundesrates. 354 Eine unzulässige Benachteiligung des Bundesrates durch die Neukonzeption des Parlamentsvorbehaltes ist damit jedenfalls ausgeschlossen. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, daß die im Verhältnis zur Regierung stärkere demokratische Legitimation parlamentarischer Entscheidungen bereits in der spezifischen Zusammensetzung des Deutschen Bundestags angelegt ist und durch dessen Verfahren realisiert und vermittelt wird. 355 Letzteres gilt allerdings nicht nur auf das förmliche Gesetzgebungsverfahren beschränkt. Damit ist die durch Art. 23 Abs. 2, 3 GG geschaffene neue Form des Parlamentsvorbehalts mit dem über Art. 79 Abs. 3 GG geschützen Kernbestand des Demokratieprinzips vereinbar. VI. Vereinbarkeit des "Beteiligungsrechts zur gesamten Hand" und des demokratischen Parlamentsvorbehalts mit dem Kernbestand des rechtstaatlichen Prinzips des Grundgesetzes 1. Art. 20 Abs. 3 GG
a) Reichweite der Verbindlichkeit schlichter Parlamentsbeschlüsse Gegen die Neukonzeption des Parlamentsvorbehalts könnten rechtstaatliche Erwägungen streiten. Soweit der hergebrachte Gesetzesvorbehalt auf rechtstaatlich orientierte Begriindungen gestützt wird, sind nicht alle Ausprägungen von Bedeutung, sondern speziell die kompetenziellen. 356 Auch hier kommt es auf die konkrete verfassungsrechtliche Ausgestaltung an. Um eine solche handelt es sich bei der in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Bindung der staatlichen Macht an das Recht und der damit verbundenen Schaffung von Rechtsicherheit. 357 Allerdings ist zu beriicksichtigen, daß das in der Verfassungsvorschrift zum Ausdruck kommende Prinzip vom Vorrang des Parlamentsgesetzes eine Rangordnung beinhaltet, nicht aber eine Kompetenzzuweisung. 358 Damit werden also lediglich die Folgen für 354 Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993), 191 (207 f.); Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBl. 1993, 629 (637). Die Gewichtsverlagerung unter den Bundesorganen bestand grundsätzlich auch schon vor der Verfassungsreform, hierzu Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl. 1988, 220. 355 I.d.S. auch v. Danwitz, Der Grundsatz funktionsgerechter Organstruktur, Der Staat 35 (1996), 329 (333). 356 Zur fehlenden Relevanz der strukturellen, institutionellen und prozessualen Aspekte Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S. 176. 357 Neben dieser im wesentlichen formell-kompetenziellen Seite konstituieren die Grundrechte das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes. Stern, Staatsrecht I, 2. Auf!. 1984, § 20 IV 2 d (S. 791), wertet die Grundrechte als materielle Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips. 358 Schnapp, Der On-line-Zugriff des Parlaments auf Datenbestände der Regierung, NWVBl. 1990, 186 (187). Zu dem Regelungsgehalt eines Anwendungsgebots und Abwei-
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den Fall einer ohnehin bestehenden Parlamentsgesetzgebungszuständigkeit formuliert, aber keine neue Zuständigkeit begründet. Für die Notwendigkeit einer Parlamentsgesetzgebung in europäischen Angelegenheiten streitet Art. 20 Abs. 3 GG damit nicht. Fraglich ist aber, ob die durch die europäische Integration bedingte "Ersetzung" der Gesetzesform durch die Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 GG den Kernbestand des Art. 20 Abs. 3 GG verletzt. Dies könnte zum einen der Fall sein, wenn die Verfassungsvorschrift einen numerus clausus der Handlungsformen vorschriebe. Beruhend auf dem insbesondere von Laband entwickelten dualistischen Gesetzesbegriff und dessen Unterscheidung von Gesetz im formellen und im materiellen Sinn359 wurde früher die Auffassung vertreten, daß dem Parlament, sofern es grundlegende, abstrakt-generelle und dauerhafte Akte von Gewicht treffen wolle, allein die Regelungsform des Gesetzes zur Verfügung steht. 360 Nach dem modernen, extensiven Rechtssatzbegriff gibt es dagegen keinen verfassungsrechtlichen (etwa in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten) numerus clausus der Handlungsformen. 361 Die Bindung der vollziehenden Gewalt an "Gesetz und Recht" ist - wenn auch im einzelnen streitig,362 so doch im Ergebnis anerkanntermaßen 363 - umfas-
chungsverbots BVerfGE 82, 6 (12); Ossenbühl, Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, in: Isensee 1 Kirchhof, HdbdStR III, 1988, § 62 Rdnr. 2. 359 Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 5. Auf!. 1911, Bd. 2, § 56, S. 61 (62 ff.). s. heute Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 706; krit. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, 2. Auf!. 1981, S. 226 ff.; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, 1970, S. 77 f. 360 Scheuner; Das parlamentarische Regierungssystem in der Bundesrepublik, DÖV 1957, 633 (636); kritisch angesichts der Überlastung des Parlaments und der unüberblickbaren Fülle punktueller Rechtsakte bereits Lerche, Bundestagsbeschlüsse ohne Gesetzesbefehl über Subventionen, NJW 1961, 1758 (1759). 361 Schnapp, Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996, 418 (419); a.A. Ossenbühl, Die Richtlinien im Vertragsarztrecht, in: Schnapp (Hrsg.), Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht I, 1998, S. 65 (71 ff.), gegen eine Forrnenfindungsbefugnis bes. im Bereich des Außenrechts; Wimmer; Anm. zu BSG, Urteil vom 20.3.1996,6 RKa 62/94 - "Methadonrichtlinien", MedR. 1997,224 (226). Vom Bundesverfassungsgericht ist die Frage bisher nicht abschließend entschieden worden, BVerfGE 8, 274 (323); BVerfGE 24, 184 (199) eher für einen numerus ciausus; relativierend BVerfGE 34, 307 (315); ausdrücklich offenlassend BVerfGE 44, 322 (347); deskriptiv BVerfGE 78,214 (227). 362 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 (Stand der Bearb. Sept. 1980) VI Rdnrn. 50 ff. faßt unter den Begriff "Gesetz" das geschriebene Recht und das Gewohnheitsrecht aller Stufen; Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, in: Isensee 1Kirchhof, HdbdStR I, 1987, § 24 Rdnrn. 37 ff. versteht unter "Gesetz" nur das förmliche, sieht aber alle anderen Rechtsätze von dem Begriff "Recht" erfaßt; Schnapp, in: v. Münch 1Kunig, Bd. 1,4. Auf!. 1992, Art. 20 Rdnr. 36 zufolge meint "Gesetz" alle materiellen Rechtsätze, unabhängig davon, ob sie geschrieben sind oder nicht.
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send zu verstehen. Rechtssatzqualität besitzt letztlich ,jede sprachlich objektivierte Verhaltenserwartung mit Verbindlichkeitscharakter". 364 Nun ist es unzweifelhaft, daß schlichte Beschlüsse des Parlaments Verhaltenserwartungen zum Ausdruck bringen können - etwas anderes gilt für ihren Verbindlichkeitscharakter: Vor dem Hintergrund tradierter verfassungsdogmatischer Positionen,365 die den schlichten Parlaments be schluß im metajuristischen, politischen Bereich ansiedeln, lehnt die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur die Rechtsverbindlichkeit schlichter Beschlüsse ab. 366 Teilweise wird ihnen selbst die politische Verbindlichkeit für die Praxis abgesprochen. 367 Stimmen, die von einer Vermutungsregel für Rechtsverbindlichkeit 368 oder sogar von voller Ver363 Jedenfalls komplementär umfassen die Begriffe neben allem geschriebenen auch die nichtgeschriebenen Rechtsätze wie Gewohnheitsrecht, Observanz und Richterrecht, s. Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (97). 364 Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243 (250, m. w. N. in Fußn. 39,40) unter Hinweis darauf, daß dies unabhängig von der Einordnung als Innen- oder Außenrecht gilt. Eine Zuordnung zum staatlichen Innenbereich kennzeichnet damit nur die (unterschiedlichen) Adressaten des Rechtssatzes. I.d.S. auch Erichsen, Der Innenrechtsstreit, in: Festschrift für Menger, 1985, 211 (214); Krebs, Grundfragen des verwaltungsgerichtlichen Organstreits, Jura 1981, 569 (572 f.): "objektivierte Verhaltenserwartung mit normativem Verbindlichkeitsanspruch"; Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (97). 365 Zur Historie Thoma, Der Vorbehalt der Legislative und das Prinzip der Gesetzmäßigkeit von Verwaltung und Rechtsprechung, in: Anschütz / Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1932, § 76, S. 158, 221, demzufolge im Regelfall schlichte Beschlüsse lediglich politische Wirkung zeitigten; juristische dagegen nur, wenn dies ausdrücklich normiert sei, wie etwa in Art. 29 der Preußischen Verfassung, demzufolge der Landtag im Wege einfacher Resolution und damit ohne Einmischung des Staatsrates Verwaltungsgrundsätze verbindlich aufstellen konnte. Demgegenüber habe der Reichstag wie die übrigen Landtage den Weg des formellen Gesetzes einschlagen müssen, wenn "dieses Regierungsgeschäft von der Legislative übernommen werden soll, was übrigens allgemein zulässig ist". 366 BayVerfGH, DVBI. 1959, 816 (818); Bachof, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 4-12), JZ 1962, 350 (355) und 701 (707 f.); Bleckmann, Gesetzesvorbehalt für Nachrüstung?, DVBI. 1984,6 (9) lehnt eine rechtliche Bindungswirkung einfacher Parlamentsbeschlüsse gegenüber Gerichten, Behörden und Bürgern ab; Böckenförde, Der Honnef-Fall, JuS 1968,375 (376); Grewe, Schlußwort, VVDStRL 12 (1954), 259 f. wertet sie als allenfalls politisches Faktum, das moralische Bindung bewirken kann. I.ü. habe Art. 65 GG vor solchen Resolutionen Vorrang. Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 115 - allerdings unter Ausschluß von europapolitischen Resolutionen gern. Art. 23 Abs. 3 S. 1 GG aufgrund der verfassungsrechtlichen Verankerung; Scheuner; Der Bereich der Regierung, in: Festschrift für Smend, 1952, S. 253 (284, Fußn. 82); Schmelter; Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtsetzung gehörende Akte der Legislative, 1977, S. 123; Schneider; Diskussionsbeitrag, VVDStRL 12 (1954), 248 (249); Versteyl, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 42 Rdnr. 16. 367 Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 77 für einen "Ruch der Zweitrangigkeit" . 368 Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, 1966, S. 43 f., zufolge kommt es auf den Willen des Parlaments an; möglicherweise seien "verbindlich gewollte" Beschlüsse aber
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bindlichkeie69 ausgehen, scheinen in diesem Konzert der Meinungen nahezu unterzugehen. Vor diesem Hintergrund wird eine unter dem demokratischen Aspekt des Parlamentsvorbehalts denkbare Äquivalenz von schlichten zu gesetzesförmigen Beschlüssen für die nationale Ebene vielfach ausgeschlossen?70 Bei genauer Betrachtung lassen sich allerdings erhebliche terminologische Unsicherheiten verzeichnen. Fehlende Rechtsverbindlichkeit wird nach der strikteren Ansicht als völlige rechtliche Unerheblichkeit gewertet. 371 Von anderer Seit~ wird trotz fehlender Rechtsverbindlichkeit ,,rechtliche Relevanz" angenommen. 372 Maßgeblich wird auf die fehlende Justiziabiliät abgestellt, die nur bei der gesetzlich begründeten, rechtlichen Befolgungspflicht der Regierung bestehe, nicht aber für die bloß politirechtswidrig, wenn sie nicht mit der grundgesetzlichen Kompetenzverteilung übereinstimmten. Volle Verbindlichkeit könnte zu Recht etwa im Bereich der auswärtigen Gewalt in Anspruch genommen werden, da diese der I. und 2. Gewalt zur gesamten Hand zustehe, S. 74 f. Kratzer; Parlamentsbeschlüsse, ihre Wirkung und Überprüfung, BayVBI. 1966,365 (367) billigt ihnen rechtliche Wirkung bei Verfassungsnormierung zu, soweit nicht im Einzelfall bei einer möglichen verfassungsgerichtlichen Nachprüfung etwas anderes festgestellt wird; insgesamt seien sie aber vielfach überbewertet und unverbindlich, 408 (412). 369 Friedrich Klein, Zur Anwendbarkeit der gemeinsamen Entschließung vom 17.5. 1972 auf den Grundlagenvertrag, in: Festschrift für Weber, 1974, S. 105 (125); Kirchhof, Rechtsquellen und Grundgesetz, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverfassungsgerichts, Bd. 2, 1976, S. 50 (77), demzufolge auch der schlichte Parlamentsbeschluß Rechtsverbindlichkeit begründen kann. Die gesetzliche Entscheidung genieße lediglich besondere Autorität, weil das Gesetzgebungsverfahren besonders gründlich sei. Kretschmer; Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnr. 64; Meyn, Kontrolle als Verfassungsprinzip, 1982, S. 384 ff.; Menzel, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik, VVDStRL 12 (1954), 179, 195 f., 219. Beschränkt auf das Haushalts- und Subventionsrecht auch Cronau, Der Haushaltsplan als Ermächtigungsgrundlage für die sozialgestaltende Verwaltung, 1962, S. 76, Fußn. 1; Heckei, Die Budgetverabschiedung, insbesondere die Rechte und Pflichten des Reichstags, in: Anschütz I Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1932, § 89, S. 392 (407); Hans Peter lpsen, Öffentliche Subventionierung Privater, DVBI. 1956,498 (500). 370 Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. I Satz 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 72; v. Danwitz, Die Gestaltungsfreiheit des Verordnungsgebers, 1989, S. 133; Hermes, Der Bereich des Parlamentsgesetzes, 1988, S. 77; Staupe, Parlamentsvorbehalt und De1egationsbefugnis, 1986, S. 330. 371 Grewe, Schlußwort, VVDStRL 12 (1954), 259 f.; Maunz, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 42 (Stand der Bearb. 1960) Rdnr. 14; Schulte, in: v. Mangoldtl Achterberg/Kleinl Schulte, GG, Bd. 6, 3. Auf!. 1991, Art. 42 Rdnr. 30 f. 372 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 214 f.; Friedrich Klein, Zur rechtlichen Verbindlichkeit von Bundestags-Beschlüssen - BVerwGE 12, 16, JuS 1964, 181 (186). Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61, (91 f.) zufolge besitzen schlichte Parlamentsbeschlüsse aufgrund des ihnen innewohnenden staatspolitischen Elements erhebliches faktisches, wenn auch abstrakt nicht näher bestimmbares, politisch-strukturelles Gewicht; Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestages, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR II, 1987, § 40 Rdnr. 11 f. begründet den Mangel an Rechtsverbindlichkeit mit dem Fehlen ausdrücklicher Kompetenzzuweisungen. Die - auch rechtliche - Erheblichkeit folge namentlich aus der Möglichkeit, i.d.R. auch die Form des Gesetzes verleihen zu können oder die parlamentarischen Kontrollinstrumente einzusetzen.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
sche Pflicht aufgrund Beschlusses. 373 Dies gelte auch und gerade für den außenpolitischen und den europapolitischen Bereich. 374 Bezeichnend sind in diesem Zusammenhang eher geringschätzige Verweise auf herkömmliche parlamentarische Kontroll- bzw. Sanktionsmittel: "Wenn der Bundeskanzler einer Entscheidung Rechnung tragen will, wird er es tun, wenn er es aber nicht will, so mag ihn das Parlament durch konstruktives Mißtrauensvotum stürzen."375 Demgegenüber wird - trotz Negierung von Rechtsverbindlichkeit und voller lustiziabilität - teilweise eine Parallele zu verwaltungsintemen Akten gezogen, die über die Selbstbindung der Verwaltung und das Gleichheitsgebot zu gerichtserheblichen Akten "umschlagen" und den Ermessens- und Gestaltungsspielraum einschränken könnten?76 Dies wirft die Frage auf, was genau Rechtsverbindlichkeit im Interorganverhältnis von Verfassungsorganen bedeutet und welcher Mindeststandard gern. Art. 20 Abs. 3 GG unantastbar ist. Kirchhof etwa führt über die Begründung von Verbindlichkeit aus: "Der demokratische Rechtsstaat herrscht mit dem Anspruch, verbindlich bestimmen zu dürfen ... er wählt die schonend abgestufte Verbindlichkeit, handelt aber stets mit letztverbindlicher Bestimmungsmacht und Durchsetzungskraft ... er mag empfehlen, wird letztlich aber befehlen; er wird die Verständigung suchen, bei fehlender Übereinstimmung jedoch anordnen; er wird fordern und bei Nichterfüllung vollstrecken; er beansprucht Gefolgschaft, die er bei Verweigerung erzwingt. ..377
Diese für das Verhältnis Staat-Bürger getroffene Aussage gibt auch für das InterOrgan-Verhältnis von Regierung und Parlament Anhaltspunkte und führt zu der Problematik, wie es denn um die letztverbindliche Bestimmungsmacht und insbesondere die Möglichkeit zur Vollstreckung und Erzwingung im Verweigerungsfall auf dieser Ebene bestellt ist.
373 Friesenfulhn, Parlament und Regierung im modernen Staat, VVDStRL 16 (1958), 9, 36 (Fußn. 70); Ohermeier; Die schlichten Parlamentsbeschlüsse nach dem Bonner Grundgesetz, insbesondere ihre Zulässigkeit und Rechtsnatur, 1965, S. 160 f., der umgekehrt allerdings die Bundesregierung als antragsbefugt im Organstreitverfahren sieht, wenn diese durch politischen Druck des Parlaments faktisch gehindert werde, von ihrer Leitungskompetenz Gebrauch zu machen. 374 Für außenpolitische Resolutionen Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 244 (insbes. Fußn. 1175); Tomuschat, Der Verfassungsstaat im Geflecht der internationalen Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), 7 (36). Für europapolitische Beschlüsse Eckart Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VVDStRL 50 (1991), 56 (76); Mößle, Regierungsfunktionen des Parlaments, 1986, S. 126. Für heide Bereiche Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (124, 138). 375 Hans Schneider; Diskussionsbeitrag, VVDStRL 21 (1954),248 (249). 376 Lerche, Bundestagsbeschlüsse ohne Gesetzesbefehl über Subventionen, NJW 1961, 1758 (1758). 377 Kirchhof, Mittel staatlichen HandeIns, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR III, 1988, § 59 Rdnr.59.
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b) lustiziabilität
Im Bereich der europäischen Rechtsetzung gilt, daß die unterbliebene Berücksichtigung der parlamentarischen Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG sehr wohl im Verfassungsorganstreitverfahren gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG gerügt werden kann. Es ist unschädlich, daß die Handlungen der Regierungsvertreter im Rat auch gemeinschaftsrechtlichen Regelungen unterliegen. Sie sind wie dargelegt der deutschen staatlichen Hoheitsgewalt zuzurechnen und damit der Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung unterworfen,378 namentlich auch den konkreten Anforderungen des Art. 23 Abs. 2,3 GG. Damit ist denkbar, daß im Wege der Organklage, ggf. mittels einstweiliger Anordnung gern. § 32 BVerfGG, eine Handlung des deutschen Regierungsvertreters im Rat oder dessen Subgremien verhindert wird. 379 Inhaltlich wird der weite Gestaltungsspielraum der Gubernative durch das verfassungsrechtlich gesicherte Stellungnahmerecht beschränkt. Die Verfassungsbeschwerde wäre dagegen auch bei Mandatsgesetzen (Organgesetzen), die nur das Interorganverhältnis betreffen und nicht grundrechtsrelevant sind, unzulässig. Eine möglicherweise verfassungswidrige "Flucht in die injustiziable Handlungsform,,38o ist durch die Verankerung des Stellungnahmerechts damit nicht gegeben. Im allgemeinen ist die Kontrolle der auswärtigen Gewalt allerdings auf eine bloße Kontrolle auf Willkürfreiheit beschränkt. Die Weite des Einschätzungs- und Beurteilungsspielraums für auslandsbezogene Feststellungen und Prognosen gewährt das Bundesverfassungsgericht angesichts der Unvorhersehbarkeit außenpolitischer Entwicklungen, der Komplexität internationaler Beziehungen und der Notwendigkeit zu Kompromissen mit Akteuren, die nicht der deutschen Rechtsordnung unterworfen sind. Die Grenze von der pflichtgemäßen Beurteilung zur Willkür soll beispielsweise erst überschritten sein, wenn es sich der Regierung aufdrängen mußte, daß sie von falschen Voraussetzungen ausging, wobei es ausreicht, wenn die Wertungen überhaupt noch plausibel erscheinen. 381 Schädlich ist lediglich offensichtliche Rechtsunkenntnis oder willkürliche Einschätzung der zugrundeliegenden Sach- und Rechtslage. 382 Etwas anderes gilt allerdings für die Beachtung der Kom378 BVerfG, NJW 1990,974, hier scheiterte die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde nur daran, daß das Verhalten des Regierungsvertreters im Rat den Grundrechtsträger nicht unmittelbar erreicht; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 19 Abs. 4 (Stand der Bearb. Jan. 1985), Rdnr. 50; Schilling, Zur Verfassungsbindung des deutschen Vertreters bei der Mitwirkung an der Rechtsetzung im Rate der EU, DVBl. 1997,458 ff. 379 Das ürganstreitverfahren wird i.ü. nicht dadurch subsidiär, daß auch politische Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, zumal wenn deren rechtlich verbindliche Wirkung umstritten ist, BVerfGE 90, 286 (339 f.). 380 Allg. zu diesem Phänomen Schnapp, Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996,418; ders., Braunkohlenplanung in Nordrhein-Westfalen, in: HüfferlIpsen/Tettinger (Hrsg.), Festschrift für Fabricius, 1989, S. 87 (98). 381 BVerfGE 94, 12 (35, 40); BVerfGE 84, 90 (128). 382 BVerfGE 55, 349 (366).
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petenzen anderer Verfassungsorgane, die von der bloßen Wilkürgrenze ausgenommen und in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar sein müssen?83 Inhaltlich kann die grundsätzliche Richtigkeitsvermutung für die Einschätzung der Bundesregierung allerdings nur als widerlegt angesehen werden, wenn greifbare Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit vorliegen. 384 Die Nichtberücksichtigung der verfassungsrechtlich gesicherten parlamentarischen Stellungnahme kann ein belegbarer Anhaltspunkt in diesem Sinn sein. Zwar besteht keine Striktbindung, dennoch muß die Regierung erkennen lassen, daß sie sich mit der Stellungnahme auseinandergesetzt hat und warum gegebenenfalls ein Abweichen unerläßlich war. Diese umfassenden Befassungs- und Begründungspflichten entsprechen den bisherigen Ergebnissen, daß die parlamentarischen Rechte aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG so großzügig wie möglich auszulegen sind und daß eine Verletzung des exekutivischen Kernbereichs keinesfalls besteht. In der Verfassungspraxis sollte die - begrenzte - gerichtliche Kontrollmöglichkeit allerdings nicht als Surrogat für die mitgestaltende parlamentarische Kontrolle fungieren. Vielmehr ist zu bedenken, daß die Tendenz zur Judifizierung der Politik geeignet ist, die ohnehin begrenzten parlamentarischen Einflußmöglichkeiten noch zu mindem. 385 c) Durchsetzbarkeit Wie sieht es in der Verfassungs wirklichkeit ferner mit der Durchsetzbarkeit des annerkanntermaßen rechtsverbindlichen förmlichen Gesetzes aus? Entzieht sich die Bundesregierung einem Ersuchen des Bundestags, so ist diese Nichtbefolgung nicht mit Zwangsmitteln bewehrt; weder beim Gesetz noch beim schlichten Beschluß hat das Parlament eine rechtsförmige Möglichkeit zur selbständigen Durchsetzung seines Willens. 386 So kann der Bundestag das eingeforderte Verhalten etwa die Vertretung einer bestimmten Verhandlungsposition im Ministerrat der Europäischen Union - nicht aus eigener Macht, quasi im Wege einer Ersatzvornahme, durchführen. Was die Möglichkeit eines Regierungssturzes als Sanktion anbelangt, so könnte auf diese ultima ratio unabhängig von der Handlungsform, in der der Rechtsbefehl erging, zurückgegriffen werden. Letztlich kommt es auf die Rechtskultur im Verhältnis von Parlament und Regierung an - wie überhaupt im Verhältnis zwischen Verfassungsorganen, die i.a.R. 387 auf freiwilliges Folgeleisten angewiesen sind; dies gilt auch für Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Selbst wenn im Verfahren des Verfassungsorganstreits gern. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 383
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Hai/bronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 7 (19). BVerfGE 93, 248 (256 f.).
385 Hans-Jochen Vogel, Gewaltenvermischung statt Gewaltenteilung, NJW 1996, 1505 (1510); Hailbronner, Kontrolle der auswärtigen Gewalt, VVDStRL 56 (1997), 7 (11). 386 Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (97 f.).
387 Eine Ausnahme bildet im Bund-Länder-Verhältnis die Möglichkeit des Bundeszwangs gern. Art. 37 GG.
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GG, §§ 13 Nr. 5,63 ff. BVerfGG eine verfassungswidrige, die Rechte des Bundestags verletzende Unterlassung der Bundesregierung gern. § 67 BVerfGG festgestellt würde, wäre die Beachtung der Entscheidung praktisch nicht rechtsförmig zu erzwingen, obwohl ihr gern. § 31 Abs. 1 BVerfGG verbindliche Wirkung gegenüber den Verfassungsorganen zukommt 388 und obwohl § 35 BVerfGG eine weit gehende Vollstreckungsregelungsbefugnis des Gerichts vorsieht. 389 Damit kommt es für die Verpflichtungswirkung im Inter-Organ-Verhältnis faktisch kaum darauf an, ob die "objektivierte Verhaltens erwartung" durch Gesetz oder Beschluß geäußert wird - wenn auch die theoretisch-dogmatische Unterscheidung berechtigt ist, so ist der Unterschied in der Verfassungswirklichkeit nur gering. Als wesentlich bedeutsamer erweist sich hier, ob ein Beschluß lediglich von einer "Zufallsmehrheit" getragen wird, von den Regierungsfraktionen oder sogar interfraktionell. 39o Diese Durchsetzungskraft eines Beschlusses gilt noch potenziert für den Fall, daß Bundestag und Bundesrat übereinstimmende Beschlüsse fassen?91 Nachdem damit aufgezeigt ist, daß selbst Gesetze schwer gegen den Willen der vollziehenden Gewalt durchzusetzen sind, sind nunmehr die rechtlichen Realisierungsmöglichkeiten für schlichte Beschlüsse zu betrachten. Damit ist der Blick namentlich auf die Vorwirkung des Gesetzgebungsrechts gerichtet: Wenn die Bundesregierung damit rechnen muß, daß das Parlament sie ggf. per Gesetz binden 388 Allg. Schnapp/ Henkenötter; Zur Bindungswirkung von Entscheidungen des BVerfG, JuS 1994, 121 (123 f.). Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994),61 (98) wertet den dogmatischen Vorrang des Gesetzes als in der Staatspraxis eher stumpfe Waffe, die nicht überbewertet werden sollte. 389 BVerfGE 6, 300 (304); BVerfGE 68, 132 (140); BVerfGE 88, 203 (209 f., 336 ff.) "Schwangerschaftsabbruch" mit einer vom Gericht erlassenen vorübergehenden Beratungsregelung; zurückhaltender, für eine größtmögliche Schonung des gesetzgeberischen Willens BVerfGE 93,37 (85). LechnerlZuck, BVerfGG, 4. Aufl. 1996 unter Hinweis darauf, daß dem BVerfG eine umfassende Befugnis erteilt ist, die auch die üblichen Vollstreckungsmaßnahmen Ersatzvornahme und unmittelbaren Zwang umfaßt. Für geringen Einfluß auf die politische Praxis Roellecke, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, 1992, § 35 Rdm. 1. Obwohl die zulässige Reichweite der VollstreckungsregeIung im verfassungssystematischen Kontext nicht abschließend geklärt ist, so ist deutlich, daß die Bundesregierung nicht zu einem bestimmten Verhalten gegenüber dem Parlament und im Ministerrat gezwungen werden könnte. 390 Butzer; Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (92) erachtet diese Frage als ausschlaggebenden Gesichtspunkt für die konkrete Gewichtigkeit schlichter Beschlüsse für die anderen Verfassungsorgane. Durch präzise Beschlüsse mit breiter Akzeptanz wird einer denkbaren Verzögerungstaktik der Ansatzpunkt (etwa durch Ignorieren unbestimmter Ersuchen oder Bitten um nähere Erläuterung, verbunden mit Fristverlängerungsbegehren der Regierung) genommen. 391 Für verstärkte Durchsetzungskraft unter Negierung rechtlicher Bindungswirkung Koopmann, Zur Festlegung des Sitzes von Parlament und Regierung, NWVBI. 1991,45 (47); Hufen, Entscheidung über Parlaments- und Regierungssitz der Bundesrepublik Deutschland ohne Gesetz?, NJW 1991, 1321 (1323 f.); Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 115 f.; Bachof, Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, JZ 1962, 350 (355). Sogar für rechtliche Relevanz Lerche, Verfassungsfragen der Festlegung des Parlaments- und Regierungssitzes - Erforderlichkeit eines Gesetzes?, ZG 1991, 193 (206).
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kann, hat dies Auswirkungen auf die Beachtung der einfachen Bundestagsresolutionen. 392 Jedenfalls im innenpolitischen Bereich begründet die Befugnis, dem Inhalt des Beschlusses notfalls die Form des Gesetzes zu verleihen und dadurch die Regierung rechtswirksam zu binden, die informale Bindungswirkung auch der parlamentarischen Stellungnahme. Letztere ist damit gleichsam eine innerparlamentarische Vorstufe für eine Gesetzesinititative,393 die bereits die Mehrheitsverhältnisse offenlegt und die Folgen bei Nichtausführung impliziert. Damit kommt schlichten Parlamentsbeschlüssen auf der nationalen Ebene eine Doppelfunktionalität zu: für den Bundestag sind sie selbstbindend, für andere Verfassungsorgane positivierungsankündigend. 394 Dieser Aspekt ist im innenpolitischen Bereich damit wesentlich entscheidender, als etwa die - für das politische Tagesgeschäft nahezu irrelevante und als Reaktion auf die Nichtbefolgung eines schlichten Beschlusses äußerst unwahrscheinliche - Möglichkeit des Regierungssturzes. Für die dargelegte Wirkung eines Beschlusses ist es dabei nicht von Bedeutung, ob er explizit an ein anderes Organ gerichtet ist. 395 Auch (scheinbar) adressatenlosen Willenserklärungen ist im Wege der Auslegung zu entnehmen, für wen ihr Inhalt bedeutsam ist. Die Gewichtigkeit in der Praxis hängt vielmehr von der Präzision des Beschlußinhaltes und den Mehrheiten ab, auf die sich der Beschluß stützen kann. Anders stellt sich die Rechtslage allerdings im europapolitischen Bereich dar. Während die übrigen parlamentarischen Kontrollinstrumente 396 (wie neben der Kanzlerwahl beispielsweise die Verweigerung der Ausführung des Haushaltsplans, 392 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (93 f.); Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundetags, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40 Rdnr. 12; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 216, 285; Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZPar!. (Sdbd.) 1995, 114 (139); Stern, Staatsrecht 11,1980, § 26,11 2 c (S. 48), weist daraufhin, daß sich die Regierung schwerlich darüber hinwegsetzen werde, daß der Bundestag den Inhalt durch Gesetz oder Mißtrauensvotum durchzusetzen vermöge. Gegen eine hierauf gestützte Annahme von der Rechtsverbindlichkeit schlichter Parlamentsbeschlüsse Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 112 f. Allg. zur Vorberücksichtigung Kloepfer, Die Vorwirkung von Gesetzen, 1974, S. 161 ff. 393 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (94). 394 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (94). 395 Böckenförde, Der Honnef-Fall, JuS 1968, 375 (379, Er!. 7); Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (92, Fußn. 122 m. w. N. zur Gegenansicht); Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1977, § 89 Rdnr. 2. Für die Maßgeblichkeit der Adressierung für die verbindliche Wirkung aber Friedrich Klein, Zur rechtlichen Verbindlichkeit von Bundestagsbeschlüssen - BVerwGE 12, 16, JuS 1964, 181 (184); Schmelter, Rechtsschutz gegen nicht zur Rechtsetzung gehörende Akte der Legislative, 1977, S. 32 ff. 396 Zum Lästigkeits- und Hemmungseffekt und der geringen Wahrscheinlichkeit eines Regierungssturzes wegen der Nichterfüllung eines schlichten Parlamentsbeschlusses s. bereits oben Kap. 2, A.lY.3., S. 150 ff.; ferner Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (93); Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZPar!. (Sdbd.) 1995, 114 (130).
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parlamentarische Anfragen oder die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen) auch hier einsetzbar sind, entfällt die Befugnis, die europarechtliche Stellungnahme durch ein Mandatsgesetz zu ersetzen. Dieser Gesichtspunkt, der im Bereich der nationalen Gesetzgebung für eine gesetzesähnliche Verbindlichkeitswirkung spricht, entfällt für die Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG. Festzuhalten ist, daß selbst auf der nationalen Ebene Gesetze im Interorganverhältnis ebenso wie schlichte Beschlüsse auf freiwilliges Folgeleisten angewiesen sind. Während den Beschlüssen im nationalen Recht Rechtserheblichkeit durch die Vorwirkung des Gesetzgebungsrechts zukommt, gilt dies in europäischen Angelegenheiten, d. h. für Beschlüsse gern. Art. 23 Abs. 3 GG, nicht. Das Fehlen dieses Einzelelements der Verbindlichkeit verletzt aber nicht den durch Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG geschützten Kembestand der Verfassung. In jedem Fall griindet die konkrete Rechtserheblichkeit der parlamentarischen Stellungnahme in ihrer - begrenzten - Justiziabilität sowie in den parlamentarischen Kontrollmitteln, als ultima ratio der Sanktionen hierbei der Regierungssturz.
2. Grundrechtliehe Gesetzesvorbehalte
Ebenfalls Teil der grundgesetzlichen Rechtsstaatlichkeit sind die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte. Im Verhältnis zwischen Staat und Bürger ist es gerade die Handlungsform des Gesetzes, die größere Rechtssicherheit gewährleistet und größere Dauerhaftigkeit, welche jedenfalls daraus resultiert, daß das Gesetz nur in einem qualifizierten Verfahren aufgehoben werden kann. 397 Daß schlichte Beschlüsse im (unmittelbar) grundrechtsrelevanten Bereich unzulässig sind, ist angesichts der in den Grundrechten ausdriicklich verankerten (und auch von der Wesentlichkeitstheorie erhobenen) Forderung nach einer Regelung "durch oder aufgrund eines Gesetzes" gewährleistet. Der weite Anwendungsbereich des Parlamentsgesetzesvorbehaltes hängt dabei mit dem weiten Eingriffsbegriff zusammen. Das klassische Verständnis vom Eingriff als finalem, unmittelbarem Rechtsakt mit rechtlicher Wirkung, der mit Befehl und Zwang angeordnet und durchgesetzt werden kann, ist nach dem heutigen Stand der Grundrechtsdogmatik überholt. Ein Eingriff ist vielmehr jedes staatliche Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten, das in den Schutzbereich eines Grundrechts fällt, wesentlich erschwert oder unmöglich macht, gleichgültig, ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder faktisch, mit oder ohne Befehl und Zwang erfolgt. 398 Dies
397 Busch, Das Verhältnis des Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG zum Gesetzes- und Parlamentsvorbehalt, 1992, S. 29. 398 Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, 1992, S. 173 ff.; Lübbe-Wolff, Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, 1988, S. 69 ff.; Pieroth/Schlinck, Grundrechte, Staatsrecht 11, 14. Auf!. 1998, Rdnr. 240; Bethge, Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 7 (40 ff.); WeberDürler; Der Grundrechtseingriff, VVDStRL 57 (1998), 57 (74 ff.).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
führt dazu, daß bei fast allen Regelungen, die die Rechtssphäre des Bürgers betreffen, eine irgendwie geartete Grundrechtsbetroffenheit vorliegt. 399 Teilweise wird allerdings sogar im grundrechtsrelevanten Bereich die Verzichtbarkeit resp. Ausgeschlossenheit der Gesetzesform erwogen. Dabei geht es um Regelungsbereiche, in denen das starre, zeitraubende Instrument des Gesetzes der Komplexität und Anpassungsbedürftigkeit der Materie nur schwer gerecht zu werden vermag. 4OO Grundrechtstheoretisch liegt dieser Argumentation das Postulat effektiven Grundrechtsschutzes 401 zugrunde, der nur durch dynamischen Grundrechtsschutz gewährleistet werden kann: 402 Ist der Gesetzgeber demgemäß zur Schaffung optimaler rechtlicher Instrumentarien verpflichtet, kann er in Bereichen, in denen optimaler Rechtsgüterschutz nur durch flexible Rechtsetzung erreicht werden kann, ggf. zum Verzicht auf die Handlungsform des Gesetzes gehalten sein. Wie dargelegt, gelten die Grundrechte im Bereich der Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung allerdings nicht unmittelbar, sondern i. S. d. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG ihrem wesentlichen Standard entsprechend. Sie sind damit offen für eine Konzeption des Parlamentsvorbehalts, die dem kooperativen Prozeß der europäischen Sekundärrechtsetzung entspricht und seinem Ineinandergreifen von supranationalen und nationalen Akten. Der Parlamentsvorbehalt wird auf diesen verschiedenen Ebenen realisiert: Eine grundrechtsrelevante Maßnahme findet im europäischen Legislativakt ihre Rechtsgrundlage und gewährleistet so für "den" Bürger Rechtssicherheit und Rechtsschutz. Hierdurch wird dem rechtsstaatlichen Aspekt des Gesetzesvorbehalts Rechnung getragen. 403 Was demgegenüber die parlamentarische Mitgestaltung angeht, so bedarf es nach der derzeitigen Ausgestaltung des Rechtsetzungsverfahrens auf der europäischen Ebene und angesichts der Position des Europäischen Parlaments weiterhin in maßgeblichen Umfang des nationalen Parlaments. Diesbezüglich ist der demokratische Aspekt des Parlaments399 Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (87). Zu denkbaren Ausnahmen bes. bei fehlendem ausreichend engem Zusammenhang Jarass, Bausteine einer umfassenden Grundrechtsdogmatik, AöR 120 (1995), 345 (364). 400 Bryde, Neue Entwicklungen im Schulrecht, DÖV 1982,661 (670); Ossenbühl, Die Bewertung technischer Risiken bei der Rechtsetzung, DÖV 1982,833 (841); s. a. BVerfGE 76, 1 (75) - "Nachzug ausländischer Familienangehöriger". 401 Allgemein zum Effektivitätsprinzip und zum Gedanken des effektiven Schutzes durch Verfahren BVerfGE 63, 131 (143); Bleckmann, Staatsrecht II - Die Grundrechte, 3. Aufl. 1989, § 8, 8a, S. 88 f.; Denninger, Staatliche Hilfe zur Grundrechtsausübung durch Verfahren, Organisation und Finanzierung, in: Isensee/Kirchhoff, HdbdStR V, 1992, § 113 Rdnr. 22. 402 BVerfGE 49,89 (140); Hill, Normenkonkretisierende Verwaltungsvorschriften, NVwZ 1989, 401 (407) unter Hinweis darauf, daß u. U. allein dynamischer Grundrechtsschutz effektiv ist, was faktisch in manchen Rechtsbereichen zu einer "umgekehrten Wesentlichkeitstheorie" führen kann. 403 Demgegenüber stellt Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 80, 127 f. darauf ab, daß die grundrechtliche Freiheitsgewährleistung durch die exekutivische europäische Rechtsetzung geschwächt wird. Er nimmt einen Eingriff in den rechts staatlichen Eingriffsvorbehalt an, der allerdings durch das deutsche Hoheitsrechtsübertragungsgesetz in Grenzen gehalten werden kann.
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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vorbehalts ausschlaggebend, dem wie dargelegt auch durch den auf Art. 23 Abs. 3 GG gestützten Parlaments beschluß Rechnung getragen werden kann. Damit ist keine Verletzung des über Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Kembestandes der grundgesetzlichen Rechtsstaatlichkeit gegeben.
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung und ihre Auslegung I. Verfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Grundlagen 1. Entstehung Die soeben verfassungssystematisch betrachtete Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union unterliegt heute im Detail einem umfänglichen Regelungswerk, das von der Verfassungsnorm bis hin zum ausschußerlassenen Geschäftsordnungsrecht reicht. Hierbei handelt es sich schwerpunktmäßig um die Art. 23, 45 GG, um das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (im folgenden EUZBBG), um die §§ 93, 93 a GO-BT und um die Verfahrensgrundsätze des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (im folgenden EU-Grundsätze). Relevante Regelungen enthält außerdem die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO 11) in §§ 85 a ff. Hintergrund der Schaffung der neuen Art. 23 und 45 GG und seiner einfachgesetzlichen Begleitvorschriften war die fortschreitende europäische Integration durch den Maastrichter Vertrag über die Europäische Union und die verfassungspolitischen und verfassungsrechtlichen Bedenken, die sich als Folge für den nationalen Bereich ergaben. Der diesbezügliche Hintergrund wurde bereits herausgearbeitet, so in Kapitel I der Stand der Integration - nunmehr nach dem Vertrag von Amsterdam -, in Kapitel 2 A. die Modifikation des Kompetenzgefüges zwischen Bundestag und Bundesregierung. Über die Genese der Vorschriften wird an dieser Stelle nur ein kurzer Überblick gegeben, im übrigen sei auf die bereits von anderer Seite vorgenommenen umfassenden Aufarbeitungen verwiesen. 404 Am 2. Dezember 1992 verabschiedete der Deutsche Bundestag in einer Sondersitzung das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes, mit dem die Grundlage für 404 Schmalenbach, Der neue Europaartikel 23 des Grundgesetzes im Lichte der Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskornrnission, 1996; Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 91 ff.; Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht - Die Verfassungsänderungen im Zuge der Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union im Deutschen Bundestag, Verwaltungsrundschau 1993,89 ff.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
die Ratifikation des Maastrichter Vertrages durch die Bundesrepublik Deutschland geschaffen wurde. 405 Das eigentliche Ratifikationsverfahren gern. Art. 59 Abs. 2 GG hatte nach der Sommerpause 1992 verhältnismäßig spät begonnen, da zunächst der Beschluß der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat406 (GVK) abgewartet werden sollte. 407 Eine von der GVK am 22. Mai 1992 durchgeführte Sachverständigenanhörung zum Thema "Grundgesetz und Europa" brachte keinen Konsens über die streitige Frage, ob für die Griindung der Europäischen Union die bisherige verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 24 Abs. 1 GG, der sich auf zwischenstaatliche Einrichtungen bezieht, noch ausreichte. Einigkeit bestand indes, daß ein neuer Europaartikel 23 GG jedenfalls aus integrations- und verfassungspolitischen Griinden in das Grundgesetz aufgenommen werden sollte. 408 Ferner bedurfte es namentlich aus Sicht der Bundesländer einer verfassungsrechtlichen Verankerung ihrer Mitwirkungsrechte mit dem Ziel der Kompensation verlorener föderaler Befugnisse. 409 Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes 410 beruhte dann auch auf den entsprechenden Empfehlungen der 405 BT-PIPr. 12. WP /126. Sitzung vom 2. Dezember 1992, S. 10809 ff., 10888 (C); BGBI. 1992 I, S. 2086. Die Zustimmung des Bundesrates erfolgte am 18. Dezember, BR-PIPr., 650. Sitzung vom 18. Dezember 1992, S. 653. 406 Die paritätisch besetzte Kommission wurde aufgrund von Art. 5 Einigungsvertrag eingesetzt und sollte u. a. Vorschläge zu Grundgesetzänderungen beschließen, die zur Verwirklichung der EU erforderlich waren, BT-Drs. 12/1590; BT-Drs. 12/1670; BR-Drs. 741/91 (Beschluß) vom 29. November 1991. Hierbei sollte sie mit 2/3 Mehrheit entscheiden, um die entsprechende Verwirklichung durch die verfassungsändemden Organe gern. Art. 79 Abs. 2 GG zu indizieren, Bericht der GVK vom 5. Nov. 1993, BT-Drs. 12/6000, S. 9. 407 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 106; Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht - Die Verfassungsänderungen im Zuge der Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union im Deutschen Bundestag, Verwaltungsrundschau 1993, 89 (93); Verheugen, Die Arbeit des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht") des Deutschen Bundestages, ZG 1993, 162 (163). 408 Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht - Die Verfassungsänderungen im Zuge der Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union im Deutschen Bundestag, Verwaltungsrundschau 1993, 89 (90). 409 So brachte die "Kommission Verfassungsreform" des Bundesrates bereits zu Art. 24 GG einen detaillierten Neufassungsvorschlag, der neben der Mitwirkung der Länder an der Willensbildung des Bundes auch die Mitwirkung bei der Außenvertretung der BRD in den Gremien der EU für den Fall vorsah, daß im Schwerpunkt grundgesetzlieh festgelegte Zuständigkeiten der Länder berührt sein sollten, BR-Drs. 360/92, S. 3, vom 14. Mai 1992. Zum politischen Junktim zwischen der Ratifizierung des Vertrages und der innerstaatlichen Stärkung der Länderbeteiligungsrechte Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Artikel 23, BayVBI. 1992, 705; zum Kompensationsgedanken Magiera, Die Grundgesetz-Änderung von 1992 und die Europäische Union, Jura 1994,1 (9). 410 BT-Drs. 12/3338.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
185
GVK, die am 26. Juni 1992 gefaßt worden waren. 411 Nachdem zunächst der Bundesrat Stellung genommen hatte,412 nahm der Bundestag in mehreren Punkten Änderungen vor. Hiermit trug er weiteren Beschlüssen der GVK413 Rechnung, die erst nach dem Entwurf verabschiedet worden waren. Dies betraf u. a. die Einfügung der die Mitwirkungsrechte des Parlaments regelnden Art. 23 Abs. 3 und Art. 45 GG. 414 Tragende Zielvorstellung war es, den Verlust an nationalen legislativen Kompetenzen durch die Verstärkung der parlamentarischen Beteiligung zu kompensieren. 415 Für die Beratungen im Bundestag wurde eigens der Sonderausschuß "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)" eingerichtet,416 der sich im Oktober und November 1992 mit den drei Themenkomplexen Ratifizierungsgesetz, Grundgesetzänderungsgesetz und Ausführungsgesetze zu befassen haue. 417 Art. 23,45 n.F. GG traten am 25. Dezember 1992 in Kraft,418 das hierauf basierende Zustimmungsgesetz am 31. Dezember 1992.419 Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 trat gern. § 7 Satz 1 EUZBBG mit Griindung der Europäischen Union am 1. November 1993 in Kraft. 42o
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GVK-PIPr., 8. Sitzung vorn 26. Juni 1992, S. 24.
412 BR-PIPr., 646. Sitzung vorn 25. September 1992, S. 419 ff.; BR-Drs. 501/92. 413 GVK-PIPr., 11. Sitzung vorn 15. Oktober 1992, S. 1 ff. Die Forderung, nicht nur die
Rechte der Länder, sondern auch die des Bundestages verfassungsrechtlich abzusichern, war bereits früher erhoben worden, so Möller; GVK-PIPr., 7. Sitzung vorn 4. Juni 1992, S. 4, man hatte aber zunächst keine Möglichkeit gesehen, der Situation abzuhelfen. Erwogen worden war etwa eine Regelung beschränkt auf die Nonnebene der GO-BT. 414 Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht - Die Verfassungsänderungen im Zuge der Ratifikation des Vertrages über die Europäische Union im Deutschen Bundestag, Verwaltungsrundschau 1993, 89 (91). 415 Verheugen, Die Arbeit des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht") des Deutschen Bundestages, ZG 1993, 162 (163); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 117 f. unter Hinweis darauf, daß diese Zielvorstellung erst spät entstand, nachdem deutlich geworden war, daß die seitens des Bundestages zunächst angestrebte Stärkung des EP ausbleiben würde. 416 s. hierzu auch unten, Kap. 3, B.I.1. (S. 277 ff.). 417 Abschlußbericht des Sonderausschusses BT-Drs. 12/3895, BT-Drs. 12/3896 vorn 1. Dezember 1992. Hinsichtlich der Ausführungsgesetze mußte aufgrund von Bedenken des Bundesrates zunächst der Vermittlungsausschuß eingeschaltet werden; dessen Vorschläge, BT-Drs. 12/4247, wurden durch Bundestag und Bundesrat im Februar 1993 angenommen, BT-PIPr. 12. WP 1137. Sitzung vorn 4. Februar 1993, S. 11812; BR-PIPr., 652. Sitzung vorn 12. Februar 1993, S. 19 ff. 418 BGBI. 1992 I, S. 2086. 419 BGBI. 199211, S. 1251. 420 BGBI. 1993 I, S. 311; Bekanntgabe des Inkrafttretens zum 1. November vorn 25. Oktober 1993, BGBI. 1993 I, S. 1780.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
2. Überblick Die hiermit geschaffene Rechtslage stellt sich nunmehr wie folgt dar: Ausgangsnorm der verfassungsrechtlichen Regelungen bildet der Mitwirkungsgrundsatz in Art. 23 Abs. 2 Satz I GG: "In Angelegenheiten der Europäischen Union wirken der Bundestag und durch den Bundesrat die Länder mit." Gestützt auf den Regelungsvorbehalt in Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG, demzufolge das Nähere der neuen Rechte des Bundestages durch ein Gesetz geregelt wird, konkretisiert § I EUZBBG: "In Angelegenheiten der Europäischen Union wirkt der Bundestag an der Willensbildung des Bundes mit." Der nächste Regelungsbereich in Verfassung und EUZBBG betrifft die Unterrichtungspflicht der Regierung. So statuiert Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG: "Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten."
§§ 3,4 EUZBBG halten diesbezüglich fest: ,,[§ 3] Die Bundesregierung unterrichtet den Bundestag umfassend und zum frühestmögli-
chen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten." ,,[§ 4] Die Bundesregierung übersendet dem Bundestag insbesondere die Entwürfe von
Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union und unterrichtet den Bundestag zugleich über den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung, über das beim Erlaß des geplanten Rechtssetzungsaktes innerhalb der Europäischen Union anzuwendende Verfahren und den 'voraussichtlichen Zeitpunkt der Befassung des Rates, insbesondere den voraussichtlichen Zeitpunkt der Beschlußfassung im Rat. Sie unterrichtet den Bundestag unverzüglich über ihre Willensbildung, über den Verlauf der Beratungen, über die Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission, über die Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten sowie über die getroffenen Entscheidungen." Schließlich regelt Art. 23 Abs. 3 Satz I GG das Recht des Bundestages zur Stellungnahme: "Die Bundesregierung gibt dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union." Die diesbezügliche einfachgesetzliche Normierung findet sich in § 5 Satz 1, 2 EUZBBG: "Die Bundesregierung gibt vor ihrer Zustimmung zu Rechtsetzungsakten der Europäischen Union dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Frist zur Stellungnahme muß so bemessen sein, daß der Bundestag ausreichend Gelegenheit hat, sich mit der Vorlage zu befassen."
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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Die Pflicht zur Berücksichtigung der parlamentarischen Stellungnahmen schreibt Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG fest: "Die Bundesregierung berücksichtigt die Stellungnahmen des Bundestages bei den Verhandlungen. "
Bezüglich dieser Regierungsverpflichtung normiert § 5 Satz 3 EUZBBG: "Die Bundesregierung legt die Stellungnahme ihren Verhandlungen zugrunde."
In institutioneller Hinsicht bestimmt Art. 45 Satz 1 GG wie auch der gleichlautende § 2 Satz 1 EUZBBG: "Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union."
Die Ermächtigung zur Übertragung der Rechte aus Art. 23 GG auf den Europaausschuß findet sich in Art. 45 Satz 2 GG: "Er kann ihn ennächtigen, die Rechte des Bundestages gemäß Art. 23 gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen."
Hierzu formuliert § 2 Satz 2 EUZBBG: "Der Bundestag kann den Ausschuß ennächtigen, für ihn Stellungnahmen abzugeben."
11. Parlamentsrechtliche Regelungen
1. Rechtsnatur Der Bundestag selbst hat der neuen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Rechtslage durch Änderung seiner Geschäftsordnung in §§ 93, 93 a am 15. Dezember 1994421 Rechnung getragen, der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union hat sich am 25. Oktober 1995 detallierte Verfahrensgrundsätze gegeben. 422 Er ist hiermit seiner Verpflichtung aus § 93 a Abs. 7 GO-BT nachgekommen, Grundsätze über die Behandlung der ihm gern. § 93 GO-BT zugeleiteten Unionsvorlagen aufzustellen, d. h. Grundsätze über die Mitwirkung des Europaausschusses an der europäischen Rechtsetzung. Aufgeworfen ist hiermit die Frage nach der Rechtssatzqualität der Grundsätze und nach deren Rechtsverbindlichkeit zum einen innerhalb des Parlaments wie auch im Verhältnis zur Bundesregierung. Diese Problematik stellt sich in ähnlicher Weise auch für die geschäftsordnungsrechtlichen Regelungen in den §§ 93, 93 a GO-BT und wird ebenfalls untersucht. Einzelfragen werden dagegen erst im Zusammenhang mit den Einzelfragen
421 BT-Drs. 13/89; BT-PIPr., 13. WP/9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 440 ff.; BGBI. 1995 I, S. 11. 422 Abdruck s. Anhang III.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
der Auslegung im Folgeabschnitt und im Rahmen der Darstellung des parlamentarischen Verfahrens der EG-Vorlagenbehandlung in Kapitel 3 B. erörtert. Die Frage nach der Rechtsnatur der "Grundsätze des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union über die Behandlung der ihm gemäß § 93 GO-BT zugeleiteten Unionsvorlagen" (im folgenden: EU-Grundsätze) begegnet ähnlichen Problemen wie die parallele Frage nach der Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen. Im Rahmen dieser Untersuchung soll nicht näher auf den diesbezüglichen Streit und die Überzeugungskraft der zahlreichen Meinungen eingegangen werden, dies ist mehrfach und umfangreich an anderer Stelle geleistet worden. Zudem ist die rechtliche Relevanz der dogmatischen Einordnungsversuche fraglich, denn Schlußfolgerungen lassen sich aus der üblicherweise an der Phänomenologie orientierten Qualifizierung kaum gewinnen. So läßt sich der seit Perels423 auch heute verbreiteten Meinung in der Literatur424 und in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung,425 derzufolge es sich bei parlamentarischen Geschäftsordnungen um autonome Satzungen handelt, zwar überzeugend entgegenhalten, daß unter den Begriff der Satzung lediglich eine autonom gesetzte Norm einer juristischen Person, nicht aber die eines Verfassungsorgans fällt. 426 Allerdings anerkennt auch die höchstrichterliche Rechtsprechung, daß sich aus dem Wesen und der Aufgabe parlamentarischer Geschäftsordnungen besondere Grundsätze für deren Auslegung ergeben müssen. 427 Vor diesem Hintergrund ist zu bezweifeln, ob sich durch andersartige Einordnungen, etwa als Verfassungssatzungen,428 als (autonome) Organsatzungen429 oder als Recht sui generis die rechtlich interessierenden Fragen nach der Hervorbringung, nach dem Geltungsbereich und nach der Wirkungsweise parla423 PereIs, Geschäftsgang und Geschäftsformen, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts 1,1933, § 40, S. 449 (449 f.). Bereits Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches I, 5. Aufl. 1911, § 36, S. 344, anerkannte die Rechtssatzqualität der Reichstagsgeschäftsordnung und konstatierte eine Bindung allein der Mitglieder des Reichstages. 424 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 577; Ritzel/Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, Ein!. zur GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), S. 4; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 (Stand der Bearb. 1960), Rdnr. 21. 425 Explizit BVerfGE I, 144 (148). In späteren Entscheidungen vermied das Gericht eine so deutliche Festlegung der Rechtsnatur, BVerfGE 10,4 (13); BVerfGE 44, 308 (317); BVerfGE 70, 324 (360 f.). 426 So Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Achterberg / Schulte, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 6, 3. Aufl. 1991, Art. 40 Rdnr. 37; Dreier, Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990,310 (313). 427 BVerfGE I, 144 (148). 428 Böcken!örde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 122; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S.123. 429 Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 26 III 6 d (S. 84); zust. Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestags nach dem Grundgesetz, 1984, S. 23.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
189
mentarischer Verfahrensregeln besser beantworten lassen. 43o Häufig wird bei der Bestimmung der Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen außerdem der methodische Fehler begangen, daß der Umstand, den es gerade zu belegen gilt, als alleinige Argumentationsbasis gewählt wird. Um eine petitio principii 431 in diesem Sinn handelt es sich etwa, wenn der Geschäftsordnung zunächst die Bindungswirkung abgesprochen wird und sie deshalb im Sinne von Hatschek als bloße informale Verfassungskonventionalregel eingeordnet wird. 432 Die Fragen müssen vielmehr im Wege der Auslegung der höherrangigen rechtlichen Grundlagen geklärt werden, dies gilt für die GO-BTwie auch für die EU-Grundsätze. Zuvor aber seien einige Überlegungen zur Zulässigkeit, zur Genese und zum Inhalt der parlamentsrechtlichen Vorschriften vorangestellt. 2. Zu lässigkeit, Entstehung und Inhalt
a) §§ 93, 93 a GO-BT Die notwendige geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung der Art. 23, 45 GG wurde bereits in der 12. Wahlperiode innerhalb der Bundestagsverwaltung und in den Fraktionen behandelt; ein diesbezüglicher Antrag der SPD-Fraktion433 blieb indes ohne Erfolg. Das Scheitern ist auf den Umstand zuriickzuführen, daß die Regierungsfraktionen die verfahrensrechtlichen und personalpolitischen Konsequenzen vermeiden wollten, die die Umwandlung des bereits bestehenden EG-Ausschusses der 12. Wahlperiode mit sich gebracht hätte. 434 So kam es erst zu Beginn der 13. Wahlperiode, nach der ungewöhnlich langen Übergangsphase von zwei Jahren seit der Verfassungsreform, zu der Geschäftsordnungsänderung. 435 Der neugefaßte § 93 GO-BT regelt insbesondere Fragen des Überweisungs- und Zuleitungsverfahrens von Unionsvorlagen und ihre Behandlung im Deutschen 430 Für die Unfruchtbarkeit der Einordnungsversuche auch Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, S. 39 f.; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, 1997, S. 62 ff.; Butzer, Die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten im Rechtsquellenkanon des Parlamentsrechts, ZPar!. 1993, 384 (391), allg. zur Methode Schnapp, Geltung und Auswirkungen des Gesetzesvorbehalts im Vertragsarztrecht, MedR 1996,418 (419). 431 Hierzu Egon Schneider, Logik für Juristen, 3. Auf!. 1991, § 50 (S. 175). 432 Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches I, 1915, § 5 11 (S. 43). 433 BT-Drs. 12/7823 vom 10. Juni 1994. 434 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 7 f.; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 277. Ausführlich zur Entwicklung auch der vorangegangenen geschäftsordnungsrechtlichen Regelungen und Verfahrensweisen s.u. Kap. 3, B.I., 11. (S. 273 ff., 286 ff.). 435 BT-Drs. 13/89; BT-PIPr., 13. WP/9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 440 ff.; BGB!. 1995 I, S. 11.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
Bundestag. In ihrem Absatz I nimmt die Vorschrift zur Umschreibung des Gegenstands der parlamentarischen Behandlung die §§ 3 - 5 EUZBBG in Bezug. § 93 Abs. 2 GO-BTsieht vor, daß alle Ausschüssse des Bundestages - nicht nur der Europaausschuß - Unionsdokumente unabhängig von einer förmlichen Zuleitung durch die Bundesregierung zum Verhandlungsgegenstand erklären können. Dieses sog. "Zugriffsrecht,,436 ermöglicht es, in europäischen Angelegenheiten weitergehend als bei dem traditionellen Selbstbefassungsrecht gern. § 62 Abs. I Satz 3 GOBT dem Plenum Beschlußempfehlungen zuzuleiten. § 93 Abs. 3 und 4 GO-BT regeln das Verfahren zur Überweisung an die Ausschüsse, so das besondere Vorschlagsrecht des Vorsitzenden des Europaausschusses. Im übrigen fehlt es allerdings an konkreten Ausgestaltungen des Verhältnisses zu den Fachausschüssen. Ferner eröffnet die Neuregelung in Absatz 5 Satz I den Ausschüssen die Gelegenheit, außerhalb des aufwendigen Verfahrens nach § 70 GO-BT Mitglieder des EP sowie des Rates und der Kommission der Europäischen Union oder deren Beauftragte zu ihren Beratungen hinzuzuziehen. Absatz 5 Satz 2 sieht zudem die Möglichkeit vor, Dokumente gemeinsam mit EP-Ausschüssen gleicher Zuständigkeit beraten zu können; Absatz 6 schafft die Grundlage für die bereits zuvor praktizierte Entsendung von Delegationen zu Organen der Europäischen Union.
In dem neugeschaffenen § 93 a GO-BT werden Sonderbefugnisse des Europaausschusses detailliert beschrieben und ausgestaltet. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit regelt Absatz 1 nur, daß dem Ausschuß die Behandlung der Unionsvorlagen nach Maßgabe der GO-BT und den Beschlüssen des Bundestages obliegt. Ein von den Fachausschüssen sicher abzugrenzender Bereich ist hiermit gerade nicht festgelegt. Besondere Bedeutung kommt der näheren Ausgestaltung der in Art. 45 Satz 2 GG gewährleisteten Delegation von Entscheidungsbefugnissen zu, die in § 93 a Abs. 2 GO-BT - Einzelfallermächtigung - und in § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT - begrenzte Generalermächtigung mit Widerspruchsrecht der Fachausschüsse - gefunden wurde. Absatz 4 statuiert in diesem Zusammenhang besondere Berichtspflichten des Ausschusses. Sonderrechte sind ferner die Möglichkeit zur Entscheidung im schriftlichen Verfahren gern. § 93 a Abs. 3 Satz 4 GO-BT, die Sondersitzungsbefugnis gern. § 93 a Abs. 3 Satz 5 GO-BT, das Änderungsantragsrecht zu Beschlußempfehlungen des federführenden Ausschusses gemäß Absatz 5. Der Europaausschuß kann außerdem gern. § 93 a Abs. 6 GO-BT Abgeordnete des Europäischen Parlaments zu mitwirkungs berechtigten Ausschußmitgliedern benennen. Auf diese Punkte wird in Kapitel 3 B. detailliert eingegangen. In § 93 a Abs. 7 GO-BT wird der Ausschuß schließlich verpflichtet, Verfahrensgrundsätze aufzustellen.
436 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 12.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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b) Grundsätze des Europaausschusses Die vorbenannte Bestimmung des § 93 a Abs. 7 GO-BT entspricht in etwa dem § 107 Abs. 2 GO-BT, dem zufolge sich der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Grundsätze über die Behandlung von Ersuchen auf Aufhebung der Immunität von MdB zu geben hat; sowie dem § 110 Abs. 1 GO-BT, der die Aufstellung von Grundsätzen des Petitionsausschusses über die Behandlung von Bitten und Beschwerden im Einzelfall gebietet. Diese geschäftsordnungsrechtlichen Regelungen beinhalten Kompetenzzuweisungen an die jeweiligen Parlamentsausschüsse und sind Ausdruck des Selbstorganisationsrechts des Bundestages für seinen inneren Bereich. 437 Träger der Geschäftsordnungsautonomie ist das Gesamtorgan, Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG erfaßt nicht ausdrücklich den Fall der Weiterermächtigung. Hierauf sind die Organisationsbefugnisse des Parlaments allerdings wie gezeigt auch nicht begrenzt. Es ist daher zulässig, in der GO-BT Ausschüsse zum Erlaß von Sondergeschäftsordnungen für ihren Bereich zu ermächtigen. Die geschäftsordnungsrechtliche Ermächtigung und Verpflichtung an den Europaausschuß, Grundsätze über die Behandlung von Unionsvorlagen, zu entwickeln, geht auf die Schwierigkeiten des Bundestages bei der Entwicklung seiner Binnenstruktur in europäischen Angelegenheiten zurück. 438 So war zum einen die Abgrenzung des Geschäftsbereiches des Europaausschusses zu denen der Fachausschüsse regelungsbedürftig, zum anderen war in der 13. Wahlperiode angesichts der zunehmenden Zahl an Unionsvorlagen eine verwaltungsmäßige Neustrukturierung und Effektivierung der Sekretariatsabläufe erforderlich. Außerdem sollte aufgrund des komplizierten Unionsvorlageverfahrens die Transparenz der Ausschußarbeit gefördert werden. Das Verfahren zur Schaffung der Grundsätze erwies sich als kompliziert und mit seiner Dauer von 10 Monaten langwieriger als ursprünglich erwartet. Der Europaausschuß hatte dabei - unterstützt vom Geschäftsordnungsausschuß - zum einen rechtliche Probleme zu bewältigen; er hatte aber auch den Widerständen der anderen Fachausschüsse Rechnung zu tragen und deren Bedenken zu berücksichtigen. Voraussichtlich wird auf der Grundlage der praktischen Erfahrungen der 13. Wahlperiode im Laufe der 14. Wahlperiode eine kritische Überprüfung der Grundsätze stattfinden439 . Derzeit enthalten die EU-Grundsätze zum einen verwaltungsmäßige Anweisungen an das Ausschußsekretariat und das ebenda angesiedelte Europabüro. Hierzu 437 Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 116 ff.; ders., Die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten im Rechtsquellenkanon des Parlamentsrechts, ZParl. 1993,384 (388). Allg. zum Selbstorganisationsrecht s.o., Kap. 2, A.III.2. (S. 144 ff.). 438 s. ausführl., Kap. 3, B.I.1. (S. 273 ff.). 439 Gegenwärtig sind die förmlich in der 18. Sitzung des Europaausschußes vom 25. Oktober 1995 beschlossenen Grundsätze noch aktuell, s. Sekretariat des Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 61 f.
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
rechnet namentlich § 9 EU-Grundsätze, der die Organisation der Verfahrensabläufe zum Gegenstand hat. Im Vordergrund stehen daneben organisations- und verfahrensrechtliche Bestimmungen, die die Kooperation zwischen dem Europaausschuß und den Fachausschüssen regeln. So enthalten § 1 i. Y.m. Anh. I und § 4 Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit, die Zuleitung an die Ausschüsse und über die Federführung bei der Behandlung von Unionsdokumenten. Hinzu treten mit §§ 57, 10 EU-Grundsätze spezielle Regelungen für die mit Art. 45 Satz 2 GG erstmals verfassungskräftig verankerte Befugnis zum Erlaß plenarsersetzender Stellungnahmen. Schließlich finden sich in den Grundsätzen Vorschriften über die Informationspflichten der Bundesregierung: §§ 2, 3 i.V.m. Anh. 11 und 8 konkretisieren Form und Inhalt der Unterrichtung. Was diese Regelungsgegenstände anbelangt, so ist in stärkerem Maße eine Vergleichbarkeit mit den Grundsätzen des Petitionsausschusses festzustellen als mit den Grundsätzen in Immunitätsangelegenheiten, die eine erhebliche Außenwirkung zeitigen 440 und die eine einzelfallunabhängige Entscheidungsgrundlage gewährleisten sollen. Zu diesem Zweck enthalten die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten neben Regelungen des Immunitätsverfahrens Entscheidungsgrundsätze und Festlegungen für die Interpretation des Art. 46 GG. Auch die Petitonsgrundsätze sollen zwar die Gleichbehandlung der an den Bundestag herangetragenen Einzelfälle gewährleisten, vorrangig geht es aber ebenso wie in den EU-Grundsätzen um die Regelung der Ausschußkooperation.
440 Butzer; Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 130 ff. Die Petitionsgrundsätze haben dagegen im wesentlichen nur Innenwirkung, Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 110 GO-BT (Stand der Bearb. lan. 1990), Anm. I c; Graf VitzthumlMärz, Der Petitionsausschuß, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 45 Rdnr.28.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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3. Rechtssatzqualität und Rechtsverbindlichkeit
a) §§ 93, 93 a GO-BT Wie dargelegt, läßt sich der Dichotomie von Innen- und Außenrecht nichts über den Rechtssatzcharakter einer Bestimmung entnehmen. 441 Ausschlaggebend ist vielmehr, ob es sich um eine sprachlich objektivierte Verhaltenserwartung mit Verbindlichkeitscharakter handelt. Im Gegensatz zu den metarechtlichen Normierungen von Religion, Ethik und Sitte wird diese Voraussetzung von den parlamentarischen Geschäftsordnungen erfüllt. 442 Die Verbindlichkeitswirkung wird dabei weder durch die Diskontinuität443 der GO-BT unterlaufen, ebensowenig wie dies bei Zeitgesetzen oder zeitlich begrenzten Verordnungen der Fall ist, noch durch die Möglichkeit der Abweichung im Einzelfall. Abweichungen von der GO-BT sind im Einzelfall ohne Geschäftsordnungsänderung unter den Voraussetzungen des § 126 GO-BT zulässig und für die Erprobung in der parlamentarischen Praxis auch oftmals notwendig. Häuft sich die Erforderlichkeit von Abweichungen bzgl. einer bestimmten Materie, kann dem in der Folgezeit durch eine Verankerung in der GO-BT Rechnung getragen werden. 444 Die Möglichkeit zu Abweichungen ist auch gesetzlichen Regelungen, etwa im Bereich des Baurechts, nicht fremd, wenn auch die Dispensklauseln auf genau bestimmte Fälle bezogen und an benannte Voraussetzungen geknüpft sind. Im Bereich der parlamentarischen Geschäftsordnungen sind die Abweichungsanforderungen dagegen besonders gering, es genügt - die Vereinbarkeit mit der Verfassung vorausgesetzt - ein Beschluß von 2/3 der anwe441 Überwunden ist heute die vornehmlich von Laband und Georg Jellinek begründete Impenneabilitätstheorie, derzufolge innerhalb des Rechtssubjekts Staat keine Rechtsbeziehungen bestehen, mit der Folge, daß die staatliche Binnenstruktur dem Recht entzogen ist, hierzu Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 19 ff.; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, 1968, S. 57 f., 120, 154 ff.; Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980),243 (245 ff.); ders., Grundbegriffe des öffentlichen Organisationsrechts, Jura 1980, 68. Zur GO-EP s.o. Kap. I, A.II.4.c) (S. 56 f.). 442 Im Grundgesetz zeigt sich dies beispielsweise in Art. 93 Abs. I Nr. 1 GG, demzufolge die Geschäftsordnungen nonnative Basis (betr. die Parteifähigkeit) für die gerichtliche Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten sind. 443 Die GO-BT muß nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur von jedem einzeln gewählten Bundestag wieder erneut beschlossen werden; die Gegenansicht erachtet diese befristete Geltung angesichts der anders verlaufenden Staats praxis als leere Fiktion, zum Meinungsstand Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, 1997, S. 69 f.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 241 ff. 444 So im Fall der Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen, An!. 4 GO-BT, vg!. Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, 1997, S. 73 Fußn. 255. Auch die Mitwirkungsberechtigung von MdEP im Europaausschuß des Bundestages wurde zunächst durch Beschluß gern. § 126 GO-BT ennöglicht, BT-Drs. 11/927; BT-PIPr. 11. WP 136. Sitzung vom 5. November 1987, S. 2471, und ist nun in § 93 a Abs. 6 GO-BT geschäftsordnungsrechtlich verankert.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
senden MdB. Dieser Beschluß wird zudem in der Praxis selten ausdrücklich gefaßt, vielmehr wird stillschweigend abgewichen, wenn kein Widerspruch erfolgt. Dennoch ist hiermit ein Abweichen von der Norm nicht etwa ins freie Belieben des Bundestages gestellt, es handelt sich lediglich um eine erhebliche Verfahrenserleichterung. Diese ist durch den Umstand gerechtfertigt, daß Normgeber und Normadressat personenidentisch sind;445 die erleichterte Abänderbarkeit kann nicht zu einer Aberkennung des Rechtssatzcharakters führen. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß gravierende Veränderungen des geschäftsordnungsrechtlichen Regelwerks selten und zumeist nur nach intensiver partei- und fraktionsübergreifender Beratung und auf breiter Mehrheitsgrundlage erfolgen. Nachvollziehbar sind vor diesem Hintergrund Einschätzungen, die die GOBT in ihren Grundstrukturen sogar als ebenso dauerhaft ansehen wie Gesetze, wenn nicht sogar als dauerhafter. 446 Um die Rechtssatzqualität zu bejahen, bedarf es damit keiner Zuordnung zu einer Rechtsquelle des Außenrechts. b) Grundsätze des Europaausschusses Diese Erwägungen gelten entsprechend für die ausschußerlassenen EU-Grundsätze, die Rechtsnormen sind, da auch ihnen Verbindlichkeitscharakter zukommt. Die Verbindlichkeit gilt allerdings nicht für das Gesamtorgan Bundestag; insoweit ist zu beachten, daß innerhalb des Geschäftsordnungsrechts verschiedene Normebenen existieren. Im Hinblick auf ausschußerlassene Grundsätze wird zwar teilweise vertreten, daß es sich formal um (delegiertes) Geschäftsordnungsrecht handele. 44? Diese formale Einordnung als Geschäftsordnungsrecht ist zumindest mißverständlich, da es sich gerade nicht um Normen handelt, die vom Bundestag erlassen (oder diesem zugerechnet) werden. Grundsätzlich gehören auch die Anlagen zur GO-BT trotz ihrer Verortung erst am Ende der geschäftsordnungsrechtlichen Paragraphenfolge vollwertig zum Regelungswerk der GO_BT. 448 Anders als die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten, die vom 1. Ausschuß jeweils zu Beginn der Wahlperiode beschlossen und als Anlage (Nr. 6) zur GO-BT niedergelegt werden, sind weder 445 Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 134; Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 34; allg. zu der Besonderheit der Identität von Normgeber und -adressat Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S.45. 446 So Dreier, Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990, 310 (316); zur Kontinuität des Geschäftsordnungsrechts auch Kretschmer, Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnrn. 22 ff. 44? Für den Petitionsausschuß Graf Vitzthuml März, Der Petitionsausschuß, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 45 Rdnr. 28. 448 Kretschmer, Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider / Zeh, Parlarnentsrecht, 1989, § 9 Rdnrn. 55 ff.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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die EU-Grundsätze noch die Petitionsgrundsätze als Anlagen zur GO-BT veröffentlicht. Ausschlaggebend ist dies aber nicht, vielmehr zeigt die nähere Betrachtung, daß auch innerhalb der Anlagen zur GO-BT verschiedene Normstufen existieren. 449 Auf einer Normebene mit §§ 1-128 GO-BT stehen die "Richtlinien für die Fragestunde und für die schriftlichen Einzelfragen" (Anlage 4), die "Richtlinien für Aussprachen zu Themen von allgemeinem Interesse" (Anlage 5) und die Vorschriften über die "Befragung der Bundesregierung" (Anlage 7). Diese plenarbeschlossenen Richtlinien sind lediglich aus Gründen der Übersichtlichkeit in den Anlagen zur GO-BT niedergelegt, es handelt sich um ausgelagertes Geschäftsordnungsrecht. Dies wird teilweise auch ausdrücklich in der GO-BT klargestellt. 45o Diese Ranggleichheit trifft dagegen nicht für ausschußerlassenes Recht zu, unabhängig davon, ob es als Anlage zur GO-BT niedergelegt wird oder nicht. In diesen Fällen gilt vielmehr ein Vorrang der Geschäftsordnung,451 soweit überhaupt eine Rangfrage aufgeworfen ist. Dies setzt voraus, daß Rechtssätze unterschiedlicher Genese den gleichen Gegenstand zu regeln beanpruchen,452 hier beispielsweise die Kooperation des Europaausschusses mit den Fachausschüssen. Der Erlaß von Geschäftsordnungsrecht muß zwar nicht in einem gesetzgebungsähnlichen Verfahren erfolgen, notwendig ist aber ein Mehrheitsbeschluß des Plenums. Aus diesem Grund ist kein Ausschuß und kein sonstiges Organ des Parlaments aus eigener Machtvollkommenheit befugt, für das Parlament als Ganzes eine Geschäftsordnungsregelung zu treffen. 453 Im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts durfte der Bundestag den Europaausschuß zur Rechtsetzung ermächtigen, da die Verfahrens grundsätze aber nur von einem Teil des Plenums beschlossen 449 Butzer; Die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten im Rechtsquellenkanon des Parlamentsrechts, ZPar!. 1993, 384 (387); Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 247 ff. 450 So in § 17 Satz I GO-BT für die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages (Anlage 3). § 18 GO-BTerklärt die in Anlage I niedergelegten Verhaltensregeln für Mitglieder des Bundestags für Bestandteile der GO-BT. Diese nehmen darüber hinaus aber eine Sonderstellung ein - so ist die Möglichkeit der Abweichung im Einzelfall nicht eröffnet - da sie ihre Rechtsgrundlage in § 44 a AbgG finden, s. näher Butzer; Die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten im Rechtsquellenkanon des Parlamentsrechts, ZPar!. 1993, 384 (387). 451 Für die Zulässigkeit einer solchen Rechtsfigur Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 274 ff. A.A. Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 61, der aufgrund der von ihm bejabten Innenrechtsnatur der GO-BT eine dem Gesetzesvorrang im Außenbereich vergleichbare Vorrangwirkung für ausgeschlossen erachtet. Auch Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 70 ff. betont, daß im Innenbereich kein Vorrang allgemeinerer Regelungen vor speziellen gelte, da dies nicht durch das Recht geregelt sei und sich auch nicht von selbst verstehe. Vorliegend ergibt sich das Rangverhältnis aber denklogisch aus dem Umstand, daß die Geschäftsordnungsvorschrift dem Ausschuß Rechtsetzungsbefugnisse überträgt. Jede begrenzte Ennächtigung enthält gleichzeitig das Verbot, Akte zu erlassen, die sich außerhalb des Ennächtigungsbereichs bewegen, hierzu allg. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 195. 452 Ausführ!. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 193 f. 453 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 327.
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
werden, führt dies nicht zu einer Gleichrangigkeit von Ausschußgrundsätzen und plenarbeschlossener Geschäftsordnung. Letztere - konkret § 93 a Abs. 7 GO-BT bildet die jederzeit widerrufliche Rechtsgrundlage für die Grundsätze und ist damit als höherrangiges Recht maßstabbildend. 454 Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht die Regelung des § 74 GO-BT. Diese ordnet u. a. die Anwendbarkeit von Bestimmungen der GO-BT auf Auschüsse an, soweit die Verfahrensregeln für Ausschüsse nichts anderes bestimmen. Daraus ergibt sich zwar, daß die Verfahrensrege1n für Ausschüsse Vorrang vor den übrigen Verfahrensrege1n der GO-BT haben,455 gemeint ist damit aber nur das Verhältnis spezieller GO-BT-Vorschriften im Verhältnis zu allgemeineren. Nicht gemeint sind dagegegen solche Ausschußverfahrensregeln ("Ausschußgeschäftsordnungen"), die von Ausschüssen selbst erlassen werden. Indem durch § 74 GO-BT die Anwendbarkeit von § 126 GO-BT für Ausschüsse ausgeschlossen ist, wird vielmehr klargestellt, daß die Ausschüsse bei Erlaß ihrer Grundsätze an die GO-BT gebunden sind und hiervon nicht durch Beschluß mit 2/ 3-Mehrheit abweichen können. Das Plenum ist an die Grundsätze nicht gebunden, es kann ihnen aber, indem es sich - wie es etwa bei den Grundsätzen in Immunitätsange1egenheiten der Fall ist - fast ausnahmslos den Grundsätzen entsprechend verhält, diesen zu einer hohen faktischen Verbindlichkeit verhelfen. Ein Verbindlichkeitscharakter der Grundsätze wäre dann abzulehnen, wenn es dem Ausschuß selbst freistände, ob er die von ihm aufgestellten Grundsätze beachtet oder nicht. Der maßstabbildende § 93 a Abs. 7 GO-BT bestimmt, daß der Ausschuß die Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner Beschlußempfehlungen an den Bundestag bzw. seiner plenarersetzenden Stellungnahmen zu machen hat. Damit ist zwar keine strikte Selbstbindung des Ausschusses gegenüber dem Plenum festge1egt,456 dies wäre den Anforderungen von Flexibilität in der parlamentarischen Praxis aber auch kaum dienlich. Die fehlende "Unverbrüchlichkeit" - die auch im Bereich des "Außenrechts" wie gezeigt nicht durchgängig existiert - verbietet dabei keineswegs die Annahme eines Rechtssatzes; ausschlaggebend ist, daß eine willkürliche Disposition über die Verfahrensregeln ausgeschlossen ist. Mit Festlegung der Grundsätze gibt der Ausschuß dem Plenum und den anderen Fachausschüssen gegenüber zu erkennen, daß er diese von ihm aufgestellte, vom Einzelfall losgelöste Regelung seiner Arbeit zugrunde legen will. In begründeten Ausnahmefällen kann der Ausschuß von seinen Grundsätzen abweichen, muß dies aber dem Plenum darlegen. 457 Die Dispositionsbefugnis des Ausschusses endet dort, wo ein-
454 Die Rangordnung begründet - wegen der Verbindlichkeit der niederrangigeren Norm, über die sich der Adressat nicht hinwegsetzen darf - einen Geltungs-, keinen Anwendungsvorrang, hierzu näher Maurer; Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Auf!. 1997, § 4 Rdnr. 42. 455 Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 74 GO-BT, Anm. b. 456 So aber eine frühe Rechtsansicht des 1. Ausschusses bzgl. der Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten, BT-Drs. 1/2550, S. 12; BT-PlPr. 1 WP /179. Sitzung vom 6. Dezember 1951, An!. 1, S. 7450.
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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zeine Bestimmungen der Ausschußgrundsätze auf Bundestagsbeschlüssen beruhen. In diesen Fällen bedarf es zur Änderung der Grundsätze eines Plenarbeschlusses als actus contrarius. 458 Im herkömmlichen Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen hat der Bundestag immer die Möglichkeit, in seinem abschließenden Beschluß die Abweichung des Ausschusses von den Entscheidungsgrundsätzen zu bestätigen, sie abzulehnen oder durch eine andere, eigene Entscheidung zu ersetzen. Diese Option besteht zwar nicht im gleichen Maße in den Fällen der plenarersetzenden Stellungnahme gern. Art. 45 Satz 2 GG, § 93 a Abs. 2 Satz I, Abs. 3 Satz 2 GO-BT. Allerdings bleibt es dem Bundestag unbenommen, jederzeit selbst zu beschließen und durch Ausübung seines Rückholrechts Abweichungen von den Ausschußgrundsätzen (zumindest für die Zukunft) zu verhindern. Im Ausschuß selbst ist die für die Abweichung erforderliche Majorität die einfache Mehrheit, die auch für die Entscheidung in der Sache ausreichend wäre. Etwas anderes, d. h. die Notwendigkeit der Zweidrittelmehrheit, würde nur dann geiten, wenn § 126 GO-BT zumindest entsprechend Anwendung fände. Dies ist der Fall bei solchen innerparlamentarischen Rechtsquellen, die vom Plenum insgesamt beschlossen werden, wie etwa den Richtlinien für die Fragestunde in An!. 4 der GO-BT. Hier handelt es sich um Geschäftsordnungsrecht, das für das Gesamtorgan verbindlich ist. Eine solche Bindung des Plenums ist durch die Delegation in § 93 a Abs. 7 GO-BT auf den Europaausschuß aber nicht erfolgt, so daß eine dem § 126 GO-BT vergleichbare Rechtslage (auch im Fall der plenarersetzenden Stellungnahme) nicht gegeben ist. 459 Festzuhalten ist, daß es sich bei den EU -Grundsätzen um Rechtssätze handelt, an die der Europaausschuß - mit Abweichungsmöglichkeit gebunden ist und die im Bewußtsein ihrer Verbindlichkeit angewandt werden. 4. Personeller Bindungsumfang - Außenwirkung der Normen
a) §§ 93, 93 a GO-BT Ist damit die Rechtssatzqualität gegeben, so bleibt noch die Reichweite der rechtsverbindlichen Wirkung zu betrachten. Diese könnte sich außerhalb der "klassischen" Regelungsbereiche der Geschäftsordnungsautonomie - hierbei handelt es 457 So schon für die Immunitätsgrundsätze Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 136 ff.; Ritzel/Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 107 GOBT (Stand der Bearb. Januar 1990), Anm. II b. 458 Zum Rechtsbegriff des actus contrarius und seiner Verwendbarkeit im Staatsorganisationsrecht Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, S. 167 ff. 459 Gegen die Anwendbarkeit von § 126 GO-BT auf die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten auch Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 137; ders., Die Grundsätze in Immunitätsangelegenheiten im Rechtsquellenkanon des Parlamentsrechts, ZParl. 1993, 384 (392).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
sich etwa um die Untergliederung in Ausschüsse, um die Regelung des Geschäftsganges, um die Aufrechterhaltung der Disziplin, etc. 460 - auf andere an der europäischen Sekundärrechtsetzung Beteiligte erstrecken. So wird in § 93 Abs. 5, 6, § 93 a Abs. 6 GO-BT der Umgang mit Organen und Organteilen der Europäischen Union geregelt, in § 93 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GO-BT die Abgabe von Stellungnahmen durch den Europaausschuß an die Bundesregierung. In der Lehre allerdings bestehen erhebliche dogmatische Bedenken gegen parlamentarische Innenrechtssätze, die in den Außenbereich hineinwirken und Nichtparlamentariern Rechte und Pflichten auferlegen. Verbreitet wird Parlamentsgeschäftsordnungen Verbindlichkeitswirkung ausschließlich nach innen zugebilligt, etwas anderes gelte nur, solange die Bestimmungen Verfassungsrecht wiederholten oder sich auf Gewohnheitsrecht stützten. 461 Dieser auf das Staatsverständnis der konstitutionellen Monarchie zurückgehende Ansatz wird in der jüngeren Literatur zunehmend kritisch überprüft. 462 Gegen eine mögliche rechtliche Außenwirkung der GO-BT spricht zunächst der Wortlaut des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG ("gibt sich eine Geschäftsordnung"). Dem läßt sich allerdings entgegenhalten, daß Art. 40 Abs. I Satz 2 GG nicht isoliert betrachtet werden kann, sondern in seinem historischen und systematischen Kontext zu verstehen ist. Im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes steht der Bundestag im Mittelpunkt der Legitimations- und Handlungszusammenhänge. 463 Der in Art. 40 Abs. I Satz 2 GG verankerten Autonomie scheint vor diesem Hintergrund eine andere Qualität zuzukommen als der Autonomie des Parlaments in der konstitutionellen Monarchie. 464 War die Autonomiegewährung dort noch eine vorsichtig zu interpretierende Errungenschaft,465 so ist es unter dem 460 Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnm. 4, 20; Stern, Staatsrecht H, 1980, § 26 III 6 (S. 83). 461 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 59 ff.; Magiera. Die Rechte des Bundestags und seiner Mitglieder gegenüber der Regierung, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 52 Rdnr. 36 f.; Maunz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 40 (Stand der Bearb. 1960), Rdnr. 18; Stern. Staatsrecht H, 1980, § 26 III 6 d (S. 84). 462 Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 138 ff.; Kretschmer, Zur
Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Bereich, ZParl. 1986, 334 (341); Schwerin. Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 74 ff., 116 f. 463 Dreier, Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990, 310 (310 f.). 464 Für notwendig halten dies Bücker, Das Parlamentsrecht in der Hierarchie der Rechtsnormen, ZParl. 1986, 324 (332); Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 138 ff.; Dreier, Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990,310 (313 f.); Kretschmer, Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Bereich, ZParl. 1986,334 (337). 465 Zwar erfolgte die formelle Autonomiegewährleistung frühzeitig, sie blieb inhaltlich aber jedenfalls bis 1918 nur eine äußerst beschränkte; verbreitet galten die Parlamente als nachrangige Staatsorgane, s. Kühne. Volksvertretungen im monarchischen Konstitutionalismus (1814-1918), in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 2
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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Grundgesetz eine Selbstverständlichkeit, daß sich der Bundestag eine Geschäftsordnung gibt und kein Monarch oder Reichspräsident das parlamentarische Verfahren mitbestimmt. Heute gilt es überdies zu berücksichtigen, daß das Parlament mit Selbstverwaltungskörperschaften, die einer (wenn auch auf die Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkten) staatlichen Aufsicht mit entsprechenden Aufsichtsmitteln unterliegen, nichts gemein hat. Trotz des gewandelten Verständnisses von der Rolle des Parlaments handelt es sich bei einer Geschäftsordnung bereits nach dem Wortsinn in erster Linie um Vorschriften des Binnenbereiches. Die relative Verfügbarkeit der GO-BT wird durch die grundsätzliche Identität von Normgeber und Normadressat gerechtfertigt, so daß die Regelungsmaterien der GO-BT prinzipiell intraparlamentarisches Verfahrensrecht betreffen müssen. Geschäftsordnungsrechtliche Eingriffe in den eigenständigen Verantwortungsbereich anderer Verfassungsorgane läßt das Grundgesetz dagegen nicht in erkennbarer Weise zu, und hierauf ist bei dem gebotenen normativen Ansatz466 entscheidend abzustellen. Dennoch gilt zu berücksichtigen, daß Rechtssätze in aller Regel polyvalent sind, d. h. insoweit multifunktional, als sie mehrere Adressaten aufweisen. 467 Dies gilt für das Parlamentsrecht etwa dann, wenn es um die notwendige Regelung von Innen-Außen-Kooperation in einem Vorbehalts bereich des Bundestages geht oder wenn eine mittelbare Berührung außerparlamentarischer Rechtsverhältnisse unvermeidbar ist. 468 Dies kommt beispielsweise im Bereich der Immunitätsangelegenheiten und des Untersuchungsausschußwesens in Betracht;469 allgemein dann, wenn Nichtparlamentarier in das Verfahren des Bundestags einbezogen werden sollen. Der historische und verfassungssystematische Hintergrund des Art. 40 Abs. I Satz 2 GG spricht dafür, den "parlamentsinternen Bereich" - und damit den Bereich, in dem die GO-BT rechtsverbindliche Regelungen trifft - nicht zu eng zu definieren. Teilweise wird in diesem Sinne gefordert, dem Parlament, sofern ihm in einer Angelegenheit die ausschließliche Entscheidungskompetenz zugewiesen ist, im notwendigen Umfang auch solche Regelungen zu erlauben, die das Stadium der Vorbereitung und Durchführung seiner Entscheidung betreffen. Dies soll selbst dann gelten, wenn diese Rdnrn. 85 ff. So erkannte etwa Hatschek, Allgemeines Staatsrecht, 1. Teil, 1909, S. 91 f. zwar das Recht zu autonomischen Satzungen an; dennoch konstatierte er eine "ängstliche Scheu des Reichstags, sich und die autonomische Kompetenz durch den WiIIen eines anderen Organs binden zu lassen", ders., Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches 1,1915, S. 41. Außerdem sei der Reichstag stets auf der Hut gewesen, daß keine andere Körperschaft seine Geschäftsordnung regeln dürfte. 466 s.o. Kap. 2, A.I. (S. 103 ff.). 467 Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980),243 (254 f.); Schulte, in: v. Mangoldtl Klein I Achterberg I Schulte, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 6, 3. Aufl. 1991, Art. 40 Rdnr. 41. 468 Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 140; ähnl. Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 89 f. 469 Weit gehend, für das Wahlrecht, das Wahlpriifungsrecht, das Parteienrecht Bücker; Das Parlamentsrecht in der Hierarchie der Rechtsnonnen, ZParl. 1986,324 (329, 333).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
Regelungen in den Autonomiebereich des anderen Organs hineinreichen. 47o In diesem Zusammenhang gilt allerdings zu beachten, daß ein pauschaler Hinweis auf eine "Gemengelage" von Innen- und Außenrecht nicht dazu instrumentalisiert werden darf, die notwendige dogmatische Abgrenzung zu vemachlässigen. 471 Ist allerdings die Parlamentszuständigkeit für einen Bereich verfassungsrechtlich festgelegt, dann ist die GO-BT der systematisch geeignete und gern. Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG zulässige Regelungsstandort, auch wenn die Regelungen außerhalb des Bundestags stehende Personen oder Organe betreffen. Dogmatische Bedenken bestehen solange nicht, wie die Zuordnung zum parlamentarischen Internbereich nicht aufgrund einer vermeintlichen Parlamentssuprematie oder zumindest einer Kompetenzpräsumtion vorgenommen wird. Vielmehr müssen die verfassungsrechtlichen Vorgaben beachtet werden; so im Falle von Individualpersonen die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte: Die Befugnis, in der Geschäftsordnung außenwirksame Regelungen zu treffen, bedeutet i.d.R. einen Eingriff in fremde Freiheits- und Organisationsrechte, der dann der Grundlage in einem förmlichen Gesetz bedarf. Bei Individualpersonen besteht die Möglichkeit eines Grundrechtsverzichts. Ein solcher wird verbreitet angenommen, wenn der Betroffene freiwillig in den inneren Parlamentsbereich eintritt oder wenn eine Einbeziehung aufgrund verfassungsrechtlicher Befugnisse erfolgen darf. 472 So ist die GO-BT das taugliche Instrument, Nichtparlamentarier in sachgerechter Weise in das parlamentarische Verfahren einzubeziehen, sei es gern. § 93 Abs. 5 GO-BT Abgeordnete des EP, Rats- oder Kommissionsmitglieder als Auskunftspersonen oder gern. § 93 a Abs. 6 GO-BT deutsche MdEP als Mitglieder des Europaausschusses. Daneben geht es um die rechtsverbindliche Verpflichtung anderer Verfassungsorgane, namentlich der Bundesregierung. Ihr wird durch die § 93 a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GO-BT vorgegeben, daß ihre Befassungs- und Beriicksichtigungspflichten auch an ausschußerlassene Stellungnahmen anknüpfen können. Der wechselseitigen Unabhängigkeit der Verfassungsorgane wegen bedarf es einer verfassungsrechtlichen Grundlage. Die Entscheidungskompetenz in Angelegenheiten der europäischen Sekundärrechtsetzung ist Regierung und Parlament zur gesamten Hand zugewiesen, es besteht keine ausschließliche Zuständigkeit eines der bei den 470 Konkret für die Entscheidungskompetenz des Bundestages über die Aufrechterhaltung von Immunität Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 144. 471 Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 15, der - noch weiter gehend - Überschneidungen gänzlich für ausgeschlossen hält; Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen und allgemeine verfassungsrechtliche Grenzen des Selbstorganisationsrechts des Bundestages, 1992, S. 149 f. 472 Kretschmer, Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Bereich, ZParl. 1986, 334 (341 f.); lsmayr, Der Deutsche Bundestag, 1992, S. 154; Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 25; Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, 1997, S. 78 f.; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 77 ff.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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Verfassungsorgane. Die Möglichkeit zur Delegation des Stellungnahmerechts auf den Europaausschuß ist allerdings in Art. 45 Satz 2 GG ausdrücklich vorgesehen, so daß die entsprechende geschäftsordnungsmäßige Konkretisierung nicht zu beanstanden ist. Im übrigen hat der Bundestag konfliktträchtige Geschäftsordnungsbestimmungen vermieden, sondern sich auf die in Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG festgeschriebenen Gesetzesermächtigung gestützt und die wesentlichen außenrechtlichen Regelungen in dem nicht zustimmungsbedürftigen EUZBBG getroffen. Zum einen entspricht es dem Gebot der Verfassungsorgantreue, im Rahmen der Zuständigkeiten die kooperationsfreundlichste Handlungsform zu wählen, d. h. hier der Bundesregierung die förmliche Einflußnahme im Gesetzgebungsverfahren zu ermöglichen. Außerdem ist es angesichts der verbreiteten Auffassung von der Unverbindlichkeit parlamentarischer Verfahrensregeln nach außen faktisch der einzige Weg, um unumstrittene Bindungswirkung herbeizuführen. b) Grundsätze des Europaausschusses Entsprechende Erwägungen treffen für die EU-Grundsätze zu. Auch sie enthalten Regelungen für andere Beteiligte als den normgebenden Ausschuß. 473 So richten sich die §§ 2, 3 i.Y.m. Anh. 11 und 8 EU-Grundsätze an die Bundesregierung und konkretisieren die dieser obliegenden Unterrichtungspflichten. Daß eine solche Außen wirkung auch seitens des Europaausschusses beabsichtigt ist, zeigt sich bereits daran, daß der Vorsitzende des Europaausschusses die Grundsätze nicht nur parlamentsintern bekannt gemacht hat, sondern auch alle Bundesminister schriftlich informiert und diese zur Beachtung der Ausschußgrundsätze aufgefordert hat. Ebenso wie im Rahmen der Geschäftsordnung gilt, daß die Gleichheit und die wechselseitige Unabhängigkeit der zur gesamten Hand an der europäischen Sekundärrechtsetzung beteiligten Verfassungsorgane einseitige Eingriffe in die Rechte des jeweils anderen Organs verbieten. Namentlich im Stadium der Vorbereitung europäischer Rechtsakte gibt Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG dem Bundestag indes einen besonders umfassenden Informationsanspruch, der eine Beurteilungsprärogative der Exekutive verkürzt. Um seinen Beitrag an der gemeinsamen Mitwirkung ausüben zu können, kann der Bundestag, soweit sein verfassungsrechtlicher Informationsanspruch reicht, im notwendigen Rahmen auch geschäftsordnungsrechtliche Regelungen über das Informationsverfahren treffen, die für die Regierung verbindlich sind. Die EU-Grundsätze enthalten ferner Vorschriften, die das Verhältnis des Europaausschusses zu anderen Parlamentsausschüssen ausgestalten. Wahrend es die vorrangige GO-BT vermeidet, in §§ 93, 93 a GO-BT einen vor dem Zugriff der Fachausschüsse gesicherten eigenständigen Geschäftsbereich des Europaausschus473 Ohne Begründung auch Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 75, der eine rechtlich verbindliche Außenwirkung gegenüber der Regierung bejaht.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
ses zu schaffen, treffen § I i.Vm. Anh. I und § 4 EU-Grundsätze Regeln über die sachliche Zuständigkeit, die Zuleitung an die Ausschüsse und die Federführung. Außerdem enthalten §§ 6,7 EU-Grundsätze Kooperationsregeln für den Ermächtigungsfall des Art. 45 Satz 2 GG. Zwar sieht § 93 Abs. 7 GO-BT ausdrücklich nur vor, daß der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union die Grundsätze zum Ausgangspunkt seiner Tätigkeit zu machen hat. Dies kann aber nicht abschließend gelten, wie schon aus dem Umstand erhellt, daß die Tätigkeit des Europaausschusses als Querschnittsausschuß nur in ständiger Kooperation mit den Fachausschüssen möglich ist. Aus diesem Grunde wurden die Fachausschüsse auch umfassend am Rechtserzeugungsprozeß beteiligt. Solange nicht geschäftsordnungsrechtlich gesicherte Befugnisse der Fachausschüsse beeinträchtigt oder gegenteilige Plenarbeschlüsse herbeigeführt werden, ist also für den notwendigen Bereich der Kooperation auch die Rechtsetzung des Europaausschusses mit Wirkung für die Fachausschüsse zulässig. Dies wird nicht zuletzt durch die verfassungsrechtliche Verankerung des Europaausschusses in Art. 45 Satz I GG gestützt. Wenn hierdurch auch nicht per se besondere Befugnisse geschaffen werden, so ist doch wie für jeden verfassungsunmittelbaren Ausschuß gewährleistet, daß seine Zuständigkeiten nicht ausgehöhlt werden dürfen. 474 Konkret handelt es sich, wie Entstehungsgeschichte475 und verfassungssystematischer Kontext des Art. 45 Satz I GG zeigen, darum, die parlamentarischen Rechte aus Art. 23 GG zu effektivieren und institutionell abzusichern. Mangels entgegenstehender Festlegungen des Bundestages, dem im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum verbleibt, ist vor diesem Hintergrund eine koordinierende Rechtsetzung durch § 93 a Abs. 7 GO-BT gestattet. In der Praxis muß sich in diesem Zusammenhang das der Verfassungsorgantreue vergleichbare Gebot realisieren, demzufolge auch im Intraorganbereich die einzelnen Organteile einander zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. 476
474 Pierath, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 45 a Rdnr. I; Dürig/Hans Huga Klein, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 45 a (Stand der Bearb. Nov. 1997), Rdnr. 4; Berg, in: Bonner Kommentar, Art. 45 a (Stand der Bearb. April 1986), Rdnr. 117. s. auch u. Kap. 3, B.I.2.b) (S. 279 ff.). 475 BT-Drs. 1213896, S. 21; BT-Drs. 12/6000, S. 24, Schatz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 (Stand der Bearb. Okt. 1996), Rdnr. 1. 476 Schulze-Fielitz, Parlarnentsrecht, Gewohnheitsrecht, Observanz, in: Schneider 1Zeh, Parlarnentsrecht, 1989, § \1 Rdnr. 54; offenlassend, ob es sich im Intraorganbereich nur um ein politisches Gebot handelt Achterberg, Parlarnentsrecht, 1984, S. 487.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
203
5. Verhältnis zu förmlichen Gesetzen a) §§ 93, 93 a GO-BT In engem Zusammenhang mit der Frage nach der Außenwirkung von Geschäftsordnungsrecht steht die umstrittene Problematik seines Ranges im Verhältnis zum förmlichen Gesetz, welches unbestritten Bindungswirkung nach außen zeitigt. Verbreitet wird vertreten, daß nicht nur für die Verfassung, sondern auch für einfaches Gesetzesrecht der Satz "lex superior derogat legi inferiori" im Verhältnis zum Geschäftsordnungsrecht gilt, m.a.W., daß die GO-BT den Gesetzen im Rang nachginge. 477 Dies wird teilweise damit begriindet, daß die parlamentarische Geschäftsordnung eine Satzung sei, mit der weiteren Folge, daß sie - nicht anders als etwa eine Gemeindesatzung - als der geschriebenen Verfassung und den Gesetzen im Rang nachstehend eingeordnet wird. Diese Anwendung der für das Außenrecht zugeschnittenen Rechtsquellenhierarchie überzeugt nicht. Insbesondere ist sie nicht Art. 40 Abs. 1 GG zu entnehmen, während der Normstufenaufbau des Außenrechts in den Art. 28 Abs. 2, 31, 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich explizit vorgegeben ist. 478 Für innerparlamentarische Rechtsnormen ist dagegen lediglich sicher, daß sie der Verfassung im Range nachstehen und nicht gegen deren Vorschriften verstoßen dürfen. Im übrigen ist zu beachten, daß sich die Rangfrage nur dann stellt, wenn Rechtssätze unterschiedlicher Genese den gleichen Gegenstand zu regeln beanspruchen. 479 Wenn dies nicht der Fall ist, handelt es sich möglicherweise um ein reines Kompetenzproblem. Teilweise wird die Nachrangigkeit des Geschäftsordnungsrechts (ohne den bedenklichen Rekurs auf den Rechtsquellenkanon des Außenrechts) unter Hinweis auf die Verfahrenserleichterungen bei Schaffung und Abänderung des Geschäftsordnungsrechts postuliert. Dieser Umstand soll eine Dominanz formalgesetzlicher Regelungen im Falle der Kollision gegenüber der Geschäftsordnung rechtfertigen. 480 Diese Betrachtungsweise vernachlässigt jedoch, daß Gesetz und Geschäftsordnung beide verfassungsunmitte1bar vorgesehene und damit nebeneinander stehende Handlungsformen sind, die dem Parlament innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs zur Verfügung stehen. 481 Die Verfahrenserleichterungen rechtfertigen 477 BVerfGE I, 144 (148); Maunz, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 40 (Stand der Bearb. 1960), Rdnr. 22 ("unbestritten"); Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 41; Stern, Staatsrecht 11,1980, § 26 III 6 c (S. 83). 478 Ausführl. Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 194. 479 Schnapp, Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 193 f. 480 Kühnreich, Das Selbstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages, 1997, S. 84 ff. 481 Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1973, S. 45; Dreier, Regelungsfonn und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990,310 (313); Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen und allgemeine verfassungsrechtliche Grenzen des Selbstorganisationsrecht des Bundestages, 1992, S. 187.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
damit nicht die Einschätzung gleichsam als Recht "zweiter Klasse". Ausschlaggebend muß sein, ob es sich bei Art. 40 Abs. I Satz 2 GG und Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG um grundgesetzliche Ermächtigungen für verschiedene Sachbereiche handelt, denn dann ist, wie eingangs erwähnt, kein Rang-, sondern ein Kompetenzproblem gegeben. 482 Eine Kollision von Gesetzes- und Geschäftsordnungsrecht wäre jedenfalls dann völlig ausgeschlossen, wenn ausschließlich unterschiedliche Sachmaterien und andere Adressaten betroffen sind. Dies ist dann anzunehmen, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht jegliche Außen wirkung von Geschäftsordnungsvorschriften ablehnt und wenn man zudem davon ausgeht, daß es in Geschäftsordnungsangelegenheiten keine generelle Ermächtigung zum Erlaß von Gesetzen gibt. Die Existenz einer solchen generellen Ermächtigung des Parlaments, (unter bestimmten Voraussetzungen) traditionelles Innenrecht in der Form des Gesetzes zu erlassen, ist umstritten 483 - dies ist eine andere als die bisher behandelte Frage, ob unter bestimmten Voraussetzungen außen wirksames Recht in der Geschäftsordnung geregelt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht differenziert dahingehend, daß der parlamentarische Beratungsmodus gesetzlich geregelt werden darf, soweit dadurch nicht der Kern der Geschäftsordnungsautonomie berührt ist, andere Verfassungsorgane keinen wesentlichen Einfluß auf den Geschäftsgang erhalten und sachliche Gründe für die Gesetzesform sprechen. 484 Unbestritten zulässig ist die Gesetzesform für den Bereich von Geschäftsordnungsangelegenheiten, wenn eine besondere grundgesetzliche Ermächtigung hierfür vorliegt; in diesen Fällen - wie vorliegend in Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG - ist die verfassungsrechtliche Legitimation gegeben, unabhängig davon, ob es sich um eine rein interne Materie oder um eine solche mit Außenwirkung handelt. Diese begrenzten Regelungsbefugnisse des Gesetzgebers könnten ebenso wie der begrenzte Überschneidungsbereich von Parlamentsnormen mit Außenwirkung der Reduzierbarkeit auf ein reines Kompetenzproblem entgegenstehen. 485 Boll482 Schnapp. Amtsrecht und Beamtenrecht, 1977, S. 193 ff. zu der dogmatischen Notwendigkeit, vor Aufwerfen einer evtl. Rangfrage zunächst auszuschließen, daß es sich nicht um Kompetenzprobleme und solche des sachlichen Geltungsbereichs handelt. Da dies selten gelingt, indiziert die Fragestellung nach der Hierarchie der Rechtssätze im Innenbereich ein Scheinproblem. 483 Bejahend Kretschmer; Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Bereich, ZParl. 1986, 334 (337 ff.); Butzer; Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 142 f.; ablehnend Pietzcker; Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh. Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 16; Dreier; Rege\ungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990,310 (312 ff.). 484 BVerfGE 70, 324 (360 ff.). In der Out-of-Area Entscheidung, BVerfGE 90, 286 (389), weist das BVerfG erneut deutlich auf die Gesetzesform für die nähere Ausgestaltung von Form und Ausmaß der parlamentarischen Mitwirkung am Einsatz bewaffneter Streitkräfte hin, obwohl weitgehend der parlamentarische Binnenbereich betroffen ist. Ähnlich Jekewitz. Rezension Haug, DÖV 1995, 877, dem zufolge es sich sogar um einen "genuin parlamentseigenen und parlamentsinternen Entscheiungsvorgang" handelt.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
205
mann sieht als Musterbeispiel für das Zusammentreffen von Rang- und Kompetenzproblem den Fall, daß die zuständigen Bundesorgane ein Gesetz auf Grund einer vorhandenen verfassungsrechtlichen Ermächtigung erlassen, wodurch dem Parlament bestimmte Befugnisse eingeräumt werden. Wenn zugleich aber die Bestimmung einer Verfahrensregelung bezüglich der Tätigkeit des Bundestages unterlassen würde, dann dürften Verfahrensvorschriften der GO-BT nicht ergänzend Anwendung finden, da für diese aufgrund der unterstellten Exklusivität die Regelungskompetenz fehlte. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß die Annahme einer Formenwahlfreiheit des Parlaments, d. h. des Rechts, sich zwischen den gleichrangigen Handlungsformen Gesetz und Geschäftsordnung frei entscheiden zu können, vornehmlich von denjenigen Autoren vertreten wird, die der GOBT jede Außenrechtswirkung absprechen und damit leicht zu einer fehlenden Überschneidung der Regelungsbereiche kommen. 486 Letztlich besteht aber zwischen der Annahme von Ranggleichheit und der Ablehnung jeglicher Außenwirkung kein zwingendes Junktim. Auch wenn eine begrenzte Außenwirkung der GO-BT im Regelungsbereich des parlamentarischen Internbereichs anerkannt wird, ändert dies nichts daran, daß grundsätzlich separate Sachbereiche betroffen sind. Dies gilt entsprechend auch für die Regelung von Geschäftsordnungsangelegenheiten in Gesetzesform. Im Regelfall werden keine Überschneidungen vorkommen; in den verbleibenden Kollisionsfällen hat dasselbe zu geschehen, wie bei sich widersprechenden einfachgesetzlichen Regelungen - die Auflösung von Normwiderspriichen muß vor dem Hintergrund der Einheit der Rechtsordnung im Wege der Auslegung anhand der vorrangigen verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgen. 487 Bedeutung erlangen kann ferner der Grundsatz "lex specialis derogat legi generali". Das einfache Gesetz kann allerdings dann Auslegungsmaßstab sein, wenn dies durch Verweisung des Geschäftsordnungsgebers bestimmt wird, wie es etwa in § 2 EU-Grundsätze ("im Rahmen der Regelung der §§ 3,4 EUZBBG") der Fall ist.
Dieses weite Verständnis der Geschäftsordnungsautonomie wird der Schutzfunktion des Art. 40 Abs. I Satz 2 GG im demokratisch-parlamentarischen System 485 So Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen und allgemeine verfassungsrechtliche Grenzen des Selbstorganisationsrechts des Bundestages, 1992, S. 82 f.; Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 41. 486 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 325; Bollmann, Verfassungsrechtliche Grundlagen und allgemeine verfassungsrechtliche Grenzen des Selbstorganisationsrechts des Bundestages, 1992, S. 187 f. 487 Engisch, Einführung in das juristische Denken, 6. Aufl. 1975, S. 158 f. Der seltene Fall eines unauflösbaren Nonnwiderspruchs führt dazu, daß sich die einander widersprechenden Nonnen gegenseitig aufheben und die entstehende "Kollisionslücke" nach den allgemeinen Grundsätzen der Lückenfüllung zu schließen ist. Für die Einschlägigkeit der Regel "lex posterior derogat legi priori" Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Achterberg / Schulte, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 6, 3. Aufl. 1991, Art. 40 Rdnr. 42. Dies gelte auch für den in einigen Landesverfassungen ausdrücklich gestatteten Fall, daß parlamentsinterne Angelegenheiten sowohl durch Gesetz wie auch durch Geschäftsordnung geregelt werden dürfen.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
des Grundgesetzes gerecht und bleibt nicht einem traditionellen Rollenverständnis des Parlaments verhaftet. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Geschäftsordnungsautonomie durch Gesetzesrecht zu begrenzen würde bedeuten, anderen Verfassungsorganen, etwa dem Bundesrat, der Bundesregierung, dem Bundespräsidenten, mittelbaren Einfluß auf den Geschäftsgang des Bundestages einzuräumen. 488 Dagegen wird argumentiert, daß auch ein Gesetz nicht ohne maßgebliche Mitwirkung des Bundestages zustandekommen kann. Es ist damit zwar ausgeschlossen, daß gesetzliche Regelungen gegen den Willen des Bundestags beschlossen werden, da dieser durch Plenarentscheidung den gesamten Gesetzentwurf billigen muß. Hierbei darf aber nicht allein auf das Letztentscheidungsrecht abgestellt werden, denn gerade die mitgestaltende Tätigkeit anderer Verfassungsorgane im Vorfeld wird sich in aller Regel bereits in dem Entwurf ausgewirkt haben, über den letztlich Beschluß gefaßt wird. 489 So kann der Bundesrat selbst bei bloßen Einspruchsgesetzen die Einberufung des Vermittlungsausschusses verlangen und auf diesem Wege dem Gesetz eine unter Umständen stark modifizierte Gestalt verleihen. Der Schutz der Parlamentsautonomie spricht daher gegen eine Höherrangigkeit von Bundesgesetzen. Nicht ausgeschlossen ist damit, daß der Bundestag selbst aus Zweckmäßigkeitserwägungen mit Mehrheit beschließen könnte, eigene prozedurale Angelegenheiten ein Stück weit aus der Hand zu geben und der gesetzlichen Regelung zu überlassen. 49o Die Freiheit der Formenwahl im parlamentarischen Intembereich stellt damit die notwendige Fortsetzung der Autonomieverleihung dar. 491 b) Grundsätze des Europaausschusses Da es sich bei der Abgrenzung von Gesetz und Geschäftsordnung um ein Kompetenz-, nicht um ein Rangproblem handelt, bedeutet dies für das ausschußerlassene Recht, daß auch hier kein Rangproblem vorliegen kann. Wenn die Setzung von Geschäftsordnungsrecht im Rahmen des Selbstorganisationsrechts zulässigerweise auf Parlamentsausschüsse delegiert wird, so verbleibt dies im Kompetenzbereich des Geschäftsordnungsgebers. Maßstabbildend für die Rechtmäßigkeit der EU-Grundsätze ist dann nur die im Rang höherstehende GO-BT.
Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 328. Dreier, Rege1ungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990,310 (313 f.). 490 Butzer; Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 143; a.A. Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnr. 15. 491 Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 142 f. 488
489
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
207
111. Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO 11) 1. Entstehung und Inhalt
Die Bundesregierung hat in ihrer Geschäftsordnung keine Regelungen betreffend die Kooperation mit dem Parlament in europäischen Angelegenheiten getroffen. Dies blieb der gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien in ihrem besonderen Teil (GGO 11) vorbehalten, die auch der übliche Standort für Vorschriften über die Zusammenarbeit mit anderen Verfassungsorganen ist. 492 Während die Verfahrensgrundsätze des Europaausschusses ein Novum in der Entwicklung der parlamentarischen Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung darstellen, gilt dies nicht für Verfahrens- und Kooperationsregeln der Gubemative. Bereits im Jahr 1963 wurde zwischen den Regierungsressorts eine interministerielle Vereinbarung geschlossen, die unter Vorsitz des Bundeskanzleramtes und unter Hinzuziehung des Bundestagsdirektors und des stellvertretenden Direktors beim Bundesrat ausgearbeitet worden war. 493 Hierbei handelte es sich um die Resonanz auf die Beschwerden des Deutschen Bundestages über die unzureichende tatsächliche Handhabung der damaligen gesetzlichen Grundlage der Mitwirkung, d. h. des Art. 2 ZustG aus dem Jahr 1957.494 Die erste Aktualisierung der Vereinbarung im Jahr 1981, die auf einem Beschluß des Europastaatssekretärausschusses beruhte495 blieb ohne wesentliche inhaltliche Veränderungen. 496 Im Januar 1994 hat die Bundesregierung zur konkreten Umset492 Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien befaßt sich in ihrem "Allgemeinen Teil" (GGO I) mit der Organisation und dem Geschäftsgang der Ministerien, z. B. in §§ 48 ff. mit der Vorbereitung von Kabinettsvorlagen und mit der Zusammenarbeit der Ressorts in § 70, sowie mit der Dienst- und Hausordnung. Der "Besondere Teil" (GGO 11) regelt den Verkehr der Regierung mit dem Deutschen Bundestag, dem Bundesrat und dem Bundesverfassungsgericht sowie die Mitwirkung bei dem Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren, bei völkerrechtlichen Übereinkünften und bei den Veröffentlichungen in den amtlichen Blättern. 493 Vg!. Bericht der Bundesregierung, BT-Drs. 4/ 1944; Oetting. Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 52. Das am 21. Januar vereinbarte Verfahren wurde sofort vorläufig in Kraft gesetzt, die endgültige Fassung findet sich im Schreiben des Staatssekretärs des Bundeskanzleramts vom 6. September 1963 an die Bundesminister, abgedruckt bei Hrbek/Thaysen. Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 1986, Anh., S. 224 ff. 494 Zustimmungsgesetz zu den römischen Verträgen (EURATOM, EWG) vom 27. Juli 1957, BGB!. 195711, S. 753. 495 Der Beschluß vom 12. Juni 1981 wurde den Ressorts mit Schreiben vom Chef des Bundeskanzleramts vom 9. August 1981 zugeleitet, mit der Bitte, in Zukunft entsprechend zu verfahren. Abdruck bei Hrbek/Thaysen. Die deutschen Länder und die Europäischen Gemeinschaften, 1986, Anh., S. 239 f. Näher zum Ausschuß der Europastaatssekretäre s.u., Kap. 3, A.III.2.b) (S. 251 ff.). 496 Morawitz/ Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 46, mit Abdruck der Ressortabsprache S. 149 ff. Schede. Bundesrat und Europäische Union, 1994, S. 35.
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
zung ihrer erweiterten Verpflichtungen aus der Verfassung und dem EUZBBG eine weitere Neuauflage der Ressortabsprache getroffen,497 die schließlich in etwas modifizierter Form durch Kabinettsbeschluß vom 21. Juni 1995 als Anlage 10 in die GGO II aufgenommen wurde. 498 Zugleich wurde ein neuer § 85 b GGO 11 eingefügt, der die Beteiligung des Bundestages bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union dahingehend regelt, daß für die Unterrichtung und Beteiligung des Bundestages nach Art. 23 Abs. 3 GG und dem EUZBBG die in Ausführung dieses Gesetzes von der Bundesregierung beschlossenen Verfahrensgrundsätze gelten. Durch diese Einbeziehung wird die Ressortabsprache Teil der GGO II. Nicht verwirklicht wurde dagegen eine Interorganvereinbarung zwischen Bundestag und Bundesregierung, die im Zusammenhang mit der Geschäftsordnungsreform ebenfalls diskutiert worden war. 499 Der dahingehende detaillierter Entwurf der SPDFraktion5OO erledigte sich dann allerdings durch Annahme des (zu diesem Thema schweigenden) Koalitionsentwurfs. 501 Die Ressortabsprache regelt unter Punkt I. die Unterrichtung des Deutschen Bundestages, hierbei unter 1.1. die förmliche Zuleitung von EU-Vorhaben durch das Bundesministerium für Wirtschaft, unter 1.2. die allgemeine Zuleitung weiterer Dokumente durch das BMWi und unter 1.3. mit der zusätzlichen Unterrichtung eine Auffangzuständigkeit des zuständigen Fachressorts. Punkt 11. hat die Aufgaben der Fachressorts bei der weiteren Behandlung der EU-Vorhaben durch den Deutschen Bundestag zum Gegenstand. Unter Punkt 11. und II.2. sind nunmehr auch Ergänzungen aufgenommen, die den Forderungen der Verfahrensgrundsätze des Europaausschusses im Hinblick auf einzuhaltende Fristen und nachträgliche Erfolgskontrollen angenähert sind. Hier begnügt sich die Ressortabsprache allerdings mit der Formulierung "Der Europaausschuß des Deutschen Bundestages erwartet. .. ". Bisher nicht beschlossen wurde eine Neufassung der GGO II zur Umsetzung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers Schröder vom 27. Oktober 1998, durch den die wesentlichen europapolitischen Zuständigkeiten des BMWi (nunmehr 497 Beschluß der Europastaatssekretäre vom 26. Januar 1994, hierzu Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung, Kritv. 1994,405 (421); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (244). 498 s.u., Anhang V. Im Nov. 1995 - nach Erlaß der Verfahrensgrundsätze des Europaausschusses - wurde die Ressortabsprache leicht erweitert, diese Version wurde der Verf. freundlicherweise durch das BMWi, Ref. EA 7 zur Kenntnis gegeben; s. auch Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Der Ausschuß für die Angelegenheiten des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, 1998, S. 70 ff. 499 Hierzu Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung, KritV. 1994,405 (421); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (244). Zwischen Bund und Ländern besteht ein vergleichbares Abkommen, das auf § 9 EUZBLG beruht, bereits seit Oktober 1993; abgedruckt bei Schede, Bundesrat und Europäische Union, 1994, S. 261 ff. Diese Vereinbarung bildet gern. § 85 c GGO 11 die nähere Grundlage für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
209
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie) an das BMF übertragen wurden. 502 In der Praxis übernimmt die Abt. E des BMF den bisherigen Geschäftsbereich der Abt. E des BMWi; dabei wird die Koordinierungsfunktion in stärkerem Umfang gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt wahrgenommen. 503
2. Rechtssatzqualität und Rechtsverbindlichkeit
Auch im Falle der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien kann es kein Selbstzweck sein, die Handlungsform mit dem Ziel der Bestimmung der Rechtsnatur einer der Kategorien des klassischen Rechtsquellenkanons zuzuordnen. Für die Annahme von Rechtssatzqualität stellt sich hier ebenso wie für die parlamentarische Geschäftsordnung die Frage, ob es sich um eine Verhaltenserwartung mit Verbindlichkeitscharakter handelt. 504 Dies ist angesichts der ausdrücklichen Festschreibung in § 1 Abs. 3 Satz 1 GGO I zu bejahen, demzufolge das Regelwerk einschließlich der Merkblätter und besonderen Dienstanweisungen für alle Ministerien verbindlich ist. Dies gilt gern. § 1 Abs. 1 GGO I auch für die Bestimmungen der GGO II. Der Umstand, daß ein Ministerium hiervon abweichen darf, ändert nichts an der grundsätzlichen Verbindlichkeit: Da das Abweichen gern. § 1 Abs. 4 Satz 1 GGO I nur aus zwingenden Gründen zulässig ist und vorher dem Bundesministerium des Inneren (BMI) mitgeteilt werden muß, steht die Beachtung oder Nichtbeachtung nicht im freien Belieben der Ressorts. 505 Die TextsteIlen, die 500 BT-Drs. 13/32, S. 4 ff.; vgl. bereits BT-Drs. 12/7823 S. 4 ff. Die grundsätzliche Forderung nach einem Abkommen zwischen Bundestag und Bundesregierung wurde bereits in einem früheren Antrag der SPD, BT-Drs. 12/6036 erhoben. Der konkurrierende Antrag der Regierungskoalition in BT-Drs. 12/6283 hatte i.ü. im wesentlichen den gleichen Inhalt (Forderung nach der unverzüglichen Bestellung eines Unionsausschusses), jedoch fehlte der Abkommensvorschlag. 501 BT-PIPr. 13. WP/9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 445; BT-Drs. 13/89. 502 BGBI. 1998 I, S. 3288 f. Punkt V des Erlasses lautet: "Dem Bundesministerium der Finanzen werden übertragen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie die Zuständigkeiten a) für Europapolitik ohne EU-Mittelstandspolitik, EU-Forschungspolitik, Agrarpolitik, Industrie- und Energiepolitik; EG-Binnenmarkt; b) ... sowie die Mitzuständigkeit für den ECOFIN-Rat und den EU-Wahrungsausschuß ... ". Zur konstitutiven Wirkung des Erlasses s. nachfolgenden Gliederungspunkt. 503 Zu einer infonnellen Absprache zwischen BMF und AA Busse, Regierungsbildung aus organisatorischer Sicht, DÖV 1999, 313 (317). 504 Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980), 243 (250, m. w. N. in Fußn. 39,40) unter Hinweis darauf, daß dies unabhängig von der Einordnung als Innen- oder Außenrecht gilt. I.d.S. auch Krebs, Grundfragen des verwaltungsgerichtlichen Organstreits, Jura 1981, 569 (572 f.): "objektivierte Verhaltenserwartung mit nonnativem Verbindlichkeitsanspruch". 505 I.E. auch Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, in: Isensee 1 Kirchhof, HdbdStR 11,1987, § 52 Rdnr. 91; Honnacker/Grimm, GO-BReg, 1969, § 2 Anm. 3. 14 Hansmeyer
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
lediglich die Erwartung eines anderen Verfassungsorgans referieren, enthalten dabei gerade keine Selbstverpflichtung. Im übrigen besteht eine Selbstbindung der Ministerien mit Abweichungsmöglichkeit. Soweit dies nicht seine Rechtsgrundlage in der Geschäftsordnungsautonomie des Gesamtorgans aus Art. 65 Satz 4 GG findet, weil der Regelungsbereich weitgehend den inneren Aufbau und den Geschäftsgang der einzelnen Ressorts betrifft, sind die Ressorts aufgrund ihrer aus Art. 65 Satz 2 GG resultierenden Organisationsgewalt berechtigt, untereinander verbindliche Absprachen zu treffen. 506 Dies dient dazu, die durch § 2 GO-BReg geforderte Einheitlichkeit der Geschäftsführung der Bundesregierung zu unterstützen. 507 Die verbreitete Unterscheidung, derzufolge zwar die GO-BReg Rechtssatzcharakter - wenn auch ohne Außenwirkung - habe, nicht aber die GGO,508 läßt sich vor diesem Hintergrund nicht halten. Insbesondere kann die fehlende Rechtssatzqualität nicht darauf gestützt werden, daß sie als bloße Dienstanweisung für den inneren Geschäftsbetrieb eine allgemeine Verwaltungsvorschrift darstelle. 509 Dies wirkt sich lediglich auf die fehlende unmittelbare Außenwirkung der Vorschriften aus. Die GGO 11 unterliegt ebenso wie die Geschäftsordnung der Bundesregierung nicht dem Grundsatz der Diskontinuität. 51o Das bedeutet, daß im Zuge der Regierungsneubildung 1998 die bisher bestehenden Rechtsakte nicht unwirksam wurden; neu regelungsbedürftig waren lediglich die ausdrücklich gewünschten Änderungen. Letztere finden ihre Rechtsgrundlage in dem Kabinettsbildungsrecht gern. Art. 64 Abs. 1 GG, § 9 GO-BReg, d. h. in der Organisationsgewalt des Bundeskanzlers, die dieser in der Handlungsform des Organisationserlasses ausgeübt hat. 511 Die Rechtssatzqualität der in die GGO 11 inkorporierten Ressortabsprache entfällt nicht dadurch, daß sie unmittelbar durch den Organisationserlaß modifiziert wurde und noch entsprechend der organisatorischen Grundsatzentscheidung des Bundeskanzlers (Zuständigkeit des BMF anstelle des BMWi) berichtigt werden sollte. Selbst ministerielle Zuständigkeiten, die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegt sind, werden nach überwiegender Auffassung konstitutiv 506 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 128; Stern, Staatsrecht Il, 1980, § 31 IV 2 b (S. 307). 507 HonnackerlGrimm, GO-BReg, 1969, § 2 Anm. 3. 508 v. Mangoldt I Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2. Aufl. 1966, Art. 65 Anm. VI 4 (S. 1271); Stern, Staatsrecht Il, 1980, § 31 IV 2 b (S. 307). Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 127 f. geht davon aus, daß es sich gerade bei der GGO Il weitestgehend "nicht um Normen, sondern um geschäftstechnische KunstRegeln und praktische Arbeitsrichtlinien" handele. 509 v. Mangoldtl Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2,2. Aufl. 1966, Art. 65 Anm. VI 4 (S. 1271 f.); Stern, Staatsrecht Il, 1980, § 31 IV 2 b (S. 307). Für eine bloße Verwaltungsanordnung auch HonnackerlGrimm, GO-BReg, 1969, S. 27 und § 2 Anm. 3. 510 Zur GO-BReg BVerfGE 91, 148 (167); Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 65 Rdnr. 7; Hermes, in: Dreier, GG, Bd. 2, Art. 65 Rdnr. 47. 511 Organisationserlaß vom 27. Oktober 1998, BGBI. I, S. 3288 f.; s. vorangegangenen Gliederungspunkt.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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durch einen Organisationserlaß betroffen. Art. 56 Abs. 1 Zuständigkeits-Anpassungsgesetz512 sieht - wie etwa auf Landesebene auch § 4 Abs. 3 LOG NW - vor, daß bei Neuabgrenzung von ministeriellen Geschäftsbereichen die in Gesetzen und Rechtsverordnungen zugewiesenen Zuständigkeiten auf den nach der Neuabgrenzung zuständigen Bundesminister übergehen. Die Vorschrift des ZuständigkeitsAnpassungsgesetzes ist nach überwiegender Ansicht deklaratorisch;513 die Ersetzung des urspriinglichen Wortlauts im Wege einer Rechtsverordnung des Justizministers gern. Art. 56 Abs. 3 Zuständigkeits-Anpassungsgesetz stellt nur eine Berichtigung des unrichtig gewordenen Wortlauts dar. 514 Bedenken, die hiergegen im Hinblick auf die Kompetenz des Gesetzgebers erhoben werden,515 lassen sich auf die im Fall der GGO 11 betroffenen Binnenregeln der Ressorts nicht übertragen. Die Ressortabsprache gilt in der Form, die sie durch den für die Ministerien verbindlichen Organisationserlaß gefunden hat. IV. Einzelfragen der Auslegung 1. Die Unterrichtungspflicht der Bundesregierung gern. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG
a) Unterrichtungszeitpunkt Eine effektive Mitwirkung des Bundestages ist nur dann möglich, wenn dieser rechtzeitig über die Vorhaben der Europäischen Union informiert wird. Dies gilt angesichts des angestrebten Ausgleichs für den Verlust der nationalen Gesetzgebungskompetenzen besonders für den Bereich der europäischen Rechtsetzung. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet vor diesem Hintergrund den "friihestmögliehen" Zeitpunkt als Beginn für die Informationspflicht der Regierung. Die Notwendigkeit eines objektiv bestimmbaren, frühen Unterrichtungszeitpunktes wird vor dem historischen Hintergrund deutlich. Nicht nachvollziehbar sind in diesem Zusammenhang Stellungnahmen, die der verfassungsrechtlichen Neuregelung ihre rechtliche wie tatsächliche Bedeutung mit der Begründung ab512 Gesetz zur Anpassung gesetzlich festgelegter Zuständigkeiten an die Neugabgrenzung der Geschäftsbereiche von Bundesministern vom 18. März 1975, BGB!. 1, S. 705 (716). 513 So bereits die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 7/2214, S. 22; materiell-rechtlich tritt die Wirkung mit dem Organisationserlaß ein, was verfassungsrechtlich in der Organisationsgewalt des Kanzlers gründet. So auch Lehnguthl Vage/sang, Die Organisationserlasse der Bundeskanzler seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland im Lichte der politischen Entwicklung, AöR (1988), 531 (534); Busse, Regierungsbildung aus organisatorischer Sicht, DÖV 1999,313 (317 f.). 514 § 4 Abs. 3, 2.HS LOG NW sieht sogar nur eine Hinweispflicht des Ministerpräsidenten betr. den Zuständigkeitsübergang im Gesetz- und Verordnungs blatt vor. 515 Brandnerl Uwer, Organisationserlasse des Bu~deskanzlers und Zuständigkeitsanpassung in gesetzlichen Verordnungsennächtigungen, DOV 1993, 107 (108 ff.). 14*
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
sprechen, daß die parlamentarische Beteiligung ohnehin schon seit 1957 normiert sei und ständig praktiziert werde. 516 Rechtsgrundlage der parlamentarischen Mitwirkung war zunächst Art. 2 des Zustimmungsgesetzes zu den römischen Verträgen (EWG, EURATOM) [im folgenden ZustG]:517 "Die Bundesregierung hat Bundestag und Bundesrat über die Entwicklungen im Rat der Europäischen Wirtschafts gemeinschaft und im Rat der Europäischen Atomgemeinschaft laufend zu unterrichten. Soweit durch den Beschluß eines Rats innerdeutsche Gesetze erforderlich werden oder in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht geschaffen wird, soll die Unterrichtung vor der Beschlußfassung des Rates erfolgen."
Hiermit waren zwei nebeneinander bestehende Unterrichtungsmodalitäten eingerichtet: Neben der allgemeinen laufenden Unterrichtung gern. Satz 1 regelte Satz 2 darüber hinaus, daß die Unterrichtung vor der Beschlußfassung im Rat erfolgen sollte, soweit durch den Beschluß des Rates innerdeutsche Gesetze erforderlich wurden oder in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltendes Recht geschaffen wurde. Damit galt kein striktes Gebot, das Parlament zeitlich so früh zu unterrichten, daß es überhaupt noch eine Einflußnahmemöglichkeit hatte. Nur für den Bereich der Verordnungs- oder Richtliniengebung galt wenigstens eine Regel mit Abweichungsmöglichkeit ("soll"). Diese ungesicherte rechtliche Anspruchsposition führte zu erheblichen Informationsdefiziten in der Praxis; bedingt besonders durch das strukturelle Problem, daß der Deutsche Bundestag auf der Ebene europäischen Primärrechts nicht in die Terminierung der Gemeinschaftsentscheidungen einbezogen ist. Der Zeitfaktor wirkte sich als schwerwiegendes Hindernis aus, da das Beratungsverfahren des Rates in Brüsse1 mit der Zuleitung des Vorschlags der Kommission ausgelöst wird und auf Verzögerungen im nationalen Bereich keinerlei Rücksicht genommen werden muß. Die Tatsache, daß der Bundestag "immer und immer wieder" Rechtsakte aus Brüssel zur Kenntnis nehmen sollte, nachdem sie dort bereits beschlossen worden waren, erhellt, warum die aus dem Jahr 1957 stammende Regelung der Unterrichtung als absolut ungeeignet eingeschätzt wurde,518 dies bereits kurz nach der Einführung des Art. 2 ZustG. Inwieweit sich die strukturellen Verbesserungen des supranationalen Rechtsetzungsverfahrens bewähren werden, bleibt abzuwarten. In Punkt 1.3. des Protokolls zum Amsterdamer Vertrag über die Rolle der einze1staatlichen Parlamente der Europäischen Union wurde festgelegt, daß zwischen dem Kommissionsvorschlag und dem Zeitpunkt der Beschlußfassung im Rat (bzw. der Festlegung des Gemeinsamen Standpunktes) 516 In diesem Sinn aber Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen Europa-Artikel des Grundgesetzes, DVBl. 1993, 936 (946, bes. Fußn. 98). 517 Vom 27. Juli 1957, BGBl. H, 753. 518 Schoof, EG-Ausschuß, 1993, S. 11 f.; Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl. 1988,220 (221).
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
213
ein Mindestzeitraum von sechs Wochen liegen muß. 519 In dringenden Fällen kann von dieser Frist zwar abgewichen werden, dies muß allerdings im Rechtsakt bzw. im Gemeinsamen Standpunkt begriindet werden. Über den Zeitpunkt der Unterrichtung war angesichts der Schwierigkeiten der Vergangenheit auch in der Gemeinsamen Verfassungskommission und im Sonderausschuß lange Zeit debattiert worden. Die Formulierung "regelmäßig" wurde schließlich verworfen, weil sie nicht garantierte, daß die Unterrichtung so friih wie möglich erfolgen würde. Gegen den Begriff "rechtzeitig" bestanden Bedenken, da er einen weitgehenden Beurteilungsspielraum der Regierung indiziert hätte. 52o Dies zeigt deutlich, daß der Begriff "friihestmöglich" einen objektiv bestimmbaren, präzisen Zeitpunkt bezeichnen sollte. Auch Wortsinn und Telos der Vorschrift ergeben, daß der friihestmögliche Zeitpunkt derjenige ist, zu dem die Unterrichtung aus organisatorischen Griinden - wie dem Erhalt der Dokumente aus Briissel, der ersten Sichtung und der Versendung - überhaupt technisch möglich ist. Nur bei diesem Verständnis der Norm ist gewährleistet, daß die MdB zu einem europäischen Rechtsetzungsvorhaben eine Stellungnahme rechtzeitig formulieren können. Dies gilt ebenso für die bezüglich des Zeitpunkts korrespondierende Formulierung in § 3 EUZBBG. Auch die Festschreibung der "unverzüglichen" Unterrichtung in § 4 Satz 2 EUZBBG entspricht der verfassungsrechtlichen Vorgabe, daß der Bundesrepublik kein Beurteilungsspielraum zusteht, sondern daß die Information ohne vorwerfbare Verzögerung sofort zu erfolgen hat. In § 3 Satz 2 EU-Grundsätze wird spezifiziert, daß die Bundesregierung binnen fünf Sitzungs tagen zu den übersandten Unionsdokumenten einen erläuternden schriftlichen Bericht zu geben hat. Gern. Satz 4 kann mit Genehmigung des Ausschußvorsitzenden der vollständige schriftliche Bericht auch später vorgelegt werden, jedoch bis spätestens fünf Sitzungstage vor Behandlung im Europaausschuß. 521 Fraglich ist, ob diese Frist für die Regierung verbindlich ist. Ausschlaggebend muß sein, daß die gesetzliche Regelung in § 4 Satz 1, 2. Halbsatz EUZBBG vorsieht, daß der detaillierte Bericht dem Bundestag zugleich mit den europäischen Rechtsetzungsinitiativen zugeht. Vor diesem Hintergrund stellt sich die eingeräumte Frist nicht als Verkürzung, sondern vielmehr als Verlängerung der der Regierung zukommenden Zeitspanne dar. Eine entsprechende Selbstverpflichtung der Regierung durch übereinstimmende Ressortabsprache besteht dennoch nicht; die urspriingliche Fassung der Ressortabsprache in Anh. 10 zu § 85 b GGO s. Anhang IV. Möller/ Limpert, Infonnations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993,21 (26); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 288; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 271. 521 Fünf Sitzungstage bedeutet dabei fünf Werktage in Sitzungs wochen des Bundestages, Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 237 Fußn. 80. 519 520
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
11 wurde lediglich kurz nach Erlaß der EU-Grundsätze unter Punkt 11. dadurch ergänzt, daß die Frist als Erwartung des Europaausschusses des Bundestages aufgenommen wurde. 522 In erster Linie soll § 3 EU-Grundsätze das Ausschußverfahren erleichtern, wie insbesondere aus Satz 4 hervorgeht, demzufolge die vollständigen Berichte spätestens fünf Tage vor Behandlung im Europaausschuß vorliegen müssen. Die Außenberiihrung resultiert daraus, daß die Regierung die erforderlichen Informationen für die sinnvolle Durchführung des parlamentarischen Verfahrens liefern muß. Da die Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung beiden Organen zur gesamten Hand zusteht, die Regierung aber durch ihre Außenvertretungsmacht und den Sachverstand der Ministerialbürokratie über einen Informationsvorsprung verfügt, muß sie in größtmöglichem Umfang mit dem Parlament kooperieren, damit ihre faktische Prärogative ausgeglichen wird. Wie lange ein schriftlicher Bericht auf sich warten lassen darf, ist damit keine reine Frage des internen Verfahrens der Ministerien, das dem Internbereich der Regierung unterfiele. Das Parlament, respektive der Europaausschuß kann damit die für seine Arbeit erforderliche Frist mit Außen wirksamkeit setzen. In der Praxis handelt es sich dabei naturgemäß nicht um eine Ausschlußfrist; ein verspäteter Bericht würde nicht zurückgewiesen werden. Schließlich ist zu beriicksichtigen, daß eine zu strikte Handhabung die Gefahr unrichtiger und unvollständig "abgehakter" Formblätter i. S. d. Anh. 11 der EU-Grundsätze mit sich brächte. 523
b) Unterrichtungsgegenstand aa) § 3 EUZBBG
Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG benennt nicht ausdriicklich Gegenstände, auf die sich der Informationsanspruch des Bundestages erstreckt. Die allgemeine Pflicht der Regierung zur umfassenden Information wird durch § 3 EUZBBG wiederholt und konkretisiert: Sie bezieht sich auf alle Vorhaben der Europäischen Union, die für die Bundesrepublik von Interesse sein könnten. § 4 EUZBBG stellt demgegenüber die speziellere Norm dar. Der Begriff des Vorhabens ist in § 3 EUZBBG nicht eindeutig definiert, aber weit auszulegen. 524 Teilweise wird postuliert, daß es dabei der Bundesregierung Zur Entstehung S.O., Kap. 2, B.III. (S. 207 f.). Hinsichtlich § 3 EU-Grundsätze ist darauf hinzuweisen, daß der erste binnen fünf Tagen zu erstellende Bericht naturgemäß nur eine erste Grobbewertung enthalten und in der Regel nicht vollständig sein kann. Es entspricht der Praxis, daß der schriftliche Bericht vom zuständigen Fachressort erstellt wird, während das BMWi keine Verantwortung für den Inhalt des Berichts übernimmt. 524 Morawitzl Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 87, grenzen lediglich Einzelfallentscheidungen wie Beihilfeersuchen, Kartellentscheidungen oder allgemeine Berichte der Regierung an die Organe der EU aus. In der Praxis sei insgesamt eine sehr großzügige Auslegung des Begriffs auch seitens der Regierung üblich. 522 523
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
215
obliege, "nach pflichtgemäßem Ermessen eine Selektion des für den Bundestag relevanten Materials vorzunehmen".525 Richtig ist zwar, daß eine parlamentarische Befassung mit sämtlichen Vorhaben der Gemeinschaft den Rahmen der Kapazitäten des Bundestags sprengen würde und daß etliche Vorhaben gar nicht in den Interessen- oder Zuständigkeitsbereich des Parlaments fallen. Dennoch sieht Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG eine "umfassende", d. h. eine sehr weitgefaßte allgemeine Informationspflicht vor. Dies entspricht dem Gedanken einer mitgestaltenden parlamentarischen Kontrolle; ein Eigenbereich der Regierung, der einen Beurteilungsspielraum über das zuzuleitende Material beträfe, ist damit gerade nicht festgeschrieben. Die Einschränkung in § 3 EUZBBG auf Vorhaben, "die für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten" kann zwar angesichts der großen Informationsflut als zulässige Beschränkung angesehen werden,526 ein weitgehender Beurteilungsspielraum kann der Regierung aber angesichts des Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG auch hier nicht zukommen. Insbesondere darf sich die Bundesregierung in Zukunft nicht mehr darauf beschränken, den Bundestag punktuell und von Zeit zu Zeit darüber zu unterrichten, was in den Gremien der Europäischen Union beschlossen und geplant wird. 52? Soweit die Befassungsmöglichkeiten des Parlaments überstiegen werden, obliegt es ihm selbst ihm Rahmen seines Organisationsrechts, sinnvolle Maßnahmen für eine Auswahl der wesentlichen Dokumente zu treffen. In der systematischen Zusammenschau mit § 4 stellt § 3 EUZBBG klar, daß sich die allgemeine Informationspflicht nicht auf Rechtsetzungsvorhaben i.e.S. beschränkt, sondern auch andere Vorhaben wie Kommissionsmitteilungen, Aktionsprogramme, Grünbücher und Weißbücher. 528
525 Möller! Limpert, Infonnations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993, 21 (25); zustimmend Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 290; Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 74. 526 Für die Annahme eines notwendigen Korrektivs Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 289. 527 Möller! Limpert, Infonnations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993,21 (26). 528 s.a. Anh. I Nr. 1 der EU-Grundsätze. In der EU-Tenninologie sind Grünbücher Diskussionspapiere mit offiziell vorgestellten Überlegungen und konzeptionellen Entwürfen der Kommission, die in der Vorstufe zu legislativen Verfahren den anderen Organen zur Konsultation vorgelegt werden. Weißbücher sind demgegenüber konzeptionelle Vorschläge zu bestimmten Politikbereichen. Für die Bedeutsarnkeit der Einbeziehung des Parlaments in das Grünbuchverfahren Fischer, Öffentliche Anhörung des Deutschen Bundestages und des Bundesrates zum "Subsidiaritätsprinzip in der Europäischen Union" am 8. Mai 1996 in Bonn, DVBI. 1996, 1040 (1042).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
bb) § 4 EUZBBG
Gern. § 4 Satz 1, 1. Halbsatz EUZBBG übersendet die Bundesregierung dem Bundestag insbesondere die Entwürfe von Richtlinien und Verordnungen. Diese Hervorhebung der Rechtsetzungsange1egenheiten trägt zum einen dem bereits dargelegten vorrangigen Ziel der neuen Mitwirkungsrechte Rechnung, nämlich der Kompensation gesetzgeberischer Kompetenzverluste; in diesem Bereich liegt der Schwerpunkt der Unterrichtungspflicht. Nicht durchgesetzt hat sich die Anregung der Regierung, den Begriff "Entwürfe" durch "Vorschläge" zu ersetzen, was der Terminologie des EG-Vertrages entsprochen hätte. Bewußt empfahl der Sonderausschuß die Beibehaltung der Bezeichnung "Entwürfe", da Situationen denkbar seien, in denen eine Unterrichtung für den Bundestag von Interesse sein könnte, auch wenn die Planungen in der Kommission noch nicht das Stadium eines förmlichen Vorschlags erreicht hätten, aber doch soweit gediehen seien, daß sich eine klare Konzeption zeige, auf die das Parlament sich einstellen sollte. 529 Damit hat der Bundestag erstmals auf gesetzlicher Grundlage ausdrücklich das Recht erhalten, auch über vorbereitende Entwürfe der Kommission unterrichtet zu werden. Wollte man das Ziel einer möglichst umfassenden parlamentarischen Kontrolle erreichen, müßte bei erster Betrachtung gewährleistet werden, daß die vorbereitenden Arbeiten der Kommission dem Bundestag regelmäßig, möglicherweise automatisch in einern standardisierten Verfahren zugingen. Denkbar wäre insofern eine generelle Inpflichtnahme der Regierungsvertreter in den Kommissionsarbeitsgruppen und -ausschüssen zur Zu sendung nicht endgültiger Kommissionsdokumente. 530 Wahrend die verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Grundlagen dies durchaus zuließen, würde sich eine solche umfassende Handhabung in der Praxis als kontraproduktiv erweisen. Nach Auskunft des Europaausschusses wäre die zusätzliche Flut von Informationen logistisch nur durch Einrichtung eines zweiten Europabüros zu bewältigen gewesen. Der Verzicht hierauf läßt nicht auf eine Überforderung des Bundestags schließen, sondern nur auf eine vernünftige Schwerpunktsetzung und Organisation der vorhandenen Ressourcen. Dies wird angesichts der niedrigen Durchsetzungswahrscheinlichkeit und Ergebnisoffenheit der Kommissionsentwürfe deutlich: Wahrend bei deutscher Rechtsetzung Gesetzesinitiativen i.S.v. Art. 76 Abs. 1 GG, die bis zu 90% von der Regierung ausgehen,531 aufgrund der durch Parteizugehörigkeit vermittelten Bindungen zwischen Regierung und Mehrheitsfraktion im Bundestag gute Realisierungschancen haben, feh529 Möller/ Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZPari 1993,21 (26); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 285; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 272. 530 Zur Arbeitsweise der Kommission und zu der Kooperation mit den mitgliedstaatlichen Regierungen im Vorfeld der Rechtsetzung s.o., Kap. 1, B.I.2.a) (S. 66 ff.). 531 lsmayr, Der Deutsche Bundestag, 1992, S. 272 f.; Steinberg, Parlament und organisierte Interessen, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 7 Rdnr. 42.
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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len entsprechende Bindungen zwischen Kommission und Rat. Nur begrenzt aussagekräftig ist ein quantitativer Vergleich der "Erfolgsquoten" von Richtlinienvorschlägen der Kommission und Regierungsvorlagen im Bundestag, da dies die "Qualität" - im Sinne wesentlicher, politisch folgenreicher Rechtsakte - unberücksichtigt läßt. 532 So ist die nicht unbeträchtliche Erfolgsquote der Kommission teilweise auf den überproportionalen Anteil äußerst spezieller technischer Regelungen zurückzuführen, die weder eine politische Diskussion auslösen noch (bei innerstaatlicher Sichtweise) im Bereich der eigentlichen parlamentarischen Zuständigkeit lägen, sondern eher per Rechtsverordnung oder Verwaltungsvorschrift erledigt würden. Zwar nimmt die Kommission im Friihstadium der Rechtsetzung eine umfangreiche Sondierung der Chancen eines Rechtsaktes vor. 533 Für Materien, die wenig konsensfähig sind, richtet die Kommission zunächst ein allgemeines Positionspapier an den Rat, das das Rechtsetzungsprogramm schildert. Dazu gibt der Rat eine politische Stellungnahme in Form von Schlußfolgerungen ab, in der soweit möglich die Vorstellungen der Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt sind. Auf dieser ersten Problemabschichtung aufbauend, erarbeitet die Kommission Vorschläge für konkrete Rechtsakte und leitet sie an den Rat weiter. 534 Zwar beeinflussen Durchsetzbarkeit und Realisierungschancen im Rat damit in aller Regel den Inhalt eines Kommissionsvorschlages; allerdings wird gemeinhin bestätigt, daß sich die Kommission besonders in der Ära Delors nicht mehr damit begnügt hat, nach der informellen Vorklärung der Akzeptanzchancen nur erfolgversprechende Vorschläge zu unterbreiten, um auf diese Weise einen Prestigeverluste zu vermeiden. 535 Damit ist festzuhalten, daß die Durchsetzungskraft von Voriiberlegungen der Kommission nicht so groß ist, daß eine automatische Unterrichtung über die Tätigkeit der Kommissionsarbeitsgruppen erforderlich wäre. Der Erfolg stünde in keinem Verhältnis zu den Ressourcen, die im Bundestag durch die Bearbeitung der Vorlagen gebunden würden. Dem Ziel eines friihzeitigen generellen Überblicks trägt daher das Jahresgesetzgebungsprogramm hinreichend Rechnung, das unter Beteiligung aller Organe der EU erstellt wird und die gesamte legislative Planung umfaßt. Gern. Art. 49 Nr. 6 GO_Ep536 übermittelt der Präsident des Europäischen Parlaments das Programm 532 Meßerschmidt, Begründen Richtlinienvorschläge der EG-Kommission eine Stillhaltepflicht für den deutschen Gesetzgeber?, ZG 1993, 11 (29 f.). 533 So auch die ausdrückliche Forderung in der Luxemburger Vereinbarung vom 29. Januar 1966, Bull.EWG 1966/3, S. 8: "Es ist wünschenswert, daß die Kommission, bevor sie einen Vorschlag von besonderer Bedeutung annimmt, in geeigneter Weise über die Ständigen Vertreter mit den Regierungen der Mitgliedstaaten Fühlung nimmt." 534 Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (415). 535 Meßerschmidt, Begründen Richtlinienvorschläge der EG-Kommission eine Stillhaltepflicht für den deutschen Gesetzgeber? ZG 1993, S. 11 (30). 536 Stand Feb. 1998; zuvor Art. 36 A Nr. 7 GO-EP, ABl. 1993, Nr. C 268/51 (62); s. hierzu bereits die Unterrichtung durch das Europäische Parlament vom 6. April 1993, BT-Drs. 12/4702.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
mit sämtlichen Vorschlägen legislativer Natur den Parlamenten der Mitgliedstaaten. Wenn gern. Art. 49 Nr. 5 GO-EP auch in dringenden und unvorhersehbaren Fällen zusätzliche legislative Maßnahmen zu den im Programm vorgesehenen treten können, so gibt es doch einen sehr umfassenden Überblick über die gesamte geplante legislative Tätigkeit - es wird jeweils im Oktober für das kommende Jahr vorgelegt und gibt Aufschluß über den Zeitplan, die Rechtsgrundlagen und die Prioritäten eines Rechtsaktes. Hinzu treten Informationsmöglichkeiten des Bundestages über sonstige Unterrichtungen durch das Europäische Parlament i. S. d. § 93 Abs. 1 GO-BT i.V.m. Anh. 1.1. EU-Grundsätze, die auch EP-Ausschußbeschlüsse im Kodezisionsverfahren umfassen, sowie im Rahmen der bereits dargestellten COSAC. Diese ergänzenden Möglichkeiten gewährleisten eine parlamentarische Information, bei der die kontrollierende Instanz nicht ausschließlich auf die Kooperation der zu kontrollierenden angewiesen ist. 537 § 4 Satz 1, 2. Halbsatz EUZBBG konkretisiert die Unterrichtungspflicht ferner dahingehend, daß der Bundestag über den wesentlichen Inhalt und die Zielsetzung, über das beim Erlaß des geplanten Rechtsaktes auf EU-Ebene anzuwendende Verfahren sowie über den voraussichtlichen Zeitpunkt der Befassung des Rates, insbesondere der Beschlußfassung im Rat zu informieren ist. Diese Verpflichtung ist ebenso in Anh. I Nr. 1 EU-Grundsätze vorgesehen; die Unterrichtung soll gern. § 3 Satz 3 EU-Grundsätze unter Verwendung des in Anh. 11 abgedruckten Formblattes erfolgen, was auch der Regelfall in der Praxis ist. Bei dem Formblatt handelt es sich zugleich um das Zuleitungsschreiben i.S.v. Punkt 1.1. Ressortabsprache (An!. 10 zu § 85 b GGO 11).538 Ergänzt wird die Information durch aktuelle Berichte der Fachressorts gern. Punkt 11.1. Ressortabsprache, welche sich auch auf wesentliche Änderungen des urspriinglichen Vorhabens beziehen müssen.
Ferner hat der Bundestag gern. § 4 Satz 2 EUZBBG Anspruch auf eine unverzügliche Unterrichtung über die Willensbildung der Regierung, über den Verlauf der Beratungen, über die Stellungnahmen des EP, der Kommission, über die Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten sowie über die getroffenen Entscheidungen. Alle diese Punkte, die auch im Anh. I Nr. 1 EU-Grundsätze wiederholt werden, korrespondieren mit der verfassungsrechtlichen Vorgabe der "umfassenden" Information. Teilweise werden, was die Willensbildung der Regierung anbelangt, allerdings Bedenken unter dem Aspekt der Funktionentrennung und des Kernbereichs exekutivischer Eigenverantwortung erhoben. 539 Dieser umfasse etwa Erörte537 Der Umstand, daß Kooperation dennoch die tragende Grundlage für die Mitwirkung des Deutschen Bundestages bildet, ist verfassungskonform. Wie gezeigt, entspricht es dem System der Beteiligung zur gesamten Hand, der mitgestaltenden Kooperation gegenüber einer strikt getrennten, reaktiven Kontrolle den Vorzug zu geben, s.o., Kap. 2, A.III.2. (S. 136 ff.). 538 Zum Verfahren der Unterrichtung s. ferner unten, Kap. 3, A.III.3. (5. 254 ff.). Der Bericht hat i.d.R. gern. § 3 Satz 2 EU-Grundsätze binnen fünf Sitzungstagen zuzugehen. 539 Abg. Hörster; BT-PIPr. 13. WP /9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 441, zu der entsprechenden Geschäftsordnungsänderung; Möller / Limpert, Informations- und Mitwirkungs-
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
219
rungen im Kabinett wie auch die Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollziehe; lediglich bereits abgeschlossene Vorgänge unterfielen der Kontrollkompetenz des Bundestages. s4o Eine Beeinträchtigung dieses Bereichs ist indes nicht erkennbar;S41 insbesondere wäre es fehlerhaft, den Wortlaut des Gesetzes dahingehend zu interpretieren, daß mit der Formulierung "Willensbildung" lediglich das Produkt, das Endergebnis der Willensbildung gemeint sei. 542 Zum einen deutet § 4 Satz 2 EUZBBG selbst ein auf den Prozeß bezogenes Verständnis an. So ist zunächst über den Verlauf der supranationalen Beratungen einschließlich der Beteiligung von EP, Kommission und Mitgliedstaaten zu unterrichten und zusätzlich abschließend über die getroffene Entscheidung. Ferner, und dies ist ausschlaggebend, gebietet es die "grundgesetzlich gesicherte funktionsadäquate Gewaltenteilung"S43 gerade nicht, § 4 Satz 2 EUZBBG restriktiv auszulegen. Die in diese Richtung zielende Argumentation basiert auf der Prämisse, daß die auswärtige und die Integrationsgewalt im wesentlichen der Exekutive zukomme, was letztlich in der Natur der Sache liege. Selbst dort, wo ein kooperatives Zusammenwirken zwischen Regierung und Parlament vorgeschrieben sei, wie in Art. 59 Abs. 2 GG, unterfalle der Prozeß der regierungsinternen Willensbildung dem parlamentsfesten Internbereich. Indes bestimmt sich die Reichweite des exekutivischen Kernbereichs nun gerade nicht nach einem außerrechtlichen Vorverständnis der Gewaltenteilung oder einer Zuordnung zu dem Begriff der auswärtigen Gewalt. Es wurde demgegenüber bereits gezeigt, daß die Auslegungskriterien der Funktionsadäquanz und der Verantwortungsklarheit das von Art. 23 Abs. 2, 3 GG statuierte System der Beteiligung zur gesamten Hand unterstützen. Es ist gerade erforderlich, daß eine friihzeitige Einbeziehung in den laufenden Willensbildungsprozeß stattfindet, um die parlamentarische Mitwirkung nicht ineffektiv werden zu lassen. Hinsichtlich der regierungsinternen Willensbildung ist an Informationen zu denken wie etwa an die Bewertung eines Rechtsetzungsvorhabens aus Sicht der Regierung, Stellungnahmen und Erläuterungen der Regierung für EU-Institutionen; bezüglich des Beratungsvorgangs auf der supranationalen Ebene kommen Vorentwürfe von Dienst-
rechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993,21 (26) unter Hinweis auf einen aus Gewaltenteilungsgründen für das Parlament "nicht ausforschbaren" Bereich; zust. Günther; Die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union nach Art. 23 GG, 1998, S. 60 f. 540 Allgemein zum Untersuchungsausschußrecht BVerfGE 67, 100 (139) - "Flick"; BVerfGE 77, 1 (59) - "Neue Heimat". 541 s.o. Kap. 2, A.lY. (S. 142 ff.). 542 So aber Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (201); Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 92, 116. 543 Hierauf Bezug nehmend Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993,196 (201).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
stellen der Kommission, Berichte der Ständigen Vertretungen, Sitzungsberichte des Rates und seiner Arbeitsgruppen in Betracht. 544 Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist insbesondere auch die weitere Konkretisierung in § 2 EU-Grundsätze, der ausdriicklich die §§ 3, 4 EUZBBG in Bezug nimmt, zulässig und gegenüber der Bundesregierung wirksam: Hiernach erstreckt sich die Informationspflicht auf Regierungsinitiativen 545 und auf Art und Umfang der Beriicksichtigung der parlamentarischen Stellungnahmen. In der Praxis wird gerade diesen Aspekten eher sporadisch Rechnung getragen, ein regelmäßiges Verfahren hat sich nicht herausgebildet. Diese Zuriickhaltung der vollziehenden Gewalt spiegelt die Ressortabsprache in den Passagen 1.3. am Ende und 1I.2. wieder: Im Hinblick auf die Information über Regierungsinitiativen wird unter Vermeidung einer Selbstverpflichtung lediglich die Erwartungshaltung des Europaausschusses wiedergegeben. 546 Urspriinglich hatte die Ressortabsprache zu diesem Punkt geschwiegen. Was die Information über die Beriicksichtigung parlamentarischer Stellungnahmen anbelangt, hatte die Ressortabsprache urspriinglich unter Punkt 1I.2. eine Antwortpflicht des federführenden Ressorts auf konkrete Anfragen des Bundestages festgeschrieben. 54? Nunmehr wird formuliert, daß der Europaausschuß von der Bundesregierung erwartet, daß sie nach Abschluß des EU-Vorhabens unverzüglich dem Ausschuß über die Art der Beriicksichtigung der Beschlüsse des Bundestages berichtet und dabei auch darlegt, ob und inwieweit die Bundesregierung in diesem Fällen entsprechenden Beschlüssen des Bundesrates gefolgt ist. Dariiber hinaus wird von der Bundesregierung erwartet, daß sie gegenüber dem Ausschuß Abweichungen von Stellungnahmen des Bundesrates dann begriindet, wenn sie einer solchen Berichtspflicht gegenüber dem Bundesrat nachkommt. Soweit es für das Verständnis erforderlich sei, solle das federführende Ressort im Zusammenhang mit seiner Berichterstattung über eine Ratstagung auch erläutern, inwieweit der Ratsbeschluß mit dem vom Bundestag urspriinglich beratenen Vorschlag übereinstimmt. Der Übergang von einer Antwortpflicht der Regierung zu einer Berichtspflicht auch ohne konkrete Nachfrage wird den verfassungsrechtli544 Hiergegen aufgrund der Vertraulichkeit der Ratsberatungen ParI. Staatssekretär Waffenschmidt, BMI, GVK-StenBer., 11. Sitzung vom 15. Oktober 1992, S. 32 f.; anders WeberPanariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 271. 545 Ferner auf Initiativen aus Bundesländern und aus dem Bundesrat, sowie auf Initiativen aus Mitgliedstaaten, die für die Willensbildung des befaßten Organs der Europäischen Union entscheidungsfördemd sind. 546 "Darüber hinaus erwartet der Europaausschuß, daß in die Unterrichtung auch Informationen über eigene Initiativen ... einbezogen werden." 547 Punkt 11.2. lautete: "Erbittet der Deutsche Bundestag Unterrichtung darüber, ob und inwieweit die Stellungnahme des Deutschen Bundestages bei der Beschlußfassung des Rates der EU Berücksichtigung gefunden hat, wird diese Information vom federführenden Ressort gegeben. Dabei soll der Beschluß des Rates der Europäischen Union dargestellt und erläutert werden, inwieweit er mit dem vom Deutschen Bundestag ursprünglich beratenen Vorschlag übereinstimmt und insbesondere inwieweit etwaige Stellungnahmen des Deutschen Bundestages berücksichtigt sind."
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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chen Vorgaben besser gerecht, denn eine Pflicht zur unaufgeforderten Information gewährleistet eine effektivere begleitende parlamentarische Mitwirkung. Ein bloßes Fragerecht (auch mit korrespondierender Antwortpflicht der Regierung) ist nicht gleichermaßen wirksam, da ohne hinreichende Hintergrundinformation auch keine sinnvolle Befragung erfolgen kann. 548 Was die Beschränkung auf abgeschlossene EU-Vorhaben anbelangt und des weiteren die Beschränkung der Begründung für Abweichungen von parlamentarischen Stellungnahmen auf die Fälle, in denen auch der Bundesrat informiert wird, so ist dies nicht geeignet, ein weitergehendes Fragerecht des Bundestages auszuschließen. Zwar haben sich die Ressorts durch die Wahl der Formulierung erkennbar nicht selbst verpflichten wollen. Die Begründungspflicht für Abweichungen von Stellungnahmen besteht aber bereits kraft Verfassungsrechts;549 ferner ist nach Maßgabe der verbindlichen § 4 Satz 2 EUZBGG, § 2 EU-Grundsätze nicht nur über abgeschlossene Vorhaben zu berichten, sondern auch über den Verlauf der supranationalen Beratung und die Willensbildung in den zuständigen Gremien der Union. Dies erstreckt sich auch auf das Schickal der nationalen parlamentarischen Stellungnahme in diesem supranationalen Rechtsetzungsverfahren. Im übrigen ist die in § 4 Satz 2 EUZBBG verankerte fortlaufende Unterrichtung über die Beratungen in den Gremien der EU, insbesondere über Entwicklungen im Rat, auch in den EU-Grundsätzen und in der Ressortabsprache erfaßt und im Hinblick auf die beteiligten Stellen innerhalb der Verfassungsorgane konkretisiert. Gern. § 8 und Anh. I Nr. 1 EU-Grundsätze obliegt der Regierung ihre Pflicht gegenüber dem Europaausschuß (neben den Fachausschüssen); gern. Punkt II der Ressortabsprache sind es die jeweiligen Fachressorts, die zur Unterrichtung berufen sind. 55o c) Sonstiges § 6 EUZBBG stellt klar, daß dem Bundestag auch bei Vorhaben auf der Rechtsgrundlage von Art. 235 EGVa.F. 551 die Mitwirkungsrechte des EUZBBG zustehen. Sinn der Norm, die bereits vor Gründung der Europäischen Union galt,552 war 548 Diese Erkenntnis ist altbekannt; sie bestimmte bereits den Art. 67 WRV betreffenden Streit um den Umfang des Unterrichtungsanspruchs des Bundesrates gern. Art. 53 Satz 3 GG, hierzu Schü[e. Die Infonnationspflicht der Bundesregierung gegenüber dem Bundesrat, in: Festschrift für Bilfinger, 1954, S. 441 (453 f.). 549 s.u., Kap. 2, B.lY.2.b)bb) (S. 229 ff.); s.a. oben, Kap. 2, A.VI.1.b) (S. 177 f.). 550 Gern. Punkt 11. a.E. ist daneben das Auswärtige Amt für Unterrichtungen über die Entwicklungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere über die wichtigsten Aspekte und grundlegenden Weichenstellungen, zuständig. 551 Art. 308 EGV n.F. 552 § 7 Satz 2 EUZBBG bestimmt, daß § 6 abweichend von den übrigen Vorschriften des EUZBBG bereits am 1. Januar 1993 in Kraft tritt.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
es, dem Bundestag auch im Fall des Scheiterns des Maastrichter Vertrages im Anwendungsbereich der Generalermächtigung des Art. 235 EGV a.F. 553 die erweiterten Mitwirkungsrechte zu gewährleisten. Der Streit, ob sich hierin der Regelungsgehalt des § 6 EUZBBG erschöpft und ob er mit Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages gegenstandslos geworden ist,554 hat keine praktische Relevanz. Anders als § 5 Abs. 3 EUZBLG für die Mitwirkungsrechte des Bundesrates sieht § 6 EUZBBG keine anders ausgestalteten Rechte vor, sondern nur die Geltung der übrigen Rechte aus §§ I - 5 EUZBBG. Diese sind damit in jedem Fall einschlägig - entweder über die Verweisnorm des § 6 oder direkt. Ebenfalls unerheblich ist das Fortbestehen des Art. 2 ZustG, das in § 93 Abs. 1 GO-BT vorausgesetzt wird. Ursprünglich war auch in den Entwürfen zu § 3 EUZBBG ein Hinweis auf die weitere Gültigkeit der früheren Rechtsgrundlage vorgesehen. 555 Da der Sonderausschuß einen solchen Verweis für entbehrlich hielt, wurde dieser gestrichen. 556 Die Formulierung "entbehrlich" verdeutlicht, daß das 1957er Unterrichtungsverfahren formal noch gilt; es hat allerdings neben den neuen Zuleitungsformen keine praktische Bedeutung mehr. 557 2. Die Mitwirkungsrechte des Bundestages gern. Art. 23 Abs. 3 GG
a) Das Stellungnahmerecht aa) Verpflichtung der Bundesregierung
Die Bundesregierung gibt dem Bundestag gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG Gelegenheit zur Stellungnahme vor ihrer Mitwirkung an Rechtsetzungsakten der Europäischen Union. Es stellt sich die Frage nach den inhaltlichen, zeitlichen und faktischen Grenzen der Regierungsverpflichtung. Die Formulierung "gibt Gelegenheit", die auch in § 5 Satz 1 EUZBBG aufgenommen wurde, verdeutlicht die strikte Verpflichtung der Bundesregierung, der damit kein Beurteilungsspielraum dahingehend zukommt, dem Bundestag das Gehör auch zu verweigern. Eine Grenze dieser Pflicht könnte die durch supranationale Strukturen vorgegebene tatsächliche Unmöglichkeit bilden. Dies ist zwar nicht ausdrücklich festgelegt, in dem arbeitsteiligen Rechtsetzungsprozeß zwiArt. 308 EGV n.F. Mit Nachweisen zur unterschiedlichen Beurteilung im Sonderausschuß Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 286. 555 BT-Drs. 12/3609, S. 3; BT-Drs. 12/3614, S. 3. 556 BT-Drs. 12/3896, S. 24. 557 Insbesondere bezieht sich die Ressortabsprache ausdrücklich auf das Verfahren gern. §§ 3 ff. EUZBBG und gilt nicht nur beschränkt auf die Unterrichtung nach Art. 2 ZustG; mißverständlich für die Zeit vor Anpassung der Ressortabsprache Morawitzl Kaiser; Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 47. 553
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B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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schen nationaler und supranationaler Ebene aber systemimmanent. Allerdings sind die Anforderungen an eine Unmöglichkeit der Beteiligung angesichts des Wortlauts der Art. 23 Abs. 3 Satz I GG, § 5 Satz I EUZBBG, der keine diesbezüglichen Einschränkungen vorsieht, sehr hoch anzusiedeln. Bei der europäischen Rechtsetzung handelt es sich um komplexe Verfahrensabläufe, die sich in den für den Bundestag interessierenden Sachbereichen in der Regel über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr erstrecken. 558 Ein Eilfall, der eine Beteiligung des Parlaments nicht zuläßt, ist in diesen Fällen kaum anzunehmen. Die Regierung ist vielmehr gern. Art. 23 Abs. 3 Satz I GG verpflichtet, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln auf der europäischen Ebene für die Beteiligungsrechte des Bundestages einzutreten. 559 So kann sie sich auf das aus der Gemeinschaftstreue folgende Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme berufen, sie kann Verfassungs- und Parlamentsvorbehalte geltend machen. Dies stellt keinen Fremdkörper im europäischen Rechtsetzungsprozeß dar; namentlich für die Fälle, in denen ein Ratsmitglied erst konkretere Weisungen der nationalen Regierung einholen muß, hat sich das Verfahren der Beschlußfassung "ad referendum", d. h. unter dem Vorbehalt der Zustimmung der innerstaatlich zuständigen Stellen, entwickelt. Auf der supranationalen Ebene kommt es dabei nur darauf an, daß das Verhandlungsmandat eingeschränkt ist. Es spielt dagegen keine Rolle, ob auf der nationalen Ebene die Beteiligung eines Ministeriums oder eines Parlaments oder beispielsweise des Deutschen Bundesrates 560 eingeholt werden muß. In allen Fällen kann ein Beschluß ad referendum, d. h. unter der aufschiebenden Bedingung der endgültigen Billigung binnen kurzer Frist, gefaßt werden. 56l Der Beschluß des Rates kommt dann zustande, wenn die innerstaatlich mitwirkungsberechtigte Stelle ihre Zustimmung gegeben hat, eine erneute Ratssitzung ist dabei überflüssig. Nur in seltenen Fällen wird es vor diesem Hintergrund der Bundesregierung objektiv nicht möglich sein, dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme zu ge-
558 Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, S. 114 (133); Maurer; Regieren nach Maastricht: Die Bilanz des Europäischen Parlaments nach fünf Jahren "Mitentscheidung", Integration 1998,212 ff. unter Hinweis auf eine Regeldauer von über 700 Tagen im Mitentscheidungsverfahren. 559 Anerkannt ist eine vergleichbare Pflicht der deutschen Delegation, gegen einen Rechtsakt einzutreten, der Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG zuwiderläuft, BVerfGE 89, 155 (184); BVerfGE 92, 203 (237). 560 In der Tenninologie der Praxis macht die Bundesregierung auch dann einen "Parlamentsvorbehalt" geltend, wenn nicht Stellungnahmen des Bundestages, sondern Stellungnahmen des Bundesrates zu berücksichtigen sind. 56l Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee/Kirchhof, HdBdStR VII, 1992, § 181 Rdnr. 27; Bieber; in: Beutler/Bieber/Pipkorn/ Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993,4.3.1. (S. 126),4.3.4.2 (S. 137); Schweitzer; in: Grabitz/Hilf, Art. 148 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 18. Diese Praxis hat sich neben den gemeinschaftsrechtlich vorgesehenen Abstirnrnungsmodalitäten in Anlehnung an das Verfahren zum Abschluß völkerrechtlicher Verträge entwickelt, hierzu Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl. 1990, § 10 Rdnr. 15, s.a. Art. 12 Abs. 21it. b WVK.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
ben. Vorstellbar ist dies etwa in Bereichen, die durch Verordnungen der Kommission geregelt werden - wie häufig im Bereich der Agrannarktverwaltung. Hier beschränkt sich die nationale Mitwirkung auf Stellungnahmen im Verwaltungsausschußverfahren. In Eilfällen beträgt die Frist, innerhalb derer die Mitgliedstaaten zu dem Kommissionsvorschlag Stellung nehmen müssen, oft nur wenige Stunden; häufig wird der Vorschlag erst zu Beginn einer Sitzung unterbreitet und in derselben Sitzung darüber abgestimmt. In diesen Fällen gilt eine aktive Mitwirkung des Bundestages an der Willensbildung des Bundes als unrealistisch, es wird gefordert, daß der Bundestag in diesen Fällen auf die Abgabe einer Stellungnahme verzichten sollte und dies auch werde. 562 Dies ist vertretbar, soweit es sich nicht um wesentliche Materien handelt, die also auch im nationalen Bereich nicht dem demokratischen Parlamentsvorbehalt unterfielen. Andererseits bestehen erhebliche Bedenken gegen das Komitologieverfahren der Kommission, sowohl aus Sicht des Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 Abs. 1,2 GG wie auch aus Sicht des Demokratieprinzips des EG-Vertrages. 563 Eine Lösung der Problematik ist daher auf der supranationalen Ebene zu suchen, vorzugsweise durch eine stärkere Beteiligung des Europäischen Parlaments. bb) Inhaltliche Grenzen
Eine Begrenzung des Stellungnahmerechts in inhaltlicher Hinsicht gibt die in Art. 23 Abs. 3 Satz I GG, § 5 Satz I EUZBBG festgelegte Beschränkung auf "Rechtsetzungsakte".564 Die Nichtbenennung sonstiger Vorhaben entspricht dem Telos der neuen Mitwirkungsrechte. Dennoch zeigt die Entstehungsgeschichte der Nonn, daß der Begriff keineswegs eng auszulegen ist. Die ursprünglich für das EUZBBG geplante Konkretisierung "vor ihrer Zustimmung zu Verordnungen und Richtlinien,,565 war vom Sonderausschuß als zu restriktiv verworfen worden, da sie sich ausschließlich auf Rechtsakte i. S. d. Art. 189 EGV a.F. 566 bezogen hätte. Rechtsetzungsähnliche Vorhaben sollten ebenfalls der gesetzlich abgesicherten Mitwirkung des Bundestages unterliegen. 567 Dem trägt auch Punkt 1.1. der Ressortabsprache Rechnung, demzufolge nicht nur jeder vom Generalsekretariat des Rates eingehende Verordnungs- oder Richtlinienvorschlag dem Bundestag zuzuleiten ist, sondern auch alle Vorschläge zu Entscheidungen oder sonstigen Rats562 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 293. 563 s.o., Kap. 1, B.1.2.g) (S. 92 ff.). 564 Detailliert zu den einzelnen Rechtshandlungen der EU als Rechtsetzungsakte i.S.v. Art. 23 Abs. 3 GG Günther, Die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, 1998, S. 80 ff. 565 BT-Drs. 12/3609, S. 3; BT-Drs. 12/3614, S. 3. 566 Art. 249 EGV n.F. 567 BT-Drs. 12/3986, S. 24; Möller/Limpen, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993,21 (27).
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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beschlüssen. 568 Dies gilt auch für Beschlüsse nach Art. 100 c EGVa.F.,569 Art. 138 Abs. 3 Satz 2 EGVa.F.,570 Art. 201 Satz 2 EGVa.F. 571 sowie nach Art. K.3 Abs. 2 und K.9 EUVa.F. Was für die letztgenannten Beschlüsse aus der früheren Unionssäule der Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres (ZJI) gilt, wird in Zukunft auch weiterhin für die auf Art. 34 Abs. 2, 42 EUV n.F. gestützten Beschlüsse im Rahmen der modifizierten polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) gelten. Weiteren Beschränkungen in sachlich-inhaltlicher Hinsicht unterliegt das Stellungnahmerecht des Bundestages nicht, insbesondere ist es nicht auf solche Rechtsetzungsvorhaben beschränkt, die innerstaatlich der ausschließlichen Zuständigkeit des Bundes unterlägen. Im Hinblick auf die Beteiligungsrechte des Bundesrates unterscheidet Art. 23 Abs. 4, 5 GG dagegen danach, ob und inwieweit das betreffende Vorhaben nach der innerstaatlichen Kompetenzordnung in die Zuständigkeit von Bund oder Ländern fiele und sieht eine entsprechend abgestufte Intensität der Mitwirkung vor. cc) Zeitliche Grenzen
Was den zeitlichen Rahmen des Stellungnahmerechts anbelangt, so scheint zwischen der verfassungsrechtlichen Vorgabe "vor der Mitwirkung an Rechtsetzungsakten" in Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG und der einfachgesetzlichen Ausgestaltung in § 5 Satz 1 EUZBBG "vor der Zustimmung zu Rechtsetzungsakten" ein Widerspruch zu bestehen. Dieser erweist sich als besonders krass, wenn man sich auf den Standpunkt stellt, daß die Bundesregierung nach der einfachgesetzlichen Formulierung das Parlament dann nicht beteiligen müßte, wenn sie sich in den europäischen Gremien der Stimme enthielte oder eine Vorlage ablehnte. 572 Nach dem Wortlaut der höherrangigen Verfassungs vorschrift sowie deren entstehungsgeschichtlichem und teleologischen Hintergrund ist es indes ausgeschlossen, die parlamentarische Mitwirkung auf exekutivisches Abstimmungsverhalten zugunsten einer Vorlage zu begrenzen. Dies ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt ausgeschlossen, daß die Regierung in der Vorbereitungsphase der Verhandlungen häufig noch gar nicht beurteilen kann, ob oder inwieweit sie zu einem späteren Zeitpunkt einem Legisla568 Anders sah noch Punkt I. der Ressortabsprache i.d.F. von 1981 (abgedruckt bei Morawitz/ Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 149) vor, daß außer Richtlinien- und Verordnungsentwürfen nur solche Ratsentscheidungsvorschläge zuzuleiten waren, die offensichtlich in die innerdeutsche Gesetzgebung eingriffen. 569 Visumszwang für Drittländer, im EGV n.F. aufgehoben. 570 Bestimmungen für ein einheitliches Wahlverfahren zum EP = Art. 190 Abs. 4 Satz 2 EGVn.F. 571 Bestimmungen hinsichtlich des Eigenmittelsystems = Art. 269 Satz 2 EGV n.F. 572 So Morawitz/ Kaiser, S. 106 für das Verhältnis Bundesregierung - Bundesrat gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG.
15 Hansmeyer
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
tivakt zustimmen wird oder nicht. 573 Nur wenn das Stellungnahmerecht in allen Stadien der nationalen Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung besteht, wie es der Wortlaut der Verfassung ja auch vorgibt, ist eine gestaltende Einflußnahme des Parlaments möglich. Dies trägt der Intention der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK) Rechnung, derzufolge die Stellungnahme das wesentliche Instrument der Mitwirkungsbefugnis des Bundestages darstellen soll. 574 Der Begriff der ,,zustimmung" ist also nicht im Sinne positiven Stimmverhaltens zu verstehen. Er scheint aber doch zumindest auf Entscheidungen abzuzielen, auf endgültige Abstimmungen. Vor diesem Hintergrund wird die Frage aufgeworfen, ob das Stellungnahmerecht nur in bezug auf die abschließende Zustimmung zu einem europäischen Legislativakt im Ministerrat gilt, oder es sich dariiber hinaus auf Zustimmungsakte im Verlauf des Rechtsetzungsverfahrens erstreckt. 575 Die Zusammenschau mit Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG, dem zufolge die Stellungnahmen bei den Verhandlungen zu beriicksichtigen sind, klärt, daß auch während des Beratungsverfahrens die Stellungnahme als Instrument der begleitenden Kontrolle eingesetzt werden darf. Unter den Begriff der Zustimmung i.S.v. § 5 Satz 1 EUZBBG fallt damit jedenfalls auch das Abstimmungsverhalten der Regierung bei Formulierung des Gemeinsamen Standpunktes des Rates im Verfahren der Mitentscheidung gern. Art. 251 Abs. 2 Satz 2 EGV 576 oder der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament gern. Art. 2521it. a EGV. 577 Der Umstand, daß vom Wortlaut des § 5 Satz 1 EUZBBG nicht jede Beratung auf unterster technischer Ebene abgedeckt ist, bedarf indes keiner verfassungskonformen, erweiternden Auslegung. In diesen Bereichen genügt zunächst die weitreichende Informationspflicht der Bundesregierung; jede Arbeitsgruppensitzung dagegen mit förmlichen parlamentarischen Beschlüssen zu begleiten, hieße nicht nur die Handlungsfahigkeit der Exekutive einzuschränken, sondern auch, den Bundestag bzw. dessen Europaausschuß zu lähmen und das Instrument der Stellungnahme zu entwerten. In diesem Bereichen muß besondere Bedeutung den informellen Kontakten zwischen Fachministerium und Bundestagsausschüssen zukommen. Im Bundestag selbst wird diese "Dialogsituation,,578 als positiv und von erheblichem politischem Gewicht bewertet. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Verantwortungsklarheit bestehen nicht - wie gezeigt, wird vielmehr die Kooperation von der Funktionenordnung des Grundgesetzes gefordert. 579 Dies gilt um so mehr, als die Verantwortlich573 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 294. 574 BT-Drs. 12/6000, S. 21. 575 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 274. 576 Art. 189 b Abs. 2 Satz 2 EGVa.F. 577 Art. 189 c lit.a EGV a.F. Zu den Verfahren s. ausführ!. 0., Kap. I, B.1.2.d) (S. 75 ff.) und e) (S. 78 ff.). 578 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 26.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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keit der Regierung auf der europäischen Ebene, etwa angesichts der Möglichkeit von Mehrheitsentscheidungen, ohnehin nur abgeschwächt gilt. Gern. § 5 Satz 2 EUZBBG muß die Regierung eine Frist zur Stellungnahme setzen und diese so bemessen, daß der Bundestag ausreichend Gelegenheit hat, sich mit der Vorlage zu befassen. Der deutsche Ratsvertreter muß mit seiner Stimmabgabe grundsätzlich bis zum Ablauf der Frist warten. Damit kommt der Frist eine doppelte Funktion zu: zum einen gewährleistet sie, daß die Regierung nach Fristablauf auf europäischer Ebene wieder verhandlungsfähig ist. Zum anderen wird dem Bundestag hiermit der geeignete Zeitpunkt für die Abgabe der Stellungnahme empfohlen, zu dem die Verhandlungen eine Berücksichtigung erlauben. Diese Erwartung hatte nicht nur der Sonderausschuß mit der Fristbemessung verbunden,580 sie wird auch rechtlich durch das Gebot der Verfassungsorgantreue gestützt. Stellt die Fristbemessung zwar in erster Linie eine Begrenzung des Stellungnahmerechts dar, aber auch ein Mittel zu dessen Effektivierung, so wirft das die Frage auf, ob dem Bundestag eine erneute Frist einzuräumen ist, wenn erhebliche Änderungen der diskutierten Legislativentwürfe eintreten. Dies müßte in Anlehnung an § 3 EUZBBG dann gefordert werden, wenn die Änderung für die Bundesrepublik von Interesse iSt. 581 Angesichts von Sinn und Zweck der Mitwirkungsrechte gilt dies besonders dann, wenn der Vorschlag Auswirkungen auf innerstaatliche Gesetze hat. b) Die Berücksichtigungspflicht aa) Umfang der Bindungswirkung nach dem Wortlaut
Die Stellungnahmen des Bundestages werden gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG von der Bundesregierung bei ihren Verhandlungen berücksichtigt. Im allgemeinen Wortsinn bedeutet "berücksichtigen", sich mit einer Sache zu befassen und ihr nach Abwägung mit anderen Umständen mehr oder weniger intensiv Rechnung zu tragen. Eine Entscheidung wird mit Rücksicht auf etwas getroffen - wie weit diese Rücksichtnahme im einzelnen reicht, ist indes unbestimmt. Nichts anderes gilt im juristischen Sprachgebrauch - regelmäßig bedeutet "Berücksichtigung" mehr als bloße Kenntnisnahme, weniger allerdings als strenge Bindung. Zwischen diesen beiden Eckpunkten sind wenig greifbare Abgrenzungskriterien gegeben. 582 Wann immer etwa im Besonderen Verwaltungsrecht eine Pflicht zur Berücksichtigung von Stellungnahmen statuiert ist, werden sich unterschiedliche Ansichten über die Kap. 2, A.IV.3. (S. 150 ff.). BT-Drs. 12/3986, S. 24. 581 So Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 275. 582 Zum Verständnis des Art. 33 Abs. 5 GG und einer Verortung der Berücksichtigungspflicht zwischen ,,in Erwägung ziehen" und "beachten" BVerfGE 3, 58 (137); BVerfGE 7, 155 (162); Kunig, in: Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 1995, Art. 33 Rdnr. 59; Battis, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 33 Rdnr. 67. 579
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
Reichweite der damit verbundenen Bindungswirkung finden. So wird zu § 56 Abs. 2 BImschG, der die angemessene Berücksichtigung der Stellungnahme des Immissionsschutzbeauftragten bei Investitionsentscheidungen des Betreibers statuiert, teilweise vertreten, daß es dem Anlagebetreiber freistehe, ob er den Vorstellungen des Immissionsschutzbeauftragten folgen wolle. 583 Die Regelung der "angemessenen Berücksichtigung" beziehe sich nur auf den Zeitpunkt der Einholung der Stellungnahme, während die unternehmerische Freiheit inhaltlich nicht eingeschränkt werde. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, daß ein verantwortungsbewußter Unternehmer der Stellungnahme auch ohne rechtliche Verpflichtung angemessen Rechnung tragen werde. Dieses restriktive Verständnis ist aber selbst unter Hinweis auf das allgemeine Verhältnis zwischen Anlagenbetreiber, der ausschließlich entscheidungsbefugt bleibt, und dem von ihm ausgewählten Betriebsbeauftragten bedenklich. Selbst in dem Verhältnis der Über- / Unterordnung kann "berücksichtigen" nicht anders verstanden werden, als daß der Betreiber seiner Pflicht nur genügt, wenn die Stellungnahme tatsächlich sorgfältig in die Entscheidungsfindung und Abwägung einbezogen wird. 584 Hierfür spricht auch, daß selbst "schlichte Anhörungsrechte" im allgemeinen nicht auf die bloße Pflicht der Kenntnisnahme reduziert werden dürfen, sondern tatsächliche Befassung gebieten, soll es sich nicht um eine leere Formalie handeln. Dies gilt etwa im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht gern. § 28 Abs. 1 VwVfG im Verhältnis des beteiligten Bürgers zur Behörde;585 dies gilt im Verhältnis der Organe der Europäischen Union zueinander im Rechtsetzungsverfahren. 586 Der Terminus "Berücksichtigen" deutet nach dem juristischen Wortsinn daher auf eine weitergehende Bindungswirkung hin, als diese - prinzipiell großzügig ausgelegten - Rechte der Anhörung und Äußerung. Diese hätten dem Bundestag bereits gern. Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG zugestanden und selbst ohne diese Vorschrift aufgrund seines allgemeinen Rechts zur Äußerung im Wege schlichter Parlamentsbeschlüsse. 58? Es liegt damit nahe, daß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG eine weiterreichende Bedeutung hat. 588
583 Hansmann, in: Landmann/Rohmer/Hansmann, Umweltrecht I, BImsehG, § 56 (Stand der Bearb. Oktober 1996) Rdnr. 13. 584 Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht I, § 56 (Stand der Bearb. August 1990), Anm.11. 585 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Auf!. 1998, § 28 Rdnr. 40, dem zufolge die Behörde den Sachvortrag ernsthaft und nicht nur formal in Erwägung zu ziehen hat. 586 Zur Anhörung des EP s.o. Kap. I, B.1.2.c)bb) (S. 72 f.). 587 Für die Zulässigkeit von Parlamentsbeschlüssen ohne gesetzliche Grundlage, mit unterschiedlichen dogmatischen Begründungsansätzen Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 741 ff.; Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 214; Hans Hugo Klein, Aufgaben des Bundestags, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 40 Rdnr. 12; Sellmann, Der schlichte Parlamentsbeschluß, 1966, S. 41, zu den unterschiedlichen dogmatischen Begründungsansätzen S. 24 ff.; Butzer, Der Bereich des schlichten Parlamentsbeschlusses, AöR 119 (1994), 61 (69).
B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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bb) Umfang der Bindungswirkung - veifassungssystematische Betrachtung
Tatsächlich hat die Berücksichtigungspflicht eine weitreichende Bedeutung. Dies wird deutlich, bezieht man die Stellung des Bundestages im parlamentarischen Regierungssystem und die Kompensationsfunktion der neuen parlamentarischen Mitwirkungsrechte in die Auslegung der Vorschrift ein. Eine - entgegen dem Wortlaut der Norm - strikte Bindung der Regierung ist weder mit dem durch Art. 23 Abs. 2, 3 GG gewährleisteten Bereich exekutivischer Eigenverantwortung noch mit dem Konzept einer Zuständigkeit zur gesamten Hand zu vereinbaren. Es ist also nicht so, daß die Regierung die Stellungnahme des Bundestages durch entsprechende Festlegung ihrer Verhandlungsposition gewissermaßen nur noch vollziehen müßte. Die Bindung der Regierung ist auch nicht gleichzusetzen mit derjenigen an die deutschen Grundrechte, deren Verfassungsrang die europarechtlichen Stellungnahmen nach Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG nicht teilen. 589 Nimmt man dies nun als verfassungsrechtliche Obergrenze der Bindungswirkung, so verbietet sich vor dem Hintergrund der vorangegangenen verfassungssystematischen Würdigung in Kapitel 2 A, die verbindliche Wirkung der Stellungnahmen noch geringer anzusetzen. Eine dies erfordernde Regierungsprärogative existiert gerade nicht; die faktische Prärogative, die die Regierung im Rahmen der nationalen Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung durch ihre Wahrnehmungszuständigkeit nach außen hat, erfordert vielmehr, daß die parlamentarische Kontrolle soweit wie möglich reicht. Art. 23 Abs. 2 Satz I GG statuiert hier einen kooperativen Prozeß, der von Regierung und Parlament zur gesamten Hand geführt wird. Vor diesem Hintergrund ist der Auffassung zuzustimmen, die die Stellungnahme nach Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG als Fortentwicklung des Instituts des schlichten Parlamentsbeschlusses wertet, da die verfassungsrechtliche Verankerung der Berücksichtigung eine Befassungs-, Begründungs- und Sorgfaltspflicht der Regierung festschreibt. 590 Die Regierung wird verpflichtet, das, was der Bundestag in seinen Stellungnahmen fordert, aufzunehmen, zu verarbeiten und gegebenenfalls ein Abweichen davon dem Bundestag zu 588 Für eine bloße deklaratorische Bedeutung dagegen etwa ParI. Staatssekretär Waffenschmidt. BMI, GVK-StenBer.• 11. Sitzung vom 15. Oktober 1992, S. 33. demzufolge die Bin-
dungswirkung eine rein politische sei und eigentlich keiner Erwähnung im Grundgesetz bedurft hätte. I.d.S. auch Rath. Die .,unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages. ZParl (Sdbd.) 1995, 114 (142) mit Hinweis darauf. daß das ohnehin selbstverständliche Recht zur Stellungnahme vor allem aus Gründen der besseren Optik aufgenommen worden sei. man habe gegenüber dem Bundesrat nicht mit leeren Händen dastehen wollen. 589 Zur Reichweite der Bindung an die Grundrechte s.o .• Kap .• 2. A.II.3.b) (S. 127 ff.). 590 Möller / Limpert. Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993.21 (28); Lang. Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG. 1997. S. 308; Weber-Panariello. Nationale Parlamente in der Europäischen Union. 1995. S. 275. Als schlichter Parlamentsbeschluß ohne materielle Bindungswirkung ist die Stellungnahme nach der restriktiven Ansicht von Günther; Die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union nach Art. 23 GG. 1998. S. 152 ff.• 169. zu bewerten.
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
begründen. Als zulässige Fonnen der Berücksichtigung sind etwa eine (teilweise) Übernahme der Stellungnahme denkbar, ebenso eine Ausrichtung der Verhandlungsposition an der Zielsetzung der Stellungnahme oder etwa eine entsprechende Interpretation des geplanten Rechtsetzungsaktes. Je weniger detailliert eine Stellungnahme dabei ist, um so stärker wird sie sich in der Regierungsarbeit niederschlagen. 59l Ein Beurteilungsspielraum ist der Regierung also durchaus eingeräumt. Will sie aber keines der vom Bundestag angeführten Argumente oder Zielsetzungen übernehmen und soll sich auch keine seiner Forderungen im Verhandlungsverhalten der Regierung niederschlagen, so kann dies nur aus unabweisbaren Gründen zulässig sein,592 die die Regierung darzulegen hat. In Betracht kommen dabei Gründe von Verfassungsrang, ferner entgegenstehende Stellungnahmen des Bundesrates im Anwendungsbereich der "maßgeblichen Berücksichtigung" gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG. Dagegen ist die parlamentarische Stellungnahme nicht als einer unter vielen Abwägungsbelangen zu sehen, wie etwa rein politische Zweckmäßigkeitserwägungen. Im Hinblick auf das "ob" der Berücksichtigung sind die Anforderungen an die Regierung höher, als im Hinblick auf die Modalitäten. Dies entspricht der Rechtsfigur des demokratischen Parlamentsvorbehaltes in europäischen Angelegenheiten, der die Abfassung der wesentlichen Direktiven durch den Bundestag gebietet und die Konkretisierung im Detail der Bundesregierung überläßt. Nur dieses Auslegungsergebnis wird den Anforderungen gerecht, die das Bundesverfassungsgericht in der Maastricht-Entscheidung an die verbleibenden substantiellen Befugnisse des Bundestages stellt. Gestützt wird die dargelegte weitgehende Berücksichtigungspflicht der Regierung noch durch das Prinzip der Verfassungsorgantreue, in deren Sinne die Mitwirkungsrechte von Bundesregierung und Bundestag nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts wahrzunehmen sind.593 Aus dem Grundsatz der Organtreue lassen sich zwar keine Rechte herleiten, die nicht von der Verfassung oder durch Gesetz vorgesehehen sind - allerdings können sich auf Basis der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung ungeschriebene Verhaltenspflichten ergeben. 594 Damit wird die Organtreue berechtigterweise als Instrument zur Verstärkung des Berücksichtigungsrechts gewertet. 595 591 Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 120, empfiehlt daher dem Bundestag, sich zu wenig konkreten Leitlinien "durchzuringen". Dies überzeugt insoweit, als die parlamentarische Beteiligung in erster Linie die demokratische Legitimation für politisch wesentliche Entscheidungen gewährleisten muß und nicht für technische Einzelheiten. Eine Grenze dürfte allerdings überschritten sein, wenn die parlamentarischen Stellungnahmen so vage bzw. inhaltsleer wären, daß eine effektive rnitgestaltende Kontrolle der Regierungstätigkeit, zu der das Parlament gern. Art. 23 Abs. 2, 3 GG verpflichtet ist, nicht mehr gegeben wäre. 592 So allgemein für ein Abweichen von der Stellungnahme Berichterstatter Abg. Möller in der GVK-StenBer., 11. Sitzung vom 15. Oktober 1992, S. 2; dagegen ohne nähere Begründung Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 275 (Fußn. 455). 593 BVerfGE 89, 155 (191). 594 BVerfGE 90, 286 (337 f.); Wolf-Rüdiger Schenke, Die Verfassungsorgantreue, 1977, S.148.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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ce) § 5 Satz 3 EUZBBG
Die konkretisierende Fassung in § 5 Satz 3 EUZBBG divergiert in der Fonnulierung vom Verfassungstext: festgeschrieben ist nicht die Pflicht, die Stellungnahme zu berücksichtigen, sondern vielmehr, sie "den Verhandlungen zugrunde zu legen". Dieses Auseinanderfallen war dem Gesetzgeber durchaus bewußt, war doch bereits für die Verfassungsänderung der Begriff des ,,zugrundelegens" angestrebt worden, auf dieser Ebene indes gescheitert. 596 Der Verbleib in dem nicht zustimmungsbedürftigen EUZBBG stellte dabei nicht etwa ein redaktionelles Versehen dar, sondern war darauf zurückzuführen, daß das Gesetz nicht der Zustimmung des Bundesrates bedurfte. 597 ,,zugrundelegen" deutet nach dem Wortsinn auf eine intensivere Bindungswirkung hin, die namentlich seitens des Bundesrates als mit der verfassungsrechtlichen Gleichstellung von Bundesrat und Bundestag in Art. 23 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 GG unvereinbar kritisiert wurde. Im Sonderausschuß wurde schließlich eine restriktive, nach Verfahrens stadien unterscheidende Auslegung getroffen,598 die von allen Verfassungsorganen akzeptiert wurde,599 und die auch in der Literatur600 nunmehr überwiegend vertreten wird: Demnach hat die Bundesregierung die Stellungnahme des Bundestages im ersten Verhandlungsstadium zugrundezulegen und im weiteren Verlauf nur noch zu berücksichtigen. Jedenfalls für die Praxis ist hier 595 Schachtschneider, Das Maastricht-Urteil. Die neue Verfassungslage der Europäischen Gemeinschaft, RuP 1994, 1 (7). Unverbindlicher Scholz, Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, 817 (824), dem zufolge sich "das Prinzip der Organtreue bei der Praktizierung der neuen Regelungen zu bewähren haben wird". 596 Der entsprechende Antrag der SPD-Fraktion war von der GVK abgelehnt worden, BTDrs. 12/6000, S. 22. Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht, Verwaltungsrundschau 1993,89 (91, Fußn. 17) wertet den Entwurf zu § 5 Satz 3 EUZBBG dahingehend, daß sich der Bundestag im einfachen Gesetz eine stärkere Beteiligung sichern wollte, als dies in der Verfassung mit Rücksicht auf die Bundesregierung geschehen war. 597 Daher hatten beide Entwürfe des EUZBBG die Fonnulierung des ,.zugrundelegens" enthalten, BT-Drs. 12/3609, S. 3; BT-Drs. 12/3614, S. 3. Der Bundesrat war dagegen der Auffassung, daß diese Fonnulierung gegen den aus Art. 23 GG zu entnehmenden Grundsatz verstoße, daß den Stellungnahmen des Bundesrates ebensoviel Bedeutung beizumessen sei wie der Stellungnahme des Bundestages, BR-Drs. 853/92 (Beschluß), S. 2. 598 BT-Drs. 12/3986, S. 19. 599 Während die Bundesregierung sofort einverstanden war, BT-Drs. 12/3896, S. 24, gab sich der Bundesrat erst nach dem für die Länderseite erfolglosen Vermittlungsverfahren mit der beschriebenen Auslegung des § 5 Satz 3 EUZBBG zufrieden, BR-PIPr., 652. Sitzung vom 12. Februar 1993, S. 19 f. 600 Möller/ Limpert, Infonnations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993, 21 (27 f.); Schotten, Das Grundgesetz nach Maastricht, Verwaltungsrundschau 1993, 89 (91 f.); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 309; Magiera, Die Grundgesetz-Änderung von 1992 und die Europäische Union, Jura 1994, I (10); Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 275.
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
die Kritik nicht unberechtigt, daß es sich um ein ,juristisches Glasperlenspiei" mit nicht mehr justiziablen Differenzierungen handelt. 601 Zugrundelegung kann letztlich keine intensivere Bindungswirkung bezeichnen, als die verfassungsrechtlich vorgegebene Beriicksichtigung - § 5 Satz 3 EUZBBG ist allerdings insoweit bedeutsam, als er in verfassungskonformer Weise den zeitlichen Aspekt der Beriicksichtigungspflicht konkretisiert. Zugrundelegen bedeutet, die parlamentarische Stellungnahme als Ausgangspunkt zu nehmen, und sie damit bereits zu Beginn des Willensbildungsprozesses bei Erarbeitung der nationalen Verhandlungsposition zu beriicksichtigen. dd) Kollision divergierender Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat
Ein weiteres Rechtsproblem stellt sich durch das Fehlen eines expliziten Konfliktlösungsmechanismus bei sich widersprechenden Stellungnahmen von Bundestag und Bundesrat. Während Art. 23 Abs. 4 GG den Grundsatz aufstellt, daß der Bundesrat entsprechend der innerstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern an der Willensbildung des Bundes in europäischen Angelegenheiten zu beteiligen ist, regelt Art. 23 Abs. 5 GG im einzelnen das "Wie" der Willensbildung. Die Mitwirkung der Länder durch den Bundesrat erfolgt in abgestufter Intensität, die die innerstaatliche Kompetenzverteilung widerspiegeln soll. Ist nach innerstaatlichem Recht ein Fall der ausschließlichen, konkurrierenden oder der Rahmengesetzgebungszuständigkeit des Bundes gegeben, ist gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG damit neben der parlamentarischen Stellungnahme auch die Stellungnahme des Bundesrates "zu beriicksichtigen". Wenn im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder, die Einrichtung ihrer Behörden oder ihre Verwaltungsverfahren betroffen sind, so sind gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG die Bundesratsstellungnahmen sogar "maßgeblich zu beriicksichtigen". Diese für die Länder wichtigste Neuerung, die unter bestimmten Voraussetzungen ein Letztentscheidungsrecht des Bundesrates bedeutet,602 ist im Hinblick auf die zuriickgedrängten parlamentarischen Stellungnahmen verfassungspolitisch problematisch, wenn auch noch von Art. 79 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gedeckt. 603 In dem hier interessierenden Zusammenhang 601 So Breuer; Die Sackgasse des neuen Europaartikels (Art. 23 GG), NVwZ 1994,417 (426). Kritisch auch Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVbl. 1993, 196 (201 f.). 602 Zu Reichweite und Grenzen des Letztentscheidungsrechts Wilhelm, Europa im Grundgesetz: Der neue Artikel 23, BayVBI. 1992, 705 (709); Scholz, Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, 817 (822 f.); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997, S. 184 ff. 603 Bedenken bestehen demgegenüber gegen die in Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG vorgesehene Delegation der Verhandlungsführung auf einen Ländervertreter, der nicht Adressat der parla-
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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erweist sich indes die einfache Berücksichtigung gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG als problematischer, da hier nicht bereits de constitutione lata eine Vorrangregelung getroffen ist, sondern beide Stellungnahmen "zu berücksichtigen" sind. Nachdem zunächst die Festschreibung einer Kollisionsregel in Art. 23 Abs. 3 GG im Sonderausschuß abgelehnt worden war, scheiterte schließlich auch der zunächst geplante einfachgesetzliche Konfliktlösungsmechanismus,604 dessen Zustimmungsbedürftigkeit umstritten war. 6OS Entsprechend der Beschlußempfehlung des Verrnittlungsausschusses sind nunmehr Konflikte allein auf der Grundlage von Art. 23 GG zu lösen. 606 Nach dem System der Abs. 2-7, namentlich Abs. 5 Satz 1, hat die Bundesregierung im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung grundsätzlich nur die Stellungnahme des Bundestages zu berücksichtigen. Das einfache Stellungnahmerecht des Bundesrates tritt konkurrierend hinzu, wenn in diesem Bereich Länderinteressen berührt sind. Die identische Verwendung des Begriffs "berücksichtigen" deutet an, daß beide Stellungnahmen grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehen. Als logische Konsequenz zöge dies nach sich, daß der Bundesregierung im Falle divergierender Stellungnahmen ein Beurteilungsspielraum zusteht, welcher Ansicht sie in welchem Umfang Rechnung tragen will. 607 Dafür spricht auch die entstehungsgeschichtliche Betrachtung, denn die einfachgesetzliche Kollisionsregel, der zufolge die parlamentarische Stellungnahme im Falle schwerpunktmäßiger innerstaatlicher Zuständigkeit des Bundes Vorrang genießen sollte, war ja gerade im Rahmen des Verrnittlungsverfahrens gestrichen worden. Die geplante Kollisionsregel wäre indes nicht unvereinbar mit dem verfassungsrechtlichen System der Mitwirkungsrechte gewesen: vom Wortlaut der Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 1 GG noch gedeckt, wäre sie dem Ziel echter parlamentarischer Kontrolle und parlamentarischer Legitimierung deutlich näher gekommen. Dem konkurrierenden Kompensationsbedürfnis unter föderalem Gesichtspunkt jedenfalls ist in Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG hinreichend Rechnung getragen. Der wohl als stärker einzuschätzenden Durchsetzungskraft des Bundesrates in der bisherigen Praxis könnte ebenfalls durch eine gesetzliche Vorrangregelung zugunsten des mentarischen Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG ist. Hier wäre de lege ferenda eine parlamentarische Verantwortlichkeit festzuschreiben, s.o., Kap. 2, A.II.2.a)bb) (S. 119 ff.). 604 § 6 EUZBBG-Entwurf lautete: "Im Falle sich widersprechender Stellungnahmen des Bundestages und des Bundesrates berücksichtigt die Bundesregierung vorrangig die Stellungnahme des Bundetages oder des Bundesrates, je nachdem, ob im Falle innerstaatlicher Gesetzgebung die Materie schwerpunktmäßig in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fiele. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG bleibt unberührt." 605 In den Ausschußberatungen im Bundestag war - entgegen der Ansicht des Bundesrats - die Auffassung vertreten worden, daß das Zusarnmenarbeitsgesetz nicht zustimmungs bedürftig sei, da eine entsprechende verfassungsrechtliche Festschreibung wie in Art. 23 Abs. 7 GG in Art. 23 Abs. 3 Satz 3 GG fehle, BT-Drs. 12/3896, S. 23. 606 BT-Drs. 12/4247; BT-PIPr. 12. WP 1137. Sitzung vom 4. Februar 1993, S. 11812. 607 Scholz, Europäische Union und deutscher Bundesstaat, NVwZ 1993, 817 (823).
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2. Kap.: Verfassungssystematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
Bundestags im Bereich der innerstaatlichen Zuständigkeit des Bundes entgegengewirkt werden. Nach der derzeitigen Rechtslage ist allerdings von einem Beurteilungsspielraum der Regierung bei konkurrierenden Stellungnahmen auszugehen.
c) Zusammenfassende Bewertung der Beteiligungsrechte Durch die verbesserten Unterrichtungsverfahren auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG, §§ 3, 4 EUZBBG sowie der Verfahrensgrundsätze des Europaausschusses und derjenigen der Ressorts wird ein nahezu lückenloser und kontinuierlicher Informationsfluß für den Bundestag gewährleistet. Dieser muß im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts eine sinnvolle Schwerpunktsetzung treffen. Die parlamentarischen Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG, § 5 EUZBBG stellen die vom Verfassungsgeber vorgesehene hauptsächliche Handlungsform dar, die dem Parlament zur Ausübung seiner Mitwirkungs- und Gestaltungsrechte im Rahmen der europäischen Rechtsetzung zur Verfügung steht. Festzuhalten ist, daß die Handlungsform insoweit abschließend ist, als neben ihr die Handlungsform des Parlamentsgesetzes (in der Form eines Organgesetzes) ausgeschlossen ist. Daneben treten mit großer praktischer Relevanz informelle parlamentarische Äußerungen, namentlich seitens des Europaausschusses, die im Rahmen der Kontaktpflege mit den Fachministerien getroffen werden. Häufig werden unter bewußtem Verzicht auf förmliche Stellungnahmen i. S. d. Art. 23 Abs. 3 GG im Rahmen von Ausschußsitzungen - mit oder ohne vorangegangene förmliche Abstimmung "Meinungsbilder versandt",608 die der Bundesregierung als Orientierungshilfe dienen sollen. Die parlamentarische Stellungnahme gern. Art. 23 Abs. 3 GG kann berechtigterweise als Fortentwicklung des oft unterschätzten Rechtsinstituts des schlichten Parlamentsbeschlusses gelten. Die Stellungnahme ist zwar nicht strikt verbindlich, dennoch begrenzt sie den Gestaltungsspielraum der Regierung in einer Weise, daß diese hiervon nicht wie von einem beliebigen Abwägungsbelang abweichen kann, sondern nur aus unabweisbaren Gründen. Die Regierung muß sich aufgrund ihrer Begründungspflicht zudem sichtbar mit der parlamentarischen Stellungnahme auseinandersetzen und ist nicht befugt, kommentarlos über sie hinwegzugehen, wie etwa über Forderungen nach dem Rücktritt von 'Ministern. Die verfassungsrechtliche Verankerung konkreter Pflichten der Regierung ist von großer Bedeutung für die lustiziabilität, deren Fehlen gerade als Charakteristikum für die fehlende Rechtsverbindlichkeit herkömmlicher schlichter Parlamentsbeschlüsse angeführt wird. Verstöße gegen Art. 23 Abs. 2, 3 GG kann der Bundestag im verfassungsgerichtlichen Organstreitverfahren durchsetzen; die notwendige Begründung der Bundesregierung zur Festlegung der Willensbildung des Bundes kann dabei für die 608 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 24.
B. Die nonnativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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Beweisführung bezüglich einer Pflichtverletzung von großer Bedeutung sein. Hinter dem dargelegten Standard zurückzubleiben, wäre im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 i. Y.m. Art. 20 GG bedenklich. Wie gezeigt, wäre sogar eine striktere Bindung unter dem Aspekt der Kompensation verlorener Legislativbefugnisse des Parlaments verfassungsrechtlich haltbar gewesen, ohne daß der Kembereich exekutivischer Eigenverantwortung hierdurch verletzt worden wäre. Ein zwingendes Gebot hierzu kann der Verfassungsordnung des Grundgesetzes allerdings nicht entnommen werden. 609 Es bleibt damit bei der hier herausgearbeiteten rechtlich erheblichen, wenn auch nicht strikten Bindungswirkung der parlamentarischen Stellungnahmen. Hiergegen bestehen auch im Hinblick auf die europarechtlichen Vorgaben keine Bedenken. 610 Wie gezeigt, gebietet Art. 10 EGV611 als maßgebliche Vorschrift es nicht, daß die Instruktionen an die Ratsvertreter ausschließlich auf die Ziele der Gemeinschaft gerichtet sein müssen und daß diese selbst immer im Interesse der Gemeinschaft kooperieren müssen. 612 Vielmehr statuiert sie eine gegenseitige Rücksichtnahmepflicht, die es im Rahmen des institutionellen Gleichgewichts des EG-Vertrages den Regierungsvertretern erlaubt, nationale (parlamentarische) Interessen zu vertreten. Die Möglichkeit, einen Vorbehalt zugunsten eines nationalen Parlaments einzulegen, überschreitet dabei weder die Grenze der Obstruktion und der Lähmung der Gemeinschaft, noch handelt es sich um eine spezifisch deutsche Besonderheit. Die Verfahrensweise, einen Ratsbeschluß ad referendum zu fassen,613 wird in der Praxis von allen Delegationen genutzt; alle mitgliedstaatlichen Parlamente haben, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, Konsultations- und Prüfungsrechte. 614 Besonders hervorgehoben sind dabei neuerdings die 609 Für eine weitergehende Bindungswirkung der Stellungnahmen Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes. Positivierung vollzogenen Verfassungs wandels oder Verfassungsneuschöpfung, Der Staat 32 (1993), 191 (210, 215); ähnlich Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993,629 (637); Schachtschneider; Das Maastricht-Urteil. Die neue Verfassungslage der Europäischen Gemeinschaft, RuP 1994, 1 (7). 610 So aber Brenner; Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (203); Everling, Überlegungen zur Struktur der Europäischen Union und zum neuen Europaartike1 des Grundgesetzes, DVBI. 1993, S. 936 (946). 611 Art. 5 EGVa.F. 612 s.o. Kap. 1, A.l1.4.b) (S. 53 ff.). 613 D.h. unter der aufschiebenden Bedingung der endgültigen Billigung binnen kurzer Frist, hierzu Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee/Kirchhof, HdBdStR VII, 1992, § 181 Rdnr. 27; Bieber; in: Beutler/Bieberl Pipkorn I Streil, Die Europäische Union, 4. Auf!. 1993, 4.3.1. (S. 126), 4.3.4.2 (S. 137); Schweitzer; in: Grabitz I Hilf, Art. 148 (Stand der Bearb. Mai 1995), Rdnr. 18. 614 Kamann, Die Mitwirkung der Parlamente der Mitgliedstaaten an der europäischen Gesetzgebung, 1997, S. 45 ff. zu allen Parlamenten; ausführ!. zu Großbritannien und Frankreich Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 23 ff. Eine Übersicht über Struktur und Arbeitsweise der Europaausschüsse aller rnitgliedstaatlichen Parlamente gibt Generaldirektion Ausschüsse und Delegationen des Europäischen Parlaments (Hrsg.), Die für Europaangelegenheiten zuständigen Sonderausschüsse der Parlamente der
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2. Kap.: Verfassungs systematische und verfassungsrechtliche Grundlagen
Befugnisse des österreichischen Nationalrates, dessen Stellungnahmerecht seit 1994 am stärksten verfassungsrechtlich abgesichert ist und dem strikte rechtliche Bindungswirkung zukommt. 615 Das klassische Beispiel für ein Parlament, das seinen Regierungsvertretern verbindliche Weisungen erteilen kann, ist daneben seit den 70er Jahren das dänische Folketing und sein für europäische Angelegenheiten zuständiger Ausschuß, der Europaudvalget. 616 Entsprechend der Interessen eines kleinen Mitgliedstaates ist Dänemark bemüht, dem Europäischen Parlament keine weiteren Kompetenzen zu gewähren und vielmehr den institutionellen Schwerpunkt beim Ministerrat (mit größtmöglichem Einfluß des nationalen Parlaments) zu halten. Die dänische Verfassung regelt die parlamentarische Kontrolle europäischer Angelegenheiten nicht ausdrücklich; im Beitrittsgesetz von 1972 wird in § 6 Abs. 2 nur eine allgemeine Unterrichtungspflicht statuiert. Die entscheidende Bestimmung, durch die die Kompetenzen des Ausschusses festgelegt werden, beruht auf einer Interorganvereinbarung zwischen Parlament und Regierung, die in einem Bericht des Marktausschusses vom 29. März 1973 protokolliert ist. Angesichts der ausdrücklichen Entscheidung des deutschen Verfassungsgebers scheidet eine entsprechende Bindungswirkung von Stellungnahmen des Bundestages aus. Die Beispiele illustrieren aber, daß selbst eine Striktbindung der Ratsvertreter kein Fremdkörper im System der europäischen Rechtsetzung ist. Dies entspricht auch der hier vertretenen Auslegung des Art. 10 EGv. 617 Die umfassende und frühzeitige nationale parlamentarische Beteiligung kann sogar gerade zur Durchsetzung auch der europäischen Interessen dienen. So gilt Dänemark als EU-weites Vorbild, was die spätere Richtlinienumsetzung anbelangt. 618 Mitgliedstaaten, 1995, dies., Europäisches Parlament und Parlamente der Mitgliedstaaten, 1994. 615 Art. 23 e Abs. 2 BVG lautet: "Liegt dem zuständigen Mitglied der Bundesregierung eine Stellungnahme des Nationalrates zu einem Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union vor, daß durch Bundesgesetz umzusetzen ist oder das auf die Erlassung eines unmittelbar anwendbaren Rechtsaktes gerichtet ist, der Angelegenheiten betrifft, die bundesgesetzlich zu regeln wären, so ist es bei Verhandlungen und Abstimmungen in der EU an diese Stellungnahme gebunden. Es darf davon nur aus zwingenden außen- und integrationspolitischen Gründen abweichen." Abs. 3: "Wenn das zuständige Mitglied der Bundesregierung von einer Stellungnahme des Nationalrates gern. Abs. 2 abweichen will, so hat es den Nationalrat neuerlich zu befassen. Soweit der in Vorbereitung befindliche Rechtsakt der EU eine Änderung des geltenden Bundesverfassungsrechts bedeuten würde, ist eine Abweichung jedenfalls nur zulässig, wenn ihr der Nationalrat innerhalb angemessener Frist nicht widerspricht." 616 Hölscheidt. Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtsetzung, KritV 1994,405 (415); Brück. Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages, ZParl. 1988,220 (221); pöhle. Europäische Union la Maastricht - Eine ernste Herausforderung für die Parlamente der EG, ZParl. 1993, 49 (54, 59); Rath. Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (126); BiebeT; in: Beutler/Bieber/Pipkorn/ Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993,4.3.1. (S. 126),4.3.4.2 (S. 137). 617 Art. 5 EGVa.F. 618 v. Danwitz. Die Nichtumsetzung von EG-Recht durch die Legislative, NWVBI. 1997, 7 (10); Rath. Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl. (Sdbd.) 1995, 114 (126).
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B. Die normativen Grundlagen der parlamentarischen Mitwirkung
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Festzuhalten ist, daß die Lösung des Verfassungsgebers und des Gesetzgebers des EUZBBG den Anforderungen des Art. 79 Abs. 3 LY.m. Art. 20 GG gerecht wird, trotz Optimierungsmöglichkeiten im Einzelnen. Ob der Bundestag auf der Grundlage der neuen rechtlichen Bestimmungen allerdings nunmehr in der Lage ist, eine zentrale Rolle bei der europäischen Integration zu spielen,619 hängt von anderen Faktoren ab. Die Rechtsgrundlagen schaffen einen tauglichen Rahmen, innerhalb dessen sich der Bundestag weitgehend den notwendigen Einfluß auf die europäische Sekundärrechtsetzung verschaffen kann, wenn er dies in der Praxis konsequent verfolgt. Im folgenden Kapitel 3 wird daher untersucht, wie die parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung abläuft und welche rechtlichen Probleme hierbei entstehen (R). Da es sich um einen kooperativen Prozeß zwischen erster und zweiter Gewalt handelt, sind zunächst Organisation und Verfahrensweisen der Regierung zu betrachten (A.).
619 So die Prognose von Möller I Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestags in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZPar11993, 21 (32); Hellwig, Die Europa-Institutionen des Bundestages und seine großen Europa-Initiativen, in: dies., Der Deutsche Bundestag und Europa, 1993, S. 21 (27).
Drittes Kapitel
Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Deutschen Bundestag A. Regierungsinterne Willensbildung und Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Europäischen Union I. Einleitung
Die deutsche Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung stellt einen kooperativen Prozeß dar, der Bundestag und Bundesregierung zur gesamten Hand zusteht. Die parlamentarische Behandlung der europäischen Rechtsetzungsvorhaben kann daher nicht isoliert untersucht werden, sondern setzt zunächst eine Betrachtung der regierungsinternen Zuständigkeiten und Verfahrensweisen voraus, über die die Verbindung zur Europäischen Union hergestellt wird. Kein deutscher Bundeskanzler hat bisher einen Minister für europäische Angelegenheiten ernannt, obwohl die Errichtung eines eigenständigen Europarninisteriums seit dem ersten in diese Richtung gehenden Vorschlag Adenauers im Jahr 1957' häufig diskutiert wurde. Namentlich im Zusammenhang mit der Griindung der Europäischen Union durch den Maastrichter Vertrag wurde ein Europaressort gefordert;2 Zielvorstellung war dabei, angesichts des ablehnenden dänischen Referendums zum Maastrichter Vertrags werk vom 2. Juni 19923 die Koordination und Transparenz der Entscheidungsprozesse und nicht zuletzt auch die Kooperation mit dem Deutschen Bundestag zu verbessern. Die Befürworter sehen in einer Zentralisierung der regierungsinternen Zuständigkeit die Möglichkeit einer Europapolitik "aus einem Guß", die das EuropaminiI Schwarz, Die Ära Adenauer, Bd. 3, 1983, S. 26; Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 4. 2 So der damalige europapolitische Sprecher der CDU ICSU-Fraktion Kittelmann, FAZ vorn 12. Juni 1992, der auch in Deutschland der Europaskepsis der Bürger durch bessere Information entgegenzuwirken beabsichtigte; außerdem hätte nach seiner Einschätzung ein Europaministerium stärkere Transparenz auch für den Bundestag ermöglicht, Handelsblatt vorn 13/14. Juni 1992. Diese Erwägungen wurden dem Chef des Bundeskanzleramtes, Bundesminister BohZ, in einern Schreiben mitgeteilt, s.a. Handelsblatt vorn 4. August 1992. In diesem Sinn auch Homhues, damaliger stellvertretender Vorsitzender der CDU 1CSU-Bundestagsfraktion, Die Welt, 7. August 1992. 3 Erst in einern weiteren Referendum vorn 18. Mai 1993 fand der am 2. Februar 1992 in Maastricht unterzeichnete Vertrag über die Europäische Union die dänische Zustimmung.
A. Regierungsinterne Willensbildung und Entscheidungsfindung
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sterium sowohl im nationalen Kabinett, im Ministerrat4 und gegenüber Bundesrat und Bundestag vertreten könnte. Dagegen wird angeführt, daß die europäische Rechtsetzung keinen eigenständigen Sachbereich darstellt, sondern sich auf zahllose Fachbereiche erstreckt. Dies hat zur Folge, daß alle Ministerien Europaabteilungen unterhalten, die im Falle der Errichtung eines Europaministeriums entweder an dieses abzugeben oder als Doppelverwaltung mit erheblichen Mehrkosten zu führen wären. Schließlich findet sich die Einschätzung, daß das hergebrachte deutsche System kreativer, dynamischer und offener als die zentralistischeren Formen anderer Mitgliedstaaten sei, sofern die politischen Richtlinien klar gesetzt würden. 5 Außerdem sei es ineffektiv, das hochrangig besetzte und wertvolle zentrale Arbeit leistende Generalsekretariat des Rates in Bonn zu duplizieren. Inwieweit die Vermutungen zutreffen, daß ein Europaministerium letztlich weniger an O.g. sachlichen Erwägungen gescheitert sei als vielmehr arn Widerstand des kleineren Koalitionspartners, der traditionell die schwerpunktmäßig mit EG-Ange1egenheiten betrauten Ministerien Außen und Wirtschaft innehatte,6 mag dahinstehen. Jedenfalls besitzt die Gubernative wie gezeigt die Organisationsgewalt für ihren Bereich und damit das Recht, sich eine Binnenorganisation zu geben - und gegen ein Europaministerium zu entscheiden -, solange sich dies im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben hält. Im Hinblick auf eine Festschreibung von Aufgaben, Befugnissen und Organisation der Bundesregierung ist das Grundgesetz zurückhaltend; Vorgaben für das Binnenverhältnis der Regierung enthält Art. 65 GG. 7 Soweit die Verfassung für spezielle Aufgabenbereiche ausdrückliche Zuständigkeitsregelungen trifft, dürfen diese weder fonnal noch in ihrer Substanz unter Hinweis auf Art. 65 GG beeinträchtigt werden. 8 Allerdings sind die Zuständigkeiten mit Rücksicht aufeinander auszuüben: So obliegt die Haushaltskontrolle gegenüber den übrigen Bundesministern 4 In Betracht käme insofern in erster Linie der koordinierende Rat Allgemeines, s.o., Kap. 1, A.l1.3.a), S. 41. 5 Trumpf, Reflections from Three Gennan Presidencies - High marks for the Gennan Coordination Model, low marks for the Presidency System, in: Regelsberger I Wesseis, The Federal Republic of Gennany and the European Community: The Presidency and beyond, 1988, S. 266 (270 f.). 6 In diesem Sinn etwa die Stuttgarter Zeitung vom 5. August 1992, derzufolge die F.D.P. Forderungen nach einem Europaministerium stets zurückgewiesen habe. s. a. Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 233 Fußn. 244. Allerdings wurde auch unter der seit Oktober 1998 regierenden rot-grünen Koa1iton kein Europaministerium eingerichtet. 7 Demgegenüber verhält sich Art. 65 GG nicht über das Verhältnis von erster und zweiter Gewalt, indem er etwa eine Prärogative der Regierung gegenüber dem Parlament statuierte; hierzu Fastenrath, Kompetenzverteilung im Bereich der auswärtigen Gewalt, 1986, S. 215 f., unter Hinweis darauf, daß die Vorschrift keine Kompetenz begründe, sondern nur intern die Verantwortung verteile, die der Regierung ohnehin zustehe. Anders dagegen Grewe, Schlußwort, VVDStRL 12 (1954), 259 f. 8 Schröder; Aufgaben der Bundesregierung, in: Isenseel Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 50 Rdnr 15.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
dem Bundesminister der Finanzen - will er allerdings die Zustimmung, die gern. Art. 112 Satz I GG für über- und außerplanmäßige Ausgaben der anderen Ministerien erforderlich ist, erteilen, dann hat er hierbei die Richtlinienkompetenz des Kanzlers gern. Art. 65 Satz I GG und die Kompetenz der Bundesregierung gern. Art. 65 Satz 3 GG zu beachten. 9 Auch die Kompetenzen des Bundesministers für Verteidigung unterliegen den allgemeinen Maßstäben,1O insbesondere der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers. I I
Art. 23 GG als zentrale Nonn für die deutsche Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung nimmt nun ohne nähere Angabe "die Bundesregierung" in Bezug. Auch die Behandlung der europäischen Rechtsetzungsvorhaben durch die Regierung und die Entstehungsgeschichte von gubernativer Binnenorganisation und -verfahren sind daher vor dem Hintergrund der drei Strukturelemente des Art. 65 GG zu untersuchen. Im Spannungsfeld von Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, Ressortverantwortlichkeit der Bundesminister und Kabinettsprinzip hat sich über viele Jahre ein komplexes Verfahren entwickelt.
11. Bedeutung des Kanzlerprinzips bei der Behandlung von EG-Vorlagen Zu untersuchen ist zunächst, welche Rolle dem Kanzlerprinzip bei der Behandlung europäischer Legislativvorhaben zukommt. Während die Befugnis zur Leitung der Geschäfte i.S.v. Art. 65 Satz 4 GG eher den organisatorisch-technischen Aufgabenbereich kennzeichnet,12 griindet die hervorgehobene Stellung des Bundeskanzlers zum einen in seinem Recht zur Bildung des Kabinetts. Gern. Art. 64 Abs. 1 GG schlägt der Bundeskanzler die Bundesminister zur Ernennung, respektive zur Entlassung vor und bestimmt damit Zahl und Art der Geschäftsbereiche. Seine diesbezügliche Organisationsgewalt, die auch in § 9 Satz I GO-BReg zum Ausdruck kommt, wird dadurch begrenzt, daß Art. 65 Satz 3 GG die Bundesregierung als Kollegialorgan begreift. Sie darf also nicht etwa zu einer bloßen Versammlung und damit funktionsunflihig werden. \3 Daneben ist es vor allem die 9 BVerfGE 45, 1 (47); Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 293; Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Auf!. 1996, Art. 112 Rdnr. 4; Jarass, in: Jarass I Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 112 Rdnr. 2 a; differenzierend Maunz, in: Maunzl Dürig, GG, Art. 112 (Stand der Bearb. 1982) Rdnr. 13. 10 BVerwGE 46,55 (58); Knut lpsen, in: Bonner Kommentar, Art. 115 b (Stand der Bearb. 1969), Rdnr. 49; Dürig, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 65 a (Stand der Bearb. 1969) Rdnr. 13; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 65 a Rdnr. 1; Hernekamp, in: v. Münchl Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 65 a, Rdnr. 15,23. 11 Maurer, Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, in: Festschrift für Thieme, 1993, S. 123 (133). 12 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 159 f. 13 Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 64 (Stand der Bearb. 1969) Rdnr. 47; Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 31 11 4 c (S. 284); Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 196.
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Richtlinienkompetenz gern. Art. 65 Satz 1 GG, auf der die Stellung des Bundeskanzlers im Regierungssystem beruht. Bei den zu bestimmenden Richtlinien der Politik darf es sich grundsätzlich nicht um Einzelweisungen handeln, die einen Durchgriff in die einzelnen Ressorts bedeuteten. 14 An Richtlinien in Gestalt ausfüllungsbedürftiger und -fähiger Leitsätze sind dagegen sowohl die Bundesminister gebunden wie auch das Kabinett bei Fassung eines Kollegialbeschlusses. 15 In der Staatspraxis ist die Bedeutung der Richtlinienkompetenz sehr von dem persönlichen Führungsstil des jeweiligen Amtsinhabers abhängig. So wurde der Begriff der "Kanzlerdemokratie" - der objektiv seine Berechtigung besonders im Vergleich mit der schwächeren Position des Reichskanzlers unter der Weimarer Reichsverfassung hat - vor allem unter dem Eindruck der Politik Adenauers geprägt; zu Zeiten nachfolgender Amtswalter wurde er ungebräuchlicher. 16
In keinem Bereich war die Dominanz des Kanzlers Adenauer allerdings so ausgeprägt wie gerade in dem der auswärtigen und der in der Anfangsphase der Integration hiervon untrennbaren europäischen Angelegenheiten. 17 Wesentlicher Grund hierfür war die nach Maßgabe des Besatzungsstatuts fehlende außenpolitische Souveränität der Bundesrepublik. Da auswärtige Angelegenheiten einschließlich internationaler Abkommen in die Zuständigkeit der Alliierten Hohen Kommissare für die drei Zonen fiel, wurde bei der Bildung des ersten Kabinetts im Herbst 1949 kein Außenminister ernannt. Aufgrund der durch Ruhrstatut, Marshall-Plan etc. mehr denn je bestehenden Verflechtung von inneren und äußeren Angelegenheiten konnte der Bereich "Äußeres" aber nicht völlig unabgedeckt bleiben - er wurde daher in einem im Bundeskanzleramt errichteten Staats sekretariat zusarnmengefaßt. 18 Damit stand zunächst das Bundeskanzleramt im Zentrum der regierunsinternen Willensbildung und Koordinierung der Europapolitik, während
14 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rdnr. 642; Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, in: Isensee / Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 52 Rdnr. 15 weist darauf hin, daß Einzelweisungen U.V. in Betracht kommen, sofern sie im Prinzipiellen wurzeln und insgesamt betrachtet der bloße Rahmencharakter gewahrt bleibt; so auch Schneider, in: Alternativkommentar, 2. Auf!. 1989, Art. 65 Rdnr.3. 15 Die Bindungswirkung von Richtlinien für Kabinettsbeschlüsse ist nicht unbestritten, für eine solche Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rdnr. 642; Hennis, Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik, 1964, S. 13 ff. Differenziert Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 458 ff. 16 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rdnr. 640; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Auf!., 1994, § 34 I 3 (S. 282); Hennis, Richtlinienkompetenz und Regierungstechnik, 1964, S. 9 zufolge hat die Richtlinienkompetenz unter Erhard eine passivere Bedeutung bekommen. 17 Rulmer / Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 124 mit Hinweis auf die hierfür förderliche Oppositionspolitik der SPD unter ihrem Fraktionsvorsitzenden Kurt Schumacher, die sich gerade gegen die Außen- und Europapolitik richtete. 18 Adenauer, Erinnerungen 1945 -1953, 1965, S. 237.
16 Hansmeyer
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
das Ressortprinzip in den Hintergrund trat.'9 Auch im folgenden nahm Adenauer persönlich großen Anteil an der Griindung der EGKS, deren Aushandlung auf Arbeitsebene er Ende Mai 1950 dem Rechtsprofessor Dr. Hallstein übertrug. 2o Festzuhalten ist, daß unter Adenauer europäische Angelegenheiten in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers fielen. Dies änderte sich auch dann nicht, als nach der Revision des Besatzungsstatuts im März 1951 ein Außenministerium eingerichtet wurde. Adenauer versah bis Juni 1955 beide Ämter in Personalunion, wobei z.T. kaum differenziert wurde, in welcher Eigenschaft er handelte?' Auch nach 1955 bis zum Ende seiner vierten Amtsperiode 1963 war es Adenauer, der die Gestaltung europäischer Angelegenheiten prägte; so erließ er etwa im Januar 1956 eine Direktive mit europapolitischen Richtlinien an alle Bundesminister,22 nach dem Scheitern der britischen Beitrittsverhandlungen im Jahr 1963 betraute er Staatssekretär Globke damit, Bedenken gegen den Entwurf einer gemeinsamen Kabinettvorlage des AA und des BMWi zur Europapolitik zu erheben und eine vorherige Erörterung im Kabinett zu verlangen. 23 19 Ein Beispiel ist das Vorgehen Adenauers, als ihn in der Kabinettssitzung vom 9. Mai, 1950 ein Memorandum des französischen Außenministers Robert Schuman, der spätere "Schuman-Plan", erreichte. Den zur selben Zeit in Paris über das Memorandum beratenden Außenministern der Allierten ließ er unmittelbar seine Stellungnahme übermitteln, daß "er dem Vorschlag aus ganzem Herzen zustimme", s. Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, 1965, S. 328. Seine Kabinettsmitglieder ersuchte er dl!-segen lediglich, vollzählig an der Pressekonferenz teilzunehmen, auf der er das Projekt der Offentlichkeit erläutern werde. Bulmer I Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 125 konstatieren ein "enthusiastic embracing of Schuman's ideas". 20 Hallstein war seit August 1950 dann auch Staatssekretär im Bundeskanzleramt und späterer erster Präsident der EWG-Kommission, Adenauer, Erinnerungen, 1945 -1953, 1965, S. 337. Zur Bedeutung Hallsteins als Adenauers engstem Vertrauten in Auswärtigen Angelegenheiten Bulmer I Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 126. Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 2 mit Hinweis darauf, daß Hallstein fachlich bereits vom BMWi unterstützt wurde. s.a. Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 233. 21 Bei der ersten offiziellen Auslandsreise, die Adenauer anläßlich der Zeichnung des Montanunionvertrages am 18. April 1951 als Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen nach Paris unternahm, unterschied er selbst nicht, s. Adenauer, Erinnerungen 1945 -1953, 1965, S. 423 "In meiner Eigenschaft als Außenminister fuhr ich zu den letzten Beratungen und dem Unterzeichnungsakt", an anderer Stelle, S. 438, betont er "Die Atmosphäre während meines ersten Aufenthaltes in Frankreich als Bundeskanzler wurde sehr freundschaftlich. " 22 Adenauer, Erinnerungen 1955 -1959, Frankfurt 1969, S. 254. Zur Kontroverse mit Bundesminister für Wirtschaft Erhard im Jahr 1959 BulmerlPaterson, European Policy-making in the Federal Republic - internal and external limits to leadership, in: Regelsberger I Wessels, The Federal Republic of Germany and the European Community: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (236). 23 Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 2. Die schwache Ausprägung eigenverantwortlicher Ressortleitung durch die Minister wird auch deutlich am Beispiel des französischen Vetos gegen den Beitritt Großbritanniens. Oe Gaulle hatte ausgeführt, England sei noch nicht reif für die Integration und gehöre aufgrund seiner insularen Lage nicht zu Europa. Daraufhin hatte der langjährige Staatssekretär für Europäische Aufgaben im
A. Regierungsinterne Willensbildung und Entscheidungsfindung
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In den folgenden Legislaturperioden ließ sich demgegenüber deutlich weniger verzeichnen, daß ein Bundeskanzler in Ausübung seiner Richtlinienkompetenz in die Gestaltung der bundesdeutschen Europapolitik eingriff. Hier gilt es allerdings zu berücksichtigen, daß zur Zeit der Kanzlerschaft Adenauers die großen institutionellen Weichen zu stellen waren; der engere Bereich europäischer Sekundärrechtsetzung war demgegenüber vor Gründung der EWG nicht existent, sieht man von den äußerst beschränkten Befugnissen der EGKS-Organe ab. Der unter dem ersten Kanzler zu verzeichnenden bedenklichen Reduzierung des Anwendungsbereichs des Ressortprinzips folgte eine zunehmend gegenteilige Entwicklung, die von einer "Hausmachtpolitik" der Fachminister gekennzeichnet war?4 Initiativen wie die des Kanzlers Schmidt, der bewußt die nationalen Ministerien wie auch die Brüsseler Bürokratie in Unkenntnis von seinen Plänen ließ, als er 1978 den Anstoß zur Schaffung eines europäischen Wirtschaftssystems gab,25 blieben die Ausnahme. 26 Mit Bundeskanzler Kohl gewann das Kanzlerprinzip wieder praktische Bedeutung; so hat er auf die Verhandlungen zum Maastrichter Vertragswerk persönlich wesentlichen Einfluß genommen 27 und auch die Position der Bundesrepublik in den TaBMWi, Prof. Müller-Al7TUlck, im Februar 1963 um seine Entlassung ersucht. Er sah sich außerstande, entsprechend der Weisung der Bundesregierung eine Position der Nachgiebigkeit gegenüber Frankreich einzunehmen, da er wie Minister Erhard dieser Entwicklung kritisch gegenüber stand, s. Müller-Al7TUlck, Auf dem Weg nach Europa: Erinnerungen und Ausblicke, 1971, S. 238 ff. (insbes. 240). 24 Zurückhaltung übte nicht nur der konsensorientierte Kanzler Erhard; dies war auch und gerade für die Zeit der Großen Koalition charakteristisch, in der Bundeskanzler Kiesinger mit den Sozialdemokraten Brandt und Schiller in den für europäische Angelegenheiten bedeutsamen Ministerien des Auswärtigen und für Wirtschaft regierte, hierzu näher Bulmerl Paterson, European Policy-making in the Federal Republic - internal and external limits to leadership, in: Regelsberger / Wesseis, The Federal Republic of Germany and the European Community: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (239). 25 Helmut Schmidt, Die Deutschen und ihre Nachbarn, 1990, S. 221 f. Dieses Vorgehen habe er mit Giscard d' Estaing vereinbart, da sie beide aus ihrer Zeit als Finanzminister gewußt hätten, daß die Bürokratie als erstes alle Gründe gegen das Projekt zusammentragen und in die Medien lancieren würden. Gerade in Deutschland hätten bestimmte Ministerien es für zu selbstverständlich gehalten, aus dem Hintergrund den Kurs der Geld- und Währungspolitik zu bestimmen. 26 BulmerlPaterson, European Policy-making in the Federal Republic - internal and external limits to leadership, in: Rege1sberger / Wesseis, The Federal Republic of Germany and the European Community: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (232) unter Hinweis auf vergebliche Versuche Schmidts, den FDP-Landwirtschaftsminister Ertl zu einer Agrarpolitik zu bewegen, die mit den Plänen zur Senkung der EG-Kosten im Bereich der Landwirtschaft in Einklang gestanden hätte. 27 Kühn, Die Koordinierung der Deutschen Europapolitik, 1993, S. 3; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234. Allg. Kaltefleiter, Die Kanzlerdemokratie des Helmut Kohl, ZParl. 1996, 27 (27, 35 f.). Mit Blick auf die Anfänge der Kanzlerschaft Kohls war demgegenüber zunächst noch eine Fortführung der schwachen Praktizierung der Richtlinienkompetenz - mit der Folge inkohärenter Europapolitik - konstatiert worden, so Bulmer I Paterson, European Policy-making in the Federal Republic - internal and external limits to leadership, in: Regelsberger / Wesseis, The Federal Republic of 16*
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
gungen der Folgekonferenz 1996/1997 maßgeblich geprägt. Auch hier ging es ähnlich wie unter der Kanzlerschaft Adenauers - um grundlegende institutionelle Fragen. Ob die Rolle des Bundeskanzlers durch die Institutionalisierung des Europäischen Rates in Art. 4 EUV 28 auch im Hinblick auf die Letztentscheidungen in Einzelfragen aufgewertet wurde,29 ist zu bezweifeln. Zum einen trägt die vertragliche Verankerung nur der bereits seit 1975 bestehenden Praxis Rechnung, die schon in Art. 2 der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 1986 Niederschlag fand. Art. 4 Abs. 2 EUV 30 behält insofern bei, daß im Europäischen Rat die Staats- und Regierungschefs mindestens zweimal jährlich zusammenkommen und von ihren Ministern für auswärtige Angelegenheiten 31 wie auch einem Kommissionsmitglied unterstützt werden. Neu ist die (im Hinblick auf Einzelentscheidungen restriktive) KlarsteIlung in Art. 4 Abs. I EUV,32 der zufolge der Europäische Rat der Union die für ihre Entwicklung erforderlichen Impulse gibt und die allgemeinen politischen Zielvorstellungen für diese Entwicklung festlegt. Dies korreliert mit den nationalen Anforderungen des Art. 65 S. 1 GG. Zwar trifft es zu, daß auf der Ebene der Regierungschefs auch formelle Ratsbeschlüsse gefaßt werden können, die eigentlich im Zuständigkeitsbereich des Ministerrates lägen. Dies war in der bisherigen Praxis allerdings nur selten der Fall und auch für die weitere Entwicklung erscheint eine zunehmende Verlagerung von Einzelentscheidungen in den Europäischen Rat angesichts der Hochrangigkeit der Politiker und der geringen Sitzungsfrequenz nicht wahrscheinlich.
IH. Die ressortmäßige Behandlung von EG-Vorlagen 1. Die Entwicklung der Binnenorganisation
Nachdem gezeigt ist, daß das Kanzlerprinzip in Übereinstimmung mit den Vorgaben des nationalen Staatsrechts auch in europäischen Angelegenheiten verwirklicht wird - die institutionellen Weichen stellungen werden als Richtlinien der Politik vom Bundeskanzler bestimmt, während die regelmäßige Behandlung euroGermany and the European Cornrnunity: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (232, 245) stützen ihre Feststellung z. B. darauf, daß Kohl es im Jahr 1985 zugelassen habe, daß die von ihm favorisierte Zunahme von Mehrheitsentscheidungen im Rat durch Landwirtschaftsminister Kiechle, CSU, unterlaufen wurde. 28 Art. D EUVa.F. 29 So Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234. 30 Art. D EUVa.F. 31 Bulmerl Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Cornrnunity, 1987, S. 37 stellen insoweit noch allein auf das Bundeskanzleramt ab; derzeit sind noch beide Stellen beteiligt. 32 Art. D Abs. 1 EUVa.F.
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päischer Sekundärrechtsetzung nicht im Kanzleramt angesiedelt ist - stellt sich die Frage nach den Zuständigkeiten der Ressorts. Gern. Art. 65 Satz 2 GG sind es die einzelnen Bundesminister, die ihren jeweiligen Geschäftsbereich im Rahmen der Richtlinien des Kanzlers selbständig und unter eigener Verantwortung leiten. Dies bedeutet, daß dem Minister bzw. der Ministerin ein substantieller Teil der Funktionen zur selbständigen Leitung und Entscheidung überlassen bleiben muß, was in der praktischen Regierungsarbeit ressortübergreifende Planung und Koordinierung nicht unwesentlich erschweren kann. 33 Wie im Rahmen der Ausführungen zur Richtlinienkompetenz bereits angedeutet, hat sich in europäischen Angelegenheiten zum Regelfall entwickelt, daß den zuständigen Ministerien ein sehr weiter Handlungsspielraum für eigenverantwortliche Europapolitik verbleibt. Dies gilt in besonderem Maße für die konkrete Behandlung europäischer Legislativakte, die in aller Regel Einzelrnaßnahmen darstellen und keine Richtlinienentscheidungen. Mit zunehmender Bedeutung des Ressortprinzips wächst auch das Bedürfnis nach effektiven Koordinationsverfahren. Zunächst soll ein Überblick über die Entwicklung der heutigen Organisationsstrukturen und der interministeriellen Kompetenzverteilung in europäischen Angelegenheiten gegeben werden. Bereits in der Anfangsphase der Integration war das BMWi unter Minister Erhard, in dem zunächst die Unterabteilung Montan eingerichtet wurde, für die Erledigung des europarechtlichen Tagesgeschäfts zuständig und hatte den Vorsitz im Interministeriellen Ausschuß für Angelegenheiten der Montanunion inne. 34 Allerdings traten Koordinierungsprobleme mit dem Außenministerium auf, als es in Personalunion von Bundeskanzler Adenauer geführt wurde: So konstatierte Staatssekretär im BMWi Prof. Dr. Müller-Armack, daß es gelegentlich zwischen Vertretern des AA und des BMWi "hart hergehe".35 Dennoch habe sich schließlich ein Vertrauensverhältnis etabliert, das es ermöglicht habe, sehr viele Probleme, bei denen es um die Rivalität zwischen dem Wirtschaftsministerium und dem Auswärtigen Amt gegangen sei, zu lösen und dann die gemeinsame Linie auch durchzusetzen. Diese Vorgehensweise sei über Jahre hindurch praktiziert worden und habe gute Fortschritte ermöglicht, die auf an Ort und Stelle getroffenen Vereinbarungen beruhten, ohne daß man "von seiten des Kabinetts bzw. des Parlaments wesentlich hereinredete,,?6 Diese Einschätzung verdeutlichtet bereits die in der Praxis herr33 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf). 1995, Rdnr. 644. 34 Bulmerl Paterson, European Policy-making in the Federal Republic - internal and external limits to leadership, in: Regelsberger / Wesseis, The Federal Republic of Germany and the European Community: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (235); Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 25. 35 Müller-Armack, Auf dem Weg nach Europa: Erinnerungen und Ausblicke, 1971, S. 69 f., illustriert dies am Beispiel der Konferenz von Rom 1953, die die - letztlich aufgrund ihrer engen Verknüpfung mit der EVG im Jahr 1954 gemeinsam mit dieser gescheiterte - Politische Union vorbereiten sollte. 36 Müller-Armack, Auf dem Weg nach Europa: Erinnerungen und Ausblicke, 1971, S. 69 f.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
sehende Überbetonung des Aspekts der Handlungsfreiheit der Regierung, konkreter einzelner Ressorts, im Verhältnis zur parlamentarischen Kontrolle. Der Dualismus von BMWi und AA verfestigte sich schließlich zu einer traditionellen deutschen Eigenheit, als anläßlich der dritten Regierungsbildung 1957 und vor dem Hintergrund der Zeichnung der Römischen Verträge am 25. März 1957 erstmals die Errichtung eines eigenständigen Europaministeriums erwogen wurde. 37 Die organisationstheoretische Entscheidung zwischen der Koordination über Ressortbildung einerseits und der Koordination durch Kooperation im Beteiligungsverfahren andererseits 38 fiel allerdings damals wie heute zugunsten der Kooperationslösung aus. Der Bundesminister des Auswärtigen v. Brentano und der Bundesminister für Wirtschaft Erhard trafen am 6. Juni 1958 - d. h. gut fünf Monate nach Inkrafttreten von EWG- und EAG-Vertrag - eine Vereinbarung, die zur Grundlage der heutigen Ressortzuständigkeiten und Koordinationsstrukturen wurde. Kern der "Vereinbarung über die Ressortabgrenzung bei EWG, Euratom, den Freihandelszonenverhandlungen und bezüglich der Leitung des Handelspolitischen Ausschusses und des Ausschusses für Entwicklungsländer,,39 war die Zuordnung der Zuständigkeit für außenpolitische und auswärtige Angelegenheiten zum AA. Neben institutionellen Fragen fiel auch der Außenhandel, soweit überwiegend politische Aspekte betroffen waren, in den Geschäftsbereich des AA. Für das BMWi wurde die Zuständigkeit für wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Fragen festgeschrieben. Diese Ressortvereinbarung wird teilweise als Stärkung der "zuvor schwachen Position des AA,,40 gewertet, was zwar nicht für die Zeit bis 1955, in der dem AA ohnehin umfangreiche Zuständigkeiten zustanden, wohl aber vor dem Hintergrund der darauffolgenden Emanzipation des AA von der Führung Adenau37 Der Vorschlag ging von Adenauer aus, der Kompetenzstreitigkeiten zwischen AA und BMWi befürchtete. Als dies aufgrund des gemeinsamen Widerstandes v. Brentanos und Erhards scheiterte, wurde der ehemalige Vizepräsident der Hohen Behörde der Montanunion Ertl, der für das neu einzurichtende Europaressort im Gespräch gewesen war, zum Finanzminister ernannt, Schwarz, Die Ära Adenauer, Bd. 3, 1983, S. 26. s. a. Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 4. Indern Adenauer am 27. 10. 1957 Erhard die Eingliederung der deutschen Wirtschaft in die EWG übertrug, ordnete er sie dem Geschäftsbereich des BMWi zu. Aufgrund dieser Weisung wurde die Abt. E errichtet, s. Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 25. 38 Zu den zwei klassischen Alternativen Derlien, Zur Logik und Politik des Ressortzuschnitts, VerwArch. 87 (1996),548 (568 f.). Kurzzeitig waren Anfang der 70er Jahre die beiden Ressorts Wirtschaft und Finanzen fusioniert, Derlien, Zur Logik und Politik des Ressortzuschnitts, VerwArch 87 (1996), 548 (554 f.). In dieser Zeit hatte das BMFW den o.g. Geschäftsbereich in europäischen Angelegenheiten inne, s. Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 52. 39 Schwarz, Die Ära Adenauer, Bd. 3, 1983, S. 26; Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 4; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 236. 40 Bulmer / Paterson, European Policy-rnaking in the Federal Republic - internal and externallirnits to leadership, in: Regelsberger / Wesseis, The Federal Republic of Germany and the European Cornrnunity: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (242).
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ers zutrifft. 41 Als die Bundesrepublik im 2. Halbjahr 1961 die Ratspräsidentschaft innehatte, waren es entsprechend der o.g. Vereinbarung die Staatssekretäre Lahr, AA, und Müller-Armack, BMWi, die sich bei den wahrzunehmenden Aufgaben abwechselten: Führte Lahr den Vorsitz im Ministerrat, so leitete Müller-Armack die deutsche Delegation und umgekehrt. 42 2. Die gegenwärtige Binnenorganisation im Überblick
a) Ministerielle Zuständigkeiten In der Tradition der vorgestellten Entwicklung steht auch die gegenwärtige gubemative Organisation. Dies gilt seit der Regierungsneubildung im Oktober 1998 allerdings nur noch im Hinblick auf die "duale" Koordinierungszuständigkeit von AA und einem Fachministerium; hierbei handelt es sich nun nicht mehr um das BMWi, aus dessen Geschäftsbereich die Zuständigkeiten für die Europapolitik weitestgehend an das BMF übertragen wurden. 43 Schwerpunktmäßig verteilt sich die Zuständigkeit zur Behandlung europäischer Sekundärrechtsakte heute auf das Auswärtige Amt (AA) und das Bundesministerium der Finanzen (BMF), ferner auf das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) und das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML).44 Daß regierungsintern keine vollständige Prärogative des Auswärtigen Amtes besteht, wie etwa bei der Mitwirkung in Internationalen Organisationen, entspricht dem Umstand, daß es sich bei europäischer Rechtsetzung nicht um klassische Außenpolitik handelt. 45 Die auf der europäischen Ebene einmalige Zuständigkeitsaufteilung zwischen BMWi und AA war das Ergebnis der historisch gewachsenen deutschen 41 Dies zeigt sich etwa darin, daß die ursprünglich vorgesehene Rotation des Ständigen Vertreters in Brüssel (AA) und seines Stellvertreters (BMWi) niemals stattfand, was den politischen Führungsanspruch des AA bestätigt, s. Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 26. 42 Lahr, Zeuge von Fall und Aufstieg: Private Briefe 1933-1974,1981, S. 353 f.; mit Hinweis auf die häufige Abwesenheit beider Minister, für das AA bereits v. Brentanos Nachfolger Gerhard Schröder, hierzu S. 347. Für den Zeitraum der Präsidentschaft im 2. Halbjahr 1958 konstatierte bereits Müller-Annack, Auf dem Weg nach Europa: Erinnerungen und Ausblicke, 1971, S. 210, daß Minister Erhard die Ebene des Brüsseler Rates ungewohnt gewesen sei und und daß er bevorzugt den Staatssekretär als Stellvertreter verhandeln ließ. 43 Organisationserlaß des Bundeskanzlers Schröder v. 27. Oktober 1998, BGBI. I, S. 3288 f., Punkt V.; s.o. Kap. 2, B.III.1., 2. (S. 207 ff.). 44 Bulmer / Paterson, The Federal Republic of Gerrnany and the European Community, 1987, S. 40; s.a. Die Welt, 7. August 1992; FAZ, 14. August 1992. In diesem Sinn auch Trumpf, Reflections from Three Gerrnan Presidencies - High marks for the Gerrnan Coordination Model, low marks for the Presidency System, in: Regelsberger/Wessels, The Federal Republic of Gerrnany and the European Community: The Presidency and beyond, 1988, S. 266 (270 f.). 45 s.o. Kap. 2, A.II.2.b) (S. 120 f.).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Strukturen. Sie galt daher auch als in der politischen Praxis nur schwer zu verändem;46 die Übertragung der Zuständigkeiten des BMWi auf das BMF im Herbst 1998 wurde durch den vollständigen politischen Richtungswechsel gestützt, zu dem die Wahl zum 14. Deutschen Bundestag führte. Die historische deutsche Besonderheit der regierungsinternen Zuständigkeitsaufteilung spiegelt sich bisher noch weiterhin in der Besetzung der supranationalen Gremien wider. Während die Ständigen Vertretungen der übrigen Mitgliedstaaten schwerpunktmäßig mit Beamten des Auswärtigen besetzt sind,47 ist der Ständige Vertreter Deutschlands Beamter aus dem Auswärtigen Amt (AA) im Range eines Botschafters, während sein Stellvertreter Beamter aus dem Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) im Range eines Ministerialdirigenten ist. Dementsprechend erfolgt auch die fachliche Betreuung der Ratsarbeit seitens der Ständigen Vertretung durch die zwei Abteilungen Politik und Wirtschaft - sowie weitere Fachreferate, besetzt mit Beamten des höheren Dienstes aus den jeweiligen Fachministerien, die in den Geschäftsbereich des AA abgeordnet und direkt dem Leiter der Vertretung unterstellt sind. 48 Bisher kam dem BMWi in zweierlei Hinsicht eine tragende Rolle zu, zum einen in seiner Eigenschaft als vom Binnenmarkt stark tangiertes Fachressort, zum anderen als koordinierendes "Ersatz-Europarninisterium". Unter letzterem Gesichtspunkt kanalisierte es den Informationsfluß zwischen der supranationalen und der nationalen Ebene. Während die Zuständigkeit für Binnenmarktsfragen im Geschäftsbereich des Wirtschaftsministeriums verbleibt, wird die Koordinierungsfunktion nun im wesentlichen durch BMF und AA wahrgenommen. 49 So erfolgt die Festlegung des AStV auf die nationale Verhandlungsposition durch Weisungen des AA, das grundsätzlich die Haltungen der betroffenen Fachrninisterien koordiniert, an den Ständigen Vertreter bzw. an dessen Stellvertreter. 5o Diese Verhandlungsdirektiven bilden die Grundlage der Vorbesprechung in der Ständigen Vertretung jeweils vor den Ausschußsitzungen. In der Praxis allerdings erfolgt ein Groß46
20.
So die Einschätzung Kühns, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 1,
47 Hayes-Renshaw / Lequesne / Mayor Lopez, The Permanent Representations of the Member States to the European Communities, JCMS 1989, 119 (125). Zu der Bedeutung der Ständigen Vertretung für den AStV und damit für die Verlängerung der innerstaatlichen Regierungstätigkeit in die Europäische Union hinein, s.o. Kap. 1, A.II.3.b) (S. 47 f.). 48 Hayes-Renshaw / Lequesne / Mayor Lopez, The Permanent Representations of the Member States to the European Communities, JCMS 1989, 119 (127); Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (432); Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 235 f., Fußn. 258. 49 Busse, Regierungsbildung aus organisatorischer Sicht, DÖV 1999,313 (317) mit Hinweis auf eine informelle Absprache zwischen BMF und AA zur verstärkten Bündelung der Koordinierungsinstrumente. 50 Noch zur "Weisungsbefugnis" des BMWi Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994, 409 (433).
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teil der inhaltlichen Entscheidungsfindung weniger im Rahmen der förmlichen Koordinierung, sondern durch die Weisungen der jeweiligen Fachministerien an die von ihnen abgeordneten Fachreferenten in der Ständigen Vertretung. 51 Das Bundeslandwirtschaftsministerium etwa instruiert direkt seinen Vertreter im Sonderausschuß Landwirtschaft. 52 In den Geschäftsbereich des BMF (bisher BMWi) fallt schließlich auch die Koordinierung der Unterrichtung des Parlaments gern. §§ 3 ff. EUZBBG, namentlich die im folgenden noch detailliert zu behandelnde förmliche Zuleitung von EG-Vorlagen gern. Punkt 1.1., 1.2. Ressortabsprache. In sachlicher Hinsicht gilt das Auswärtige Amt als treibende Kraft des europäischen Integrationsprozesses, es hat die Federführung für den koordinierenden Ministerrat Allgemeines inne und wird im Gegensatz zu den Fachressorts als unabhängiger vom Einfluß der Interessengruppen angesehen. Sogar der Umstand, daß es nicht immer mit den technischen Details der Rechtsetzung vertraut ist, wird teilweise als vorteilhaft gewertet, da es integrationshemmend sei, wenn die notwendigerweise noch nicht vollständig ausgereiften europäischen Legislativinitiativen hochspezialisierten, nach "legislativem Perfektionismus strebenden" Bürokratien zugeleitet würden. 53 Mit dem Inkrafttreten des Unionsvertrages wurde im Auswärtigen Amt, in dem bis dahin nur eine Unterabteilung ausschließlich mit europäischen Angelegenheiten befaßt war, eine neue Europaabteilung geschaffen, die in ihrer Größenordnung dann der des Wirtschaftsministeriums entsprach. 54 Die bereits hier zu konstatierende zunehmende Kompetenzverlagerung auf das Auswärtige Amt, die insbesondere zu Lasten des Wirtschaftsministeriums ging, hat sich fortgesetzt mit dem Organisationserlaß 1998 55 und auch im Zuge des Amsterdamer 5\ Diese Problematik ist keine spezifisch deutsche. Zur gemeinschaftsweiten Praxis Hayes-Renshaw / Lequesne / Mayor Lopez, The Permanent Representations of the Member States to the European Communities, JCMS 1989, 119 (131): "The tendency for certain ministries to try to circumvent inter-ministerial coordination is a fact of Community life". 52 Zur Entstehungsgeschichte des Sonderausschusses Jacque, in: v.d. Groeben I Thiesing I Ehlermann, Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, Bd. 4,5. Aufl. 1997, Art. 151 Rdnr.4. 53 Regelsberger/Wessels, National Paper on the Federal Republic of Germany, in: Nuallain, The Presidency of the European Council of Ministers, 1985, S. 73 (75); i.d.S. auch Bulmer / Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 30, 34. 54 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 237 Fußn. 263, unter Hinweis darauf, daß die neuen Referate teilweise Sachbereiche abdeckten, die auch von Referaten des BMWi betreut wurden, wie etwa die Bereiche Binnenmarkt und Wirtschafts- und Währungsunion (WWU). Zu amtsinternen Konkurrenzproblemen zwischen den Abteilungen Außenpolitik und Außenwirtschaftspolitik Bulmer / Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 33, mit einem Beispiel aus der früheren Praxis: In die ad hoc Gruppe zur Umsetzung des Genscher-Colombo-Plans in die Stuttgarter Erklärung von 1983 mußten alle Mitgliedstaaten zwei Delegationsmitglieder entsenden, da innerhalb des deutschen Außenministeriums keine Einigung erzielt werden konnte, welche Abteilung zuständig sei. s.a. Regelsberger/ Wessels, National Paper on the Federal Republic of Germany, in: Nuallain, The Presidency of the European Council of Ministers, 1985, S. 73 (80).
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Vertrages mit seiner Fortentwicklung der zweiten und dritten Säule der Europäischen Union. Die Stellung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) ist nicht nur in koordinierender, sondern auch in sachlicher Hinsicht eine hervorgehobene. Dies gründet neben der Zuständigkeit für den Rat ECOFIN und den EU-Währungsausschuß darin, daß das BMF bei allen Ministerratssitzungen, auf denen Angelegenheiten mit finanziellen Auswirkungen behandelt werden, vertreten ist und sich bemüht, zu jeder Vorlage ein Positionspapier zu erstellen. 56 Schon hierin liegt eine faktisch starke koordinierende Wirkung. 57 Das grundsätzlich ressortfreie und gegenüber den einzelnen Bundesministerien neutrale 58 Bundeskanzleramt nimmt herkömmlicherweise in der interministeriellen Zusammenarbeit die informationsbündelnde und koordinierende Funktion wahr. Auch im Verhältnis zu den gesetzgebenden Körperschaften ist es für die Koordination, namentlich für Zuleitungen, zuständig; außerdem fungiert es nach Maßgabe der §§ 6 ff. GGO 11 als Leitstelle für das Beantwortungsverfahren parlamentarischer Anfragen. Dieses System gilt indes nicht für europäische Angelegenheiten. Nicht durchgesetzt haben sich Reformbestrebungen aus jüngerer Zeit, eine europäische Koordinationsstelle im Kanzleramt anzusiedeln, die als eine Art Clearingstelle der Fachministerien und ihrer Behörden dienen und allein dem Kanzler verantwortlich sein sollte. 59 Organisatorisch wäre eine informative Rückkoppelung durch die bereits bestehende Binnenorganisation - den einzelnen Bundesrniniste55 So war dem AA vom BMWi der Vorsitz im Europastaatssekretärausschuß zugewachsen; nach der Regierungsneubildung 1998 gilt dies auch für den Vorsitz im Ausschuß der Europabeauftragten der Ressorts und die Befugnis zur Abgabe der Weisungen zur Vorbereitung der AStV-Sitzungen. 56 Bulmer I Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 36 sehen den Übergang von der Finanzierung der EG durch mitgliedstaatliche Beiträge zur Eigenmittelfinanzierung (Art. 269 EGV = Art. 201 EGVa.F.) seit 1980 als Hintergrund für den Bedeutungszuwachs des Finanzressorts. 57 Für eine stärkere Koordinierungswirkung als durch die Ebene der institutionalisierten Gremien BulmerlPaterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 41. 58 Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 1994, S. 49. Aus politisch vorrangigen Gründen können dem Bundeskanzleramt einzelne Ressortangelegenheiten durch den Bundeskanzler zugewiesen werden. 59 So der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Alois Glück, am 25. 10. 1994 vor Journalisten im Münchner Presseclub. Diese Vorstellung sei, so Glück, auch Gegenstand der damaligen Koalitionsverhandlungen in Bonn gewesen. Da die CSU grundsätzlich für eine Kabinettsverkleinerung sei, sei es nicht zwingend, daß die neuzuschaffende Stelle von einem Bundesminister für Europaangelegenheiten übernommen werde. Wichtig sei jedenfalls, die Praxis zu beenden, daß Minister und Fachbehörden sofort nach Brüssel marschierten, wenn sie ihre Initiativen und Themen in Bonn nicht durchsetzen könnten. Hierin liege eine zentrale Quelle für Bürokratismus. Auch nach Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 9, wäre ein neuzuschaffendes Europarninisterium höchstwahrscheinlich dem Bundeskanzleramt angegliedert.
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rien entsprechen Gruppen oder Referate des Bundeskanzieramtes 60 - gewährleistet gewesen. Was das Verhältnis zum Kabinett anbelangt, so überträgt § 7 Abs. 1 GOBReg dem Chef des Bundeskanzleramts zugleich die Geschäfte des Staatssekretärs der Bundesregierung, so daß eine besondere Zuständigkeit in europäischen Angelegenheiten der Stärkung des Kollegialitätsprinzips dienen könnte. Im Bundeskanzleramt ist auch einer der beiden deutschen Europastaatssekretäre mit Kabinettsrang angesiedelt: Neben dem mit den Brüsseler EG-Vorlagen befaßten Parlamentarischen Staatssekretär im AA ist der Staatsminister im Kanzleramt für das Verhältnis zu Europa und den Bundesländern zuständig. Schließlich rechnet auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) zu den in relevantem Umfang zuständigen Ministerien. Ursache hierfür ist die dominierende Bedeutung des Bereiches der Agrarpolitik für die Europäische Union - der Agrarbereich bindet nicht nur einen Großteil des EG-Gesamthaushalts, sondern stellt auch den am striktesten "durchnormierten" Bereich des Gemeinschaftsrechts dar. 61 Die Europaabteilung führt nicht das Tagesgeschäft, sondern leistet in größerer Unabhängigkeit von den Landwirtschaftsverbänden konzeptionelle Arbeit. So wird sie etwa zur Klärung besonderer Rechtsfragen eingeschaltet, während die Fachabteilungen die EU-Verhandlungen auf Arbeitsebene führen und in dieser Phase für die interministerielle Koordination auf Referatsebene wie für die Zusammenarbeit mit den Fachverbänden verantwortlich zeichnen. In dem späteren Verfahrensstadium, in dem die EG-Vorlage den Sonderausschuß Landwirtschaft erreicht, fällt die Ausarbeitung von Weisungen und die letzte Koordination mit anderen Ministerien wieder in die Kompetenz der Europaabteilung. Letztere ist auch Ansprechpartner des Referates Landwirtschaft bei der Ständigen Vertretung, in dem aus dem BML abgesandte Mitarbeiter für aktuelle und umfassende Unterrichtung des Ministeriums Sorge tragen. 62 b) Interministerielle Kooperation Auf verschiedenen vertikalen Ebenen haben insbesondere die vorgenannten Ministerien, die die wesentlichen Zuständigkeiten zur Behandlung europäischer 60 Zur Binnenorganisation des Bundeskanzleramtes s. Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, in: Isensee/Kirchhof, HdbStR 11, 1987, § 52 Rdm. 32; Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 1994, S. 119. 61 Bulmer I Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Cormnunity, 1987, S. 35; GilsdorflBooß, in: Grabitz/Hilf, Kormnentar zur Europäischen Union, Art. 43 (Stand der Bearb. Sept. 1994), Rdm. 4 unter Hinweis auf einen Jahresdurchschnitt von 3000 Verordnungen, von denen allerdings nur ca. 150 als inhaltlich bedeutsam einzuschätzen seien. Die Ausgaben für Agrarpolitik, dominiert von Subventionen insbesondere zum Abbau strukturbedingter Überschüsse, besitzen im Haushalt der EG mit ca. 60% das größte Gewicht, s. WeidenjeldlWessels, Europa von A - Z, 1995, S. 63 f. 62 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 238 Fußn. 267.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Angelegenheiten innehaben, Koordinationsfonnen etabliert. Seit seiner Einsetzung durch das Kabinett im Jahre 1963 ist der Staatssekretärausschuß für Europafragen das höchste Koordinierungsgremium. 63 Er tagt vierzehntägig und befaßt sich neben grundlegenden Integrationsfragen zunehmend mit jeweils anstehenden Brüsseler Entscheidungen. 64 U.a. wird er nach Maßgabe der Kabinettsgrundsätze zur Subsidiaritätsprüfung65 eingeschaltet, wenn die diesbezügliche interministerielle Abstimmung nicht zu einem Konsens führt. Zu den ursprünglichen Mitgliedern aus AA, BMWi, BMF und BML traten später Bundeskanzleramt, Ständige Vertretung in Brüssel und mehr oder weniger regelmäßig weitere mit europäischen Fragen beschäftigte Ressorts. Seit 1973 wechselt der Vorsitz nicht mehr zwischen AA und BMWi, sondern liegt beim Parlamentarischen Staatssekretär im AA, während dem BMF (bisher BMWi),66 Abt. E, die Stellung des Sekretariates und die Protokollführung obliegt. Der Parlamentarische Staatsekretär nimmt - seit Mitte 1974 als Staatsminister i.S.v. § 8 PStG und ordentliches Kabinettsmitglied67 - an den Sitzungen des Gesamtkabinetts teil und erstattet regelmäßig Bericht.
63 BT-Drs. 9/1520, S. 2; Röhl, Die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an der Rechtsetzung im Ministerrat der Europäischen Union, Europarecht 1994,409 (433). Biebe" in: Beutler / Bieber / Pipkorn / Streil, Die Europäische Union, 4. Aufl. 1993, 4.3.2.5 (S. 131) stellt den Dualismus in den Vordergrund: Während die Europaabteilung des BMWi das innerstaatliche Koordinierungsgremium auf administrativer Ebene sei, sei der Europastaatssekretärausschuß dagegen für die politische Koordination zuständig. s.a. Hans Peter Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee / Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 181 Rdnr. 20. 64 Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 6. In der Anfangsphase war die Sitzungsfrequenz noch niedriger - Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 27 zufolge monatlich -, dennoch dürfte auch ein vierzehntägiger Rhytmus die Behandlung technischer Details (im Rahmen von EG-Vorlagen) ausschließen. In diesem Sinn auch Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 235, mit Hinweis auf die hervorgehobene Stellung der Beteiligten. 65 Kabinettsbeschluß vom 8. Dezember 1993. Diese Verfahrensgrundsätze hat der Staatssekretärausschuß durch Beschluß vom 3. März 1994 um ein detailliertes Prüfraster ergänzt, abgedruckt als Anlage 9 zu § 85 Abs. 2 GGO 11. Hierzu auch Rengeling, Europäische Norrngebung und ihre Umsetzung in nationales Recht, DVBI. 1995,945 (951). 66 Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 27 mit Hinweis auf die Beauftragung des Parlamentarischen Staatssekretärs des AA mit der Koordinierung der Europapolitik und der Vertretung im Rat Allgemeines durch Regierungserklärung vom 15. Dezember 1972; s.a. Bulmer / Paterson, The Federal Republic of Gerrnany and the European Community, 1987, S. 32. 67 Zwei Europastaatssekretäre sind mit Kabinettsrang ausgestattet, der Staats mini ster im Kanzleramt ist für das Verhältnis zu Europa und den Bundesländern zuständig, Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 1994, S. 113, der Staatsminister im AA leitet den Staatssekretärausschuß und war etwa für die Konferenz zum Amsterdamer Vertrag zuständig. So informierte Staatsminister Hoyer den Europaausschuß des Deutschen Bundestages fortlaufend über den Gang der Folgekonferenz 1996/97 zur Revision des Maastrichter Vertragswerkes.
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Ein weiteres, die Arbeit des Staatssekretärausschusses ergänzendes und teilweise vorbereitendes Gremium existiert auf der Arbeitsebene: Der Ausschuß der Europabeauftragten der Ressorts resultierte im Jahr 1971 aus den Bemühungen der Parlamentarischen Staats sekretärin im Bundeskanzleramt Focke, im Auftrag von Kanzler Brandt die Europapolitik stärker in den Gesamtzusammenhang der deutschen Politik einzuordnen. 68 Die Beauftragten - in der Regel handelt es sich um Europaspezialisten auf Referentenebene, bei den in besonderem Maße in europäische Angelegenheiten involvierten Ministerien auch um Unterabteilungsleiter tagen unter Vorsitz des AA. 69 Angesichts der unterschiedlich ausgeprägten und häufig begrenzten Entscheidungsbefugnisse der Beauftragten haben die Sitzungen im wesentlichen informativen Charakter. Auch diese Ebene ist nicht für die tägliche "Routinearbeit" der europäischen Sekundärrechtsetzung zuständig, sie behandelt vielmehr Fragen wie etwa die Abstimmung des Programms für die jeweilige deutsche Ratspräsidentschaft. Die "laufenden Verhandlungen und Erörterungen der EG",70 worunter auch die konkrete Sekundärrechtsetzung fallt, werden dagegen außerhalb vorgenannter institutionalisierter Koordinationsformen in regelmäßigen Resssortbesprechungen thematisiert. Die Ressortbesprechungen zur Vorbereitung der Verhandlungsdirektiven für die AStV-Sitzungen finden wöchentlich statt,71 bisher unter Vorsitz des BMWi,72 nun im Wechsel unter Vorsitz des AA und des BMF. Beteiligt sind die betroffenen Fachressorts, das BMWi insoweit bezüglich der Bereiche Binnenmarkt, Wettbewerb und Handelspolitik. Schließlich partizipieren auch an den wöchentlichen Ressortbesprechungen Vertreter des Bundeskanzleramts, die ggf. auf Richtlinien des Bundeskanzlers hinweisen, sowie Vertreter des Auswärtigen Amtes, um bei der Behandlung bedeutsamerer Vorlagen die integrationspolitischen Aspekte einzubringen.
68 Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 3,7. Die Einsetzung erfolgte durch Beschluß des Staatssekretärausschusses vom 25. Juni 1971, s. Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 29. 69 Bis Herbst 1998 noch unter Vorsitz des Leiters der Europaabteilung des BMWi, hierzu Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 235 (Fußn. 256). 70 Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 7. 71 Bulmerl Paterson, The Federal Republic of Gerrnany and the European Community, 1987, S. 40 sprechen von dem wöchentlich tagenden "Tuesday Committee" unter Vorsitz des BMWi; so auch Bulmer; The Domestic Structure of European Community Policy-Making in West-Gerrnany, 1986, S. 78. 72 Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 7; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 236. Zur engen Verknüpfung der Referate der Abteilung E des BMWi im Wege der Personalunion mit den anderen Fachabteilungen des Wirtschaftsministeriums BulmerlPaterson, The Federal Republic of Gerrnany and the European Community, 1987, S. 34; Bulmer; The domestic structure of European Policy-Making in West Gerrnany, 1987, S. 65.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Festzuhalten ist, daß das sog. ausschließliche Weisungsrecht73 - bisher des BMWi, nun des AA - gegenüber den Ressortvertretern in Brüssel keinen Verstoß gegen das in Art. 65 Satz 2 GG gewährleistete Ressortprinzip darstellt. Rechtlich wie praktisch haben die Fachministerien einen so großen Einfluß, daß von einer Beeinträchtigung der eigenverantwortlichen Leitung des Geschäftsbereichs nicht die Rede sein kann. In der Praxis können sie im Rahmen der Weisung ergänzende Informationen an die Vertretung geben, außerdem instruieren sie ihre Vertreter auf Ratsgruppenebene weitgehend selbständig und nehmen so auf die Orientierung des deutschen Standpunktes zu Beginn der Verhandlungen einen erheblichen Einfluß. 74 Rechtlich ist ferner zu berücksichtigen, daß Mehrheitsentscheidungen nur auf Kabinettsebene möglich sind, d. h. daß kein Ressort in der - auf niedrigerer Ebene angesiedelten - Weisungsbesprechung überstimmt werden kann, geschweige denn, daß eine allein vom Wirtschaftsministerium oder vom Auswärtigen Amt getragene Weisung zulässig und für das Verhalten des deutschen Vertreters im AStV bindend wäre. Ungeachtet des wichtigen koordinierenden Einflusses ist die Bezeichnung als "ausschließliches Weisungsrecht" damit nur insoweit zutreffend, als sie die Befugnis zur förmlichen Zuleitung der gemeinsam ausgearbeiteten Weisung an den AStV betrifft. Was die gemeinsame Ausarbeitung anbelangt, so gilt heute, daß das federführende Ministerium eine Stellungnahme unterbreitet, die in aller Regel bereits mit den mitberatenden Ressorts abgesprochen ist. Eventuell in der Weisungsbesprechung auftretende Unstimmigkeiten werden vorwiegend bilateral gelöst und dem BMWi, resp. nun dem AA, nur noch zur Weiterleitung zugesandt. 75 Teilweise wird von den Fachministerien selbst diese eher technische Vermittlung des koordinierenden Ministeriums, das zudem möglicherweise von einer anderen Koalitionspartei geführt wird, nicht in Anspruch genommen; so erteilt das BML seine Weisungen wie gezeigt direkt an den deutschen Vertreter im Sonderausschuß Landwirtschaft.
3. Das Verfahren zur Beteiligung des Parlaments
Ausgangspunkt für das förmliche Verfahren zur Unterrichtung des Bundestages i. S. d. §§ 3 ff. EUZBBG ist die offizielle Übermittlung eines Kommissionsentwurfs an das Generalsekretariat des Rates. 76 Der formelle Kommissionsvorschlag, der häufig auch im Amtsblatt Teil C veröffentlicht wird, besteht aus dem ausfor73 Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 25. Befremdlich erscheint dies insbesondere ausländischen Autoren, Bulmer I Paterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 34. 74 Bereits für die Praxis der 60er und 70er Jahre Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 25. 75 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 236. 76 Morawitzl Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 46.
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mulierten Text des endgültig zu fassenden Beschlusses. Zugeleitet werden dem Ratssekretariat ferner die sog. "Hilfsmaterialien der Gesetzgebung",77 die nicht veröffentlicht werden: Begründungserwägungen, ein Finanzbogen zu den finanziellen Auswirkungen und ein Folgenabschätzungsbogen für kleine und mittlere Unternehmen ("fiche d'impact,,).78 Nach den bisherigen Ausführungen ist allerdings deutlich, daß die Koordinations- und Abstimmungsmechanismen zwischen den Ressorts keineswegs erst im Zeitpunkt der Bearbeitung und Diskussion eines Kommissionsvorschlags auf der Ebene der Ständigen Vertreter eingreifen. Nichtsdestotrotz stellt die förmliche Unterrichtung einen wesentlichen Aspekt zur Verwirklichung der parlamentarischen Beteiligungsrechte dar, zumal bereits gezeigt wurde, daß eine vollständige begleitende Kontrolle des legislativen Frühstadiums sich - durch die Überlastung des Parlaments - auch eher als kontraproduktiv erweisen würde. 79 Gegenstand der förmlichen Zuleitung sind gern. Punkt 1.1. der Ressortabsprache insbesondere die Verordnungs- und Richtlinienentwürfe, aber auch sonstige Vorschläge zu Ratsentscheidungen und -beschlüssen. 8o Die Weiterleitung vom Ratssekretariat, das auch den AStVadministrativ unterstützt, erfolgt in Gestalt eines Ratsdokumentes 81 über die Ständige Vertretung an das BMWi, Abt. E 82 (seit Regierungsneubildung 1998 BMF, Abt. E.). Was die hier angesprochene Koordinationsund Weiterleitungszuständigkeit anbelangt, so war ursprünglich für Entwürfe der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) eine Zuständigkeit des Bundesministeriums für Atom vorgesehen, die in Anbetracht der außerordentlich geringen Zahl der Rechtsakte aber ohnehin nie praktische Bedeutung erlangte. 83 Die EAGV-Vorlagen 77 Schloh, Institutioneller Aufbau der EG, in: Dauses, Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts (Stand der Bearb. April 1997), Kap. All, Rdnr. 223. 78 Ausführlich zu System und Praxis der Folgenabschätzung v. Moltke, Gesetzgebung der Europäischen Gemeinschaften, ZG 1993, 212 (220 ff.), mit Abdruck des Formulars für den fiche d'impact auf S. 221. Als besonders problematisch hat sich in der Praxis erwiesen, daß sich die Folgenabschätzungen angesichts des Massengeschäfts zu routinemäßigem und wenig aussagekräftigem "Abhaken" der Formulare entwickelt haben. Im Zuleitungsschreiben wird dem Rat überdies ein Zeitplan für die Anhörungen und Beschlußfassungen vorgeschlagen. 79 s.o., Kap. 2, B.lY.1.b)bb) (S. 216 f.). 80 s.o., Kap. 2, B.lV.2.a)bb) (S. 224 f.). Anders sah noch Punkt 1. der Ressortabsprache i.d.F. von 1981 (abgedruckt bei Morawitz/ Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 149) vor, daß außer Richtlinien- und Verordnungsentwürfen nur solche Ratsentscheidungsvorschläge zuzuleiten waren, die offensichtlich in die innerdeutsche Gesetzgebung eingriffen. 81 Morawitz/ Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 46. 82 Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 52 verweist allgemeiner auf die Einschaltung des deutschen Ständigen Vertreters. Zum Entstehen eines Vorschlags in der Kommission und zur Arbeitsebene des Rates s.o., Kap. 1, A.II.3.b) (S. 47 f.), B.l.2.a) (S. 68 f.). 83 So bereits Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 52, Fußn. 12.
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wurden vom BMWi 84 mitbehandelt. In der Ressortabsprache i.d.F. von 1981 hatte dies noch keinen expliziten Niederschlag gefunden, es hieß weiterhin: "Für die Zuleitung von EG-Vorlagen auf Gebieten der EAG gilt hiernach das für die Verordnungen und Richtlinien des Rates eingeführte Verfahren mit der Maßgabe, daß an die Stelle des Bundesministeriums für Wirtschaft, Abt. E., das Bundesministerium für Forschung und Technologie tritt. Sieht eine EG-Vorlage einen gemeinsamen Beschluß von EWG und EAG vor, so ist das Bundesministerium für Wirtschaft zuständig".85 Erst die Fassung aus dem Jahr 1995 (Anlage 10 zu § 85 b GGO 11) ging von der ausschließlichen Zuständigkeit des BMWi aus. Die politische und rechtliche Relevanz dieser Zuleitungszuständigkeit ist allerdings auf eine im wesentlichen technisch-administrative Funktion gesunken. Dies gilt nicht nur im Vergleich mit den bereits aufgezeigten großen Geschäftsbereichen der anderen Fachministerien und deren beherrschender Rolle im Hinblick auf die Ratssubgremien, sondern auch im Verhältnis zum Bundestag. In der Anfangsphase der Integration bestand noch ein - beschränkter - Entscheidungsspielraum des BMWi. Ursprünglich war der Maßstab, anhand dessen die Weiterleitungsentscheidung getroffen wurde, in dem Begleitschreiben des Staatssekretärs im Bundeskanzleramt vom 6. September 1963 zu der ersten interministeriellen Vereinbarung über die Behandlung europäischer Angelegenheiten festgelegt: 86 Danach sollten Entwürfe zu Verordnungen und Richtlinien zur Vereinfachung der Prüfung auch dann zugeleitet werden, wenn Zweifel bestanden, ob die innerdeutsche Gesetzgebung hiervon berührt werden könnte. Entwürfe zu Entscheidungen des Rates sollten dagegen nur dann zugeleitet werden, wenn sie offensichtlich in die innerdeutsche Gesetzgebung eingriffen. 87 Die inhaltliche Prüfung, ob die Weiterleitung bestimmter Vorlagen notwendig ist, entfällt nunmehr restlos und trägt damit dem umfassenden Informationsanspruch des Bundestages aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG, §§ 3, 4 EUZBBG Rechung. Das BMF leitet die Vorlagen umgehend, in der Praxis binnen zwei Tagen, weiter. Beigefügt wird das erläuternde Zuleitungsschreiben;88 grundsätzlich wird für jeden Entwurf ein gesondertes Zuleitungs schreiben verfaßt, mehrere Vorlagen werden nur dann zusammengefaßt, wenn sie das gleiche Sachgebiet betreffen. Wäh84 Bzw. vom Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen, s. Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 52. Ursache hierfür ist nicht eine Zuständigkeitsverlagerung auf das Finanzministerium, sondern die kurzzeitige Fusion der beiden Ressorts Wirtschaft und Finanzen Anfang der 70er Jahre, hierzu Derlien, Zur Logik und Politik des Ressortzuschnitts, VerwArch 87 (1996), 548 (554 f.). 85 Abgedruckt bei Morawitz/ Kaiser; Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 152. 86 Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, Berlin 1973, S. 53. 87 Eine entsprechende Regelung enthielt Punkt I. der Ressortabsprache (1981), abgedruckt bei Morawitz/ Kaiser; Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 149. 88 s.o., Kap. 2, B.lY.l.b)bb) (S. 218 f.). Auch der Inhalt des Zuleitungsschreibens ist nach der Neufassung der Ressortabsprache aussagekräftiger und konkreter zu halten.
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rend die Ressortabsprache in Punkt 1.1. nur allgemein vorsieht, daß die Zuleitung vom BMWi (nun BMF) an den Bundestag erfolgt, wurden die detaillierten Zuständigkeiten durch Schriftwechsel zwischen dem Chef des Bundeskanzleramts und dem Präsidenten des Bundestages festgelegt: 89 Nunmehr erfolgt die förmliche Zuleitung durch Schreiben des Leiters der Abt. E an den Direktor beim Deutschen Bundestag. Hierbei handelt es sich um einen weiteren Schritt zur Verfahrens beschleunigung. Wahrend vor der ersten interministeriellen Vereinbarung die Bundesregierung noch zu jeder Vorlage inhaltlich Stellung nahm, wurde hierauf seit Anfang 1963 verzichtet, was unter dem Gesichtspunkt der Zeitersparnis bereits als klare Verbesserung gewertet wurde. 9o Da die Kommissionsvorlage nun unmittelbar nach ihrem Eingang an den Bundestag weitergeleitet werden konnte, war es möglich, daß dieser sie etwa sieben Tage nach der Fertigstellung durch die Kommission erhielt. Das seitens des BMWi beigefügte Zuleitungs schreiben galt als "Entwurf', der für den Bundeskanzler vorbereitet wurde und der von ihm oder seinem Stellvertreter zu zeichnen war. Im Rahmen der Überarbeitung der Ressortabsprache 1981 wurde dieses Zeichnungsrecht bereits auf den Chef des Bundeskanzleramts übertragen. Das unterzeichnete Zuleitungsschreiben wurde schließlich samt dem Vorlagentext an den Präsidenten des Bundestages weitergeleitet. Parallel zu der offiziellen Zuleitung über das Bundeskanzleramt erfolgte seit jeher schon eine Vorabunterrichtung des Direktors beim Deutschen Bundestag, der vom Leiter der Abt. E des BMWi eine Durchschrift des Entwurfs des Zuleitungsschreibens sowie ein Exemplar der Vorlage erhielt. 91 Diese Information "auf dem kleinen Dienstweg" sollte dazu dienen, bis zum Eintreffen des förmlichen Zuleitungsschreibens die Verteilung an die MdB drucktechnisch vorzubereiten und so weiter zu beschleunigen. Mit der Reform der Exekutivvereinbarung von 1995 und begleitendem Schriftwechsel zwischen dem Chef des Bundeskanzleramtes und dem Präsidenten des Deutschen Bundestags wurde dann auf die Einschaltung des Bundeskanzleramts gänzlich verzichtet. 92 Die friihere Vorabunterrichtung auf dem kleinen Dienstweg (Leiter der Abt. E des BMWi an den Bundestagsdirektor) stellt nunmehr die offizielle Zuleitungsform für EG-Vorlagen dar. Das federführende Ressort und das Bundeskanzleramt erhalten das Zuleitungsschreiben in Kopie. Häufig erfolgen Unterrichtungen auch vorab per Telex; so werden etwa vorläufige Tagesordnungen der AStV-Sitzungen und Sitzungskurzberichte vom Generalsekre-
89 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 70; s.a. Anlage 10 zu § 85 b GGO 11, Fußn. 1. 90 So die Einschätzung der Bundesregierung, nachdem das neue Zuleitungsverfahren vier Monate lang praktiziert worden war, BT-Drs. 41 1944, S. 2. 91 Oetting. Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 54; Troßmannl Roll. Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1981, § 93 Rdnr. 5. 92 Zur Verfassungsmäßigkeit dieses Vorgehens S.u., Kap. 3, A.lY.3.b) (S. 270 f.).
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tariat des Rates direkt an den Europaausschuß des Bundestages - konkret das Europabüro - übermittelt. 93 Nach der Systematik der Ressortabsprache sind drei Unterfälle der Zuleitung zu unterscheiden. Neben die zuvor dargestellte förmliche Zuleitung i. S. d. Punkt 1.1. tritt gern. Punkt 1.2. die allgemeine Zuleitung aller eingehenden Ratsdokumente, die vom BMWi (nun BMF) zeitgleich dem Bundestag und dem federführenden Ressort zugehen. Die allgemeine Zuleitung stellt den Oberbegriff dar, der die förmliche Zuleitung mit umfaßt. Letztere zeichnet sich zusätzlich durch die Erläuterung im Wege des Zuleitungsschreibens und der Information des Bundeskanzleramtes aus. Die dritte Säule ist die zusätzliche Unterrichtung durch die Fachministerien, die vielfach im Wege der Kontaktpflege, d. h. der engen Zusammenarbeit des zuständigen Fachreferenten im Ministerium mit dem Vorsitzenden, dem Berichterstatter oder dem Sekretär des federführenden Bundestagsausschusses, erfolgte. In der Praxis bedarf selbst die fÖI11)liche Zuleitung der zusätzlichen Unterrichtung seitens der Fachressorts; so können bereits die sachlichen Informationen im Zuleitungsschreiben kaum vom BMWi (oder nun vom BMF) gegeben werden. 94 Dies gilt unverändert, auch wenn der ausdrückliche Hinweis auf die Unterstützungspflicht der Ressorts in der Absprache von 1981 in der aktuellen Fassung nicht mehr auftaucht. Nach dem derzeitigen System der regierungsinternen Willensbildung und der Verkoppelung mit der supranationalen Ebene kann die Regierung ihrer verfassungsrechtlich verankerten Informationspflicht nur durch die ergänzende Mitarbeit der einzelnen Fachressorts gerecht werden. In den Fachministerien findet die inhaltliche Ausarbeitung der nationalen Position für die Ministerräte statt, hier ist der Ansatzpunkt für eine zeitnahe und aktuelle parlamentarische Kontrolle. Dem trägt auch die Ressortabsprache Rechnung, indem sie in Punkt 1.3. die sog. "zusätzliche Unterrichtung" über nicht unter 1.1. oder 1.2. fallende Rechtsakte oder sonstige Kommissionsbeschlüsse von grundsätzlicher Bedeutung oder erheblicher Auswirkung auf die Interessen der BRD dem federführenden Ressort auferlegt. Die umfassenden Aufgaben der Ressorts bei der Behandlung von EU-Vorhaben im Bundestag sind ferner unter Punkt 11. der Absprache spezifiziert. Besondere Bedeutung kommt der Pflicht des federführenden Ressorts zu, in der Regel auf den 93 Ausfertigungen erhalten in diesem Fall parallel auch die Abt. E des AA, die Abt. E des BMWi, weitere betroffene Bundesministerien und der Bundesrat. Das Sekretariat des Europaausschusses sorgt ausschußintern für die Verbreitung über den sog. kleinen Verteiler, d. h. in erster Linie an die Obleute der Fraktionen des Europaausschusses. Die Archivierung sämtlicher AStV-Berichte erfolgt im Europabüro. 94 So bestand im Verfahren des Erlasses der EU-Grundsätze zwischen Europaausschuß, BMWi, AA und BMI Einigkeit dariiber, daß der schriftliche Bericht gern. § 3 EU-Grundsätze vom zuständigen Fachressort zu erstellen sei, während das BMWi keine Verantwortung für den Inhalt des Berichts übernehmen könne. Das federführende Ressort wird auf der Kopie des vom BMWi an den Bundestag zu sendenden förmlichen Zuleitungsschreibens um direkte Abgabe des Berichts an den BT-Europaausschuß und Kopie des Berichts an das BMWi gebeten.
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Ausschußsitzungen des Bundestages zu den es betreffenden Tagesordnungspunkten vertreten zu sein. Die Berichte des Ressortvertreters zu kommenden Räten i. S. d. Punkt 11.2. Satz 3 Ressortabsprache (sowie Nachberichte zu bereits durchgeführten Ministerratssitzungen) sind dementsprechend regelmäßiger Tagesordnungspunkt der Sitzungen des Europaausschusses. Der weiteren Straffung des Verfahrens dient es, daß im Falle wesentlicher Änderungen der ursprünglichen EGVorlage das federführende Ressort nicht mehr95 beim BMF die erneute Zuleitung durch den Chef des Bundeskanzleramtes anzuregen hat. Nunmehr erfolgt auch diese Information direkt durch die Ressorts. 96 Eine Teilnahme von MdB - etwa aus dem Europaausschuß oder wahrscheinlicher aus dem jeweiligen Fachausschuß - an den koordinierenden Ressortbesprechungen ist demgegenüber nicht vorgesehen. Einer solchen Beteiligung stehen auch tatsächliche Hindernisse entgegen, die in den personellen und zeitlichen Ressourcen des Parlaments ihren Ursprung haben. Ausschlaggebend ist schließlich, daß ein gesetzlicher Beteiligungsanspruch vergleichbar dem der vom Bundesrat benannten Ländervertreter gern. § 4 Abs. 1 EUZBLG 97 - nicht besteht. Trotz der restriktiven Ausgestaltung des Kernbereichs der exekutivischen Eigenverantwortung in europäischen Angelegenheiten durch Art. 23 Abs. 2, 3 GG ist eine Teilnahme von Abgeordneten an interministeriellen Besprechungen auch kaum mit dem Eigenbereich der Regierung zu vereinbaren; jedenfalls existiert keine verfassungsrechtliche Pflicht zu einer solchen Kooperationsform. IV. Hinreichende Beachtung des Kabinettsprinzips bei der Behandlung von EG-Vorlagen? 1. Geringe Beachtung in der Regierungspraxis
Die bisherige Untersuchung hat eine starke "Ressortorientierung" der deutschen Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung ergeben. Angesichts der großen Eigenverantwortlichkeit und Selbständigkeit, die die Bundesminister im Hinblick auf europäische Angelegenheiten haben, ist eine Beeinträchtigung ihrer Rechte aus Art. 65 Satz 2 GG nahezu ausgeschlossen. Der Umstand, daß das Ressortprinzip in einem solchen Umfang verwirklicht wurde, indiziert vielmehr eine 95 So noch Punkt II.2., Satz 1 Ressortabsprache 1981, abgedruckt bei Morawitzl Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 151. 96 Dies galt zuvor nur ergänzend für wesentliche Veränderungen im Verlauf der Beratungen in den Ratsgremien. Hier informierte das federführende Ressort im Wege der Kontaktpflege auf Referentenebene den Sekretär des federführenden Bundestagsausschusses oder den Berichterstatter im Ausschuß. 97 Zum Teilnahmerecht der Länder an den Beratungen zur Festlegung der Verhandlungsposition Morawitzl Kaiser, Die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei Vorhaben der Europäischen Union, 1994, S. 91 f.
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zu weite Zurückdrängung der übrigen Prinzipien, namentlich des Kollegialprinzips. Tatsächlich werden nur die elementaren Grundsatzfragen der Europapolitik auf der Ebene des Kabinetts erörtert und entschieden. 98 Symptomatisch ist hierfür, daß der 1973 eingesetzte beratende Kabinettsausschuß für Europapolitik99 in den letzten Jahren gar nicht getagt hat 100 und schließlich im Zuge der Regierungsneubildung 1998 abgeschafft wurde. 101 Im Gefüge des Art. 65 GG sind die Kabinettsausschüsse sachlich dem Gesamtkabinett und nicht den Fachministerien zuzuordnen - Indiz hierfür ist neben ihrer Einsetzung durch Kabinettsbeschluß lO2 die Lösung der Vorsitzfrage. Nach Maßgabe der "Rahmenregelungen für den Geschäftsablauf der Kabinettsausschüsse der Bundesregierung,,103 ist der Bundeskanzler Ausschußvorsitzender, die Geschäfte werden vorn Bundeskanzleramt geführt, stellvertretender Vorsitzender ist der Stellvertreter des Bundeskanzlers (der Vizekanzler gern. Art. 69 Abs. I GG). Erst die "drittbedeutende" Rolle kommt dem federführenden Minister ("Beauftragter Vorsitzender") zu, der bei Abwesenheit von Bundeskanzler und Stellvertreter den Vorsitz führt. 104 Dem Ressortprinzip wird allerdings dadurch Rechnung getragen, daß der Fachminister die Kabinettsausschußvorlage erarbeitet, hierzu Bericht erstattet und für die Umsetzung der getroffenen Entscheidungen verantwortlich ist.
98 Regelsberger/Wessels, National Paper on the Federal Republic of Germany, in: Nuallain, The Presidency of the European Council of Ministers, 1985, S. 73 (78); Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234, unter Hinweis auf den Kabinettsbeschluß über Verfahrensgrundsätze für die Subsidiaritätsprüfung durch die Bundesressorts vorn 8. Dezember 1993. Trumpf, Reflections from Three Gerrnan Presidencies High marks for the Gerrnan Coordination Model, low marks for the Presidency System, in: Regelsberger/Wessels, The Federal Republic of Germany and the European Cornrnunity: The Presidency and beyond, 1988, S. 266 (269) unter Hinweis auf ein Ende 1987 mit Blick auf die kommende Präsidentschaft geplantes Treffen zwischen dem deutschen Kabinett mit der Kommission. Hierbei habe es sich um eine bis dahin einmalige Aktion gehandelt. 99 Die Einsetzung erfolgte durch Kabinettsbeschluß im Januar 1973, konstituierende Sitzung war am 3. Oktober 1973; hierzu Sasse, Regierungen, Parlamente, Ministerrat, 1975, S. 28; Busse, Die Kabinettsausschüsse der Bundesregierung, DVBI. 1993,413 (414). Zur früheren Rechtslage Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 15 Anm. 4. In die Zuständigkeit des Europa-Kabinettsausschusses fiel es, integrationspolitische Vorentscheidungen zu treffen, was allerdings zumeist vorn Gesamtkabinett wahrgenommen wurde, so daß der Ausschuß von Anfang an wenig Bedeutung hatte. 100 Kühn, Die Koordinierung der deutschen Europapolitik, 1993, S. 6; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234 f. 101 Busse, Regierungsbildung aus organisatorischer Sicht, DÖV 1999, 313 (321) unter Hinweis auf den Kabinettsbeschluß vorn 16. 12. 1998 zur Neuordnung der Kabinettsausschüsse. 102 So die Staatspraxis, s. Busse, Die Kabinettsausschüsse der Bundesregierung, DVBI. 1993, S. 413 (414). Für die Zulässigkeit der Einrichtung durch den Bundeskanzler Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 2 Anm. 7; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 248. 103 GMBI. 1993, S. 181. Bis zum erstmaligen Erlaß durch Kabinettsbeschluß vorn Januar 1973 war Arbeitsgrundlage für die Kabinettsausschüsse die GO-BReg analog, hierzu Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 15 Anm. 5. 104 Busse, Die Kabinettsausschüsse der Bundesregierung, DVBI. 1993,413 (415 f.).
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Mißverständlich war die Qualifizierung dieses Gremiums als "Europakabinett", 105 da hiermit Entscheidungsbefugnisse assoziiert werden könnten. Unterhalb der Kabinettsebene - und selbst Ministerbesprechungen unter Vorsitz des Bundeskanzlers stellen keine förmlichen Sitzungen der Bundesregierung dar lO6 - können indes keine Mehrheitsentscheidungen in Angelegenheiten getroffen werden, die kraft verfassungsrechtlicher Vorgabe der Entscheidung des Gesamtkabinetts bedürfen. lO? Generell kommt Kabinettsausschüssen auch keine den vorbereitenden Gremien bei Bundestag und Bundesrat vergleichbare Funktion zu, da sie nach der Geschäftsordnung keine notwendige und keine nach der Staatspraxis auch nur häufig übliche Vorlaufstation für die Beschlußfassung im Gesamtkabinett sind. 108 Ihre rechtliche wie praktische Relevanz ist mithin im allgemeinen gering; auch konkret im Bereich der Europapolitik haben sich die vorgenannten flexibleren Koordinationsformen, namentlich die Ressortbesprechungen auf Referentenebene, durchgesetzt. 2. Keine ausschließliche Maßstäblichkeit von Art. 65 GG
Aufgeworfen ist angesichts der erkennbaren Zurückdrängung des Kabinettsprinzips mithin die Frage, ob und inwieweit die Beteiligung an der europäischen Sekundärrechtsetzung von dem Regierungskollegium wahrgenommen werden muß. Die Kritik, daß "der geistige Aufwand um die Deutung der Regierung als Regierungskollegium oder als Gesamtorgan nicht nachvollziehbar" sei,109 richtet sich nicht gegen die Notwendigkeit, zwischen der Zuständigkeit des Regierungskollegiums einerseits und derjenigen einzelner Kollegiumsmitglieder andererseits zu unterscheiden. Ob das Kollegium oder ein Fachminister zuständig ist, ist für die Frage nach der parlamentarischen Verantwortlichkeit und nach den möglichen Ansatzpunkten der mitgestaltenden parlamentarischen Kontrolle gern. Art. 23 Abs. 2, 3 GG relevant. Zwar ist nicht allgemein anerkannt, daß neben der parlamentarischen So Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 64 (Zweitbearb. 1983), Rdnr. 41. Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 17 Anm. 6, 8. 107 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 65 Rdnr. 6; Herzog, in: Maunz/ Dürig, GG, Art. 64 (Zweitbearb. 1983), Rdnm. 42 f.; Busse, Die Kabinettsausschüsse der Bundesregierung, DVBI. 1993,413 (416). 108 Busse, Die Kabinettsausschüsse der Bundesregierung, DVBI. 1993,413 (416 f.). 109 Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, in: Isensee / Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 52 Rdnr. 58, weist darauf hin, daß es zwar zutreffe, daß auch das Kollegium als Ganzes in einem Rechtsverhältnis zum Bundestag stehe, so daß "von außen" betrachtet die Binnenrechtsverhältnisse der Regierung als Intra-Organ-Verhältnisse erschienen. Dies belege indes nichts anderers, als den bekannten Umstand, daß es neben und ineinander gelagerte Teilrechtsordnungen gebe, innerhalb derer unter dem jeweils eingenommenen Blickwinkel Rechtsverhältnisse einen anderen Charakter zeigten; s. allg. auch Rupp, Grundfragen der heutigen Verwaltungsrechtslehre, 2. Aufl. 1991, S. 47 f.; Schnapp, Dogmatische Überlegungen zu einer Theorie des Organisationsrechts, AöR 105 (1980),243 (250 f.). 105
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Verantwortung llO des Bundeskanzlers gern. Art. 65 Satz 1 GG und derjenigen der Bundesminister für ihren Geschäftsbereich 111 auch eine Verantwortlichkeit der Regierung als solcher existiert. Abgelehnt wird dies teilweise angesichts der fehlenden ausdrücklichen Festlegung kollegialer Verantwortung in Art. 65 Satz 3 GG, der damit im Gegensatz zu den expliziten Zuweisungen in Sätzen 1 und 2 steht. Auch wenn im Wege des konstruktiven Mißtrauensvotums gern. Art. 69 Abs. 2 GG mit dem Kanzler das gesamte Kabinett gestürzt wird, so lasse auch dies die Verantwortlichkeitsfrage unberührt, vielmehr sichere die Regelung nur das Kabinettsbildungsrecht des künftigen Kanzlers. 1I2 Demgegenüber ist allerdings zu bedenken, daß kollegiale Verantwortlichkeit die Konsequenz kollegialer Zuständigkeiten ist, deren prinzipielle Existenz nicht bestritten wird. 113 Parlamentarische Verantwortung ist das Gegenstück zur selbständigen Entscheidungsmacht, sie folgt ihr nach. 1I4 Dabei ist die Verantwortlichkeit trotz ihres individuellen Grundcharakters einer Erweiterung zu kollegialer Verantwortung durchaus offen. 115 Festgehalten werden kann, daß die Möglichkeit kollegialer Verantwortung jedenfalls die Existenz kollegialer Zuständigkeiten voraussetzt - umgekehrt kommt auch die Ansicht, die eine Verantwortlichkeit des Kollegiums ablehnt, nicht zur Negierung kollektiver Zuständigkeiten. Ob diese vorliegen, muß vielmehr die Auslegung der einschlägigen Verfassungsvorschriften ergeben. Dabei gibt es weder eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten des Kollegiums als oberstem Regierungsorgan 1l6 noch eine Regelzuständigkeit des Fachministers aufgrund der Vorgaben des Art. 65 Satz 2 GG. ll7 Bei Kompetenzzuweisungen an "die Bundesregierung" kann nicht durch 110 Zwar ist das Parlament anders als in Art. 56 Satz 1 WRV nicht explizit genannt, dennoch besteht weitestgehend Einigkeit, daß es Adressat der Kontrollbefugnis ist; s. Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 65 (Zweitbearb. 1984), Rdnr. 48; Kunig, Politische Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament, Jura 1993, 220; Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 31 IV.3.c) (S. 310). Krit. Meyn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 65 Rdnr. 3. 111 Für unmittelbare, nicht nur über den Bundeskanzler vermittelte Ministerverantwortlichkeit Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 5; Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 443; Kunig, Politische Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament, Jura 1993, 220; a.A Meyn, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 65 Rdnr. 3. 112 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 449; Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 7. 113 Stern, Staatsrecht 11,1980, § 31 IV 4 c (S. 312 f.); Kunig, Politische Kontrolle der Bundesregierung durch das Parlament, Jura 1993, 220; zustimmend auch Schröder, Bildung, Bestand und parlamentarische Verantwortung der Bundesregierung, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR 11,1987, § 51 Rdnr. 50. 114 s.a.o., Kap. 2, AI.2. (S. 108 ff.). 115 Stern, Staatsrecht 11, 1980, § 31 IV 4 c (S. 312). 116 So aber Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Auf!. 1994, § 34 III 1 (S. 287); a.A Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee I Kirchhoff, HdbdStR 11, 1987, § 50 Rdnr.15. 117 Zu einer solchen führt allerdings die Annahme, daß das Grundgesetz mit dem Begriff Bundesregierung (gerade im Interorganverhältnis zum Parlament) regelmäßig das Gesamt-
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ausschließlichen Rückgriff auf Art. 65 GG geklärt werden, ob im konkreten Fall das Kollegium oder ein anderes Regierungsorgan gemeint ist. Erforderlich ist vielmehr die Auslegung der Kompetenzvorschrift unter Beriicksichtigung insbesondere ihrer Intention und ihres systematischen Zusammenhangs. 118 In Art. 65 Satz 3 GG selbst ist nur eine Zuständigkeit des Kollegiums aufgeführt, nämlich diejenige, die den Sonderfall der ressortübergreifenden Meinungsverschiedenheiten zwischen Ministerien regelt. 119 Teilweise wird hieraus über den engeren Wortlaut hinaus auch eine Zuständigkeit des Kollegiums zu allgemeiner ausgleichender Koordination abgeleitet. 120 Das Streitschlichtungsverfahren ist durch die Geschäftsordnung der Bundesregierung näher ausgestaltet; 121 deutlich wird auch hier, daß die streitschlichtenden Kabinettsbeschlüsse rechtlich als ultima ratio konzipiert sind. Diese Bedeutung haben sie auch in der ministeriellen Praxis, d. h. Meinungsverschiedenheiten werden in aller Regel auf informellem Weg geklärt. 122 Dieser Regel entspricht auch die Praxis in europäischen Angelegenheiten, was unter anderem darauf zuriickzuführen sein dürfte, daß in EG-Angelegenheiten aufgrund eines weitreichenden Parteienkonsenses eine Entpolitisierung stattgefunden hat und damit verbunden eine Verlagerung auf die Ebene der Ministerialverwaltung. 123 Jedenfalls liegt es im Interesse der beteiligten Ressorts, Streitigkeiten
organ meine, innerhalb dessen sich die Kompetenzverteilung nach Art. 65 GG bemesse, so Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 138. 118 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 142; Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 1994, S. 72 f. 119 Art. 65 Satz 4 GG weist ferner den Erlaß der Regierungsgeschäftsordnung dem Kollegium zu, wie sich aus der Zusammenschau mit den beiden anderen Sätzen der Vorschrift ergibt. 120 Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 180. 121 Nur wenn die gern. § 16 Abs. 1 GO-BReg grundsätzlich erforderliche Beratung der beteiligten Bundesministerien erfolgt ist und trotz persönlicher Verständigungsgespräche der Minister (sog. "Chefbesprechung") oder ihrer Vertreter gern. § 17 Abs. 1 GO-BReg keine Einigung erzielt werden konnte, kommt es zur Kabinettsentscheidung. Zuvor kann der Kanzler gern. § 17 Abs. 2 GO-BReg noch eine Ministerbesprechung unter seinem Vorsitz einberufen. 122 RegelsbergerlWessels, National Paper on the Federal Republic of Germany, in: Nuallain, The Presidency of the European Council of Ministers, 1985, S. 73 (78); Weber-Panariel10, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234. Sehr restriktiv auch Honnacker I Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 17 Anm. 2, die nicht alle Meinungsverschiedenheiten als dem Kabinett unterstellt ansehen, sondern nur solche, die Geschäftsbereiche mehrerer Ministerien berühren - was allerdings in der Praxis der Regelfall sein dürfte. 123 BulmerlPaterson, The Federal Republic of Germany and the European Community, 1987, S. 28 ff., 152 zu der Verlagerung der WilJensbildung nicht nur vom Kabinett und Kanzler auf die Ressorts, sondern auch von dem politisch verantwortlichen Minister auf die Ministerialbürokratie. Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234 stellt ferner die These auf, daß es nicht im Interesse der hauptbetroffenen Ressorts AA und BMWi, die beide in den letzten Jahren von der ED.P. geführt wurden, gelegen habe, Kompetenzkonflikte in das Kabinett zu tragen.
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im Rahmen der eigenen Entscheidungsmacht zu regeln, anstelle sich vom Kabinett geschweige denn vom Parlament "hineinreden" zu lassen. 124 Angesichts dieses begrenzten kollegialen Zuständigkeitsbereichs, wie er sich bei isolierter Betrachtung des Art. 65 GG ergibt, könnten verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geschäftsordnungsrechtliche Ausgestaltung der dem Kabinett vorbehaltenen Bereiche erhoben werden. 125 § 15 Abs. 1 GO-BReg lautet: "Der Bundesregierung sind zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten alle Angelegenheiten von allgemeiner innen- oder außenpolitischer, wirtschaftlicher, sozialer, finanzieller oder kultureller Bedeutung, insbesondere a) alle Gesetzentwürfe, b) alle Entwürfe von Verordnungen der Bundesregierung, c) sonstige Verordnungsentwürfe, wenn sie von besonderer politischer Bedeutung sind, d) die Stellungnahme des Bundesrates zu den Vorlagen der Bundesregierung, e) alle Angelegenheiten, für welche Grundgesetz oder Gesetz dieses vorschreiben, f) Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Bundesministern;
Meinungsverschiedenheiten über die Entwürfe der Finanzplanung, des Haushaltsgesetzes und des Haushaltsplans, wenn es sich um Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung für den betroffenen Bundesminister oder von erheblicher finanzieller Bedeutung handelt.
Letztlich greifen die Bedenken bezüglich eines Verstoßes gegen Art. 65 Satz 2, 3 GG wegen der Möglichkeit verfassungskonformer Auslegung nicht durch: 126 Soweit im Sinne einer Generalklausei alle Angelegenheiten von politischer Bedeutung der Regierung zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten sind, kann dem keine kompetenzbegründende Bedeutung zu Lasten namentlich der Fachminister zukommen. Die Regelung ist nur insoweit verfassungsgemäß, als ihre Geltung auf das Vorfeld der Willensbildung beschränkt wird; so gilt es als ihr Ziel, durch kollektiven Beratungszwang die Grundlagen für die politische Koordination der Kabinettsmitglieder zu schaffen. 127 Was die beispielhafte Aufzählung von Kabinettsagenden anbelangt, so ist sie bis auf § 15 lit. c GO-BReg 124 So schon die Feststellung des früheren Europastaatssekretärs im BMWi, MüllerAnnack, Auf dem Weg nach Europa: Erinnerungen und Ausblicke, 1971, S. 69 f. 125 So Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, 1972, S. 58; Böcken!örde, Die Organisations gewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 209. 126 Ohne Bedenken auch Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 15 Anm. 3; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 65 (Zweitbearb. 1984), Rdnrn. 72, 74; v. Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2. Aufl. 1966, Vorb. IY.5.a. vor Art. 62 ff. (S. 1192 f.). 127 Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 50 Rdnr. 24; Oldiges, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 65 Rdnr. 31.
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ohnehin nur deklaratorisch. Wie gezeigt, sieht die Verfassung in bestimmten Zuständigkeitsvorschriften Kollegialkompetenzen vor; dem trägt § 15 Abs. 1 lit. e GO-BReg als Auffangtatbestand Rechnung. § 15 Abs. 1 lit. a und b GO-BReg sehen die Vorlage von Entwürfen für förmliche wie materielle Gesetze vor und entsprechen damit Art. 76 Abs. 1 GG und Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG, die nach verfassungssystematischer Auslegung nach allgemeiner Ansicht die Zuständigkeit des Kabinetts erfordern. 128 Auch die unter lit. d und f genannten Kabinettsagenden folgen bereits aus der Verfassung selbst, namentlich aus Art. 65 Satz 3 GG und aus der in Art. 76 Abs. 3 Satz 2 GG verankerten 129 kollegialen Stellungnahme zu Bundesratsvorlagen. Europäische Rechtsetzungsvorhaben sind demgegenüber nicht in § 15 Abs. 1 GO-BReg aufgeführt, obwohl es sich beispielsweise bei EG-Verordnungen und Richtlinien um Recht handelt, dem Anwendungsvorrang vor den innerstaatlichen Gesetzen zukommt. Nur selten wird überhaupt zur Kenntnis genommen, daß die angesichts der vergleichbaren Interessenlage naheliegende entsprechende Anwendung von § 15 Abs. 1 lit. a und b GO-BReg nicht praktiziert wird. 130 Eine im Wege der Analogie zu schließende Regelungslücke liegt allerdings dann nicht vor, wenn die Behandlung von EG-Vorlagen möglicherweise bereits durch den Auffangtatbestand der lit. e ("für alle Angelegenheiten, für welche Grundgesetz oder Gesetz dieses vorschreiben") umfaßt ist. Ausschlaggebend ist damit die verfassungsrechtliche Vorgabe in Art. 23 Abs. 2, 3 GG. Fordert diese kollegiales Tätigwerden, dann könnte eine - deklaratorische - Ergänzung der geschäftsordnungsrechtlichen Vorschrift aus Klarstellungsgründen angebracht sein.
3. Anforderungen des Art. 23 Abs. 2, 3 GG
a) Vergleich mit anderen verfassungsrechtlichen Kabinettsagenden Über den Bereich der Streitschlichtung hinaus findet das Kollegialitätsprinzip in den Fällen Anwendung, in denen das Grundgesetz dies vorschreibt, 13l was wie ge128 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 155 ff., 175 ff.; Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 50 Rdnr. 23; v. Mangoldt/ Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 2. Auf!. 1966, Art. 65 Anm. V.3. (S. 1268); Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 65 (Stand der Bearb. Oktober 1984), Rdnr. 71; Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, Bd. 3, 3. Auf!. 1996, Art. 76 Rdnr. 10; speziell zu Regierungsrechtsverordnungen BVerfGE 11,77 (85); Epping, Die Willensbildung von KolJegialorganen, DÖV 1995,719 (720). Näher hierzu im folgenden Gliederungspunkt. 129 So Honnacker/Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 15 Anm. 4.; Herzog, in: Maunz I Dürig, GG, Art. 65 (Stand der Bearb. Oktober 1984), Rdnr. 71; Pieroth, in: Jarass I Pieroth, GG, 4. Auf!. 1997, Art. 76 Rdnr. 7. 130 Konstatierend Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234, unter Hinweis darauf, daß hierdurch eine zusätzliche Stärkung des bereits gewichtigen Ressortprinzips eintrete.
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zeigt der Auslegung bedarf. Für die Frage, ob und inwieweit Art. 23 Abs. 2, 3 GG die Regierung als Kollegium in die Ptlicht nimmt, ist eine vergleichende Betrachtung mit anderen Kabinettsagenden heranzuziehen. Der Mitwirkung an europäischer Rechtsetzung vergleichbar sein könnten die Mitwirkungsrechte an nationaler Gesetzgebung. 132 Die Annahme der Kabinettszuständigkeit zur Einbringung einer Gesetzesvorlage wird durch den historischen Vergleich mit den entsprechenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung gestützt. Nach Art. 57 WRV waren Gesetzentwürfe zur Beratung und Beschlußfassung der Reichsregierung zu unterbreiten; gemeint war damit unbestrittenermaßen eine Entscheidungsbefugnis des Kabinetts. 133 Streitig war indes, ob die in Art. 68 WRV geregelte Einbringung in den Reichstag auch durch den in der Sache zuständigen Reichsminister erfolgen durfte, wie es der ständigen Regierungspraxis entsprach. 134 Die Übertragung dieser Interpretation wirft die Frage auf, inwieweit unter dem Grundgesetz, das nicht mehr zwischen der Entscheidung über die Gesetzesvorlage einerseits und ihrer Einbringung andererseits differenziert, überhaupt noch ein Kabinettsbeschluß über die Gesetzesvorlage vorauszugehen hat. Denkbar wäre eine an den Begriff der "Einbringung" anknüpfende Zuständigkeit des Ressortministers, doch erweist die genetische Betrachtung des Art. 76 Abs. I GG ein anderes: durch den Parlamentarischen Rat wurde die Einbringungszuständigkeit der Entscheidungszuständigkeit über die Vorlage angepaßt - und nicht umgekehrt - , so daß die Zusammenfassung in einer das Kollegium berechtigenden und verpflichtenden Norm möglich wurde. 135 Das Kollegium muß also über einen Gesetzesentwurf beraten und beschließen, es ist damit verantwortlich für den Gesetzesinitiativakt, an den die Rechtswirkung der Beratungs- und Beschlussfassungsptlicht des Bundestages anknüpft. Hiermit ist es nicht unvereinbar, daß § 28 Abs. I GO-BReg i.V.m. § 46 Abs. I GGO 11 vorsieht, daß die vom Kabinett beschlossenen Vorlagen den gesetzgebenden Körperschaften durch den Bundeskanzler zugeleitet werden und dort von dem in der Sache zustän131 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 647; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 232; Mehl, Die Europa-Komrnission des Bundestages, 1987, S. 12. 132 Zur Vergleichbarkeit s.o. Kap. 2, A.II.2.b) (S. 120 ff.). I33 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 157. 134 Ohne Bedenken Walter Jellinek, Das einfache Reichsgesetz, in: Anschütz I Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts 11, 1932, § 72, S. 160 (166 f.); Hatschek., Deutsches und Preussisches Staatsrecht 11, 2. Aufl. 1930, S. 26 unter Hinweis darauf, daß in dem vorangegangenen Kabinettsbeschluß eine stillschweigende Zustimmung zur Einbringung durch den Minister zu erblicken sei. Krit. Triepel, Der Weg der Gesetzgebung nach der neuen Reichsverfassung, AöR 39 (1920), 456 (481 f.). 135 Während Art. 103 des Herrenchiemseer Entwurfs noch von der Zweiteilung ausging, fand die Verkürzung zu der heutigen Fassung erst im Redaktionsausschuß des Parlamentarischen Rates statt; zur Entstehungsgeschichte Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 158; Herrfahrdt, in: Bonner Kommentar, Art. 76 (Stand der Bearb. Juli 1969), Anm.2.
A. Regierungsinterne Willensbildung und Entscheidungsfindung
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digen Minister vertreten werden. Regelmäßig wird der Kern der kollektiv wahrzunehmenden Kabinettsfunktionen von zahlreichen organisatorisch-technischen Maßnahmen flankiert, die eher büromäßig zu erledigen sind. 136 Gegen die Übertragbarkeit dieser Annexaufgaben bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Entscheidung in der Sache auf das Kollegium zurückgeführt werden kann. Was die weitere Funktion der Regierung im Gesetzgebungsverfahren, namentlich Art. 76 Abs. 3 Satz 2 GG anbelangt,137 so komplettiert dies die zentrale Befugnis der Regierung zur Gesetzesinitiative und kann daher nur von demselben Regierungsorgan, dem Kollegium wahrgenommen werden. 138 Keineswegs unterfällt damit das gesamte Vorbereitungsstadium den Angelegenheiten des Kabinetts, dies wäre auch mit Art. 65 Satz 2 GG unvereinbar. Die Ausarbeitung innerstaatlicher Gesetzgebungsvorhaben wird weder durch Letztentscheidungen des Bundeskanzlers noch durch Gesamtentscheidungen des Kabinetts erledigt, sondern arbeitsteilig von den einzelnen Ministern. 139 Nur der letzte Akt des regierungsinternen Verfahrens obliegt dem Kollegium; faktisch handelt es sich hierbei um ein Zustimmungsrecht der Regierung. Die übrigen Zuständigkeiten der Regierung lassen sich in gleicher Weise erklären. 140 Telos des abschließenden Kabinettsbeschlusses ist zunächst die Koordinierung aller beteiligten Fachbereiche l41 und wohl auch die stärkere Legitimation, da die Entscheidung von der gesamten Regierung als politischer Leitungsebene getragen wird und damit weiter von der Ebene der Ministerialbürokratie entfernt wird. 142 Dem Kollegium fällt schließlich in der Gesetzge136 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 159 sieht die Zuleitungszuständigkeit des Bundeskanzlers als Ausprägung seiner Geschäftsleitungsbefugnis aus Art. 65 Satz 4GG. 137 Mit einer Verfassungsänderung aus dem Jahr 1994 ist die strikte Verpflichtung der Regierung abgeschafft zugunsten der heutigen Verpflichtung für den Regelfall ("soll"). Stellungnahmen des Bundesrates werden gern. § 45 Abs. 2 GGO 11 von dessen Präsidenten dem Bundeskanzler und vom Bundeskanzleramt dem federführenden Ministerium zugeleitet. Dieses erarbeitet, wenn erforderlich, gern. § 45 Abs. 3 Satz I GGO 11 eine Gegenäußerung, die gern. Satz 2 dem Bundeskanzleramt als Kabinettsvorlage zugeleitet wird. 138 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 160; Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art 65 (Stand der Bearb. Oktober 1984) Rdnr. 71. 139 MaunzlZippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Aufl. 1994, § 34 III 1 (S. 286 f.). Ressortübergreifende Vorlagen werden nach Maßgabe von § 70 GGO I, § 23 GGO 11 von dem federführenden Ressort unter Einbeziehung mitbetroffener Ressorts behandelt. Sofern ein Entwurf in diesem Stadium den Fraktionsgeschäftstellen des Bundestages oder einzelnen MdB zugänglich gemacht wird, muß gern. § 27 Abs. 3 GGO 11 ausdriicklich darauf hingewiesen werden, daß es sich um einen von der Bundesregierung (und vom federführenden Minister) noch nicht gebilligten, unverbindlichen Referentenentwurf handelt. 140 Maurer; Die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, in: Festschrift für Thieme, 1993, S. 123 (138). 141 Für die Bedeutsarnkeit der Ausgleichs- und Koordinierungsfunktion Honnackerl Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, 1969, § 15 Anm. 4; auch Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 2. Aufl. 1998, S. 180, 209, der trotz prinzipieller Ressortfreundlichkeit das Gesetzesinitiativrecht als Kabinettesagende einordnet, s. S. 138 Fußn. 40.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
bungsarbeit der parlamentarischen Demokratie die Aufgabe der Integration der Parlamentsmehrheit ZU. 143 Bereits im Vorfeld der parlamentarischen Beratungen kann die Vielzahl der im Bundestag wie in den Mehrheitsfraktionen vertretenen Interessen Gehör verschafft werden. Die kollegiale Zuständigkeit gilt auch im Bereich der materiellen Rechtsetzung, d. h. für bestimmte Rechtsverordnungen gern. Art. 80 Abs. I Satz I GG. I44 Deutlich wird die Zuständigkeit des Kollegiums aus der ausdrücklichen Gegenüberstellung von Ministern und Regierung als möglicher Verordnungsgeber. 145 Das Grundgesetz differenziert insoweit nicht zwischen förmlicher Gesetzgebung und materieller Rechtsetzung; es ist unerheblich, daß die Bundesregierung in letzterem Fall mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen dem Bürger gegenüber auftritt, während sie gern. Art. 76 Abs. 1 GG im Interorganverhältnis zwischen den Verfassungsorganen und aus eigenem organschaftlichem Recht handelt. 146 Nach verbreiteter Ansicht fallen nicht nur die auf Art. 76 Abs. 1 Satz I GG gestützten, sondern alle sog. gouvernementalen Interorganakte in die Zuständigkeit des Kollegiums, 147 namentlich "funktionsakzessorische Informationsrechte" 148 wie die Ausführung der laufenden Unterrichtung gegenüber dem Bundesrat gern. Art. 53 Satz 3 GG. Der auswärtige Bereich, in dem demgegenüber ein Auftreten der Gubernative für den Staat nach außen stattfindet, ist entsprechend Art. 65 Satz 2 GG weitgehend Ressortangelegenheit, i.d.R. die des Auswärtigen Amtes. Etwas anderes gilt im Anwendungsbereich des Art. 59 Abs. 2 GG aufgrund der Verweisung auf die Kompetenzzusammenhänge der Bundesgesetzgebung. 149 Schließlich stützt sich 142 Beinhofer, Das Kollegialiätsprinzip im Bereich der Regierung, 1981, S. 46 zur politisch-demokratischen Legitimationswirkung; Jarass, Politik und Bürokratie als Elemente der Gewaltenteilung, 1975, S. 146 zum Kabinettsprinzip als Mittel zur Erhaltung der Vielfalt im politischen Bereich. 143 Beinhofer, Das Kollegialitätsprinzip im Bereich der Regierung, 1981, S. 46. 144 Hier ist die Rechtslage anders als unter der WRV, die keine ausdrückliche allgemeine Delegationsermächtigung enthielt. Verbreitet ging die Lehre allerdings von der Zuständigkeit des Fachministers zum Verordnungserlaß im eigenen Namen aus, Poetzsch-HeJfter, Organisation und Geschäftsformen der Reichsregierung, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts 1,1930, § 44, S. 511 (515 f.); Triepel, Der Weg der Gesetzgebung nach der neuen Reichsverfassung, AöR 39 (1920), 456 (482). 145 BVerfGE 11, 77 (85); Epping, Die Willensbildung von Kollegialorganen, DÖV 1995, 719 (720). 146 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 183; Wahl, Stellvertretung im Verfassungsrecht, 1971, S. 69. 147 Bezugnehmend auf Art. 42 Abs. 1 Satz I, Art. 52 Abs. 2, Art. 53 Satz 3, Art. 53 a Abs. 2, Art. 81 Abs. 1,2, Art. 93 Abs. 1 Satz 2, Art. 115 a Abs. 1 GG Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 382 ff.; so auch Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 65 (Zweitbearb. 1984), Rdnr. 71; Stern, Staatsrecht 11,1980, § 31 IV 4 b (S. 311). 148 Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee/Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 50 Rdnr. 23. 149 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 335; i.E. auch Schröder, Aufgaben der Bundesregierung, in: Isensee/ Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 50 Rdnr. 23.
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die Annahme einer kollegialen Zuständigkeit auch auf die Regelungen über die Vertretung der Regierung in internationalen Organisationen und supranationalen Gremien. Gern. Art. 203 Abs. I EGV I50 besteht der Rat aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaates auf Ministerebene, der befugt ist, für die Regierung verbindlich zu handeln. Ein Handeln für die Regierung bezeichnet bereits seinem Wortlaut nach ein von dem Gesamtorgan abgeleitetes Recht des Ministers. Daher wird grundsätzlich nicht nur die Entscheidung über die Entsendung eines Ministers als Kabinettsagende gewertet, sondern auch eine umfassende Weisungsbefugnis des Kollegiums gegenüber dem Fachminister bejaht, der nur Vertreter seines Heimatstaates sei. 151 Hier ist allerdings zu berücksichtigen, daß die nationale Kompetenzordnung zwar durch den EU-Vertrag modifiziert wird, daß dies aber nicht weiterreicht als zwingend notwendig. 152 Wie gezeigt, bezieht sich Art. 203 Abs. I EGV I53 nur auf die Außenvertretungsbefugnis dem Grunde nach, ohne die Beachtung der mitgliedstaatlichen Kompetenzen und Beteiligungsrechte dem Umfang nach zu fordern. 154 Eine vollständige Überlagerung des Art. 65 Satz 2 GG ist daher nicht anzunehmen. Festzuhalten ist, daß die Unterrichtungs-, Anhörungs- und Berücksichtigungspflichten gern. Art. 23 Abs. 2, 3 GG der Regierung gegenüber dem Parlament obliegen. Ebenso wie andere gouvernementale Interorganakte fällt dies in den Zuständigkeitsbereich des Kabinetts. Die Bundesregierung muß vor ihrer Mitwirkung an Rechtsakten dem Parlament Gelegenheit zur Stellungnahme geben; es muß sich hierbei das gesamte Kabinett mit der förmlichen Stellungnahme befassen. Selbst wenn eine solche Stellungnahme unterbleibt, so ist prinzipiell dennoch die abschließende Willensbildung vor der Zustimmung zu einem europäischen Rechtsakt vom Kollegium zu treffen. Dies gebietet die in funktioneller Hinsicht vergleichbare Rechtslage der Mitwirkung an nationaler Gesetzgebung, zumal gerade im Bereich der Beteiligung an europäischer Rechtsetzung die Koordinations- und Legitimationsfunktion des Kabinettsbeschlusses in noch stärkerem Maße erforderlich ist. Unterstützt wird dieses Ergebnis noch durch den Umstand, daß die Ratsvertreter gern. Art. 203 Abs. I EGV I55 auf der Gemeinschaftsebene für die Regierung handeln. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, wann ein förmlicher KabinettsbeArt. 146 Abs. 1 EGVa.F. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 394. Das kollegiale Weisungsrecht sei nicht nur zwangsläufige Folge der Struktur des Ministerrats, sondern korrespondiere mit dem allgemeinen Organisationsprinzip internationaler Organisationen, s.a. Hans Peter Ipsen, Die Bundesrepublik Deutschland in den Europäischen Gemeinschaften, in: Isensee/ Kirchhof, HdbdStR VII, 1992, § 181 Rdnr. 27. 152 Zur Reichweite der Bindung der Regierung an die Verfassung bei der Entsendung und Instruktion der Minister sowie deren Bindung bei der Verhandlungsführung im Rat s.o. Kap. 2, A.II.3.c) (S. 132). 153 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 154 s.o., Kap. 2, A.II.2.a)bb) (S. 116 ff.). 155 Art. 146 Abs. 1 EGVa.F. 150 151
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
schluß erforderlich ist bzw. in welchen Fällen ein Fachminister kraft Übertragung für das Kollegium tätig werden darf. b) Intention des Art. 23 Abs. 2, 3 GG Ausschlaggebender Gesichtspunkt für die Beantwortung der Frage, wann das Handeln dem Kollegialorgan in hinreichender Weise zuzurechnen ist, muß die teleologische Bedeutung des Art. 23 Abs. 2, 3 GG sein, die in der effektiven Kompensation übertragener parlamentarischer Legislativbefugnisse und in der Einrichtung einer Beteiligung von Bundestag und Bundesregierung zur gesamten Hand besteht. Was zum einen die Informationspflicht gern. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG anbelangt, so könnte für eine Wahrnehmungszuständigkeit des Regierungskollegiums die dargelegte Intransparenz der Entscheidungsstrukturen sowohl auf der Ebene der Europäischen Union wie auch auf der regierungsinternen Ebene sprechen. Die Vielzahl der auf Regierungsebene zuständigen und in den Organen der EU handelnden Ministerien und Ministerialbeamten erschwert die wirksame parlamentarische Kontrolle. In der Praxis hat der Bundestag durchaus Schwierigkeiten, den aktuellen Beratungsstand einer Kommissionsvorlage in der Bundesregierung zu erfahren. Insbesondere soll es Befragungen von Praktikern zufolge keine Ausnahme sein, von den beteiligten Ressorts vollkommen voneinander abweichende Auskünfte zu erhalten. 156 Die auf diese Weise erschwerte Kontrollierbarkeit der Regierungstätigkeit kann u. a. zu einer stärkeren Beeinflußbarkeit durch Interessengruppen führen. 157 Andererseits ist zu beriicksichtigen, daß eine zunächst zeitaufwendig koordinierte und dadurch möglicherweise verspätete Information deutlich ineffektiver ist als direkte Informationen aus den an der Basis tätigen Ministerien, auch wenn diese widerspriichlich sein sollten. Unter dem Aspekt einer möglichst effektiven Mitwirkung des Bundestages ist Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG daher dahingehend auszulegen, daß nicht in jedem Einzelfall ein förmlicher Kabinettsbeschluß für eine hinreichende Zurechenbarkeit zum Kollegium zu fordern ist. Ausreichend ist hier die abstrakte Regelung der Verfahrens grundsätze in der interministeriellen Ressortabsprache, die durch Kabinettsbeschluß Bestandteil der GGO II geworden iSt. 158 Eine Verschleierung der Verantwortlichkeit findet nicht statt, da bisher das BMWi (seit Regierungsneubildung 1998 das BMF) für die sekretariatsmäßige Koordinierung aller europäischen Legislativvorhaben zuständig ist und da die Res156 Mehl, Die Europa-Kommission des Bundestags, 1987, S. 12; Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 240. 157 Bulmer/ Paterson, European Policy-making in the Federal Republic - internal and external limits to leadership, in: Rege1sberger / Wesseis, The Federal Republic of Germany and the European Community: The Presidency and Beyond, 1988, S. 231 (246); außerdem sei die Politik angesichts der Zersplitterung auf viele Ressorts uneinheitlich, reaktiv und integrationshemmend. 158 s.o. Kap. 2, B.III. (S. 207 ff.).
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sortabsprache in Punkt 1.3., 11.1., 2. das jeweils federführende Ressort als Verantwortlichen für die weitergehende begleitende Information einsetzt. Die Regierung hat damit in Übereinstimmung mit ihrer verfassungsrechtlichen Verpflichtung eine umfassende Unterrichtung beschlossen; weite Entscheidungsspielräume bleiben den mit der Unterrichtung betrauten Ministerien nicht. Die organisatorisch-technische Zuleitung der Informationen kann daneben unproblematisch - wie im Fall des Art. 76 Abs. 1 Satz 1 GG LY.m. § 28 Abs. 1 GO-BReg i.Y.m § 46 Abs. 1 GGO 11 - den Ressorts übertragen werden. Dabei ist die Einschaltung des Bundeskanzlers, der im Rahmen seiner Geschäftsleitungsbefugnis aus Art. 65 Satz 4 GG für das Kollegium handelt und dem solche büromäßigen Vorgänge regelmäßig zugeordnet sind,159 nicht zwingend. Der Art. 23 Abs. 2 GG zugrunde liegende Gedanke der Effektivierung der parlamentarischen Beteiligung erlaubte es der Bundesregierung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt, die zunächst auf eine reine Formalie reduzierte Zuleitung durch das BMWi über das Bundeskanzleramt an den Bundestag im Jahr 1994 abzuschaffen zugunsten einer direkten Weiterleitung. 160 Bedenken gegenüber der hinreichenden Wahrung des Kollegialprinzips könnten indes für den Bereich der Berücksichtigung der parlamentarischen Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG bestehen. Angesichts der starken "Ministerialisierung" bzw. sogar "Verbeamtung" der Sekundärrechtsetzung könnte es erforderlich sein, zumindest vor dem nationalen Mitwirkungsakt an einer Richtlinie oder Verordnung einen Kabinettsbeschluß herbeizuführen. Die abstrakten Verfahrensgrundsätze der Ressortabsprache können die kollegiale Willensbildung und Beschlußfassung im Einzelfall nicht gewährleisten, sofern eine solche verfassungsrechtlich geboten ist. Für die Annahme eines verfassungsrechtlich geforderten Kabinettsbeschlusses spricht, daß es sich anders als bei der Weiterleitung von Informationen um echte Sachentscheidungen handelt. Es wurde gezeigt, daß auch im nationalen Gesetzgebungsverfahren die eigentliche Sacharbeit zwar von den Ministerien mit ihrem Verwaltungsunterbau durchgeführt wird, daß es aber abschließend eines koordinierenden und in stärkerem Maße legitimierenden Kollegialbeschlusses bedarf. Nichts anderes kann für die dem Kollegium obliegende Willensbildung vor der Mitwirkung an europäischen Rechtsakten gelten; hier besteht das Koordinierungsbedürfnis vielmehr angesichts der intransparenten supranationalen Entscheidungsstrukturen in noch größerem Maße. 161 Die gegenwärtige weitgehende Ausschaltung des
159 Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 159 f.; Achterberg, Innere Ordnung der Bundesregierung, in: Isensee I Kirchhof, HdbdStR 11,1987, § 52 Rdnrn. 73 ff. 160 S.o. Kap. 3, A.III.3. (S. 254 ff.). 161 So kommt es durchaus vor, daß ein Kommissionsentwurf in der Arbeitsgruppe des Rates genehmigt wird, den AStV und anschließend den Rat als "A-Punkt" durchläuft, ohne daß sich je ein deutscher Politiker inhaltlich mit der Vorlage befaßt hat, hierzu Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 234; ausführ!. o. Kap. 1, A.II.3. (S. 41 ff.); B.I.2. (S. 67 f.).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Kabinetts ist damit nicht verfassungskonfonn. Grenze der prinzipiell notwendigen Kabinettsentscheidung muß dabei die Funktionsfähigkeit der Regierung bleiben. Denkbarer Zeitpunkt für eine Kabinettsentscheidung ist in Anknüpfung an den bereits herausgearbeiteten zeitlichen Rahmen für die Abgabe der parlamentarischen Stellungnahmen die Kabinettssitzung vor der Abstimmung im Rat über einen Rechtsakt bzw. über einen Gemeinsamen Standpunkt im Mitentscheidungsverfahren gern. Art. 251 Abs. 2 Satz 2 EGY. 162 Aus Gründen der Zeitersparnis und um die Vielzahl von z.T. sehr umfangreichen und mitunter höchst detaillierten Vorlagen zu bewältigen, könnte die Behandlung im sog. TOP-1-Listenverfahren I63 d. h. in der Kabinettssitzung ohne mündliche Aussprache - erfolgen. Eine ebenfalls praktikable Alternative ist das Umlaufverfahren gern. § 20 Abs. 2 Satz 1 GOBReg, das außerhalb einer gemeinschaftlichen Sitzung stattfindet. Dieses Verfahren hat sich in der Staatspraxis der Rechtsverordnungsgebung entgegen dem geschäftsordnungsrechtlichen Regel-Ausnahme-Verhältnis zum Regelverfahren entwickelt. Zu beachten ist, daß es nicht ausreicht, wenn den Bundesministern zusammen mit der Vorlage mitgeteilt wird, daß ihre Zustimmung als erteilt gilt, wenn sie nicht innerhalb einer bestimmten Frist schriftlich widersprochen haben. Dieses früher praktizierte Einwendungsausschlußverfahren ist vom Bundesverfassungsgericht als Verstoß gegen das Kabinettsprinzip und das Prinzip der repräsentativen Demokratie des Grundgesetzes gewertet worden. Demzufolge unterliegt eine materielle Zurechenbarkeit zum Kollegium gewissen Mindestanforderungen; das Schweigen auf eine Vorlage stellt insoweit keine gemeinsame Willens bildung dar, die bloße Fiktion erfüllt nicht die Essentialia einer Kollegialentscheidung, nämlich Infonnation, Quorum und Majorität. 164 Zu beachten ist damit, daß es auch bei der Beschlußfassung im Umlaufverfahren einer schriftlichen ausdrücklichen Zustimmung der anderen Ministerien bedarf, da ansonsten die Möglichkeit besteht, daß eine Entscheidung inhaltlich letztlich doch nur von dem zuständigen Fachminister getragen wird. Diesem allgemeinen Bedenken des Bundesverfassungsgerichts 165 ist in Angelegenheiten der europäischen Sekundärrechtsetzung angesichts der Dominanz der Fachminister in besonderem Maße Rechnung zu tragen. Nachdem nun die regierungsinternen Zuständigkeiten und Verfahren herausgearbeitet wurden, unter Berücksichtigung einerseits der Kooperation mit der supranationalen Ebene, andererseits in Richtung des Deutschen Bundestages, soll nun die hieran anknüpfende bzw. diese begleitende parlamentarische Beteiligung untersucht werden. Zunächst wird die Organisationsstruktur betrachtet, hieran anschlieArt. 189 b Abs. 2 Satz 2 EGVa.F. Entwürfe von nationalen Gesetzen und Rechtsverordnungen werden ebenfalls in diesem Verfahren behandelt. Sofern auch nur ein Minister Einspruch hiergegen erhebt, wird der Entwurf allerdings gesondert auf die Tagesordnung gesetzt, hierzu Busse, Bundeskanzleramt und Bundesregierung, 1994, S. 76. 164 BVerfGE 91, 148 (166) - "Umlaufverfahren"; ausführlich Epping, Die Willensbildung von Kollegialorganen, DÖV 1995,719 (722 f.). 165 BVerfGE 91, 148 (171). 162 163
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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ßend das Verfahren in der Praxis, besonders dabei die rechtlichen Probleme eines Bundestagsausschusses mit Entscheidungsbefugnissen.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung in Angelegenheiten der Europäischen Union I. Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union 1. Die Entwicklung der institutionellen Binnenstruktur - vom Integrationsältestenrat zum EG-Ausschuß -
Die zentrale Rolle bei der Ausübung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte ist nach den neuen Rechtsgrundlagen in Art. 45 GG, § 93 a EUZBBG dem Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union zugedacht. 166 Ob und wie er dieser Aufgabe gerecht wird, soll im folgenden betrachtet werden. Die organisatorisch-institutionelle Seite der Beteiligung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung läßt sich bis in die Anfangszeit der europäischen Integration zuriickverfolgen. Zunächst war die Situation des Bundestages dadurch gekennzeichnet, daß das Europäische Parlament von 1958 bis zur ersten Direktwahl im Sommer 1979 mit Delegierten der nationalen Parlamente beschickt wurde. Damit bestand gleichsam eine natürliche Verbindung zum Deutschen Bundestag, die den Informationsfluß auch ohne Einschaltung der nationalen Regierung förderte. 167 Dies ist auch der Grund, aus dem die Erforderlichkeit und praktische Relevanz des ersten für europäische Angelegenheiten zuständigen parlamentarischen Gremiums, des von 1963 bis 1967 eingerichteten Integrationsältestenrates, 168 als nicht sehr hoch eingeschätzt wurde. Unter Vorsitz des Präsidenten gehörten ihm je ein parlamentarischer Geschäftsführer der drei im Bundestag vertretenen Fraktionen an sowie 12 weitere Mitglieder, von denen die Hälfte "Doppelmandatsträger" sein sollten. 169 Zu den Aufgaben des Gremiums zählte zum einen die eher büromäßige Entgegennahme von EG-Vorlagen und -Informationen von 166 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (263). Möller/Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993,21 (31) prognostizierten, daß die "beklagenswerte Asymmetrie des fachlich zersplitterten Parlaments" durch den neuen Europaausschuß beseitigt werde, der der Bundesregierung als zentrales Organ gegenüber stehe. 167 Kritisch gegenüber der allgemein sehr optimistischen Bewertung allerdings Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZParl. 1989, 527 (530, Fußn. 8) unter Hinweis darauf, daß die Doppelmandatsträger vornehmlich durch ihre Arbeit im EP absorbiert waren. 168 Zu Einrichtung und Arbeitsweise des Gremiums Mehl, Die Europa-Komrnission des Deutschen Bundestages, 1987, S. 15, bes. Fußn. 33; Oetting, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der Europäischen Gemeinschaften, 1973, S. 55, Fußn. 20 m. w. N. 169 Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZParl. 1989,527 (530).
18 Hansmeyer
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
der Regierung und die Weiterleitung an die Fachausschüsse; zum anderen hatte es sich mit der Erörterung europäischer Grundsatzfragen zu befassen. Trotz dieses umfassenden Aufgabenbereichs trat der Integrationsältestenrat nur sehr selten zusammen und wurde nach dem Ende der 5. Wahlperiode 1969 nicht erneut berufen. 170 Als sich die Rahmenbedingungen durch die Einführung der Direktwahl zum Europäischen Parlament grundlegend dahingehend änderten, daß das Doppelmandat nur noch fakultativ!7! bestand, übernahm im Jahr 1979 die Europa-Kommission des Ältestenrates die Aufgabe, Regelungen zur Rechtstellung der deutschen Europaabgeordneten vorzubereiten und Möglichkeiten zur Institutionalisierung der Zusammenarbeit der Parlamente vorzuschlagen. Ihre Arbeit führte zu dem Vorschlag einer Europa-Kommission nach dem Modell einer Enquete-Kommission gern. § 56 GO-BT. Diese wurde 1983 zu Beginn der 10. Wahlperiode eingesetzt, in der 11. aber nicht wieder eingerichtet. !72 Der sachliche Aufgabenbereich der Kommission war wesentlich an Grundfragen der europäischen Integration ausgerichtet, so beschäftigte sie sich nicht mit der Behandlung technischer EG-Vorlagen, sondern etwa mit dem Weißbuch der Kommission zur Vollendung des Binnenmarktes und mit der Refonn der EG durch die Einheitliche Europäische Akte. 173 Zwar war im Einsetzungsbeschluß mit Blick auf die Behandlung von EG-Vorlagen empfohlen worden, daß die Fachausschüsse regelmäßig MdEP als Sachverständige einladen sollten, !74 hiervon wurde allerdings bestenfalls sporadisch Gebrauch gemacht. 175 Positiv wurde gewertet, daß in dieses Gremium - anders als herkömmlicherweise in Ausschüsse - auch Nichtmitglieder berufen werden konnten, nämlich neben 11 MdB auch 11 deutsche MdEP, die gleichberechtigt zusammenarbeiteten. Letztere hatten also auch ein Stimmrecht. Ein Nachteil war die lediglich gutachterliche Tatigkeit, die Kommission konnte nicht wie ein Ausschuß Beschlußempfehlungen im Plenum vorlegen und zur Abstimmung bringen. Sie war damit immer davon abhängig, daß ein Fachausschuß ihre Anregungen aufgriff. So scheiterte auch die 170 Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZPar!. 1989, 527 (530) unter Hinweis auf sechs Sitzungen im Zeitraum von Januar 1965 bis Februar 1967. 171 Der Direktwahlakt von 1976, BGB!. 1977 11, S. 735, ließ die Koppelung beider Mandate in Art. 5 zwar zu; bereits bei der ersten Direktwahl waren aber nur noch 26 der 81 deutschen MdEP gleichzeitig MdB, schon nach der nächsten Bundestagswahl 1980 kehrten von den 26 nur 2 in den Bundestag zurück, bei der übernächsten Bundestagswahl 1983 gab es keinen Doppelmandatsträger mehr; Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (248); Schoof, EG-Ausschuß, 1993, S. 4. Heute ist kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages gleichzeitig Mitglied des Europäischen Parlaments. 172 BT-Drs. 101161; BT-PlPr. 10. WPI14. Sitzung vom 16. Juni 1983, S. 850 (A); s.a. Pöhle, Die Europakomrnission des Deutschen Bundestages, ZPar!. 1984,352 ff. 173 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (249). 174 BT-Drs. 10/161. 175 Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZPar!. 1989,527 (531).
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letzte Initiative der Europa-Kommission zum Ende der 10. Wahlperiode, die darauf zielte, das eigene Gremium zu institutionalisieren und mit einer stärkeren Rechtsstellung auszustatten. 176 Stattdessen stand in der 11. Wahlperiode als nächster Entwicklungsschritt die Einrichtung eines Unterausschusses gern. § 55 GO-BT an. Im Mai 1987 setzte der Auswärtige Ausschuß einen Unterausschuß für Fragen der Europäischen Gemeinschaft ein. Auch andere Fachausschüsse hatten Unterausschüsse eingerichtet, die sich schwerpunktmäßig mit EG-Vorlagen befaßten, so - ebenfalls in der 11. Wahlperiode - der Rechtsausschuß und bereits seit der 6. Wahlperiode der Haushaltsausschuß. 177 Diese Unterausschüsse hatten allerdings keine zentrale, fachübergreifende Funktion und sind insoweit nicht als Vorgängergremien des Europaausschusses anzusehen, 178 zumal der Haushaltsausschuß den Unterausschuß regelmäßig bis heute parallel zu den reinen Europagremien einsetzt. Durch die Konzipierung als Unterausschuß bestand nicht mehr die Möglichkeit, MdEP mit Stimmrecht auszustatten. Dennoch wurden zu den 13 ordentlichen Mitgliedern des Europa-Unterausschusses, die sich zum Großteil aus den Mitgliedern des Auswärtigen Ausschusses rekrutierten, 13 MdEP als Mitwirkungberechtigte zugelassen. 179 Das Mitwirkungsrecht umfaßte dabei die Befugnis, die Beratung von Verhandlungsgegenständen anzuregen sowie während der Beratungen Auskünfte zu erteilen und Stellung zu nehmen. Da ein solches Mitberatungsrecht geschäftsordnungsrechtlich nicht vorgesehen war, wurde ein Einzelfallbeschluß gern. § 126 GO-BT gefaßt, der ein Abweichen von den Regelungen der GO-BT erlaubte. 180 Der Vorteil der Unterausschußkonstruktion war, daß das Gremium nicht mehr vollständig von den Fachausschüssen abhängig war. Allerdings konnte er nicht selbständig dem Plenum Beschlußempfehlungen unterbreiten, sondern besaß gegenüber dem Hauptausschuß BT-Drs. 10/6464. Zu Stellung, Aufgaben und Arbeitsweise Eylmann, Die Umsetzung von EG-Recht in nationales Recht und die Mitwirkung des Rechtsausschusses, in: Hellwig (Hrsg.), Der Deutsche Bundestag und Europa, 1993, S. 114 (115 f.); Walter, Haushaltsfragen, ebd., S. 102 (109 f.). 178 Auch die fachübergreifende Zuständigkeit des Unterausschusses des Auswärtigen Ausschusses war natürlich nicht unbegrenzt, wie der damalige Vorsitzende des Unterausschusses, Brück (Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl. 1988, 220 [223]) kritisierte. Der Unterausschuß war nicht befugt, sich mit Fragen zu befassen, die jenseits der Zuständigkeit seines Hauptausschusses lagen; er war auf die Behandlung derjenigen Vorlagen beschränkt, die der Auswärtige Ausschuß ihm überwies. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die Zuständigkeit des Auswärtigen Ausschusses im Vergleich zu anderen Fachausschüssen eine sehr umfassende war. 179 Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl. 1988, 220 (223); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (250); Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZParl. 1989,527 (532). 180 Beschlußempfehlung und Bericht des Geschäftsordnungsausschusses, BT-Drs. 11/ 927; BT-PIPr.l1. WP/36. Sitzung vom 5. November 1987, S. 2471. 176 177
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
nur einen unselbständigen Status. Dies wurde als starke Einschränkung gegenüber der Bundesregierung angesehen und ließ den Unterausschuß auch nicht als vollwertigen Partner der Europa-Ausschüsse anderer Parlamente erscheinen. 181 Ebensowenig konnte der Unterausschuß seiner im Einsetzungsbeschluß festgelegten Aufgabe, zwischen den Fachausschüssen zu vermitteln und zu koordinieren, gerecht werden. 182 Mit dem EG-Ausschuß des 12. Deutschen Bundestages wurde im Jahr 1991 erstmals ein ständiger Ausschuß i.S.v. § 54 Abs. 1 Satz 1 GO-BT institutionalisiert. Hiermit wurde ein Schritt vollzogen, der seitens der Opposition bereits zu Beginn der 11. Wahlperiode und damit noch vor der Einsetzung des Unterausschusses durch den Auswärtigen Ausschuß gefordert worden war. 183 Als Ursache für das Scheitern dieser Initative wurden Widerstände der ED.P.-Fraktion angenommen, die ihren Ursprung im Auswärtigen Amt haben sollten. 184 Angesichts der aufgezeigten schwerfälligen Entwicklung im allgemeinen und der Durchsetzung gegenüber dem Auswärtigen Ausschuß im besonderen kann der Aufstieg in der Binnenstruktur des Parlaments zu Beginn der 12. Wahlperiode bereits für sich betrachtet als wichtige Errungenschaft auf dem Weg zu stärkerer parlamentarischer Beteiligung und Regierungskontrolle gewertet werden. Die Besetzung erfolgte mit 33 ordentlichen Mitgliedern und Stellvertretern, sowie 11 deutschen MdEP (bzw. Beobachtern beim EP)185 mit Mitwirkungsberechtigung, aber ohne Stimmrecht. Geschwächt wurde die Stellung des Ausschusses besonders durch Kompetenzkonflikte mit den anderen Bundestagsausschüssen: Bei der Behandlung von EGVorlagen wurde zumeist ein Fachausschuß als federführend vorgezogen. Insbesondere gegen den traditionell "mächtigen" Auswärtigen Ausschuß und den Ausschuß für Wirtschaft konnte sich der EG-Ausschuß nicht durchsetzen. 186 Selbst die Rati181 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (250); Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl 1988,220 (223), unter Hinweis darauf, daß die Konstruktion eines "Unter"ausschusses von den Parlamenten der anderen Mitgliedstaaten als resignierender Rückschritt gewürdigt worden sei; zum anderen habe die Bundesregierung ihre Zurückhaltung zum Ausdruck gebracht, indem sie zunächst die Berichterstattung im Unterausschuß nicht politischen Vertretern der Ressorts übertrug. 182 Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZParl. 1989,527 (531). 183 Antrag der SPD-Fraktion vom 17. März 1987, BT-Drs. 11 /56. 184 Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZParl. 1989, 527 (533) unter Auswertung der überregionalen Tagespresse und Presse mitteilungen. 185 Hierbei handelte es sich um die Vertreter aus den neuen Bundesländern, die 1990 von der ehemaligen Volkskammer der DDR in das EP für die Dauer seiner Wahlperiode entsandt worden waren. Insgesamt waren es 18 ostdeutsche Parlamentarier. Die beiden Gruppen im Bundestag konnten jeweils einen dieser Beobachter samt Stellvertreter als Mitwirkungsberechtigte für den EG-Ausschuß vorschlagen, hierzu Schoof, EG-Ausschuß, 1993, S. 9. 186 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 6.
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fizierung des Maastricht-Vertrages wurde, obwohl es sich um eine Grundfrage der Integration par excellence handelte, die unmittelbar in die Zuständigkeit des EGAusschusses gefallen wäre, diesem nicht übertragen, da ebenfalls der Auswärtige Ausschuß, der Wirtschaftsausschuß und auch der Finanzausschuß die Federführung beantragt hatten. Da der Bundestag, respektive der vorschlagsberechtigte Ältestenrat keine Entscheidung zu treffen vermochte, wurden die Beratungen dem eigens für zwei Monate eingesetzten Sonderausschuß "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)" übertragen. 187 Obwohl von den 39 Mitgliedern des Sonderausschusses 24 Mitglieder des EG-Ausschusses waren, kamen die übrigen Mitglieder im wesentlichen aus dem Auswärtigen Ausschuß und aus dem Finanzausschuß, auch der Vorsitzende Verheugen war Mitglied des Auswärtigen Ausschusses. Der Sonderausschuß bewältigte sein großes Arbeitspensum - neben dem eigentlichen Ratifizierungsgesetz standen auch die notwendigen Grundgesetzänderungen und die Ausführungsgesetze zu Art. 23 GG zur Behandlung an - innerhalb von 11 Sitzungen, trat teilweise dreimal pro Woche zusammen und verabschiedete sein "Maastricht-Paket" noch vor dem Europäischen Rat in Edinburgh im Dezember 1992. 188 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß den für europäische Angelegenheiten zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages zwei Funktionen zukamen, die je nach Ausgestaltung der Gremien in unterschiedlicher Weise verwirklicht werden konnten. Zum einen handelt es sich um die Funktion als Verbindungsorgan zwischen europäischer und nationaler Seite, namentlich um die Kommunikation zwischen EP und Bundestag. Auf der anderen Seite stand die möglichst effektive Selbstorganisation des Parlaments im nationalen Bereich zur Wahrnehmung der innerstaatlichen Kompetenzen zur Mitwirkung an europäischer Rechtsetzung. 189 Inhaltlich galt es im wesentlichen zwei sachliche Aufgabenbereiche zu bearbeiten, zunächst die Grundfragen der Integration und institutionelle Veränderungen, zum anderen EG-Vorlagen und damit die Beteiligung an der Sekundärrechtsetzung der Gemeinschaft. Was die Brückenfunktion zum EP anbelangt, so wurde diese wohl am effektivsten durch die Europa-Kommission wahrgenommen, deren Mitglieder zugleich MdEP sein konnten. Das Bedürfnis nach einer solchen Kooperation, das vor dem Hintergrund des gerade abgeschafften obligatorischen Doppe1mandats noch besonders stark empfunden wurde, darf aber in der heutigen Situation nicht als allein ausschlaggebend bewertet werden. Zwar ist es nach wie vor für eine wirksame 187 Hellwig, Die Europa-Institutionen des Deutschen Bundestages und seine großen Europa-Initiativen, in: dies., Der Deutsche Bundestag und Europa, 1993, S. 21 (26); Töller, Europapolitik im Bundestag, 1995, bes. S. 137 ff. 188 Ausführlich Verheugen, Die Arbeit des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)" des Deutschen Bundestages, ZG 1993, S. 162 (163 f.); s.a.o. Kap. 2, B.I.1. (S. 183 ff.). 189 Zu diesen zwei Ebenen Leonardy, Bundestag und Europäische Gemeinschaft, ZParl. 1989,527 (534 f.).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Kontrolle notwendig, auch Infonnationsquellen außerhalb der eigenen Regierung zu haben. Das Streben hiernach darf sich aber nicht kontraproduktiv auf die Regierungskontrolle und die Wahrnehmung der Beteiligung zur gesamten Hand auswirken. Dies ist indes der Fall, wenn zwar innerhalb des Gremiums der Mitgliederstamm größer und mit mehr Rechten ausgestattet werden kann - wie MdEP in einer Enquete-Kommission -, wenn aber eben hierdurch das Gremium als solches an Rechten gegenüber dem Plenum und dessen anderen Organteilen einbüßt. Vor diesem Hintergrund ist die seit 1987 bestehende Übung, einer bestimmten Anzahl von Mitgliedern des EP ein Mitwirkungsrecht ohne Stimmrecht im Gremium einzuräumen, ausreichend, um dem interparlamentarischen Infonnations- und Abstimmungsbedürfnis Rechnung zu tragen. Bedeutsamer für die Ausgestaltung des künftigen Europaausschusses mußte damit die Selbstorganisation des Bundestages zur Wahrung seiner nationalen Kompetenzen sein.
2. Institutionalisierung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union a) Erstmalige Einsetzung des Ausschusses in der 13. Wahlperiode Am Ende der Entwicklungskette stand die - auf Vorschläge der Gemeinsamen Verfassungskommission und des Sonderausschusses "Europäische Union" zuriickgehende l90 - verfassungsrechtliche Verankerung eines Ausschusses für Angelegenheiten der Europäischen Union in Art. 45 GG. In Art. 45 Satz 1 GG und dem identisch fonnulierten § 2 Satz 1 EUZBBG heißt es: "Der Bundestag bestellt einen Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union." Art. 45 Satz 2 GG normiert, daß der Bundestag den Ausschuß ennächtigen kann, die Rechte des Bundestages gern. Art. 23 gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. 191 Der Vorschlag der Gemeinsamen Verfassungskommission, einen "Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union" im Grundgesetz festzuschreiben, hatte im Sonderausschuß Anlaß zu Zweifeln gegeben, ob der Europaausschuß direkt von dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages abhängig sein sollte, da die Europäische Union durch diesen Vertrag erst zu griinden war. Es wurde dann klargestellt, daß der Ausschuß sich zwar auf das Bestehen der Union stütze, es aber nicht ausschlaggebend sei, ob diese durch den Maastrichter Vertrag oder ein anderes Vertragswerk begriindet werde. l92 Mit dem Inkrafttreten des Maastrichter Vertrages am 1. November 1993 waren daher alle Voraussetzungen gegeben, den Europaausschuß unverzüglich einzurichten, dennoch verging bis zur Konstituierung 190 BT-Drs. 12/6000, S. 24; BT-Drs. 12/3896, S. 21; Sannwald, Die Beratungen zur Reform des Parlamentsrechts in der Gemeinsamen Verfassungskommission, ZParl 1994, 15 (19 f.). 191 Zur abweichenden Formulierung in § 2 Satz 2 EUZBBG s.U. Kap. 3, B.I1I.1. (S. 305). 192 BT-Drs. 12/3896, S. 21.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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im Dezember 1994 noch ein ganzes Jahr. Eine maßgebliche Ursache hierfür lag darin, daß die Einrichtung des Europaausschusses in der laufenden 12. Wahlperiode einer Umwandlung des EG-Ausschusses in den Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union gleichgekommen wäre. Die hiermit verbundene personelle Kontinuität hinsichtlich Ausschußvorsitz und Mitgliedern war aufgrund des "erhöhten Ranges" des neuen Europaausschusses politisch nicht gewollt. 193 Dementsprechend erfolgte auch die Neuregelung der GO-BT erfolgte erst zu Beginn der 13. Wahlperiode. 194 b) Verfassungsrechtliche Verankerung und Selbstorganisationsrecht des Bundestages
aa) Strikte Vorgabe hinsichtlich des "ob" der Einrichtung Art. 45 Satz 1 GG begriindet eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Bundestages, einen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union einzurichten. Die Rechtsfolge, daß der Europaausschuß als ständige Einrichtung von Verfassungsrang eine erhöhte Bestandskraft hat und der Disposition des Bundestages entzogen ist, ist abstrakt-generell, d. h. sie gilt mit Wirkung sowohl gegenüber dem Bundestag als auch gegenüber anderen Verfassungsorganen. 195 Es handelt sich mithin um eine verfassungsrechtliche Vorgabe für das parlamentarische Selbstorganisationsrecht. 196 Die Errichtung eines Pflichtausschusses stellt eine typische Angelegenheit der Geschäftsordnung dar. Auch bei Annahme eines engen Verständnisses des parlamentarischen Selbstorganisationsrechts 197 unterfieie dies dem Anwendungsbereich des Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG, der nunmehr durch die Spezialregelung des Art. 45 Satz 1 GG eingeschränkt wird. Während ein "normaler" ständiger Ausschuß - dies ist eine Wirkung der Diskontinuität - mit dem Ende einer Wahlperiode, also gern. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 GG im Zeitpunkt des Zusammentritts des neuen Bundestages, zu bestehen aufhört,198 gibt die Institutionalisierung durch die Verfassung dem 193 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 7 f. 194 s.o. Kap. 2, B.I1.2. (S. 189 f.). 195 Allg. Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 145. 1% Zum Selbstorganisationsrecht s.o., Kap. 2, A.III.2. (S. 139 f.). 197 Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 10 Rdnm. 4, 20; gegen eine weitergehende Organisationsgewalt BVerfGE 44, 308 (314); Stern, Staatsrecht II, 1980, § 26 III 6 b (S. 83). 198 Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 40 Rdnr. 29. Die GO-BT muß von jedem Bundestag erneut beschlossen werden; die Gegenansicht erachtet dies angesichts der Staatspraxis als leere Fiktion, zum Meinungsstand Kühnreich, Das Se1bstorganisationsrecht des Deutschen Bundestages unter besonderer Berücksichtigung des Hauptstadtbeschlusses, 1997, S. 69 f.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Europaausschuß eine Bestandsgarantie dahingehend, daß seine Einrichtung und Beendigung der parlamentarischen Disposition entzogen sind. 199 Neben der Verpflichtung des Bundestages, einen Europaausschuß einzusetzen, wird auch die Berechtigung zu einem solchen Schritt klargestellt. An einer solchen Berechtigung könnte unter dem Aspekt der sog. Ressortparallelität der Fachausschüsse gezweifelt werden. Herkömmlicherweise ist das parlamentarische Ausschußwesen spiegelbildlich zur Regierungsorganisation eingerichtet. Gestützt auf diesen Umstand wurde in der Vergangenheit der Forderung nach der Einsetzung eines Europaausschusses sowohl aus dem Bundestag selbst wie auch in der Literatur häufig das Fehlen eines Europa-Ministeriums entgegengehalten. 2oo Nunmehr ist es verfassungsrechtlich abgesichert, daß der Bundestag zur Einsetzung eines Europaausschusses berechtigt und verpflichtet ist. Dies ist allerdings im Hinblick auf die Berechtigung nur deklaratorisch, denn auch vor der Normierung in Art. 45 Satz 1 GG bestand angesichts der Unabhängigkeit des Bundestages von der Organisationsgewalt der Bundesregierung allenfalls ein politisches, keineswegs aber ein rechtliches Hindernis für die Ausschußeinrichtung. Das Parlament hat die Freiheit, selbständige Organisationsformen zu schaffen und mit Rechten und Pflichten auszustatten, ohne daß sie einem exekutivischen Vorbild entsprechen müssen. 201 In der Praxis der Bundestages wurde das Argument fehlender bzw. notwendiger Ressortparallelität dementsprechend auch je nach politischer Opportunität beriicksichtigt oder auch nicht: So wurde anläßlich der Olympischen Spiele in München 1972 ein Sportausschuß eingesetzt, ohne daß ein Sportministerium existiert hätte,202 während in der 11. Wahlperiode das Fehlen eines entsprechenden Bundesressorts zur Ablehnung eines Frauenausschusses herangezogen wurde. 203 Im Einsetzungsbeschluß für den EG-Ausschuß ging der Bundestag dann davon aus, daß das korrespondierende Ministerium das Auswärtige Amt sei,204 während dem Europaaus199 In der Parlamentspraxis wird diese Besonderheit nicht berücksichtigt, wie das Verfahren zur Einsetzung des Europaausschusses zeigt: Ohne Hinweis auf die fehlende Dispositionsbefugnis wurde der interfraktionelle Antrag zur Einsetzung von Ausschüssen in der 13. Wahlperiode gegen die Stimme der PDS angenommen, BT-Drs. 13/35; BT-PIPr. 13. WP/6. Sitzung vom 24. November 1994, S. 157. Damit hat die PDS gegen einen grundgesetzlich vorgeschriebenen Ausschuß gestimmt. 200 Mehl, Die Europa-Kommission des Bundestages, 1987, S. 40, 93; Seider, Die Zusammenarbeit von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes und des Deutschen Bundestages und ihr Beitrag zum Abbau des parlamentarischen Defizits in der Europäischen Gemeinschaft, 1990, S. 325. Zu den Bedenken - und i.E. für deren rechtliche Unbeachtlichkeit - auch Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl 1988, 220 (222); Rojahn, in: v. Münch 1Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 45 Rdnr. 5. 201 Kretschmer, Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Bereich, ZParl. 1986,334 (344 f.). 202 Brück, Europäische Integration und Entmachtung des Deutschen Bundestages: Ein Unterausschuß ist nicht genug, ZParl. 1988, 220 (222). 203 BT-PIPr., 11. WPI7. Sitzung vom 1. April 1987, S. 302 f. 204 BT-Drs. 121739; BT-PIPr. 12. WP/31. Sitzung vom 13. Juni 1991, S. 2441.
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schuß des 13. Deutschen Bundestages das AA wie auch das BMWi als ständig korrespondierende Ministerien zugeordnet wurden. 205 bb) Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Modalitäten
Die parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie wird nach alledem, d. h. sowohl was die Berechtigung als auch die Verpflichtung anbelangt, hauptsächlich im Hinblick auf das "Ob" der Bestellung des Ausschusses berührt. Von rechtlichem Interesse ist daneben angesichts des als problematisch erkannten - und einem Koordinations- bzw. Querschnittsausschuß206 immanenten - konfliktträchtigen Verhältnisses zu den Fachausschüssen,207 ob Art. 45 Satz 1 GG auch Direktiven für die nähere Ausgestaltung des Ausschusses und seines Verfahrens zu entnehmen sind. Die Verankerung im Grundgesetz bedeutet nach ihrem Wortsinn nicht, daß dem Europaausschuß apriori besondere Aufgaben und Befugnisse zukommen sollen. 208 Teilweise wird mit Blick auf verfassungsunmittelbare Ausschüsse eher vage formuliert, daß ihre Aufgaben denen der nicht verfassungsrechtlich normierten Ausschüsse nahekommen. 209 Deutlicher ist die Formulierung, daß sie die gleiche RechtsteIlung haben 210 und daß die Rechtsgrundlage für das Verhältnis zu anderen Ausschüssen unbeachtlich ist,211 solange nicht besondere Aufgaben und Befugnisse - wie vorliegend die Möglichkeit zu plenarersetzenden Stellungnahmen in Art. 45 Satz 2 GG - ausdrücklich festgeschrieben sind. Ebenso wenig, wie eine Prärogative des Europaausschusses gegenüber den Fachausschüssen anzunehmen ist, ist aber auch eine völlige Ausschaltung des Europaausschusses aus der parlamentarischen Willensbildung an der europäischen Rechtsetzung mit Art. 45 Satz 1 GG zu vereinbaren. Sinn und Zweck der Institutio205 Wieczorek, Mitwirkung des Deutschen Bundestages in der Europäischen Union, in: Waigel, Unsere Zukunft heißt Europa, 1996, S. 315 (331). 206 Zur Tenninologie vgl. Rojahn, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, 3. Aufl. 1995, Art. 45 Rdnr. 4; Möller / Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl 1993, 21 (31): "Clearing-Stelle"; Sannwald, Die Beratungen zur Reform des Parlamentsrechts in der Gemeinsamen Verfassungskommission, ZPar11994, 15 (21). 207 Seider; Die Zusammenarbeit von deutschen Mitgliedern des Europäischen Parlamentes und des Deutschen Bundestages und ihr Beitrag zum Abbau des parlamentarischen Defizits in der Europäischen Gemeinschaft, 1990, S. 325 f.; Hölscheidt/Schotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994, 230 (233). 208 I.d.S. allerdings Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 45 Rdnr. 7, der aus Art. 45 GG die Notwendigkeit ableitet, daß der Europaausschuß die Primärverantwortung für die parlamentarische Beteiligung innehaben müsse. 209 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, Rdnr. 581, unter Bezugnahme auch auf den Europaausschuß. 210 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 45 Rdnr. 1. 211 Zeh, Das Ausschußsystem im Bundestag, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 39 Rdnr. 17.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
nalisierung in der Verfassung, wie er sich aus der Entstehungsgeschichte und dem Sach- und Regelungszusammenhang mit den Rechten des Bundestages aus Art. 23 GG ergibt, ist es, die Informations- und Mitwirkungsrechte institutionell abzusichern und zu effektivieren. 212 Denkbar, aber nicht rechtlich geboten, ist etwa die Konzeption des Ausschusses als eine Art allzuständiger Fachausschuß. Ein positiver Aspekt wäre in diesem Fall die konzentrierte Behandlung aller europäischen Vorhaben; innerhalb wie außerhalb des Bundestages bestünde kein Zweifel über den richtigen Ansprechpartner. Gegen die Allzuständigkeit spräche allerdings die Tatsache, daß von den europäischen Angelegenheiten alle Politikbereiche betroffen sind. Abgesehen von dem für einen einzigen Ausschuß viel zu großen Pensum würde ohne zwingende Notwendigkeit auf den Sachverstand der Fachausschüsse verzichtet. Auf der anderen Seite ist es nicht ausreichend, den Europaausschuß nur vor einer Auflösung oder einer institutionellen Vereinigung mit anderen Fachausschüssen zu schützen. Soll die Bestellung des Europaausschusses nicht zu einer leeren Formalie werden, dann muß Art. 45 Satz I GG auch eine inhaltliche Komponente dahingehend zukommen, daß dem Ausschuß Zuständigkeiten zugebilligt werden müssen und daß diese nicht völlig ausgehöhlt werden dürfen. Dies ist auch für die anderen verfassungsunmittelbaren Ausschüsse weitgehend anerkannt. 213 Trotz dieser Absicherung ist es allerdings durchaus zu beobachten, daß die Geschäftsbereiche einiger einfacher Fachausschüsse durch die in jedem Fall erforderliche geschäftsordnungsrechtliche Konkretisierung besser gesichert sind, als es die Verfassungsunmittelbarkeit als solche bewirken kann. 214 Festzuhalten ist, daß durch Art. 23 Abs. 2, 3, Art. 45 GG nicht nur der Regierung Pflichten auferlegt wurden, sondern auch dem Bundestag selbst. Neben der grundsätzlichen Verpflichtung zur inhaltlichen Beteiligung an der nationalen Vorbereitung von europäischen Rechtsetzungsakten 215 wird dem Bundestag auch in organisationsrechtlicher Hinsicht eine verfassungsrechtliche Ziel vorgabe gemacht. Wie gezeigt, kann die Rechtsfigur der funktionsgerechten Organstruktur keine Kompetenzen begründen; das Parlament hat allerdings hier umgekehrt die Pflicht, seine Organstruktur so funktionsgerecht wie möglich auszugestalten. Im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts hat es dabei einen weitreichenden Gestaltungsspielraum, wie es seine verfassungsrechtlich verankerten Kompetenzen durch bestmögliche Ausgestaltung seiner Binnenstruktur, gerade des Europaausschusses, institutionell absichern und realisieren will. Da sich in der schwerflilligen Entwicklung der Bin212 BT-Drs. 12/3896, S. 21; BT-Drs. 12/6000, S. 24; Scho/z, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 (Stand der Bearb. Okt. 1996), Rdnr. 1. 213 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, 4. Aufl. 1997, Art. 45 a Rdnr. 1; Dürig/Hans Hugo Klein, in: Maunz 1Dürig, GG, Art. 45 a (Stand der Bearb. Nov. 1997), Rdnr. 4; Berg, in: Bonner Kommentar, Art. 45 a (Stand der Bearb. April 1986), Rdnr. 117. 214 Berg, in: Bonner Kommentar, Art. 45 a (Stand der Bearb. April 1986), Rdnr. 119 unter Hinweis auf die Befugnisse des Haushaltsausschusses. 215 BVerfGE 89,155 (212); Pechstein 1 Cirkel, EuGH-Zuständigkeit für deutsches Verfassungsrecht?, DÖV 1997,365 (367); Streinz, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 23 Rdnr. 99.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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nenstruktur gezeigt hat, daß namentlich Kompetenzkonflikte mit den Fachausschüssen die parlamentarischen Vorgängergremien des Europaausschusses in ihrer Handlungsflihigkeit behinderten und damit auch die optimale Nutzung der Ressourcen des Bundestages verhinderten, ist die Etablierung von Konfliktlösungsmechanismen und Kooperationsregeln ein rechtliches Gebot. So stützt Art. 45 Satz I GG beispielsweise eine Auslegung des § 93 a Abs. 7 GO-BT dahingehend, daß der Europaausschuß durch seine Verfahrens grundsätze Regelungen mit Wirkung für die Fachausschüsse treffen kann. 216 In diesem Zusammenhang gilt es zu berücksichtigen, daß es nicht nur ein rechtliches Gebot des kooperationsfreundlichen Verhaltens zwischen Verfassungsorganen gibt, das sich aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue herleitet. Es besteht ein entsprechendes Gebot für den Intraorganbereich, d. h. die einzelnen Organteile sind einander zur Kooperation verpflichtet. 217 Die Ausschußkooperation trägt dem rechtlichen Bedürfnis nach innerparlamentarischer Abstimmung Rechnung, das aus dem Prinzip der Einheit des Verfassungsorgans Bundestag fließt und in der Gleichheit der frei gewählten Parlamentarier gründet. 218 Im Außenverhältnis zur Bundesregierung gewährt Art. 45 Satz I GG dem Europaausschuß keine weitergehenden Rechte als diejenigen, die dem Bundestag ohnehin zustehen. Wenn in der Verfassungsunmittelbarkeit eines Ausschusses eine Verstärkung der parlamentarischen Kontrolle gesehen wird sowie eine Kompensation für zunehmende Regierungsbefugnisse,219 dann trifft dies zwar zu, aber nur im Rahmen der dem Gesamtorgan nach dem Grundgesetz zustehenden Rechte. 22o Die Intensivierung der Kontrolle erfolgt nicht durch eine Kompetenzerweiterung oder ein "Mehr" an Befugnissen, sondern liegt in der Effektivierung der Mitwirkungsrechte, in der Beschleunigung des Verfahrens und in der Konzentration der Vorlas.o. Kap. 2, B.II.4.b) (S. 201 f.). Offenlassend, ob es sich im Intraorganbereich nicht um ein bloß politisches Gebot handeltAchterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 487; eher für ein rechtliches Gebot Schulze-Fielitz, Parlamentsrecht, Gewohnheitsrecht, Observanz, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 11 Rdnr. 54. 218 Kretschmer; Verfahrensweisen und Strukturprobleme der Gesetzesberatung im Bundestag, in: Schreckenberger/König/Zeh, Gesetzgebungslehre, 1986, S. 167 (172). Auch im herkömmlichen Verfahren besteht ein Bedarf an Kooperationsregeln, denn entgegen dem in § 80 Abs. 1 Satz 1,2. HS GO-BT bezeichneten Regel-Ausnahme-Verhältnis, wonach ein Entwurf "nur in besonderen Fällen gleichzeitig mehreren Ausschüssen überwiesen werden kann", sind Mehrfachüberweisungen gängige Praxis. Vor diesem Hintergrund gelten die Koordinationsregeln für die Ausschußzusammenarbeit teilweise als unterentwickelt, s. Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 40 Rdnr. 80. 219 So mit Blick auf den Verteidigungsausschuß BVerfGE 90, 286 (384 f.); Magiera, in: Sachs, GG, 2. Auf!. 1999, Art. 45 a, Rdnr. 5; Busch, Der Wehrbeauftragte des Bundestages, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 51 Rdnr. 9 insbesondere auch zum Kompensationsgedanken. 220 Hans Joachim Berg, Der Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages, 1982, S.106. 216 217
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
genbehandlung, die durch den Ausschuß erfolgen kann. 221 Dagegen kann Art. 45 GG nicht dahingehend ausgelegt werden, daß er eine - über den konkret durch Art. 23 Abs. 3 GG gewährleisteten Umfang hinausgehende - strikte Verbindlichkeit der parlamentarischen Stellungnahmen statuiert. 222 Soweit der Bundestag dem Europaausschuß Kompetenzen zubilligt, hat die Bundesregierung diese zu akzeptieren und die parlamentsrechtliche Organisationsentscheidung zu respektieren. Damit wäre es beispielsweise ausgeschlossen, daß die Bundesregierung wie im Fall des Unterausschusses des Auswärtigen Ausschusses davon absieht, die Berichterstattung durch politische Vertreter der Ressorts vorzunehmen.
3. Aufgaben des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union nach der Geschäftsordnung und in der Praxis Nachdem festgestellt werden konnte, daß Art. 45 Satz 1 GG den Bestand des Europaausschusses gewährleistet sowie einen notwendigen Kernbestand an Zuständigkeiten, bestimmen sich die konkreten Aufgaben des Europaausschusses nach der einfachgesetzlichen, geschäftsordnungsmäßigen und praktischen Ausgestaltung. Das EUZBBG enthält keine Konkretisierung des Aufgabenbereichs des Europaausschusses, vielmehr werden nähere Regelungen auf der Ebene der Geschäftsordnung getroffen. Gern. § 93 a Abs. I GO-BT obliegt dem Europaausschuß nach Maßgabe der GO-BT und der Beschlüsse des Bundestages die Behandlung der Unionsvorlagen gern. § 93 Abs. 1 GO-BT. "Unions vorlagen" stellen gern. § 93 Abs. 1 GO-BT einen weiten Sammelbegriff für alle europäischen Vorhaben dar, die gern. §§ 3 - 5 EUZBBG dem Bundestag zuzuleiten sind. Ferner sind auch EP-Entschließungen und laufende Unterrichtungen gern. Art. 2 ZustG umfaßt. Demnach ist der Europaausschuß sowohl für Vorlagen zuständig, die sich über institutionelle Grundfragen verhalten, wie auch für technische Entwürfe von Sekundärrechtsakten, auch wenn unter den Begriff der EG-Vorlagen i.e.S. herkömmlicherweise europäische Legislativvorhaben gefaßt werden. Die nähere Bestimmung dieser Zuständigkeit insbesondere in Abstimmung zu den Zuständigkeiten der Fachausschüsse ist allerdings den konkreten Beschlüssen des Bundestags und der Parlamentspraxis überlassen, die ein sehr viel restriktiveres Bild ergibt. Der Zuständigkeitsbereich des unmittelbaren Vorläufers des Europaausschusses, des EG-Ausschusses der 12. Wahlperiode, war ausdriicklich im Einsetzungsbe221 Allg. Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, 1984, S. 168, unter Hinweis darauf, daß eine intensive parlamentarische Kontrolle en detail nur in beschränktem Umfang vom Plenum geleistet werden kann. 222 I.d.S. aber BVerfGE 90, 286 (385) unter Bezugnahme auf Art. 45 a Abs. 1 GG für den Einsatz von Streitkräften außerhalb des atlantischen Bündnisses; s.a. Kap. 2, A.lV.l. (S. 146).
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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schluß vom 12. Juni 1991 benannt: 223 Demnach war der EG-Ausschuß, soweit dies nicht von anderen Fachausschüssen wahrzunehmen war, zuständig für • die Änderung der Verträge der Europäischen Gemeinschaft, • die institutionellen Angelegenheiten der Europäischen Gemeinschaft, • die Zusammenarbeit mit dem EP und den nationalen Parlamenten und • für die Beratung der EG-Vorlagen (i.e.S.). Ein hieran angelehnter ausformulierter Katalog wäre auch für den Europaausschuß des 13. Deutschen Bundestages denkbar gewesen. 224 Als anstrebenswert galt es, angesichts der bekannten Schwierigkeiten mit den konkurrierenden Fachausschüssen, den zur ihren Gunsten bestehenden Vorbehalt für den Bereich der Grundfragen der europäischen Integration (Nm. 1- 3) zu streichen. Weniger in die Domäne der Fachausschüsse eingegriffen werden sollte im Bereich der europäischen Sekundärrechtsetzung: hinsichtlich der Behandlung der EG-Vorlagen (Nr. 4) sollte das bisher praktizierte System beibehalten werden. Dem Unions ausschuß sollte allerdings ein "geborenes" Mitberatungsrecht bei allen EU-Vorlagen i.e.S. zustehen, ähnlich dem des Haushaltsausschusses bzgl. Finanzvorlagen gern. § 96 GO_BT. 225 Letztlich kam es in der 13. Wahlperiode aber nicht zu einem solchen interfraktionellen Einsetzungsantrag. Einen expliziten Aufgabenkatalog enthielt nur der Antrag der SPD-Fraktion,226 der sich durch die Annahme des abweichenden Koalitionsentwurfs erledigte. 227
In der Praxis hat sich als Hauptaufgabe des Europaausschusses - der insoweit ganz in der Tradition seiner Vorgängergremien seit den 50er Jahren steht - seine Zuständigkeit für europapolitische Grundsatzfragen der Europäischen Integration herausgebildet. Erkennbar betreffen die Beschlußempfehlungen an das Plenum in aller Regel Grundfragen der Integration. 228 Anders als der EG-Ausschuß der 12. Wahlperiode im Hinblick auf den Maastricht-Vertrag wurde der Europaausschuß 223 BT-Drs. 121739; BT-PIPr. 12. WP/31. Sitzung vom 13. Juni 1991, S. 2441; Hellwig, Die Europa-Institutionen des Bundestages und seine großen Europa-Initiativen, in: dies., Der Deutsche Bundestag und Europa, 1993, S. 21 f. 224 Einen solchen Vorschlag unterbreitete der Direktor beim Deutschen Bundestag Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (263 f.). 225 Eickenboom, Haushaltsausschuß und Haushaltsverfahren, in: Schneider 1Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 44 Rdnr. 48 ff. 226 BT-Drs. 13/32, S. 1; s. bereits BT-Drs. 1217823, S. 1. Frühere Anträge von SPD, BTDrs. 12/6036, sowie Regierungskoaliton, BT-Drs. 12/6283 von Oktober bzw. November 1993 beschränkten sich dagegen im wesentlichen darauf, die unverzügliche Bestellung des Unionsausschusses zu fordern. 227 BT-PIPr. 13. WP/9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 445; BT-Drs. 13/89. 228 s. etwa BT-Drs. 1317566 vom 28. April 1997 zum Bericht der Kommission gern. Art. 189 b Abs. 8 EGV (a.F.) (Anwendungsbereich der Mitentscheidung); BT-Drs. 13/8428 vom 28. August 1997 zur Entschließung EuB-EP 244 des EP zur Regierungskonferenz.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
sehr wohl mit der federführenden Beratung des Ratifikationsgesetzes zum Amsterdamer Vertrag betraut, nachdem der Ausschuß die Arbeit der Folgekonferenz von März 1996 bis Juni 1997 fortlaufend begleitet hatte. 229 Am 2. Oktober 1997 war der Amsterdamer Vertrag von den Staats- und Regierungschefs unterzeichnet und zur Ratifizierung an die nationalen Parlamente weitergeleitet worden, in Deutschland zunächst an den Bundesrat. Der Europaausschuß hatte mit der formalen Ratifizierungsberatung aber bereits vor der formalen Überweisung begonnen und im Februar 1998 abgeschlossen. Die Ratifizierung durch das Plenum konnte damit bereits am 5. März 1998 erfolgen. 23o Was allerdings Entwürfe zu europäischen Richtlinien und zum Verordnungsrecht anbelangt, so werden aus der großen Vielzahl nur einzelne ausgewählte Vorlagen beraten, etwa wenn sie eine besondere integrationspolitische Bedeutung haben. Dies geschieht typischerweise mitberatend. Die Behandlung von EG-Vorlagen i.e.S. wird dagegen eher sekretariatsmäßig abgehandelt. 231 Im Hinblick auf die Umsetzung von EG-Richtlinien sieht sich der Europaausschuß prinzipiell nicht als zuständig an, da eine europapolitische Mitgestaltung nicht mehr möglich sei. Die Vollziehung europäischer Vorgaben gestaltet sich vielmehr so, daß Gesetzentwürfe der Bundesregierung zur Grundlage für das Tätigwerden der Fachausschüsse werden, nicht anders als in sonstigen Fällen nationaler Gesetzgebungstätigkeit. 11. Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen 1. Historische Entwicklung
Das sich an die förmliche Zuleitung durch das BMWi anschließende parlamentarische Verfahren zur Behandlung europäischer Vorlagen beruhte bis zum Jahr 1977 zunächst auf einem Beschluß vom 25. Juni 1959 und war der Geschäftsord-
229 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998,S. 17. 230 BT-PIPr. 13. WP /222. Sitzung vom 5. März 1998, S. 20240 ff., 20292 (A); Beschlußempfehlung und Bericht des Europaausschusses BT-Drs. 13/9913, vom 13. Februar 1998. Eine weitere Grundfrage der europäischen Integration ist die Behandlung der Agenda 2000 der Kommission, die dem Ausschuß im Juli 1997 zugeleitet wurde und ab Herbst 1997 seine Tätigkeit maßgeblich beeinflußte. Er faßte im Dezember 1997 eine erste Beschlußempfehlung, in der er die Bundesregierung aufforderte, sich auf dem Europäischen Rat in Luxemburg für eine Eröffnung des Erweiterungsprozesses mit allen ll Beitrittskandidaten einzusetzen, hierzu Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 19. 231 So der Vorsitzende des Europaausschusses der 13. Wahlperiode, Wieczorek, Mitwirkung des Deutschen Bundestages in der Europäischen Union, in: Waigel, Unsere Zukunft heißt Europa, 1996, S. 315 (331).
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nung als Anlage 4 beigefügt. 232 Insgesamt wurde das von 1959 bis 1977 angewandte Vorlageverfahren vielfach als völlig unzulänglich bewertet,233 als "parlamentarisches Schattenboxen, daß den ganzen Aufwand der Diskussion im Ausschuß, der Berichterstattung, der kostspieligen Drucklegung und Verteilung" nicht rechtfertige, da es "keineswegs auf den Entscheidungsprozeß der EG durchgreift".234 Als Kernproblem galt neben der Veraltung der Informationen, daß die Flut an Vorlagen unterschiedslos behandelt, bzw. vielmehr unterschiedslos nicht behandelt wurde. 235 Mehrere Abgeordnete stimmten im Plenum kategorisch gegen die zur Kenntnisnahme vorgelegten EG-Vorlagen, um den Geschäftsordnungsausschuß zu sinnvollen Reformvorschlägen zu bewegen. 236 Die parlamentsinternen Bemühungen führten schließlich im November 1977 zu einer Beschlußempfehlung des 1. Ausschusses,237 die im Plenum einstimmig angenommen und zunächst als Anlage 6 der GO-BTeingeführt wurde. 238 Die im folgenden näher zu betrachtende Neuregelung wurde im Jahr 1980 als § 93 (nunmehr a.F.) in der GO-BT festgeschrieben: "EG-Vorlagen gern. Art. 2 des Gesetzes zu den Verträgen zur Gründung der EWG und EURATOM überweist der Präsident im Benehmen mit dem Ältestenrat an die zuständigen Ausschüsse. Ihre Titel werden in eine Sammelübersicht aufgenommen, die als Bundestagsdrucksache verteilt wird und aus der ersichtlich ist, welchen Ausschüssen die Vorlagen überwiesen wurden. Eine EG-Vorlage wird nur dann als Bundestagsdrucksache verteilt, wenn der federführende Ausschuß dem Bundestag einen über die Kenntnisnahme hinausgehenden Beschluß empfiehlt." 232 Sechs Jahre später erfolgte eine Ergänzung in Nr. 1 a der Anlage 4; es wurde die Frage geregelt, unter welchen Voraussetzungen sich die Ausschüsse erneut mit einer EG-Vorlage befassen und dem Bundestag Bericht erstatten durften, s. Bericht des Geschäftsordnungsausschusses, BT-Drs. 4/3633. Diese Verbesserung, die die Aktualität der parlamentarischen Erklärungen gewährleisten sollte, lief allerdings leer, wenn - wie es nicht selten der Fall war seitens der Regierung die Unterrichtung über eine Änderung der betreffenden Vorlagen unterblieb. 233 Der Befund Oettings, Bundestag und Bundesrat im Willensbildungsprozeß der EG, 1973, S. 169, daß sich das Verfahren grundsätzlich bewährt habe, blieb vereinzelt. 234 Ferdinand, EG-Vorlagen im Plenum, in: Festgabe für Blischke, 1982, S. 145 (146). 235 So formulierte der Abg. Gansei, BT-PIPr. 7. WP/69. Sitzung vom 6. Dezember 1973, S. 4218: "Welchen Sinn hat es eigentlich, uns ständig Papiere vorzulegen, die wir zur Kenntnis nehmen sollen, die wir nicht zur Kenntnis nehmen können, einen Ausschuß darüber beraten zu lassen, der - das weiß jeder - sie auch nicht zur Kenntnis nimmt, dann den Ausschuß berichten zu lassen, daß er davon Kenntnis genommen hat und dann hier noch einmal ein Papier vorzulegen, von dem dann das Plenum noch einmal Kenntnis nehmen muß". 236 Der Abg. Dr. Schweitzer gab dies ausdrücklich zu Protokoll, BT-PIPr. 7. WP/236. Sitzung vom 9. April 1976, S. 16545, An!. 2; auch der Abg. Wehner stimmte schon seit längerem aus Protest pauschal gegen EG-Vorlagen, s. BT-PlPr. 7. WP /207. Sitzung vom 5. Dezember 1975, S. 14301. 237 BT-Drs. 8/1265. Bereits auf der ersten Sitzung des Ältestenrates des 8. Bundestages am 19. Januar 1977 war die Reform der EG-Vorlagenbehandlung erörtert worden, s. Ferdinand, EG-Vorlagen im Plenum, in: Festgabe für Blischke, 1982, S. 145 (155). 238 BT-PIPr. 8. WP/63. Sitzung vom 15. Dezember 1977, S. 4850 (C).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Die EG-Vorlagen, d. h. in erster Linie Vorschläge der Kommission für EGRichtlinien und -Verordnungen, gingen der Bundestagsverwaltung seitens des BMWi zu. Außerdem behandelte der Bundestag Unterrichtungen des EP über dessen Entschließungen, die ihm direkt durch das EP zugeleitet wurden. 239 Herkömmlicherweise erfolgt die Befassung von Parlamentsausschüssen mit einer Vorlage gern. § 64 Abs. I, 1. HS GO-BT, indem diese (nach Vorberatung, häufig zunächst erst auf Verwaltungsebene durch die Ausschußsekretäre, dann im Ältestenrat) durch das Plenum zur Behandlung überwiesen wird?40 Nur in ausdrücklich geregelten Sonderfällen erfolgt die Überweisung unmittelbar durch den Präsidenten, zumeist unter Beteiligung des Ältestenrates. Dies gilt gern. §§ 80 Abs. 3 Satz 1,75 Abs. I lit. e GO-BT für Berichte und Materialien zur Unterrichtung des Bundestags. Um eine solche Sonderregelung - die seit 1959 praktiziert wurde - handelte es sich auch bei § 93 Satz 1 a.F. GO-BT. Gern. § 64 Abs. 1, 2. HS GO-BT existiert eine weitere Möglichkeit neben der Überweisung, eine Vorlage zum Verhandlungsgegenstand in einem Ausschuß werden zu lassen: Dies geschieht gern. § 62 Abs. 1 Satz 3 GO-BT im Wege der Selbstbefassung, sofern das Thema der Vorlage in den Geschäftsbereich des Ausschusses fällt. Das Selbstbefassungsrecht war lange umstritten und wurde erst 1969 in der GO-BT verankert, es wird auch heute noch grundsätzlich restriktiv gehandhabt. 24 \ Grund hierfür sind Bedenken im Hinblick auf Art. 38 Abs. I Satz 2 GG und die Einheit des Verfassungsorgans, wenn jeder Ausschuß ohne Beteiligung des Plenums seine Aufgaben suchen und wahrnehmen könnte und zudem noch Beschlüsse fassen bzw. Empfehlungen an das Plenum richten könnte. Daher wird Ausschüssen, die im Wege der Selbstbefassung tätig werden, nicht das Recht zugebilligt, eine Beschlußempfehlung an das Plenum abzugeben oder eine wie auch immer geartete Willensäußerung an die Regierung. 242 Als Instrument der laufenden Regierungskontrolle namentlich auf Initiative der Opposition kommt dem Selbstbefassungsrecht in der Parlamentspraxis allerdings trotzdem eine nicht zu unterschätzende Bedeutung ZU. 243 Diese Möglichkeit der Befassung bestand auch für den Bereich der EG-Vorlagen, wurde allerdings wenig genutzt. 244 239 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (252, Fußn. 49). 240 Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 40 Rdnr. 33. 241 Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 40 Rdnr. 38. 242 Dies gilt von ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen, BT-Drs. 8/3460, S. 94; Ritzel/Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 62 GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1997), Anm. 3a. 243 Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 40 Rdnr. 39 f. 244 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (253).
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Von 1958 bis 1977 waren alle EG-Vorlagen als Bundestagsdrucksachen erschienen,245 was angesichts der enormen zahlenmäßigen Zunahme der Vorlagen,246 verbunden mit der verschwindend geringen Anzahl der Fälle, in denen eine über die Kenntnisnahme hinausgehende Beschlußempfehlung gegeben wurde 247 , sehr aufwendig und ineffektiv war. Die umfassende Drucklegung wurde nun durch § 93 a.F. GO-BT reduziert: Gern. Satz 3 stand die Verteilung einer EG-Vorlage als Bundestagsdrucksache unter dem Vorbehalt, daß der federführende Ausschuß es nicht bei der Kenntnisnahme belassen wollte. Bloße Kenntnisnahme wurde dagegen als amtliche Mitteilung ohne Verlesung in einer Anlage zum Plenarprotokoll veröffentlicht. 248 Diese Möglichkeit, besonders bedeutsame EG-Vorlagen vorab als Drucksache veröffentlichen zu lassen, setzte voraus, daß sehr friihzeitig entschieden werden mußte, welche EG-Vorlagen von so wesentlicher Bedeutung waren, daß sie einer eingehenderen parlamentarischen und politischen Entscheidung bedurften. 249 Hiervon machten die Ausschüsse nur sehr selten Gebrauch;25o in der Praxis war es üblich, daß sich erst im Laufe der Ausschußberatungen abzeichnete, daß doch eine über die Kenntnisnahme hinausgehende Beschlußempfehlung abgegeben werden sollte. In diesem Fall war die EG-Vorlage nachträglich im vollen Wortlaut als Drucksache zu verteilen. 25I Eine erste Voraus wahl nach politisch bedeutsamen Vorlagen wurde aber dennoch bereits unmittelbar nach der Zuleitung versucht, im Rahmen der Ermittlung der Beratungswünsche der Ausschüsse. Diese Ermittlung geht auch im herkömmlichen Vorlageverfahren des Deutschen Bundestags der förmlichen Überweisung voraus. Findet - wie es entgegen § 80 Abs. 1 Satz 1,2. HS GO-BT der Rege1fall in der Praxis ist - eine Überweisung an mehrere Ausschüsse statt, dann ist ein Ausschuß als federführend zu bestimmen, der gern. § 63 Abs. 1 GO-BT allein befugt Troßmannl Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1981, § 93 Rdnr. 2. Von der 4. bis zur 7. Wahlperiode hatte sich die Anzahl der EG-Vorlagen von 235 auf 1189 verfünffacht, vgl. BT-Drs. 8 I 1265, S. 4; Ritzel I Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988) Anm. 2 b. In der 8. WP waren 1706, in der (verkürzten) 9. WP 1100, in der 10. WP (1983 -1987) 1685 EG-Vorlagen zu verzeichnen. Der "Spitzenwert" von 2413 wurde in der I\. WP (1987 - 1990) erreicht, während die 12. WP (1990-1994) 1844 EG-Vorlagen aufwies, s. Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtsetzung, KritV 1994, 405 (419). 247 In der 7. WP beispielsweise nur 10%, vgl. Ritzel I Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988) Anm. 2 b. 248 Troßmann I Roll, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, 1981, § 93 Rdnr. 9; Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtssetzung, KritV 1994, 405 (420). 249 BT-Drs. 8/1265, S. 4. 250 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (253). 251 Schreiben des Vorsitzenden des Geschäftsordnungsausschusses vom 13. Februar 1981 an den Vorsitzenden des Finanzausschusses, s. Ritzel / Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988), Anm. 3 c. 245
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ist, Bericht und Beschlußempfehlung an das Plenum zu erstatten. 252 Von den Voten mitberatender Ausschüsse kann abgewichen werden, allerdings sieht sich der federführende Ausschuß dann einem erhöhten Begründungszwang ausgesetzt, zumal gern. § 66 Abs. 2 Satz 1 GO-BT die Stellungnahmen aller beteiligten Ausschüsse in der Beschlußempfehlung an das Plenum dargelegt werden müssen. Weitere Ausschüsse können sich im Benehmen mit dem federführenden Ausschuß gern. § 80 Abs. 1 Satz 2 GO-BT an der Beratung bestimmter Fragen der Vorlage gutachtlich beteiligen. In praxi hängt der Erfolg auch hier von der Bereitschaft des federführenden Ausschusses ab?53 Vor diesem Hintergrund erfolgte die Ermittlung der Beratungswünsche der Ausschüsse für EG-Vorlagen dergestalt, daß die Vorlagen dem aus Sicht der Verwaltung mutmaßlich federführenden Ausschuß übersandt wurden, ferner erhielten EGAusschuß und Haushaltsausschuß je ein Exemplar jeder Vorlage. 254 Die Ermittlung von Mitberatungswünschen blieb dem designierten federführenden Ausschuß vorbehalten. Ausschußintern sollten die - von den Fraktionen zu benennenden - ständigen Beauftragten für EG-Vorlagen in den mit EG-Vorlagen befaßten Ausschüssen für die Vorauswahl zuständig sein?55 Die förmlichen Überweisungen an die Ausschüsse erfolgten dann auf Grundlage dieser Vorarbeiten durch den Bundestagspräsidenten im Benehmen mit dem Ältestenrat. Zur Verfahrensbeschleunigung im Rahmen der Überweisung hatte der Ältestenrat in der 11. Wahlperiode beschlossen, daß in den Parlamentsferien den Mitgliedern des Ältestenrates Auflistungen der von der Bundesregierung zugeleiteten EG-Vorlagen übersandt werden sollten?56 Das Benehmen i. S. d. § 93 Satz 1 a.F. GO-BT war in diesem vereinfachten Verfahren nur dann hergestellt, wenn innerhalb einer vom Präsidenten bestimmten Frist kein Widerspruch gegen die in den Auflistungen vorgeschlagenen Überweisungen erfolgte. Die förmlichen Überweisungen wurden schließlich gern. § 93 Satz 2 a.F. GO-BT in einer Sammelübersicht als Bundestagsdrucksache bekannt gemacht. Inhalt dieser Bekanntmachung war neben den beteiligten Ausschüssen lediglich der Titel der EG-Vorlage, nicht deren Volltext. 252 Anders das Verfahren im Bundesrat, wo auch mitberatende Ausschüsse ihre Meinung in Form abweichender Empfehlungen dem Plenum zur Kenntnis bringen können, so § 45 GO-BR. 253 Mitberatungsvoten und bloße gutachtliche Stellungnahmen unterscheiden sich daher faktisch oft nur wenig, Kretschmer; Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnr. 94; ähnl. auch Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: ebd., § 40 Rdnr. 36, der allerdings mißverständlich darauf hinweist, daß die Berücksichtigungspflicht aus § 63 Abs. 2 GO-BT nicht für die lediglich gutachtlich tätigen Ausschüsse gelte. 254 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (253). 255 Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988), Anm. 2 b. 256 Beschluß aus der 18. Sitzung vom 21. Januar 1988, s. Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988), Anm. 1 a.
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Der Grundsatz der alleinigen Vorschlagsberechtigung des federführenden Ausschusses aus § 63 Abs. 1 GO-BT war zunächst nur durch § 96 GO-BT für den Haushaltsausschuß durchbrochen, der im Bereich der Finanzvorlagen ein "geborenes" Mitberatungsrecht neben dem Fachausschuß hat. Als der EG-Ausschuß in der 12. Wahlperiode seine Arbeit aufnahm, wurde, beruhend auf einer Übereinkunft im Ältestenrat, ein spezielles neues Verfahren für die Behandlung von EG-Vorlagen eingeführt?57 In Abweichung zu §§ 63 ff., 80 GO-BT konnte zusätzlich zum federführenden Ausschuß ein" 1. mitberatender Ausschuß" bestimmt werden, welcher bei divergierenden Stellungnahmen einen eigenen Bericht, der aber keine Beschlußempfehlung enthielt, vorlegen durfte. Außerdem hatte der 1. mitberatende Ausschuß das Recht, im Plenum Änderungsanträge zur Stellungnahme des Federführenden zu stellen. 258 Hierbei konnte es sich um einen Fachausschuß handeln, falls der EG-Ausschuß die Federführung erhielt; in praxi ging es aber eher darum, dem EG-Ausschuß neben dem federführenden Fachausschuß wenigstens ein besonderes Mitberatungsvotum einzuräumen. Die Erprobung dieses Sonderverfahrens verlief indes wenig erfolgreich. 259 Einen 1. mitberatenden Ausschuß gab es nur selten, zudem war der EG-Ausschuß nicht immer beteiligt. 26o Angesichts der unveränderten Praxis im Plenum, im Regelfall über mehrere Vorlagen gemeinsam abzustimmen und eventuellen Ausschußbeschlußempfehlungen ohne Aussprache zu folgen, bestand kein Interesse an komplizierteren Ausschußkooperationssystemen. Festzuhalten ist, daß auch die (Neu)regelung in § 93 a.F. GO-BT nicht alle Schwachstellen des EG-Vorlage-Verfahrens beheben konnte. Dies galt namentlich mit Blick auf den zeitlichen Ablauf, der teilweise immer noch dazu führte, daß im Zeitpunkt der Ausschußberatung der Rechtsakt bereits in Kraft getreten war?61 Dies war nicht etwa ausschließlich auf verspätete oder unzureichende Unterrichtung seitens der Regierung zuriickzuführen, mitursächlich war etwa auch die Zeit, die die Ermittlung der Beratungswünsche der Ausschüsse vor der förmlichen Über257 Amtliche Mitteilung der Präsidentin des Deutschen Bundestags vorn 29. Oktober 1991, s. Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (254). 258 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (254). 259 So auch die Bewertung Hölscheidts, Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtsetzung, KritY. 1994, 405 (418). 260 s. z. B. BT-PIPr., 12. WP/97. Sitzung vorn 17. Juni 1992, S. 7993 (federführend war der EG-Ausschuß, I. mitberatender Ausschuß war in einern Fall der Auswärtige Ausschuß, im anderen der Wirtschaftsausschuß); BT-PIPr., 12. WP /120. Sitzung vorn 12. November 1992, S. 10196 (federführend war der Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit, I. rnitberatender Ausschuß war der Auswärtige Ausschuß). 261 Schoof, EG-Ausschuß, 1993, S. 11; Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (258); für die Situation vor Einführung des § 93 GO-BT Hänsch, Europäische Integration und parlamentarische Demokratie, Europa-Archiv 1986, 191 (197).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
weisung kostete. Dies konnte, da es keine Ausschlußfristen gab, zu Verzögerungen von mehreren Wochen führen. Angesichts der knappen Entscheidungsfristen - in einer Vielzahl von Fällen steht die Beschlußfassung in den Gremien der EU nach der Zuleitung an das Parlament innerhalb von sechs Wochen an 262 - war dies unhaltbar. Auch die "Quote" der Beschlußempfehlungen, die über bloße Kenntnisnahme hinausgingen, blieb gering?63 Hieran wird deutlich, daß es einer effektiveren Voraus wahl bedurfte, damit nicht weiterhin die Gesamtheit der Vorlagen ins Ausschußverfahren einbezogen wurde, was unabhängig von der reduzierten Drucklegung der Fall war?64 2. Behandlung von Unionsvorlagen gern. §§ 93, 93 a GO-BT
a) Begriff der Unionsvorlagen und Unionsdokumente Die Entwicklungsgeschichte der EG-Vorlagen behandlung, namentlich das hier deutlich gewordene Bedürfnis nach sinnvoller Schwerpunktsetzung, gibt Aufschluß über die Ziele, die der Bundestag bei Erfüllung seiner aus Art. 23 Abs. 2, 3, Art. 45 GG resultierenden Pflicht zur effektiven Ausgestaltung seines Verfahrens zu verfolgen hatte. Es stellt sich die Frage, ob die Neuregelung der §§ 93, 93 a GO-BT ihrem erklärten Ziel gerecht wird, "die gebührende Sonderstellung des Unionsausschusses bei gleichzeitiger Gewährleistung der Kooperation dieses Ausschusses mit den zuständigen Fachausschüssen sowie Aufrechterhaltung ihrer Fachzuständigkeiten abzusichern" ?65 Wahrend es sich bei EG-Vorlagen gern. § 93 Satz I a.F. GO-BT um laufende Unterrichtungen gern. Art. 2 ZustG handelte, definiert § 93 Abs. 1 GO-BT den Begriff der "Unionsvorlage" nun entsprechend den neuen Rechtsgrundlagen weitergehend. Es handelt sich neben Unterrichtungen gern. Art. 2 ZustG um Vorhaben gern. §§ 3 - 5 EUZBBG, ferner weiterhin um Unterrichtungen des EP. § 1 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundsätze formuliert, daß Unionsvorlagen diejenigen Dokumente sind, die dem Europaausschuß förmlich seitens der Bundesregierung zugeleitet werden. Außer Betracht scheinen damit zunächst die EP-Unterrichtungen zu bleiben, die dem Bundestag direkt, nicht über die Bundesregierung zugehen. Dies wird allerdings im Anh. I der EU-Grundsätze klargestellt, auf den § 1 Abs. 1 Satz 4 ergän262 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (253,258); teilweise ist mit Beschlußfassungen innerhalb von drei Monaten zu rechnen. 263 In der 11. Wahlperiode von 1987-1990 lag diese Quote bei nur 7%, s. Ismayr; Der Deutsche Bundestag, 1992, S. 329. Dies entsprach den Erfahrungen der früheren Legislaturperioden, so lag die Quote in der 7. WP bei 10%, Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988) Anm. 2 b. 264 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (260,268). 265 BT-Drs. 13/89, S. 4.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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zend Bezug nimmt: Gern. Nr. 1 des Anhangs gehören auch EP-Unterrichtungen sowie EP-Ausschußbeschlüsse im Mitentscheidungsverfahren zu den Unionsvorlagen. 266 Die in § 93 Abs. 2 Satz 1 GO-BT, § 1 Abs. 1 Satz 3, 4 EU-Grundsätze i.V.m. Anh. I Nr. 2 genannten "Unionsdokumente" bilden einen Oberbegriff: Ihm unterfallen zum einen die vorgenannten Unionsvorlagen und dariiber hinaus deren Entwürfe. Entwürfe sind insbesondere die den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Entwürfe von Vorlagen, Berichten, Gutachten etc. aus dem Bereich der Institutionen der EU und der anderen Mitgliedstaaten, namentlich Entwürfe von Griinund Weißbüchern. Der konkurrierende Geschäftsordnungsänderungsantrag der SPD-Fraktion hatte hingegen keine Differenzierung zwischen Unionsvorlagen und Unionsdokumenten vorgesehen. Gefordert war vielmehr, daß ausnahmslos alle Vorlagen, einschließlich der Entwürfe und auch einschließlich vorbereitender Papiere zu Entwürfen, förmlich zuzuleiten seien. 267 Die Zusammenschau aus §§ 93 Abs. 1 und Abs. 2 GO-BT zeigt, daß die vorbereitenden Papiere zu Entwürfen nicht zu den gern. §§ 3, 4 EUZBBG zuleitungspflichtigen Dokumenten gerechnet werden. Es wird diesbezüglich keine Pflicht der Bundesregierung angenommen, sondern lediglich gern. § 93 Abs. 2 GO-BT ein Recht des Bundestages, sich aus eigenem Antrieb mit vorbereitenden Papieren zu befassen. Dies verkürze, so die Opposition, die parlamentarischen Minderheitenrechte in einer Weise, die mit den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben für die Unterrichtungspflicht und der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr zu vereinbaren sei?68 Die Parlamentsmehrheit verteidigte ihren restriktiveren Entwurf mit dem - eher pauschalen - Argument, daß der Grundsatz der Gewaltenteilung die parlamentarische Befas266 Nach der Konkretisierung des Europaausschusses gehören ferner zu den Unionsvorlagen: Alle Vorhaben, die im Rahmen der EU für die BRD von Interesse sein könnten, wie Mitteilungen der Kommission, Grün- und Weißbücher; außerdem Entwürfe von Richtlinien und Verordnungen (einschließlich Inhalt, Zielsetzung, Verfahren, Zeitpunkt der Beschlußfassung im Rat, Willensbildung der Bundesregierung, Verlauf von Beratungen, Stellungnahmen des EP und der Kommission sowie der anderen Mitgliedstaaten und die getroffenen Entscheidungen). 267 BT-Drs. 13/32, S. 2 = BT-Drs. 1317823, S. 2 zu § 93 Abs. I Satz I GO-BT-Entwurf: "Die Bundesregierung übermittelt dem Deutschen Bundestag unaufgefordert die nachstehend aufgeführten Europadokumente: Vorlagen der EU und Entwürfe, vorbereitende Papiere zu diesen Entwürfen sowie alle anderen Papiere vorbereitenden Charakters, Berichte, Vermerke, Beratungsergebnisse, Aufzeichnungen, Gutachten und Unterrichtungen, sowohl aus dem Bereich der Institutionen der EU als auch aus dem Bereich der Bundesregierung und der Regierungen der Mitgliedstaaten." Abs. 2 stellte explizit klar, daß unabhängig von dieser umfassenden Unterrichtung durch die Bundesregierung die Parlamentsausschüsse auch aus eigenem Antrieb alle in Abs. I genannten Dokumente zum Verhandlungsgegenstand erklären konnten. 268 In diesem Sinne die Abg. Wieczorek-Zeul (SPD), BT.-PIPr., 13. WP /9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 441; Sterzing (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), S. 442; Lederer; (PDS) S. 443.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
sung mit vorbereitenden Papieren und besonders mit regierungsinternen Voruberlegungen verbiete, bevor die Willensbildung der Bundesregierung abgeschlossen sei. 269 Dieses Argument ist vor dem Hintergrund der Art. 23 Abs. 2, 3 GG, §§ 1,3, 4 Satz 2 EUZBBG nicht haltbar. Wie gezeigt, gilt im Bereich der nationalen Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung der Grundsatz der Beteiligung zur gesamten Hand. Ein parlamentsfester Internbereich bezogen auf das Verfahren der Willensbildung der Regierung oder der Willensbildung in den supranationalen Gremien besteht nicht. Allerdings ist es dem Bundestag im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts überlassen, eine sinnvolle Selektion und Schwerpunktsetzung zu beschließen. Geschieht dies unter dem Aspekt, die Arbeit des Parlaments nicht durch eine Flut an unvollständigen Entwürfen mit im Zweifelsfall geringer Durchsetzungskraft zu lähmen,270 bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit einer solchen Regelung. Dies gilt namentlich für das durch den Geschäftsordnungsgeber geschaffene Verhältnis von Unionsvorlagen, die gern. § 93 Abs. I GOBT zuzuleiten sind, und von Unionsdokumenten i.S.v. § 93 Abs. 2 GO-BT, die das Parlament aus eigenem Antrieb zum Verhandlungsgegenstand erklären kann. 271 b) Koordinierung durch das Europabüro Gern. § 93 Abs. I GO-BT sind alle Unionsvorlagen nunmehr unmittelbar dem Europaausschuß zuzuleiten. Diese Zentralisierung dient dabei weniger der Stärkung der Rechtsposition des Europaausschusses als vielmehr der Effektivierung der Vorlagenbehandlung für den gesamten Bundestag. Es handelt sich hier um eine verwaltungstechnische Verbesserung der Vorlagenbehandlung, die auch, aber nicht nur, der Behebung der strukturellen Schwachstellen des bisherigen Verfahrens dienen soll. Rechnung trägt sie auch den neu hinzutretenden weiteren Schwierigkeiten in Gestalt eines enormen Vorlagenzuwachses seit der Neuschaffung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen. Realistische Schätzungen gehen davon aus, daß durch die neuen Vorschriften und die verstärkte Informationspflicht der Regierung sich auch die Zahl der dem Bundestag zugeleiteten Dokumente drastisch, etwa um das Zwanzigfache, erhöht. 272 Tatsächlich betrug die Zahl der EG-Vorlagen in den letz269 Abg. Hörster (CDU / CSU), BT-PIPr., 13. WP /9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 441. Wesentlich differenzierter Brenner, Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBI. 1993, 196 (201). 270 Zur Schwierigkeit der Inpflichtnahme der nationalen Regierungsvertreter bereits in den Arbeitsgruppen der Kommission, s.o., Kap. 2, B.lY.1.b)bb) (S. 216 ff.). 271 So hat der Bundestag etwa den Bericht der Bundesregierung über ihre Bemühungen zu Stärkung der gesetzgeberischen Befugnisse des EP gern. § 93 Abs. 2 GO-BT zum Verhandlungsgegenstand gemacht und dem Europaausschuß zur alleinigen Beratung überwiesen, BTDrs. 13/1234, S. 6. 272 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (257).
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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ten Wahlperioden zwischen 1100 und 2400,273 während das Europabüro nun jährlich zwischen 15.000 und 20.000 aus dem Bereich des Rates und des EP stammende EU-Dokumente zu verwalten hat. 274 Bei dem Europabüro handelt es sich um einen funktionell eigenständigen Teil des Sekretariats des Europaausschusses, der nach Maßgabe von § 9 EU-Grundsätze für die Organisation der Verfahrensabläufe zuständig ist. Es handelt sich hier um eine Koordinierungsstelle für Unionsvorlagen, die nicht nur für den Europaausschuß, sondern für alle Ausschüsse und Abgeordneten die Verteilung von Vorlagen durchführt sowie Informationen zum Verfahrensstand gibt. Das Europabüro erfaßt nicht nur (per EDV) sämtliche Unionsvorlagen, -Dokumente, Stellungnahmen, Regierungsvermerke, Berichte über AStV-Sitzungen und Ratsuntergruppensitzungen, etc., sondern auch alle eingehenden Nachfolge- und Begleitdokumente zu Unionsvorlagen. Diese werden den Ausgangsvorlagen zugeordnet und den Sekretariaten der federführenden Ausschüsse zugeleitet. Das Europabüro stützt sich zur Beantwortung von Anfragen zu Inhalt, Beratungsstand und Terminierung von EU-Vorhaben zum einen auf seine vollständig geführten Akten. Daneben ist allerdings auch das vom Bundesrat geführte Vorlagenerfassungssystem KEp275 von großer Bedeutung. Nicht zuständig ist das Europabüro (resp. das Ausschußsekretariat) für europapolitische Anträge der Fraktionen oder eines Quorums von MdB, die in den Bundestag eingebracht werden. Hierfür bleibt das allgemeine Parlaments sekretariat der Bundestagsverwaltung zuständig. Da dieses dem Ältenstenrat und dem Präsidenten insoweit Überweisungsvorschläge der Fraktionen übermittelt, ist hier die Möglichkeit der Ausschüsse, auf die Überweisungsentscheidung Einfluß zu nehmen, nur gering. Was die Behandlung von Unionsvorlagen gern. § 93 GO-BT anbelangt, so ist die Möglichkeit der Ausschüsse, Beratungswünsche anzumelden, dagegen größer: c) Überweisungsvorschlagsrecht des Vorsitzenden Die seit 1958 bekannte und zuletzt in § 93 Satz 1 a.F. (1980) GO-BT normierte Verfahrensweise, daß der Präsident die EG-Vorlagen im Benehmen mit dem Älte273 BT-Drs. 8/1265, S. 4; Ritzel 1Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 93 a.F. GO-BT (Stand der Bearb. Dez. 1988) Anm. 2 b; Hölscheidt, Parlamentarische Mitwirkung bei der europäischen Rechtsetzung, KritV 1994, 405 (419). 274 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 44. 275 "Konkordanz der EG-Papiere zu Parlamentsmaterialien", s. Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union, Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 44. Außerdem kann das Europabüro für seine Recherchen auf die EU-Datenbanken CELEX und RAPID sowie auf das Archiv des Fachbereichs Europa der Bundestagsverwaltung zuriickgreifen.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
stenrat überweist, findet sich auch weiterhin in der GO-BT, nunmehr allerdings erst in § 93 Abs. 3 Satz 2. Vorangeschaltet wurde in Abs. 3 Satz 1 ein Überweisungsvorschlagsrecht des Vorsitzenden des Europaausschusses. Dieses Vorschlagsrecht hat er in Abstimmung mit den Fachausschüssen auszuüben. Hierhinter verbirgt sich ein oft mühseliger Abfrage- und Koordinationsprozeß, der allerdings dann gewährleistet, daß dem Überweisungsvorschlag eine faktisch gewichtige Rolle für die nachfolgende Überweisungsentscheidung durch Ältestenrat und Präsident zukommt. 276 Die nähere Ausgestaltung des Abstimmungsprozesses mit den Fachausschüssen ist in § 4 Abs. 2 EU-Grundsätze geregelt: "Der Vorsitzende legt im Einvernehmen mit den Sprechern des Europaausschusses den Vorsitzenden der beteiligten Ausschüsse einen Überweisungsvorschlag zur Bestimmung des federführenden Ausschusses und der mitberatenden Ausschüsse vor. Erhebt der Vorsitzende eines dieser Ausschüsse Bedenken, so hat er dies dem Vorsitzenden innerhalb von drei Sitzungstagen mitzuteilen. Die Vorsitzenden haben sich alsdann um eine Einigung hierüber zu bemühen. Sodann leitet der Vorsitzende den Überweisungsvorschlag einschließlich eines etwaigen Widerspruchs dem Präsidenten zur Entscheidung zu."
Der Vorsitzende wird hierbei gern. § 9 EU-Grundsätze im Vorfeld durch das Europabüro unterstützt: Es informiert unverzüglich die Obleute und die für den jeweiligen Politikbereich zuständigen Berichterstatter des Europaausschusses über die eingegangenen Vorlagen sowie über die Unionsdokumente, die auf Wunsch von Ausschußmitgliedern zum Gegenstand der Selbstbefassung gemacht werden sollten. Die Übermittlung der Dokumente wird regelmäßig von einer Liste begleitet, die u. a. Vorschläge des Sekretariats enthält. 277 Nach dem Rücklauf der Wünsche des Europaausschusses werden in einem Umlaufverfahren mittels Übersendung der Dokumente wie der Dokumentenliste die Beratungswünsche der in Betracht zu ziehenden Ausschüsse abgefragt. Die Dreitagesfrist dient dabei der Beschleunigung des Vorauswahlverfahrens, das wie gezeigt einen Schwachpunkt des EG-Vorlageverfahrens nach § 93 a.F. GO-BT gebildet hatte. Sofern sich die Ausschüsse, was gelegentlich vorkommt, über die Federführung nicht einigen können,278 hat der Vorsitzende des Europaausschusses allerdings kein Entscheidungsrecht. Er übermittelt vielmehr dem Präsidenten die konkurrierenden Vorstellungen der beteiligten Ausschüsse. Gegenstand des Überweisungsvorschlags sind dabei nicht nur 276 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 32. 277 Die Liste enthält neben den Rats-, Kommissions- oder EP-Dok.Nrn. den Titel der übermittelten Dokumente, ferner den Vorschlag zur beabsichtigten Behandlung - hier unterteilt § 9 EU-Grundsätze zwischen den Fallgruppen a) Behandlung empfohlen, b) Nichtbehandlung empfohlen (Sammelübersicht), c) Behandlung offen I zweifelhaft. 278 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 44.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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die fönnlich zugeleiteten Unionsvorlagen, sondern auch die von den zuständigen Ausschüssen zum Verhandlungsgegenstand erklärten Unionsdokumente. d) Fönnliche Überweisung an die Ausschüsse und Selbstbefassungsrecht Unverändert ist geblieben, daß der Präsident im Benehmen mit dem Ältestenrat die Vorlagen an einen Ausschuß federführend und an andere Ausschüsse zur Mitberatung überweist. 279 Unverändert wird eine Sammelübersicht über die Vorlagen und die beteiligten Ausschüsse als Bundestagsdrucksache verteilt. 28o Weiterhin wird eine Unionsvorlage dann im Volltext als Bundestagsdrucksache verteilt, wenn der federführende Ausschuß eine über die Kenntnisnahme hinausgehende Beschlußempfehlung vorlegt. 281 Als nach wie vor schwach erweist sich letztlich auch die Rolle des Europaausschusses bei der Behandlung der Entwürfe zu EG-Rechtsakten; ihm kommt höchst selten die Federführung zu und seine Mitberatung bildet ebenfalls keineswegs die Regel. 282 Diese Handhabung ist auch durch die parlamentarischen Nonnen gedeckt. Während die GO-BT keine nähere Regelung über die Federführung trifft, postuliert § 4 Abs. 1 Satz 1 EU-Grundsätze zwar die grundsätzliche Zuständigkeit des Europaausschusses für die Behandlung aller Unionsvorlagen und -Dokumente. Für den konkreten Fall stellt die Nonn dies aber unter den Vorbehalt des Überweisungsbeschlusses des Präsidenten, der damit - im Benehmen mit dem Ältestenrat - allein entscheidungsbefugt ist. Eine Selbstverpflichtung dahingehend, die Federführung regelmäßig zu beanspruchen, hat sich der Europaausschuß in § 4 Abs. 1 Satz 2 EU-Grundsätze für den - in der Praxis bisher nicht vorkommenden - Fall der ausdriicklichen Ennächtigung zur plenarersetzenden Stellungnahme gern. § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT auferlegt. Eine weitergehende Verpflichtung zur Beteiligung des Europaausschusses ergibt sich schließlich auch nicht aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Verankerung. Wie gezeigt darf wegen Art. 45 Satz 1 GG der Geschäftsbereich zwar nicht ausgehöhlt werden. Der weitgehende Gestaltungsspielraum des Gesamtorgans bezüglich der näheren Ausgestaltung ist aber angesichts der verbleibenden Befugnisse des Ausschusses - besonders im Bereich europapolitischer Grundsatzfragen - nicht überschritten.
Früher § 93 Satz 1 (a.F.) GO-BT, heute § 93 Abs. 3 Satz 2 GO-BT. Früher § 93 Satz 2 (a.F.) GO-BT, heute § 93 Abs. 4 Satz 1 GO-BT. 281 Früher § 93 Satz 3 (a.F.) GO-BT, heute § 93 Abs. 4 Satz 2, 3. Var. GO-BT. Ergänzend kommt hinzu, daß auch der Europaausschuß mit Zustimmung des Ältestenrates eine Drucklegung beantragen kann bzw. daß dies im Ältestenrat allein vereinbart werden kann. 282 s. etwa BT-Drs. 13/4137 vom 18. März 1996: von 96 an die Ausschüsse überwiesenen Unionsvorlagen war der Europaausschuß in 6 Fällen mitberatend, in keinem Fall federführend tätig. Im Vergleich hierzu lag die Federführung in 37 Fällen bei dem Fachausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. 279 280
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Indem § 93 Abs. 2 Satz 1 GO-BT festlegt, daß die zuständigen Ausschüsse Unionsdokumente auch unabhängig von einer förmlichen Unterrichtung des Bundestages zum Verhandlungs gegenstand machen können, wird ein besonderes Selbstbefassungsrecht - nicht nur des Europaausschusses - statuiert, das sog. "Zugriffsrecht,,283. Wahrend nach den herkömmlichen Regeln gern. § 62 Abs. 1 Satz 3 GO-BT Ausschüssen, die im Wege der Selbstbefassung tätig werden, nicht das Recht zugebilligt wird, eine Beschlußempfehlung an das Plenum abzugeben, wird diese Möglichkeit nunmehr eröffnet. Dies steht allerdings unter dem Vorbehalt, daß solche EG-Vorlagen dem fraglichen Ausschuß nachträglich zur Federführung überwiesen werden?84 Hierfür spricht auch § 93 Abs. 3 GO-BT, demzufolge sowohl förmlich zugeleitete Unionsvorlagen wie auch aus eigenem Recht vom Parlament zum Verhandlungsgegenstand gemachte Unionsdokumente den Ausschüssen vom Präsidenten zur Beratung überwiesen werden. Der Europaausschuß hat dies im Hinblick auf seinen Geschäftsbereich, d. h. die Angelegenheiten der EU, die die Interessen der BRD beriihren könnten, auch ausdriicklich in § 1 Abs. 2 EUGrundsätze festgelegt. Schließlich wird durch § 93 Abs. 2 Satz 1 GO-BT klargestellt, daß der Bundestag und seine Ausschüsse bei Ausübung ihrer Mitwirkungsrechte im Rahmen der europäischen Rechtsetzung nicht auf die Vorgaben der Regierung angewiesen sind. Dies geht auch mit den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben konform. e) Beratungen im Ausschuß Die Ausschußsitzungen finden in jeder Sitzungswoche des Parlaments, in der Regel Mittwoch nachmittags ab 14 Uhr, statt. Außerdem wurde mit § 93 a Abs. 3 Satz 5 GO-BT angesichts des Bedürfnisses, auf den Briisseler Zeitplan flexibel zu reagieren, die Möglichkeit zu Sondersitzungen auch in den sitzungsfreien Wochen geschaffen. Aufgrund des Nachmittagstermins ist den Abgeordneten, die zugleich Mitglieder in Fachausschüssen sind, die Teilnahme an den Sitzungen möglich. 285 283 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 12. 284 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 278, zu dem insoweit entsprechenden abgelehnten Entwurf der SPD-Fraktion, BT-Drs. 1217823, S.2. 285 Trotz immer wieder geäußerter Kritik berät der Ausschuß nach dem System fester Abstimmungszeiten, s. Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 41. Das bedeutet, daß über Tagesordnungspunkte, für die eine weitere Beratung nicht mehr vorgesehen ist, nicht jeweils unmittelbar im Anschluß an die Aussprache, sondern am Ende der Sitzung, etwa nach vier Stunden, zu einem vorab vereinbarten und auf der Tagesordnung vermerkten Zeitpunkt abgestimmt wird. Dieses Verfahren trägt zwar der Mehrfachbelastung der meisten Ausschußmitglieder Rechnung und verhindert
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Allerdings führen kurzfristig angesetzte Aktuelle Stunden oder namentliche Abstimmungen im Plenum häufig zu Unterbrechungen des Sitzungsverlaufs. In der Tagesordnung, die nach den Vorgaben des § 9 EU-Grundsätze aufgestellt wird, spiegelt sich die AufgabensteIlung des Europaausschusses und seine Konzentration auf institutionelle Fragen wider. Seit der Arbeitsaufnahme des Europaausschusses im Januar 1995 kehrte regelmäßig als erster TOp, der auch mit Blick auf das Zeitdeputat am großzügigsten bemessen war, die Folgekonferenz zum Maastrichter Vertrag wieder. Dieser fand in dem TOP "Ratifizierung des Amsterdamer Vertrages", den der Europaausschuß im Januar/Februar 1998 federführend beraten hat, seine Fortsetzung. Hierzu wurde der Ausschuß regelmäßig durch den Staatsminister des AA unterrichtet; ferner unterrichteten Bundesminister oder der Bundeskanzler persönlich über die halbjährlich bevorstehenden Europäischen Räte, die wichtige Einschnitte der Konferenz bildeten. Neben der auführlichen Berichterstattung im Ausschuß fanden regelmäßig Unterrichtungen für den Vorsitzenden und die Obleute des Europaausschusses statt. 286 Ein weiterer bedeutsamer Tagesordnungspunkt ist gern. § 9 EU-Grundsätze den Berichten der Bundesregierung über bevorstehende oder vergangene Ratstagungen vorbehalten. Dieser Punkt wird genutzt, um den Regierungsmitgliedern, teilweise ohne förmliche Beschlußfassung, Hinweise für die Verhandlungsführung und das Abstimmungsverhalten in den Ministerräten und den Arbeitsgruppen zu geben. Diesem informelleren Mittel parlamentarischer Kontrolle wird mehr Zeit und ein größerer Stellenwert beigemessen, als der - seltenen, und zumeist nur mitberatenden - Behandlung europäischer Legislativvorschläge. Schließlich werden die vom Ausschußsekretariat in einer Sarnmelübersicht zur bloßen Kenntnisnahme vorgeschlagenen Vorgänge regelmäßig in einem dafür reservierten Tagesordnungspunkt en bloc am Sitzungsende abgehandelt. Die Beschlußfassung im Ausschuß soll drei Wochen nach Zuleitung der Sarnmelübersicht an die Obleute erfolgen. Als eigenständiger Tagesordnungspunkt wird eine solche Unionsvorlage nur dann aufgesetzt, wenn im Europaausschuß gegen die Aufnahme in die Sammelübersicht Widerspruch eingelegt wird. f) Abschließende Behandlung im Plenum
Sobald die Beratungen im (federführenden) Ausschuß abgeschlossen sind, wird dies dem Ältestenrat mitgeteilt, der über die Terminierung der abschließenden Plenarbehandlung befindet. Beschlußempfehlung und Bericht werden - wie im herZufallsmehrheiten, es führt aber auch zu einer wenig befriedigenden Präsenz vor den Abstimmungszeiten. 286 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 33.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
kömmlichen Verfahren - mit einem Vorblatt versehen vom Ausschuß dem Plenum zugeleitet. 287 Nach der Rückleitung an das Plenum könnte nun die in § 93 a Abs. 5 GO-BT neugeregelte Sonderbefugnis des Europaausschusses zum Tragen kommen: Herkömmlicherweise hat ein mitberatender Ausschuß keine Möglichkeit, im Plenum Gehör zu finden, wenn der federführende Fachausschuß auf die Berücksichtigung des Mitberatungsvotums verzichtet. Zwar muß die Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses gern. § 66 Abs. 2 Satz I GO-BT in der Beschlußempfehlung mitgeteilt werden, dies geschieht aber allein aus Sicht des federführenden Ausschusses und in dem von diesem als opportun empfundenen Ausmaß. Hier schafft § 93 a Abs. 5 GO-BT - zumindest theoretisch - Abhilfe, indem dem Europaausschuß das Recht eingeräumt wird, Änderungswünsche zur Beschlußempfehlung in Form eines Antrages in die Plenarberatungen einzubringen. Wenn sich auch die Konstruktion eines 1. mitberatenden Ausschusses in der 12. Wahlperiode nicht bewährt hat, so ist das Recht auf die Stellung von Änderungsanträgen doch übernommen und in der geschriebenen Geschäftsordnung verankert worden. Es ist angesichts des Selbstverständnisses des Europaausschusses derzeit unwahrscheinlich, daß es zu einer offenen Konfrontation zwischen Europaausschuß und Fachausschuß kommen wird. Allerdings dürfte schon die Existenz eines solchen Instruments eine auf Ausgleich angelegte Diskussion zwischen den Ausschüssen gewährleisten. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß das Änderungsantragsrecht auch dazu geeignet ist, in Reaktion auf plötzliche Änderungen in den europäischen Gremien die Plenardebatte auf den aktuellsten Stand zu bringen?88 Gerade der Europaausschuß als - jedenfalls für förmlich zugeleitete neue Informationen - erste AnlaufsteIle für das BMF ist für diese Aufgabe geeignet. Das Plenum stimmt in der Regel über mehrere Beschlußempfehlungen für EGVorlagen gemeinsam ab. Enthalten die Beschlüsse des Deutschen Bundestages Aufforderungen an die Bundesregierung, so werden sie vom Bundestagspräsidenten dem Bundeskanzleramt übersandt. 289
g) Haushaltsrechtliche Behandlung von Unionsvorlagen In der praktischen Anwendung des neuen § 93 GO-BT zeigten sich sehr schnell Kollisionsprobleme mit dem in § 96 GO-BT verankerten Mitberatungsrecht des
287 Dach, Das Ausschußverfahren nach der Geschäftsordnung und in der Praxis, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 40 Rdnr. 86 f.; Ritzel/Bücke" Handbuch für die Parlamentarische Praxis, Anh. zu § 66 GO-BT. 288 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 30. 289 Kabel. Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (254).
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Haushaltsausschusses. Als problematisch erschien, daß gern. § 80 Abs. 3 Satz 2 GO-BT durch eine im federführenden Ausschuß beschlossene bloße Kenntnisnahme der Vorlage abweichende Mitberatungsvoten weder dem Plenum noch der Bundesregierung offiziell bekannt werden. Nur bei einem über die Kenntnisnahme hinausgehenden federführenden Votum wären die Auffassungen der mitberatenden Ausschüsse gern. § 66 Abs. 2 Satz I GO-BT notwendig dem Plenum mitzuteilen gewesen. Auch eine Verteilung des Dokuments als Bundestagsdrucksache ist gern. § 93 Abs. 4 Satz 2 GO-BT grundsätzlich 290 nur für diesen Fall vorgesehen. Da außerdem bereits die Überweisungsentscheidung gern. § 93 Abs. 3 GO-BT durch den Präsidenten und nicht durch die Vollversammlung erfolgt291 , findet U.U. zu keinem Zeitpunkt eine Plenarbehandlung statt. Diese Verfahrensverkürzung, die angesichts der Erfahrungen mit der früheren EG-Vorlagenbehandlung eingeführt wurde und die grundsätzlich unabdingbar für eine sachgerechte Schwerpunktsetzung ist, könnte allerdings mit den besonderen Rechten des Haushaltsausschusses unvereinbar sein. Bei der Ausübung des Budgetbewilligungsrechts des Bundestages kommt dem Haushaltsausschuß gern. §§ 95, 96 GO-BT eine zentrale Rolle bei der Beschlußvorbereitung zu. Wahrend § 95 GO-BT die Behandlung von Haushaltsvorlagen regelt, also von Vorlagen, die den Bundeshaushalt unmittelbar betreffen, behandelt § 96 GO-BT die sog. Finanzvorlagen. Darunter fallen gern. § 96 Abs. I Satz I GO-BT alle Vorlagen, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung oder ihres finanziellen Umfangs geeignet sind, auf die öffentlichen Finanzen des Bundes oder der Länder erheblich einzuwirken, und die nicht Haushaltsvorlagen sind. Wahrend der Haushaltsausschuß für Haushaltsvorlagen die Federführung hat, gibt er zu den Finanzvorlagen unabhängig vom federführenden Fachausschuß einen eigenen Bericht zu den Auswirkungen der Vorlage auf die öffentlichen Finanzen ab (sog. ,,96er-Bericht"). Ein Konkurrenzproblem stellt sich vor diesem Hintergrund dann, wenn eine Unionsvorlage gleichzeitig eine Finanzvorlage sein kann. Sofern die Möglichkeit einer Unions-Finanzvorlage allein unter Rekurs auf § 10 Abs. I der Bundeshaushaltsordnung (BHO) bejaht wird,292 wird außer Acht gelassen, daß die Vorschrift 290 Eine Drucklegung erfolgt des weiteren, wenn es im Ältestenrat vereinbart wird oder wenn der Europaausschuß es mit Zustimmung des Ältestenrates beantragt. 291 Beispielsweise wurde die Kommissionsmitteilung "Die Aktion der Gemeinschaft zugunsten der Kultur", die Vorschläge für zwei Förderprogramme "Kaleidoskop 2000" und "Ariane" beinhaltete, weIche der Umsetzung des Art. 128 EGVa.F. (Art. 151 EGV n.F.) dienen sollten, von der Präsidentin gern. § 93 Abs. 3 GO-BT federführend an den Innenausschuß und zur Mitberatung u.a. an den Haushaltsausschuß und den Europaauschuß überwiesen, BTDrs. 13/218, S. 2 ffd. Nr. 5. Eine Berichterstattung an den Bundestag fand gern. § 80 Abs. 3 GO-BT nicht statt. Es wurde lediglich die Kenntnisnahme durch den Innenausschuß in den Amtlichen Mitteilungen der Präsidentin bekannt gegeben, BT-PIPr. 13. WP / 39. Sitzung vom 19. Mai 1995, S. 3135, Anl. 2. 292 So für Verordnungs- und Richtlinienentwürfe der EG Ritzel! Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 96 GO-BT, Anm. I.1.c.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
aus dem Jahr 1969 stammt, als die EG sich noch aus den Beiträgen der Mitgliedstaaten finanzierte. Vor diesem Hintergrund legte § 10 Abs. 1 BHO fest, daß die Bundesregierung neben ihren Gesetzentwürfen auch den europäischen Sekundärrechtsentwürfen einen Überblick über die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden beizufügen hatte. Mit dem Übergang zur Eigenmittelfinanzierung der EG293 hat sich die Bedeutung des § 10 Abs. 1 BHO gewandelt, da die nationalen Haushalte nicht mehr unmittelbar berührt werden,z94 Die Eigenmittel der Union gehören haushaltsrechtlich nicht mehr zu den Bundeseinnahmen, unterliegen also nicht mehr dem parlamentarischen Budgetrecht des Bundesgesetzgebers. 295 Etwas anderes gilt allerdings in solchen Fällen, in denen der deutsche Anteil an den Eigenmitteln der EU nach dem Inkrafttreten einer Unionsvorlage zwangsläufig erhöht werden müßte. Trotz der Eigenmittelfinanzierung der Union gern. Art. 269 EGV 296 ist es aber auch darüber hinaus nicht völlig ausgeschlossen, daß Unionsvorlagen die Voraussetzungen einer Finanzvorlage gern. § 96 Abs. 1 GO-BT erfüllen. Dies gilt zum einen für diejenigen Bereiche, die ausnahmsweise doch unmittelbar von den Mitgliedstaaten getragen werden. So hat der Rat gern. Art. 28 Abs. 3 EUV 297 im Bereich der GASP und im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen gern. Art. 41 Abs. 3 EUV 298 die Option, diese Finanzierungsalternative anstelle der Belastung des EU-Haushalts zu wählen. In diesem Fall unterliegen die Ausgaben dem Budgetbewilligungsrecht des Deutschen Bundestages. Für die Sekundärrechtsetzungsakte nach dem EG-Vertrag gilt dies aber nicht; die von § 96 Abs. 1 GO-BT geforderten erheblichen Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen könnten allenfalls mittelbar gegeben sein. Da Mittelbarkeit im Einzelfall ausreichen kann,299 kommt es auf den konkreten Sekundärrechtsakt an. Im Zweifel bedarf es gern. § 96 Abs. 1 Satz 2 GO-BT einer Entscheidung des Plenums nach Anhörung des Haushaltsausschusses. Ein Beispiel für mittelbare Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen sind regelmäßig die Förderprogramme der EG, die in der Regel eine Kofinanzierung dahingehend voraussetzen, daß die Mitgliedstaaten 293 Der Grundsatzbeschluß zur Ersetzung der Beträge durch Eigenmittel stammt aus dem Jahr 1970; seit 1980 wird der Haushalt der Gemeinschaften vollständig aus eigenen Mitteln finanziert, s. Schweitzer/Hummer; Europarecht, 5. Aufl. 1996, Rdnr. 748 f. 294 Dommach, in: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, § 10 BHO (Stand der Bearb. August 1997), Anm. 2. 295 Dommach, in: Heuer, Kommentar zum Haushaltsrecht, § 11 BHO (Stand der Bearb. Februar 1992), Anm. 6. Die Eigenmittel werden nur in einer Anlage "E" zum Haushaltsplan dargestellt. 296 Art. 201 EGVa.F.
Art. J.ll Abs. 2 EUVa.F. Art. K 8 Abs. 2 EUVa.F. für die Zusammenarbeit in den Bereichen Justiz und Inneres. 299 Ritzel/Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 96 GO-BT, Anm.l.l.b) erachten die Betroffenheit von Gemeindefinanzen als mittelbare Auswirkung auf den Länderhaushalt als ausreichend für die Annahme einer Finanzvorlage. 297 298
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die EG-Mittel durch eigene Leistungen ergänzen?OO Die Belastung des nationalen Haushalts ist damit vorprogrammiert, wenn nicht die Teilnahme an dem Förderprogramm gefährdet werden soll. Es besteht also grundsätzlich die Möglichkeit, daß Unionsvorlagen gleichzeitig Finanzvorlagen sind. Namentlich die vom Haushaltsausschuß gern. § 96 Abs. 4 Satz 2, 2. HS GO-BT durchzuführende Vereinbarkeitsprüfung mit künftigen Haushalten und den Deckungsmöglichkeiten wäre damit beeinträchtigt. Um dieser geschäftsordnungsrechtlichen Kollision entgegenzuwirken wurde im Jahr 1997 auf Grundlage eines Beschlusses des 1. Ausschusses § 80 Abs. 3 GO-BT um einen Satz 3 ergänzt: 301 "Erhebt der Haushaltsausschuß gegen eine Unionsvorlage (§ 93), deren Finanzierung nicht durch den jeweiligen jährlichen Eigenmittelansatz der EU gedeckt ist oder erkennbar nicht gedeckt sein wird, Bedenken zu ihrer Vereinbarkeit mit dem laufenden oder mit künftigen Haushalten des Bundes, hat der federführende Ausschuß Bericht zu erstatten."
Es bleibt also nicht bei einem eigenen Berichtsrecht des Haushaltsausschusses, dies entspricht aber der Besonderheit der allenfalls mittelbaren und nur im Einzelfall gegebenen Auswirkungen, die die Sekundärrechtsakte auf den nationalen Etat haben. Daneben bleibt es dem Haushaltsausschuß unbenommen, seine Position "ins Gedächtnis" zu rufen, indem er seine haushaltsrechtlichen Bedenken und Mitberatungswünsche dem koordinierenden Europaausschuß bereits bei Anmeldung der Beratungswünsche mitteilt. Denkbar ist es auch, daß der Ältestenrat für diese Fälle auf Grundlage von § 93 Abs. 4 Satz 2, 2. Var. GO-BT generell vereinbart, die betreffenden Unionsvorlagen als Bundestagsdrucksachen zu verteilen. Nachdem nunmehr das neue Unionsvorlageverfahren und seine Verbesserungen herausgearbeitet wurden, sowie die - eher verwaltungtechnisch-koordinierende als für die inhaltliche Gestaltung der europäischen Sekundärrechtsetzung bedeutsame - Rolle des Europaausschusses hierbei, ist nun dessen verfassungsrechtlich gesicherte Sonderbefugnis aus Art. 45 Satz 2 GG zu betrachten. Hier stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3 LY.m. Art. 20 Abs. 2 GG; ferner ist auch die Rechtmäßigkeit der geschäftsordnungsmäßigen Ausgestaltung und der Parlamentspraxis zu untersuchen.
300 So auch die Förderprogramme "Kaleidoskop 2000" und "Ariane", BT-Drs. 13/218, S. 2, lfd. Nr. 5; BT-PlPr. 13. WP/39. Sitzung vom 19. Mai 1995, S. 3135, An!. 2. 301 BT-Drs. 1317048, S. 2 f.; 17. März 1997, BGB!. I, 747. Zuvor war eine andere Lösung des Konflikts in den parlamentarischen Gremien erwogen worden. Die Einführung eines neuen § 96 a GO-BT hätte sich aber als zu kompliziert ohne hinreichenden rechtlichen Vorteil erwiesen, zumal lediglich mit bis zu 5 - 10 Anwendungsfällen pro Rechnungsjahr gerechnet wurde. Bei denjenigen EG-Vorhaben, die Auswirkungen auf die Veränderung der Eigenmittel der EU haben werden und die damit höhere Beitragssätze der Mitgliedstaaten zeitigen, sind nach Auskunft des BMF sogar nur 4-5 Vorgänge pro Wahlperiode zu erwarten, s. BT-Drs. 1317048, S. 3.
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111. Plenarersetzende Stellungnahmen gern. Art. 4S Satz 2 GG
i. inhalt der Delegationsermächtigung
Ein Vorlageverfahren endet herkömmlicherweise damit, daß der federführende Fachausschuß gegenüber dem Plenum seine Beschlußempfehlung abgibt. Daraufhin nimmt der Bundestag als Gesamtorgan nach abschließender Beschlußfassung gegenüber der Regierung Stellung. Nunmehr existiert eine alternative Möglichkeit: Art. 45 Satz 2 GG normiert, daß der Bundestag den Europaausschuß zur Wahrnehmung seiner Rechte gern. Art. 23 GG gegenüber der Bundesregierung ermächtigen kann. Die hiermit gestattete widerrufliche 302 Übertragung von originären Kompetenzen des gesamten Hauses bedeutet ein parlamentsrechtliches Novum; erstmals wird dem Bundestag ausdriicklich und verfassungskräftig die Möglichkeit der Delegation von Befugnissen auf einen Ausschuß eröffnet. 303 Um eine Delegation handelt es sich hier, wenn man in Anlehnung an Triepel hierunter einen Rechtsakt versteht, durch den der Inhaber einer Zuständigkeit seine Kompetenz (teilweise) auf ein anderes Subjekt überträgt und dieses die übertragenen Kompetenzen im eigenen Namen und unter eigener Verantwortung ausübt. 304 Selbst wenn der Europaausschuß seine Rechte aber nur für und im Namen des Plenums wahrnähme, bedeutete dies im Hinblick auf die Bindungswirkung für das Gesamtorgan keinen Unterschied. 305 Ermächtigungsadressat ist allein der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union. Angesichts des problematischen Verhältnisses des Europaausschusses zu den beteiligten Fachausschüssen könnte es mitunter zwar effektiver erscheinen, den jeweils federführenden Fachausschuß mit der Entscheidungsbefugnis zu betrauen. Diesen jeweiligen Fachausschuß aber als "Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union" i. S. d. Art. 45 Satz 2 GG anzusehen, ist nicht nur ,,reichlich gewagt",306 sondern eine vom Wortlaut nicht gedeckte unzuSchlußbericht der GVK, BT-Drs. 12/ 6000, S. 24. Sofern entgegen der hier vertretenen Auffassung ein neben Art. 23 Abs. 3 GG bestehender Totalvorbehalt des Bundestages bejaht wird (s. oben Kap. 2, A.III.I., S. 132 ff.), hätte Art. 45 Satz 2 GG nur zum Teil kompetenzbegründenden, zum Teil aber auch kompetenzbegrenzenden Charakter. Der Europaausschuß könnte an Stelle des Plenums Stellungnahmen abgeben, das Recht zur Bindung der Regierung in europäischen Angelegenheiten durch Gesetzesbeschluß verbliebe dagegen beim Gesamtparlament. Eine solche Interpretation ist mit der ausdrücklichen und abschließenden Kompetenzzuweisung des Art. 23 GG wie gezeigt aber unvereinbar. 304 Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht, 1942, S. 23, 26; so auch Schenke, Delegation und Mandat im Öffentlichen Recht, VerwArch. 68 (1977), 118 (120 f.). 305 Für die Unterschiedslosigkeit Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (30); Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998, S. 167 ff.; für die EG-Kammer im Verhältnis zum Bundesrat Schütz, Die EG-Kammer - Delegationsbefugnis und Geschäftsordnungsautonomie des Bundesrates, NJW 1989,2160 (2161). 302 303
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lässige Interpretation der Norm, der - wie die folgende Betrachtung zeigen wird Ausnahmecharakter im System des Grundgesetzes zukommt. Was den Gegenstand der möglichen Ermächtigung anbelangt, so nennt Art. 45 Satz 2 GG die Rechte gern. Art. 23 GG. Dies kann nicht über den eindeutigen Wortlaut hinaus dahingehend ausgelegt werden, daß der Ausschuß etwa zu Gesetzesbeschlüssen bei der Umsetzung von EG-Recht in nationales Recht ermächtigt werden könnte. Übertragbar sind allein die Rechte aus Art. 23 Abs. 2 und 3 GG, wie sich aus dem Entwicklungs- und Sachzusammenhang der Artikel ergibt. 307 Nicht Gegenstand einer möglichen Ermächtigung sind damit die Zuständigkeiten aus Art. 23 Abs. 1 GG, etwa die Gesetzgebung zur Übertragung von Hoheitsrechten. Der Europaausschuß darf mithin ermächtigt werden, sowohl die Informationsund Befassungsrechte wie auch das Stellungnahmerecht wahrzunehmen und somit in allen Verfahrenssstadien gegenüber der Bundesregierung zu handeln. 308 Bei allen Handlungsvarianten handelt es sich dabei um eine Delegation im o.g. Sinn, denn eine solche ist nicht auf die Übertragung von Entscheidungszuständigkeiten beschränkt. 309 Von dem uneingeschränkten Wortlaut des Art. 45 Satz 2 GG differiert § 2 Satz 2 EUZBBG insoweit, als hiernach die Ermächtigung "zur Abgabe von Stellungnahmen" erfolgen kann. Teilweise wird dies als "redaktionelle Ungenauigkeit" gewertet. 310 Jedenfalls kann der Abweichung vor dem Hintergrund von Wortlaut und Entstehungsgeschichte der höherrangigen Verfassungsvorschrift keine einschränkende Bedeutung zukommen. Die einfachgesetzliche Regelung stellt lediglich mit dem Stellungnahmerecht einen tragenden Aspekt der parlamentarischen Beteiligungsrechte in den Vordergrund, der auch vorliegend zur Überprüfung verfassungsrechtlicher Bedenken Anlaß gibt. Die geschäftsordnungsmäßige Wendung in § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT entspricht wiederum der verfassungsrechtlichen Formulierung. Im übrigen ist Art. 45 Satz 2 GG im Hinblick auf Art und Umfang der Delegation bewußt offen gehalten. Die Formulierung, der Bundestag "kann ... ermächti306 So HölscheidtlSchotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994,230 (233). 307 MöllerlLimpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993,21 (30); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (247 f.). 308 Schlußbericht der GVK, BT-Drs. 12/6000, S. 24; MöllerlLimpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993,21 (31); Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 300. 309 Abmeier; Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 78 f.; anders Kreuzer; Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichterwahlen und Immunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestages, Der Staat 7 (1968), 183 (188). 310 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 300.
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gen", zeigt, daß keine verfassungsrechtliche Pflicht des Bundestages zur Rechtsübertragung besteht. Der Wortlaut läßt außerdem neben einer auf den Einzelfall beschränkten Übertragung ebenso generelle wie auch partielle Delegationen zu. Auch die genetische Betrachtung zeigt, daß auf Verfassungsebene keine Beschränkungen statuiert werden sollten, sondern daß die nähere Ausgestaltung der Geschäftsordnung des Deutschten Bundestages überantwortet blieb?lI Tendenziell bestanden bei den Berichterstattern der Gemeinsamen Verfassungskommission (GVK) allerdings Bedenken gegen eine weitreichende pauschale Ermächtigung, vielmehr wurde eine Ermächtigung von Fall zu Fall favorisiert?12 Die Gebotenheit einer eher restriktiven Handhabung wird auch durch die folgende verfassungssystematische und teleologische Betrachtung deutlich.
2. Veifassungsrechtliche Zulässigkeit der Delegationsermächtigung
a) Problemstellung Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Delegation von Entscheidungsfunktionen vom Plenum des Verfassungsorgans auf ein verkleinertes Unterorgan grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig ist. Erst im Anschluß ist die Verfassungsmäßigkeit der konkreten geschäftsordnungsrechtlichen Ausgestaltung und der Parlamentspraxis zu beleuchten. Einerseits ist die Delegation von Mitwirkungsrechten auf den Europaausschuß gerade dazu bestimmt, dem Demokratieprinzip und der Funktionenordnung des Grundgesetzes zu dienen, d. h. konkret die Funktionsfähigkeit des Parlaments und die Effektivierung der Befugnisse aus Art. 23 GG zu fördern. Andererseits gründen im Prinzip der repräsentativen Demokratie aber auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Konzeption des Europaausschusses als entscheidungsbefugter Organteil. Die Bedenken konzentrieren sich dabei auf das Beschlußrecht, weniger auf die Informations- und Befassungsrechte, denn die Übertragung letzterer entspricht der üblichen und allgemein anerkannten Arbeitsteilung zwischen dem Parlament und seinen Hilfsorganen 313 • Mit Art. 45 Satz 2 GG könnte verfassungswidriges Verfassungsrecht geschaffen worden sein, wenn die Delegationsermächtigung gegen den verfassungsänderungs311 Beschlußempfehlung und Bericht des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)", BT-Drs. 12/3896, S. 21, 23; Schlußbericht der GVK, BT-Drs. 12/6000, S. 24; Scho/z, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 (Stand der Bearb. Oktober 1996), Rdnr. 6. Die Annahme, Wortlaut und Sinn des Art. 45 Satz 2 GG geböten eine extensive Ausgestaltung und Handhabung der Delegationsbefugnis, ist daher zu weitgehend, so aber Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 45 Rdnr. 8. 312 GVK-StenBer., 11. Sitzung vorn 15. Oktober 1992, S. 4. 313 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 78; Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (31); Kasten, Plenarvorbehalt und Ausschußfunktion, DÖV 1985,222.
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festen Kern des Prinzips der repräsentativen Demokratie verstieße, d. h. gegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.Y.m. Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1,2 GG. 314 Eine über den Gewährleistungsumfang des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG hinausgehende Rechtsstellung für Abgeordnete vermittelt das Demokratieprinzip als solches nicht. 315 Fraglich ist, ob es mit dem unerläßlichen Gehalt des repräsentativen Status der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren ist, daß ihre parlamentarischen Beteiligungsrechte verkürzt werden, namentlich daß ihnen das Schlußabstimmungsrecht im Plenum entzogen wird. Zwar trifft die Erwägung zu, daß erst eine konkrete Übertragung einzelne Abgeordnete in ihren Rechten unmittelbar gefährden kann. 316 Relevant ist dies allerdings nur für die Frage nach der Antragsbefugnis eines MdB gern. § 64 Abs. 1 BVerfGG im Rahmen eines Organstreitverfahrens. Nicht ausgeschlossen ist hierdurch indes, daß bereits die abstrakte Festschreibung einer Rechtsgrundlage für die Delegation u.U. verfassungswidrig sein kann und am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG zu überprüfen ist. b) Der repräsentative Status der Abgeordneten im Spannungsverhältnis zur Funktionsfähigkeit des Bundestages Indem Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG die Abgeordneten als Vertreter des ganzen Volkes nennt, gewährleistet die Vorschrift das Recht und die Pflicht des einzelnen Abgeordneten, an der Willensbildung und Entscheidungsfindung des Bundestages mitzuwirken. Dies umfaßt das Rede- und das Stimmrecht, die Beteiligung an der Ausübung des Frage- und Informationsrechts des Bundestages, Initiativrechte, Wahlbeteiligungsrechte etc. 317 Fraglich ist, in welchen Gremien und in welchem Umfang diese Rechte notwendig gewährleistet sein müssen. In dem arbeitsteiligen System des Bundestages kommt dem Plenum im wesentlichen die Funktion zu, abschließende Entscheidungen auf der Basis der Beschlußempfehlungen der Ausschüsse zu treffen. 318 Demgegenüber findet die entscheiden314 Diesbezüglich ist derzeit ein Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (2 BvE 6/93) anhängig; Antragsteller ist der frühere fraktionslose Abgeordnete Lowack (12. WP), s. BT-Drs. 12/5573. Ein weiteres von Lowack angestrengtes Organstreitverfahren gegen das 16. Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes (Fraktionsgesetz 1994) brachte keine weitere Klärung zur RechtsteIlung (fraktionsloser) Abgeordneter, da der Antrag als unzulässig verworfen wurde, BVerfGE 92, 74 (79), s. hierzu Ritzel/Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 57 GO-BT (Stand der Bearbeitung Juli 1993), Anm. Va.E. 315 Nach BVerfGE 80, 188 (220 f.) geht auch die vorherige Rechtsprechung zum Schutz parlamentarischer Minderheiten, zur Gleichheit der Abgeordneten und zum Prinzip repräsentativer Demokratie bzgl. der AbgeordnetensteIlung in Art. 38 Abs. 1 !?atz 2 GG auf; ebenso Schulze-Fielitz, Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DOV 1989,829 (832). 316 So Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 338. 317 BVerfGE 70, 324 (355); BVerfGE 80, 188 (218); Magiera, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 38 Rdnrn. 58 ff. 318 Raban Grafvon Westphalen (Hrsg.), Parlamentslehre, 1993, S. 216.
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de Sacharbeit im Vorfeld in den Ausschüssen statt, wenn nicht sogar in den Gremien der Fraktionen. Dies entspricht nicht nur der parlamentarischen Tradition in Deutschland; auch das Grundgesetz setzt in den Artt. 43 ff. GG die Gliederung des Bundestages in Ausschüsse voraus. Die Ausgestaltung im Detail erfolgt dann auf der Grundlage der Geschäftsordnung des Bundestages. Sein Selbstorganisationsrecht, konkret hier die in Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG garantierte Geschäftsordnungsautonomie setzt ihn dabei in den Stand, durch Gestaltung seiner Binnenorganisation seine Funktionsfähigkeit zu erhalten und die Bewältigung der Aufgabenvielfalt zu gewährleisten. Die Regelungen der GO-BT wirken sich dann allerdings beschränkend auf die Rechte der einzelnen Abgeordneten aus: Wahrend im - nach "Hunderten" bemessenen - Plenum eine Vielzahl der Gesamtbevölkerung vertreten ist, führt eine Verengung auf ein - nach "Zehnern" beschicktes - Unterorgan notwendig zu einer Schmälerung des Meinungsspektrums. 319 Hinzu tritt, daß die Besetzungsmodalitäten (Beschickung statt Wahl) und das Verfahren (Nichtöffentlichkeit der Sitzungen) bei herkömmlicher Ausschußorganisation in erheblich geringerem Maße der Vermittlung demokratischer Legitimation dienen. 32o Es besteht also im Rahmen des Demokratieprinzips ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 38 Abs. I Satz 2 GG und Art. 40 Abs. I Satz 2 GG. Dabei ergeben sich namentlich für die Geschäftsordnungsautonomie Bindungen aufgrund der parlamentarischen Beteiligungsrechte der Abgeordneten. 321 Aber auch jene sind Einschränkungen unterworfen: Die Mitwirkungsrechte der Abgeordneten und die Funktionsfahigkeit des Bundestages sind gleichermaßen Rechtsgüter von Verfassungsrang und als solche nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so auszulegen, daß beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen. 322 Das Bundesverfassungsgericht bewertet die Autonomie des Bundestages aus Art. 40 Abs. I Satz 2 GG, durch seine Geschäftsordnung die Funktionsfahigkeit des Parlaments zu gewährleisten, als tragfähigen Grund von Verfassungsrang, der eine Beschränkung der Abgeordnetenrechte im Einzelfall rechtfertigen kann. 323 Nach der "Wüppesahl"-Entscheidung bestehen gegen das arbeitsteilige Ausschußsystem als solches keine Bedenken, vorausgesetzt, daß der Ausschuß ein verklei319 Schütz, Die EG-Kammer -Delegationsbefugnis und Geschäftsordnungsautonomie des Bundesrates, NJW 1989,2160 (2163). 320 Zur Bedeutung dieser Aspekte für die demokratische Legitimation s.o. Kap. 2, A.V.4.c)bb) (S. 169 ff.). 321 Böcken!örde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/ Kirchhof, HdbdStR I, 1987, § 22 Rdnr. 45; Maunz/Zippelius, Deutsches Staatsrecht, 29. Auf]. 1994, § 30 IV 2 (S. 263). Zur Geltung des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG für die Ausschußarbeit Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, S. 176 ff. 322 Püttner / Kretschmer, Die Staatsorganisation, 2. Auf]. 1993, S. 105; Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 340 f.; Schulze-Fielitz, Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DÖV 1989, 829 (833); allg. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf]. 1995, Rdnr. 72. 323 BVerfG,DVBI. 1998, 90 - "POS 11".
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nertes Abbild des Plenums darstellt und dessen Stärkeverhältnissen entspricht. 324 Die hiermit geforderte Eigenschaft eines "Spiegelbilds" des Plenums ist nur dann verwirklicht, wenn dem Abgeordneten die Rede-, Antrags- und Stimmrechte grundsätzlich auch im Ausschuß zustehen. Auch Gruppierungen fraktionsloser Abgeordneter müssen daher bei der Zusammensetzung von Ausschüssen beriicksichtigt werden, wenn auf sie bei der gegebenen Ausschußgröße aufgrund des vom Bundestag angewandten Proportionalverfahrens Sitze entfielen. 325 In jedem Fall sind bei der abschließenden Befassung und Abstimmung im Plenum alle MdB zur Ausübung ihrer parlamentarischen Rechte im Stande.
c) Besondere Problematik von Ausschüssen mit Beschlußfunkionen Sofern Parlamentsausschüsse nun nicht lediglich vorbereitend tätig sind, entfällt die Möglichkeit der Nichtmitglieder, ihre fehlende Ausschußmitarbeit im Plenum zu kompensieren. Dies gilt sowohl für fraktionsangehörige wie auch für fraktionslose Abgeordnete; bei letzteren sind weitere Beeinträchtigungen dann gegeben, wenn sie zwar Mitglieder des entscheidungsbefugten Ausschusses sind, ohne indes ein Stimmrecht zu besitzen. Fraglich ist allerdings, ob gerade diese Aspekte zum Kerngehalt des repräsentativen Status der Abgeordneten gern. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 i.Y.m. Art. 79 Abs. 3, 20 Abs. 1,2 GG gehören. Aufschlußreich ist hier der Meinungsstand bezüglich der Verfassungsmäßigkeit einer Delegation von Aufgaben (Entscheidungsbefugnissen) auf Bundestagsausschüsse bei fehlender verfassungsrechtlicher Verankerung. Während vorliegend mit Art. 45 Satz 2 GG erstmals eine solche verfassungsrechtliche Regelung gegeben ist, wird die Zulässigkeitsfrage gemeinhin vor dem Hintergrund diskutiert, daß das Grundgesetz die Übertragung von Aufgaben des Plenums auf Ausschüsse weder ausdriicklich erlaubt noch verbietet. Dennoch kennt die Verfassungswirklichkeit zahlreiche Beispiele, in denen Ausschüsse nicht nur vorbereitend, sondern entscheidend tätig sind. Der Materie nach handelt es sich dabei auch keineswegs nur um Geschäftsordnungsbefugnisse - wie etwa im Falle des Ältestenrates, der gern. § 6 Abs. 2 GO-BT über innere Angelegenheiten des Bundestages beschließt. Sachentscheidungsbefugnisse mit Außenwirkung gegenüber anderen Verfassungsorganen nehmen etwa das aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses bestehende Vertrauensgremium nach § 10 a BHO;326 der Haushaltsausschuß bei Zustimmung zur Freigabe gesperrter Mittel;327 der Richterwahlausschuß gern. Art. 94 Abs. 1 Satz 2 i.Y.m. § 6 Abs. 2 324 BVerfGE 80, 188 (222); BVerfGE 84,304 (323) - "POS I"; früh bereits: ]örg Kürschner, Die Statusrechte des fraktionslosen Abgeordneten, 1984, S. 181; Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 167 ff. 325 BVerfGE 84, 304 (LS 3a, 323); Ritzel/Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 12 GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), Anm. I c. 326 BVerfGE 70, 324 (358 ff.).
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BVerfGG und der"G 10 - Ausschuß" gern. Art. 10 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 1 § 9 G lO-Gesetz wahr. Wenn in Rechtsprechung und Literatur diese Parlamentspraxis kritisiert wird, dann geschieht dies fast ausnahmslos 328 nicht in generalisierender Art und Weise, sondern im Hinblick auf bestimmte Fälle und die konkrete Ausgestaltung der jeweiligen Delegation. 329 Dieser Ansatz ist zutreffend, denn nur auf diese Weise kann dem zuvor dargelegten Gedanken der praktischen Konkordanz von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 und Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung getragen werden. Die hierfür entwickelten Kriterien lassen sich wie folgt ordnen: Zum einen ist die delegierte Materie zu betrachten. Je politisch gewichtiger oder "wesentlicher" die zu behandelnde Angelegenheit, um so eher wird eine Delegation als unzulässig anzusehen sein. 330 Zugespitzt wird teilweise formuliert, daß der Gesetzesvorbehalt im Sinne der Wesentlichkeitstheorie insofern mit einem P1enarvorbehalt korreliert?31 Als Maßstab für die Wesentlichkeit seien insbesondere die Verfassungs vorschriften, die von der Kompetenz des Parlaments handeln, auszulegen und zu beriicksichtigen. 332 Beispielsweise verbietet sich eine Delegation hinsichtlich aller Aufgaben, deren Erfüllung kraft verfassungsrechtlicher Vorgabe von der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments abhängt, wie z. B. die Kanzlerwahl gern. Art. 63 Abs. 2 Satz 1 GG. Ferner muß die konkrete Ausgestaltung der Ausschußarbeit so erfolgen, daß die Rechte des Plenums und der einzelnen Abgeordneten so weit wie möglich gewährleistet sind; nach Berg muß die Übertragung stets auf der Stufe vorgenommen werden, die die Rechte des Gesamtorgans möglichst wenig vermindert und die Rechte Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 679. So aber Kreuzer, Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichterwahlen und Immunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestages, Der Staat 7 (1968), 183 (186), demzufolge Kompetenzdelegationen des Parlaments auf Teile seiner selbst unzulässig und mit der Repräsentation des Staatsvolkes unvereinbar sind. 329 Gegen die Übertragbarkeit von abschließenden Beschlüssen über Gesetzesvorlagen etwa BVerfGE 1, 144 (152,154); BVerfGE 44,308 (317); ohne Bedenken bzgl. § 10 a BHO dagegen BVerfGE 70,324 (358 ff.); differenzierend auch Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 681; Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 82; Kasten, Plenarvorbehalt und Ausschußfunktion, DÖV 1985, 222 (224 f.). Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (37) hält etwa die Übertragung von Vorentscheidungen in Immunitätsangelegenheiten nach Maßgabe von Abschnitt A Nr. 13 zu Anlage 6 der GO-BT für zulässig, nicht dagegen diejenige zur Verfassungsrichterwahl durch den "Wahlmännerausschuß" (heute Wahlausschuß) gern. § 6 Abs. 2 BVerfGG. 330 Schütz, Die EG-Kammer-Delegationsbefugnis und Geschäftsordnungsautonomie des Bundesrates, NJW 1989,2160 (2162). 331 Kasten, Plenarvorbehalt und Ausschußfunktion, DÖV 1985,222 (225 f.). 332 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 681; Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (34). 327 328
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anderer überhaupt nicht verletzt. 333 Es muß ein Verfahren garantiert sein, das dem der Vollversammlung möglichst ähnlich ist und die Entscheidungskompetenz des Ausschusses muß sich derjenigen des Plenums als überlegen erweisen, ohne dabei jedoch die parlamentarische Repräsentanz wesentlich zu verkürzen. 334 Letztlich ist festzuhalten, daß die geschäftsordnungsmäßige Zusammensetzung des in Frage stehenden Ausschusses, seine Entscheidungsstrukturen, Arbeitsziele und - verfahren den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit genügen müssen.
d) Die Möglichkeit der Delegation auf den Europaausschuß aa) Keine Unzulässigkeit trotz Wesentlichkeit der Beteiligungsrechte
Bei der Auslegung, wann eine Angelegenheit politisch so wesentlich ist, daß von einer Alleinzuständigkeit des Plenums ausgegangen werden muß, ist insbesondere die Verfassungsentscheidung für oder gegen Übertragungen zu berücksichtigen. Dieser Gedanke wirkt sich vorliegend wie folgt aus: Art. 45 Satz 2 GG ist eine ausdrückliche Verfassungsentscheidung für die Delegation, sie modifiziert das im Rahmen des Demokratieprinzips bestehende Spannungsverhältnis zwischen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG zugunsten der Funkionsfahigkeit. Was die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Modifikation anbelangt, so stützen selbst diejenigen Stimmen, die für eine generelle Unzulässigkeit einer Delegation von Beschlußfunktionen auf Ausschüsse plädieren, dies auf einen mangelnden verfassungsrechtlichen Vorbehalt. 335 Im Urnkehrschluß bedeutet das konsequenterweise, daß im Fall einer entsprechenden Verfassungsänderung die Zulässigkeit gegeben ist - jedenfalls wird auch von dieser Ansicht keine grundsätzliche Unvereinbarkeit mit Art. 79 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1,2 GG angenommen. Dennoch könnte im konkreten Fall die Schranke der Ewigkeitsgarantie überschritten sein. Geht man davon aus, daß politisch gewichtige oder wesentliche Angelegenheiten der unmittelbaren demokratischen Legitimation durch das Plenum bedürfen, dann könnten sich Bedenken angesichts des Gegenstandes der Delegation, d. h. hier der Rechte aus Art. 23 GG ergeben. Teilweise wird zu bedenken gegeben, daß es sich bei den Materien, über die der Europaausschuß beschließen soll, in aller Regel um substantielle und gewichtige Angelegenheiten handelt. 336 Dies ist zumindest mißverständlich, wenn man den Gegenstand der Mitwirkungsrechte betrachtet: im konkreten Fall können Stellungnahmen zu Unionsvorlagen auch 333 Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (34). 334 Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 681; Kasten, Plenarvorbehalt und Ausschußfunktion, DÖV 1985, 222 (225 f.). 335 Kreuzer, Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichterwahlen und Irnmunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestages, Der Staat 7 (1968), 183 (206). 336 So für die EG-Kammer des Bundesrates: Schütz, Die EG-Kammer - DeIegationsbefugnis und Geschäftsordnungsautonomie des Bundesrates, NJW 1989, 2160 (2165).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
durchaus in höchst technischen Bereichen abgegeben werden. 337 Allerdings ist es zutreffend, daß die verfassungsrechtliche Bedeutung der Rechte aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG für die demokratische Legitimation europäischer Rechtsetzung eine tragende ist. In der hier vorgesehenen Ausprägung des demokratischen Parlamentsvorbehalts liegen die dem Bundestag verbliebenen Zuständigkeiten im Bereich der europäischen Rechtsetzung, die nach dem Maastricht-Urteil angesichts der fortschreitenden Integration von hinreichend substantiellen Gewicht sein müssen. Eine Delegation von Gesetzgebungsbefugnissen ist anerkanntermaßen verfassungsrechtlich unzulässig. 338 Bei den Rechten aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG handelt es sich allerdings nicht um Legislativbefugnisse in dem Sinn, daß Rechtsetzungsakte mit Außenwirkung für den Bürger beschlossen werden. Insoweit werden keine Rechte der MdB verkürzt, da die abschließende Gesetzgebungskompetenz auf die Europäische Union übertragen wurde. Es stellt sich indes die Frage, ob der Aspekt fehlender Außenwirkung auf die Bürger überhaupt rechtliche Konsequenzen zeitigt; dies könnte angesichts des demokratischen Parlamentsvorbehalts und der besonderen rechtlichen Bedeutung der europapolitischen Stellungnahmen des Bundestages zu bezweifeln sein. Immerhin sind die Stellungnahmen an die Bundesregierung gerichtet, ihr Wirkungsbereich erstreckt sich also nach außen an ein anderes Verfassungsorgan. Dennoch ist ein absolutes Delegationsverbot nicht anzunehmen, auch wenn es sich nicht um eine bloße nachträgliche Kontrolle, sondern eine begleitende parlamentarische Mitwirkung handelt, der weitreichende Sorgfalts-, Befassungs- und Begriindungspflichten der Regierung korrespondieren, m.a.W. eine Zuständigkeit zur gesamten Hand. Dies folgt nicht etwa aus der Erwägung, daß die Stellungnahmen ein qualitatives Minus im Verhältnis zu gesetzesförmigen Beschlüssen und daher weniger "wesentlich" wären. Ausschlaggebend ist vielmehr der Aspekt, daß die Art. 23 Abs. 2, 3; Art. 45 GG den Bundestag zur Schaffung einer funktionsgerechten Organstruktur und effektiver Verfahrensweisen berechtigen und verpflichten. Dies gibt bei der Abwägung zwischen der Funktionsfähigkeit des Bundestages und Art. 38 Abs. I Satz 2 GG den Ausschlag zugunsten ersterer. Die institutionelle Absicherung der Mitwirkungsrechte durch ein flexibles, entscheidungsfähiges Gremium ist erforderlich, um angesichts des von außen determinierten Zeitplans der europäischen Rechtsetzung überhaupt die deutsche parlamentarische Mitwirkung zu gewährleisten. Die bisherige Ausgestaltung der Mitwirkung des Bundestages und namentlich der Vorgängergremien des Europaausschusses haben sich als nicht funktions gerecht erwiesen. Ein Delegationsverbot könnte die Beteiligungsrechte
337 Illustrativ Ferdinand, EG-Vorlagen im Plenum, in: Festgabe für Blischke, 1982, S. 145, unter Hinweis auf Verordnungsentwürfe über "bestimmte Aale" und über die "Berücksichtigung der besonderen Lage von Mauritius bei der Herstellung von haltbar gemachtem Thunfisch". 338 BVerfGE 1, 144 (152, 154); BVerfGE 44, 308 (317); Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 82; Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat 9 (1970), 21 (31); Kasten, P1enarvorbehalt und Ausschußfunktion, DÖV 1985, 222 (223).
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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der Abgeordneten daher allenfalls in der Theorie schützen, während es sie de facto entwerten würde. bb) Keine Unzulässigkeit trotz offener Formulierung des Art. 45 Satz 2 GG Bedenken im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Verfahrens der Ausschußbesetzung und der Arbeitsweise bestehen auch insoweit nicht, als Art. 45 Satz 2 GG keine ausdrücklichen Vorgaben macht. Anlaß zu verfassungsrechtlichen Zweifeln könnte allenfalls die sehr offen gehaltene Fassung der Norm geben. Indes ist auch unter dem Gesichtspunkt, daß sich "die Angelegenheiten der Europäischen Union" auf nahezu alle staatlichen Aufgabenbereiche erstrecken, kein Verstoß gegen den unantastbaren Kerngehalt der Abgeordnetenrechte gegeben. Zwar eröffnet Art. 45 Satz 2 GG hiermit eine sehr weitreichende Delegationsmöglichkeit; eine mißbräuchliche Ausdehnung auf alle staatlichen Bereiche, die zufällig "Europabezug" haben, ist damit aber keineswegs gleichsam vorprogrammiert. Die Ermächtigung wird vielmehr begrenzt durch ihr Normziel,339 welches darin liegt, die Mitwirkungsrechte des Bundestages institutionell durch ein reaktionsschnelles und sachkundiges Gremium abzusichern, das den Anforderungen der Europäischen Union gewachsen ist. Eine restriktive Handhabung ist angesichts des dargelegten Ausnahmecharakters 340 der Delegation von Plenarbefugnissen im Verfassungsrecht geboten. Vor diesem Hintergrund ist es auch ausgeschlossen, einen anderen Fachausschuß als Ermächtigungsadressaten anzusehen, nur weil dieser die Federführung bzgl. einer EU-Vorlage innehat. 341 Festzuhalten ist mithin, daß gegen die Delegationsermächtigung in Art. 45 Satz 2 GG keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen; sie ist maßstabbildende Norm für die Frage nach der Rechtmäßigkeit der GO-BT und der Parlamentspraxis. Zu fordern ist dabei, daß der Bundestag seine Grundzuständigkeit und Verantwortlichkeit nicht völlig durch Delegation auf den Europaausschuß "verflüchtigt".342 Wie die folgende Untersuchung der geschäftsordnungs mäßigen Ausgestaltung und namentlich der parlamentarischen Praxis zeigen wird, besteht insoweit aber auch keine begründete Besorgnis.
Magiera, in: Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 45 Rdnr. 5. Hölscheidt I Schotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994, 230 (232); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (265). Für notwendige extensive Handhabung dagegen Pernice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 45 Rdnr. 8. 341 Zur Grenze des Wortlauts s. bereits oben, Kap. 3, B.III.1. (S. 305). Zur "Umgehung" in der Praxis s.u. Kap. 3, B.III.5.c) (S. 344 ff.). 342 Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 (Stand der Bearb. Okt. 1996) Rdnr. 3. Vor der Gefahr eines europapolitischen Machtdreiecks aus Bundesregierung, Europakammer des Bundesrates und dem Europaausschuß des Bundestages und einer hieraus folgenden Verwischung der parlamentarischen Verantwortlichkeit warnt auch Badura, Das Staatsziel "Europäische Integration" im Grundgesetz, in: Festschrift für Schambeck, 1994, S. 887 (901). 339 340
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
3. Vereinbarkeit der geschäftsordnungsmäßigen Ausgestaltung mit den Status rechten der Abgeordneten a) Besetzung aa) Personelle Zusammensetzung nach der GO-BTund in der Praxis In dem für die Geschäftsordnungsergänzung federführenden Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung war darüber debattiert worden, ob der Europaausschuß sich aus benannten oder vom Plenum gewählten Mitgliedern zusammensetzen sollte. 343 Stärkeren Anlaß zur Diskussion gab aber wohl die Frage, aus welchen Bundestagsabgeordneten der Europaausschuß zusammengesetzt sein sollte. Mit Blick auf die Konzeption des Europaausschusses als Querschnittsausschuß wurde in der GVK angeregt, den Ausschuß mit den Vorsitzenden der Bundestagsausschüsse zu besetzen. Angesichts der gerade für Vorsitzende kaum haltbaren Doppelbelastung war alternativ eine Besetzung mit den stellvertretenden Vorsitzenden der hauptbetroffenen Fachausschüsse erwogen worden. 344 Angestrebt wurde dadurch eine politisch-inhaltliche Verklammerung mit den Fachausschüssen. Ergänzt durch prominente Abgeordnete sollte dem Europaausschuß sowohl bundestagsintern als auch nach außen das notwendige politische Gewicht sowie die erforderliche Repräsentativität und Fachkompetenz zukommen, damit die ihm zugedachten Funktionen unterstützt würden?45 Wahrend die Idee des aus (stellvertretenden) Vorsitzenden der Fachausschüsse besetzten Europaausschusses nicht in die Tat umgesetzt wurde, wurde die angestrebte hochkarätige Besetzung in den Europaausschüssen des 13. und des 14. Deutschen Bundestages verwirklicht. 346 Der angestrebten Doppelmitgliedschaft wurde auf der Ebene der ordentlichen Mitglieder Rechung getragen: In aller Regel sind die Mitglieder des Europaausschusses zugleich Mitglieder eines Fachausschusses des Deutschen Bundestages. Beispielsweise arbeitete ein Berichterstatter für Fragen der Asyl- und Innenpolitik im Europaausschuß zugleich als Berichterstatter für Europapolitik im Innenausschuß. 347 Entsprechend der informalen Verfassungsregel, daß der Ausschußvorsitzende und sein Stellvertreter immer aus verschiedenen Fraktionen kommen,348 war in der 13. Wahlperiode der Vorsitzende Angehöriger der SPD-Fraktion, während der 343 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 - 7 GG, 1997, S. 297. 344 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 281. 345 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 281 unter Bezugnahme auf GVK-Arbeitsunterlage Nr. 67 vom 9. Juli 1992, S. 3, hierzu allg. GVKStenBer., 9. Sitzung vom 9. Juli 1992, S. 8. 346 s. Anhang 11. 347 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 16. 348 Näher Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, S. 57 f.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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stellvertretende Vorsitzende der CDU / CSU- Fraktion angehörte, in der 14. Wahlperiode ist dies umgekehrt. Der Umstand, daß der Ausschußvorsitz seit der 13. Wahlperiode - anders als im EG-Ausschuß in der 12. Wahlperiode 349 - bei der Opposition liegt, läßt auf eine Parallele zu einer weiteren informalen Verfassungsregel zur Funktionstrennung 350 schließen, derzufolge im Haushaltsausschuß der Vorsitzende stets von der größeren Oppositionsfraktion gestellt wird. Der Haushaltsausschuß ist der Treuhänder des parlamentarischen Budgetrechts, des neben dem Petitionsrecht ältesten parlamentarischen Rechts; durch die Vorsitzregelung wird die Kontrollfunktion gegenüber der Bundesregierung unterstrichen. 351 Würde sich eine solche Regel auch für den Vorsitz im Europaausschuß herausbilden, dann trüge dies innerhalb des Bundestages wie auch im Verhältnis zur Regierung der besonderen Funktion begleitender Kontrolle der europäischen Rechtsetzung Rechnung. Dies wäre nicht nur in politischer, sondern auch in rechtlicher Hinsicht relevant: Informale Verfassungsregeln sind zwar nicht einklagbar, dennoch kommt ihnen aufgrund einer regelmäßigen Verhaltenserwartung ein gewisser normativer Geltungsanspruch zu. Ein Verstoß gegen sie kann politisch durchaus geahndet werden, das wiederum ist der Grund für ein hohes Maß an Vereinbarung streue (Verbindlichkeit).352 Letztlich erfolgte die Änderung der Geschäftsordnung ohne Regelung hinsichtlich des Besetzungsverfahrens, wodurch deutlich wird, daß keine Sonderregelung gegenüber den anderen Ausschüssen greifen soll. Es bleibt bei der Vorschrift des § 57 Abs. 2 Satz 1 GO-BT, demzufolge fraktionsangehörige Abgeordnete von ihren Fraktionen benannt werden, während fraktionslose Abgeordnete gern. Satz 2 vom Präsidenten des Bundestages einem Ausschuß zugewiesen werden. Die Ausschußstärke, d. h. die Zahl der Mitglieder, wird gern. § 57 Abs. 1 GO-BT grundsätzlich nach Vorberatung im Ältestenrat 353 vom Bundestag durch Beschluß festgelegt. Der Europaausschuß wurde als "großer" Ausschuß des Deutschen Bundestages eingerichtet. 354 Die "spiegelbildliche" Zusammensetzung wird dabei durch
349 Vorsitzende war Frau Dr. Renate Hellwig, CDU ICSU, Stellvertretender Vorsitzender Dr. Christoph Zöpel, SPD. 350 Im Anschluß an Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, 1984, S. 21 ff., 46 ff., 69 ff. können für die Bundesebene drei Grundtypen informaler Verfassungsregeln unterschieden werden: Proporzrege1n, Herrschafts- und Machtbalancierungsregeln und Regeln zur Funktionstrennung. 351 Eickenboom, Haushaltsausschuß und Haushaltsverfahren, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 44 Rdnr. l. 352 ButzerlHenkenötter. Pairing im Deutschen Bundestag, ZG 1995,328 (344). 353 Ritzel/Bücker. Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 12 GO-BT (Stand der Bearbeitung Juli 1993), Anm. Ic. 354 In der 14. Wahlperiode setzt sich der Europaausschuß aus 36 (13. WP: 39) ordentlichen Mitgliedern zusarnrnen. Der Haushaltsausschuß beispielsweise hat im Vergleich 42 (13. WP: 41) Mitglieder, die anderen "großen" Ausschüsse wie der Finanz- und der Auswärtige Ausschuß 40 (13. WP: 39). Die kleineren Ausschüsse wie der Sportausschuß, aber auch der ein-
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
§ 12 Satz 1 GO-BT ("ist im Verhältnis der Stärke der Fraktionen vorzunehmen") gewährleistet.
bb) Mitglieder des Europäischen Parlaments
Neben den ordentlichen Mitgliedern des Europaausschusses haben ferner bestimmte Mitglieder des Europäischen Parlaments (MdEP) Mitwirkungsrechte im Ausschuß. Die Zulassung beratender MdEP zu den europapolitischen Gremien des Deutschen Bundestages ist wie dargelegt bereits seit der 11. Wahlperiode Tradition; seit der Geschäftsordnungsänderung existiert nunmehr mit § 93 a Abs. 6 GOBT eine ausführliche Rechtsgrundlage. Der im Dezember 1994 angenommene Entwurf der Regierungsfraktionen zu § 93 a Abs. 6 GO_BT 355 entspricht insoweit dabei dem Entwurf der SPD-Fraktion aus der vorangegangenen 12. Wahlperiode. 356 Hierin spiegelt sich die bereits seit Einführung des Art. 45 GG bestehende fraktionsübergreifende Einigkeit wider, durch eine bestimmte Anzahl mitwirkungsberechtigter deutscher MdEP die Verbindung zum Europäischen Parlament zu gewährleisten. Nicht durchgesetzt haben sich dagegen Erwägungen, den deutschen MdEP auch in anderen Fachausschüssen Mitwirkungsrechte einzuräumen oder sogar die Beteiligungsrechte auf Europaabgeordnete aus anderen Mitgliedstaaten auszudehnen, falls diese etwa als Berichterstatter in einem EP-Ausschuß mit einer Vorlage besonders vertraut wären. 357 Hier wird erneut deutlich, daß - wie bereits bei der Arbeit der Europakommission - die Fachausschüsse eine Beriihrung ihrer Zuständigkeiten vermeiden konnten. Wahrend für die Besetzung des Ausschusses mit den ordentlichen Mitgliedern keine Neuregelung getroffen wurde und es vielmehr bei der Benennung durch die Fraktionen gern. § 57 Abs. 2 GO-BT bzw. bei fraktionslosen Abgeordneten bei Benennung durch den Präsidenten bleibt, wurde in § 93 a Abs. 6 Satz 2 GO-BT für die mitwirkungsberechtigten MdEP eine ausdriickliche Regelung getroffen. Sie werden vom Präsidenten des Bundestages berufen und zwar auf Vorschlag der Fraktionen des Deutschen Bundestages, die im EP vertreten sind. Die Berufung gilt bis zur Neuwahl des EP, längstens aber bis zum Ende der Wahlperiode des Deutschen Bundestags. 358 flußreiche Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung verfügen über 15 (13. WP: 17) Mitglieder. 355 BT-Drs. 13/89 vom 14. Dezember 1994, S. 3; BT-PIPr., 13. WP/9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 444. 356 BT-Drs. 12/7823 vom 10. Juni 1994, S. 4 (§ 93 a Abs. 7 GO-BT-Entwurf); s.a. BTDrs. 13/32 vom 23. November 1994, S. 4. 357 Für diesen Vorschlag der Direktor beim Deutschen Bundestag Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (262). 358 Für die 13. Wahlperiode hatten sich die Fraktionen auf insgesamt 11 MdEP verständigt, hiervon entsandten entsprechend dem Stärkeverhältnis im Europäischen Parlament die
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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Was die Rechte der berufenen MdEP anbetrifft, so nennt § 93 a Abs. 6 Satz 1 GO-BT zunächst das Zutrittsrecht zu den Sitzungen des Europaausschusses; zur Teilnahme berechtigt sind ferner ihre Vertreter, ebenfalls MdEP. Zutrittsrechte für Personen, die keine MdB sind, müssen vor dem Hintergrund der Nichtöffentlichkeit der Ausschußsitzungen gern. § 69 Abs. 1 Satz I GO-BT besonders festgeschrieben werden; MdB haben dagegen gern. § 69 Abs. 2 GO-BT grundsätzlich ein allgemeines Zutrittsrecht auch zu den Ausschüssen, denen sie nicht angehören. 359 Da die MdEP keine MdB sind und damit für sie eine ordentliche Ausschußmitgliedschaft ausscheidet, sind sie dennoch "wie" Mitglieder des Ausschusses diesem zugeordnet. Während sich etwa die Zutrittsrechte des Präsidenten des Deutschen Bundestages aus § 7 Abs. I Satz 3 GO-BT oder der Fraktionsvorsitzenden aus § 69 Abs. 4 Satz I GO-BT auf alle Ausschüsse beziehen, ist das Zutrittsrecht der MdEP auf den Europaausschuß begrenzt. Damit haben die berufenen MdEP eine Sonderstellung gegenüber denjenigen MdEP, die "Iediglich" gern. § 93 Abs. 5 Satz 1 GO-BT vom Europaausschuß wie auch von den Fachausschüssen zur Beratung in Europaangelegenheiten hinzugezogen werden können: letztere stehen den Mitgliedern des Rates und der Kommission der Europäischen Union gleich, die auch kein Recht zum Zutritt ohne Einladung durch den Europaausschuß haben. Anders als MdEP in ihrer Funktion i. S. d. § 93 Abs. 5 GO-BT haben die MdEP in ihrer Eigenschaft als Ausschußmitglieder gern. § 93 a Abs. 6 GO-BT also ein unbeschränktes Teilnahmerecht an den Sitzungen des Europaausschusses. Auf eine Zuhörerrolle sind die berufenen MdEP dabei nicht beschränkt, dies gewährleistet § 93 a Abs. 6 Satz 3 GO-BT. Sie sind demnach befugt, die Beratung von Verhandlungsgegenständen anzuregen sowie während der Beratungen des Ausschusses Auskünfte zu erteilen und Stellung zu nehmen. Ein Stimmrecht haben sie indes nicht. Dennoch ist der Katalog der Befugnisse recht umfassend, betrachtet man ihn im Vergleich zu den Rechten derjenigen MdB, die Nichtmitglieder im Ausschuß sind: sie sind gern. § 69 Abs. 3 Satz 3 GO-BT prinzipiell auf das bloße Zutrittsrecht beschränkt und sollen nur in besonderen Fällen mit beratender Stimme zugelassen werden. Die "beratende Stimme" etwa des Erstunterzeichners einer Vorlage, die im Ausschuß behandelt wird, umfaßt weder Antrags- noch Stimmrecht. 360 Die Stellung des MdEP im Europaausschuß ist damit der eines fraktionsCDU /CSU und die SPD je 5 Mitglieder, BÜNDNIS '90/DIE GRÜNEN 1 Mitglied. Die F.D.P. und die PDS entsandten kein MdEP in den Europaausschuß, da sie nicht im EP vertreten waren. Dies gilt bis zur Neuwahl des EP im Juni 1999 auch für die 14. Wahlperiode. 359 Das Zutrittsrecht kann durch Beschluß des Bundestages eingeschränkt werden, dabei wird diesem ein weitgehender Gestaltungsspielraum zugebilligt, s. Ritzel! BückeT; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 69 GO-BT (Stand der Bearbeitung: Dez. 1997), Anm. II.l.e. Sog. "geschlossene Ausschüsse", zu denen nur die Ausschußmitglieder und ihre Stellvertreter Zutritt haben, sind etwa der Auswärtige Ausschuß, der Verteidigungsausschuß und der Innenausschuß in Angelegenheiten der Inneren Sicherheit. 360 Ritzel!Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 69 GO-BT (Stand der Bearbeitung: Dez. 1997), Anm. III.2.c. Erweitert wurden die Rechte des einzelnen MdB durch die Einfügung von § 71 Abs. 2 GO-BT im Jahr 1995, demzufolge jedes MdB Änderungsan-
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
losen Abgeordneten angenähert; letzterer hat allerdings gern. § 71 Abs. 1 Satz 1 GO-BT ein förmliches und umfassendes Antragsrecht, während der europäische Abgeordnete eine "Beratung anregen kann", d. h. keine Abstimmung erzwingen kann. Beide haben kein Stimmrecht; dies ist aber nur in dem - noch zu behandelnden - Fall des fraktionslosen Abgeordneten wegen Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich bedenklich. Die MdEP haben demgegenüber ihr Mandat zwar von den deutschen Wählern erhalten, nicht aber für die Repräsentation im Deutschen Bundestag, sondern allein für die Vertretung des Volkes im Europäischen Parlament. Da die MdEP keine organschaftlichen Rechte im Bundestag haben, ist für sie eine Rechtsverletzung durch fehlende Stimmberechtigung ausgeschlossen. Die praktische Relevanz des § 93 a Abs. 6 GO-BT ist derzeit allerdings nicht sehr groß, die MdEP machen von ihrem Teilnahme~ und Mitwirkungsrecht noch wenig Gebrauch. 361 Dies ist wesentlich darauf zurückzuführen, daß der Mittwoch nicht nur Sitzungstag des Europaausschusses ist, sondern auch im Europäischen Parlament wichtigster Arbeitstag im Plenum wie in den Ausschuß- und Fraktionssitzungen. cc) Rechtmäßigkeit der Besetzung mit ordentlichen Mitgliedern gern. § 57 Abs. 2 GO-BT ?
(1) Wortlaut Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist es verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich, den Fraktionen die Benennung der Ausschußmitglieder zu überlassen. Die GO-BT folge mit dieser Regelung zum einen der Tradition des deutschen Parlamentsrechts, zum anderen trage sie der Bedeutung der Fraktionen als maßgeblichem Faktor der parlamentarischen Willensbildung Rechnung. 362 Fraglich ist indes, ob diese Grundsätze auf den Europaausschuß übertragen werden durften, oder ob es angesichts der Befugnis zur Wahrnehmung von Aufgaben des Gesamtorgans gern. Art. 45 Satz 2 GG, § 2 Satz 2 EUZBBG der demokratischen Legitimation durch Wahl bedarf. Dies soll im Wege der Auslegung geklärt werden.
träge zu einer Vorlage im federführenden Ausschuß stellen und auf der entsprechenden Sitzung auch mit beratender Stimme teilnehmen kann. 361 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 298; Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 17; für die Rechtslage in der 12. WP Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (262). 362 BVerfGE 80, 188 (223, 233). Im Anschluß an das Urteil mußte allerdings § 57 Abs. 2 Satz 2 GO-BT zugunsten der fraktionslosen Abgeordneten abgeändert werden.
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Aus dem Wortlaut des Art. 45 Satz 1 GG, wonach der Bundestag einen Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union "bestellt", läßt sich keine Verfassungsentscheidung für das "wie" der Besetzung entnehmen. Die Formulierung ist identisch mit dem Wortlaut der Art. 45 a Abs. I und Art. 45 c Abs. 1 GG, denen zufolge auch die anderen verfassungsunmiuelbaren ständigen Ausschüsse für auswärtige Angelegenheiten, für Verteidigung und für Petitionen "vom Bundestag bestellt" werden. Für diese Ausschüsse gelten in Ansehung der Besetzungsmodalitäten keine Besonderheiten im Verhältnis zu den übrigen ständigen Ausschüssen. 363 Sicher ist, daß die neutrale Fassung eine Wahlentscheidung des Plenums nicht verbietet. 364 Ein solches Verbot müßte dann erst recht für den Wehrbeauftragten gern. Art. 45 b Satz 1 GG ("wird berufen") und die Mitglieder des Gemeinsamen Ausschusses gern. Art. 53 a Abs. I Satz 2 GG ("werden entsprechend dem Stärkeverhältnis ihrer Fraktionen bestimmt") gelten. Letztere werden indes gern. § 2 Abs. 1 GO-GA durch Mehrheitsbeschluß des Plenums bestimmt, der Wehrbeauftragte wird gern. § 13 Satz 1 WehrbeauftragtenG gewählt. Diese Ausgestaltung ist anerkanntermaßen auch verfassungskonform, denn im demokratischen System des Grundgesetzes, namentlich vor dem Hintergrund des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, bedarf nicht die Besetzung durch Wahl einer Rechtfertigung - vorausgesetzt, der Fraktionsproporz bleibt gewährleistet 365 -, sondern jede alternative Art der Gremienbesetzung. Etwas anderes gilt auch nicht bei historischer Betrachtung. (2) Historie Richtig ist, daß die parlamentarische Praxis vor und nach Verabschiedung des Grundgesetzes davon geprägt ist, daß die Gremien durch Nominierung seitens der Fraktionen besetzt wurden. Dennoch verbietet sich - trotz der großen Bedeutung, die das Bundesverfassungsgericht der historischen Auslegung der Geschäftsordnung zumiße 66 - der undifferenzierte Rückschluß auf die Verfassungsmäßigkeit dieser Praxis gerade für neuartige Institutionen. Verfolgt man die Entwicklung bis zur Frankfurter Nationalversammlung zurück, so zeigt sich, daß zu diesem Zeitpunkt die Gremienbesetzung noch nicht durch Nominierungen vorgenommen wurde. Nach der Geschäftsordnung der Frankfurter Nationalversammlung vom 29. Mai 1848 entschied das Plenum über die Ausschußbesetzung; es wurde zu diesem Zweck in 15 gleichgroße Abteilungen eingeteilt, die die Ausschußmitglieder 363 Allg. Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 185; zum Petitionsausschuß Graf Vitzthum I März. Der Petitionsausschuß, in: Schneider I Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 45 Rdnr. 2. 364 So auch Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 84. 365 Vetter, Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 58 f. 366 BVerfGE 44, 308 (314) unter besonderer Betonung des Parlamentsrechts nach dem Übergang zur parlamentarischen Demokratie der Weimarer Republik.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
mit absoluter Mehrheit aus ihrer Mitte wählten. Vorrangiges Ziel war der Minderheitenschutz, denn über eine zufällige Mehrheit in den Abteilungen hatte auch die Opposition die Möglichkeit, Vertreter in einen Ausschuß zu entsenden. 367 Zwar bildete sich binnen weniger Wochen sehr schnell ein festes System von Fraktionen, sog. Klubs, heraus, die sich nach ihren Tagungsorten bezeichneten. 368 Dennoch war die Mehrzahl der Ausschüsse bereits vor diesem Zeitpunkt konstituiert. 369 Erst bei Nachwahlen und Neuschaffungen von Ausschüssen im Herbst/Winter 1848 begann der Fraktionseinfluß wirksam zu werden; allerdings wurde trotz erster interfraktioneller Absprachen 370 nichts an dem System der Abteilungswahl geändert. Inhaltlich war der Aufgabenbereich der Ausschüsse auf die Abstimmungsvorbereitung durch die Vorlage von Gutachten beschränkt. Nach dem Scheitern der Revolution 1849 war das preußische Abgeordnetenhaus die bedeutendste Volksvertretung. Hier wurden die Besetzungsregeln für Gremien, d. h. die Wahl über Abteilungen, beibehalten. Zu entscheidenden Neuerungen kam es erst im konstitutionellen Reichstag. Die Kommissionssitze (Ausschußsitze) wurden in der Praxis von Beginn an nach interfraktioneller Übereinkunft im Seniorenkonvent, der von den Fraktionen außerhalb der Geschäftsordnung geschaffenen Vorgängerinstitution des Ältestenrates,37\ auf die einzelnen Fraktionen gemäß ihrer Stärke verteilt. Die Wahlen in den Abteilungen vollzogen diese Absprachen nur noch und waren "bloße Form".372 Um diesen neuen Besetzungsmodus zu erleichtern, hob der Reichstag im Zuge einer Geschäftsordnungsreform die Beschränkung der Wählbarkeit auf die jeweiligen Abteilungsmitglieder auf. Spätestens ab 1909 verzichtete der Reichstag dann völlig auf die Wahrung der geschäftsordnungsmäßigen Form: im Plenum wurde "unverblümt zum Ausdruck gebracht",373 daß die Fraktionen die Kommissionsmitglieder ohne Beteiligung der Abteilungen bestimmten. Das Verfahren der Bestimmung durch die Fraktionen wurde auch im Weimarer Reichstag fortgeführt, nunmehr nicht nur in praxi, sondern auch kraft Geschäftsordnung. 374 Nominierung statt Wahl wurde auch unter der Geltung des Grundgesetzes fortgeführt, der unmittelbare Zusammenhang ist bereits dadurch deutlich, daß der erste Deutsche Bundestag sein Verfahren noch nach § 28 Abs. 2 der Geschäftsordnung
367 368 369 370
Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 46, 57. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 11, 3. Auf!. 1988, S. 613 ff. Edinger, Wabl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 60, 70. Kramer, Fraktionsbindungen in den deutschen Volksvertretungen 1818-1849, 1968,
S. 196 f., u. a. unter Hinweis auf eine erste geheime Absprache im September 1848 zwischen dem konservativen "Cafe Milani" und dem rechtsliberalen "Kasino". 371 Roll, Der Ältestenrat, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 28 Rdnr. 2. 372 Edinger, Wabl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 101; i.d.S. auch Vetter, Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 59. 373 Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, 1915, S. 229 unter Hinweis auf eine Sitzung im Dezember 1909. 374 Edinger, Wabl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 121, 127.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
321
des Reichstages 375 richtete, demzufolge die Fraktionen die Ausschußmitglieder bestimmten. 376 Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß nicht nur die Befugnisse der Parlamente zunahmen, auch die Bedeutung der Ausschußarbeit wurde jeweils größer; in Weimar schließlich traten die Ausschußberatungen weitgehend an die Stelle der Beratungen im Plenum?77 Allerdings ging es hier um herkömmliche Fachausschüsse, nicht um ein Gremium wie den Europaausschuß des Deutschen Bundestages, der de constitutione lata Entscheidungsbefugnisse übernehmen kann. Der geschichtliche Hintergrund läßt als solcher damit keine zwingenden Rückschlüsse auf die "richtige" Besetzungsmodaliät in diesem Sonderfall zu. Sicher ist allerdings, daß der Fraktionsproporz unverzichtbares Mittel des Minderheitenschutzes geworden ist. Die deutsche Parlamentstradition der Gremienbesetzung ist gekennzeichnet von der friihzeitigen Abkehr von einer "echten" Wahl durch die Abteilungen des Plenums. Übergangsweise fand ein formaler Wahlakt statt, bald etablierte sich die Benennung durch die Fraktionen. Diese Entwicklung stand in unmittelbarem Zusammenhang mit der steigenden Bedeutung der Fraktionen. Der heute mehr denn je maßgebliche Stellenwert der Fraktionen im politischen Willensbildungsprozeß ist über Art. 21 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. 378 Ist also eine ,,reine" Plenarwahl, die es der Mehrheitsfraktion erlauben würde, allein ihren Kandidaten zum Erfolg zu verhelfen, ausgeschlossen, dann stellt sich die Frage, ob nicht jeder Wahlakt zur unnötigen Formalie wird und einen Rückschritt hinter Erkenntnisse bedeutet, die schon die Praxis im Reichstag des Kaiserreiches prägten. (3) Systematik
Eine verfassungssystematische Betrachtung zeigt, daß dies nicht der Fall ist. Bedenklich ist etwa die Auffassung, die das Handeln des Plenums als lediglich formellen Legitimationsvorgang betrachtet, während die entscheidende materielle Legitimation nur durch die Stimmen geschaffen werde, die für den letztlich erfolgreichen Kandidaten abgegeben werden. Daher sei es konsequent, den gemeinsamen, lediglich formellen Legitimationsvorgang aufzulösen und in die Fraktionen hineinzuverlagern. 379 Diese Ansicht, die zudem den Status fraktionsloser Abgeordneter außer Acht läßt, verkennt, daß (personelle) demokratische Legitimation auch Zurechenbarkeit der Wahlentscheidung und der Verantwortlichkeit zum Gesamtorgan In der Fassung vom 12. Dezember 1922, RGBI. 192311, S. 101. BT-PIPr., I. WP/5. Sitzung vom 20. September 1949, S. 19. 371 Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 126 f. 378 BVerfGE 70, 324 (350); Zeh, Gliederung und Organe des Bundestages, in: Isenseel Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 42 Rdnr 6; Schulze-Fielitz, Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DÖV 1989,829 (830). 379 Borchert, Die Fraktion, AöR 102 (1977), 210 (232 f.); ähnlich Vetter, Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 58 f. 375
376
21 Hansmeyer
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
bedeutet. Dementsprechend ist (soweit ersichtlich) nie vertreten worden, beispielsweise den Bundestagspräsidenten in der Weise zu bestimmen, daß die stärkste Fraktion ermächtigt wird, ihn zu benennen. 38o Eine ununterbrochene Legitimationskette könnte dann allenfalls darin liegen, daß der Beschluß des Plenums über die Geschäftsordnung, demzufolge die Ausschüsse von den Fraktionen besetzt werden, als vermittelndes Glied gedeutet wird. In diese abstrakt-generelle Entscheidung allerdings eine konkrete Berufung der Fraktionsmitglieder als eine Art Wahlausschuß zu interpretieren, scheint den Gehalt des Beschlusses in unzulässiger Weise zu überdehnen. 381 In diesem Sinne hat auch das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen über die Besetzung kommunaler Organe zwischen der notwendigen Legitimation durch das Gesamtorgan und der demgegenüber unzureichenden Benennung durch Fraktionen und Gruppen unterschieden. 382 Allerdings hat das Gericht diese Linie nicht auf die Bundestagsausschüsse ausgedehnt, da deren Mitglieder bereits in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete demokratisch legitimiert seien, während die Mitglieder der kommunalen Organe nicht zugleich Mitglieder der kommunalen Vertretungen sein müßten. Welche einzelnen MdB den jeweiligen Ausschüssen angehörten, sei nicht mehr eine Frage der demokratischen Legitimation, sondern eine solche der persönlichen Zuständigkeit innerhalb des Organbereichs des Bundestages. 383 Dieser Einschränkung wird - namentlich mit Blick auf Untersuchungsausschüsse - entgegenhalten, daß es dann gesonderter Legitimation bedarf, wenn ein Ausschuß Befugnisse innehat, die dem Bundestag als solchem gerade nicht zustehen und die nach außen wirken. 384 So müßten etwa Zwangsbefugnisse, die in Rechte der Bürger eingreifen können, gern. Art. 20 Abs. 2 GG auf das Volk zurückzuführen sein, was in dem notwendigen Maße nur durch Plenarentscheidung gewährleistet sei. Die für Untersuchungsausschüsse streitige Frage, ob es sich überhaupt um originäre Sonderbefugnisse des Ausschusses handelt oder nicht vielmehr doch um solche des Gesamtorgans,385 stellt sich bei den zweifellos nur derivativen 380 Dagegen auch Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Bonner Grundgesetz, 1984, S. 92, ähnl. Wilfried Berg, Zur Übertragung von Aufgaben des Bundestages auf Ausschüsse, Der Staat, 9 (1970), 21 (25). 381 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Bonner Grundgesetz, 1984, S. 91; ähnl. Kreuzer, Zuständigkeitsübertragungen bei Verfassungsrichterwahlen und Immunitätsentscheidungen des Deutschen Bundestages, Der Staat 7 (1968), 183 (204); anders, für den Beschluß über die GO-BT als vermittelndes Glied der Legitimationskette Stern, Staatsrecht I, § 22 1II 2 c (S. 987). 382 BVerfGE 38, 258 (270 f.) - "Magistratsmitglieder in Schleswig-Holstein"; BVerfGE 47,253 (272 f.) - "Bezirksvertretungen in NRW". 383 BVerfGE 77, 1 (41) - "Untersuchungsausschuß ,Neue Heimat'''; zust. Ritzel! Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 57 GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), Anm. II 1 b. 384 So Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 321. 385 So BVerfGE 77, 1 (40 f.) - "Untersuchungsausschuß 'Neue Heimat'''; zust. Schröder, Untersuchungsausschüsse, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 46 Rdnr. 27.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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Befugnissen des Europaausschusses dagegen nicht. Dies ist für die Notwendigkeit besonderer demokratischer Legitimation indes auch nicht maßgeblich. Besonderer Legitimation bedarf die Tatigkeit des Europaausschusses nicht deshalb, weil er weiterreichende Befugnisse als das Plenum hat, sondern weil er (in dem übertragenen Bereich) dessen Befugnisse abschließend wahrnehmen darf, und zwar unter Verkürzung der Abgeordnetenrechte aus Art. 38 Abs. I Satz 2 GG. Eine Beschränkung dieser Erkenntnis auf das Außenverhältnis zum Bürger ist nicht überzeugend, insbesondere nicht mit der Begründung, daß Ausschüsse in allen anderen Fällen keine hoheitliche Gewalt ausübten. 386 Auch im Interorganbereich zwischen Parlament und Regierung wird Staatsgewalt ausgeübt,387 zumal wenn, wie im Fall des Europaausschusses, Entscheidungsbefugnisse für das Gesamtorgan wahrgenommen werden. Der einzelne Abgeordnete hat zwar kein Recht auf Zugehörigkeit zu einem Ausschuß nach seiner Wahl;388 ihm ist lediglich Gehör zu gewähren, seine Interessen und sachlichen Qualifikationen sind zur Kenntnis zu nehmen und - wie es auch innerhalb der Fraktionen geschieht - nach Möglichkeit zu berücksichtigen. 389 Es bedarf allerdings einer Kompensation für den Verlust der eigenen Beteiligungsund Stimmrechte, und zwar nicht nur auf der materiellen, d. h. auf einen bestimmten Tatigkeitsbereich bezogenen Ebene, sondern auch auf der personellen. Dies läßt sich wie dargelegt nicht allein durch die einmalige Abstimmung über das Besetzungsverfahren nach der Geschäftsordnung erreichen. Im Hinblick auf die Mandatsgleichheit setzt die Delegation von Entscheidungsbefugnissen daher voraus, daß das die Ermächtigungsgrundlage nutzende Parlament eine legitimierende Entscheidung für diejenigen Parlamentsmitglieder trifft, die besondere Befugnisse wahrnehmen sollen. 39o Der einzelne Abgeordnete hat damit die Möglichkeit, im
386 So aber Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 320, Fn. 194, u. a. unter Hinweis auf Eickenboom, Haushaltsausschuß und Haushaltsverfahren, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 44 Rdnr. 37; der allerdings nur konstatiert, daß bei den besonderen Befugnissen des Haushaltsausschusses der Interorganbereich betroffen ist, ohne hieraus Folgerungen für die Einordnung als hoheitliche Gewalt oder für die Notwendigkeit besonderer demokratischer Legitimation zu ziehen. 387 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 85 f. Emde, Die demokratische Legitimation der funktionalen Selbstverwaltung, 1991, S. 215, weist darauf hin, daß auch die formal staatsinternen Entscheidungen den Vorschriften über die staatliche Willensbildung genügen müssen. lestaedt, Demokratieprinzip und Kondominalverwaltung, 1993, S. 225 ff., 255 arbeitet heraus, daß der Staat und seine Funktionsträger immer dann Staatsgewalt im materiellen Sinn ausüben, wenn sie öffentlichen Aufgaben unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Bindungen wahrnehmen. Einschränkungen im Hinblick auf bestimmte Aufgaben sind damit unvereinbar. 388 BVerfGE 80,188 (226); RitzellBücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 57 GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), Anm. I 2; Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußriickruf, 1983, S. 173. 389 BVerfGE 80, 188 (226).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Plenum gegen den Vorschlag seiner Fraktion zu stimmen. Daß dies angesichts der ausgeprägten Fraktionsdisziplin faktisch selten sein wird, ist dabei rechtlich ebensowenig relevant wie die Tatsache, daß der einzelne Abgeordnete selbst im Falle eines "Ausscherens" letztlich kein anderes Ergebnis erzielen kann. Das Bedürfnis nach demokratischer Legitimation durch Wahlakt des Plenums ergibt sich außerdem daraus, daß die (übertragbaren) Mitwirkungsrechte des Bundestages aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG die demokratische Legitimation der europäischen Rechtsetzung im System des Grundgesetzes gewährleisten sollen. Sie sind eine Ausprägung des demokratischen Parlaments vorbehalts. Gegen eine Besetzung des Europaausschusses durch Wahl bestehen auch insoweit keine Bedenken, als die Bestellung eines einzigen Ausschusses nicht zu nennenswerten Verzögerungen oder Erschwerungen führen würde?91 Die in Art. 45 Satz 2 GG getroffene Entscheidung zugunsten der Funktionsfähigkeit des Bundestages wird damit nicht beeinträchtigt. Dies zeigt sich auch daran, daß andere Gremien mit Entscheidungsbefugnissen problemlos der Besetzung durch Wahl unterliegen,392 so auch die eingangs erwähnten Beispiele: das Vertrauensgremium gern. § 10 a Abs. 2 BHO, der G-1O Ausschuß gern. Art. I § 9 G IO-Gesetz, der Richterwahlausschuß gern. § 6 Abs. 2 BVerfGG. Festzuhalten ist, daß in der Geschäftsordnung des Bundestages die Wahl der von den Fraktionen vorgeschlagenen Abgeordneten für den Europaausschuß festgelegt werden muß. Dies bedeutet keine Abkehr393 von der verfassungs gemäßen Proporzbesetzung; vielmehr wird auf diese Weise das Verfahren, mit dem dieses Ergebnis erzielt wird, verfassungsrechtlich unbedenklich. Sofern der Bundestag Gremien durch Wahl zu besetzen hat, erfolgen diese Wahlen aufgrund von Vorschlagslisten der Fraktionen, die das Stärkeverhältnis bereits berücksichtigen. 394 Auch diese formelle Bestätigung der Fraktionsvorschläge durch das Plenum stellt aber einen Wahlakt dar, der sich auf das Gesamtorgan zurückführen läßt und somit keinesfalls als unnötige Formalie diskreditiert werden darf. Nicht von der Verfassung gefordert sind dagegen Regelungen eines Grundmandatsanspruchs. Hierbei handelt es sich um den Anspruch jeder Fraktion auf Vertretung in jedem Gremium. 395 Die 390 So auch Kretschmer; Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: Schneider / Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 9 Rdnr. 106. 391 Selbst die Wahl der Mitglieder aller Ausschüsse führt nach Ansicht Abmeiers, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 94, nicht zu relevanten Verzögerungen. 392 Eine umfassende Darstellung aller Gremien mit besonders geregelter Besetzung gibt Edinger; Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 216 ff. 393 So aber wohl allg. Vetter; Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 58 f.; zutreffend dagegen Abmeier; Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 89, der von einer "verfassungsrechtlichen Feuerprobe der Proporzregeln" spricht. 394 Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 12 GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), Anm. 2 a.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
325
Problematik stellt sich aber nur, wenn die Gremiengröße so beschränkt ist, daß nicht jede Fraktion entsprechend ihrer Stärke berücksichtigt werden kann. Für eine solche Berücksichtigung sind bei einer Fraktionsmindeststärke von 5% aber maximal 20 Sitze erforderlich. 396 Diese Grenze ist bei einem mit derzeit 36 ordentlichen Abgeordneten besetzten "großen" Ausschuß wie dem Europaausschuß aber jedenfalls überschritten. Angesichts des seit der Grundgesetzänderung im Jahr 1992 bestehenden fraktionsübergreifenden Konsenses397 über die grundsätzliche Ausschußgröße besteht insoweit auch künftig kein Bedürfnis nach einer Ergänzung der GO-BT.
b) Einzelfallermächtigung und begrenzte Generalermächtigung nach der Geschäftsordnung und in der Praxis
aa) Sonderrechte des Europaausschusses als Resultat der Diskussion um denkbare Delegationsmodelle: Sondersitzungsbefugnis, Umlaufverfahren der Fachausschüsse Im Zuge der Geschäftsordnungsreform waren zahlreiche Delegationsmodelle in der Diskussion?98 Wenn auch eine vollständige / generelle Delegation europäischer Angelegenheiten dem Ziel der Zeiterspamis am effektivsten Rechnung getragen hätte, so hätten dieser Möglichkeit doch zu große rechtliche Bedenken entgegengestanden: Eine Konzeption, nach der der Europaausschuß als eine Art europapolitisches Ersatzparlament arbeitet, ist weder mit Art. 38 Abs. I Satz 2 GG zu vereinbaren noch mit Art. 45 Satz 2 GG, der, wie herausgearbeitet, restriktiv auszulegen ist. Weniger einschränkend für die Statusrechte der Abgeordneten, also ein milderes Mittel im Sinne des bei der geschäftsordnungsmäßigen Ausgestaltung zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgebots,399 wäre eine partielle Delegation gewesen. Hierbei war allerdings die Frage nach einem geeigneten Differenzierungskriterium zu klären. Angesichts des angestrebten Ziels, der Beschleunigung und Effektivierung des Verfahrens, boten sich dabei weniger sachlich-inhaltliche Aspekte an als zeitliche Gesichtspunkte. In der Diskussion war in diesem Sinn eine Ermächtigung für die längeren sitzungsfreien Perioden wie die sog. parlamentarische 395 Ausführ!. hierzu Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 298 ff. 396 Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1992, S. 308. Zur besonderen Problematik von Gruppen ohne Fraktionsmindeststärke BVerfG, DVB!. 1998,90 (91). 397 Weber-Panariello, Nationale Parlamente in der Europäischen Union, 1995, S. 281. 398 Zu denkbaren Konzeptionen Hölscheidt / Schotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994, 230 (232); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (265 f.). 399 s.o. Kap. 3, B.III.2.c) (S. 309 f.).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Sommerpause. 4OO Zwar ist dieser Gedanke letztlich nicht als partielle Ermächtigung des Ausschusses in der GO-BT verankert worden, allerdings trägt ihm § 93 a Abs. 3 Satz 5 GO-BT Rechnung: Hiernach kann der Vorsitzende des Europaausschusses Sitzungen außerhalb des Zeitplanes (und außerhalb des ständigen Sitzungsortes) des Bundestages einberufen, wenn es die Terminplanung der zuständigen Organe der Europäischen Union erfordert. 401 Diese Befugnis stellt eine Abweichung zu § 60 Abs. 3 GO-BT dar, demzufolge für eine Sitzung außerhalb des Zeitplanes ein einstimmiger Beschluß des Ausschusses erforderlich ist oder ein entsprechendes Verlangen einer Fraktion oder von 5% der MdB. In beiden Fällen, d. h. sowohl gern. § 60 Abs. 3 wie auch gern. § 93 a Abs. 3 Satz 5 GO-BT, bedarf die Sondersitzung darüber hinaus der Genehmigung des Bundestagspräsidenten. Des weiteren stand ein Delegationsmodell für Eilfälle nach dem Muster von § 45 d GO-BRat zur Diskussion. Gern. § 45 d Abs. 1, I. Alt. GO-BRat ist die Europakammer des Bundesrates bei Eilbedürftigkeit zuständig, ihre Beschlüsse gelten dann gern. § 45 b Abs. 1 GO-BRat als Beschlüsse des Gesamtorgans. Ein Eilfall liegt nach der Legaldefinition in § 45 d Abs. 2 GO-BRat vor, wenn die Beschlußfassung des Bundesrates im Hinblick auf den Beratungsstand in den Gremien der Europäischen Union keinen Aufschub bis zur nächsten bereits einberufenen Sitzung des Bundesrates duldet. Gegen eine Übertragung dieser Regelung auf den Bundestag wurde angeführt, daß sie auf die Besonderheiten der Beteiligungsrechte des Bundesrates zugeschnitten sei. 402 Zutreffend ist, daß die Bundesregierung an ihrer Mitwirkung im Rat der Europäischen Union durch eine verzögerte Stellungnahme des Bundestages nicht gehindert ist. Insofern fällt die Entscheidung, wann die Beschlußfassung des Bundestages im Hinblick auf den Beratungsstand in den supranationalen Gremien keinen Aufschub bis zur nächsten Plenarsitzung duldet, zumindest schwerer als beim Bundesrat, dessen Vertreter teilweise gern. Art. 23 Abs. 6 GG an den Verhandlungen im Rat unmittelbar beteiligt sind. Damit sind Zweifel im Hinblick auf die Bestimmtheit bzw. Bestimmbarkeit des Begriffs des Eilfalls gegeben. Während die Bundesregierung zum Zwecke frühestmöglicher Unterrichtung des Parlaments - auch über den notwendigen Stellungnahmezeitpunkt - im Zweifel immer "zugunsten" des Parlaments von einem Eilfall auszugehen hat, gilt dies nicht für eine Delegation innerhalb des Parlaments. Hier verbietet 400 Hölscheidt I Schotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994, 230 (232); Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (266). 401 Zwei solcher Sondersitzungen des Europaausschusses waren z. B. in der Sornrnerpause 1996 im Zusammenhang mit den Beratungen des Ministerrates zum Europäischen Polizeiamt ("Europol") und mit der Diskussion um die Beihilfepolitik der Europäischen Kommission in Ostdeutschland ("VW-Sachsen") notwendig; s. Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 31. 402 Kabel, Die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (266).
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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der Ausnahmecharakter des Art. 45 Satz 2 GG und der Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG einen zu unbestimmten Anknüpfungspunkt für die Übertragung von Rechten auf den Europaausschuß. Dem hat der parlamentarische Geschäftsordnungsgeber Rechung getragen, indem er keine generelle Delegation für den Eilfall beschlossen hat. Ausdrücklich Bezug auf die Eilbedürftigkeit nimmt nur § 93 a Abs. 3 Satz 4 GO-BT, demzufolge die Vorsitzenden der mitberatenden Ausschüsse entsprechend §§ 72 Satz 2, 46 Satz 1 GO-BT schriftlich abstimmen lassen können. Im Normalfall ist demgegenüber gern. § 72 Abs. I GO-BT die schriftliche Abstimmung nur bei einstimmiger Ermächtigung durch den Ausschuß möglich, und dies nur, wenn außerhalb der Sitzungswochen besondere Eilfälle vorliegen. In diesem Umlaufverfahren findet § 67 GO-BT (Beschlußfähigkeit im Ausschuß) nur begrenzt Anwendung: macht nur weniger als die Hälfte der Mitglieder des Ausschusses von der Möglichkeit zur schriftlichen Stimmabgabe Gebrauch, ist ein ordnungsgemäßer Beschluß dennoch zustande gekommen. 403 Rechtliche Bedenken bestehen im Hinblick auf § 93 a Abs. 3 Satz 4 GO-BT allerdings insoweit nicht, als das erleichterte schriftliche Verfahren nur den mitberatenden Fachausschüssen eröffnet wird. Etwas anderes würde gelten, wenn etwa Stellungnahmen des Europaausschusses für das Gesamtorgan auf Anordnung des Vorsitzenden im Umlaufverfahren (womöglich praktiziert als Einwendungsausschlußverfahren)404 beschlossen werden könnten. Dies ist indes nicht der Fall. Der Bundestag hat sich schließlich für zwei Varianten der Delegation entschieden, für die Einzelfallermächtigung gern. § 93 a Abs. 2 Satz I GO-BT und für die begrenzte Generalermächtigung gern. § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT.
bb) Einzelfallermächtigung durch Plenarbeschluß Der Deutsche Bundestag kann den Europaausschuß ermächtigen, für eine bestimmte Vorlage die Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen. § 93 a Abs. 2 Satz I GO-BT sieht vor, daß diese Einzelfallermächtigung auf Antrag einer Fraktion oder von fünf von Hundert der MdB erteilt werden kann, beschränkt auf bestimmt bezeichnete Unionsvorlagen. Nicht explizit geregelt ist, welche Quoren für die Ermächtigung selbst erforderlich sind; es ist insoweit von der einfachen Mehrheit auszugehen, da diese gern. Art. 42 Abs. 2 Satz I GG ja auch für eine Entscheidung in der Sache genügen würde. Vor Abgabe seiner Stellungnahme ist der Europaausschuß verpflichtet, die Haltung der zuständigen Fachausschüsse abzufragen. Wird keine Einigkeit erzielt, so ist die Stellungnahme des Europaausschusses verbindlich.
403
Ritzel! Bücker; Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 72 GO-BT Anm. 2 b.
Zur Verfassungswidrigkeit des zuvor bei Rechtsverordnungen praktizierten Einwendungsausschlußverfahrens der Bundesregierung BVerfGE 91,148 (171 ff.); Epping, Oie Willensbildung von Kollegialorganen - am Beispiel der Beschlußfassung der Bundesregierung, OÖV 1995, S. 719 (723 f.). 404
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Ausgehend von dem Befund, daß die verfassungsrechtliche Verankerung der Delegationsermächtigung zulässig ist, bestehen mit Blick auf die konkrete Ausgestaltung als Einzelermächtigung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Eine übermäßige Einschränkung der Statusrechte der Abgeordneten liegt nicht vor, da es sich um die zurückhaltendste der denkbaren Ausgestaltungsmöglichkeiten handelt. Weniger bedeutsam als bei partiellen oder generellen Delegationen ist bei der vorliegend normierten Einzelfalldelegation insbesondere die Regelung eines Rückholrechts des Plenums, d. h. des Rechtes, nach erfolgter Ermächtigung des Ausschusses eine Sache wieder an sich zu ziehen. § 93 a Abs. 2 Satz 2 GO-BT, demzufolge das Recht des Bundestages, über eine Angelegenheit der Europäischen Union jederzeit selbst zu beschließen, unberührt bleibt, hat daher klarstellenden Charakter, wie auch die Einordnung durch die Gemeinsame Verfassungskommission zeigt. 405 Es handelt sich um eine sog. unechte oder bewahrende Delegation,406 die nicht die Zuständigkeit des Plenums vernichtet, sondern eine zweite, konkurrierende des Unionsausschusses begründet. 407 Wird von der Ermächtigung kein Gebrauch gemacht, fungiert der Unions ausschuß als normaler ständiger Ausschuß. 408 Für diesen Fall besteht allerdings die begründete Besorgnis, daß keine nennenswerte institutionelle Verbesserung im Vergleich zu den Vorgängergremien eintreten wird. 409 Zu bezweifeln ist allerdings, ob das Instrument geeignet ist, das Normziel des Art. 45 Satz 2 GG zu erreichen. Das Verfahren der Ermächtigungserteilung scheint geradezu dafür prädestiniert, kontraproduktiv zu wirken. Zunächst müßte das Plenum einen Beschluß fassen, damit der Europaausschuß auf dessen Grundlage tätig werden könnte, um nun seinerseits einen Plenarbeschluß entbehrlich zu machen. Dies steht in Widerspruch zu dem Ziel der Beschleunigung der parlamentarischen Meinungsbildung gegenüber der Bundesregierung und den europäischen Organen. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, daß ein Ermächtigungsbeschluß vom Bundestag schneller gefaßt werden kann als eine sachliche Stellungnahme, so daß eine Föderung des Normziels - der Verfahrensbeschleunigung - zumindest nicht ausgeschlossen erscheint. Damit ist § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT nicht wegen Ungeeignetheit mit dem Verdikt der Rechtswidrigkeit zu belegen. Für die Parlamentspraxis wird das Instrument der Einzelfallermächtigung aber wohl auch künftig - bisher hat das Plenum des Deutschen Bundestages von der Möglichkeit der EinzelerBT-Drs. 12/6000, S. 24 "widerruflich". Allg. zu den verschiedenen Delegationsvarianten Pietzner, Petitionsausschuß und Plenum, 1974, S. 56 f. m. w. N.; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, 1986, S.35. 407 Rojahn, in: v. Münch 1Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 45 Rdm. 9; Möllerl Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZPar11993, 21 (31): "Der Bundestag bleibt Herr des Verfahrens". 408 Magiera, in: Sachs, GG, 2. Auf!. 1999, Art. 45 Rdnr. 3. 409 I.d.S. HölscheidtlSchotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994, 230 (232). 405
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B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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mächtigung des Europaausschusses keinen Gebrauch gemacht - uninteressant sein. Etwas anderes gilt für die im folgenden behandelte begrenzte Generalermächtigung. cc) Begrenzte Generalermächtigung unter Widerspruchsvorbehalt der Fachausschüsse (1) Eilbedürftiger Fall
In § 93 a GO-BT hat sich der Gesetzgeber neben der Einzelfalldelegation in Absatz 2 Satz 1 für eine zweite Ermächtigungsfallgruppe entschieden, die in der Entwurfsbegründung als "begrenzte Generalermächtigung" charakterisiert wird. 410 Gebräuchlicher ist in der Praxis heute die Wendung "Stellungnahmerecht aufgrund Einvernehmens mit den Fachausschüssen,,411 bzw. kurz "Eilverfahren". Die Einordnung als begrenzte Generalermächtigung ist allerdings zutreffender, da das Plenum mit Beschluß der Geschäftsordnungsänderung die Zuständigkeit generaliter auf den Europaausschuß übertragen hat, wenn auch vorbehaltlich eines Widerspruchsrechts der beteiligten Fachausschüsse. Dieser Vorbehalt dient der sachlichen Richtigkeit der Stellungnahme und der Kooperation mit den Fachausschüssen, weniger der Vermittlung demokratischer Legitimation. Die ungenaue Bezeichnung des Einvernehmens indiziert aber bereits das zurückhaltende Selbstverständnis des Europaausschusses in der parlamentarischen Praxis. Mißverständlich ist die Ausführung in der Regierungsbegründung, daß in § 93 a Abs.3 Satz 2 GO-BT "ausdrücklich der Fall benannt ist, daß einer beabsichtigten Stellungnahme durch den Unionsausschusses keiner der beteiligten Fachausschüsse widerspricht. Ein Unterfall dieser Fallgruppe ist aber der Fall der Eilbedürftigkeit." Hierin etwa anklingende sonstige Ermächtigungen existieren nicht, es gilt allein § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT. Indes ist zu berücksichtigen, daß zwar bei Schaffung von § 93 a GO-BT auf eine generelle Ermächtigung des Europaausschusses für den Eilfall nach dem Muster des § 45 d GO-BRat verzichtet wurde, dennoch ist der Eilfall als ungeschriebene zusätzliche Voraussetzung für den Regelfall zu beachten. Die frühere Praxis hat gezeigt, daß zu häufig die Stellungnahmen des Bundestages verspätet eingingen oder nicht auf dem aktuellen Verfahrensstand waren. Aus diesem Grunde wurde die Eilbedürftigkeit nie aus dem Blick verloren, auch nicht in der Begründung zu § 93 a GO-BT. Hierin findet sich ein Definitionsansatz dahingehend, daß ein Eilfall anzunehmen ist, wenn die Schlußentscheidung im zuständigen Organ der Europäischen Union so kurzfristig bevorsteht, daß eine ordnungsgemäße Befassung des Plenums nicht mehr möglich ist. 412 410 Begründung des Antrags der Regierungsfraktionen auf Änderung der GO-BT, BT-Drs. 13/89, S. 5. 411 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union, 1998, S. 28. 412 BT-Drs. 13/89, S. 5.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Der Sonderausschuß "Europäische Union" hatte in seinem Bericht der Erwartung Ausdruck verliehen, "daß die Bundesregierung dem Bundestag auch den geeigneten Zeitpunkt für seine Stellungnahme empfiehlt, zu dem die Verhandlungen im Rat eine Berücksichtigung dieser Stellungnahme erlauben".413 An diesen Zeitpunkt läßt sich das Vorliegen eines Eilfalls knüpfen;414 allerdings kann dies nicht mehr als eine Entscheidungshilfe für den Bundestag sein. Keineswegs können Zeitvorstellungen der Bundesregierung dem Bundestag verbindliche Vorgaben bzgl. seiner Binnenorganisation machen. Es entspricht der gebotenen restriktiven Interpretation des Art. 45 Satz 2 GG, die Generalermächtigung nicht nur dem Widerspruchsvorbehalt der Fachausschüsse zu unterstellen, sondern als ungeschriebene Voraussetzung jedenfalls im Regelfall das Vorliegen von Eilbedürftigkeit zu fordern. 415 Für die Annahme des Eilfalls hat der Bundestag eine Einschätzungsprärogative. Nach der bisherigen Praxis spricht auch eine tatsächliche Vermutung dafür, daß ein Eilfall vorgelegen hat, wenn zwischen den Fachausschüssen und dem Europaausschuß Einvernehmen erzielt werden konnte. 416 In den Berichten des Europaausschusses, die gern. § 93 a Abs. 4 GO-BT einer plenarersetzenden Stellungnahme folgen müssen, hat sich daher die Formulierung, die das geschäftsordnungsmäßig vorgesehene Verhältnis von Europaausschuß und Fachausschüssen nicht klar erkennen läßt, eingespielt: "Die beteiligten Ausschüsse haben das Verfahren nach § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT gewählt, um dem Deutschen Bundestag in einem eilbedürftigen Fall - [es folgt eine kurze Erläuterung des Zeitplans des europäischen Organs, das den Eilfall verursacht] - die Mög413 Beschlußempfehlung und Bericht des Sonderausschusses "Europäische Union (Vertrag von Maastricht)", BT-Drs. 12/3896, S. 24. 414 Kabel, Die Mitwirkung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (266). 415 Ein anderer denkbarer legitimer Zweck für den Einsatz des Delegationsverfahrens ist der Fall der zu wahrenden Vertraulichkeit. Dieser Gedanke hat für die Europakammer in § 45 d Abs. 1,2. Alt., Abs. 3 GO-BRat Niederschlag gefunden. 416 Ein Beispiel für einen Eilfall stellt etwa die plenarersetzende Stellungnahme für die Einrichtung einer europäischen BeobachtungsteIle für Rassismus dar, BT-Drs. 13/6638. Hier war im Europaausschuß auf Grundlage der Arbeitsergebnisse der Antici-Gruppe, die entsprechend dem Mandat des Europäischen Rates von Florenz im Juni 1996 die Beratungen im AStV vorbereitet hatte, beraten worden. Das entsprechende Ratsdokument vom 22. Oktober 1996, BT-Drs. 13/6638, S. 5 ff. war dem Sekretariat des Europaausschusses am 31. Oktober 1996 vom Parlaments- und Kabinettsreferat des AA zugeleitet worden. Da bereits auf der Ratssitzung vom 25./26. November 1996 die abschließende Entscheidung fallen sollte, wurde seitens des Europaausschusses bereits vor der förmlichen Überweisung der Vorlage [BTDrs. 13/6129 (Nr. 2.1.) vom 14. November] in Sondierungsgesprächen abgeklärt, ob die designierten mitberatenden Fachausschüsse einen Beschluß nach § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT mittragen würden. In seiner 45. Sitzung vom 13. November 1996 faßte der Europaausschuß dann seine Stellungnahme für das ganze Haus, die der Bundesregierung damit rechtzeitig vor der Ratssitzung zugeleitet werden konnte. Mit Schreiben vom 19. November 1996 an Bundeskanzler Kohl wurde dieser davon in Kenntnis gesetzt, daß der Europaausschuß der Beobachtungs stelle zustimme, daneben wurden Leitprinzipien für die Kostenfrage und die Kooperation mit anderen Gremien aufgestellt.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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lichkeit einer effektiven Einflußnahme des Parlaments auf die Verhandlungsführung der Regierung zu gewährleisten.,,417 (2) Vereinbarkeit mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG Fraglich ist des weiteren, ob die begrenzte Generalermächtigung mit Art. 38 Abs. I Satz 2 GG zu vereinbaren ist. Da weder fraktionsangehörige noch fraktionslose Abgeordnete Anspruch auf Zugehörigkeit zu einem bestimmten Ausschuß haben,418 kann ein MdB nicht bereits durch seine Nichtbenennung für den Europaausschuß in seinem Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sein. Dies könnte aber dadurch gegeben sein, daß er sein Recht zur Schlußabstimmung im Plenum verliert, sobald der Europaausschuß zur Entscheidung berufen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfaßt der Abgeordnetenstatus das Mitwirkungs- und das Stimmrecht im Plenum;419 Beeinträchtigungen sind wie dargelegt nur hinzunehmen, wenn und soweit es die Abwägung mit Art. 45 Satz 2, 40 Abs. 1 Satz 2 GG erforderlich macht. Zu berücksichtigen ist zum einen, daß auch im Ermächtigungsfall das Stimmrecht nicht ersatzlos entfällt. An die Stelle der Entscheidung über die Stellungnahme tritt die Plenarentscheidung über die Ermächtigung des Ausschusses. 42o Bezogen auf die konkrete Sachentscheidung trifft dies allerdings nur bei der unbedenklichen Einzelermächtigung nach § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT zu. Ob ein abstraktgenereller Beschluß über eine Geschäftsordnungsbestimmung dagegen konkrete Plenarentscheidungen ersetzen kann, ist fraglich. 421 Bei der Schaffung von § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT hatten alle MdB gleichermaßen unbeschränktes Stimmrecht. In dem auf Grundlage dieser Norm abgewickelten Verfahren genügt dann zur Schlußentscheidung das Einvernehmen der beteiligten Fachausschüsse, während jede zusätzliche Befassung des Plenums entfällt. Jedenfalls die Abgeordneten, die in keinem der beteiligten Fachausschüsse Sitz und Stimme haben, sind damit von der Sachentscheidung ausgeschlossen. Die Plenarbefugnisse bleiben insoweit gewahrt, als es sich um eine bewahrende Delegation handelt: das Rückholrecht i. S. d. § 93 a Abs. 2 Satz 2 GO-BT ist nicht darauf beschränkt, die Einzelermächtigung zu widerrufen, vielmehr bleibt die Plenarzuständigkeit generell unberührt, wie es neben dem Wortlaut auch die verfassungskonforme Auslegung gebietet. 417 BT-Drs. 13/5209, S. 2; BT-Drs. 13/6638, S. 3, BT-Drs. 13/6891, S. 3. 418 BVerfGE 80, 188 (226); Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußrückruf, 1983, S. 173; Ritzel/Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 57 GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), Anm. 12. 419 BVerfGE 80, 188 (225). 420 So auch Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 341. 421 Ablehnend Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 91.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Zwei "Instrumente" surrogieren damit das Stimmrecht im Plenum; beide bleiben dabei qualitativ hinter dem vollen Stimmrecht zurück. Das eine Surrogat, der Plenarbeschluß über die Ermächtigung, ist abstrakt. In kommenden Wahlperioden kann sich die Mitwirkung der Abgeordneten sogar im bloßen Schweigen zu Beginn der ersten Sitzung der Legislaturperiode auf die Frage, ob sich gegen die Übernahme der Geschäftsordnung Bedenken ergeben, erschöpfen. 422 Das Rückholrecht als weiterer Ersatz für das Stimmrecht ist in der Regel reaktiv. Würde etwa eine bereits ergangene Stellungnahme des Europaausschusses "kassiert" und durch eine anders lautende des Plenums ersetzt, wäre dieser - höchst unwahrscheinliche - Fall mit großem Gesichtsverlust des Hauses verbunden. Das qualitative "Weniger" der Surrogate ist jedoch unter dem Gesichtspunkt hinzunehmen, daß sich die parlamentarische Mitwirkungszuständigkeit in Europäischen Angelegenheiten von den herkömmlichen Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundestages unterscheidet. Jene stehen dem Bundestag unbenommen zu, während diese bei fehlender effektiver und zügiger Handhabung faktisch bedeutungslos werden. Es verbietet sich damit, die Rechte der einzelnen Abgeordneten so auszugestalten, daß die Rechte des Gesamtorgans nicht mehr durchsetzbar sind und damit letztlich auch die Rechte aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG leerlaufen. Mußte damit die Einzelfallermächtigung in praxi der Bedeutungslosigkeit anheimfallen, so bleibt allein die begrenzte Generalermächtigung als Möglichkeit effektiver Absicherung der Mitwirkungsrechte. Nimmt man zudem eine ungeschriebene Beschränkung auf Eilfälle an, dann spricht die Abwägung von Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG mit Art. 45 Satz 2 GG für die Rechtmäßigkeit der geschäftsordnungsrechtlich vorgesehenen Ermächtigung. Zudem gewährleistet das Widerspruchsrecht der Fachausschüsse, daß gerade die sachlich-inhaltlich kompetenten MdB stimmberechtigt sind und nicht auf den abstrakten Ermächtigungsbeschluß verwiesen bleiben. (3) Sonderproblem: Statusrechte fraktionsloser Abgeordneter
Der durch Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete repräsentative Status umfaßt das Recht auf gleiche Teilhabe am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung, ohne daß zwischen fraktionsangehörigen oder fraktionslosen Mandatsträgem unterschieden wird. Dennoch läßt das Bundesverfassungsgericht Differenzierungen zwischen Abgeordneten zu, wenn ein besonderer rechtfertigender Grund hierfür gegeben ist,423 namentlich wenn die Funktionsfähigkeit des Parlaments es verlangt. 424 Gerade die Rechte fraktions loser Abgeordneter müßten sich in ihrer Eigenschaft als Mitgliedschaftsrechte in die notwendig gemeinschaftliche Ausübung insoweit einfügen, als es eine sachgerechte Aufgabenerfüllung gebietet. 425 Beherr422 Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984, S. 93, hält ein solches Vorgehen allgemein für eine unzulässige Mediatisierung, die die Teilnahmerechte der Abgeordneten verblassen lasse. 423 BVerfGE 93,195 (204). 424 BVerfG, DVBI. 1998,90 - "PDS 11".
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schendes Prinzip bleibt dennoch die Beteiligung aller Abgeordneten. 426 Im Hinblick auf die Parlamentsausschüsse besteht allerdings das Problem, daß die notwendige spiegelbildliche Besetzung beeinträchtigt werden könnte, wenn fraktionslose MdB vollumfänglich mitwirkten. Diesen Konflikt löst § 57 Abs. 2 Satz 2 GO-BT dahingehend, daß fraktionslose Abgeordnete zwar beratende Ausschußmitglieder sein können; ihnen steht allerdings nur ein Antragsrecht gern. § 71 Abs. 1 Satz 1 GO-BT zu, nicht aber ein Stimmrecht. Mitglieder von Gruppierungen fraktionsloser Abgeordneter haben demgegenüber, wenn sie einen Ausschußsitz erhalten, im Ausschuß keinen Status minderen Rechts im Vergleich zu den von den Fraktionen entsandten Mitgliedern. 427 Die Zubilligung des Anspruchs auf Mitgliedschaft erstreckt sich dabei nur auf ständige Ausschüsse. 428 Dies ist im Europaausschuß als großem ständigen Ausschuß unproblematisch; die zwei Abgeordneten der Gruppe der PDS - die in der 14. Legislaturperiode Fraktionsstatus erlangte im Europaausschuß des 13. Deutschen Bundestages hatten das volle Stimmrecht. Problematisch ist dagegen der Status fraktionsloser Abgeordneter, von denen es während der 13. Wahlperiode seit 1997 im Europaausschuß einen gab. Mit der Regelung in § 57 Abs. 2 Satz 2 GO-BT folgte der Bundestag der Wüppesahl-Entscheidung, die ein Stimmrecht fraktionsloser Abgeordneter wegen seiner überproportionalen Wirkung als unzulässige Beeinträchtigung der Spiegelbildfunktion ansah und damit als unzulässige Beschränkung der Rechte der übrigen Abgeordneten. 429 Dies gelte besonders mit Rücksicht auf die Ausschußfunktion, die Mehrheitsfähigkeit einer Vorlage im Plenum sicherzustellen. Dem läßt sich mit Recht entgegenhalten, daß diese - im Urteil in einem normativen Sinn verstandene - Funktion von Ausschüssen die rechtliche Bedeutung des Stimmrechts von Oppositionsabgeordneten verkennt. 43o Darüber hinaus erweisen sich die "schwierigen Korrekturen", die zur Neutralisierung eines überproportionalen Stimmrechts erforderlich seien, letztlich als bloße Aufstockung der Sitze der Mehrheitsfraktion um einen oder zwei Sitze. 431 Selbst in dem nur mit 11 Mitgliedern besetzten 1. Untersuchungsausschuß des 13. Bundestages wäre eine stimmberechtigte Mitgliedschaft 425 BVerfGE 80, 188 (219); Schulze-Fielitz. Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DÖV 1989,829 (830). 426 BVerfGE 80, 188 (221); ähnl. bereits BVerfGE 44, 308 (316). 427 BVerfGE 84, 304 (LS 3 b, 324). 428 Schulze-Fielitz. Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DÖV 1989, 929 (833). Für einen Anspruch etwa von Gruppen ohne Fraktionsstatus auf Einräumung eines Grundmandats in Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen fehlt es dagegen nach der Rechtsprechung, BVerfGE 84, 304 (332); BVerfG, DVBI. 1998,90 (91), an einer verfassungsrechtlichen Grundlage. 429 BVerfGE 80, 188 (224); zust. Ritzel! Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, § 57 GO-BT (Stand der Bearb. Juli 1993), Anm. 11 2 und V mit ausführlicher Darstellung der Rechte Fraktionsloser. 430 So BVerfGE 80, 188 (235, 239) - Sondervotum Mahrenholz. 431 BVerfGE 80, 188 (235, 240) - Sondervotum Mahrenholz; Schulze-Fielitz. Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DÖV 1989,829 (833 f.).
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
der Gruppe der Abgeordneten der PDS bei gleichzeitiger Wahrung der parlamentarischen Mehrheitsverhältnisse möglich gewesen, wenn die Mitgliederzahl auf 17 erhöht worden wäre. Die Einschätzung des Bundestags, daß dies einer zügigen und effektiven Erledigung des Untersuchungsauftrags entgegenstehe,432 hat das Bundesverfassungsgericht allerdings auch in seinem zweiten Urteil zur Rechtsstellung parlamentarischer Gruppen für verfassungsrechtlich unbedenklich erachtet. 433 Überzeugender ist es demgegenüber, die Beschränkung fraktionsloser Abgeordneter damit zu erklären, daß zum einen die Mitwirkung in einem Ausschuß schwerpunktmäßig in der Einbringung von Argumenten und der Teilnahme an der Sachdiskussion besteht und daß zum anderen dem Abgeordneten sein Abstimmungsrecht im Plenum unbeschränkt verbleibt. 434 Was die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts anbelangt, derzufolge die Diskussionteilnahme letztlich das Stimmrecht an Bedeutung überwiegt oder letzterem doch jedenfalls gleichkommt, sind Zweifel angebracht. Zunächst ist selbst in herkömmlichen vorbereitenden Ausschüssen zu beriicksichtigen, daß der Ausschußarbeit eine eigenständige Qualität zukommt. 435 Bereits im Vorfeld werden Entscheidungsalternativen aus dem Willensbildungsprozeß ausgeschieden und unterschiedliche Auffassungen zu einem Komprorniß zusammengeführt, während die Debatte im Plenum nicht in allen Einzelheiten und nicht vergleichbar sachbezogen geführt wird. Im Europaausschuß tritt nun der Aspekt hinzu, daß es eben nicht allein um die Vorbereitung und die Befruchtung der Sachdiskussion geht, sondern im Delegationsfall auch um die Schlußentscheidung. Im Verhältnis zu der Situation, die dem Urteil der Wüppesahl-Entscheidung zugrundelag, sind hier also veränderte Grundbedingungen festzustellen. Dies spräche dafür, stärkere Anforderungen an die surrogierende Abstimmung im Plenum zu stellen. Während diesen bei der Einzelfallerrnächtigung, die einen konkreten Parlaments beschluß erfordert, genüge getan wird, gilt dies schwerlich für die begrenzte Generalerrnächtigung. Bezüglich des Stimmrechts im Plenum gilt für den Fraktionslosen nichts anderes als für das fraktionsangehörige Nichtmitglied: die Surrogation durch den Beschluß über § 93 a Abs. 3 Satz 2 GOBT ist ein Denkmodell, das mit inhaltlicher Befassung im konkreten Fall wenig gemeinsam hat. Es bleibt im wesentlichen der Rekurs auf des Rückholrecht des Plenums. Fraglich ist, ob für den fraktionslosen Abgeordneten ebenso wie für das Nichtmitglied im Europaausschuß aufgrund der Abwägung von Art. 23 Abs. 2, 3, Art. 45 Satz 2, Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG einerseits und Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits gilt, daß die dargelegten Beschränkungen des Abgeordnetenstatus hinzuneh432 Vgl. den Bericht des Ausschusses für Wahlpriifung, Immunität und Geschäftsordnung, BT-Drs. 13/1323, S. 6. 433 BVerfG, DVBI. 1998,90 (91). 434 BVerfGE 80, 188 (224 f.). 435 BVerfGE 80, 188 (237) - Sondervotum Mahrenholz. Allg. zur Bedeutung der Ausschußarbeit Kasten, Ausschußorganisation und Ausschußriickruf, 1983, S. 176 ff.
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men sind. Teilweise wird eine differenzierte Behandlung Fraktionsloser ohne nähere Begründung abgelehnt. 436 Dennoch müssen die Unterschiede zumindest berücksichtigt werden: Während eine stärkere Einbeziehung von Nichtmitgliedern des Europaausschusses nur über einen Plenarbeschluß möglich wäre, der allerdings dem Ziel der Verfahrensbeschleunigung entgegenliefe, ist dies für ein Stimmrecht des Fraktionslosen im Europaausschuß unnötig. Erforderlich wäre allerdings eine Aufstockung der Mitgliederzahl. Selbst wenn dem Fraktionslosen nur für den Fall ein Stimmrecht zugebilligt würde, daß der Europaausschuß für das Gesamtorgan Stellung nimmt, müßte die Ausschußvergrößerung permanent sein und könnte nicht ad hoc bei Bedarf entschieden werden. Wenn auch eine Vergrößerung angesichts des ohnehin fraktionsübergreifend bestehenden Einverständnisses über die Größenordnung des Europaausschusses nicht zu problematisch erscheint, ist dennoch der Gestaltungsspielraum437 des Bundestages bei der Festsetzung der Ausschußmitgliederzahl zu beachten. Bei der Abwägung zwischen den Bedürfnissen der Arbeitsfähigkeit des Europaausschusses und einer möglichst repräsentativen Zusammensetzung des Europaausschusses kommt dem Bundestag ein Gestaltungsspielraum zu. Die Entscheidung des Gesamtorgans, die Sitzzahl des Ausschusses im Interesse einer zügigen Arbeitsweise nicht noch höher anzusiedeln, kann vor diesem Hintergrund nicht als verfassungswidrig eingeordnet werden. Allerdings ist zu bedenken, daß die Gestaltungsfreiheit besonders weit ist, wenn die in Frage stehenden Hilfsorgane Beschlüsse des Bundestages nicht unmittelbar vorbereiten, sondern wenn sie lediglich im Vorfeld der parlamentarischen Willensbildung tätig werden. 438 Letzteres trifft auf die Befugnisse des Europaausschusses gerade nicht zu, er darf im Gegenteil sogar unmittelbar entscheidend tätig sein. Damit ist es verfassungspolitisch wünschenswert, trotz der in eine andere Richtung weisenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Rechten fraktionsloser Abgeordneter, ggf. den Ausschuß zu vergrößern und einem fraktionslosen Abgeordneten ein Stimmrecht einzuräumen.
4. Öffentlichkeit des Ausschusses § 93 a GO-BT enthält keine gesonderte Regelung über die Öffentlichkeit der Sitzungen des Europaausschusses; der Geschäftsordnungsgeber hat sich vielmehr bewußt dafür entschieden,439 es bei der Regelung des § 69 Abs. 1 Satz 1, 2 GO-BT zu belassen, wonach ein Bundestagsausschuß nicht öffentlich verhandelt, sofern er 436 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 - 7 GG, 1997, S. 348 "muß auch hier gelten". 437 BVerfGE 10,4 (19); BVerfGE 80, 188 (218); BVerfGE 84, 304 (322); Schulze-Fielitz, Der Fraktionslose im Bundestag: Einer gegen alle?, DÖV 1989, 829 (833). 438 So für Enquete-Kommissionen BVerfGE 80, 188 (230); BVerfG, DVBI. 1998,90 (91). 439 Begründung des Antrags der Regierungsfraktionen auf Änderung der GO-BT, BT-Drs. 13/89, S. 5.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
nicht im Einzelfall beschließt, die Öffentlichkeit herzustellen. Dies zeigt auch die gesonderte Zutrittsregelung für MdEP in § 93 a Abs. 6 Satz 1, l.Hs. GO-BT, die ansonsten entbehrlich gewesen wäre. Das neue Instrument der sog. erweiterten öffentlichen Ausschußberatung gem. § 69 a GO-BT hat der Europaausschuß bisher ebenfalls nicht eingesetzt. Gem. § 10 EU-Grundsätze kann der Vorsitzende des Europaausschusses die Öffentlichkeit in den Fällen zulassen, in denen der Ausschuß eine plenarersetzende Stellungnahme abgibt. Diese Zulassung steht allerdings unter dem Vorbehalt, daß keine der im Ausschuß vertretenen Fraktionen widerspricht. In der Praxis hat der Vorsitzende in den wenigen Delegationsfällen von dieser Möglichkeit noch keinen Gebrauch gemacht. Dies dürfte nicht zuletzt darauf zuriickzuführen sein, daß sich die Delegation oft erst kurzfristig ergibt und die Zulassung der Öffentlichkeit einen hohen informellen Abstimmungsbedarf und organisatorische Maßnahmen voraussetzt. 440 Öffentliche Sitzungen werden dagegen in aller Regel durchgeführt, wenn ein Mitglied der Europäischen Kommission im Ausschuß berichtet sowie in den Fällen, in denen Anhörungen zu einzelnen Sachfragen veranstaltet werden. Rechtliche Grundlage hierfür ist § 93 Abs. 5 Satz I GO-BT, der den Ausschüssen die Möglichkeit eröffnet, außerhalb des aufwendigen Verfahrens nach § 70 GO-BT Mitglieder des EP sowie des Rates und der Kommission der Europäischen Union oder deren Beauftragte zu ihren Beratungen hinzuzuziehen. Schließlich gewährleistet die Berichtspflicht, die dem Europaausschuß nach § 93 a Abs. 4 GO-BT nach Abgabe einer plenarersetzenden Stellungnahme obliegt, einen weiteren Teilaspekt der Ausschußöffentlichkeit. 441 Die Entscheidung gegen eine grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen des Europaausschusses beruht auf dem Selbstorganisationsrecht des Bundestages. Dieses könnte allerdings durch eine entsprechende Anwendung des Art. 42 Abs. I Satz I GG dahingehend eingeschränkt sein, daß jedenfalls im Falle plenarersetzender Stellungnahmen die Verhandlungsöffentlichkeit zwingend gegeben sein muß. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, derzufolge der Bundestag öffentlich verhandelt, steht in der Tradition der Weimarer Reichsverfassung und der Paulskirchenverfassung. 442 Aus verfassungssystematischer Perspektive ist das öffentliche Verfahren als essentieller Bestandteil des demokratischen Prinzips des Grundgesetzes 440 So etwa die Verständigung der Presse und die Bereitstellung räumlicher Kapazitäten, s. Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 42. 441 Hierbei handelt es sich um ein Instrument mittelbarer Parlamentsöffentlichkeit, allg. Achterberg, Parlamentsrecht, 1984, S. 563, 567 f.; Linck, Die Parlamentsöffentlichkeit, ZParl 1992, 673 (676). Als ein unzureichendes Surrogat erachtet dies Magiera, in: Sachs, GG, 2. Auf!. 1999, Art. 45 Rdnr. 7, da eine Aussprache im Plenum nur ausnahmsweise auf Verlangen einer Fraktion oder von 5% der Bundestagsmitglieder erfolgt. 442 § 111 Satz 1 Pau1skirchenverfassung von 1849: "Die Sitzungen beider Häuser sind öffentlich"; Art. 29 Satz 1 WRV von 1919: "Der Reichstag verhandelt öffentlich".
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zu werten; dies gilt gerade im Anwendungsbereich schlichter Parlamentsbeschlüsse und speziell europarechtlicher Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG als Handlungsform des demokratischen Parlamentsvorbehaltes. 443 Nach überwiegender Ansicht findet dies allerdings keine Anwendung auf die herkömmliche Ausschußarbeit,444 da hier auf der Arbeitsebene die Möglichkeit zur Kompromißflihigkeit der Fraktionen im Vordergrund stehe. Außerdem spreche Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich nur vom Bundestag, während Absatz 3 zwischen dem Bundestag und den Ausschüssen unterscheide. 445 Dieses systematische Argument steht einer analogen Anwendung nicht grundsätzlich entgegen, denn angesichts der bereits beschriebenen hohen faktischen Bedeutung, die die Arbeit der Fraktionsgruppen und Ausschüsse für die inhaltliche Gestaltung der Gesetzgebung hat, könnten Sinn und Zweck der Norm eine Gleichbehandlung von Plenum und Ausschüssen doch fordern. Dennoch ist eine solche nicht verfassungsrechtlich zwingend, solange die Öffentlichkeit in der abschließenden Plenarsitzung gewährleistet ist. 446 Ausgeschlossen ist das indes dann, wenn der Europaausschuß gern. Art. 45 Satz 2 GG die Befugnisse des Plenums wahrnimmt. Dies spricht für eine aus analoger Anwendung von Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG hergeleitete verfassungsrechtliche Pflicht, die Ausschußsitzungen öffentlich durchzuführen. 447 Dem kann nicht überzeugend entgegengehalten werden, daß es sich bei dem Europaausschuß nicht um ein "Ersatzparlament" handele, sondern daß er lediglich unter dem Gesichtspunkt der Beschleunigung die Arbeit der Fachausschüsse zu koordinieren habe und daß er, um das "Miteinander innerhalb des Bundestags nicht zu gefährden" nach denselben Regeln wie die Fachausschüsse tagen müsse. 448 Eine solche Annahme wird der verfassungsrechtlichen Verankerung des Europaausschusses in Art. 45 Satz I GG nicht gerecht. Nicht überzeugend gegen die notwendige Verhandlungsöffentlichkeit spricht auch die These, daß die Stellungnahmen zwar Schlußentscheidungen seien, es sich bei ihnen aber lediglich um Beschlüsse mit Bindungswirkung für s. ausführ!. oben, Kap. 2, A.V. (S. 153 ff.), bes. 4.c)bb) (S. 169 ff.). BVerfGE 1, 144 (152); Frost, Die Parlamentsausschüsse, ihre Rechtsgestalt und ihre Funktionen, dargestellt an den Ausschüssen des Deutschen Bundestages, AöR 95 (1970), 38 (61,85); Kissler, Parlamentsöffentlichkeit: Transparenz und Artikulation, in: Schneider/Zeh, Parlamentsrecht, 1989, § 36 Rdnr. 39; Zeh, Parlamentarisches Verfahren, in: Isensee/ Kirchhof, HdbdStR 11, 1987, § 43 Rdnr. 60; krit., aber nicht für Verfassungswidrigkeit Schulte, in: v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Das Bonner Grundgesetz, 3. Auf!. 1991, Art. 42 Rdnr. 10; zum Meinungsstand ferner Versteyl, in: v. Münch/ Kunig, GG, Bd. 2, 3. Auf!. 1995, Art. 42 Rdnrn. 2 ff. 445 Magiera, Parlament und Staatsleitung in der Verfassungsordnung des Grundgesetzes, 1979, S. 148. 446 Kritisch Achterberg, Parlamentsrecht 1984, S. 570 f. 447 Magiera, in: Sachs, GG, 2. Auf!. 1999, Art. 45 Rdnr. 7; Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 45 Rdnr. 11; allg. für Ausschüsse mit Entscheidungsbefugnissen Linck, Die Parlamentsöffentlichkeit, ZParl 1992, 673 (681 f., 698 f.); Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Achterbergt Schulte, Das Bonner Grundgesetz, 3. Auf!. 1991, Art. 42 Rdnr. 15 f. 448 So aber Abg. Joachim Hörster (CDU /CSU), BT-PIPr. 13. WP/9. Sitzung vom 15. Dezember 1994, S. 440 (D). 443
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die in den Europäischen Organen verhandlungsführende Bundesregierung handele und nicht um rechtsverbindliche Entscheidungen für die Bürger. 449 Diese Beschränkung auf Rechtsakte mit unmittelbarer Außenwirkung ist nicht überzeugend. Gerade im Interorganverhältnis zwischen erster und zweiter Gewalt kommt dem demokratischen Parlamentsvorbehalt und hiermit insbesondere dem parlamentarischen Verfahren tragende verfassungsrechtliche Bedeutung zu. Art. 42 Abs. I Satz 2 GG selbst differenziert ebenfalls nicht nach dem Gegenstand der parlamentarischen Verhandlung. Soweit das Bedürfnis nach verstärkter Öffentlichkeit in den Ausschüssen damit begründet wird, daß hier die eigentliche Gesetzgebungsarbeit stattfindet, so trifft dieser Aspekt auch für die parlamentarischen Stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 3 GG zu, die die auf die europäische Ebene übertragenen Legislativbefugnisse surrogieren. Dies ist besonders angesichts der bisher oft als unzureichend empfundenen Transparenz des europäischen Integrationsprozesses zu bedenken. 45o Andererseits muß berücksichtigt werden, daß auch das Selbstorganisationsrecht des Bundestages, namentlich die Geschäftsordnungsautonomie aus Art. 40 Abs. 1 Satz 2 GG, ein Rechtsgut von Verfassungsrang ist. Beide Rechtsgüter müssen im Sinne des Prinzips praktischer Konkordanz 451 einander so zugeordnet werden, daß beide zu optimaler Wirksamkeit gelangen. Die Annahme einer zwingenden verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Ausschußöffentlichkeit ist zwar geeignet, Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG umfassend durchzusetzen. Angesichts der derzeitigen höchst restriktiven Handhabung der Delegationsbefugnis 452 würde es sich allerdings um eine unverhältnismäßige Einschränkung des Gestaltungsspielraums des Bundestages bei der Ausgestaltung seiner Binnenorganisation handeln. Der Bundestag selbst geht davon aus, daß das Ziel des Art. 45 GG, die Mitwirkungsrechte institutionell abzusichern, gerade durch die Nichtöffentlichkeit gewahrt wird. In der Regel gilt die Nichtöffentlichkeit, manchmal sogar die Vertraulichkeit der Ausschußsitzung als Voraussetzung für die ausführliche und uneingeschränkte Berichterstattung der Regierungsvertreter. Die generelle Öffentlichkeit könnte demgegenüber dazu führen, daß die Unterrichtung über die Willensbildung der Regierung und in den europäischen Gremien weniger detailliert und offen erfolgt. Die strikte Pflicht zur Öffentlichkeit würde dann die demokratische Kontrolle nur formal stärken, tatsächlich dagegen schwächen. Dafür, daß diese Annahme realistisch ist, spricht, daß es sich um einen politisch sensiblen Bereich handelt: dem Parlament wird durch Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG, §§ 3,4 EUZBBG i.Y.m. den EU-Grundsätzen ein Bereich zugänglich, der klassisch als exekutivischer Eigenbereich galt. Ausschlaggebend ist, daß der Bundestag seine durch Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG beSo aber BT-Drs. 13/89, S. 6. Magiera, in: Sachs, GG, 2. Auf!. 1999, Art. 45 Rdnr. 7. 451 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Auf!. 1995, Rdnr. 72. 452 Hierzu ausführ!. im folgenden Gliederungspunkt. 449
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schränkte Einschätzungsprärogative nicht überschreitet, wenn er vor diesem Hintergrund gegen die grundsätzliche Ausschußöffentlichkeit entscheidet. Dies schließt nicht aus, daß eine andere verfassungsrechtliche Bewertung erfolgen muß, je stärker das Delegationsverfahren genutzt wird. Den in der Praxis völlig unwahrscheinlichen Extremfall unterstellt, die gesamte Europapolitik liefe unter Ausschaltung des Plenums über den nicht öffentlichen Europaausschuß, wäre dergestalt Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG jedenfalls in verfassungswidriger Weise unterlaufen. Zur Zeit sind die Möglichkeit zur öffentlichen Verhandlung gern. § 69 Abs. I Satz 2 GO-BT, § 10 EU-Grundsätze, die regelmäßig öffentlichen Anhörungen gern. § 93 Abs.5 Satz 1 GO-BT und die Berichtspflicht gern. § 93 a Abs. 4 GO-BT allerdings als verfassungsrechtlich ausreichend zu erachten. Verfassungspolitisch sind Ansätze zu verstärkter Öffentlichkeit453 jedenfalls zu begrüßen.
5. Bewährung des Stellungnahmerechts aus § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT in der Praxis und rechtliche Würdigung a) Befund der fehlenden Praxisrelevanz und ihre Ursachen Die teils sehr hohen Erwartungen,454 teils vorsichtigen Hoffnungen,455 die mit dem Institut der plenarersetzenden Stellungnahme bei Schaffung seiner rechtlichen Grundlagen zwischen 1992 und 1994 verbunden wurden, haben sich ebensowenig erfüllt wie die teilweise geäußerten Befürchtungen. So hat sich etwa die anfangs heraufbeschworene "Gefahr, daß ein europapolitisches Machtdreieck aus Bundesregierung, Europakammer des Bundesrates und Europaausschuß des Bundestages die zentrale Verantwortbarkeit der deutschen Europapolitik verwischt,,456 als wirklichkeitsfremd erwiesen. Bezeichnenderweise blieb das Delegationsverfahren bei einer Zwischenbilanz über die Praktikabilität der Mitwirkungsrechte aus Art. 23 GG und ihrer Anwendung in der Staatspraxis, die im November 1996 von der Deutschen Gesellschaft für Gesetzgebung in Bonn gezogen wurde, außer Be453 Es bleibt nach Einschätzung des Europaausschusses abzuwarten, ob er nach dem Umzug nach Berlin in größerem Umfang öffentlich tagen wird. Angesichts der generellen Tendenz zu stärkerer Öffentlichkeit der Ausschußarbeit wurden in Berlin für die Sitzungssäle der ständigen Ausschüsse Besuchertribünen in der Planung berücksichtigt, s. Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 42. 454 BT-Drs. 12/3896, S. 21; MöllerlLimpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZParl. 1993,21 (31 f.). 455 Kabel, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, in: Gedächtnisschrift für Grabitz, 1995, S. 241 (247 f.); HölscheidtlSchotten, Der Unionsausschuß des Deutschen Bundestages - Gestaltungsprobleme, Integration 1994, 230 f.; Kohnen, Die Zukunft des Gesetzesvorbehalts in der Europäischen Union, 1998, S. 91. 456 Badura, Das Staatsziel "Europäische Integration" im Grundgesetz, in: Festschrift für Schambeck, 1994, S. 887 (901); warnend auch Schoh, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 45 (Stand der Bearb. Okt. 1996), Rdnr. 3.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
tracht. 457 Erste Stimmen aus der parlamentsrechtlichen Literatur konstatierten, daß das Sonderrecht ungenutzt bliebe und führten dies wesentlich auf den Einfluß der Fachausschüsse zurück, die ihre Pfründe sichern wollten. 458 Die Ausgangssituation hat sich mittlerweile etwas verändert; der Europaausschuß hat, wenn auch nur höchst zurückhaltend, von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, Stellungnahmen für das Plenum abzugeben. Nachdem im Jahr 1995 in einigen Fällen der Einsatz des Delegationsverfahrens angestrebt und letztlich doch nicht durchgeführt worden war, konnte die erste verbindliche Stellungnahme im Mai 1996 zum Thema Betrugsbekämpfung abgegeben werden. 459 Zwei weitere plenarersetzende Beschlüsse wurden Ende 1996 mit Wirkung für das gesamte Haus gefaßt. 460 Wahrend der erste Einsatz der Sonderbefugnis aus § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT im Europaausschuß als historischer Moment gewürdigt wurde, erregte die zweite plenarersetzende Stellungnahme, die ein halbes Jahr später anläßlich der Einrichtung einer Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit abgegeben wurde, selbst unter den Abgeordneten des federführenden Europaausschusses wenig Aufsehen. Nach Einschätzung des Europaausschusses handelte es sich in der Zeit nach der Konstituierung des Ausschusses im Dezember 1994 "unverkennbar um eine gewisse Eingewöhnungsphase".461 Doch auch wenn sich im folgenden einige Anwendungsfälle ergeben haben, ist hieraus keineswegs eine steigende Tendenz abzulesen. Die Entwicklung des Ausschußstellungnahmerechts hin zu einem praxisrelevanten Kontrollinstrument ist auch in der Zukunft nicht zu erwarten. Wie bereits gezeigt, gilt dies ausnahmslos für das zu umständliche Einzelfallerrnächtigungsverfahren gern. § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT. Aber auch dem Vorgehen im "Einvernehmen" mit den Fachausschüssen gern. § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT stehen Hindernisse entgegen. Diese liegen kaum in der zu großen Schwerfälligkeit der geschäfts457 Hofmann/ Meyer-Teschendorf, Der "Europa-Artikel" 23 GG in der staatlichen Praxis, ZG 1997, S. 81 ff. 458 Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2-7 GG, 1997, S. 305. 459 Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union gern. § 93 a Abs. 4 GO-BT zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Rates betreffend Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zur Feststellung von Betrug und Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der finanziellen Interessen der EG, BT-Drs. 13 / 5209 vom 3. Juli 1997, S. 1 ff. 460 Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union gern. § 93 a Abs. 4 GO-BT zu der Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, BT-Drs. 13/6638 vom 18. Dezember 1996, S. 1 ff. sowie zu den Schlußfolgerungen der xv. COSAC (Konferenz der Sonderorgane für EU-Angelegenheiten) am 16. Oktober 1996 in Dublin und zu dem Beratungsdokument der Regierungskonferenz zur Revision des Maastrichter Vertrages vom 19. November 1996, BT-Drs. 13/6891 vom 3. Februar 1997, S. 1 ff. 461 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 29.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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ordnungsrechtlichen Rechtsgrundlagen 462 begründet. Ursächlich ist vielmehr zum einen die bereits angesprochene starke Orientierung der Fachausschüsse an den Interessen des jeweils eigenen Geschäftsbereiches, zum anderen sind die Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Europaausschusses dafür verantwortlich. Diese zwei Aspekte sollen im folgenden näher erläutert und die damit verbundenen rechtlichen Probleme dargelegt werden. Zuvor stellt sich allerdings die Frage, ob der plenarersetzenden Stellungnahme - wenn es dann zu ihrem Einsatz kommt - überhaupt die ihr von Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG zugebilligte rechtliche Wirkung in der Praxis zukommt. b) Praktische Bedeutung und rechtliche Wirkung am Beispiel der ersten plenarersetzenden Stellungnahme Zu diesem Zweck soll exemplarisch die erste plenarersetzende Stellungnahme betrachtet werden, die die Verhandlungsführung der Bundesregierung bezüglich der EG-Verordnung betreffend Kontrollen und Überprüfungen vor Ort durch die Kommission zur Feststellung von Betrug und Unregelmäßigkeiten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaft zum Gegenstand hatte. 463 Die Einordnung dieser nationalen parlamentarischen Stellungnahme in den chronologischen Prozeß des auf Art. 235 EGVa.F. 464 gestützten europäischen Rechtsetzungsverfahrens zum Erlaß der Verordnung 2185/96 illustriert Stellenwert und Ansatzpunkte der Mitwirkung des Bundestages und insbesondere der Stellungnahme des Europaausschusses. Das förmliche europäische Rechtsetzungsverfahren begann465 mit einem Vorschlag der Kommission über eine Verordnung betreffend Kontrollen vor Ort vom 20. Dezember 1995. Diese Initiative wurde am 19. Januar 1996 von Wettbewerbskommissar van Miert unterzeichnet und an den Präsidenten des Rates geleitet. 466 Zehn Tage später, am 29. Januar 1996, erfolgte seitens des BMF die Unterrichtung des Bundesrates gern. § 2 EUZBLG über den Kommissionsvorschlag. 467 Die entsprechende Unterrichtung des Bundestages schloß sich erst über drei Wochen später an. Bis dies mit ausführlichem Zu lei-
Hierauf stellt Pemice, in: Dreier, GG, Bd. 2, 1998, Art. 45 Rdnr. 9 f., ab. BT-Drs. 13/5209. 464 Art. 308 EGV n.F. 465 Zuvor war bereits eine allgemeinere Verordnung über den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft verabschiedet worden, ABI. 1995, Nr. L 312/ I ff.; bereits bei Erlaß seines diesbezüglichen Gemeinsamen Standpuntes im Juni 1995 hatte der Rat festgelegt, daß Kontrollen in den Mitgliedstaaten einer gesonderten Verordnung vorbehalten bleiben sollten. 466 Die Veröffentlichung des Kommissionsvorschlags im Amtsblatt fand am 21. März 1996 statt, d. h. sieben Wochen nach förmlicher Unterrichtung des Bundesrates und vier Wochen nach Unterrichtung des Bundestages, ABI. 1996, Nr. C 84/10 ff. 467 BRat-Drs. 59/96 (I). 462 463
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
tungsschreiben vom 20. Februar geschah, hatte bereits die gern. Art. 235 EGVa.F. 468 erforderliche erste Anhörung des EP stattgefunden; die Delegationen in der Untergruppe "Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaften" des Haushaltsausschusses des Rates hatten eine erste allgemeine Stellungnahme abgegeben. Die Beratung in der Sache hatte in den Ausschüssen des Bundesrates begonnen. 469 Die Bedenken des Bundesrates gegen den Kommissionsentwurf gingen dahin, daß eigene Befugnisse der Kormnission in den Mitgliedstaaten - darunter auch solche, die in Deutschland den Fahndungsdiensten vorbehalten sind - vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips und des Subsidiaritätsprinzips gemeinschaftsrechtswidrig seien. Es sei ausreichend, daß die Kormnission Untersuchungen der Mitgliedstaaten anregen und an diesen teilnehmen könne. Auch in denjenigen Rechtsbereichen, in denen der Kormnission eigene Kontrollrechte zukämen, handele es sich um reine Verwaltungskontrollen der ordnungsgemäßen Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die Mitgliedstaaten. Entsprechend der Empfehlungen seiner Ausschüsse faßte der Bundesrat am I. März den Beschluß, einen Bediensteten des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen als Ratsvertreter für die Beratungen des Verordnungsvorschlags zu benennen. 47o Bereits am I!. März 1996 gaben die Bundesratsausschüsse ihre Empfehlungen zu der inhaltlichen Stellungnahme des Bundesrates zu der EU-Vorlage ab. 471 Am 21. März 1996 hat der Bundesrat in seiner 695. Sitzung seine Stellungnahme zu der Verordnung gern. §§ 3, 5 EUZBLG beschlossen,472 in dem zwar die grundsätzliche Notwendigkeit wirksamer Betrugsbekämpfung bejaht, die Verordnung in der Fassung des Kormnissionsvorschlages wegen vorgenannter rechtlicher Bedenken aber abgelehnt wurde. Im Bundestag wurde die Vorlage demgegenüber erst am 18. März gern. § 93 GO-BT an die Ausschüsse überwiesen, die Federführung lag zunächst beim Haushaltsausschuß,473 mitberatend waren Rechts-, Finanz- und Europaausschuß. Unabhängig hiervon erarbeitete der Juristische Dienst des Rates am 19. April ein Gutachten, daß tendenziell der deutschen (Regierungs- und Bundesrats-)Position näher kam und zu einem Kompromißvorschlag der italienischen Präsidentschaft führte. 474 In der Sitzung des Europaausschusses vom 24. April war das formelle Verfahren, den Europaausschuß nachträglich zum federführenden Ausschuß zu bestimmen, bereits eingeleitet. Da noch nicht alle Mitberatungsvoten vorlagen, wurde der Tagesordnungspunkt nicht abschließend beraten; grundsätzlich wurde allerdings Zustimmung zur Kormnissionslinie signalisiert, da keine effiziente Kontrolle möglich sei, wenn ein Mitgliedstaat deren Zeitpunkt selbst bestimmen könne. Vom Vorsit468 Art. 308 EGV n.F. 469 Empfehlungen des federführenden Ausschusses für Fragen der Europäischen Union und des mitberatenden Finanzausschusses, BRat-Drs. 59/1/96 vom 22. Februar 1996, S. 2. 470 BRat-Drs. 59/96 (Beschluß 1,694. Sitzung vom 1.3.). 471 BRat.-Drs. 59/2/96 (Empfehlungen des federführenden Ausschusses für Fragen der Europäischen Union und des mitberatenden Finanzausschusses, des Ausschusses für Innere Angelegenheiten und des Rechtsausschusses.) 472 BRat-Drs. 59/96 (Beschluß 2). Ein weitergehender Antrag des Freistaates Bayern vom 20. März 1996, BRat-Drs. 59/3/96, blieb unberiicksichtigt. 473 BT-Drs. 13/4137 vom 18. März 1996, S. 13 (Nr. 2.55), berichtigende Überweisung an den Europaausschuß in BT-Drs. 13/4514 vom 2. Mai 1996, S. 15. 474 BT-Drs. 13/5209, S. 3. Der Kompromißvorschlag, Ratsdok.-Nr. 7768/96 ist in der Anlage, S. 4 ff. abgedruckt.
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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zenden des Unterausschusses für Europaangelegenheiten des Haushaltsausschusses wurde angeregt, in der komplexen Frage mit den drei Ausschüssen zu einem gemeinsamen Standpunkt zu gelangen, am 9. Mai stellte der Unterausschuß die Beratung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Vorlage bis auf weiteres zurück. 475 In seiner 33. Sitzung vom 22. Mai 1996 hatte der Europaausschuß zwei inhaltliche Stellungnahmen des Finanz- und des Rechtsausschusses zu berücksichtigen. Einige zunächst gegen das Votum des Rechtsausschusses erhobene marginale Bedenken wurden zurückgestellt, um das Einvernehmen mit den Fachausschüssen und damit das Verfahren nach § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT nicht zu gefährden. Daraufhin wurde einstimmig die Stellungnahme des Rechtsausschusses übernommen. Was die ebenfalls vorliegende Stellungnahme des Finanzausschusses anging, wurde es dagegen als ausreichend angesehen, daß inhaltliche Übereinstimmung gegeben war: wie auch der Rechtsausschuß stimmte der Finanzausschuß dem Kompromißvorschlag der Präsidentschaft zu und unterstützte die hierauf basierende Verhandlungsposition der Bundesregierung im Rat. 476 Sachlich setzte sich der Europaausschuß für eine verstärkte Bekämpfung betrügerischer Praktiken ein, die zu Lasten des EU-Haushalts gehen. In Fällen von Unregelmäßigkeiten größeren Umfangs oder grenzüberschreitender Art wurde eine Gemeinschaftsregelung befürwortet, derzufolge die Kommission eigenständige Kontrollkompetenzen in den Mitgliedstaaten haben soll. Voraussetzung hierfür ist die Wahrung des innerstaatlichen Verfahrens. Im Zeitpunkt der Stellungnahme verhandelte die Regierung bereits auf der Basis des Präsidentschaftsvorschlages. 477 In den Verhandlungen in den supranationalen Gremien - zunächst im AStV, dann auf Grundlage der AStV-Vorgaben in der Gruppe "Schutz der finanziellen Interessen" zeichnete sich schnell weitreichender Konsens ab. Der den Ergebnissen des AStV entsprechende Entwurf des Rates wurde am 26. Juni 1996 beschlossen, die Verordnung 2185/96 vom 11. November 1996 trat schließlich am 1. Januar 1997 in Kraft. 478
Erkennbar haben die Bundesländer über den Bundesrat im Gegensatz zum Europaausschuß eine wesentlich restriktivere Haltung zum Ausdruck gebracht. Auf den ersten Blick hat sich der integrationsfreundlichere Standpunkt des Bundestages auch deutlich gegenüber der auf Wahrung der nationalen Souveränität gerichteten Position des Bundesrates durchgesetzt. Trotz des Fehlens ausdrücklicher Konfliktlösungsmechanismen zwischen maßgeblich zu berücksichtigenden Stellungnahmen des Bundesrates gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 2 GG und den zu berücksichtigenden Parlamentsbeschlüssen gern. Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG hat die Bundesregierung sich nicht der ursprünglichen Linie des Bundesrates angeschlossen. Allerdings wird deutlich, daß der Bundestag im Verlaufe des gesamten Verfahrens einen nicht unerheblichen zeitlichen Rückstand im Verhältnis zum Bundesrat hatte, welcher zudem natürlich durch die Übertragung der Verhandlungsführung auf das nordrhein-westfälische Finanzministerium gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG Informationen aus erster Hand besaß. Ausschlaggebend war letztlich auch, daß der Juristische Dienst des Rates den ursprünglich äußerst supranational ausgerichteten Kommissionsvorschlag unter475 476
477 478
BT-Drs. 13/5209, S. 2. BT-Drs. 13/5209, S. 2, 3. BT-Drs. 13/5209, S. 3 ff. mit Ratsdok.-Nr. 7768/96. ABI. 1996, Nr. L 292/2 ff.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
band. Es steht zu vennuten, daß aus Erwägungen der politischen Durchsetzbarkeit auf der supranationalen Ebene der Kompromißvorschlag der Präsidentschaft für die Bundesregierung unabhängig von der fönnlichen Stellungnahme des Europaausschusses ohnehin zur Verhandlungsposition geworden ist. Daß auch nach Abgabe der parlamentarischen Stellungnahme mit dem Bundesrat eine enge Abstimmung stattfand und eine Begleitung der Detailarbeit bis zum endgültigen Abschluß des Verfahrens, entspricht zum einen § 5 Abs. 3 EUZBLG. Da die Verordnung auf Art. 235 EGVa.F. 479 gestützt ist und es sich bei den der Kommission vor Ort zugestandenen Befugnissen jedenfalls teilweise um Regelungen des Verwaltungsverfahrens handelte, war nach innerstaatlichem Recht, d. h. gern. Art. 84 Abs. 1 GG, die Zustimmung des Bundesrates erforderlich. Daher war die Bundesregierung gern. § 5 Abs. 3 EUZBLG verpflichtet, vor der Zustimmung zu der Verordnung das Einvernehmen mit dem Bundesrat herzustellen. Es ist ferner mit dem demokratischen Parlamentsvorbehalt zu vereinbaren, wenn sich der Bundestag auf die grundsätzliche Weichen stellung beschränkt und sich nicht mit rechtstechnischen Details befaßt. Dennoch sind in verfassungspolitischer Hinsicht weiterhin Defizite bzgl. einer materiell gestaltenden parlamentarischen Mitwirkung erkennbar. c) Rechtliche Zulässigkeit der Übernahme von Fachausschußvoten Teilweise ist es denkbar, daß die Fachausschüsse das Ennächtigungsverfahren blockieren, indem sie sich Beschlußempfehlungen des Europaausschusses nicht anschließen bzw. in ihren Voten (geringfügig) andere Fonnulierungen als der Europaausschuß wählen. 48o Ebenso gibt es durchaus Fälle, in denen der Wunsch nach Kooperation von den Fachausschüssen ausgeht, wobei u.U. angestrebt wird, daß der Europaausschuß die Beschlußempfehlung des Fachausschusses als eigene übernimmt. Ein solcher Einsatz des Europaausschusses gleichsam als "Transportmedium", der sich im Fall der ersten plenarersetzenden Stellungnahme zur Betrugsbekämpfungsverordnung auch realisiert hat,481 ist bei Anwendung des DeleArt. 308 EGV n.F. Eine plenarersetzende Stellungnahme wäre etwa im Einvernehmen mit dem Finanzausschuß betr. das Grünbuch der Kommission über die praktischen Fragen des Übergangs zur Einheitlichen Wahrung (Grünbuch WWU) in Betracht gekommen. Am 29. November 1995 fand bezüglich des Grünbuchs, Kom (95) 333 endg.; BT-Drs. 13/2306 Nr. 2.1. und 13/2307, eine öffentliche gemeinsame Sitzung des Europaausschusses mit dem federführenden Finanzausschuß statt. Die förmliche Beschlußempfehlung an das Plenum gab allerdings allein der Finanzausschuß ab, BT-Drs. 13/3213 vom 5. Dezember 1995. Bezüglich der Rolle des Europaausschusses, S. 72, wird nur darauf hingewiesen, daß die Abstimmung zu den einzelnen Nummern des Beschlußvorschlags mit unterschiedlichen Mehrheiten erfolgte. 481 BT-Drs. 13/5209, S. 2. Die plenarersetzenden Stellungnahmen zur Beobachtungsstelle für Rassismus, BT-Drs. 13/6638, S. 4, und zur Rolle der nationalen Parlamente, BT-Drs.13 1 6891, S. 4, beruhten dagegen auf eigenen Stellungnahmen des federführenden Europaausschusses. Der federführende Europaausschuß und der mitberatende Geschäftsordnungsausschuß hatten am 11. Dezember 1996 eine gemeinsame Sitzung durchgeführt. Letztlich wurde 479
480
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gationsverfahrens 482 rechtlich nicht unbedenklich. Der repräsentative Status der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet ebenso wie die historische Auslegung, daß Art. 45 Satz 2 GG restriktiv auszulegen ist. Ist damit allein der Europaausschuß tauglicher Ennächtigungsadressat, könnte es eine unzulässige Umgehung der Verfassung darstellen, wenn die inhaltliche Entscheidung nur vom Fachausschuß getragen würde, während sie dem Europaausschuß nur fonnell zuzurechnen wäre. Dem steht auch § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BTentgegen, der von einer Stellungnahme des Europaausschusses ausgeht und den beteiligten Fachausschüssen nur ein Vetorecht gewährt. Dies zeigt deutlich, daß die Zuständigkeit und damit die Entscheidungsverantwortlichkeit für die Sonderbefugnis allein beim Europaausschuß liegt. Mit der Einräumung eines Widerspruchsrechts für die Fachausschüsse ist allerdings nichts darüber ausgesagt, ob und inwieweit diese im Verhandlungswege auf die eigene Stellungnahme des Europaausschusses Einfluß ausüben dürfen, insbesondere wird eine Einflußnahme nicht verboten. Gegen eine fehlende Zurechenbarkeit der Entscheidung zum Europaausschuß spricht, daß dessen Mitglieder nicht gegen ihren Willen instrumentalisiert werden können, ebenso wenig ist eine automatische Übernahme fremder Stellungnahmen ohne ihren erklärten Willen denkbar. Die inhaltliche Befassung mit dem zu übernehmenden Fachausschußvotum und mit der zugrunde liegenden EU-Vorlage ist eine verfassungsrechtliche Pflicht der Mitglieder des Europaausschusses. Eine mit dem Ausnahmecharakter von Art. 45 Satz 2 GG und mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG unvereinbare Übernahme von Fachausschußvoten wäre nur im Fall evidenten Mißbrauchs gegeben, wenn etwa regelmäßig Beschlüsse der Fachausschüsse in Sammelübersichten vorgelegt und ohne Kenntnisnahme vom Inhalt "en bloc" vom Europaausschuß als eigene plenarersetzende Stellungnahmen erlassen würden. Dies ist nach der derzeitigen Praxis aber nicht zu befürchten, die erforderliche Sachdiskussion wird im Europaausschuß geführt. 483 Findet sich nach der Erörterung eine Mehrheit für die Übernahme des Beschlusses, dann ist nicht nur die fonnelle, sondern auch die materielle Zurechenbarkeit gegeben, ohne daß die Orientierung am Sachverstand der Fachausschüsse schädlich wäre. Eine andere Sach- und Rechtslage besteht letztlich einstimmig auf der Grundlage eines interfraktionellen Antrags - ausgehend von den Schlußfolgerungen der xv. COSAC von Dublin vom 16. Oktober 1996 sowie von dem Vorschlag des irischen Vorsitzes zur Rolle nationaler Parlamente vom 19. November 1996 - im wesentlichen zum Ausdruck gebracht, daß aus Sicht des deutschen Bundestages die nationalen Beteiligungsrechte des Parlamentes ausreichend seien und eine Renationalisierung durch Institutionalisierung anderer parlamentarischer Mitwirkungsformen abgelehnt wird. 482 Diese Bedenken im Hinblick auf Art. 38 Abs. I Satz 2 GG bestehen nicht in den Fällen, in denen es lediglich um eine Beschlußempfehlung an das Plenum geht, welche sich der Europaausschuß zu eigen macht. Auch dies kommt in der Praxis durchaus vor, so wurde etwa bzgl. der Revision von Art. 129 EGVa.F. (Art. 151 EGV n.F.) im Rahmen der Regierungskonferenz die Stellungnahme des Gesundheitsausschusses übernommen, BT-Drs. 13/8428 vom 28. August 1997, S. 4 f. 483 s. etwa BT-Drs. 13/5209, S. 3; nach ausführlicher inhaltlicher Befassung wurde im Europaausschuß mit Einstimmigkeit beschlossen, sich das Votum des Rechtsausschusses zu eigen zu machen.
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auch nicht im Verhältnis der Fachausschüsse zum Plenum: es ist unbedenklich, wenn der Bundestag Beschlußempfehlungen des federführenden Fachausschußes übernimmt. Es ist mithin mit den maßstabbildenden Normen zu vereinbaren, wenn sich der Europaausschuß Voten der beteiligten Fachausschüsse zu eigen macht und als eigene Stellungnahme gegenüber der Regierung abgibt. Aufgrund der in der derzeitigen Praxis des Ausschusses gewährleisteten inhaltlichen Befassung mit den EUVorlagen sowie den diese betreffenden Fachausschußvoten bestehen keine Bedenken gegen die formelle und materielle Zurechnung der Entscheidungen zum Europaausschuß. d) Stimmverhalten im Ausschuß als Ausprägung des parlamentarischen Regierungssystems Es kommt also vor, daß ein Fachausschuß eine Stellungnahme des Europaausschusses nicht zu verhindern sucht, sondern sie gerade initiieren möchte, ggf. um seine eigene Beschlußempfehlung zur Stellungnahme für das Gesamtorgan werden zu lassen. Gerade in diesen Fällen kommt die zweite Ursache für das Scheitern plenarersetzender Stellungnahmen zum Tragen: der Widerstand der Mehrheitsfraktionen innerhalb des Europaausschusses. 484 In der Zusammensetzung des Ausschusses spiegeln sich die Stimmverhältnisse der Fraktionen und Gruppen des Deutschen Bundestags wider. Die Fraktionen, die die Regierungskoalition stellen, verfügen also über die Mehrheit im Ausschuß wie im Plenum. Berücksichtigt man die ,,regierungstypische" Befürchtung einer Beeinträchtigung ihres Verhandlungsspielraums, wird deutlich, warum die Mehrheit im Europaausschuß Verpflichtungserklärungen gegenüber der Regierung u. U. nur sehr zurückhaltend zustimmen wird. Allerdings führt dies auch im parlamentarischen Regierungssystem nicht dazu, daß Regierung und Parlamentsmehrheit gleichsam als monolithischer Block angesehen werden müssen, der von generell fehlender Kontrollbereitschaft gekennzeichnet ist. 485 Wie am Beispiel der Verordnung zur Betrugsbekämpfung deutlich wird, werden durchaus bindende Stellungnahmen verabschiedet, die der Regierungsposition entgegenlaufen, wenn es der Parlamentsmehrheit angesichts des Inhalts und der Bedeutung der betreffenden EU-Vorlage unabdingbar erscheint: Im Fall der Kontrollkompetenzen der Kommission in den Mitgliedstaaten hatte der Bundestag dabei die supranationale Ebene und die größtmögliche Effektivität der gemeinschaftsweiten Betrugsbekämpfung 484 Sekretariat des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Hrsg.), Der Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union des Deutschen Bundestages, 1998, S. 29 f. 485 In diesem Sinn aber Thöne- Wille, Die Parlamente der EG. Das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente, 1984, S. 4; anders allg. Butzer, Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 159.
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im Blick, während Bundesregierung und Bundesrat in stärkerem Maße die Wahrung der nationalen Souveränität zum Ausgangspunkt ihrer Verhandlungsposition nahmen. 486 Auch wenn die Bundesregierung ihre Position nicht nur aufgrund der parlamentarischen Stellungnahme, sondern auch wegen der fehlenden Durchsetzbarkeit gegenüber den anderen Mitgliedstaaten in den Ratsgremien modifizierte, so fand doch mit der Veränderung gestaltende Kontrolle statt, und zwar unter Mitwirkung der Mehrheitsfraktionen. 487 Auch wenn also in inhaltlicher Hinsicht parlamentarische Mitwirkung und Regierungskontrolle durchgeführt wird, dürfte es regelmäßig nicht im Interesse der parlamentarischen Mehrheit im Ausschuß liegen, daß das Delegationsverfahren als förmliches Kontrollinstrument Bedeutung erlangt. Es scheint nicht ausgeschlossen, daß das Instrument des Art. 45 Satz 2 GG, § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT in seiner Funktion als Kontroll- und Oppositionsrecht kurz gehalten wird. So erklärt es sich, wenn trotz Vorliegens von Eilbedürftigkeit und trotz inhaltlicher Übereinstimmung von Regierungsfraktionen und Opposition488 keine plenarersetzenden Stellungnahmen beschlossen werden. Es ist wahrscheinlicher, daß zwei übereinstimmende "Beschlußempfehlungen" von Europaausschuß und Fachausschuß beschlossen und informell den Fachministerien zugänglich ge-
BT-Drs. 13/5209, S. 2 f. Allg. für die nationale Gesetzgebung Butzer; Immunität im demokratischen Rechtsstaat, 1991, S. 159 m. w. N. 488 Ein Beispiel für Eilbedürftigkeit und inhaltliche Übereinstimmung ist etwa die parlamentarische Mitwirkung betr. die Kennzeichnungspflicht für gen technisch veränderte Lebensmittel. Das langjährige europäische Rechtsetzungsverfahren zum Erlaß der sog. "Novel Food-Verordnung" (Verordnung des EP und des Rates über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten vom 27. Januar 1997, ABI. Nr. L 43/1 ff.) hatte bereits im Jahr 1992 begonnen (Entwurf vom 29. Juli 1992, ABI. Nr. C 190/3 ff., modifiziert am 19. Januar 1994, ABI. Nr. C 16/10 ff.). Ausführlich zur Nove1 Food-Verordnung Wahl/Groß, Die Europäisierung des Genehmigungsrechts am Beispiel der Novel Food-Verordnung, DVBI. 1998,2 (4 f.). Es handelte sich um einen Anwendungsfall des Mitentscheidungsverfahrens gern. Art. 100 a i.Vm. Art. 189 b EGVa.F. (Art. 95 i.Y.m. Art. 251 EGV n.F.). Nachdem der Rat im Oktober 1995 - u. a. gegen die Stimme der Bundesrepublik - einen Gemeinsamen Standpunkt festgelegt hatte, beschloß das EP in zweiter Lesung im März 1996 gern. Art. 189 b Abs. 2 UAbs. 3 lit. d EGVa.F. (Art. 251 Abs. 2 UAbs. 3lit. c EGV n.F.) mehrere Änderungsanträge hierzu, die der Kritik und den Forderungen der Bundesregierung weitgehend nahekamen. Die Änderungen wurden von der Kommission abgelehnt, die daher erforderliche Einstimmigkeit kam im Rat vom 16. Juli 1996 nicht zustande. Somit war gern. Art. 189 b Abs. 3 Satz 2 EGVa.F. (Art. 251 Abs. 3 Satz 2 EGV n.F.) das Vermittlungsverfahren einzuleiten, in dem ein Kompromiß mit absoluter Mehrheit der abgegebenen Stimmen des Parlaments und mit qualifizierter Mehrheit des Rates bestätigt werden konnte. In diesem Stadium ging es im Oktober 1996 im Bundestag darum, rechtzeitig zum Vermittlungsverfahren die bisherige Verhandlungslinie der Regierung und deren Forderung nach umfassender Kennzeichnung gentechnisch hergestellter Lebensmittel zu unterstützen. Auch seitens der Opposition wurde die umfassende und ausnahmslose Kennzeichnungspflicht von gentechnisch hergestellten und veränderten Lebensmitteln gefordert, s. Antrag der SPD-Fraktion, BT-Drs. 13/1596. Dennoch wurde keine plenarersetzende Stellungnahme beschlossen. 486 487
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
macht werden, als daß der Regierung eine plenarersetzende Stellungnahme zugeleitet werden kann. Ein nicht federführender Parlamentsausschuß ist zwar nicht berechtigt, Empfehlungen mit verbindlicher Wirkung an Stellen außerhalb des Bundestages zu beschließen;489 zulässig sind aber Vorabinformationen auf dem kurzen Dienstweg, denen eine erhebliche praktische Bedeutung im Rahmen der informellen Kontakte zukommt. Die förmliche Berücksichtigungspflicht nach Art. 23 Abs. 3 Satz 2 GG zeitigt dies allerdings nicht. Eine unzulässige Verunklarung zwischen dem regulären und dem Delegationsverfahren kann hierin nicht festgestellt werden. Im Verhältnis zum Bundestag erfolgt im Delegationsfall gern. § 93 a Abs. 4 Satz 1 GOBT ein ausführlicher Bericht über Inhalt und Begründung der Stellungnahme, der gern. § 5 Satz 2 EU-Grundsätze die Auffassung der beteiligten Fachausschüsse mitteilt. Dieser Bericht wird als Bundestagsdrucksache verteilt und binnen drei Wochen auf die Tagesordnung gesetzt. Herkömmliche Beschlußempfehlungen werden dagegen gern. § 66 Abs. 2 GO-BT versehen mit einem Vorblatt490 dem Plenum zugeleitet. Festzuhalten ist, daß aus Art. 45 Satz 2 GG keine grundsätzliche Delegationspflicht resultiert und auch für den Europausschuß keine grundsätzliche Pflicht, von seiner begrenzten Generalermächtigung Gebrauch zu machen. So kann es für den Europaausschuß politisch geboten - und gerade vor dem Hintergrund des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG auch rechtlich zulässig - sein, gezielt von der möglichen Delegation abzusehen. Legitimes Ziel hierbei ist es etwa, die U.U. stärkere politische Relevanz eines Plenarbeschlusses herbeizuführen, die ungeachtet der rechtlichen Gleichwertigkeit mit der ausschußerlassenen Stellungnahme vorliegen kann. Nicht von Sinn und Zweck der Art. 23 Abs. 3, Art. 45 Satz 2 GG gedeckt und damit verfassungswidrig wäre es dagegen, wenn etwa der Europaausschuß mehrheitlich eine sich anbietende Stellungnahmemöglichkeit unterließe und als absehbare Folge eine Stellungnahme des Plenums nur verspätet möglich wäre. Häufiger als zum Zwecke kritischer Kontrolle wird es schließlich der Fall sein, daß parlamentarische Stellungnahmen dazu eingesetzt werden, der deutschen Delegation in den europäischen Gremien den Rücken zu stärken. Daß die Initiative hierzu nicht immer vom Bundestag ausgeht, indem er die Einbeziehung in die Verhandlungsführung der Bundesregierung anstrebt, sondern daß vielmehr auch die Regierung um parlamentarische Legitimation ersucht, ist dabei kein neuartiges Phänomen. 491
489 Zur fehlenden Berechtigung zum Erlaß von Sachbeschlüssen mit Außenwirkung, wobei es weder auf die Bezeichnung noch auf die Art der Übermittlung ankomme, BT-Drs. 8/ 3460, S. 94. 490 Dieses Vorblatt enthält in kürzester Form Angaben zu Problem, Lösung, Alternativen und Kosten, s. Ritzel! Bücker, Handbuch für die parlamentarische Praxis, Anh. zu § 66 GO-BT. 491 Beispiele finden sich bereits bei Sasse, in: ders. / Poullet/ Coombes, Decision-Making in the European Community, 1977, S. 49. Diese Zielvorstellung stellte auch Waffenschmidt,
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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e) Keine Notwendigkeit wortidentischer Stellungnahmen Im Regelfall nimmt die Praxis als (ungeschriebene) Zulässigkeitsvoraussetzung für eine plenarersetzende Stellungnahme an, daß Europaausschuß und beteiligter Fachausschuß einheitliche Voten abgeben müssen. Dies kann sich in praxi dahingehend auswirken, daß eigene Bedenken im Europaausschuß bewußt zuriickgestellt werden, um der - selbstauferlegten - Pflicht zur wortgetreuen Übernahme von Fachausschußbeschlüssen zu genügen. Vorstellbar wäre außerdem, daß geringfügige Formulierungsabweichungen dazu führen, dass das Verfahren nach § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT blockiert wird. Nach dem Wortlaut des § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT, der lediglich ein Vetorecht der Fachausschüsse einräumt, scheint es indes nicht zwingend, daß die Stellungnahmen der beteiligten Ausschüsse wortgetreu übereinstimmen. Die Vorschrift stellt keine Anforderungen auf, die an das Vorliegen eines Widerspruchs zu stellen sind. Liegt nun seitens des Fachausschusses etwa ein Beschluß der Kenntnisnahme vor oder ein Sachbeschluß, der dem des Europaausschusses inhaltlich vergleichbar ist, so läßt sich dies schwerlich unter den Begriff des Widerspruchs subsumieren. Die Handhabung in der Praxis ist dementsprechend davon gekennzeichnet, daß bloße Kenntnisnahmebeschlüsse nicht als Widerspruch gedeutet werden. 492 Bei inhaltlich vergleichbaren Beschlüssen ist dies in der Regel anders - eine Ausnahme gilt wohl dann, wenn zumindest zwei übereinstimmende Voten vorliegen. Für weitere Stellungnahmen genügt dann deren inhaltliche Vergleichbarkeit. 493 Wenn kein ausdriicklicher Widerspruch vorliegt, könnte der von § 93 a Abs. 3 Satz 3 GO-BT erfaßte Fall gegeben sein, daß der Europaausschuß von Stellungnahmen der Fachausschüsse abweichen möchte. In diesem Fall soll eine gemeinsame Sitzung anberaumt werden. Einer solchen Klärung bedürfte es, wenn die Voten ähnlich, aber nicht identisch sind, da sich nicht von vornherein ausschließen läßt, daß unüberbriickbare Differenzen gerade im Detail liegen. Der bloße Kenntnisnahmebeschluß des Fachausschusses macht demgegenüber keine zusätzliche gemeinsame Sitzung erforderlich. Dies ist nach Sinn und Zweck der Regelung, die dem Sachverstand der Fachausschüsse zur Geltung verhelfen soll, nicht geboten: Beschließt ein Fachausschuß nicht inhaltlich, dann ist sein Votum auch nicht in der Weise schützensParI. Staatssekretär BMI, GVK-Sten.Ber., 11. Sitzung vom 15. Oktober 1992, S. 32 f. in den Vordergrund. 492 Für die Stellungnahme zur Rassismus-Beobachtungsstelle, BT-Drs. 13/6638, S. 3, war es ausreichend, daß die Voten des mitberatenden Innenausschusses und des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung auf Kenntnisnahme lauteten. Unschädlich war letztlich auch, daß der Sozialausschuß in seiner Beschlußempfehlung nicht auf einen zusätzlichen Prüfungsvorbehalt bzgl. der Kostenfrage verzichten wollte. 493 So war bei der Stellungnahme zur Betrugsbekämpfungsverordnung, BT-Drs. 13/5209, S. 2, 3, das Votum des mitberatenden Rechtsausschusses übernommen worden. Dabei wurde es als ausreichend erachtet, daß der Beschluß des Finanzausschusses grundsätzlich die gleiche Linie (Zustimmung zum Kompromißvorschlag der Präsidentschaft) verfolgte.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
wert, daß zunächst eine gemeinsame Sitzung gern. § 93 a Abs. 3 Satz 3 GO-BT einzuberufen wäre.
In den aufgrund von § 93 a Abs. 7 GO-BT aufgestellten Verfahrensgrundsätzen des Europaausschusses (folgend: EU-Grundsätze) findet sich eine detaillierte Regelung zum Widerspruchsrecht. Gern. § 6 Abs. 2 EU-Grundsätze findet die SollVorschrift des § 93 a Abs. 3 Satz 3 GO-BT nur für den hier nicht in Rede stehenden Fall der Einzelermächtigung Anwendung. Für den Ermächtigungsfall des Einvernehmens mit den Fachausschüssen heißt es dagegen in § 7 EU-Grundsätze: "Will der Europaausschuß in den Fällen des § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT gegenüber der Bundesregierung eine Stellungnahme abgeben, so hat der Vorsitzende nach Rücksprache mit den Sprechern des Europaausschusses sich mit den Vorsitzenden der beteiligten Ausschüsse unverzüglich darüber zu verständigen, ob die Ausschüsse der beabsichtigten Stellungnahme des Europaausschusses widersprechen wollen. Für die Ausübung des Widerspruchsrechts ist eine angemessene Frist zu vereinbaren. Erfolgt der Widerspruch innerhalb der vereinbarten Frist nicht, gibt der Europaausschuß die Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung ab."
Denkbar ist, daß durch diese Vorschrift das in § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT verankerte Widerspruchsrecht der Fachausschüsse in unzulässiger Weise verkürzt wird. Die GO-BT ist wie gezeigt maßstabbildend für die EU-Grundsätze; die Rechtsgrundlage des § 93 a Abs. 7 GO-BT ermächtigt nur zur näheren Ausgestaltung des eigenen Verfahrens des Europaausschusses, nicht zur Derogation geschäftsordnungsrechtlicher Befugnisse des Gesamtorgans. Mit Wirkung für andere Parlamentsausschüsse kann der Europaausschuß allerdings Vorschriften erlassen, solange es sich um Kooperationsregeln handelt und keine höherrangigen Geschäftsordnungsbestimmungen verletzt werden. 494 Vorliegend handelt es sich um eine solche zulässige Ausgestaltung des Widerspruchsrechts der Fachausschüsse, die zur Durchsetzung des Normziels des Art. 45 Satz 2 GG erforderlich ist. Alle Organteile des Parlaments haben vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund dergestalt zu kooperieren, daß die Mitwirkungsrechte des Gesamtorgans effektiv und zeitsparend ausgeübt werden können. 495 Es ist nicht unverhältnismäßig, wenn die Fachausschüsse ihr Votum nicht jederzeit abändern können, ihnen ist vielmehr zumutbar, ihre Vorstellungen friihzeitig und präzise zum Ausdruck zu bringen. Nach Ablauf der Frist haben sie ihr Widerspruchsrecht verwirkt. Festgehalten werden kann damit, daß in zulässiger Weise die Anforderungen an einen Widerspruch präzisiert wurden, welcher ausdriicklich erfolgen soll und an eine zu vereinbarende Frist gebunden ist. Außerdem kann auf dem verkürzten Weg zwischen den Obleuten des Europaausschusses, dessen Vorsitzenden und den Vorsitzenden der beteiligten Fachausschüsse zügiger als bei einer Sondersitzung Klaro. Kap. 2, B.l1.4.b) (S. 201 f.). s.a.o. Kap. 3, B.I.2.b)bb) (S. 282 f.).
494 S. 495
B. Parlamentarische Willensbildung und Entscheidungsfindung
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heit über die Chancen für eine plenarersetzende Stellungnahme geschaffen werden. Dies kann sogar bereits in die frühzeitigen Sondierungsgespräche einbezogen werden, die zwischen den gleichen Beteiligten betreffs der Überweisungsvorschläge an den Ältestenrat und betreffs der Verteilung von Federführung und Mitberatung geführt werden. 496 Bedenklich wäre es im Hinblick auf § 7 EU-Grundsätze allerdings, wenn die angestrebte Vorgehensweise und die Planungen im Obleutegespräch noch in letzter Minute umgestoßen werden, es sei denn, die verabredete Frist ist sehr weit gesetzt worden. Vor diesem Hintergrund ist die Einhaltung des genauen Wortlauts rechtlich nicht zwingend, jedenfalls aber eine sichere Methode, um eine schnelle und effektive Entscheidung im Delegationsverfahren zu gewährleisten. Wenn der Europaausschuß sich hierdurch auf eine Funktion als Transportmedium zurückzieht, ist dies wie gezeigt verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, solange die inhaltliche Befassung mit der Vorlage gewährleistet bleibt - der verfassungspolitisch angestrebten zentralen Rolle des Europaausschusses wird dies allerdings nicht gerecht. IV. Abschließende Bemerkung
Mit Blick auf die politische Praxis konstatierte schon Georg lellinek, daß Rechtssätze unvermögend seien, staatliche Machtverteilung tatsächlich zu beherrschen, die realen politischen Kräfte bewegten sich nach ihren eigenen Gesetzen, die von allen juristischen Formen unabhängig wirkten. 497 Trotz eines möglichen Spannungsverhältnisses zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit muß es allerdings ausgeschlossen sein, daß eine Abkehr von der Normativität stattfindet. 498 In diesem Sinn besteht gerade für den Bundestag im Hinblick auf seine Mitwirkung an der europäischen Rechtsetzung die Verpflichtung, seiner verfassungsrechtlich vorgesehenen Aufgabe auch in der politischen Praxis gerecht zu werden. Mit Art. 23 Abs. 2, 3 GG wurde die Beteiligung ihm und der Regierung zur gesamten Hand übertragen, mit Art. 45 GG wurden ihm besondere institutionelle Möglichkeiten zu deren Wahrnehmung gegeben. Hierin liegt nicht die verfassungstheoretisch größtmögliche Kompensation für integrations bedingte Funktionsverluste des Parlaments; der Verfassungsgeber hat aber ein europarechtskonformes und den Strukturprinzipien des Grundgesetzes entsprechendes System geschaffen, das den demokratischen Anforderungen auch für die Europäische Union des Amsterdamer Vertrages gerecht werden kann. Auch die normative Substruktur des EUZBBG, der GO-BT, der EU-Grundsätze und der GGO 11 stellen ein taugliches rechtliches Instrumentarium dar. Ausschlaggebend wird auch weiterhin dessen 496 Dies geschah etwa im Rahmen der plenarersetzenden Stellungnahme zur Europäischen Beobachtungsstelle für Rassismus, BT-Drs. 13/6638. 497 Georg Jellinek, Verfassungsänderung und Verfassungswandlung, 1906, S. 72. 498 Kritisch auch Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, 1983, S. 19 ff.
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3. Kap.: Die Behandlung europäischer Rechtsetzungsvorhaben im Bundestag
Einsatz in der Praxis sein. Bisher legte der Bundestag seine oft kritisierte "Verschlafenheit" in Angelegenheiten der Europäischen Union499 eher vorsichtig ab.
499 Eckart Klein, Der Verfassungsstaat als Glied einer europäischen Gemeinschaft, VDStRL 50 (1991), 56 (76); Rath, Die "unionswärtige Gewalt" des Deutschen Bundestages, ZParl (Sdbd.) 1995, 114 (123); Mehl, Die Europa-Kornrnission des Deutschen Bundestages, 1987, S. 90; Ossenbühl, Maastricht und das Grundgesetz - Eine verfassungsrechtliche Wende?, DVBI. 1993, 629 (637); Di Fabio, Der neue Art. 23 des Grundgesetzes, Der Staat 32 (1993), 191 (210). Besonders auch bei Schaffung der normativen Grundlagen in der GVK erwies sich der Bundestag im Gegensatz zum Bundesrat nicht als engagiertester Vertreter seiner Interessen, hierzu Möller / Limpert, Informations- und Mitwirkungsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union, ZPar11993, 21 (22).
Viertes Kapitel
Zusammenfassung und Thesen Kapitell (1) Mit Schaffung der Europäischen Union durch das Maastrichter Vertragswerk wurden erneut in großem Umfang Rechtsetzungszuständigkeiten auf die supranationale Ebene übertragen. Zwar sind auch unter dem Amsterdamer Vertrag weiterhin Änderungen des europäischen Primärrechts nur mit Zustimmung der nationalen Parlamente möglich. Im Bereich der Sekundärrechtsetzung bleibt es aber bei erheblichen integrationsbedingten Funktionsverlusten des Deutschen Bundestages. (2) Zugunsten des Deutschen Bundestages besteht ein auf den Grundgedanken des Art. 79 Abs. 3 i.Y.m. Art. 20 GG gestütztes Bedürfnis nach Kompensation für diese Funktionsverluste durch das nationale Verfassungsrecht. Der deutsche Verfassungsgeber hat bei der Ausgestaltung einen weiten Gestaltungsspielraum, der durch das institutionelle Gleichgewicht des EG-Vertrages im allgemeinen und durch Artt. 10, 203 EGV im besonderen grundsätzlich nicht eingeschränkt wird. Grenze ist die Funktionsunfahigkeit des Rates. (3) Die These vom "Demokratiedefizit" der europäischen Sekundärrechtsetzung ist in einem rechtlichen Sinn nicht haltbar. Die konkrete Ausgestaltung von Aufgaben und Befugnissen im Primärrecht bildet ein eigenständiges System demokratischer Legitimation, das dem Typus Demokratie entspricht. Die Ausgestaltungen, die das demokratische Prinzip in den Verfassungen der Mitgliedstaaten im einzelnen gefunden hat, bilden dagegen keinen tauglichen Maßstab für die Bewertung der supranationalen Rechtsordnung. (4) Der Ministerrat gewährleistet mittelbare, abgeleitete demokratische Legitimation, die in dieser Eigenschaft vom EG-Vertrag vorgesehen wird und als solche nicht "zweitklassig" ist. Hinsichtlich des Aspektes der Legitimation durch ein transparentes Verfahren bleibt weiterhin verfassungspolitischer Handlungsbedarf; einige Verbesserungen in punkto Verfahrensöffentlichkeit sind durch den Amsterdamer Vertrag bereits verankert worden. (5) Durch den Ausschuß der Ständigen Vertreter (AStV) als den mit nationalen Ministerialbeamten besetzten Verwaltungsunterbau des Rates findet die offizielle Rückkoppelung - über die Bundesregierung - in den Deutschen Bundestag statt. Demokratietheoretisch wie europarechtlich unzulässig ist die Übertragung von 23 Hansmeyer
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4. Kap.: Zusammenfassung und Thesen
Sachentscheidungsbefugnissen auf den AStY. Bereits in den Arbeitsgruppen der Kommission und in den Ausschüssen im Komitologieverfahren wirken Vertreter der nationalen Ministerien mit, auch hier bestehen also mögliche Ansatzpunkte für die nationale parlamentarische Kontrolle. Schließlich existieren informelle Direktkontakte zwischen den Ministerialbeamten der Fachressorts und den Fachausschüssen des Deutschen Bundestages. (6) Das Europäische Parlament ist ungeachtet des Fehlens eines europäischen Volkes zur Vermittlung unabgeleiteter demokratischer Legitimation fähig; es gewährleistet die zweite Säule der Legitimation der europäischen Sekundärrechtsetzung. Durch den Amsterdamer Vertrag wurde die Stellung des Europäischen Parlaments gestärkt. Insbesondere wurde der Anwendungsbereich des Mitentscheidungsverfahrens gern. Art. 251 EGV, in dem das Parlament die weitestgehenden Gestaltungs- und Entscheidungsbefugnisse hat, erweitert. Das Verfahren selbst wurde durch die Abschaffung der dritten Lesung bei Scheitern des Vermittlungsverfahrens gern. Art. 251 Abs. 6 EGV gestrafft; außerdem besteht gern. Art. 251 Abs. 2 UAbs. 2 EGV die Möglichkeit, das Verfahren bereits nach der ersten Lesung im Parlament abzuschließen. (7) Im übrigen wurde auch durch den Amsterdamer Vertrag die Vielzahl der Verfahrensarten, die auf Modifikationen der Grundtypen Anhörung, Zusammenarbeit, Mitentscheidung und Zustimmung des Europäischen Parlaments beruhen, nicht wesentlich reduziert oder vereinfacht. Das Zusammenarbeitsverfahren gern. Art. 252 EGV ist durch die Vertragsreform allerdings bedeutungslos geworden. Das Verfahren der Anhörung behält seine Bedeutung gerade in wirtschaftlich oder politisch sensiblen Bereichen, in denen die Mitgliedstaaten ihre Souveränität nicht schwächen wollten. In diesen Bereichen ist in stärkerem Maße die demokratische Legitimation durch die nationalen Parlamente möglich und auch notwendig. Im Mitentscheidungsverfahren sind die Gemeinsamen Standpunkte des Rates besonders geeignete Gegenstände nationaler parlamentarischer Stellungnahmen, da sie in einem wichtigen und für inhaltliche Einflußnahme noch offenen Verfahrensstadium ansetzen.
2. Kapitel (8) Die Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts läßt offen, ob und inwieweit Art. 23 Abs. 2, 3 GG den Anforderungen des über Art. 79 Abs. 3 LY.m. Art. 20 Abs. 2 GG geschützten Kernbestandes des Gewaltenteilungsprinzips genügt. Funktionell-inhaltliches Gewaltenteilungsverständis kann die konkrete Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers nicht derogieren. Auch die Grundsätze der Funktionsgerechtigkeit, der Organadäquanz und der Verantwortlichkeitszurechnung können allenfalls als Auslegungshilfe dienen.
4. Kap.: Zusammenfassung und Thesen
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(9) Die deutsche Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung kann in Abgrenzung zur auswärtigen Gewalt als eigenständiger Unterfall der Staatsgewalt bezeichnet werden. Die Charakterisierung als europawärtige Gewalt kann allerdings ebensowenig eine prinzipielle Parlamentszuständigkeit begriinden, wie die Einordnung als auswärtige Gewalt eine exekutivische Kompetenzpräsumtion stützen kann. Der dogmatische Wert liegt in der KlarsteIlung der europarechtlichen Besonderheiten: Die Tätigkeit der Regierungsvertreter im Rat stellt funktionell Rechtsetzung dar, an die das nationale Parlament ohne gesonderten Ratifikations- oder Zustimmungs akt gebunden ist. Bereits aus diesem Grund verbietet sich eine Übertragung der in der Rechtsprechung vertretenen Kompetenzverteilungsgrundsätze zur auswärtigen Gewalt auf eine europawärtige Gewalt. (10) Die Außenvertretungsmacht liegt ebenso wie in herkömmlichen auswärtigen Angelegenheiten grundsätzlich bei der Bundesregierung. Dies läßt die innerstaatliche Zuständigkeitsverteilung unberiihrt. Art. 203 Abs. 1 EGV verbietet weder die innerstaatliche Beteiligung des Bundestages, noch wirkt sich eine innerstaatliche fehlerhafte Beteiligung auf der supranationalen Ebene, namentlich auf die Rechtmäßigkeit des Sekundärrechtsaktes, aus. (11) Soweit die Verhandlungsführung gern. Art. 23 Abs. 6 Satz 1 GG auf einen Ländervertreter übertragen wird, geht das parlamentarische Stellungnahmerecht aus Art. 23 Abs. 3 GG weitgehend ins Leere. Anzustreben ist die verfassungsrechtliche Verankerung der parlamentarischen Verantwortung auch des Ländervertreters entsprechend der österreichischen Regelung. (12) Die Einordnung als europawärtige Gewalt bedeutet nicht die Negierung der Verfassungs gebundenheit der deutschen Staatsorgane bei der Wahrnehmung der Beteiligungsrechte. Die Regierungsvertreter im Ministerrat üben nationale hoheitliche Gewalt aus. In formeller Hinsicht, d. h. im Hinblick auf Zuständigkeiten und Verfahren, ist die Verfassungsbindung gern. Art. 20 Abs. 3 GG strikt. Materiell-inhaltlich besteht die Bindung nur an die in Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG genannten Prinzipien. Dabei bleibt gerade der "diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbare Grundrechtsschutz" qualitativ nicht hinter dem Schutz durch eine Striktbindung an die Grundrechte zuriick. (13) Art. 23 Abs. 2, 3 GG gestalten die Funktion des Bundestages im Bereich der europawärtigen Gewalt als mitgestaltende Kontrolle aus. Die Kompensation für integrationsbedingte Funktionsverluste erfolgt durch die Festlegung einer Zuständigkeit von erster und zweiter Gewalt zur gesamten Hand. Ein Mandats- oder Organgesetz steht dem Bundestag daneben nicht als Handlungsform zur Verfügung. Die Regierung ist nicht alleinige Trägerin der Organisationsgewalt; Bundesregierung wie Bundestag haben jeweils die Organisationsgewalt für ihren Internbereich. (14) Das Beteiligungsrecht zur gesamten Hand bleibt unter dem Aspekt der Funktionenordnung weder in verfassungswidriger Weise hinter der Kompensationspflicht zugunsten des Bundestages zuriick, noch verletzt es den Kernbereich 23"
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4. Kap.: Zusammenfassung und Thesen
exekutivischer Eigenverantwortung. Dieses Ergebnis wird durch die Hilfskriterien der funktionsgerechten Organstruktur und der Verantwortlichkeitszurechnung bestätigt. Das durch Art. 23 Abs. 3 GG vorgesehene Instrument der Stellungnahme mit Berücksichtigungspflicht stellt eine verfassungssystematische Parallele zu dem vom Bundesverfassungsgericht für NATO-Truppeneinsätze geforderten konstitutiven Parlamentsbeschluß dar. (15) Art. 23 Abs. 2, 3 GG fügt sich systemgerecht in das demokratische und in das rechtsstaatliche Prinzip des Grundgesetzes ein. Er statuiert eine neue Ausprägung des demokratischen Parlaments vorbehalts , die die Frage nach der Organzuständigkeit von derjenigen nach der notwendigen Handlungsform trennt. Bei den parlamentarischen Stellungnahmen handelt es sich um schlichte Parlamentsbeschlüsse, die verfassungsrechtliche Befassungs-, Berücksichtigungs- und Begründungspflichten für die Regierung zeitigen. Sie vermitteln demokratische Legitimation durch Verfahren, sind begrenzt im Verfassungsorganstreitverfahren justiziabel und bleiben in ihrer rechtlichen wie tatsächlichen Durchsetzbarkeit nur geringfügig hinter gesetzesförmigen Beschlüssen im Interorganverhältnis zurück. Daneben werden Rechtsschutz und Rechtssicherheit für den Bürger durch den europäischen Legislativakt gewährleistet. Dies entspricht dem Konzept der Legitimationsvermittlung auf zwei Ebenen. (16) Die parlamentsrechtlichen Regelungen in §§ 93, 93 a GO-BT und in den Verfahrensgrundsätzen des Europaausschusses sind Rechtssätze. Im verfassungsrechtlich vorgesehenen parlamentarischen Internbereich können sie verbindliche Wirkung auch nach außen entfalten. Wegen der Zuständigkeit von Regierung und Parlament zur gesamten Hand und ihrer wechselseitigen Unabhängigkeit wurden außenwirksame Regelungen aber im wesentlichen durch Gesetz getroffen. Das Verhältnis zwischen dem EUZBBG und §§ 93, 93 a GO-BT ist dabei ein Kompetenz- und kein Rangverhältnis. Die Verfahrensgrundsätze fallen in den Kompetenzbereich des Geschäftsordnungsgebers und sind der GO-BT nachrangig. Die wenigen außen wirksamen Regelungen durch autonomes Parlamentsrecht entsprechen den verfassungsrechtlichen Funktionsvorgaben zugunsten des Parlaments bzw. des Europaausschusses. (17) Die durch §§ 3, 4 EUZBBG und die Verfahrensgrundsätze des Europaausschusses und der Ressorts konkretisierte Unterrichtungspflicht der Regierung aus Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistet einen frühzeitigen, kontinuierlichen und umfassenden Informationsfluß. Der Bundestag ist gefordert, im Rahmen seines Organisationsrechts eine effektive Behandlung und Schwerpunktsetzung zu gewährleisten. (18) Die inhaltlichen und zeitlichen Grenzen des Stellungnahmerechts des Bundestages aus Art. 23 Abs. 3 Satz 1 GG, § 5 EUZBBG sind weit gefaßt. Die parlamentarischen Stellungnahmen sind gern. § 5 Satz 3 EUZBBG bereits im ersten Verhandlungsstadium zugrunde zu legen. Im Falle der Kollision mit Bundesrats-
4. Kap.: Zusammenfassung und Thesen
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stellungnahmen gern. Art. 23 Abs. 5 Satz 1 GG hat die Bundesregierung einen Beurteilungsspielraum.
3. Kapitel
(19) Die Bundesregierung kann im Rahmen ihrer Organisations gewalt ihre Binnenorganisation ausgestalten, muß sich hierbei allerdings in den durch Art. 23 Abs. 2, 3, Art. 65 GG gezogenen Grenzen halten. Das Kanzlerprinzip des Art. 65 Satz 1 GG ist auch im Bereich der europawärtigen Gewalt gewahrt; der Aufgabenbereich wird gerade durch die supranationale Entwicklung vorgegeben. So sind institutionelle Reformen der Europäischen Union und Grundfragen der Integration anders als "technische" Sekundärrechtsakte - typischer Gegenstand von Richtlinienentscheidungen. (20) Die Beteiligung an der europäischen Rechtsetzung wird sehr weitgehend eigenverantwortlich von den Fachministern i. S. d. Art. 65 Satz 2 GG wahrgenommen. Die Zuständigkeitsverteilung und Kooperationsformen zwischen den Ministerien sind seit der Anfangsphase der europäischen Integration gewachsen. Dem hieraus resultierenden Dualismus von Auswärtigem Amt (AA) und Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) entspricht noch die Besetzung der Ständigen Vertretung in Briissel. Infolge der Regierungsneubildung 1998 wurden die europapolitischen Zuständigkeiten des BMWi durch Organisationserlaß des Bundeskanzlers weitestgehend an den Bundesminister der Finanzen übertragen. Die interministerielle Kooperation erfolgt für den politisch-grundsätzlichen Bereich maßgeblich durch den Staatssekretärausschuß für Europafragen; die laufende Behandlung konkreter Sekundärrechtsetzungsvorhaben findet dagegen in den wöchentlichen Ressortbesprechungen zur Vorbereitung der AStV-Sitzungen auf der Arbeitsebene statt. Das AA leitet die Weisungen an den AStV weiter - allein hierin liegt sein "ausschließliches Weisungsrecht" - und ist auch zuständig für die förmliche Unterrichtung des Bundestages. (21) Das Kollegialitätsprinzip i. S. d. Art. 65 Satz 3 GG tritt demgegenüber teilweise zu weit in den Hintergrund. Während § 15 Abs. 1 GO-BReg keine ausdriickliehe Regelung über die Beteiligung an europäischer Sekundärrechtsetzung trifft, erweist die Auslegung des Art. 23 Abs. 2, 3 GG, daß mit "Die Bundesregierung" das Kollegium gemeint ist. Die Wahrnehmung der Informationsverpflichtung kann allerdings, damit sie nicht faktisch beeinträchtigt und ineffektiv wird, auf die Ressorts übertragen werden. Vor der Zustimmung zu europäischen Rechtsakten ist allerdings entgegen der Regierungspraxis ein Kabinettsbeschluß erforderlich, der der Regierung zurechenbar ist. Angesichts der Vielzahl der Vorlagen kommt eine Behandlung im Umlaufverfahren in Betracht. (22) In der parlamentarischen Praxis wurden vom Integrationsältestenrat über eine Europakommission i.S. einer Enquete-Kommission, über Unterausschüsse bis
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4. Kap.: Zusammenfassung und Thesen
hin zum ständigen EG-Ausschuß der 12. Wahlperiode verschiedenste Organisationsformen erprobt. Bewährt hat sich dabei die Berufung von deutschen MdEP zu beratenden Ausschußmitgliedern, während sich die Kompetenzabgrenzung zu den Fachausschüssen als regelmäßig problematisch erwiesen hat. Nun ist durch Art. 45 Satz 1 GG die Einrichtung des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union (Europaausschuß) verfassungsrechtlich vorgegeben. (23) Dem Europaausschuß kommen nicht apriori besondere Aufgaben und Befugnisse gegenüber den Fachausschüssen zu - sein Geschäftsbereich darf allerdings nicht ausgehöhlt werden. Im Rahmen des Organisationsrechts ist der Bundestag wegen Art. 23 Abs. 2, 3, Art. 45 GG verpflichtet, sich eine funktionsgerechte Organstruktur zu geben und effektive Ausschußkooperation zu gewährleisten. Im Verhältnis zur Bundesregierung können dem Europaausschuß nicht mehr Befugnisse zustehen als dem Gesamtorgan. (24) § 93 GO-BT i.Y.m. den Verfahrensgrundsätzen strafft und effektiviert das Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen; der Europaausschuß hat unterstützt durch das Europabüro als funktionell eigenständigen Teil des Ausschußsekretariats dabei erhebliche Koordinations- und Verwaltungsaufgaben. In der Praxis hat er dagegen im Hinblick auf die inhaltliche Gestaltung der europäischen Sekundärrechtsetzung eine nur untergeordnete Rolle gegenüber den Fachausschüssen. Mit Art. 45 Satz 1 GG ist dies angesichts der verbleibenden Zuständigkeiten im Bereich der Grundfragen der Europäischen Integration zu vereinbaren. Im Fall haushaltsrechtlich relevanter Unionsvorlagen kann der Haushaltsausschuß für den federführenden Ausschuß eine Berichtspflicht begriinden. (25) Art. 45 Satz 2 GG enthält erstmals die verfassungsrechtliche Verankerung eines Rechts - nicht hingegen einer Pflicht - des Bundestages, Rechte auf einen Ausschuß zu übertragen. Die Verfassungsvorschrift ist mit dem verfassungsänderungsfesten Kern des Prinzips der repräsentativen Demokratie i.S.v. Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG i.V.m. Art. 79 Abs. 3, Art. 20 GG zu vereinbaren. Die Entscheidung des Verfassungsgebers zugunsten der Funktionsfähigkeit des Bundestages gegen ein umfassendes Letztentscheidungsrecht aller Abgeordneten trägt dem Umstand Rechnung, daß in dem supranational determinierten Bereich der europawärtigen Gewalt die Rechte des einzelnen Abgeordneten entwertet werden, wenn nicht zunächst die Rechte des Gesamtorgans gesichert sind. Daher korrespondiert dem demokratischen Parlamentsvorbehalt aus Art. 23 Abs. 2, 3 GG kein Plenarvorbehalt. (26) Die Besetzung des Europaausschusses erfolgt gern. § 57 Abs. 2 GO-BT wie diejenige herkömmlicher Ausschüsse durch Benennung seitens der Fraktionen. Dies ist angesichts der prinzipiell möglichen Entscheidungsbefugnis des Europaausschusses anstelle des Plenums nicht mit Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG zu vereinbaren. Notwendig ist eine Legitimation durch Wahl bei Gewährleistung des Fraktionsproporzes; dies ließe die Funktionsfähigkeit des Bundestages unbeeinträchtigt. Die mitwirkungsberechtigten deutschen MdEP werden in verfassungskonfor-
4. Kap.: Zusammenfassung und Thesen
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mer Weise gern. § 93 a Abs. 6 Satz 2 GO-BT vom Präsidenten auf Vorschlag der Bundestagsfraktionen berufen, die im Europäischen Parlament vertreten sind. (27) Durch die Geschäftsordnungsänderung sind zwei Delegationsverfahren vorgesehen, nämlich die Einzelfallermächtigung und die begrenzte Generalermächtigung unter Widerspruchsvorbehalt der Fachausschüsse, die mit Art. 38 Abs. I Satz 2 GG zu vereinbaren sind. Obwohl es sich um einen Ausschuß mit Entscheidungsbefugnissen handelt, konnte es der Bundestag im Rahmen seines Organisationsrechts im Hinblick auf fraktionslose Abgeordnete bei dem Status des beratenden Ausschußmitglieds ohne Stimmrecht belassen. Der grundsätzlich analog anzuwendende Art. 42 Abs. I Satz I GG gebietet zwar die Öffentlichkeit von Ausschüssen mit Entscheidungsbefugnissen. Herzustellen ist aber praktische Konkordanz mit dem über Art. 40 Abs. I Satz 2 GG geschützten Organisationsrecht zur Sicherung der Funktionsfähigkeit. Angesichts der äußerst geringen praktischen Nutzung des Delegationsverfahrens ist die Öffentlichkeit durch die Berichtspflicht gern. § 93 a Abs. 4 GO-BT und die regelmäßig öffentlichen Anhörungen gern. § 93 Abs. 5 Satz I GO-BT hinreichend gewahrt. (28) Die Erwartungen, die mit dem Institut der plenarsersetzenden Stellungnahme bei Schaffung seiner rechtlichen Grundlagen verbunden worden sind, haben sich in der Parlamentspraxis nicht erfüllt. Auch für die Zukunft steht zu erwarten, daß das Delegationsverfahren selten eingesetzt wird. Ursache hierfür sind nicht Mängel in den rechtlichen Grundlagen, sondern zum einen die Stärke der Fachausschüsse, zum anderen das geringe Interesse der Mehrheitsfraktionen daran, die Bedeutung ausschußerlassener Stellungnahmen als Kontrollinstrument zu steigern. Dies ist bis zur - in der Praxis fernliegenden - Grenze des Mißbrauchs, d. h. etwa um parlamentarische Stellungnahmen gezielt zu verspäten, mit Art. 45 Satz 2 GG zu vereinbaren. Zulässig ist die Praxis des Europaausschusses, Voten anderer Fachausschüsse zu übernehmen und als eigene Stellungnahmen gegenüber der Regierung abzugeben, solange sie ihm formell und materiell zurechenbar bleiben.
Anhang
Anhang I
Das Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen im Deutschen Bundestag Regelverfahren I Delegationsverfahren
Anhang I: Das Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen
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Europäische Union: Der Rat
Vorschlag eines EU-Rechtsaktes
Bundesregierung: Bundesministerium der Finanzen • Abteiluna E-
r - - - - - - - - - - - - - - - - - Dnlttor beim Deuuchen Bundesta,-
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _---,
Deutscher Bundestag Ausschuß für die Angelegenheiten der EU - Sekretaria( I Europabüro -
Abfrage von Überweisungswünschen
Fachausschüsse Rückmeldung Überweisungsvorsehllge
Sammelübersicht
(Valhex) als 8T -On.• wellll8eschlußempfchluo& beablicbtill)
90% der EU-Vorlagen: bloße Kenntnisnahme. Miltcilung darüber im Plenacprolokoll Berichtspflicht des federführenden Ausschussa
bei Bedenken des Haushaltsausschusses
Beschlußempfehlung zu 10% der EU-Vorlagen (Ändenmplntnprecht des EuropuuslcbusKl)
Plenum
Fönnliche Zuleitung des Plenarbeschlusses BeriJcksichtigung des Bundestagsbeschlusses bei den Verhandlungen
Schaubild I: Regelverfahren
362
Anhang I: Das Verfahren der Behandlung von Unionsvorlagen Europiilsche Union:
Der Rat
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Bundesregierung: Bundesministerium der Finanzen . AbteilUD, E-
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2. Alternative: Ermächtigung zur Stellungnahme. wenn kein Widerspruch der FachausschUsse
J. Alternative: Ermächtigung zur Stellungnahme bzgl. bestimmt bezeichneter EU- Vorlagen.
Plenum
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Angelegenheiten der EU
, Bericht über Stellungnahme
Förmliche iuleitung des Beschlusses desfropaausschusses
1
Bundesregierung: Bundeskanzlenmt
I.
Berücksichtigung des Bundeslagsbeschlusses bei den Vcrhandlungen
Schaubild 2: Delegationsverfahren
I
Anhang II
Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union Personelle Zusammensetzung im 13. Deutschen Bundestag* 39 ordentliche Mitglieder zusätzlich 11 mitwirkende Mitglieder des Europäischen Parlaments Vorsitzender:
Dr. Norbert Wieczorek (SPD)
Stellvertetender Vorsitzender:
Michael Stübgen (CDU ICSU)
Obleute der Fraktionen (Gruppe):
Dr. Gero Pfennig (CDU ICSU) Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) Christian Sterzing (Bündnis 90 I Die Grünen) Dr. Helmut Haussmann (ED.P) Manfred Müller (PDS)
CDU/CSU
Ordentliche Mitglieder
Stellvertretende Mitglieder
Altmaier, Peter
Baumeister, Brigitte
Basten, Franz-Peter
Bömsen (Bönstrup), Wolfgang
Dr. Bötsch, Wolfgang
Dr. Götzer, Wolfgang
Fischer, Leni (Unna)
Helling, Detlef
Prof. Dr. Jüttner, Egon
von Klaeden, Eckart
Koschyk, Hartmut
Dr. Mayer, Martin (Siegertsbrunn)
Laschet, Arrnin
Merz, Friedrich
*
Stand Juni 1998. Zur Zusammensetzung im 14. Deutschen Bundestag s.u.
364
Anhang 11: Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Lirnbach, Editha
Schätzle, Ortrun
Dr. Lippold, Klaus W.
Schrnidt (Fürth), Christian
Meyer (Winsen), Rudolf
Dr.-Ing. Schrnidt (Halsbrücke), Joachirn
Dr. Müller, Gerd
Frhr. von Schorlerner, Reinhard
Dr. Pfennig, Gero
Schulhoff, Wolfgang
Schindler, Norbert
Seibel, Wilfried
Dr. Schockenhoff, Andreas
Seiters, Rudolf
Stübgen, Michael
Prof. Frhr. von Stetten, Wolfgang
Tröger, Gottfried
Prof. Dr. Tiernann, Susanne
Y zer, Comelia
Wetzei, Kersten
Dr. Friedrich, Ingo, MdEP
Prof. Dr. Bardong, Otta, MdEP
Kittelrnann, Peter, MdEP
Dr. Goepel, Lutz, MdEP
Lehne, Klaus-Heiner, MdEP
Dr. Langen, Wemer, MdEP
Lenz, Marlene, MdEP
Pack, Doris, MdEP
Prof. Dr. Rinsche, Günter, MdEP
Schleicher, Ursula, MdEP
SPD Ordentliche Mitglieder
Stellvertretende Mitglieder
Bertl, Hans-Wemer
Büttner (Ingolstadt), Hans
Blunck (Uetersen), Lieselott
Höfer, Gerd
Gloser, Günter
von Larcher, Detlev
Hernpelrnann, Rolf
Dr. Niehuis, Edith
Heubaurn, Monika
Onur, Leyla
Hiksch, Uwe
Schlaich-Walch, Gudrun
Kühn-Mengel, Helga
Schloten, Dieter
Mante, Winfried
Schultz (Everswinkel), Reinhard
Prof. Dr. Meyer (Ulrn), Jürgen
Dr. Skarpelis-Sperk, Sigrid
Rehbock-Zureich, Karin
Stiegler, Ludwig
Dr. Schäfer, Hans-Jörg
Dr. Thalheirn, Gerald
Schütz (Oldenburg), Dietrnar
Wagner, Hans Georg
Anhang 11: Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Dr. Wieczorek, Norbert
Weisskirchen (Wiesloch), Gert
Wieczorek-Zeul, Heidemarie
Dr. Zöpel, Christoph
Junker, Karin, MdEP
Görlach, Willi, MdEP
Randzio-Plath, Christa, MdEP
Hoff, Magdalene, MdEP
Rothe, Mechthild, MdEP
Kuckelkom, Wilfried, MdEP
Samland, Detlev Hermann, MdEP
Roth-Behrendt, Dagmar, MdEP
Schulz, Martin, MdEP
Sakellariou, Jannis, MdEP
BÜNDNIS 90 I Die Grünen
Ordentliche Mitglieder
Stellvertretende Mitglieder
Dr. Köster-Loßack, Angelika
Beck (Bremen), Marieluise
Dr. Lippelt, Helmut
Höfken, Ulrike
Sterzing, Christi an
Schoppe, Waltraud
Telkämper, Wilfried, MdEP
Dr. Ullmann, Wolfgang, MdEP
F.D.P.
Genscher, Hans-Dietrich
Dr. Babel, Gisela
Dr. Haussmann, Helmut
Irmer, Ulrich
Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine
Dr. Stadler, Max
PDS
Hartmann, Hans-Peter
Dr. Willibald Jakob
Müller, Manfred
Dr. Maleuda, Günther
Fraktionslos
Neumann, Kurt (Berlin)
365
366
Anhang 11: Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Personelle Zusammensetzung im 14. Deutschen Bundestag* 36 ordentliche Mitglieder zusätzlich 11 mitwirkende Mitglieder des Europäischen Parlaments Vorsitzender:
Dr. Friedbert Pflüger (CDU / CSU)
Stellvertetender Vorsitzender:
Prof. Dr. Jürgen Meyer (SPD)
SPD Ordentliche Mitglieder
Stellvertretende Mitglieder
Bertl, Hans-Wemer
Büttner (Ingolstadt), Hans
Fomahl, Reiner
Erler, Gemot
Gloser, Günter
Friedrich, Lilo
Klappert, Marianne
Hempelmann, Rolf
Kühn-Mengel, Helga
Heubaum, Monika
Hiksch, Uwe
Höfer, Gerd
Mante, Winfried
von Larcher, Detlev
Prof. Dr. Meyer (Ulm), Jürgen
Matschie, Christoph
Nietan, Dietmar
Meckel, Markus
Oesinghaus, Günther
Poß, Joachim
Ohl, Eckhard
Rehbock-Zureich, Karin
Ortel, Holger
Schloten, Dieter
Roth, Michael
Schultz (Everswinkel), Reinhard
Dr. Scheer, Hermann
Prof. Weisskirchen (Wiesloch), Gert
Wegener, Hedi
Westrich, Lydia
Dr. Wieczorek, Norbert
Wodarg, Wolfgang
Junker, Karin, MdEP
Görlach, Willi, MdEP
Randzio-Plath, Christa, MdEP
Hoff, Magdalene, MdEP
Rothe, Mechthild, MdEP
Kuckelkom, Wilfried, MEP
* Stand Juni 1999.
Anhang 11: Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Samland, Detlev, MdEP
Roth-Behrendt, Dagmar, MdEP
Schulz, Martin, MdEP
Sekellariou, Jannis, MdEP
CDU/CSU Ordentliche Mitglieder
Stellvertretende Mitglieder
Altmaier, Peter
Bernhardt, Otto
Dr. BIens, Heribert
Borchert, Jochen
Dr. Brauksiepe, Ralf
Dr. Hornhues, Karl-Heinz
Dr. Gehb, Jürgen
Maaß, Erich
Dr. Göhner, Reinhardt
Otto, Norbert
Heinen, Ursula
Rühe, Volker
Hintze, Peter
Schindler, Norbert
Dr. Krogmann, Martina
Schmidt (Fürth), Christian
Dr. Müller, Gerd
Dr. Schmidt, Joachim
Dr. Pflüger, Friedbert
Dr. Schockenhoff, Andreas
Stübgen, Michael
Dr. Schulhoff, Wolfgang
Vaatz, Arnold
Seehofer, Horst
Wolf, Aribert
Prof. Dr. Tiemann, Susanne
Ferber, Markus, MdEP
Prof. Dr. Bardong, Otto, MdEP
Kittelmann, Peter, MdEP
Dr. Goepel, Lutz, MdEP
Lehne, Klaus-Heiner, MdEP
Dr. Langen, Werner, MdEP
Lenz, Marlene, MdEP
Pack, Doris, MdEP
Dr. v. Wogau, Karl, MdEP
Schleicher, Ursula, MdEP BÜNDNIS 90 I Die Grünen
Ordentliche Mitglieder
Stellvertretende Mitglieder
Höfken, Ulrike
Knoche, Monika
Roth, Claudia
Dr. Lippelt, Helmut
Sterzing, Christian
Müller, Klaus
367
368
Anhang 11: Ausschuß für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Dr. Ullmann, Wolfgang, MdEP
Bloch v. Blottnitz, Undine, MdEP
F.D.P. Dr. Haussmann, Helmut
Burgbacher, Ernst
Leutheusser-Schnarrenberger, Sabine
Lenke,Ina
PDS Dr. Grehn, Klaus
Dr. Höll, Barbara
Müller (Berlin), Manfred
Lötzer, Ursula
Anhang III
Verfahrensgrundsätze des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union Vom 25. Oktober 1995 Aufgrund von § 93 a Abs. 7 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) stellt der Europaausschuß über die Behandlung der ihm gemäß § 93 GO-BT zugeleiteten Unionsvorlagen folgende Grundsätze auf: § 1 [Sachliche Zuständigkeit]
Der Europaausschuß ist zuständig für die Behandlung von Unionsvorlagen ( § 93 Abs. 1 GO-BT) und Unionsdokumenten ( § 93 Ab. 2 GO-BT). Unionsvorlagen sind förmlich von der Bundesregierung dem Ausschuß zugeleitete Dokumente. Unionsdokumente sind Unionsvorlagen oder deren Entwürfe. Ergänzend gilt die im Anhang I beigefügte Darstellung. Der Europaausschuß kann darüber hinaus gemäß § 62 Ab. 1 Satz 3 GO-BT Angelegenheiten zum Verhandlungs gegenstand erklären, die im Rahmen der Europäischen Union die Interessen der Bundesrepublik Deutschland berühren könnten, ohne daß die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 vorliegen. § 2 [Unterrichtung durch die Bundesregierung]
Im Rahmen der Regelung in den §§ 3, 4 EUZBBG unterrichtet die Bundesregierung den Europaausschuß umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt insbesondere über: Unionsvorlagen und Unionsdokumente, - eigene Initiativen, Initiativen aus den Bundesländern und des Bundesrates sowie Initiativen von Mitgliedstaaten, die für die Willensbildung des befaßen Organs der Europäischen Union entscheidungsfördernd sind, - die Berücksichtigung der Stellungnahmen des Bundestages bei der Willensbildung in den zuständigen Organen der Europäischen Union. § 3 [Form und Inhalt der Unterrichtung]
Die Unterrichtung erfolgt durch Übersendung der Unionsvorlagen, der Unionsdokumente und der in § 2 bezeichneten Initiativen. Die Bundesregierung erteilt bin24 Hansmeyer
370
Anhang III: Verfahrensgrundsätze des Ausschusses der Europäischen Union
nen 5 Sitzungstagen zu den übersandten Unionsvorlagen, Unionsdokumenten und Initiativen zur Erläuterung einen schriftlichen Bericht. Auf Anhang 11 wird verwiesen. Mit Genehmigung des Vorsitzenden kann der vollständige schriftliche Bericht auch später vorgelegt werden, jedoch bis spätestens 5 Sitzungstage vor Behandlung im Europaausschuß. Auf Wunsch des Europaausschusses ist der Bericht durch die Bundesregierung mündlich zu ergänzen. § 4 [Federführung und Zuleitung an die Ausschüsse] Der Europaausschuß ist grundsätzlich zuständig für die Behandlung aller Unionsvorlagen und Unionsdokumente, im Einzelfall nach Maßgabe des Überweisungsbeschlusses und der einschlägigen Emächtigung zur Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung. In den Fällen der ausdriicklichen Ennächtigung gemäß § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT soll der Europaausschuß die Federführung regelmäßig beanspruchen. Der Vorsitzende legt im Einvernehmen mit den Sprechern des Europaausschusses den Vorsitzenden der beteiligten Ausschüsse einen Überweisungsvorschlag zur Bestimmung des federführenden Ausschusses und der mitberatenden Ausschüsses vor. Erhebt der Vorsitzende eines dieser Ausschüsse gegen den Überweisungsvorschlag Bedenken, so hat er dies dem Vorsitzenden innerhalb von 3 Sitzungstagen mitzuteilen. Die Vorsitzenden haben sich alsdann um eine Einigung hieriiber zu bemühen. Sodann leitet der Vorsitzende den Überweisungsvorschlag einschließlich eines etwaigen Widerspruchs dem Präsidenten zur Entscheidung zu. Wenn der Europaausschuß eine Ennächtigung nach § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT für notwendig hält, teilt er dies dem Präsidenten im Überweisungsvorschlag mit. § 5 [Bericht an den Bundestag] Der Europaausschuß erstattet dem Bundestag gern. § 93 a Abs. 4 GO-BT einen Bericht über seine Stellungnahmen. Er teilt darin die Auffassung der beteiligten Ausschüsse mit. § 6 [Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung im Ermächtigungsfall gern. § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT]
Im Falle einer Ennächtigung gern. § 93 a Abs. 2 Satz 1 GO-BT hat der Europaausschuß vor Abgabe seiner Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung eine Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse einzuholen. Will der Europaausschuß von der Stellungnahme eines oder mehrerer mitberatender Ausschüsse abweichen, soll eine gemeinsame Sitzung mit den mitberatenden Ausschüssen anberaumt werden. § 7 [Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung im Ermächtigungsfall gern. § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT]
Will der Europaausschuß in den Fällen des § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT gegenüber der Bundesregierung eine Stellungnahme abgeben, so hat der Vorsitzende nach
Anhang III: Verfahrensgrundsätze des Ausschusses der Europäischen Union
371
Rücksprache mit den Sprechern des Europaausschusses sich mit den Vorsitzenden der beteiligten Ausschüsse unverzüglich darüber zu verständigen, ob die Ausschüsse der beabsichtigten Stellungnahme des Europaausschusses widersprechen wollen. Für die Ausübung des Widerspruchsrechts ist eine angemessene Frist zu vereinbaren. Erfolgt der Widerspruch innerhalb der vereinbarten Frist nicht, gibt der Europaausschuß die Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung ab. § 8 [Berichtspflicht der Bundesregierung]
Die Bundesregierung unterrichtet den Europaausschuß fortlaufend über die Grundzüge der Beratungen in den Gremien der Europäischen Union, insbesondere in den Angelegenheiten, die der Europaausschuß zum Verhandlungs gegenstand gemacht hat. § 9 [Organisation der Verfahrensabläufe]
Alle dem Europaausschuß zugeleiteten Unionsvorlagen, Unionsdokumente, Berichte, Stellungnahmen und sonstigen Unterlagen werden in einer in der Verantwortung des Ausschusses stehenden EDV-Anlage durch das Ausschußsekretariat erfaßt. Zur Vorbereitung des Überweisungsvorschlags gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 wird wie folgt verfahren: - Das Ausschußsekretariat bereitet für den Vorsitzenden des Europaausschusses die Überweisungsvorschläge für die eingegangenen Unionsvorlagen und für die von den anderen Ausschüssen zum Verhandlungsgegenstand erklärten Unionsdokumente vor. Das hierzu zu praktizierende Verfahren hat sicherzustellen, daß = die Beratungswünsche der Ausschüsse möglichst zeitnah zum Ausdruck gebracht werden, = eine Konzentration der Ausschußtätigkeit auf politisch bedeutsame Vorlagen und sonstige Unionsdokumente möglich ist,
- Das Ausschußsekretariat übermittelt unverzüglich den Sprechern und den für den jeweiligen Politikbereich zuständigen Berichterstattern des Europaausschusses die eingegangenen Unionsvorlagen sowie die sonstigen Unionsdokumente, die auf Wunsch von Ausschußmitgliedern zum Gegenstand der Selbstbefassung gemacht werden sollten. Die Übermittlung der Dokumente wird regelmäßig begleitet von einer Liste. Diese enthält neben den Rats-, Kommissions- oder EP-Dok.Nr. den Titel der übermittelten Dokumente, zu jedem Dokument einen Vorschlag des Ausschußsekretariats zur beabsichtigten Behandlung des Dokumentes mit Fallgruppenbildung a) Behandlung empfohlen, b) Nichtbehandlung empfohlen (Sammelübersicht), c) Behandlung offen / zweifelhaft. 24*
372
Anhang III: Verfahrensgrundsätze des Ausschusses der Europäischen Union
Das Ausschußsekretariat übennittelt unmittelbar nach Rücklauf der Beratungswünsche des Europaausschusses den beteiligten Ausschüssen die eingegangenen Unionsdokumente. Die Liste mit den Vorschlägen für die Behandlung der Dokumente wird zugleich an alle beteiligten Ausschüsse übersandt. Unmittelbar nach der Entscheidung des Präsidenten über die Überweisung leitet das Ausschußsekretariat die Unter Abs. 1 aufgeführten Vorgänge entsprechend der Überweisungsentscheidung den zuständigen Ausschüssen zu. Die vom Ausschußsekretariat in einer Sammelübersicht zur Kenntnisnahme vorgeschlagenen Vorgänge werden regelmäßig unter einem dafür reservierten Tagesordnungspunkt abgehandelt. Die Beschlußfassung im Ausschuß erfolgt drei Wochen nach der Zuleitung der Sammelübersicht an die Sprecher. Bei Widerspruch gegen die Aufnahme eines solchen Unionsvorgangs in die Sammelübersicht wird dieser im Ausschuß in einem regulären Tagesordnungspunkt behandelt. Unionsvorgänge, welche die Maastricht-Folgekonferenz betreffen, werden vom Ausschußsekretariat gesondert geführt und registriert und im Ausschuß unter einem dafür reservierten Tagesordnungspunkt abgehandelt. Berichte der Bundesregierung über bevorstehende oder vergangene Ratstagungen werden in einem dafür reservierten Tagesordnungspunkt abgehandelt. Das Ausschußsekretariat hat den Berichterstattern und Sprechern Stellungnahmen, Materialien der Bundesregierung, der Landesregierungen, des Bundesrates, der Länderparlamente, des Europäischen Parlaments und seiner Ausschüsse unaufgefordert zuzuleiten. Fristen, Termine und Änderungen sind den Berichterstattern und Sprechern vom Ausschußsekretariat unaufgefordert zuzuleiten. § 10 [Öffentlichkeit]
Der Vorsitzende kann in den Fällen der Ermächtigung gemäß § 93 a Abs. 2 Satz 1 und § 93 a Abs. 3 Satz 2 GO-BT den Europaausschuß für die Schlußberatung dieser Verhandlungsgegenstände zu einer öffentlichen Sitzung einberufen, falls nicht eine Fraktion im Europaausschuß widerspricht. Das Recht des Europaausschusses, die Öffentlichkeit auszuschließen oder herzustellen, bleibt unberiihrt. Anh.I
1. Unions vorlagen sind: Vorhaben im Sinne der § § 3 - 5 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, insbesondere: = Alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union, die für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten, wie z. B. Mitteilungen der Kommission, Griinbücher und Weißbücher.
Anhang 111: Verfahrensgrundsätze des Ausschusses der Europäischen Union
373
= Entwürfe
von Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union (einschließlich Inhalt, Zielsetzung, Verfahren, Zeitpunkt der Beschlußfassung im Rat, Willensbildung der Bundesregierung, Verlauf von Beratungen, Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission sowie der anderen Mitgliedstaaten und die getroffenen Entscheidungen).
- Laufende Unterrichtungen über Entwicklungen im Rat von EU und Euratom sowie von Ratsbeschlüssen. - Unterrichtungen durch das Europäische Parlament sowie EP-Ausschußberichte im Kodezisionsverfahren. 2. Unionsdokumente sind: a) Alle Unionsvorlagen. b) Alle den Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellten Entwürfe von Vorlagen, Berichte, Gutachten und Unterrichtungen aus dem Bereich der Institutionen der Europäischen Union (insbesondere Entwürfe von Grünbüchern und Weißbüchern) und der anderen Mitgliedstaaten.
Anh.II Thema:
Zeitplan für die Behandlung im, a) Deutschen Bundestag entspr. Art. 23 GGu.EUZBBG b) Bundesrat c) EP d) Rat
Sachgebiet: Rats-Dok.-Nr: KOM-Nr.: EP-Nr.: BRat-Nr.: Rechtsgrundlage: Zielsetzung: Nachweis der Notwendigkeit für europäische Regelungen: (Subsidiaritätsprüfung) Inhaltliche Schwerpunkte: Politische Bedeutung: Was ist das besondere deutsche Interesse? Bisherige Position des Bundestages: Position des Bundesrates:
374
Anhang III: Verfahrensgrundsätze des Ausschusses der Europäischen Union
Position des EP: Meinungsstand im Rat: Verfahrensstand (Stand der Befassung) Finanzielle Auswirkungen:
Anhang IV
Protokoll zum Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1998 über die Rolle der einzelstaatlichen Parlamente in der Europäischen Union DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN Eingedenk dessen, daß die Kontrolle der jeweiligen Regierungen durch die einzelstaatlichen Parlamente hinsichtlich der Tätigkeiten der Union Sache der besonderen verfassungsrechtlichen Gestaltung und Praxis jedes Mitgliedstaates ist, in dem Wunsch jedoch, eine stärkere Beteiligung der einzelstaatlichen Parlamente an den Tätigkeiten der Europäischen Union zu fördern und ihnen bessere Möglichkeiten zu geben, sich zu Fragen, die für sie von besonderem Interesse sein können, zu äußern, - sind über folgende Bestimmungen übereingekommen, die dem Vertrag über die Europäische Union und den Verträgen zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften beigefügt sind: I. Unterrichtung der Parlamente der Mitgliedstaaten 1. Alle Konsultationsdokumente der Kommission (Grün- und Weißbücher sowie Mitteilungen) werden den Parlamenten der Mitgliedstaaten unverzüglich zugeleitet. 2. Die Vorschläge der Kommission für Akte der Gesetzgebung, wie sie vom Rat nach Artikel 151 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft festgelegt werden, werden rechtzeitig zur Verfügung gestellt, so daß die Regierung jedes Mitgliedstaates dafür Sorge tragen kann, daß ihr einzelstaatliches Parlament sie gegebenenfalls erhält. 3. Zwischen dem Zeitpunkt, zu dem ein Vorschlag für einen Rechtsakt oder ein Vorschlag für eine Maßnahme nach Titel VI des Vertrags über die Europäische Union dem Europäischen Parlament und dem Rat in allen Sprachen von der Kommission unterbreitet wird, und dem Zeitpunkt, zu dem er zur Beschlußfassung entweder zur Annahme als Rechtsakt oder zur Festlegung eines Gemeinsamen Standpunkts nach Art. 189 b oder Art. 189 c des Vertrags zur Gürndung der Europäischen Gemeinschaft auf die Tagesordnung des Rates gesetzt wird, liegt ein Zeitraum von sechs Wochen, außer in dringenden
376
Anhang IV: Protokoll zum Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1998
Fällen, die in dem Rechtsakt oder Gemeinsamen Standpunkt zu begründen sind. Ir. Konferenz der Europa-Ausschüsse 4. Die am 16./ 17. November 1989 in Paris gegründete Konferenz der Europaausschüsse, im folgenden als "COSAC" bezeichnet, kann jeden ihr zweckmäßig erscheinenden Beitrag für die Organe der Europäischen Union leisten und zwar insbesondere auf Grundlage von Entwürfen für Rechtstexte, deren Übermittlung an die COSAC von Vertretern der Regierungen der Mitgliedstaaten in Anbetracht der behandelten Frage gegebenenfalls einvernehmlich beschlossen wird. 5. Die COSAC kann Vorschläge oder Initiativen im Zusammenhang mit der Errichtung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts prüfen, die möglicherweise unmittelbare Auswirkungen auf die Rechte und Freiheiten des einzelnen nach sich ziehen. Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission werden über die von der COSAC nach dieser Nummer geleisteten Beiträge unterrichtet. 6. Die COSAC kann dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission jeden ihr zweckmäßig erscheinenden Beitrag über die Gesetzgebungstätigkeiten der Union, insbesondere hinsichtlich der Anwendung des Subsidiaritätsprinzips, des Raums der Feiheit, der Sicherheit und des Rechts sowie der die Grundrechte betreffenden Fragen vorlegen. 7. Die Beiträge der COSAC binden in keiner Weise die einzelstaatlichen Parlamente und präjudizieren in keiner Weise deren Standpunkt.
Anhang V
Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (Besonderer Teil, GGO 11) IV. Kapitel, 2. Abschnitt: Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union §85 a Beteiligung der Bundesministerien und Unterrichtung der beteiligten Fachkreise und Verbände, Subsidiaritätsprinzip (1) Die betroffenen Ministerien sind bei der Behandlung von Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union in allen Fällen zu beteiligen. (2) Für die Priifung von Vorhaben der Europäischen Union auf ihre Übereinstimmung mit dem Subsidiaritätsprinzip gelten die von der Bundesregierung beschlossenen Verfahrens grundsätze. 1 (3) Bei der Behandlung von Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union können die Vertretungen der beteiligten Fachkreise oder Verbände unterrichtet werden und Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Zeitpunkt, Umfang und Auswahl bleiben, wenn nicht Sondervorschriften bestehen, dem Ermessen des in der Sache federführenden Ministeriums überlassen. Soll der Entwurf vertraulich behandelt werden, ist dies zu vermerken. § 85b Beteiligung des Bundestages bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union
Für die Unterrichtung und Beteiligung des Bundestages bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union nach Art. 23 Abs. 3 des Grundgesetzes und dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBL I S. 311) gelten die in Ausführung dieses Gesetzes beschlossenen Verfahrensgrundsätze. 2
I Beschluß des Bundeskabinetts vom 8. Dezember 1993, ergänzt durch Beschluß der Europastaatssekretäre vom 3. März 1994 (Prüfraster), abgedruckt als Anlage 9. 2 Abgedruckt als Anlage 10.
378
Anhang V: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
§ 85 c Beteiligung des Bundesrates bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union
Für die Unterrichtung und Beteiligung des Bundesrates bei Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union gilt die nach Art. 23 Abs. 2 und 4 bis 6 des Grundgesetzes und dem Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBL I S. 313) am 29. Oktober 1993 zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Länder getroffene Vereinbarung (BAnz. 1993 S. 10425). § 85 d Unterrichtung der kommunalen Spitzenverbände bei Vorhaben der Europäischen Union
Vorschläge für Rechtsakte der Europäischen Union, durch die unmittelbar Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände berührt werden, sollen von dem in der Sache federführenden Ministerium den auf Bundesebene bestehenden kommunalen Spitzenverbänden zugeleitet werden. § 85 e Verfahren bei Gesetzen und bei Verordnungen zur Umsetzung von Rechtsakten und sonstigen für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschlüssen der Europäischen Union (1) Für die Umsetzung von Rechtsakten und sonstigen für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschlüssen der Europäischen Union gelten für Gesetze grundsätzlich das 11. Kapitel, für Verordnungen der 1. und 2. Abschnitt des III. Kapitels.
(2) Das in der Sache federführende Ministerium schafft die notwendigen Voraussetzungen für die fristgemäße Umsetzung der Rechtsakte und der sonstigen für die Mitgliedstaaten verbindlichen Beschlüsse der Europäischen Union.
Anhang V: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
379
Anlage 9 (§ 85 a GGO II)
Prüfraster für die Subsidiaritätsprüfung Bei der Prüfung von Maßnahmen der Eurppäischen Gemeinschaft unter den Gesichtspunkten der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Art. 3 b Abs. 2 und 3 EG-Vertrag) finden folgende Prüfkriterien Anwendung:
I. Vorfrage Besteht für die in Betracht gezogenen Maßnahme eine Kompetenz im EG-Vertrag und steht diese Maßnahme im Einklang mit den Zielen des EG-Vertrages (Art. 3 b Abs. 1 EG-Vertrag)?
11. Subsidiarität 1. Können die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme - sofern kein Fall ausschließlicher Gemeinschaftskompetenz vorliegt - von / in den Mitgliedstaaten (Bund, Länder, Gemeinden) nicht ausreichend auf ihrer Ebene verwirklicht werden? - Können die Ziel der in Betracht gezogenen Maßnahme beispielsweise durch die Sozialpartner oder durch private Initiative bzw. deren Unterstützung nicht ausreichend'verwirklicht werden? - Können die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme durch Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden? - Hat die in Betracht gezogene Maßnahme transnationale Aspekte, die durch Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht zufriedenstellend geregelt werden können? 2. Können die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen besser auf Gemeinschaftsebene verwirklicht werden? 3. Ist die Übertragung der legislativen Durchführung auf die Kommission statt auf die Mitgliedstaaten unbedingt notwendig? 4. Ist die Übertragung der verwaltungsmäßigen Durchführung auf die Kommission statt auf die Mitgliedstaaten - wenn ausnahmsweise vorgesehen - überhaupt notwendig? 5. Besteht eine besondere Rechtfertigung für die teilweise oder gänzliche Übernahme der Finanzierung?
380
Anhang V: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
6. Sollte die Geltungsdauer der in Betracht gezogenen Maßnahme beschränkt werden?
III. VerhäItnismäßigkeit 1. Hält sich die in Betracht gezogene Maßnahme - sowohl bei ausschließlichen als auch bei nicht-ausschließlichen Gemeinschaftskompetenzen - im Rahmen des für die Erreichung der Vertragsziele erforderlichen Maßes? a) Erfordert die in Betracht gezogene Maßnahme einen Rechtsakt ? b) Ist für die in Betracht gezogene Maßnahme diejenigige Rechtsform vorgesehen, die die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Eignung der Maßnahme am wenigsten einengt? c) Beschränken sich Regelungsumfang und Regelungsdichte der in Betracht gezogenen Maßnahme auf das erforderliche Maß und welche Alternativen sind erwogen worden? d) Nimmt die in Betracht gezogene Maßnahme auf die besonderen Verhältnisse in den einzelnen Mitgliedstaaten Rücksicht?
2. Ist die Übertragung der legislativen Durchführung auf die Kommission statt auf die Mitgliedstaaten überhaupt notwendig?
3. Ist die Übertragung der verwaltungsmäßigen Durchführung auf die Kommis-
sion statt auf die Mitgliedstaaten - wenn ausnahmsweise vorgesehen - überhaupt notwendig?
4. Besteht eine besondere Rechtfertigung für die teilweise oder gänzliche Übernahme der Finanzierung?
5. Sollte die Geltungsdauer der in Betracht gezogenen Maßnahme beschränkt werden?
6. Beinhaltet die in Betracht gezogene Maßnahme zur Überwachung der Durchführung von Gemeinschaftsrecht keine unnötigen Eingriffe in die Verwaltungshoheit der Mitgliedstaaten?
IV. Begründung Entspricht die Begründung der von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahme bzw. von Änderungsvorschlägen hierzu den im Prüfraster enthaltenen Gesichtspunkten?
Anhang V: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
381
Anlage 10 (§ 85 b GGO ll)
Ressortabsprache 3 Unterrichtung des Deutschen Bundestages gemäß §§ 3 ff. des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) vom 12. März 1993 BGBI. I S. 311 Ziel ist es, den Deutschen Bundestag umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt über alle Vorhaben im Rahmen der Europäischen Union (EU) zu unterrichten, die für die Bundesrepublik Deutschland von Interesse sein könnten.
I. Unterrichtung des Deutschen Bundestages /.1. Förmliche Zuleitung von EU-Vorhaben an den Deutschen Bundestag Jeden vom Generalsekretariat des Rates der EU eingehenden Vorschlag zu Verordnungen und Richtlinien des Rates der EU sowie die Vorschläge zu Entscheidungen und sonstigen Beschlüssen des Rates leitet das Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) umgehend in zwei Exemplaren dem Deutschen Bundestag zu. 4 Dies gilt auch für Vorschläge zu Beschlüssen des Rates nach Art. 100 c, 138 und 201 EGVertrag sowie nach Art. K.3 Abs. 2 und K.9 EU-Vertrag. Das federführende Ressort und das Bundeskanzleramt erhalten Kopie des Zuleitungsschreibens. Das Zuleitungsschreiben enthält: - neben dem vorgesehenen Titel des Vorhabens die wesentlichen Angaben des an das Sekretariat des Rates der EU gerichteten Übersendungsschreibens (insbesondere Hinweise auf die Zielsetzung und den wesentlichen Inhalt des Vorhabens); das Datum des Erscheinens des Ratsdokuments in deutscher Sprache; möglichst einen Hinweis auf die dem Vorschlag zugrundeliegende Rechtsgrundlage; - einen Hinweis auf das im Rahmen der Behandlung des EU-Vorhabens anzuwendende Verfahren (Beteiligung des Europäischen Parlamentes, des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen) - entsprechend den im Dokument des Rates hierzu enthaltenen Angaben; einen möglichst konkreten Hinweis auf den voraussichtlichen Zeitpunkt der Verabschiedung im Rat, insbesondere
3 Eine neue Ressortabsprache zur Umsetzung des Organisationserlasses des Bundeskanzlers Schröder vorn 27. Oktober 1998, BGBl. I, 3288 f., wurde bis Juni 1999 nicht getroffen. 4 Mit Schriftwechsel Chef des Bundeskanzleramts - Präsident Deutscher Bundestag ist festgelegt worden, daß die Zuleitung durch Schreiben des Leiters der Europaabteilung im BMWi an den Direktor des Deutschen Bundestages erfolgt.
382
Anhang V: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
durch Wiedergabe der im Dokument des Rates enthaltenen zeitlichen Abschätzung; die Benennung des oder der für ein EU-Vorhaben federführenden Ressorts. Mehrere EU-Vorhaben werden nur dann in einem Zuleitungsschreiben zusammengefaßt, wenn sie das gleiche Sachgebiet betreffen.
1.2. Allgemeine Zuleitung
Das Bundesministerium für Wirtschaft übersendet je ein Exemplar aller eingehenden Ratsdokumente (einschließlich derer, die dem Deutschen Bundestag förmlich gemäß Ziffer 1.1 zuzuleiten sind) zeitgleich dem Bundestag und dem federführenden Ressort.
1.3. Zusätzliche Unterrichtung
Über nicht unter 1.1 und 1.2 fallende Rechtsakte und über sonstige Beschlüsse der Kommission von grundsätzlicher Bedeutung oder erheblicher Auswirkung auf die Interessen der Bundesrepublik Deutschland unterrichtet das federführende Ressort den Ausschuß des Deutschen Bundestages für die Angelegenheiten der Europäischen Union (nachstehend EU-Ausschuß) und den federführenden Ausschuß. [Darüber hinaus erwartet der Europa-Ausschuß des Deutschen Bundestages, daß in diese Unterrichtung auch Informationen über eigene Initiativen, Initiativen aus den Bundesländern und des Bundesrates sowie von Mitgliedstaaten, die für die Willensbildung des befaßten Organs der Europäischen Union entscheidungsfördernd sind, einbezogen werden.]
11. Aufgaben der Ressorts bei der Behandlung von EU-Vorhaben im Deutschen Bundestag Die Ressorts unterrichten den Deutschen Bundestag unverzüglich, ggf. durch Übermittlung geeigneter Unterlagen, über die Bewertung des Vorhabens und über die Willensbildung der Bundesregierung, über den Verlauf der Beratungen, über die Stellungnahmen des Europäischen Parlamentes und der Kommission, über die Stellungnahmen der anderen Mitgliedstaaten sowie über die getroffenen Entscheidungen. [Der Europa-Ausschuß des Deutschen Bundestages erwartet zu den unter 1.1 und
1.3 übermittelten Vorlagen binnen fünf Sitzungstagen zur Erläuterung einen schrift-
lichen Bericht, aus dem - soweit in der Kürze der Zeit möglich - die in der Anlage ersichtlichen Informationen hervorgehen sollen. Das fachlich federführende Res-
Anhang V: Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien
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sort ist für diese abgestimmte Erläuterung zuständig; das BMWi - Referat E A 7 und AA - Referat 011 erhalten eine Durchschrift.] Das Auswärtige Amt unterrichtet den Deutschen Bundestag in geeigneter Weise über die Entwicklung in der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, insbesondere über die wichtigsten Aspekte und grundlegenden Weichenstellungen.
Il.1. [Inhalt der Unterrichtung]
Bei EU-Vorhaben, die nach Ziffer 1.1 zugeleitet wurden, unterrichtet das federführende Ressort den Unions-Ausschuß und den federführenden Ausschuß darüber, ob Bundesgesetzgebung durch das EU-Vorhaben berührt wird. Ferner informiert es über wesentliche Änderungen von nach Ziffer 1.1 zugeleiteten EU-Vorhaben, der Zeitplanung sowie über den letzten Verhandlungsstand und darüber, welche zusätzlichen EU-Dokumente der Ausschußberatung zugrunde zu legen sind. Das federführende Ressort soll bei den Ausschußsitzungen zu den es betreffenden Tagesordnungspunkten vertreten sein.
11.2. [Stellungnahmen des Bundestages]
Erbittet der Detusche Bundestag Unterrichtung darüber, ob und inwieweit die Stellungnahmen des Deutschen Bundestages bei der Beschlußfassung des Rates der EU Berücksichtigung gefunden hat, wird diese Information vom federführenden Ressort gegeben. Dabei soll der Beschluß des Rates der Europäischen Union dargestellt und erläutert werden, inwieweit er mit dem vom Deutschen Bundestag ursprünglich beratenen Vorschlag übereinstimmt und insbesondere inwieweit etwaige Stellungnahmen des Deutschen Bundestages mit berücksichtigt sind.
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Sachwortregister Abgeordnete, 167, 170 - des Europäischen Parlaments, 190, 200, 274,316 ff., 358 - fraktionslose, 309 f., 332 f. - repräsentativer Status, 151, 307 ff., 314 ff., 331, 345, 358 Abgeordnetenhaus, preußisches, 320 ad referendum, 223, 235 Ältestenrat, 273, 277, 288, 290, 295 f., 303, 310,316,320 Amsterdamer Vertrag, 29, 37, 44 ff., 56, 63, 67, 70, 74, 81, 90, 97, 99, 212, 286, 299, 353 Anhörung - fakultative des Europäischen Parlaments, 71 f. - obligatorische des Europäischen Parlaments, 72 ff. Anlagen zur GOBT, 194 f., 287 Auslegung - Art. 10 EGV, 53 ff. - Besetzung des Europaausschußes, 318 - Delegation auf den Europaausschuß, 311, 332,345 - Einzelfragen, 211 ff. - interinstitutionelle Vereinbarungen, 60 - Kabinettszuständigkeiten, 263 ff. Auslegungshilfe - Funktionenordnung des Grundgesetzes als, 106 f., 133, 148 f. - Präambel als, 37 - Prinzip des institutionellen Gleichgewichts als, 51 Auslegungsmonopol des EuGH, 63 Ausschuß - Besetzung, 168,318 ff., 358 - Delegation von Befugnissen, 306 ff. - der Europabeauftragten, 253 - der Regionen, 70, 118
- der Ständigen Vertreter (ASTV), 47 ff., 87,248,253,353 - erster mitberatender, 291, 300 - für die Angelegenheiten der Europäischen Union, 147, 187 ff., 273 ff., 358 - im Komitologieverfahren, 92 ff. - Mitgliedschaft ohne Stimmrecht, 276, 309,317 f., 331 ff., 359 auswärtige Angelegenheiten, 112, 123, 241, 246 auswärtige Gewalt, 112 ff., 132 ff., 142 f., 177,219,268,355 Berücksichtigung parlamentarischer Stellungnahmen, 77, 118, 139, 164, 177,220, 271,330,348 Berücksichtigungspflicht, 144 ff., 227 ff., 269 Beschlußempfehlung, 190, 196, 233, 274, 288 f., 299 f., 304, 308, 344 f., 347 Beteiligung zur gesamten Hand, 137 ff., 153 ff., 172,200,214,229,238,270,278, 294,312,355 Bindungswirkung, 58 ff., 73, 120 ff., 164, 180, 189,201,227ff.,235,284,304,315, 338 Bivalenz, 53 Bundeskanzleramt, 207, 241 f., 250, 253, 257,271 COSAC, 96 ff., 218 Delegation, 119, 152, 304 ff., 325 ff., 336, 358 - von Entscheidungsbefugnissen, 190, 201, 306 ff., 324 Delegationsverbot, 47,158,312 f. Demokratiedefizit, 32 ff., 353 demokratische Legitimation - des Primärrechts, 31
Sachwortregister - durch Verfahren, 169 ff., 308, 312, 322, 356 - Eignung des Europäischen Parlaments zur Vermittlung von, 38 ff., 99 f., 354 - Maßstab, 32 ff. - mittelbare, 41 ff., 10 1, 353 - notwendige "Infrastruktur", 38 - personelle, 166 ff., 322 - unmittelbare, 110 Diskontinuität, 193, 210, 279 Doppelfunktion des Rates, 55, 125 Doppelmitgliedschaft, 273 f., 314 Durchsetzbarkeit, 178 ff. EG-Vorlagen, 144, 240, 244, 249, 256 f., 259,265,273 f., 284 ff., 298 Eilverfahren, 329 ff. Eingriff in Grundrechte, 130, 154 ff., 181 f. Einwendungsausschlußverfahren, 272, 327 Einzelfallermächtigung, 190, 322, 327 f., 334,341,359 Europabüro, 192,216,258,294 f., 358 Europäischer Gerichtshof, 63, 129 Europakabinett, 261 Europaministerium, 238 f., 246, 248, 280 europawärtige Gewalt, 114,355 Fachausschüsse des Bundestages, 291, 300, 305,313,344 ff., 358 Federführung, 138, 190, 192, 202, 220, 249, 254,258 f., 276 f., 286, 289 f., 296 f., 313 Finanzvorlagen, 285, 291, 300 ff. Fraktionsdisziplin, 168,324 Fraktionsproporz, 319, 321, 324 Frankfurter Nationalversammlung, 320 Funktionenordnung, s. Gewaltenteilung Funktionsfähigkeit, 53 f., 58, 272, 306 ff., 312,324,332,358 funktionsgerechte Organstruktur, 108 ff., 137, 148 f., 282, 312, 354, 358 Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), 29, 66, 302 Gemeinsamer Standpunkt, 76 f., 81 f., 272 Gemeinsame Verfassungskornmission, 184 f., 226,306,314,328 Gemeinschaftstreue, 53 ff., 129, 223
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Generalermächtigung, begrenzte, 190, 329 ff., 348, 359 gesamte Hand, s. Beteiligung zur gesamten Hand Geschäftsleitungsbefugnis, 271, Geschäftsordnung - des Deutschen Bundestages, 170, 187 ff., 264 f., 279 f., 284 f., 314 ff., 325 ff. - des Europäischen Parlaments, 58 ff. - gemeinsame der Bundesministerien, 207 ff., 250, 256, 270 f., Geschäftsordnungsautonomie, 45, 59 f., 140,191,198 f., 281, 308, 338 Gesetzesvorbehalt, 123, 135, 153 ff., 310 - grundrechtlicher, 181 ff., 200 - und Parlamentsvorbehalt, 153 ff., 311 ff., 324,337 Gewaltenteilung, 32, 103 ff., 128, 134, 142 ff., 219, 226, 293 f., 306, 354 Grundrechte, 124, 129 ff., 147, 156, 181 ff., 229,355 Grundsätze des Europaausschusses, 187, 191 ff., 201 ff., 292, 295 ff., 336, 350 f., 356 Handelspolitik, 71 f. Handlungsform, 135, 153, 159 f., 166, 173, 177,201,205,234,337,356 Haushaltsausschuß, 275, 285, 290 f., 300 ff., 315,358 Haushaltskontrolle, 63 f., 239, 300 ff. Homogenität, 40 Irnrnunitätsausschuß, Grundsätze, 191, 194 Initiativmonopol, 66 ff. Innenpolitik, 120 f. Innenrecht, 56 f., 140, 193, 197 ff. institutionelles Gleichgewicht, 50 ff., 74, 95, 101,235,353 Integrationsprinzip des Grundgesetzes, 34 ff., 125 interinstitutionelle Vereinbarungen, 56 ff., 87 f. Jahresgesetzgebungsprograrnrn, 217 Justiziabilität, 117, 177 f., 234
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Sachwortregister
Kabinett, 168,219,240,251,261 Kabinettsausschuß, 260 f. Kabinettsbeschluß, 260, 266, 269 ff., 357 Kabinettsprinzip, 240, 259 ff., 357 Kanzlerprinzip, 240 ff., 357 Kembereich exekutivischer Eigenverantwortung, 104, 114, 142 ff., 178,218,235, 259,339,355 Kollegialprinzip, 259, 271 Kollision divergierender Stellungnahmen, 232 ff., 300, 356 Komitologie, 92 ff., 224, 354 Kommission, 50, 66 f., 212, 216 ff., 254 f., 270,274 Kompetenz-Kompetenz, 30 Kompetenzpräsumtion, s. Zuständigkeitsvermutung Kontrolle, parlamentarische, 63 ff., 119 f., 132 f., 136 ff., 164 f., 177, 216 f., 229, 236, 246, 255, 258, 261 f., 270,277 f., 283, 299, 312, 338, 347 Konzertierungsverfahren, 73 f., 95 Kooperation - interministerielle, 246, 251 ff., 357 - nationaler Parlamente, 96 ff. - parlamentarischer Ausschüsse, 192, 195, 202,283,291 f., 329, 344, 350, 358 - zwischen Parlament und Regierung, 207, 215,226,254 ff. Koordinierung, 42, 209, 245 ff., 270, 294 f. Ländervertreter im Rat, 117 ff., 152, 259, 355 Lesung, 76,80 f., 89, 169 f., 354 lex posterior, 121 lex specialis, 122, 127, 134,205 "Maastricht-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts, 35 f., 104, 123, 139, 142,157,312 Mandatsgesetz, 132 ff., 177, 181,355 Minderheitenschutz, 43, 77, 169 f., 293, 315,320 Ministerialbürokratie, 69, 110, 127, 143, 149,214,263,267 Ministerrat, 41 ff., 116 f., 128 f., 178, 244, 249 f., 258 f., 353 Mißtrauensvotum, 65, 176, 262
Mitwirkung - des Deutschen Bundestages, 132 ff., 152, 165, 183 ff., 222 ff., 234 f., 269 ff., 286 ff. - des Europäischen Parlaments, 69 ff., 94 f. Öffentlichkeit, 44 ff., 170, 308, 317, 335 ff., 359 offene Staatlichkeit, 34, 127 organadäquate Aufgabenzuordnung, 108 ff. Organgesetz, 134, 177,234 Organisationsgewalt, 60, 139 f., 210 f., 239 f., 271, 280, 355 Organstreitverfahren, 119, 153, 177, 234, 307,356 Organtreue, 61, 138, 157, 202, 227, 230, 283 Parlamentsbeschluß, 135, 146 ff., 161 ff., 183, 299 f., 334, 356 Parlamentsvorbehalt, demokratischer, 153 ff., 172 f., 183,224,230,312,324,337,344, 356 "Pershing-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts, 123, 142, 146 Pflicht zur Kompetenzwahmehmung, 159 PJZS,66, 225, 302 plenarersetzende Stellungnahme, 192, 197, 304 ff., 359 Positivismus, 37, 107 f. Proporz, s. Fraktionsproporz Rangordnung, 135, 173, 195, 203 ff., 356 Rechtsetzungsverfahren von europäischen Legislativakten - Initiative, 66 ff. - Verfahren der Mitentscheidung, 78 ff., 218,354 - Verfahren der Zusammenarbeit, 75 f. - Zustimmungsverfahren, 91 f. Rechtssatzqualität, 58, 173, 193 ff., 209 f., 356 Ressortabsprache, 207 ff., 218 f., 224, 249, 255 ff., 270 f., 356 Ressortprinzip, 240, 244 ff. Richtlinie, 30, 69, 122, 152,216,224,253 f., 271,286 f. Richtlinienkompetenz, 239 ff.
Sachwortregister Sachverstand, 109 f., 149, 214, 282, 346, 350 Sammelübersicht, 287, 290, 297 f., 345 Sekundärrechtsetzung, verbindliche, 120 ff. Selbstbefassungsrecht, 190, 288, 297 f. Selbstorganisationsrecht, 59, 139 ff., 191, 195, 202, 234, 279, 282, 294, 308, 336, 338 Schlichter Parlamentsbeschluß, s. Parlamentsbeschluß Schutzpflicht, 131 Sonderausschuß, 49, 185, 213, 222, 227, 231,249,251,277 f., 330 Sondersitzungsbefugnis, 190,298,325 f. spiegelbildliche Ausgestaltung, 168, 280, 309,316,333,346 Staatsgewalt, 34, 103, 111, 124ff., 135, 152, 323 Staatssekretär, 117,207,251 ff. Staatsvolk, 38 ff., 166, 322 Stellungnahmerecht, 72 ff., 132, 177, 201, 222 ff., 236, 304 f., 356 - gegenüber Landesminister, 119 f. Struktursicherungsklausel, 34, 127 f. Totalvorbehalt, 35, 135, 143 Typus, 106, 353 Übernahme von Fachausschußvoten, 344 ff., 359 Überweisung, 190 f., 288 ff., 351 Überweisungsvorschlagsrecht des Vorsitzenden, 190, 295 f. Urnlaufvenahren,272,296,327,357 Unionsdokumente, 190, 192,213,292 ff. Unionsvorlagen, 187, 190 ff., 284, 292 ff. unionswärtige Gewalt, 113 Unterrichtung, 65, 80, 137, 192,201,211 ff., 234,254 ff., 271, 292, 338, 356 Untersuchungsausschuß, 199,322 f., 334
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Verantwortlichkeit, 100, 108 ff., 119 ff., 150 ff., 226, 261 ff., 313, 322, 345 Verbindlichkeit, s. a. Bindungswirkung - der europäischen Sekundärrechtsetzung, 120 ff. - von Parlamentsbeschlüssen, 172 ff., 284 Venassungsbeschwerde, 177 Venassungsbindung, 124 ff., 355 Vermittlungsvenahren, 87 ff., 354 Verordnung, 69, 122, 135, 144, 152 f., 212, 216,224 f., 255, 265, 268, 286 ff. Vertretungsmacht, völkerrechtliche, 114 ff., 214,355 Volkssouveränität, 38 ff., 166,322 Vorbehalt, s. Gesetzesvorbehalt Vorrang des Gesetzes, 124, 134, 153 f., 173 Wehrvenassung, 145 f. Weisung(srecht), 129, 132, 223, 236, 248, 254 f., 269, 357 Wesentlichkeitstheorie, 146, 154 ff., 181, 310 ff. Willensbildung - kommissionsinterne, 68 f. - parlamentarische, 273 ff. - regierungsinterne, 238 ff. "Wüppesahl-Entscheidung" des Bundesverfassungsgerichts, 309, 333 f. Zitierrecht, 151 Zugriffsrecht, 190, 298 Zusammenarbeit, s.a. Kooperation - der nationalen Parlamente, 96 ff. - Venahren der, 75 ff. Zuständigkeitsvermutung, 107, 114, 123, 135,143,200,262,355 Zustimmung des Europäischen Parlaments, 91 f. Zutrittsrecht, 317 f.