Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages [1 ed.] 9783428526918, 9783428126910

Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks nimmt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der traumatischen Erinnerungen an

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Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages [1 ed.]
 9783428526918, 9783428126910

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Schriften zu Kommunikationsfragen Band 45

Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages Von

Hubertus Gersdorf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

HUBERTUS GERSDORF

Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 45

Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages

Von

Hubertus Gersdorf

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 978-3-428-12691-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

In memoriam Dr. Lothar Jene Direktor der Hamburgischen Anstalt für neue Medien (HAM) von 2000 – 2007

Vorwort Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks nimmt nicht zuletzt vor dem Hintergrund der traumatischen Erinnerungen an die staatliche Meinungs- und Informationslenkung durch den nationalsozialistischen Propagandastaat einen herausragenden Platz innerhalb der grundgesetzlichen Kommunikationsverfassung ein. Rechtsprechung und Staatsrechtslehre sind sich einig, dass dem Staat die Veranstaltung von Rundfunk schlechthin untersagt ist. Einigkeit besteht auch darin, dass der Staat im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit zur Selbstdarstellung berechtigt ist. Wo aber liegen die Grenzen zwischen unzulässigem Staatsrundfunk und zulässiger Öffentlichkeitsarbeit? Und ist das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages von der Befugnis des Staates zur (massenmedialen) Selbstdarstellung gedeckt? Diesen Fragen geht die im Auftrag des Deutschen Bundestages erstellte Untersuchung nach. Rostock / Berlin, im November 2007

Hubertus Gersdorf

Inhaltsverzeichnis A. Gegenstand und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

I. Typisierung der Erscheinungsformen des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . .

15

1. Staatsfrei organisierter (privatrechtlicher bzw. öffentlichrechtlicher) Rundfunkveranstalter als Träger des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

2. Staat als Träger des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

16

II. Bestandsaufnahme des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages . . . . .

17

1. Technische Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

2. Distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

3. Gegenwärtiges Programmangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

19

III. Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages . . . . . .

20

1. Distribution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

2. Möglichkeiten der Erweiterung des Programmangebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

C. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . .

27

I. Zur wachsenden Bedeutung staatlicher Informationstätigkeit in der Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

1. Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

2. Befugnis aller Staatsgewalten zur Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

a) Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

b) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

c) Öffentlichkeitsarbeit der gesetzgebenden Körperschaften . . . . . . . . . . . . . . . .

35

10

Inhaltsverzeichnis

E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff und Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

1. „Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41

a) Erfordernis der „redaktionellen“ Entscheidung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

b) Erfordernis von Ton- und Bewegtbildsendungen? Zur Abgrenzung von Rundfunk und Presse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

2. „Veranstaltung und Verbreitung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

3. „Allgemeinheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

46

4. „Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“ (technologisches Element)

50

II. Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages als Ausdruck zulässiger legislativer Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

1. Mangelnde Eignung eines begrifflichen Abgrenzungsversuches . . . . . . . . . . . . .

50

2. Funktionale Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

F. Verfassungsrechtliche Direktiven für die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

I. Wahrung der Zuständigkeit des Bundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

II. „Neutralitätsgebot“ bzw. Grundsatz der Chancengleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

III. Verhältnis zu den Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

1. Keine Subsidiarität staatlicher Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

2. Transparenzgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

3. Präponderanz der grundrechtlich legitimierten Kommunikationsbeiträge im Kommunikationsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

4. Chancengleicher Zugang der Medien zum parlamentarischen Raum . . . . . . . .

61

G. Ergebnis und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

I. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

II. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

III. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

Inhaltsverzeichnis

11

IV. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . .

65

V. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VI. Verfassungsrechtliche Direktiven für die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VII. Ergebnis und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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A. Gegenstand und Gang der Untersuchung „Wenn zwei dasselbe tun, ist es eben nicht immer dasselbe.“1 Wenn ein (öffentlichrechtlicher oder privatrechtlicher) Rundfunksender Bundestags- oder Ausschussdebatten überträgt, ist dies zweifelsfrei Rundfunk. Nur ist es auch – unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unzulässiger – Rundfunk, wenn der Deutsche Bundestag sich der Berichterstattung selbst annimmt und in Eigenregie aus dem Plenarsaal bzw. aus den Ausschüssen überträgt? Oder handelt es sich bei dieser Form der Berichterstattung um Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages? Der Staat bedient sich zum Zwecke der Selbstdarstellung zunehmend moderner Informations- und Kommunikationsdienste. Als informierender Staat ist der Staat in der nahezu sämtliche Lebensbereiche prägenden Informationsgesellschaft „als Diskussionsteilnehmer omnipräsent“2. Damit ist zugleich das Verhältnis des Staates zu den Medien berührt. Je mehr sich der Staat selbst darstellt, desto geringer ist die Notwendigkeit, sich durch Medien darstellen zu lassen. Wenn man über eine eigene mediale Plattform verfügt, muss man die Plattform der klassischen Medien nicht zwingend betreten. Die Abhängigkeit des Staates von den Medien als Informationsvermittler sinkt in dem Maße, in dem der Staat selbst als Informationsträger in Erscheinung tritt. Hiermit korrespondierend nimmt die Bedeutung der Medien ab, wenn der Staat zum Berichterstatter in eigener Sache wird. Es erscheint für die Politik verlockend, sich direkt an die Bevölkerung zu wenden, und zwar ohne redaktionellen Filter der Medien3. Als Beispiel seien die speziellen Videobotschaften der Bundeskanzlerin genannt, in denen sie einmal wöchentlich auf aktuelle Themen und Ereignisse eingeht4. Ist die Politik hierzu berechtigt und wo liegen die Grenzen medialer Kommunikationsarbeit des Staates? Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages von Verfassungs wegen zulässig ist und bundesweit verbreitet werden darf. Die Untersuchung vollzieht sich in mehreren Schritten. Zunächst geht es um die Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages (B.). Im Anschluss daran wird dargestellt, was dem Staat verboten ist: die Veranstaltung von Rundfunk (C.). Umgekehrt ist Dürig, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Band III, Art. 19 Abs. 3 Rn. 45. Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 56. 3 Vgl. hierzu Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 481. 4 http:// www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/Aktuelles/VideoPodcast/video-podcast. html. 1 2

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A. Gegenstand und Gang der Untersuchung

der Staat zur (funktionsbezogenen) Öffentlichkeitsarbeit berechtigt (D.). Daher ist zu klären, ob das Parlamentsfernsehen dem einen oder dem anderen Bereich zuzuordnen ist. Es wird sich zeigen, dass das Parlamentsfernsehen Ausdruck der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages ist (E.). Schließlich werden die (Zulässigkeits-)Voraussetzungen für diese Form der Selbstdarstellung des Parlaments benannt (F.). Die Untersuchung mündet in einem (kurzen) Fazit (G.).

B. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages I. Typisierung der Erscheinungsformen des Parlamentsfernsehens Parlamentsfernsehen gibt es in einer Vielzahl von Ländern seit knapp 30 Jahren. Zu nennen sind neben der Bundesrepublik Deutschland etwa die Vereinigten Staaten von Amerika, die Französische Republik, Großbritannien, Israel, Finnland, Italien, Polen, Tschechien, Spanien, Türkei, Luxemburg, Belgien, Estland, Litauen, Lettland und Indien. Die Ausgestaltung der Organisation und des Programminhalts der Sender divergiert teilweise in erheblichem Umfang. Für die hier in Rede stehende verfassungsrechtliche Untersuchung des vom Deutschen Bundestages veranstalteten Parlamentsfernsehens kommt es maßgeblich auf die Frage an, wer sich hinter dem Sender verbirgt: ein staatsfrei organisierter (privatrechtlicher bzw. öffentlichrechtlicher) Rundfunksender oder der Staat5.

1. Staatsfrei organisierter (privatrechtlicher bzw. öffentlichrechtlicher) Rundfunkveranstalter als Träger des Parlamentsfernsehens „Mutter aller Parlamentskanäle“ ist der im Jahr 1978 auf Initiative des Journalisten Brian Lamb von mehreren privatrechtlichen US-Kabelgesellschaften gegründete Sender C-Span („Cable Satellite Public Affairs Network“)6. C-Span verfügt mittlerweile über ein dreikanaliges, jeweils 24-stündiges Programmangebot. C-Span überträgt live und unkommentiert Sitzungen des US-Repräsentantenhauses. Daneben zeigt C-Span Wiederholungen der Parlamentssitzungen und der öffentlichen Ausschusssitzungen sowie Gesprächsrunden mit Parlamentariern zu aktuellen politischen Themen7. Die Verbreitung der Programme des Senders erfolgt über Kabel und Satellit. 5 Vgl. zu den Möglichkeiten der Ausgestaltung eines Parlamentsfernsehens Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 510 ff. 6 Ausführlich zu dem Sender C-Span Wagner, Das US-Network C-Span als Modell für ein deutsches Parlamentsfernsehen?; vgl. http:// www.c-span.org/. 7 Vgl. Wagner, Das US-Network C-Span als Modell für ein deutsches Parlamentsfernsehen?, S. 15 ff.

16

B. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen

Der von der BBC getragene Sender BBC-Parliament wurde im Jahr 1998 begründet und überträgt seitdem live aus dem Unterhaus (House of Commons) und (zeitversetzt) aus dem Oberhaus (House of Lords). Neben Plenarsitzungen werden von BBC-Parliament auch Sitzungen ausgewählter Ausschüsse und Diskussionsrunden mit Mitgliedern beider Häuser übertragen. Darüber hinaus sind Sitzungen von Regionalparlamenten, Parteitage und weitere wichtige politische Debatten im BBC-Parliament zu sehen. Der Sender wird über Satellit und Kabel verbreitet. Zugleich ist das Programm über Internet und Radio (Plenardebatten) empfangbar.

2. Staat als Träger des Parlamentsfernsehens Von der parlamentarischen Berichterstattung durch (öffentlichrechtliche bzw. privatrechtliche) Rundfunkveranstalter ist die Übertragung parlamentarischer Vorgänge im Verantwortungsbereich des Parlaments zu unterscheiden. Das Parlament kann – ggf. unter Hinzuziehung externer (technischer o. ä.) Dienstleistungsunternehmen – die Aufgabe der Berichterstattung in Eigenregie übernehmen oder zu diesem Zweck eine privatrechtliche Gesellschaft gründen, deren Kapitalanteile zu 100 % beim Staat liegen. Ein solches in staatlicher Eigenregie durchgeführtes Parlamentsfernsehen findet sich etwa in der Französischen Republik. Bereits seit 1993 fertigt die Nationalversammlung „eine vollständige audiovisuelle Aufzeichnung“ der Aussprachen im Plenum mit Hilfe von sechs im Halbrund installierten Kameras an. Diese Aufzeichnungen wurden früher über den hausinternen Fernsehkanal verbreitet und den externen Fernsehanstalten unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Bis zum Frühjahr 2000 wurden sie auch per Kabel und Satellit über den Kanal „Canal Assemblées“ ausgestrahlt. Danach übernahm der durch das Gesetz Nr. 99 – 1174 vom 30. Dezember 1999 eingerichtete „Parlamentarische Fernsehkanal“ diese „Rohübertragung“ der Aussprachen. Nach diesem Gesetz erfüllt der Parlamentarische Fernsehkanal „einen öffentlichen Dienst zur Unterrichtung der Bürger und politischen Bildung mittels parlamentarischer, pädagogischer und staatsbürgerlicher Programme“. Zu diesem Zweck strahlt er in gleicher Sendezeit die Programme von zwei unabhängigen Fernsehanstalten, La Chaîne parlementaire de l’Assemblée nationale (LCP-AN8) und Public-Sénat, aus, die mit der jeweiligen Kammer einen Vertrag geschlossen haben, in dem insbesondere die ihnen gewährte finanzielle Zuwendung geregelt ist9. LCP-AN sendet in Kooperation mit PublicSénat täglich ein 18-stündiges Programm, das je zur Hälfte von beiden Sendern produziert wird. Neben der Übertragung der Parlamentssitzungen werden Gesprächsrunden mit Abgeordneten oder Sendungen zum parlamentarischen Geschehen gezeigt. 8 9

http:// www.lcpan.fr/chaine.asp. http:// www.assemblee-nationale.fr/deutsch/mittel.asp.

II. Bestandsaufnahme des Parlamentsfernsehens

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Seit 2003 arbeitet das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages mit dem französischen Parlamentskanal LCP-AN eng zusammen. Neben dem Austausch von Bildmaterial produzieren beide Sender bei wichtigen parlamentarischen Ereignissen zweisprachige Sendungen, die in beiden Kanälen ausgestrahlt werden. Auch das Europäische Parlament überträgt die Debatten und Ausschusssitzungen des Europäischen Parlaments in eigener Regie live, wobei sich die Übertragung auf das Internet beschränkt10.

II. Bestandsaufnahme des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages Die Diskussion über ein Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages geht auf das Jahr 1985 zurück11. Vor dem Hintergrund der damals einsetzenden Verbesserung der Rundfunkübertragungsmöglichkeiten durch Einsatz der Satelliten- und Kabelverbreitung und der damit einhergehenden prognostizierten Vermehrung des Programmangebots wurde die Einrichtung eines Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages in Erwägung gezogen. Die Diskussion war maßgeblich von der Kontroverse geprägt, ob ein solcher Parlamentskanal in das öffentlichrechtliche bzw. in das privatrechtliche Rundfunksystem eingebettet oder in staatlicher Regie des Bundestages veranstaltet werden sollte. Am 26. April 1995 übertrug der Deutsche Bundestag in Eigenregie erstmals über seinen Hauskanal eine Plenarsitzung mit sieben Kameras. Im März 2002 hat das Parlamentsfernsehen seine studiotechnischen Einrichtungen im Jakob-Kaiser-Haus in Berlin in Betrieb genommen. 1. Technische Ausstattung Gegenwärtig verfügt das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages über – ein Fernsehstudio mit einer Fläche von 90m2; – vier Regieräume im Jakob-Kaiser-Haus; sie ermöglichen eine Live-Berichterstattung aus dem Plenarsaal, zwei Fraktionssälen (SPD-Fraktions- und CDU / CSUFraktionssaal) sowie drei Sitzungssälen (dem Eurosaal im Paul-Löbe-Haus, dem Enquêtesaal im Jakob-Kaiser-Haus und dem Anhörungssaal im Marie-ElisabethLüders-Haus. die mit festen Kameras ausgestattet sind; damit kann aus dem Plenum und gleichzeitig von bis zu drei weiteren Veranstaltungsorten im Deutschen Bundestag berichtet werden; – 81 Anschaltkästen, an die mobile Kameras an verschiedenen Orten im Deutschen Bundestag installiert werden können; http:// www.europarl.eu.int. Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, S. 3495. 10 11

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B. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen

– automatische Sendeabwicklung (SAW); mit der Sendeautomation erfolgt die automatische Ausspielung der Sendebeiträge in den Hauskanal; – Tonregie; – Schnittplatz; – Maske. 2. Distribution Die Distribution des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages erfolgt derzeit über folgende Verbreitungswege: – Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages wird derzeit in erster Linie über den bundestagsinternen Hauskanal verbreitet. Darüber hinaus wird das Signal mit anderen Bildsignalen (Bundesrat, Bundespressekonferenz etc.) über die Verteilwege des Informationsverbundes Bonn-Berlin (IVBB) übertragen, an die alle obersten Bundesbehörden angeschlossen sind. Zu diesem Zweck wird das Signal u. a. über Satellit (Satellit Astra 3A auf 23,5 Grad Ost, Frequenz 11.515 MHz – Horizontal) ausgestrahlt. Aus Sicherheitsgründen wird das Signal im Rahmen des Informationsverbundes Bonn-Berlin nur verschlüsselt ausgestrahlt. Eine frei zugängliche Satellitenausstrahlung erfolgt derzeit nicht. – Im Breitbandkabelnetz (BK-Netz) wird das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages aktuell nur im Ausbaugebiet des Berliner BK-Netzes (862 MHz) aufgrund einer von der Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb) am 3. August 1999 erteilten Sendelizenz verbreitet. In die BK-Netze der übrigen Bundesländer wird das Signal nicht eingespeist. – Im Internet wird das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages live in – wahlweise zur Verfügung gestellter – unterschiedlicher Bandbreite (ISDNVerbindung: 45 KBit / s; DSL-Verbindung: 600 KBit / s) oder als reiner AudioStream (32 KBit / s) verbreitet12. Über diese Live-Übertragung hinaus bietet das Parlamentsfernsehen einen Abrufdienst an (Video On Demand – VOD). Der Zuschauer kann auf diese Weise auf frühere Plenarsitzungen und Sendungen zurückzugreifen. Ebenso wie die Live-Übertragung wird auch dieser Dienst in unterschiedlicher Bandbreite angeboten13. – Weiter kann das Parlamentsfernsehen als Audioangebot unter einer Berliner Telefonnummer14 abgerufen werden. Besondere technische Anforderungen hierfür bestehen nicht. – Schließlich bietet das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages neben dem Internet-Dienst noch einen Videotextdienst (Seite 300) an, der über Ter12 13 14

Vgl. http:// www.bundestag.de/live/tv/index.html. Vgl. http:// www.bundestag.de/live/ tv/vod/index.html. 0 30 / 22 72 00 18.

II. Bestandsaufnahme des Parlamentsfernsehens

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mine und Änderungen der Tagesordnung parlamentarischer Beratungen, über die Namen der Redner und die voraussichtliche Dauer der Redebeiträge sowie über anstehende Abstimmungen informiert. Aufgrund der hausinternen Verbreitung und der Distribution im Wege des Informationsverbundes Bonn-Berlin (IVBB) können Angehörige und Mitarbeiter des Deutschen Bundestages, Mitglieder der Bundespressekonferenz, oberste Bundesbehörden, Bundesrat und Lobbyisten das Parlamentsfernsehen empfangen. Die (weitere) allgemeine Bevölkerung wird hingegen – mit Ausnahme der Kabelhaushalte im Berliner Ausbaugebiet – über die klassischen Fernsehtransportwege (BK-Netz, Satellit) derzeit nicht versorgt. Ausschließlich über das Internet ist der Bevölkerung der Zugang zum Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages eröffnet. Die Zahl der regelmäßigen Nutzer des Parlamentsfernsehens wird von Seiten der Bundestagsverwaltung auf ca. 10.000 pro Tag geschätzt. Die Sendesignale des Parlamentsfernsehens werden allen interessierten Fernsehveranstaltern (PHOENIX, n-tv, N-24 etc.) kostenfrei zur Verfügung gestellt. Zwischen dem Parlamentsfernsehen und PHOENIX besteht seit 2002 eine enge Kooperation. PHOENIX wird regelmäßig über das zur Verfügung stehende Bildmaterial von Ausschüssen und Anhörungen informiert. Der Sender trifft seine eigene Auswahl und sendet in der Regel eine gekürzte, redaktionell bearbeitete Fassung des vom Parlamentsfernsehen produzierten Sendematerials. Eine Untersuchung der Bundestagsverwaltung hat ergeben, dass die in der ARD zusammengefassten Fernsehanstalten und das ZDF in dem Zeitraum von 2004 bis 2006 in der Regel keine Plenardebatten, öffentlichen Sitzungen der Ausschüsse, öffentliche Anhörungen von Ausschüssen oder von Fraktionen ausgestrahlt haben. Ausnahmen bildeten im Jahr 2005 die Vertrauensfrage, die konstituierende Sitzung des 16. Deutschen Bundestages und die Wahl der Bundeskanzlerin. PHOENIX hat in diesem Zeitraum teilweise Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages live, aber niemals vollständig übertragen. Aus Ausschusssitzungen hat PHOENIX nur gelegentlich und mit einer maximalen Länge von 10 Minuten berichtet. Eine vollständige Übertragung fand auch insoweit nicht statt.

3. Gegenwärtiges Programmangebot Das Parlamentsfernsehen sendet täglich von montags bis freitags. Im Programm des Parlamentsfernsehens werden ausgestrahlt: – Alle Plenarsitzungen; – Anhörungen und öffentliche Sitzung von Ausschüssen, die in entsprechenden, mit Kameras ausgestatteten Sälen tagen und eine Übertragung wünschen; bis Ende September 2004 wurden 28 Ausschusssitzungen und Anhörungen übertragen, im Jahre 2003 waren es 36 Sitzungen;

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B. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen

– Sonderveranstaltungen des Deutschen Bundestages wie etwa „Gedenktag 27. Januar“, „Jugend und Parlament“, „Volkstrauertag“; – Kongresse und Sonderveranstaltungen der Fraktionen in den Räumen des Deutschen Bundestages; – audiovisuelle Produktionen des Referates „Öffentlichkeitsarbeit“, die im Studio des Parlamentsfernsehens hergestellt wurden wie beispielsweise „Streitgespräch Blickpunkt Bundestag“, „Was macht eigentlich . . . – ein parlamentarischer Geschäftsführer?“, Sendung zu „20 Jahre PPP“, deutsch-französische Koproduktion zu „40 Jahre Elysée-Vertrag“; – Informationsbeiträge über die Arbeit des Deutschen Bundestages, die vom Referat „Öffentlichkeitsarbeit“ mit anderen Sendern produziert wurden. Im Gegensatz zu Rundfunksendern werden im Programm des Parlamentsfernsehens alle parlamentarischen Ereignisse live oder zeitversetzt, in vollständiger Länge und „ungefiltert“, also ohne redaktionelle Bearbeitung gesendet. Die publizistische Leistung bezieht sich allein auf die Entscheidung über das „Was“ und das „Wie“ der Übertragung. Es geht darum, welche Debatte aus dem Plenarsaal oder aus den Ausschüssen übertragen werden soll („Was“). Das „Wie“ betrifft die Bildregie, also etwa die Auswahl zwischen mehreren Kameras, deren Fokus nicht nur auf den Redner, sondern auf sämtliche Sitzungsteilnehmer u. ä. gerichtet ist, und auf mögliche Zoomfunktionen, mit deren Hilfe das Bildobjekt gleichsam näher an den Betrachter herangeführt wird. In sitzungsfreien Wochen und an plenumsfreien Tagen werden die vergangenen Plenarsitzungen und Ausschusssitzungen wiederholt.

III. Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages 1. Distribution Wie bereits erwähnt, ist das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages – neben der Rezeption über das Internet – nur von den Kabelkunden im Berliner Ausbaugebiet empfangbar. Um die gesamte Bevölkerung erreichen zu können, müsste das Parlamentsfernsehen über die klassischen Fernsehvertriebswege (BKNetz und Satellit) verbreitet werden. Angesichts der Kanalknappheit im analogen BK-Netz müsste sich die Einspeisung auf die digitalisierten BK-Netze beschränken. Die Bundestagsverwaltung könnte insoweit entsprechende Einspeiseverträge mit den Kabelnetzbetreibern (Kabel Deutschland, Kabel BW, Unity Media) abschließen, um auf diese Weise das Parlamentsfernsehen im Kabel verbreiten zu können. Einen entsprechenden Vertrag könnte der Bund auch mit dem Satellitenbetreiber Astra eingehen, um die Satellitenhaushalte zu erreichen. Schließlich wäre auch eine Verbreitung des Parlamentsfernsehens über die DSL-Netze derjenigen DSL-Netzbetreiber in Erwägung zu ziehen, die im Wege des sogenannten Triple-

III. Zukunftsoptionen

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Plays – neben Telefonie und breitbandigem Internet – auch Fernsehen via DSL anbieten (Deutsche Telekom AG, Alice, ARCOR)15. Soll das Parlamentsfernsehen in jedem Fernsehhaushalt empfangbar sein, muss es letztlich auch auf jeder TVVertriebsplattform vertreten sein. Eine Verbreitung über das digitale terrestrische Fernsehen (DVB-T) dürfte indes bereits wegen der vorhandenen Kapazitätsknappheit ausscheiden.

2. Möglichkeiten der Erweiterung des Programmangebots Künftige Erweiterungen des Programmangebots des Parlamentsfernsehens können sich auf zwei Aspekte beziehen, die sich im Umfang redaktioneller Betätigung unterscheiden. Zum einen kann die Erweiterung des Berichterstattungsgegenstandes vorhandene Ereignisse und Vorgänge der parlamentarischen Arbeit betreffen. Die Kameras nehmen insoweit nur das in den Blick, was sich im Parlament und seinen Ausschüssen ereignet bzw. ereignet hat. Übertragen wird nur die existierende parlamentarische Arbeit. Das Parlamentsfernsehen fungiert insoweit als Kommunikationsbrücke („Medium“), um der Öffentlichkeit einen Einblick in das parlamentarische Geschehen zu ermöglichen. Die redaktionelle Betätigung erstreckt sich insoweit weiterhin auf die Auswahl des Berichterstattungsgegenstandes („Was“) und die Bildregie („Wie“). Um folgende Elemente könnte das Parlamentsfernsehen erweitert werden: – Aufzeichnung sämtlicher Ausschusssitzungen und deren zeitversetzte Ausstrahlung; – Wiederholungen von Parlamentssitzungen, insbesondere von historisch bedeutsamen Plenar- und Ausschusssitzungen; – Ausgewählte Sitzungen anderer Parlamente, insbesondere des Europäischen Parlaments. Zum anderen könnte sich eine Erweiterung des Programmangebots des Parlamentsfernsehens auf Gegenstände beziehen, die nicht lediglich die vorhandene parlamentarische Arbeit nach außen transportieren, sondern erst zum Zwecke der Berichterstattung geschaffen werden. Das Parlamentsfernsehen fungiert insoweit nicht lediglich als Kommunikationsmedium, sondern als im engeren Sinne publizistisch tätiges Kommunikationsorgan. Als Beispiele für solche weitergehenden publizistischen Äußerungsformen seien genannt: – Interviews mit Abgeordneten aus der Lobby des Deutschen Bundestages; – Informationssendungen zu Gesetzesvorhaben und zu bundespolitischen Themen; 15

Zu den technologischen Einzelheiten vgl. Gersdorf, Der Rundfunkbegriff, S. 14 ff.

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B. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen

– Gesprächsrunden mit Abgeordneten des Bundestages oder mit Bundespolitikern zu bundespolitischen Themen; – Sendungen nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des räumlichen Bereichs des Deutschen Bundestages (Interviews mit Bundespolitikern in München, Düsseldorf etc.).

C. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der traumatischen Erinnerungen an die staatliche Meinungs- und Informationslenkung durch den nationalsozialistischen Propagandastaat nimmt der Grundsatz der Staatsfreiheit der Kommunikationsordnung im Allgemeinen16 und der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks im Besonderen einen herausragenden Platz innerhalb der grundgesetzlichen Kommunikationsverfassung ein. Der Grundsatz der Staatsfreiheit wurzelt in der Funktion des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Bundesverfassungsgericht versteht das Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als dienende Freiheit17. Dieses Grundrecht, so das Bundesverfassungsgericht, diene anders als andere Freiheitsgrundrechte nicht in erster Linie dem Grundrechtsträger, also dem Rundfunkveranstalter und seinen personalen Entfaltungsinteressen, sondern werde primär im Interesse freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung gewährleistet18. An diesem grundrechtlich umhegten Prozess individueller und öffentlicher Meinungsbildung mitzuwirken, ist dem Staat von Verfassungs wegen versagt. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, dass sich die politische Willensbildung in einer engen Wechselbeziehung zwischen organisierter Staatlichkeit und Gesellschaft vollzieht19. Ebenso wie von Verfassungs wegen zwischen Staat und Gesellschaft zu unterscheiden ist, zieht die Verfassung eine Trennlinie zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Meinungs- und Willensbildung20. „Staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation“21 fußt nicht auf einem (kommunikations-)grundrechtlich fundierten Legitimationstitel (Art. 5 GG). Die Legitimation staatlicher Öffentlichkeitsarbeit wurzelt in einem anderen verfassungsrechtlichen Boden. Dementsprechend betont das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass das Grundrecht der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in erster Linie Staatsfreiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk bedeutet22, Vgl. BVerfGE 27, 71 (80). BVerfGE 57, 295 (319); 83, 238 (295 f.); 87, 181 (197); 90, 60 (87). 18 Besonders deutlich BVerfGE 83, 238 (315). 19 Vgl. hierzu nur Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 299; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 80. 20 Vgl. BVerfGE 8, 104 (113 ff.); 20, 56 (97 ff.); statt vieler Kloepfer, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 42 Rn. 20. 21 BVerfGE 105, 252 (268); 105, 279 (301). 22 Vgl. BVerfGE 12, 205 (262 f.); 57, 295 (263); 83, 238 (322); 88, 25 (36); 90, 60 (88). 16 17

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C. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk

wenngleich sich die Funktion des Grundrechts hierin nicht erschöpft. Der Rundfunk ist Faktor und Medium im Prozess individueller und öffentlicher Meinungsbildung. Diese grundrechtlich geschützte Funktion soll unbeeinflusst vom Staat ausgeübt werden23. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, – dass der Staat weder selbst Rundfunkveranstalter ist24 – noch bestimmenden Einfluss auf das Programm der von ihm unabhängigen Veranstalter gewinnen darf 25. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Repräsentanz staatlicher Vertreter in den Kontrollgremien der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten26 und der Landesmedienanstalten27 bis diesseits der Beherrschungsgrenze für zulässig erklärt28. Teilweise wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass das Verbot der Veranstaltung von Rundfunk durch den Staat im Zuge der technologisch bedingten Vermehrung der Übertragungswege einer Modifizierung bedürfe. Sofern genügend Rundfunkkanäle zur Verfügung stünden, „würden gegen die Nutzung eines Fernseh- und! oder Hörfunkkanals durch den ‚Staat‘ wohl keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wenn der Staat nur solche Aussagen verbreitet, deren Publikation ihm durch die allgemeinen Aufgaben- und Zuständigkeitsregelungen erlaubt sind: etwa ein ,Bulletinrundfunk‘ mit Berichterstattung über Vorgänge in den staatlichen Organisationen, Übertragung von Bundestagsoder Landtagssitzungen, Staatsakten usw.“29 Hiergegen ist zum einen einzuwenden, dass bei einer solchen thematischen Beschränkung des Berichterstattungsgegenstandes funktional keine (unzulässige) rundfunkgemäße Betätigung, sondern (zulässige) Öffentlichkeitsarbeit (der Legislative) vorläge. Nicht jede Form moderner staatlicher Öffentlichkeitsarbeit ist verbotener Staatsrundfunk30. Zum anderen BVerfGE 83, 238 (322). BVerfGE 12, 205 (263); 83, 238 (330). 25 BVerfGE 73, 118 (165); 83, 238 (330). 26 BVerfGE 12, 205 (263); 73, 118 (165); 83, 238 (330). 27 BVerfGE 73, 118 (165); siehe ferner BVerfGE 83, 238 (336). 28 Vgl. indes BVerfGE 90, 60 (88): „In dem Beherrschungsverbot erschöpft sich die Garantie der Rundfunkfreiheit gegenüber dem Staat aber nicht. Vielmehr soll jede politische Instrumentalisierung des Rundfunks ausgeschlossen werden“.); einen (dogmatisch tragfähigen) Rechtfertigungsgrund für die Möglichkeit einer Einflussnahme bis diesseits der Beherrschungsgrenze hat das Bundesverfassungsgericht bislang nicht genannt; für ein Verständnis des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks im Sinne eines „Einmischungs- und Beeinträchtigungsverbot“ vgl. Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 90 ff.; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 142; siehe auch Bumke, Die öffentliche Aufgabe der Landesmedienanstalten, passim; Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht zwischen Staatsaufsicht und Staatseinfluss, S. 24 ff. 29 Hermann / Lausen, Rundfunkrecht, § 7 Rn. 82. 30 Vgl. hierzu unten E., S. 40 ff. 23 24

C. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk

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lassen die erweiterten Möglichkeiten der Rundfunkübertragung den Grund für das Verbot des Staatsrundfunks nicht entfallen. Zwar reduziert sich die Intensität staatlicher Einflussnahme auf den gesellschaftlichen Willensbildungsprozess, wenn neben einem Staatssender noch eine Vielzahl unabhängiger Veranstalter Rundfunkprogramme verbreiten. Die Bedeutung des einzelnen Angebots vermindert sich mit wachsender Anzahl konkurrierender Rundfunkprogramme. Das ändert aber nichts daran, dass es dem Staat von Verfassungs wegen verwehrt ist, sich im (kommunikations-)grundrechtlich geschützten Prozess individueller und gesellschaftlicher Meinungsbildung zu betätigen. Dem Staat steht ein solcher Mitwirkungstitel sub specie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht zu. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks bezieht sich zunächst einmal auf die Exekutive. Hierzu gehören die Staatsregierung sowie die unmittelbare und mittelbare Staatsverwaltung31. Daneben unterliegt der Gesetzgeber dem Strukturprinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks32. Wörtlich heißt es im fünften Rundfunkurteil des Bundesverfassungsgerichts: „Auch der Gesetzgeber ist Teil der Staatsgewalt und unterliegt als solcher der öffentlichen Kritik und Kontrolle. Da diese wiederum wesentlich von der Freiheit der Medien abhängt, darf auch dem Parlament und seinen Unterorganen kein Einfluss auf die Programme der Rundfunkveranstalter eingeräumt werden“33

Entsprechendes gilt, soweit es um die Veranstaltung von Rundfunk durch den Gesetzgeber geht. Zwar mag es unter Pluralitätsgesichtspunkten einen Unterschied machen, ob ein staatlicher Sender von der Regierung oder vom Parlament betrieben wird; gleichwohl ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass das Parlament kein Abbild aller gesellschaftlichen Kräfte und Strömungen, sondern nur einen Teilbereich derselben darstellt. Hierauf kommt es indes nicht entscheidend an, weil der Grundsatz der Staatsfreiheit ein vom Pluralismusgebot zu trennendes Strukturprinzip des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist34. Auch der Gesetzgeber ist Teil der Staatsgewalt und unterliegt daher dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks. Auch der Gesetzgeber hat keine Legitimation, an 31 Zum Adressatenkreis des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks eingehend Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 104 ff.; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 145; siehe auch Hoffmann-Riem, Rundfunkaufsicht zwischen Staatsfreiheit und Staatseinfluß, S. 22 f.; Wilhelmi, Verfassungsrechtliche Probleme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in den neuen Bundesländern, S. 200 ff. 32 BVerfGE 73, 118 (182 f.); 83, 238 (323 f.); 90, 60 (89 f.); BVerfG, NVwZ-RR 1993, 549; aus dem Schrifttum Bethge, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 5 Rn. 96; Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 105; ders., Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 142; Linck, 1974, 2433 (2436); Starck, Rundfunkfreiheit als Organisationsproblem, S. 17; Wufka, Die verfassungsrechtlich-dogmatischen Grundlagen der Rundfunkfreiheit, S. 98. 33 BVerfGE 83, 238 (323 f.). 34 Vgl. hierzu Gersdorf, Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 79 ff.

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C. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk

dem durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozess individueller und öffentlicher Meinungsbildung mitzuwirken, um dessentwillen dem Rundfunk grundrechtlicher Schutz zukommt. Auch dem Gesetzgeber ist daher sub specie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Veranstaltung von Rundfunk untersagt. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks keine Besonderheit der Rundfunkgarantie ist. Der Grundsatz der Staatsfreiheit fungiert als Strukturprinzip aller Kommunikationsgrundrechte. Er entfaltet seine Freiheit stiftende Kraft auch im Zusammenhang mit dem Grundrecht der Pressefreiheit. Ebenso wenig wie das Grundgesetz Staatsrundfunk zulässt, toleriert Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Staatspresse. Staatlich verantwortete Publikationen sind nicht grundrechtlich, sondern nur unter dem Gesichtspunkt staatlicher Öffentlichkeits- und Informationsarbeit kompetenzrechtlich legitimiert; sie sind zugleich durch diesen Funktionszusammenhang und pressegrundrechtlich (Schutz des Instituts Freie Presse) limitiert35.

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Vgl. Bethge, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 5 Rn. 80.

D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit I. Zur wachsenden Bedeutung staatlicher Informationstätigkeit in der Informationsgesellschaft Die Informationsgesellschaft speist sich nicht nur aus kommunikativen Energien privater Wissens- und Informationsträger. Die Bedeutung staatlicher Informationstätigkeit hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Das Bundesverfassungsgericht weist auf das gewachsene Informationsbedürfnis des Einzelnen und die Berechtigung der Regierung sowie Verwaltung hin, ihre Aufgabe mittels öffentlicher Informationen zu erfüllen36. Schon lange geht die staatliche Informationstätigkeit über klassische Öffentlichkeitsarbeit hinaus und erstreckt sich auf nahezu sämtliche Sach- und Lebensbereiche37. Diese Entwicklung beschreibt das Bundesverfassungsgericht wie folgt: „Die staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation hat sich im Laufe der Zeit grundlegend gewandelt und verändert sich unter den gegenwärtigen Bedingungen fortlaufend weiter. Die gewachsene Rolle der Massenmedien, der Ausbau moderner Informationsund Kommunikationstechniken sowie die Entwicklung neuer Informationsdienste wirken sich auch auf die Art der Aufgabenerfüllung durch die Regierung aus. Regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit war herkömmlich insbesondere auf die Darstellung von Maßnahmen und Vorhaben der Regierung, die Darlegung und Erläuterung ihrer Vorstellungen über künftig zu bewältigende Aufgaben und die Werbung um Unterstützung bezogen (vgl. BVerfGE 20, 56 [100]; 44, 125 [147]; 63, 230 [242 f.]). Informationshandeln unter heutigen Bedingungen geht über eine solche Öffentlichkeitsarbeit vielfach hinaus (vgl. auch VerfGH NW, NWVB1 1992, S. 14 [15 f.]). So gehört es in einer Demokratie zur Aufgabe der Regierung, die Öffentlichkeit über wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld ihrer eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit zu unterrichten. In einer auf ein hohes Maß an Selbstverantwortung der Bürger bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme ausgerichteten politischen Ordnung ist von der Regierungsaufgabe auch die Verbreitung von Informationen erfasst, welche die Bürger zur eigenverantwortlichen Mitwirkung an der Problembewältigung befähigen. Dementsprechend erwarten die Bürger für ihre persönliche Meinungsbildung und Orientierung von der Regierung Informationen, wenn diese andernfalls nicht verfügbar wären. Dies kann insbesondere Bereiche betreffen, in denen die Informationsversorgung der Bevölkerung auf interessengeleiteten, mit dem Risiko der Einseitigkeit verbundenen Informationen beruht und die gesellschaftBVerfGE 105, 252 (268). Vgl. Gramm, Der Staat 30 (1991), S. 51; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 56. 36 37

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D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit lichen Kräfte nicht ausreichen, um ein hinreichendes Informationsgleichgewicht herzustellen. Von der Staatsleitung in diesem Sinne wird nicht nur die Aufgabe erfasst, durch rechtzeitige öffentliche Information die Bewältigung von Konflikten in Staat und Gesellschaft zu erleichtern, sondern auch, auf diese Weise neuen, oft kurzfristig auftretenden Herausforderungen entgegenzutreten und auf Krisen und auf Besorgnisse der Bürger schnell und sachgerecht zu reagieren sowie diesen zu Orientierungen zu verhelfen (vgl. weiter BVerfGE 105, 252 [252] – Glykol). Ein Schweigen der Regierung in solcher Lage würde von vielen Bürgern als Versagen bewertet werden. Dies kann zu Legitimationsverlusten führen.“

Hinter dem Begriff des „staatlichen Informationshandelns“ verbergen sich verschiedene Erscheinungsformen staatlicher Informationstätigkeit, die unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten – insbesondere sub specie des Gesetzesvorbehalts und der grundgesetzlichen Kompetenzvorschriften – strikt zu unterscheiden sind38. So unterliegen staatliche Öffentlichkeitsarbeit und Gefahrenabwehr unterschiedlichen Legitimationsbedingungen. Auch ist zwischen schlichtem Informationshandeln und verhaltensbeeinflussender bzw. -steuernder staatlicher Informationstätigkeit zu differenzieren39. Im gegebenen Zusammenhang besteht kein Anlass, auf die einzelnen Erscheinungsformen staatlicher Informationstätigkeit einzugehen und deren unterschiedliche Legitimationsvoraussetzungen aufzuzeigen. Das hier in Rede stehende Parlamentsfernsehen ist der klassischen staatlichen Informationstätigkeit zuzuordnen: der Öffentlichkeitsarbeit des Staates.

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit 1. Grundlagen Die staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist die klassische Erscheinungsform der Informationstätigkeit des Staates40. Gegenstand der Öffentlichkeitsarbeit des Staates ist die Unterrichtung der Bevölkerung über vergangene, gegenwärtige und bevorstehende Tätigkeiten und Ziele einer staatlichen Stelle41. Es handelt sich um berichtende, erläuternde oder wertende Informationen über staatliche AufgabenerfülZur Recht kritisch daher Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 72. Zu den Unterschieden staatlicher Informationstätigkeiten und ihrer Typisierung Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 72 ff., 76 ff. 40 Vgl. hierzu statt vieler Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, S. 41 ff.; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 117 ff.; Schwarzer, Staatliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 4 ff.; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 53 ff.; Tiemann, Parlamentarische Öffentlichkeitsarbeit im vertikalen Kommunikationsprozeß zwischen Parlament und Publikum, S. 81 ff. 41 VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2003, 75 (77); Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 76. 38 39

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit

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lung oder über künftige Politikziele42. Stets geht es darum, dass die jeweilige staatliche Stelle „ihre“ Politik, Maßnahmen und Vorhaben darlegt und erläutert43. Im Zentrum der Öffentlichkeitsarbeit steht die „eigene“ Leistungsbilanz der staatlichen Stelle44. Da Öffentlichkeitsarbeit im Kern staatliche Selbstdarstellung ist und sich in dieser Funktion erschöpft, lässt sich eine deutliche Grenze zur Informationstätigkeit des Staates ziehen, die das Verhalten der Allgemeinheit oder eines (individualisierbaren) Adressaten in einer bestimmten Art und Weise zu beeinflussen sucht (Beratung, Aufklärung, Empfehlung, Mahnung, Warnung etc.). Der Öffentlichkeitsarbeit fehlt regelmäßig das Element der Verhaltenssteuerung45. Die verfassungsrechtliche Legitimation und Legitimität staatlicher Öffentlichkeitsarbeit steht außer Frage46. Der Staat braucht sich nicht nur (durch Medien etc.) darstellen zu lassen; er darf sich auch selbst darstellen47. Zur Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 2. März 1977 grundsätzlich Stellung genommen, deren Leitsätze auch heute noch Gültigkeit beanspruchen: „Öffentlichkeitsarbeit von Regierung und gesetzgebenden Körperschaften ist in Grenzen nicht nur verfassungsrechtlich zulässig, sondern auch notwendig. Die Demokratie des Grundgesetzes bedarf – unbeschadet sachlicher Differenzen in Einzelfragen – eines weitgehenden Einverständnisses der Bürger mit der vom Grundgesetz geschaffenen Staatsordnung. Dieser Grundkonsens wird von dem Bewußtsein der Bürger getragen, daß der vom Grundgesetz verfaßte Staat dem einzelnen im Gegensatz zu totalitär verfaßten Staaten einen weiten Freiheitsraum zur Entfaltung im privaten wie im öffentlichen Bereich offenhält und gewährleistet. Diesen Grundkonsens lebendig zu erhalten, ist Aufgabe staatlicher Öffentlichkeitsarbeit. In den Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit fällt, daß Regierung und gesetzgebende Körperschaften – bezogen auf ihre Organtätigkeit – der Öffentlichkeit ihre Politik, ihre Maßnahmen und Vorhaben sowie die künftig zu lösenden Fragen darlegen und erläutern (BVerfGE 20, 56 [100]). Eine verantwortliche Teilhabe der Bürger an der politischen WilVerfGH NW, NVwZ 1992, 467 (468); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201). Vgl. BVerfGE 20, 56 (100); 44, 125 (147); 63, 230 (243); Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 76. 44 VerfGH NW, NVwZ 1992, 467 (468). 45 Brohm, DVBl. 1994, 133 (135); Engel, Die staatliche Informationstätigkeit in den Erscheinungsformen Warnung, Empfehlung und Aufklärung, S. 32; Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 317 f.; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 76. 46 Vgl. nur BVerfGE 20, 56 (100); 44, 125 (147); 63, 230 (243); VerfGH NW, NVwZ 1992, 467 (468); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2003, 75 (77); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201); aus dem Schrifttum stellvertretend für viele Engel, Die staatliche Informationstätigkeit in den Erscheinungsformen Warnung, Empfehlung und Aufklärung, S. 32; Leisner; Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, S. 41 ff.; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 117 ff.; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 76; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 119 ff. 47 Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, 2. Auflage, § 59 Rn. 173. 42 43

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D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit lensbildung des Volkes setzt voraus, daß der Einzelne von den zu entscheidenden Sachfragen, von den durch die verfaßten Staatsorgane getroffenen Entscheidungen, Maßnahmen und Lösungsvorschlägen genügend weiß, um sie beurteilen, billigen oder verwerfen zu können. Auch dazu vermag staatliche Öffentlichkeitsarbeit einen wesentlichen Beitrag zu leisten. Je mehr der Einzelne auf diese Weise zur eigenen Beurteilung aufgerufen und in ihm das Bewußtsein wachgehalten wird, als selbstverantwortliches Glied der Rechtsgemeinschaft die Gestaltung, Ausformung und Konkretisierung der für alle verbindlichen Rechtsordnung zu beeinflussen und an den grundlegenden politischen Entscheidungen beteiligt zu sein, um so leichter wird es ihm, den vom Grundgesetz verfaßten Staat, der ihm diese Möglichkeiten eröffnet, als seinen Staat anzunehmen. Jede verantwortliche Politik kann zu unpopulären Maßnahmen gezwungen sein. Insbesondere können im Bereich der staatlichen Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik Maßnahmen zu Lasten der Bürger oder einzelner Gruppen von ihnen im Gesamtinteresse geboten sein, ohne daß deren Notwendigkeit der Aktivbürgerschaft unmittelbar einsichtig ist. Auch hier ist es Aufgabe staatlicher Öffentlichkeitsarbeit, die Zusammenhänge offenzulegen, Verständnis für erforderliche Maßnahmen zu wecken oder um ein konjunkturgerechtes Verhalten zu werben. Schließlich kann die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über das Recht, das den Bürger unmittelbar angeht, ein berechtigtes Anliegen im sozialen Rechtsstaat sein. Viele Gesetze sind heute infolge ihrer hohen Technizität ohne sachkundige Anleitung kaum noch hinreichend verständlich. Der Bürger wird durch Informationen, die ihm in allgemein verständlicher Weise den Inhalt von Gesetzen und deren Änderungen nahebringen, über seine Rechte und Pflichten aufgeklärt und instand gesetzt, von den ihm durch die Rechtsordnung eröffneten Möglichkeiten im persönlichen Bereich in angemessener Weise Gebrauch zu machen. Dadurch wird zugleich die Möglichkeit für alle, ihre Rechte zu wahren, verstärkt. Darin findet die Öffentlichkeitsarbeit der Staatsorgane, die diesen Themenkreis zum Gegenstand hat, ihre Rechtfertigung.“48

Die Legitimation des Staates zur Öffentlichkeitsarbeit fußt auf demokratischen Grundprinzipien des Verfassungsstaates. Zum einen erfüllt staatliche Öffentlichkeitsarbeit eine identifikationstiftende Funktion. Öffentlichkeitsarbeit ist auf die Schaffung und Erhaltung eines „Grundkonsenses“, d. h. eines weitgehenden Einverständnisses des Bürgers mit der grundgesetzlichen Staatsordnung gerichtet. Dieser Grundkonsens wird durch staatliche Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut bzw. stabilisiert49. Zum anderen soll staatliche Öffentlichkeitsarbeit den Bürger zur verantwortlichen Wahrnehmung seiner grundrechtlich geschützten Rechte und seiner staatsbürgerlichen Rechte (Status activus) befähigen50. Die Ausübung der für eine Demokratie schlechthin konstituierenden Kommunikationsgrundrechte setzt die BVerfGE 44, 125 (147 f.). BVerfGE 44, 125 (147); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2003, 75 (77 f.); aus dem Schrifttum statt vieler Gusy, NJW 2000, 977 (978); Engel, Die staatliche Informationstätigkeit in den Erscheinungsformen Warnung, Empfehlung und Aufklärung, S. 32; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 132. 50 BVerfGE 44, 125 (147 f.); VerfGH NW, NVwZ 1992, 467 (468); aus dem Schrifttum statt vieler Gusy, NJW 2000, 977 (978); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 132. 48 49

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit

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Einsicht in die Problemzusammenhänge staatlicher Entscheidungen und damit Informationen über die Staatstätigkeit voraus51. Das Gleiche gilt für den status activus: Sollen Wahlen und Abstimmungen nicht zu einer emotionalen Akklamation verkommen, muss der (Wahl-)Bürger über die legitimationsbedürftige Staatsgewalt informiert sein. Nur ein informierter Bürger ist in der Lage, sich ein rationales Urteil über die zur Entscheidung anstehenden Fragen und über die Amtsführung der zu politischem Handeln berufenen Organe zu bilden. „Das demokratische Prinzip baut auf den informierten, am Staatsleben ständig teilhabenden Bürger, seine wissende Nähe zum Staat“52. Die in der früheren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vertretene Auffassung, dass die politische Meinungs- und Willensbildung des Volkes grundsätzlich „staatsfrei“ bleiben müsse, vermag weder den Realbefund noch die Determinanten der grundgesetzlichen Kommunikationsordnung hinreichend verlässlich zu erfassen. Umgekehrt greift aber auch die „staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation“53 zu weit: Die Legitimation des Staates zur Öffentlichkeitsarbeit steht außer Frage. Sie ist – neben anderen (legitimen) Erscheinungsformen staatlicher Informationstätigkeit – Bestandteil der grundgesetzlich gewährleisteten Kommunikationsordnung. Neben die staatliche Informationstätigkeit tritt die grundrechtlich geschützte Entfaltung kommunikativer Energien. Staats- und Volkswillensbildung stehen sich in der grundgesetzlich verfassten Kommunikationsordnung nicht beziehungslos gegenüber, sondern beeinflussen sich wechselseitig54. Der Prozess der (politischen) Willensbildung im demokratischen Staat vollzieht sich nicht einseitig vom Volk zu den Staatsorganen, sondern erfordert eine ständige Rückkoppelung zwischen Staatsorganen und Volk55. Innerhalb der grundgesetzlich gewährleisteten Kommunikationsordnung gleichen Staats- und Volkswillensbildung zwei miteinander kommunizierenden Röhren. Die für den grundrechtlich geschützten Kommunikationsprozess geltenden Ordnungsprinzipien drängen auch für das Verhältnis von Staat- und Volkswillensbildung auf Verwirklichung: Einzelne Argumente und deren Wirkkraft klären sich oftmals erst in Rede und Gegenrede56. Sie müssen sich der öffentlichen Auseinandersetzung stellen, Tatsachen und Gegenpositionen standhalten. Dieser kommunikative Prozess hilft, Irrtümer und Fehler aufzudecken und zu korrigieren. Diese wechselseitige Verschränkung darf indes nicht den Blick davor verstellen, dass Staats- und Volkswillensbildung auf unterschiedlichen Legitimationsgrund51 BVerfGE 27, 71(81); H. H. Klein, in: FS Carstens, S. 645 (650); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 130 f. 52 P. Kirchhof JZ 1989, 453 (455). 53 BVerfGE 105, 252 (268); 105, 279 (301). 54 Vgl. hierzu statt vieler Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 302; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 80. 55 Vgl. nur VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2003, 75 (77 f.); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201). 56 Vgl. BVerfGE 20, 162 (175).

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D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit

lagen beruhen. Ebenso wie von Verfassungs wegen zwischen Staat und Gesellschaft zu differenzieren ist57, fußen staatliche Kommunikation einerseits und individuelle bzw. gesellschaftliche Kommunikation andererseits auf unterschiedlichen Legitimationsschichten. Während sich staatliche Kommunikation aus Kompetenzen ableitet und durch diese begrenzt ist, speist sich individuelle und gesellschaftliche Kommunikation aus grundrechtlichen Legitimationsquellen. Für den Staat ist kein Platz in diesem grundrechtlich geschützten Bereich individueller Meinungsund Willensbildung. Staatspresse und Staatsrundfunk sind in der Kommunikationsordnung des Grundgesetzes ausgeschlossen. Die Presse und der Rundfunk sind der gesellschaftlichen Sphäre vorbehalten. Auch ist es dem Staat verwehrt, den publizistischen Wettbewerb zwischen den einzelnen Trägern der Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit zu verzerren58. Und schließlich dürfte zu gewährleisten sein, dass staatlicher Informationstätigkeit im Rahmen des Kommunikationsprozesses nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Das Schwergewicht muss auf Kommunikationsinhalten liegen, die auf der Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Freiheiten beruhen. Mit dem freiheitlichen Charakter des demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses dürfte es wohl kaum vereinbar sein, wenn sich die Kommunikationsordnung schwerpunktmäßig aus staatlichen Informationsbeiträgen zusammensetzte. Letztlich fordert dass Bundesverfassungsgericht ein solches Kräfteverhältnis ein, wenn es betont, dass sich nach dem demokratischen Prinzip die Willensbildung vom Volk zum Staat vollziehen und der Meinungs- und Willensbildungsprozess des Volkes grundsätzlich „staatsfrei“ sein müsse59.

2. Befugnis aller Staatsgewalten zur Öffentlichkeitsarbeit Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich nicht auf die Regierung und Exekutive, sondern erfasst sämtliche Staatsgewalten. Alle drei Staatsgewalten, also gesetzgebende Körperschaften und ihre Untergliederungen, Regierung und Verwaltung sowie Gerichte, sind zur Öffentlichkeitsarbeit berechtigt60. Die identifikationstiftende und -erhaltende Funktion61 der Öffentlichkeitsarbeit sowie ihre auf die Befriedigung von Kommunikationsbedürfnissen des Einzelnen zielende Funktion62 drängen im Rahmen aller drei Staatsfunktionen auf Verwirklichung. 57 Vgl. statt vieler Böckenförde, Staatstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft als Bedingung der individuellen Freiheit, S. 26; Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 180 ff.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen im Spannungsfeld zwischen Demokratie- und Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 37 ff. 58 Vgl. BVerfGE 80, 124 (134). 59 Vgl. BVerfGE 20, 56 (99); 44, 125 (140); 78, 350 (363). 60 Vgl. statt vieler Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 77; Schwarzer, Staatliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 5 f. 61 Vgl. hierzu oben bei Fn. 49 (S. 30). 62 Vgl. hierzu oben bei Fn. 50 (S. 30).

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit

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Aus diesem Grunde sind alle drei Staatsgewalten zur Öffentlichkeitsarbeit berechtigt und teilweise sogar verpflichtet. Die Legitimation der Exekutive zur Öffentlichkeitsarbeit ist allgemein bekannt und verfassungsrechtlich anerkannt a). Ebenso steht außer Frage, dass Judikative b) und Legislative c) zur selbstdarstellenden Öffentlichkeitsarbeit berechtigt sind.

a) Öffentlichkeitsarbeit der Regierung und Verwaltung Die regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit ist die klassische Form staatlicher Informationstätigkeit. Ihre Legitimation steht außer Frage63. Auch Verwaltungsstellen unterhalb der Regierungsebene sind zur Öffentlichkeitsarbeit befugt64. Der Schwerpunkt der Öffentlichkeitsarbeit lag bislang im Bereich der Druckerzeugnisse65. Es handelt sich um periodisch bzw. nicht-periodisch erscheinende Publikationen wie Informationsbroschüren, Dokumentationen, Gutachten und Forschungsberichte sowie Handbücher66. Weiter zu nennen sind Informations- und Pressedienste, Anzeigen und Beilagen sowie Plakate67. Auch im Bereich der Presse- und Informationsarbeit von Bundes- und Landesregierungen sowie von Verwaltungsstellen kommt dem Internet eine rasch wachsende Bedeutung zu. EGovernment ist mittlerweile ein fester Begriff68. Im Bereich der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit verfügt die Bundesregierung seit dem Jahr 2000 über ein ständig wachsendes Informations- und Kommunikationsportal69. Auf den Seiten finden sich Artikel, Pressemitteilungen, Reden, Bilder, Hintergrundberichte und Mitteilungen. Zu erwähnen sind E-Maildienste, über die Artikel und Pressemitteilungen, ein wöchentlicher Kanzler-Newsletter sowie redaktionell aufbereitete digitale Magazine mit themen- und zielgruppenspezifisch vertiefenden Informationen angeboten werden70. Die Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich dabei nicht auf reine Texte, Grafiken und (stehende) Bilder. Die Bundeskanzlerin wendet 63 Vgl. nur BVerfGE 44, 125 (147); 63, 230 (242 f.); VerfGH NW, NVwZ 1986, 463; VerfGH NW, NVwZ 1992, 467; VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201); VerfGH Saarl, NJW 1980, 2181(2182); Mandelart / Grotelüschen, NVwZ 2004, 647 ff.; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 77; Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 119 ff. 64 BayVGH, NVwZ-RR 2003, 121 (122); Czerwik, DÖV 1997, 973 (978 ff.); Kothe, DÖV 1998, 577 (584); Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 317; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 77. 65 Vgl. Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 106 m. w. N. 66 Ausführlich hierzu Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 106 ff. 67 Vgl. im Einzelnen Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 108 ff. 68 Monografisch Eifert, Electronic Government. 69 http:// www.bundesregierung.de/; http:// www.bundeskanzlerin.de/; darüber hinaus sind sämtliche Ministerien des Bundes im Internet präsent. 70 Vgl. im Einzelnen Mandelartz / Grotelüschen, NVwZ 2004, 647 (648).

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D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit

sich einmal wöchentlich mit speziellen Videobotschaften an die Öffentlichkeit, in denen sie auf aktuelle Themen und Ereignisse eingeht. Die Videos werden archiviert und zusätzlich in einer Textversion bereitgestellt71.

b) Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte Schließlich sind auch Gerichte zur Öffentlichkeitsarbeit berechtigt. Auch jenseits der Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen ist die Öffentlichkeitsarbeit der Gerichte eine wichtige Aufgabe72. Erfasst sind neben – in Papierform oder auf elektromagnetischem Wege verbreiteten – Pressemitteilungen auch Pressegespräche von Gerichtspräsidenten oder Pressesprechern. Auch die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen ist eine öffentliche Aufgabe. Es handelt sich um eine verfassungsunmittelbare Aufgabe der rechtsprechenden Gewalt und damit eines jeden Gerichts. Zu veröffentlichen sind alle Entscheidungen, an deren Veröffentlichung die Öffentlichkeit ein Interesse haben kann73. Das Bundesverwaltungsgericht begründet diese Verpflichtung der Gerichte zur Veröffentlichung ihrer Entscheidungen wie folgt: „Diese Pflicht folgt aus dem Rechtsstaatsgebot einschließlich der Justizgewährungspflicht, dem Demokratiegebot und auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung: Gerichtliche Entscheidungen konkretisieren die Regelungen der Gesetze; auch bilden sie das Recht fort (vgl. auch § 132 Abs. 4 GVG). Schon von daher kommt der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen eine der Verkündung von Rechtsnormen vergleichbare Bedeutung zu. Der Bürger muß zumal in einer zunehmend komplexen Rechtsordnung zuverlässig in Erfahrung bringen können, welche Rechte er hat und welche Pflichten ihm obliegen; die Möglichkeiten und Aussichten eines Individualrechtsschutzes müssen für ihn annähernd vorhersehbar sein. Ohne ausreichende Publizität der Rechtsprechung ist dies nicht möglich. Rechtsprechung im demokratischen Rechtsstaat und zumal in einer Informationsgesellschaft muß sich – wie die anderen Staatsgewalten – darüber hinaus auch der öffentlichen Kritik stellen. Dabei geht es nicht nur darum, daß in der Öffentlichkeit eine bestimmte Entwicklung der Rechtsprechung als Fehlentwicklung in Frage gestellt werden kann. Dem Staatsbürger müssen die maßgeblichen Entscheidungen auch deshalb zugänglich sein, damit er überhaupt in der Lage ist, auf eine nach seiner Auffassung bedenkliche Rechtsentwicklung mit dem Ziel einer (Gesetzes-)Änderung einwirken zu können. Das Demokratiegebot wie auch das Prinzip der gegenseitigen Gewaltenhemmung, das dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu eigen ist, erfordern es, daß auch über die öffentliche Meinungsbildung ein Anstoß zu einer parlamentarischen Korrektur der Ergebnisse möglich sein muß, mit denen die rechtsprechende Gewalt zur Rechtsentwicklung beiträgt. 71

http:// www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/Aktuelles/VideoPodcast/video-podcast.

html. 72 Vgl. Huff, NJW 2001, 2951 ff.; ders., NJW 2004, 403 ff.; vgl. umfassend zur Funktion der Rechtsprechungsöffentlichkeit von Coelln, Zur Medienöffentlichkeit der Dritten Gewalt, S. 17 ff. 73 Vgl. BVerwG, NJW 1997, 2694 m. w. N.; vgl. noch OLG München, OLGZ 84, 477 (479); OVG Bremen, JZ 1989, 633 (635); OLG Celle, NJW 1990, 2570 f.

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit

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Nicht zuletzt dient es auch der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege für die Aufgabe der Fortentwicklung des Rechts, wenn über die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen eine fachwissenschaftliche Diskussion ermöglicht wird. Zur Begründung der Pflicht der Gerichte, der Öffentlichkeit ihre Entscheidungen zugänglich zu machen und zur Kenntnis zu geben, bedarf es bei dieser Verfassungsklage keiner speziellen gesetzlichen Regelung; eine solche hätte lediglich klarstellende Bedeutung.“74

c) Öffentlichkeitsarbeit der gesetzgebenden Körperschaften Öffentlichkeitsarbeit ist eine legitime Aufgabe des Parlaments, seiner Ausschüsse, Fraktionen und Abgeordneten75. Ob als sedes materiae dieser Aufgabe neben den allgemeinen Legitimationsgrundlagen auch Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG zu nennen ist, ist problematisch. Nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG verhandelt der Bundestag öffentlich. Dem Grundsatz der Parlamentsöffentlichkeit kommt hoher verfassungsrechtlicher Rang zu76. Parlamentsöffentlichkeit dient der Legitimation der Repräsentanten, der bürgerschaftlichen Teilhabe und der Kontrolle der Wahrnehmung staatlicher Funktionen77. Öffentlichkeit ist die zur Verwirklichung dieser Ziele unabdingbare Voraussetzung. Erst Öffentlichkeit sorgt für die notwendige Transparenz des Prozesses der parlamentarischen Entscheidungsfindung. Der sub specie des Prinzips demokratischer Legitimation erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen staatlicher Gewaltausübung einerseits und Gewaltunterworfenheit des Volkes andererseits setzt voraus, dass der parlamentarische Entscheidungsprozess transparent ist78. Mit „Öffentlichkeit“ ist unstreitig die sogenannte Sitzungsöffentlichkeit gemeint. Der Bundestag muss in Räumlichkeiten tagen, die Platz für Publikum bieten79. Streitig ist hingegen, ob von Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG neben der Sitzungsöffentlichkeit auch die Berichterstattungsöffentlichkeit erfasst ist80, welche die amtliche und nichtamtliche Berichterstattung über Verhandlungen des Parlaments BVerwG, NJW 1997, 2694 (2695). BVerfGE 20, 56 (100); 44, 125 (147); 63, 230 (243 f.); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2003, 75 (77); Braun / Benterbusch, ZParl 202, 653 ff.; Kretschmer, ZG 2003, 1 ff.; Heinzen, DVBl. 2003, 706 ff.; Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 77; Schwarzer, Staatliche Öffentlichkeitsarbeit, S. 6. 76 Linck, ZParl 23 (1992), 673 (675). 77 Zu den Funktionen der Parlamentsöffentlichkeit H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 26 ff. 78 Vgl. H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 27. 79 Vgl. statt aller H. H. Klein,in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 33. 80 Ablehnend etwa Achterberg / Schulte, in: Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 42 Rn. 5; H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 36, bejahend hingegen Binder, DVBl. 1985, 1112 (1115); Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 55 ff.; Kißler, Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 316; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 27. 74 75

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D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit

gewährleistet81. Bei der Berichterstattung über Verhandlungen des Parlaments ist zwischen zwei Erscheinungsformen zu differenzieren82. Zum einen geht es um den Zugang von Vertretern der Presse und des Rundfunks zu den Plenarsitzungen, um hierüber in Presse bzw. Rundfunk zu berichten. Und zum anderen geht es um die Direktübertragungen der Sitzungen des Deutschen Bundestages im Rundfunk. Unzweifelhaft folgt aus dem Öffentlichkeitsgebot des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG, dass der Zugang der Vertreter von Presse und Rundfunk zu den Sitzungen des Deutschen Bundestages grundrechtlich geschützt ist. Öffentliche Plenarsitzungen sind als allgemein zugängliche Quelle im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG zu qualifizieren83. Die Verfassung selbst (Art. 42 Abs 2 Satz 1 GG) begründet die allgemeine Zugänglichkeit der Informationsquelle84. Die grundrechtliche Fundierung dieses Zugangsanspruches hat zur Folge, dass die Verweigerung des Zugangs von Presse und Rundfunk zu Verhandlungen des Deutschen Bundestages auf sachlich rechtfertigende Gründe gestützt werden muss, die vor dem Grundrecht der Informationsfreiheit Bestand haben. Ein strikter Zugangsanspruch (im Sinne eines individuellen Leistungsrechts) wird dadurch nicht begründet85. Während beim Zugang von Vertretern von Presse und Rundfunk zu den Sitzungen des Deutschen Bundestages das auf Sitzungsöffentlichkeit beschränkte Verständnis des Begriffs der Öffentlichkeit im Sinne des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Frage gestellt wird, geht es bei Direktübertragungen von Plenarsitzungen durch den Rundfunk um die – über die Sitzungsöffentlichkeit hinausgehende – Berichterstattungsöffentlichkeit (Medienöffentlichkeit). Nach tradierter Deutung ist der Begriff der Öffentlichkeit nach Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG auf die Sitzungsöffentlichkeit (Raumöffentlichkeit) begrenzt86. Es erscheint indes fraglich, ob die81 Vgl. zur amtlichen und nichtamtlichen Berichterstattung über Parlamentssitzungen Achterberg / Schulte, in: Stuck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 42 Rn. 8; Die Öffentlichkeitsfunktion des Deutschen Bundestages, S. 320 ff. 82 Vgl. H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 35 f. 83 H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 35. 84 Zu dieser Voraussetzung des grundrechtlichen Schutzes nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG vgl. BVerfGE 103, 44 (59 ff.). Demgegenüber begründet Art. 42 Abs. 3 GG kein Recht der Vertreter von Presse und Rundfunk auf Zugang zu den Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages. Nach dieser Verfassungsbestimmung bleiben wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse von jeder Verantwortlichkeit frei. Hieraus wird teilweise abgeleitet, dass Parlamentsöffentlichkeit die Teilnahme von Presse- und Rundfunkvertretern voraussetze (vgl. Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 57 f.; H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 35). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass Art. 42 Abs. 3 GG an „öffentliche Sitzungen“ des Bundestages und seiner Ausschüsse anknüpft. Art. 43 Abs. 3 GG setzt seinem Wortlaut nach Öffentlichkeit voraus, ohne eine Verpflichtung zur Öffentlichkeit selbst zu begründen. Anderenfalls müsste sich das Öffentlichkeitsgebot des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG – neben den Plenarsitzungen – auch auf Ausschusssitzungen erstrecken. Das wird von der ganz überwiegenden Meinung aber abgelehnt, vgl. hierzu sogleich bei Fn. 88 (S. 37). 85 Zutreffend H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 36. 86 Vgl. die Nachweise zum Meinungsstand in der Staatslehre Fn. 80 (S. 36).

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit

37

ses reduzierte Verständnis des Öffentlichkeitsgebots den gewachsenen Informationsbedürfnissen in der modernen Informationsgesellschaft noch gerecht wird. Die auf demokratische Legitimation, Partizipation und Integration zielenden Funktionen des Öffentlichkeitsgebots des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG87 können letztlich nur dann wirksam erfüllt werden, wenn sich die Bürgerinnen und Bürger auch tatsächlich ein Bild von der Arbeit des Deutschen Bundestages machen können. Das aber setzt voraus, dass sich der Deutsche Bundestag entweder medial selbst präsentiert oder dass er durch den Rundfunk medial präsentiert wird. Unter den Bedingungen der Informationsgesellschaft erscheint eine mediale Präsentation der Sitzungen des Deutschen Bundestages unverzichtbar. Doch selbst wenn man den Begriff der Öffentlichkeit über die Sitzungsöffentlichkeit hinaus auf die Berichterstattungsöffentlichkeit erstreckte, stünde damit noch nicht fest, dass der gesamte parlamentarische Bereich erfasst wäre. Nach (ganz) überwiegender Meinung bezieht sich das Öffentlichkeitsgebot des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG nur auf Plenarverhandlungen, nicht aber auf Sitzungen der Ausschüsse des Deutschen Bundestages88. Hierfür streiten der Wortlaut des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG („Der Bundestag . . .“) und sein systematischer Zusammenhang mit Art. 42 Abs. 3 GG, der – im Gegensatz zu Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG – den Bundestag und die Ausschüsse erwähnt89. Die voranstehenden Ausführungen haben deutlich gemacht, dass es problematisch ist, die Legitimation des Deutschen Bundestages und seiner Ausschüsse zur selbstdarstellenden Öffentlichkeitsarbeit auf Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG zu stützen. Zum einen ist zweifelhaft, ob sich der Begriff der Öffentlichkeit im Sinne des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG über die Sitzungsöffentlichkeit hinaus auf die Berichterstattungsöffentlichkeit (Medienöffentlichkeit) erstreckt. Doch selbst wenn man diese Hürde zu nehmen bereit wäre90, ist man weiter mit dem Problem konfrontiert, dass sich das Öffentlichkeitsgebot des Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG nach tradierter Staatslehre nur auf Sitzungen des Deutschen Bundestages, nicht aber seiner Ausschüsse bezieht. Letztlich bedürfen alle diese im Zusammenhang mit Art. 42 Abs. 1 Satz 1 GG auftretenden Auslegungsprobleme hier keiner vertiefenden Behandlung. Denn die Legitimation der gesetzgebenden Körperschaften zur Öffentlichkeitsarbeit steht Vgl. hierzu oben nach Fn. 76 (S. 35). Vgl. BVerfGE 1, 144 (152); aus dem Schrifttum vgl. nur Achterberg / Schulte, in: Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 42 Rn. 3, 10; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 55; H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 38 ff. m. w. N. in Fn. 117; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 2; a. A. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 24. 89 Vgl. Achterberg / Schulte, in: Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 42 Rn. 3; Jerschke, Öffentlichkeitspflicht der Exekutive und Informationsrecht der Presse, S. 55; H. H. Klein, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 42 Rn. 44. 90 Vgl. nach Fn. 86 (S. 36). 87 88

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D. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit

außer Frage. Die identifikationstiftende und -erhaltende Funktion91 der Öffentlichkeitsarbeit sowie ihre auf die Befriedigung von Kommunikationsbedürfnissen des Einzelnen zielende Funktion92 drängen im Rahmen aller drei Staatsfunktionen auf Verwirklichung. Sowohl die Exekutive und die Judikative als auch die Legislative sind zur selbstdarstellenden Öffentlichkeitsarbeit von Verfassungs wegen berechtigt. Zur Öffentlichkeitsarbeit bedienen sich die Parlamente ganz unterschiedlicher Informations- und Kommunikationswege. Die klassische Form der amtlichen Berichterstattung stellen die in den Händen des Stenografischen Dienstes des Deutschen Bundestages liegenden Stenografischen Berichte dar. Als protokollarisches Dokument über den Sitzungsverlauf kommt den Berichten – insbesondere für die Interpretation von Gesetzen – ein hoher informativer Wert zu93. Solange und soweit die Stenografischen Berichte nur in Papierform verbreitet wurden, erlangten sie wegen ihrer geringen Auflagenzahl jedoch nur eine begrenzte Öffentlichkeitswirksamkeit. Der Deutsche Bundestag gibt eine redaktionell gestaltete Wochenzeitschrift „Das Parlament“ heraus. Mit Beginn des Jahres 2001 ist die Herausgeberschaft für das Druckerzeugnis „Das Parlament“ von der Bundeszentrale für politische Bildung auf den Deutschen Bundestag übergegangen. „Das Parlament“ erscheint in mindestens 36 Ausgaben pro Jahr, als aktuelle Ausgabe nach allen Sitzungswochen des Bundestages sowie in anderen Wochen als sogenannte Themenausgabe. Die aktuellen Ausgaben der Zeitschrift enthalten Berichte und Dokumente über das Plenum des Deutschen Bundestages, Berichte über die Ausschüsse des Deutschen Bundestages, Berichte aus dem Bundesrat sowie Berichte aus dem Europäischen Parlament. „Das Parlament“ trägt nicht die Züge eines „Amtsblattes“, sondern wird – im Interesse des Verbreitungsgrads – journalistisch gestaltet. Die Redaktion arbeitet nach Maßgabe der im Redaktionsstatut festgelegten Prinzipien unabhängig. Neben der Druckausgabe wird „Das Parlament“ auch im Internet auf Abruf zur Verfügung gestellt94. Im Interesse des Zugangs einer möglichst breiten Öffentlichkeit, der Aktualität und der Kostenersparnis vollzieht sich ein wesentlicher Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Parlamente im Internet. Während sich früher Öffentlichkeitsarbeit im Wesentlichen in Druckschriften manifestierte, bedient sich das Parlament heute moderner Informations- und Kommunikationstechnologien95. Neben dem Deutschen Bundestag96 sind auch die Länderparlamente im Internet präsent. Der DeutVgl. hierzu oben bei Fn. 49 (S. 30). Vgl. hierzu oben bei Fn. 50 (S. 30). 93 Achterberg / Schulte, in: Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Band 2, Art. 42 Rn. 8. 94 http:// www.bundestag.de/dasparlament/. 95 Zu dieser Entwicklung vgl. auch BVerfGE 105, 252 (268). 96 http:// www.bundestag.de/index.html. 91 92

II. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit

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sche Bundestag bietet einen umfassenden Informations- und Kommunikationsdienst an, der von der Darstellung der Aufgabe und Funktion des Parlaments über Pressemitteilungen, BT-Drucksachen bis zu speziellen Newsletter-Diensten97 reicht. Der Einzelne hat die Möglichkeit, sich in eine Mailliste einzutragen, um auf diese Weise regelmäßig Mails mit Informationen über die parlamentarische Arbeit zu erhalten. Zu nennen ist etwa der laufende Pressedienst „heute im bundestag“ („hib“). „Hib“ wird vom Pressezentrum des Deutschen Bundestages herausgegeben und informiert über die inhaltliche Arbeit des Bundestages, z. B. über Beratungen in den Ausschüssen oder anderen Gremien98. „Hib“ verfügt über ein mehrköpfiges Redaktionsteam.

97 98

http:// www.bundestag.de/aktuell/mailing/index.html. http:// www.bundestag.de/presse/hibmeldungen.html.

E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit Kann bislang festgehalten werden, dass zwar einerseits dem Staat die Veranstaltung von Rundfunk von Verfassungs wegen untersagt ist, andererseits aber der Staat zur Öffentlichkeitsarbeit berechtigt ist, stellt sich die Frage, welchem Bereich das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages zuzuordnen ist. Dies macht eine Abgrenzung zwischen beiden Bereichen erforderlich. Man könnte geneigt sein, diese Frage im Lichte des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs dahingehend zu beantworten, dass es sich um erlaubte staatliche Öffentlichkeitsarbeit nur dann handelt, wenn die Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs nicht vorliegen. Bei Lichte betrachtet führt ein solcher rein begrifflicher Abgrenzungsversuch indes in die Irre; dies zeigt der Parallelfall klassischer staatlicher Öffentlichkeitsarbeit in der Form von Druckerzeugnissen, welche sämtliche Voraussetzungen des Pressebegriffs im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllen; gleichwohl handelt es sich nicht um unzulässige Staatspresse, sondern um zulässige staatliche Öffentlichkeitsarbeit99. Im Folgenden wird auf den verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff eingegangen, dessen tradierte begriffliche Voraussetzungen das Parlamentsfernsehen erfüllt (I.). Gleichwohl liegt kein (unzulässiger) Staatsrundfunk, sondern – nach Maßgabe der gebotenen funktionalen Abgrenzung – (erlaubte) Öffentlichkeitsarbeit vor (II.).

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff und Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages Auch wenn sich der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff nicht unter schlichtem Rekurs auf eine einfachgesetzliche Begriffsbestimmung erschließen lässt100, kann zur Klärung des Begriffsbildes im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zunächst auf die Legaldefinition des Rundfunks nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) zurückgegriffen werden. Allerdings müssen die den einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff kennzeichnenden Elemente einer verfassungsrechtlichen Beurteilung im Lichte der Funktion der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unterzogen werden, bevor ihnen über ihre einfachgesetzliche Bedeutung Vgl. hierzu noch unten E. II. 1., bei Fn. 150 (S. 51). Vgl. hierzu ausführlich Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 81 ff. 99

100

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff

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hinaus verfassungsrechtliche Valenz zuerkannt werden kann101. § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV lautet: „Rundfunk ist die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters.“

Der einfachgesetzliche Rundfunkbegriff setzt sich demnach aus folgenden Elementen zusammen, die kumulativ vorliegen müssen: – „Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild“; – „Veranstaltung und Verbreitung“; – „Allgemeinheit“; – „Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“ (technologisches Element). Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung erfüllt das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages die begrifflichen Voraussetzungen des Rundfunks im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 RStV und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. 1. „Darbietungen aller Art in Wort, in Ton und in Bild“ Das Tatbestandsmerkmal der Darbietung betrifft das Kommunikationsprodukt, das mittels fernmeldetechnischer Anlagen an die Allgemeinheit verbreitet wird und der Befriedigung von Rezeptionsbedürfnissen dient. Es bildet zugleich das Kernstück auch des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffes, weil der Rundfunk durch die von ihm verbreiteten Kommunikationsinhalte als Faktor und Medium102 an dem Prozess der öffentlichen Meinungsbildung mitwirkt. Der Begriff der Darbietung umfasst demnach sämtliche Inhalte, welche für die private und öffentliche Meinungsbildung geeignet und bestimmt sind. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits in seinem Ersten Fernsehurteil festgestellt, dass sich der Schutz der Rundfunkfreiheit nicht nur auf reine Informationsprogramme oder informierende Sendungen beschränkt, sondern auch Kulturund Unterhaltungsprogramme erfasst103. Der Rundfunk wirke auch bei „Sendungen außerhalb des Bereichs der eigentlichen Information und politischen Unterrichtung an der Meinungsbildung mit. Diese Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich nicht auf die Nachrichtensendungen, politischen 101 Vgl. statt vieler Bethge, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 5 Rn. 90a; Jarass, Gutachten zum 56. DJT, Rn. 12; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 91; siehe auch BVerfGE 74, 297 (352). 102 Zur Rolle des Rundfunks als Faktor und Medium des öffentlichen Meinungsbildungsprozesses BVerfGE 12, 205 (260); 31, 315 (325 f.); 35, 202 (222); 57, 295 (320); 59, 231 (257); 60, 53 (64); 73, 118 (152); 74, 297 (323 f.); 83, 238 (296). 103 BVerfGE 12, 205 (260).

42 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

Kommentare, Sendereihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen und musikalischen Darbietungen. Auch die Art der Auswahl und der Gestaltung dessen, was gesendet werden soll, ist geeignet, den Teilnehmer in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das Sendeprogramm kann infolgedessen nicht in einzelne Teile zerlegt, sondern muß als einheitliche Veranstaltung gesehen werden“104. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Rundfunkfreiheit vermittelt demnach einen umfassenden Schutz, der sich auf „alle Darbietungen des Sendeprogramms, also Informationen, Kritik und Kommentare über aktuelle politische Vorgänge, über gesellschaftliche Prozesse und über kulturelle Erscheinungen im weitesten Sinne, Darbietungen kultureller und bildender Art – Konzerte, Fernsehspiele, Theater und wissenschaftliche Vorträge –, Unterrichts- und Fortbildungsprogramme (z. B. das Schulfernsehen) und Darbietungen der Unterhaltung (Film, Kabarett, Revue, Sportschau und Showgeschäft)“105 erstreckt. Diese Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hat im Grundsatz auch im Schrifttum einhellige Zustimmung erfahren106. Der Begriff der Darbietungen erfasst also sämtliche für den öffentlichen Meinungsbildungsprozess relevanten Kommunikationsinhalte, unabhängig davon, welcher Programmsparte (Bildung, Beratung, Information und Unterhaltung) sie zuzuordnen sind107. Ebensowenig kommt es für den Begriff der Darbietung darauf an, ob die entsprechende Programmkategorie mehrere oder sämtliche der möglichen Programmsparten abdeckt oder auf eine Programmsparte reduziert ist. Neben den Vollprogrammen nehmen auch Spartenprogramme am Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG teil: Wie das Bundesverfassungsgericht im Baden-Württemberg-Beschluss festgestellt hat, ermöglichen die Spartenprogramme wegen ihrer thematischen Schwerpunktbildung für sich allein zwar noch keine umfassende Information und Meinungsbildung und können aus diesem Grunde auch nicht dem – „nach Lage der Dinge in erster Linie“108 – von den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten wahrzunehmenden Grundversorgungsauftrag zugerechnet werden109. Gleichwohl leisten auch sie einen Beitrag zur Meinungsbildung; dies gilt umso mehr, als mit ihrer Hilfe die spezifischen Lücken, die im Versorgungsauftrag des werbefinanzierten privaten Rundfunks zu beobachten sind, selektiv ausgeglichen werden können. Spartenprogramme tragen demnach nicht nur dazu bei, die Breite des ge104 105

BVerfGE 31, 314 (326); ebenso BVerfGE 12, 205 (260); 35, 202 (222). BVerfGE 31, 314 (342); vgl. auch BVerfGE 25, 206 (307); 31, 202 (222 f.); 73, 118

(152). 106 Vgl. nur Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 79 ff.; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 166 ff. m. w. N. in Fn. 312; Stender, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“ in einem außenpluralistisch organisierten Rundfunksystem, S. 43 f. m. w. N. in Fn. 46; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 93 f. 107 Siehe BayVerfGH, AfP 1987, 394 (407). 108 BVerfGE 73, 297 (158). 109 BVerfGE 74, 297 (345).

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff

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samten Programmangebots zu erhöhen, sondern helfen, spezifische Rezeptionsbedürfnisse zu befriedigen. Auch Spartenprogramme unterfallen somit dem Begriffsfeld der Darbietungen und nehmen als Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne am Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG teil110. Unter Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung erfüllt das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages die Voraussetzungen der „Darbietungen“ im Sinne des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs. Das Parlamentsfernsehen wirkt unzweifelhaft auf die individuelle und öffentliche Meinungsbildung ein. Die Übertragung von Sitzungen des Plenums oder von Ausschüssen leistet einen Beitrag im Rahmen des Kommunikationsprozesses, auf den das Grundrecht der Rundfunkfreiheit funktional bezogen ist. a) Erfordernis der „redaktionellen“ Entscheidung? Allerdings wird teilweise die Auffassung vertreten, dass es sich beim Rundfunk um eine „redaktionelle Darbietung“ handeln müsse. Dieses Kriterium sei nur gegeben, wenn aus anderen Quellen stammende Informationen im Hinblick auf Rezipientenbedürfnisse bearbeitet und zu einem von den Rezipienten nutzbaren Produkt geformt werden. An einer solchen Darbietung fehle es, wenn lediglich thematisch sehr eng begrenzte Informationen ohne Einbindung in eine breitere Angebotspalette oder in ein Programm übermittelt werden111. Das Gleiche gelte für die isolierte Präsentation einer bestimmten Meinung bzw. Information ohne systematische Einbindung in ein größeres Kommunikationsangebot; genannt wird insoweit ausdrücklich „eine isolierte (fernmeldetechnisch übertragene) öffentliche Rede“112. Auf derselben Linie liegt es, wenn einer unkommentierten, „blanken“ Wiedergabe von Plenar- oder Ausschussdebatten, die durch im Deutschen Bundestag fest installierte Kameras aufgezeichnet werden, die Rundfunkeigenschaft abgesprochen wird113. Diese Auffassung übersieht, dass die unbearbeitete Wiedergabe fremder Inhalte notwendigerweise eine redaktionelle, inhaltsbezogene Entscheidung voraussetzt, „ob“ Inhalte (aus dem Deutschen Bundestag) übertragen werden. Die Entscheidung über die Aufzeichnung und Weitergabe von Ereignissen durch fest installierte Kameras ist eine redaktionelle Entscheidung. Die unkommentierte Übernahme eines fremden Live-Programms – so etwa die Übernahme des US-Nachrichtenkanals 110 Vgl. BVerfGE 74, 297 (345 f.); siehe auch Bullinger, in: FS Lerche, S. 553 (600); Stammler, AfP 1975, 742 (749). 111 Vgl. Jarass, AfP 1998, 133 (135); ders., Online-Dienste und Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens, S. 11 ff.; ebenso Beucher / Leyendecker / v. Rosenberg, Mediengesetze Kommentar, § 2 RStV Rn. 7. 112 Jarass, Online-Dienste und Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens, S. 13. 113 Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 512.

44 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

CNN durch mehrere deutsche Fernsehveranstalter während des ersten Golfkrieges114 ist Rundfunk. Das Gleiche gälte bei einer unkommentierten Übertragung eines Fußballspiels durch im Stadion fest montierte Kameras. Dementsprechend wäre auch eine unkommentierte Übertragung von Plenar- oder Ausschussdebatten durch im Deutschen Bundestag fest installierte Kameras eine Darbietung im Sinne des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs. Sie eröffneten dem Rezipienten die Möglichkeit, sich ein ungefiltertes Bild über die parlamentarische Arbeit zu machen. Die Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen als solche ist geeignet und dazu bestimmt, den öffentlichen Meinungsbildungsprozess zu bereichern. Darüber hinaus ist die Entscheidung, die Übertragung unkommentiert zu belassen und allein „Rohinformationen“ zu übertragen, bereits Ausdruck einer publizistischen Entscheidung115. Weiter bezieht sich publizistische Leistung auf die Entscheidung über das „Was“ und das „Wie“ der Übertragung. Es geht darum, welche Debatte aus dem Plenarsaal oder aus den Ausschüssen übertragen werden soll („Was“). Das „Wie“ betrifft die Bildregie, also etwa die Auswahl zwischen mehreren Kameras, deren Fokus nicht nur auf den Redner, sondern auf sämtliche Sitzungsteilnehmer u. ä. gerichtet ist, und möglichen Zoomfunktionen, mit deren Hilfe das Bildobjekt gleichsam näher an den Betrachter herangeführt wird.

b) Erfordernis von Ton- und Bewegtbildsendungen? Zur Abgrenzung von Rundfunk und Presse Nach der einfachgesetzlichen Legaldefinition des Rundfunks in § 2 Abs. 1 RStV muss es sich um Darbietungen aller Art „in Wort, in Ton und in Bild“ handeln. Damit stellt sich die Frage, ob – neben Ton- und Bewegtbildsendungen – auch reine elektromagnetische Textdienste Rundfunk im Sinne des Verfassungsrechts sind. Dieser Frage kommt im gegebenen Zusammenhang deshalb Bedeutung zu, weil der Deutsche Bundestag im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit ein umfassendes Arsenal an Texten, Grafiken und stehenden Bildern im Internet bereithält116. Deshalb stellt sich – ebenso wie in Bezug auf das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages – auch insoweit die Frage nach dem Rundfunkbegriff: Handelt es sich bei den Textdiensten des Deutschen Bundestages um (unzulässigen) Staatsrundfunk? Die aufgeworfene Frage betrifft in erster Linie die Abgrenzung von Presse- und Rundfunkfreiheit117. Die damit verbundene Problematik kann und braucht hier Vgl. Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 114 Fn. 539. Zutreffend Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 114. 116 Vgl. hierzu D. II. 2. a), nach Fn. 94 (S. 38). 117 Bei Lichte betrachtet geht es um ein Fundamentalproblem, das nicht nur die Abgrenzung von Rundfunk- und Pressefreiheit, sondern von Rundfunkfreiheit und weiteren grundrechtlich verbürgten Freiheiten betrifft, vgl. Gersdorf, in: Dittmann / Fechner / Sander (Hrsg.), Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, S. 137 (142 ff.). 114 115

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff

45

nicht vertieft zu werden. Denn sub specie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG sind Staatsrundfunk und Staatspresse gleichermaßen unzulässig. Deshalb ist es von Verfassungs wegen letztlich unerheblich, ob Textdienste Rundfunk oder Presse im Sinne des Verfassungsrechts darstellen. Gleichwohl sollen einige wesentliche Eckpunkte der Diskussion über die Zuordnung der elektromagnetischen Textdienste benannt werden. Der Pressebegriff erfasst im herkömmlichen Sinne sämtliche Arten von Druckerzeugnissen (verkörperte Kommunikationsinhalte), während für den Rundfunk die Verbreitung der Informationen mittels elektromagnetischer Schwingungen kennzeichnend ist (körperlose Kommunikationsinhalte). In Anknüpfung an dieses tradierte Bild sehen verschiedene Stimmen das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Rundfunk und Presse auch weiterhin in der Übertragungstechnik. Nach dieser Ansicht kommt es allein auf den Vertriebsweg an, mit der Folge, dass sämtliche auf elektronischem Wege übermittelten Informationen dem Rundfunkbegriff zuzuordnen sind, und zwar auch, soweit es um reine Textdienste geht118. Diese Auffassung sorgt für klare Verhältnisse und hilft, zumeist schwierige Abgrenzungsprobleme und die Entstehung von Rechtsunsicherheit zu vermeiden. Gleichwohl erscheint es nicht sachgerecht, für die Abgrenzung von Rundfunk und Presse allein auf die Übertragungstechnik abzustellen119. In konsequenter Weiterführung dieser Argumentationslinie müssten dann sämtliche Druckwerke allein der grundrechtlich geschützten Pressefreiheit unterfallen und müsste eine Zuordnung zum Rundfunkbegriff von vornherein ausscheiden. Dem ist das Bundesverfassungsgericht aber im Hinblick auf die von den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten herausgegebenen programmbezogenen Druckwerke entgegengetreten, die trotz der Verkörperung des Kommunikationsinhalts Rundfunk sind120. Für die Abgrenzung von Rundfunk und Presse wird man daher auf das tradierte und typische Erscheinungsbild der beiden Massenmedien zurückgreifen und hieran anknüpfend prüfen müssen, welchem der herkömmlichen Medien das jeweils zu beurteilende Medium am ehesten entspricht121. Das Bundesverfassungsgericht 118 Vgl. Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 122; Rudolf / Meng, Rechtliche Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der Breitbandkommunikation für die Kirchen, S. 48; Scherer, Telekommunikationsrecht und Telekommunikationspolitik, S. 600 f.; ders., Der Staat Bd. 22 [1983], 347, 363; ders., NJW 1983, 1832, 1835; Jarass, Gutachten zum 56. DJT, Rn. 13; ders., Online-Dienste und Funktionsbereich des Zweiten Deutschen Fernsehens, S. 16 ff. 119 König, Die Teletexte, S. 123; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 190 ff.; Scholz, Audiovisuelle Medien und bundesstaatliche Gesetzgebungskompetenz, S. 50 ff.; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 14 ff. 120 BVerfGE 83, 238 (312 f.); vgl. hierzu Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 145. 121 König, Die Teletexte, S. 123 f.; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 145 f.

46 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

sieht in der „Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft“122 die entscheidenden Wesenszüge des Rundfunks. Da die besondere suggestive Wirkung des Rundfunks in erster Linie durch Ton- und Bewegtbildsendungen vermittelt wird, wird man diesen Bereich zur Domäne des Rundfunks erklären können, wenigstens insoweit, als die Ton- und Bewegtbildbeiträge keine untergeordnete Funktion einnehmen, etwa indem sie bestimmte stehende Texte oder Grafiken erläutern oder ergänzen. Das bedeutet freilich nicht, dass im Gegenzug sämtliche Textdienste aus dem Rundfunkbegriff ausgeklammert und der Presse zugeordnet werden müssten. Dies gilt vor allem für diejenigen Textdienste, die einen Bezug zu einem Rundfunkprogramm eines Rundfunkveranstalters aufweisen und programmbegleitende, -unterstützende oder -ergänzende Daten enthalten. In diesem Fall ist der Textdienst Akzessorium zum (Haupt-)Programm. In seiner programmbezogenen Annexfunktion fällt der Textdienst unzweifelhaft unter den Rundfunkbegriff123. 2. „Veranstaltung und Verbreitung“ Ob die „Veranstaltung und Verbreitung“ von Sendeinhalten ein eigenständiges Merkmal des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs darstellt124, kann hier dahingestellt bleiben. Denn in jedem Fall wird bei der Distribution des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages eine räumliche Distanz zwischen dem Veranstalter (Deutscher Bundestag) und dem Rezipienten überwunden, so dass unzweifelhaft eine „Verbreitung“ des Programms vorliegt. 3. „Allgemeinheit“ Das Allgemeinheitserfordernis betrifft den massenkommunikativen Charakter des Rundfunks. Das Angebot muss sich an eine „beliebige Öffentlichkeit“125 wenden. Hierin manifestiert sich der spezifische Öffentlichkeitsbezug des Massenkommunikationsmittels Rundfunk. Die Unbestimmtheit des Adressatenkreises, seine beliebige Zusammensetzung ist für das Merkmal der Allgemeinheit entscheidend126. Solange und soweit das Parlamentsfernsehen lediglich über den HausBVerfGE 90, 60 (87); 103, 44 (74); 114, 371 (387); siehe auch BVerfGE 91, 125 (134). Vgl. statt vieler Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 38 f.; Ebene, ZUM 1994, 530 (536); Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 146 f. 124 So etwa Bethge, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Art. 5 Rn. 90a; Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 45 ff.; a. A. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 116 ff. 125 Lerche, Rundfunkmonopol, S. 28. 126 Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 129 f.; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 27; König, Die Teletexte, S. 22 f.; Lieb, Kabelfernsehen und Rundfunkgesetze, S. 127, 169 f.; Scholz, Audiovisuelle Medien und bundesstaatliche Gesetzgebungs122 123

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff

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kanal und ausgewählte Vertriebswege bestimmten Personenkreisen zugänglich gemacht wurde, war fraglich, ob sich das Programm an die Allgemeinheit richtete. Letztlich kann diese Frage im gegebenen Zusammenhang dahinstehen. Denn spätestens seit der Einspeisung des Parlamentsfernsehens in das BK-Netz im Ausbaugebiet in Berlin und der Verbreitung über das Internet127 handelt es sich um ein an die Allgemeinheit verbreitetes Programm. Auch lassen die spezifischen technischen Leistungsmerkmale128 von VideoAbrufdiensten (Video On Demand – VOD) das Allgemeinheitserfordernis nicht entfallen129. Auch Videoabrufdienste stellen Rundfunk im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG dar130. Das Allgemeinheitserfordernis lässt sich nicht mit dem Argument bestreiten, bei den Abrufdiensten werde der jeweilige Beitrag nach Maßgabe einer individuellen Abrufentscheidung an den Rezipienten „individuell adressiert“ und damit nur ihm, nicht aber der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt131. Denn für das Kriterium der Allgemeinheit kommt es nicht darauf an, ob der technische Vorgang der Signalübermittlung Punkt zu Mehrpunkt (Verteildienste) oder Punktzu-Punkt (Abrufdienste) erfolgt. Entscheidend ist allein, dass die elektronisch gespeicherten Sendungen zur Übermittlung an die Allgemeinheit geeignet und bestimmt sind. Der Veranstalter bezweckt nicht, bestimmte Personen oder Personengruppen von den Möglichkeiten des Abrufdienstes auszuschließen, sondern ist gerade im Gegenteil bestrebt, ein möglichst breites Publikum anzusprechen, um auf diese Weise bestimmte Rezeptionsbedürfnisse zu befriedigen. Die Abruftechnik kompetenz, S. 34; Stender, „Staatsferne“ und „Gruppenferne“ in einem außenpluralistisch organisierten Rundfunksystem, S. 42 f.; Paptistella, DÖV 1978, 495 (500); Rudolf / Meng, Rechtliche Konsequenzen der Entwicklung auf dem Gebiet der Breitbandkommunikation für die Kirchen, S. 44; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 106. 127 Das sogenannte Live-Streaming (zusätzliche parallele / zeitgleiche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) und das sogenannte Webcasting (ausschließliche Übertragung herkömmlicher Rundfunkprogramme über das Internet) unterliegen dem einfachgesetzlichen Rundfunkbegriff im Sinne des § 2 RStV (so ausdrücklich die Amtliche Begründung des § 1 Abs. 1 TMG-E, BT-Drs. 16 / 3078, S. 20; Amtliche Begründung des § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 RStV-E, Abgeordnetenhaus BERLIN Drs. 16 / 0026, S. 32; vgl. hierzu Gersdorf, Der Rundfunkbegriff, S. 82). 128 Zu den technischen Leistungsmerkmalen der Verteil-, Zugriffs- und Abrufdienste vgl. Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 27 ff. 129 Zu dem VOD-Dienst des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages vgl. oben B. II. 2., bei Fn. 13 (S. 18). 130 Vgl. statt vieler Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 129 ff., 170 ff.; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 121 ff.; einfachgesetzlich werden Abrufdienste hingegen als sogenannte Telemedien klassifiziert, vgl. Amtliche Begründung des § 1 Abs. 1 TMG-E, BTDrs. 16 / 3078, S. 21; Amtliche Begründung des § 2 Abs. 1 Satz 3 und 4 RStV-E, Abgeordnetenhaus BERLIN Drs. 16 / 0026, S. 34; vgl. hierzu Gersdorf, Der Rundfunkbegriff, S. 82 f. 131 Vgl. Bullinger, Kommunikationsfreiheit im Strukturwandel der Telekommunikation, S. 43.

48 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

dient also nicht dem Ziel, die Teilnehmer des Abrufdienstes individuell bestimmbar zu machen und weitere Interessenten von dem Zugang zu diesen Angeboten auszugrenzen: Der Anbieter wendet sich mit seinen Angeboten an eine „beliebige Öffentlichkeit“ und damit an die Allgemeinheit132. Auch müsste unter Zugrundelegung einer hiervon abweichenden Auffassung geklärt werden, welchem grundrechtlich geschützten Freiheitsbereich Abrufdienste unterfallen sollen. Eine (ausschließliche) grundrechtliche Verortung der Abrufdienste in den Wirtschaftsgrundrechten der Art. 12, 14 GG vernachlässigte die kommunikative Relevanz dieser Dienste. Eine Rubrizierung in dem Grundrecht der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG133 ließe den – durch den Öffentlichkeitsbezug vermittelten – massenkommunikativen Charakter der Dienste außer Betracht134. Zu Recht hat deshalb das Bundesverfassungsgericht Abrufdienste dem Schutzbereich der grundrechtlich verbürgten Rundfunkfreiheit unterstellt. Im Baden-Württemberg-Beschluss musste sich das Gericht mit der Differenzierung zwischen „Rundfunk“ und den sogenannten „rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten“ nach dem Landesmediengesetz Baden-Württemberg beschäftigen. Auch für die „rundfunkähnlichen Kommunikationsdienste“ hat es als Maßstab Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herangezogen135. Die Einlassung der Landesregierung in diesem Verfahren, Verstöße gegen die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit schieden bei „rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten“ schon deshalb aus, weil die „Dienste auf Abruf und Zugriff nicht als Rundfunk im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG anzusehen seien“136, hat beim Gericht kein Gehör gefunden. Vielmehr legt es einen dynamischen, weiten Rundfunkbegriff zugrunde, der sich an der Funktion des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG orientiert und hieraus seine Gehalte bezieht. Wörtlich heißt es in dem Baden-Württemberg-Beschluss: „Der in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verwendete Begriff ‚Rundfunk‘ lässt sich nicht in einer ein für allemal gültigen Definition erfassen. Inhalt und Tragweite verfassungsrechtlicher Begriffe und Bestimmungen hängen auch von ihrem Normbereich ab; ihre Bedeutung kann sich bei Veränderungen in diesem Bereich wandeln. Das gilt auch für den Rundfunkbegriff. Soll die Rundfunkfreiheit in einer sich wandelnden Zukunft ihre normierende Wirkung bewahren, dann kann es nicht angehen, nur an eine ältere Technik anzuknüpfen, den Schutz des Grundrechts auf diejenigen Sachverhalte zu beschränken, auf welche diese Technik bezogen ist, und auf diese Weise die Gewährleistung in Bereichen obsolet zu machen, in denen sie ihre Funktion auch angesichts der neuen technischen Möglichkeiten durchaus erfüllen könnte. Zur Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung bedarf es vielmehr der dargestellten Schutzwirkungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auch bei den ,rundfunkähnlichen Kommunikationsdiensten‘. Deren Einbeziehung 132 Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 130. 133 Vgl. etwa Bullinger, in: ders. / Mestmäcker, Multimediadienste, S. 65 ff. 134 Vgl. Gersdorf, Grundzüge des Rundfunkrechts, Rn. 118. 135 BVerfGE 74, 297 (350 ff.). 136 BVerfGE 74, 297 (312).

I. Verfassungsrechtlicher Rundfunkbegriff

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in den Schutzbereich der Gewährleistung erscheint daher geboten, zumal die hier in Betracht zu ziehenden Dienste sich von herkömmlichem Rundfunk nicht wesentlich unterscheiden.“137

Dieses grundlegende Verständnis einer funktionsbezogenen und entwicklungsoffenen Bestimmung der Schutzreichweite des Rundfunkbegriffes im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG hat das Gericht im Nordrhein-Westfalen-Urteil nochmals bekräftigt: „Soll die Rundfunkfreiheit unter den Bedingungen raschen technischen Wandels ihre normative Kraft bewahren, dann darf bei der Bestimmung von Rundfunk nicht nur an eine bereits eingeführte Technik angeknüpft werden. Andernfalls könnte sich die grundrechtliche Gewährleistung nicht auf Bereiche erstrecken, in denen gleichfalls die Funktion des Rundfunks, wenn auch mit neuen Mitteln, erfüllt würde.“138

Schließlich ist es auch nicht gerechtfertigt, Abrufdienste aufgrund ihrer technischen Leistungsmerkmale, die sich von dem herkömmlichen (Verteil-)Rundfunk unterscheiden, dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorzuenthalten. Auf diese Strukturunterschiede geht das Bundesverfassungsgericht im Baden-WürttembergBeschluss ausdrücklich ein, vermag in ihnen gleichwohl keinen hinreichenden Grund zu erblicken, der es rechtfertigen könnte, Zugriffs- und Abrufdienste aus dem verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff auszuklammern. So erklärt es den Unterschied, dass „Rundfunk“ nach der Legaldefinition des Landesmediengesetzes Baden-Württembergs „zum gleichzeitigen Empfang“ bestimmt ist, während bei den Zugriffs- und Abrufdiensten der Zeitpunkt des Empfangs durch den Teilnehmer bestimmt werden kann, für die Bestimmung des Rundfunkbegriffes als unbedeutsam139. Weiter führt das Gericht aus: „Kein Unterschied zwischen den als ‚Rundfunk‘ und den als ,rundfunkähnliche Kommunikation‘ bezeichneten Sendungen besteht in den Punkten, die unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG allein entscheidend sein könnten: dem Inhalt der Sendungen und den am Kommunikationsprozess Beteiligten. In beiden Fällen werden Sendungen gleichen Inhalts verbreitet; hier wie dort sind die Veranstalter und eine unbestimmte Vielzahl von Zuschauern oder Hörern beteiligt; hier wie dort trifft der Teilnehmer Auswahlentscheidungen durch Ein- und Ausschalten.“140

Und schließlich bemerkt das Gericht: „Ob hiernach die Ausklammerung der rundfunkähnlichen Kommunikationsdienste aus dem Rundfunkbegriff . . . berechtigt ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann sich aus der deskriptiven Unterscheidung des Gesetzes nicht ergeben, daß die Veranstaltung von Videotext sowie von Ton- und Bewegtbilddiensten auf Abruf und auf Zugriff verfassungsrechtlich nicht der Gewährleistung der Rundfunkfreiheit unterfällt.“141 137 138 139 140 141

BVerfGE 74, 297 (350 f.). BVerfGE 84, 238 (302). BVerfGE 74, 297 (351). BVerfGE 74, 297 (352). BVerfGE 74, 297 (352).

50 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

4. „Benutzung elektromagnetischer Schwingungen (technologisches Element) Mit der technischen Voraussetzung der „Benutzung elektromagnetischer Schwingungen“ ist die körperlose Nachrichtenübertragung gemeint. Erfasst sind terrestrische Frequenzen, Breitbandkabelnetze, Satellitenkanäle, DSL-Netze, Glasfasernetze u.ä.142. Eine Verbreitung des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages über Breitbandkabelnetze, Satellitenkanäle und DSL-Netze erfüllt diese technische Voraussetzung des Rundfunkbegriffs.

II. Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages als Ausdruck zulässiger legislativer Öffentlichkeitsarbeit 1. Mangelnde Eignung eines begrifflichen Abgrenzungsversuches Die bisherigen Ausführungen haben deutlich gemacht, dass das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages die begrifflichen Voraussetzungen des Rundfunks im Sinne des § 2 Abs. 1 RStV und des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllt. Die Berichterstattung aus dem Plenum und aus den Ausschüssen wirkt auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess ein. Bereits in der Entscheidung über eine unkommentierte, „blanke“ Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen manifestiert sich ein Stück publizistischer Betätigung. Das gilt ebenfalls für die Auswahl der zu übertragenden Plenar- bzw Ausschusssitzungen. Und schließlich kommt der Bildregie bei der Übertragung (maßgebliche) meinungsbildende Bedeutung zu143. Dieses der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Programm des Parlamentsfernsehens ist auch für den Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt und wird auf elektromagnetischem Wege verbreitet. Damit liegen die begrifflichen Voraussetzungen des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vor. Fraglich ist indes, ob damit bereits die Abgrenzungslinie zwischen unzulässigem Staatsrundfunk und zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit gezogen ist. Zweifel nähren sich daraus, dass jede Form staatlicher Öffentlichkeitsarbeit die Kernelemente der Massenkommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Presse bzw. Rundfunk) aufweist: Ihrem Wesen nach beeinflusst jedwede staatliche Öffentlichkeitsarbeit den individuellen und öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess. Ihre Relevanz für den öffentlichen Kommunikationsprozess steht außer Frage144. Die identifikationstiftende und -erhaltende Funktion145 der Öffent142 Vgl. hierzu Brand, Rundfunk im Sinne des Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 GG, S. 50; Gersdorf, Der verfassungsrechtliche Rundfunkbegriff im Lichte der Digitalisierung der Telekommunikation, S. 119 ff. 143 Vgl. hierzu oben S. 43 ff. 144 Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 56.

II. Parlamentsfernsehen als Ausdruck zulässiger legislativer Öffentlichkeitsarbeit

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lichkeitsarbeit sowie ihre auf die Befriedigung von Kommunikationsbedürfnissen des Einzelnen zielende Funktion146 bedingen eine Einwirkung auf den individuellen und öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess. Schließlich wendet sich staatliche Öffentlichkeitsarbeit an eine „beliebige Öffentlichkeit“, also an die Allgemeinheit147. Ob die im Rahmen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit verbreiteten Kommunikationsinhalte in verkörperter (Presse) oder in körperloser Form (Rundfunk) der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, ist allein für die Abgrenzung der Grundrechte der Presse- und Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) von Bedeutung. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist – neben anderen (legitimen) Erscheinungsformen staatlicher Informationstätigkeit – Bestandteil der grundgesetzlich gewährleisteten Kommunikationsordnung. Als informierender Staat ist der Staat in der nahezu sämtliche Lebensbereiche prägenden Informationsgesellschaft „als Diskussionsteilnehmer omnipräsent“148. Neben die staatliche Informationstätigkeit tritt die individuelle und korporative Wahrnehmung der verfassungsrechtlich geschützten Kommunikationsgrundrechte. Staatliche und grundrechtliche Kommunikation sind gleichermaßen Bestandteile der grundgesetzlich gewährleisteten Kommunikationsordnung. Staats- und Volkswillensbildung stehen sich in der grundgesetzlich verfassten Kommunikationsordnung nicht beziehungslos gegenüber, sondern beeinflussen sich wechselseitig149. Unzulässiger Staatsrundfunk (bzw. unzulässige Staatspresse) und zulässige Öffentlichkeitsarbeit lassen sich daher nicht durch schlichte Subsumtion unter die Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs (bzw. des verfassungsrechtlichen Pressebegriffs) abgrenzen. Anderenfalls müsste andere Formen allgemein bekannter und verfassungsrechtlich anerkannter staatlicher Öffentlichkeitsarbeit ebenfalls das Verdikt der Verfassungswidrigkeit ereilen: – Staatspresse ist – ebenso wie Staatsrundfunk – von Verfassungs wegen verboten. Die im Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit durch exekutive Stellen verbreiteten Druckschriften und sonstigen verkörperten Kommunikationsinhalte150 erfüllen zwar sämtliche Voraussetzungen des Pressebegriffs im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG; gleichwohl handelt es sich unstreitig nicht um Pressetätigkeit, sondern um zulässige Öffentlichkeitsarbeit. Die von dem Deutschen Bundestag herausgegebene Zeitschrift „Das Parlament“151 und sonstige legislative Druckschriften152 sind publizistisch gestaltete, für die Allgemeinheit bestimmte verkör145 146 147 148 149 150 151 152

Vgl. hierzu oben bei Fn. 49 (S. 30). Vgl. hierzu oben bei Fn. 50 (S. 30). Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 90. Schoch, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 37 Rn. 56. Vgl. hierzu bereits oben D. II. 1., nach Fn. 52 (S. 31). Vgl. oben D. II. 2. b), bei Fn. 65 (S. 33). Vgl. oben D. II. 2. a), vor Fn. 94 (S. 38). Vgl. oben D. II. 2. a), bei Fn. 93 (S. 38).

52 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

perte Kommunikationsinhalte; gleichwohl liegt insoweit keine verbotene Staatspresse, sondern zulässige Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundestages vor. – Im Rahmen moderner staatlicher Öffentlichkeitsarbeit spielt das Internet eine zunehmend größere Bedeutung. Sowohl der Deutsche Bundestag153 als auch Regierung bzw. Verwaltung154 bedienen sich zur Verwirklichung ihres Informationsauftrages moderner Informations- und Kommunikationstechnologien. Es kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob die für die Allgemeinheit bestimmten, auf elektromagnetischem Wege übermittelten Textdienste dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit oder der Pressefreiheit unterfallen155. Denn die Verbreitung entsprechender Texte, Grafiken und stehender Bilder durch staatliche Stellen ist keine unzulässige Medienbetätigung, sondern zulässige Öffentlichkeitsarbeit. – Die Verbreitung von Ton- und Bewegtbildsendungen im Rahmen staatlicher Öffentlichkeitsarbeit ist nicht auf das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages beschränkt. So wendet sich Bundeskanzlerin Merkel einmal wöchentlich mit speziellen Videobotschaften an die Öffentlichkeit, in denen sie auf aktu. elle Themen und Ereignisse eingeht156. Sofern solche Videobotschaften durch (öffentlichrechtliche oder privatrechtliche) Rundfunksender aufgezeichnet und im Internet auf Abruf bereitgestellt würden, handelte es sich um Rundfunk157. Macht das Gleiche das Bundeskanzleramt, liegt zulässige staatliche Öffentlichkeitsarbeit vor. 2. Funktionale Abgrenzung Unzulässiger Staatsrundfunk und zulässige Öffentlichkeitsarbeit lassen sich nicht im Lichte der Elemente des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs voneinander abgrenzen. Dies zeigt bereits der Parallelfall klassischer staatlicher Öffentlichkeitsarbeit in der Form von Druckerzeugnissen, die sämtliche Voraussetzungen des Pressebegriffs im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG erfüllen und die gleichwohl keine unzulässige Staatspresse, sondern zulässige staatliche Öffentlichkeitsarbeit darstellen, Die notwendige Abgrenzung ergibt sich aus den unterschiedlichen Funktionsgesetzlichkeiten der Wahrnehmung grundrechtlicher Kommunikationsfreiheiten einerseits und kompetenzgestützter staatlicher Öffentlichkeitsarbeit andererseits. Immer dann, wenn es sich funktional um staatliche Öffentlichkeitsarbeit handelt, liegt keine Rundfunkbetätigung (bzw. Pressetätigkeit) vor. Die Sachlegitimation des Deutschen Bundestages zur Öffentlichkeitsarbeit folgt aus der Befugnis zur Selbstdarstellung. Der Deutsche Bundestag ist nicht darauf be153 154 155 156 157

Vgl. oben D. II. 2. a), bei Fn. 95 (S. 38). Vgl. oben D. II. 2. b), bei Fn. 68 (S. 33). Vgl. oben E. I. 1. b), S. 44 ff. Vgl. oben D. II. 2. b), nach Fn. 70 (S. 33). Vgl. oben E. I. 3., bei und nach Fn. 129 (S. 47).

II. Parlamentsfernsehen als Ausdruck zulässiger legislativer Öffentlichkeitsarbeit

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schränkt, sich durch Medien (etc.) darstellen zu lassen; er darf sich auch selbst darstellen158. Dieses Recht zur Selbstdarstellung ist zugleich durch die Sachlegitimation begrenzt. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist staatliche Selbstdarstellung, hierauf funktional bezogen und hierdurch beschränkt. Anders gewendet: Der Deutsche Bundestag ist zur Öffentlichkeitsarbeit durch die Befugnis zur Selbstdarstellung legitimiert und zugleich limitiert159. Aus dieser funktionalen Ausrichtung und Begrenzung staatlicher Öffentlichkeitsarbeit folgt, dass Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages dann, aber auch nur dann zulässig ist, wenn es Ausdruck der Selbstdarstellung der gesetzgebenden Körperschaft ist. Der Deutsche Bundestag ist nicht zur gegenständlich allumfassenden Berichterstattung legitimiert. Vielmehr müssen die Sendeinhalte des Parlamentsfernsehens einen (unmittelbaren) Bezug zum Funktionskreis des Deutschen Bundestages aufweisen. Die Berichterstattung muss Züge massenkommunikativer Selbstdarstellung des Parlaments tragen und darf diese funktionale Verklammerung nicht auflösen. Hierin liegt der maßgebliche Unterschied zu einem (klassischen) Rundfunkprogramm, das eine solche thematische Begrenzung nicht aufweist. Vielmehr spiegelt sich im (klassischen) Rundfunk die gesamte gegenständliche Vielfalt wider160. Der Charakter massenkommunikativer Selbstdarstellung bleibt unzweifelhaft gewahrt, wenn der Deutsche Bundestag in Form des Parlamentsfernsehens Debatten aus dem Plenum und aus den Ausschüssen in eigener Regie überträgt. Die unkommentierte, „blanke“ Übertragung von Parlaments- und Ausschusssitzungen ist eine massenkommunikative legislative Selbstrepräsentation par excellence. Sie ermöglicht dem Zuschauer, sich ein Bild über die parlamentarische Arbeit zu machen. Ist die Übertragung von Debatten im Plenum und aus den Ausschüssen durch (öffentlichrechtliche oder privatrechtliche) Rundfunkveranstalter Ausfluss der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Freiheit, ist die gleiche Übertragung in Eigenregie des Deutschen Bundestages Ausdruck legislativer Öffentlichkeitsarbeit. Was für den einen die Ausübung grundrechtlich geschützter Kommunikationsgrundrechte ist, ist für den anderen die Wahrnehmung kompetenzrechtlich legitimierter und zugleich limitierter Öffentlichkeitsarbeit: „Wenn zwei dasselbe tun, ist es eben nicht immer dasselbe.“161 Das Gleiche gälte, wenn sich das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages künftig nicht mehr nur auf die Übertragung der vorhandenen parlamentarischen Arbeit beschränkte. Auch Interviews mit Abgeordneten aus der Lobby desDeutschen Bundestages162 Informationssendungen zu Gesetzesvorhaben und zu 158 Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, 2. Auflage, § 59 Rn. 173; siehe bereits oben D. II. 1., bei Fn. 47 (S. 29). 159 Zu weiteren Voraussetzungen der Veranstaltung des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages vgl. F., S. 57 ff. 160 Vgl. hierzu noch bei Fn. 168 (S. 56). 161 Dürig, in: Maunz / Dürig, Grundgesetz Kommentar, Band III, Art. 19 Abs. 3 Rn. 45.

54 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

bundespolitischen Themen, Gesprächsrunden mit Abgeordneten des Bundestages oder mit Bundespolitikern zu bundespolitischen Themen163 sind Ausdruck parlamentarischer Selbstdarstellung. Entsprechende Berichterstattungselemente wiesen den erforderlichen (unmittelbaren) Sachbezug zum Funktionskreis des Deutschen Bundestages auf und wären demnach als Formen legislativer Öffentlichkeitsarbeit verfassungsrechtlich zulässig. Der notwendige Sachbezug zum Funktionskreis des Deutschen Bundestages würde auch dann nicht gelöst, wenn ein entsprechend fortentwickeltes Parlamentsfernsehen zugleich Elemente der Unterhaltung enthielte. Solange und soweit Unterhaltung als Stilmittel für eine sachbezogene Information eingesetzt wird, ist hiergegen von Verfassungs wegen nichts einzuwenden. Zu dem Verhältnis von Meinungsbildung und Unterhaltung hat das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Caroline-Urteil vom 15. Dezember 1999 grundlegend Stellung bezogen: „Meinungsbildung und Unterhaltung sind keine Gegensätze. Auch in unterhaltenden Beiträgen findet Meinungsbildung statt. Sie können die Meinungsbildung unter Umständen sogar nachhaltiger anregen oder beeinflussen als ausschließlich sachbezogene Informationen. Zudem lässt sich im Medienwesen eine wachsende Tendenz beobachten, die Trennung von Information und Unterhaltung sowohl hinsichtlich eines Presseerzeugnisses insgesamt als auch in den einzelnen Beiträgen aufzuheben und Information in unterhaltender Form zu verbreiten oder mit Unterhaltung zu vermengen (‚Infotainment‘). Viele Leser beziehen folglich die ihnen wichtig oder interessant erscheinenden Informationen gerade aus unterhaltenden Beiträgen (vgl. Berg / Kiefer [Hrsg.], Massenkommunikation, Band V, 1996).164

Auch Öffentlichkeitsarbeit kann sich diesen Entwicklungen nicht verschließen. Soll Öffentlichkeitsarbeit ihr Ziel erreichen, muss sie auf Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern stoßen. Dies aber setzt voraus, dass sich die Selbstdarstellung des Staates an den kommunikativen Bedürfnissen der Bevölkerung orientiert. Ein Parlamentsfernsehen, das die Aufmerksamkeit der Rezipienten nicht zu wecken und zu stabilisieren sucht, müsste sein eigentliches Ziel verfehlen. Ein staatlich verantwortetes „Blindenfernsehen“, das niemand ansehen mag und das zum Umbzw. Ausschalten gleichsam treibt, kann zu einem kommunikativen Brückenschlag zwischen Staat und Bevölkerung keinen Beitrag leisten. Im Interesse einer Reichweitensteigerung darf sich ein Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages auch unterhaltender Elemente bedienen. Dass sich regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit und Unterhaltung nicht ausschließen, hat der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz in einer jüngst ergangenen Entscheidung deutlich hervorgehoben: 162 Was der Frau Bundeskanzlerin (vgl. http:// www.bundeskanzlerin.de/Webs/BK/DE/ Aktuelles/VideoPodcast/video-podcast.html) erlaubt ist (vgl. E. II. 1., bei Fn. 156 [S. 52]), kann dem Parlament nicht verboten sein. 163 Zu diesen (theoretischen) Erweiterungsoptionen des Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages vgl. oben B. III. 2., S. 21 f. 164 BVerfGE 101, 361 (389 f.).

II. Parlamentsfernsehen als Ausdruck zulässiger legislativer Öffentlichkeitsarbeit

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„Die Abgrenzung gegenüber Formen der Öffentlichkeitsarbeit, die sich von den Aufgaben und Zuständigkeiten des Ministerpräsidenten oder der Landesregierung lösen oder typischerweise eine parteiwerbende, insbesondere wahlvorbereitende Wirkung entfalten, zwingt nicht zum Verzicht auf Originalität und Interesse weckende Aufmachung. Verfassungsrechtlich vorgegebene Grenzen des Inhalts und der äußeren Form zulässiger Öffentlichkeitsarbeit stehen der notwendigen Anpassung an Kommunikationsformen heutiger ‚Mediendemokratie‘ nicht entgegen. Die Vielfalt des Informations- und Unterhaltungsangebotes macht es zunehmend schwieriger, Aufmerksamkeit für politische Inhalte und Handlungsabläufe zu erlangen. Dies führt häufig zu einer Verkürzung der öffentlichen Debatte mit dem Zwang, politische Botschaften so knapp, einfach und pointiert wie möglich zu formulieren. Zudem steigen der Einfluss politischer Marketing-Konzepte‘ und die Bedeutung der ‚kommunikativen Verpackung‘. Diese Bedingungen moderner Politikdarstellung muss derjenige bedenken, der an einer effektiven Vermittlung politischer Inhalte interessiert ist. Auch die Öffentlichkeitsarbeit von Staatsorganen kann sich dem nicht gänzlich verschließen. Da die Öffentlichkeitsarbeit potenziell an alle Bürger adressiert ist, muss sie auch die unterschiedlichen Wahrnehmungsmuster der Menschen berücksichtigen.“165

Das bedeutet indes nicht, dass sich im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit unterhaltende Elemente gleichsam verselbstständigen und von ihrem durch Sachbezug gekennzeichneten Kern lösen dürfen. Im Kern ist staatliche Öffentlichkeitsarbeit sachbezogene Information, nicht Unterhaltung: „Die Grundlagen sachbezogener Information im Rahmen der Organzuständigkeit dürfen nicht verlassen werden, die Rationalität des Informationsprozesses muss gewahrt bleiben. Soweit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen auch Unterhaltungscharakter zukommt, darf er nicht im Vordergrund stehen.“166

Im Zentrum des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages muss daher der sachbezogene Informationsgehalt des Programms stehen. Elementen der Unterhaltung kann nur akzidentielle Bedeutung zukommen. Die auf der Befugnis zur legislatorischen Selbstdarstellung fußende Legitimation und Limitierung des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages verdeutlichen den Unterschied zu dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Wirkungskreis. Die gesetzgebende Körperschaft, aber auch andere (Verfassungs-) Organe haben kein Recht zur allumfassenden kommunikativen Entfaltung. Ihr kommunikativer Wirkungskreis ist kompetenzrechtlich legitimiert, aber auch limitiert. Grundsätzlich anders liegen die Dinge im kommunikationsgrundrechtlich geschützten Wirkungsfeld. Rundfunkveranstalter können sich auf das beschränken, was der Deutsche Bundestag in Eigenregie veranstaltet: auf die Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen des Deutschen Bundestages bzw. auf die Berichterstattung über bundespolitische Themen. Ein entsprechend gegenständlich reduziertes (Sparten-)Programm genießt den Schutz der Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG167. Rundfunkveranstalter müssen sich hierauf aber nicht be165 166 167

VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201). VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201). Vgl. oben E. I. 1., nach Fn. 107 (S. 42).

56 E. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit

schränken. Sie können – wie im Regelfall – ein Vollprogramm veranstalten, das gegenständlich nicht begrenzt ist und neben Information auch Elemente der Bildung, Beratung und Unterhaltung aufweist. Zur Veranstaltung eines solchen Vollprogramms ist der Deutsche Bundestag ebenso wenig wie andere (Verfassungs-)Organe legitimiert. Bereits im Ersten Fernsehurteil hat das Bundesverfassungsgericht der Veranstaltung von Staatsrundfunk eine deutliche Absage erteilt168. Sachgegenständlich betrifft der Wirkungskreis massenkommunikativer staatlicher Öffentlichkeitsarbeit nur einen Teilbereich des durch Art. 5 Abs. l Satz 2 GG geschützten Sachbezirks. Staatliche Funktionsträger und Grundrechtsträger begegnen sich nur in einem Ausschnitt der (Gesamt-)Kommunikationsordnung. Dem Staat ist nicht alles das erlaubt, was dem Grundrechtsträger an Rechten zusteht. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages ist durch die Befugnis zur legislatorischen Selbstdarstellung legitimiert, aber auch hierdurch begrenzt.

168

Vgl. hierzu oben C., S. 23 ff.

F. Verfassungsrechtliche Direktiven für die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens Ist der Deutsche Bundestag kraft seines Rechts zur Selbstdarstellung zur Veranstaltung des Parlamentsfernsehens grundsätzlich berechtigt, muss geklärt werden, welche (Zulässigkeits-)Voraussetzungen für diese Form massenkommunikativer Öffentlichkeitsarbeit bestehen.

I. Wahrung der Zuständigkeit des Bundes Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist nur im Rahmen der grundgesetzlich vorgesehen Zuständigkeitsverteilung zulässig169. Als ein Mittel massenkommunikativer Selbstdarstellung des Deutschen Bundestages muss sich daher das Parlamentsfernsehen im Rahmen der Verbandskompetenz des Bundes und der Organkompetenz der gesetzgebenden Körperschaft bewegen. Hieraus ergibt sich ein im Vergleich zum Rundfunk deutlich begrenzter Sendeauftrag.

II. „Neutralitätsgebot“ bzw. Grundsatz der Chancengleichheit Für regierungsamtliche Öffentlichkeitsarbeit ist anerkannt, dass sie einem Neutralitätsgebot unterliegt170. Insbesondere im Vorfeld von Wahlen ist es der Regierung verwehrt, sich mit bestimmten politischen Parteien zu identifizieren und diese unter Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu unterstützen bzw. andere Parteien zu bekämpfen. Gleichwohl bleibt die Grenze zwischen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit und der Pflicht zur parteipolitischen Neutralität recht unscharf171. Öffentlichkeitsarbeit ist Selbstdarstellung. Diese erfolgt regelmäßig in Form einer Auseinandersetzung mit anderen in Staat und Gesellschaft vertretenen Auffassungen. Der Staat muss Position beziehen und diese vermitteln dürfen. Zur Neutralität im 169 Vgl. nur BVerfGE 44, 125 (149); 63, 230 (243 f.); 105, 253 (252); 105, 279 (306); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 240 ff. 170 Vgl. BVerfGE 44, 125 (149). 63, 230 (244); VerfGH NW, NVwZ 1992,467; HessStGH NVwZ 1992, 465; VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 302 ff. 171 Vgl. hierzu statt vieler Murswieck, DÖV 1982, 529 (536); Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 303; Studenroth, AöR (2000), 257 (266).

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F. Verfassungsrechtliche Direktiven

Sinne der Nichtidentifikation mit bestimmten Überzeugungen kann er im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit nicht verpflichtet sein. Gemeint ist letztlich ein Gebot zur sachorientierten Information, das vor allem im Vorfeld von Wahlen besondere Bedeutung erlangt. Das Neutralitätsprinzip im Sinne des Grundsatzes der Chancengleichheit gelangt im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments als Ganzes zur Anwendung172. Der Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen, der parlamentarischen Gruppen und der (fraktionslosen) Abgeordneten leitet sich aus der Gleichheit der Statusrechte im Sinne des Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG ab. Alle Mitglieder des Bundestages haben gleiche Rechte und Pflichten173. Für die Selbstdarstellung des Parlaments in Form des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages bedeutet dies: Solange und soweit das Parlamentsfernsehen im Wesentlichen nur Plenar- und Ausschusssitzungen überträgt, ergeben sich für die organisatorische Ausgestaltung des Parlamentsfernsehens aus dem Grundsatz der Chancengleichheit keine besonderen Anforderungen. Da „grundsätzlich jeder Ausschuss ein verkleinertes Abbild des Plenums“ sein und sich in „seiner Zusammensetzung die Zusammensetzung des Plenums widerspiegeln“174 muss, haben bei einer Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen durch das Parlamentsfernsehen alle Abgeordnete die gleichen Rechte. Die publizistische Entscheidungskompetenz des Parlamentsfernsehens beschränkt sich auf die Auswahl der zu übertragenen Ausschusssitzungen und auf die Bildregie175. Das Diskriminierungspotenzial ist vergleichsweise gering. Eine andere Bewertung könnte angezeigt sein, wenn das Parlamentsfernsehen zu einem umfassend berichtenden bundespolitischen Informationskanal ausgebaut werden sollte, der nicht nur Plenar- und Ausschusssitzungen überträgt, sondern auch Interviews mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Informationssendungen bzw. Gesprächsrunden mit bundespolitischem Bezug o. ä. enthält176. In diesem Fall avancierte das Parlamentsfernsehen zu einem nach professionellen publizistischen Standards arbeitenden bundespolitischen Informationssender. Bei 172 Für Fraktionen gesetzgebender Körperschaften kann dieses Neutralitätsgebot nicht gelten. Als „Parteien im Parlament“ sind Fraktionen notwendigerweise „parteiisch“. Fraktionen erfüllen ihre Aufgaben innerhalb der gesetzgebenden Körperschaft gerade dadurch, dass sie ihre eigenen politischen Standpunkte, Zielsetzungen und Lösungskonzepte herausarbeiten und präsentieren. Neutralität im Wettstreit der politischen Ideen und Konzepte ist schlechthin unmöglich; vgl. VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2003, 75 (79); VerfGH Rh-Pf, NVwZ 2007, 200 (201). 173 Vgl. BVerfGE 80, 188 (218); 84, 304 (322 f.); monografisch zur Rechtsstellung der Fraktionen Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen. 174 BVerfGE 80, 188 (222); 84, 304 (323); zur Fraktionsgleichheit vgl. grundlegend Hölscheidt, Das Recht der Parlamentsfraktionen, S. 339 ff.; siehe auch Zeh, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 52 Rn. 14 ff.; Geits, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, § 54 Rn. 42. 175 Vgl. hierzu oben B. II. 3., S. 19. 176 Vgl. hierzu B. III. 2., S. 21 f.

III. Verhältnis zu den Medien

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einer solchen Erweiterung des Funktionsauftrages des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages wäre dafür Sorge zu tragen, dass der Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen gewahrt bleibt.

III. Verhältnis zu den Medien Das Verhältnis des Parlamentsfernsehens zu den (elektronischen oder Print-) Medien bestimmt sich nach den für staatliche Öffentlichkeitsarbeit entwickelten Grundsätzen.

1. Keine Subsidiarität staatlicher Öffentlichkeitsarbeit Staatliche Öffentlichkeitsarbeit einerseits und Presse- sowie Rundfunkfreiheit andererseits beruhen auf unterschiedlichen Legitimationsgrundlagen. Beide Kommunikationsströme gehören zur grundgesetzlich gewährleisteten Kommunikationsordnung. Zwischen beiden besteht kein Subsidiaritätsverhältnis in dem Sinne, dass staatliche Öffentlichkeitsarbeit nur zulässig ist, wenn das legitime staatliche Kommunikationsbedürfnis durch die freie Berichterstattung von Rundfunk und Presse nicht befriedigt wird. Das Recht des Staates zur Selbstdarstellung besteht nicht nur, wenn über den Staat in Rundfunk und Presse zu wenig berichtet wird. Auch ist hierfür irrelevant, dass sich die Bundesregierung kraft ihres Verlautbarungsrechts im Rundfunk Gehör verschaffen kann177. Es gibt keinen Verfassungsgrundsatz des Inhalts, dass sich der Staat zuvörderst durch Medien darstellen lassen muss; er darf sich – ohne dass weitere Voraussetzungen gelten – auch selbst darstellen178. Dementsprechend hängt die Legitimation des Deutschen Bundestages zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens nicht davon ab, ob und in welchem Umfang (öffentlichrechtliche oder privatrechtliche) Rundfunkveranstalter aus dem Plenum und den Ausschüssen (live und vollständig) berichten. Das Recht des Deutschen Bundestages zur Selbstdarstellung gilt nicht nach Maßgabe des Engagements des Rundfunks. Es besteht ungeachtet der freien Berichterstattung durch den Rundfunk. 2. Transparenzgebot Öffentlichkeitsarbeit dient der Herstellung von Transparenz der Tätigkeit staatlicher Stellen und damit einem demokratischen Kernanliegen179. Aber auch die 177 Zu dieser Möglichkeit vgl. ausführlich Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 173 ff. 178 Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee / P. Kirchhof, HdbStR III, 2, Auflage, § 59 Rn. 173.

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F. Verfassungsrechtliche Direktiven

staatliche Öffentlichkeitsarbeit als solche unterliegt dem Gebot der Transparenz. Das Recht des Staates zur Selbstdarstellung beruht auf einer eigenständigen Legitimationsgrundlage, die von der Presse und Rundfunk vorbehaltenen grundrechtlich geschützten Legitimationsquelle strikt zu unterscheiden ist. Für staatliche Kommunikation einerseits und grundrechtlich gewährleistete Kommunikation andererseits gelten jeweils eigenständige Ordnungsprinzipien. Bereits aus diesem Grunde muss im Kommunikationsprozess klar zu Tage treten, wer für welchen Kommunikationsinhalt verantwortlich ist. Wirkt der Staat zum Zwecke der Selbstdarstellung auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess ein, muss seine Urheberschaft deutlich erkennbar sein180. Diesem Transparenzgebot genügt das vom Deutschen Bundestag veranstaltete Parlamentsfernsehen unzweifelhaft: Da die Öffentlichkeitsarbeit der gesetzgebenden Körperschaft unter der Flagge des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages segelt, ist für jedermann klar erkennbar, wer hinter den Kulissen des Informationskanals steht: der Deutsche Bundestag.

3. Präponderanz der grundrechtlich legitimierten Kommunikationsbeiträge im Kommunikationsprozess Die Legitimation des Staates, durch Öffentlichkeitsarbeit und durch andere Formen staatlicher Informationstätigkeit auf den individuellen und öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess einzuwirken, lässt die Frage in den Blickpunkt des Interesses rücken, ob das Grundgesetz Vorgaben für das Kräfteverhältnis zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Kommunikationsbeiträgen im Rahmen des Kommunikationsprozesses macht. Es besteht im gegebenen Zusammenhang kein Anlass, auf diese Frage näher einzugehen. Folgendes soll genügen: Von Verfassungs wegen wird man wohl verlangen müssen, dass staatlicher Informationstätigkeit im Rahmen des Kommunikationsprozesses nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Das Schwergewicht muss auf Kommunikationsinhalten liegen, die auf der Wahrnehmung grundrechtlich geschützter Freiheiten beruhen. Mit dem freiheitlichen Charakter des demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses dürfte es kaum vereinbar sein, wenn sich die Kommunikationsordnung schwerpunktmäßig aus staatlichen Informationsbeiträgen zusammensetzte. Letztlich fordert dass Bundesverfassungsgericht ein solches Kräfteverhältnis ein, wenn 179 Vgl. hierzu Leisner, Öffentlichkeitsarbeit der Regierung im Rechtsstaat, S. 83, der Transparenz der Regierungsarbeit als „Endzustand“ der repräsentativen Demokratie bezeichnet; zum Gebot der Publizität des Regierungshandelns ausführlich Schürmann, Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung, S. 130 ff. 180 Kooperationsformen zwischen Staat und Medien im Bereich des Parlamentsfernsehens begegnen daher erhebliche Bedenken. Sie dürfen allenfalls unter strikter Wahrung der vom Bundesverfassungsgericht für die Kooperation zwischen öffentlichrechtlichem und privatrechtlichem Rundfunk entwickelten Grundsätze zulässig sein, vgl. hierzu BVerfGE 83, 238 (305 ff.).

III. Verhältnis zu den Medien

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es betont, dass sich nach dem demokratischen Prinzip die Willensbildung vom Volk zum Staat vollziehen und der Meinungs- und Willensbildungsprozess des Volkes grundsätzlich „staatfrei“ müsse181. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages lässt dieses Kräfteverhältnis unberührt. Zum einen steht es jedem Rundfunkveranstalter frei, Plenums- und Ausschusssitzungen des Deutschen Bundestages live, kommentiert oder unkommentiert, gekürzt oder ungekürzt zu übertragen und auf diese Weise in publizistische Konkurrenz zu dem vom Deutschen Bundestag in Eigenregie veranstalteten Parlamentsfernsehen zu treten. Und zum anderen kann vor dem Hintergrund der gegenwärtigen und in absehbarer Zeit zu erwartenden (Zuschauer-)Reichweite des Parlamentsfernsehens nicht davon die Rede sein, dass der Deutsche Bundestag bestimmenden Einfluss auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozess erlangt.

4. Chancengleicher Zugang der Medien zum parlamentarischen Raum Die Wahrnehmung des Rechts staatlicher Stellen zur Selbstdarstellung berührt das Verhältnis des Staates zu den Medien. Je mehr sich der Staat selbst darstellt, desto geringer ist die Notwendigkeit, sich durch Medien darstellen zu lassen. Wenn man über eine eigene mediale Plattform verfügt, muss man die Plattform der klassischen Medien nicht zwingend betreten. Die Abhängigkeit des Staates von den Medien als Informationsvermittler sinkt in dem Maße, in dem der Staat selbst als Informationsträger in Erscheinung tritt. Hiermit korrespondierend nimmt die Bedeutung der Medien ab, wenn der Staat zum Berichterstatter in eigener Sache wird. Vor diesem Hintergrund kommt dem Grundsatz des chancengleichen Zugangs der Medien zum gesamten parlamentarischen Raum erhebliche Bedeutung zu. Hierbei geht es weniger um die Zurverfügungstellung des vom Deutschen Bundestag aufgezeichneten Bildmaterials zugunsten von Rundfunkveranstaltern182. Spannungen zwischen Staat und Medien dürften erst dann auftreten, wenn das Parlamentsfernsehen zu einem umfassend berichtenden Informationskanal mit bundespolitischem Bezug ausgebaut würde183 und hierbei publizistischen Erfolg hätte. In einem solchen Fall öffnete der Deutsche Bundestag seine Räumlichkeiten und damit Informationsquellen im Sinne Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG. Das Grundrecht der Informationsfreiheit gewährte den Medien prinzipiell freien Zugang zu den Räumlichkeiten des Deutschen Bundestages184. Jede Ungleichbehand181 182 183 184

Vgl. BVerfGE 20, 56 (99); 44, 125 (140); 78, 350 (363). Vgl. hierzu Mayntz, Zwischen Volk und Volksvertretung, S. 510 f. Vgl. hierzu B. III. 2., S. 21 f. Vgl. BVerfGE 103, 44 (59 f.).

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F. Verfassungsrechtliche Direktiven

lung der freien Medien im Vergleich zum eigenen Parlamentssender bedürfte der strikten Rechtfertigung, um vor dem Grundrecht der Informationsfreiheit Bestand zu haben. Eine unverhältnismäßige Erschwerung der freien Berichterstattung aus dem Bundestag wäre mit den Grundrechten der Informations- und Rundfunkfreiheit unvereinbar.

G. Ergebnis und Fazit Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages ist kein (unzulässiger) Staatsrundfunk, sondern (zulässige) Öffentlichkeitsarbeit. Die unkommentierte, „blanke“ Übertragung von Bundestags- und Ausschussdebatten ist Selbstdarstellung par excellence, die jeder staatlichen Stelle von Verfassungs wegen gestattet ist. Der selbstdarstellende Charakter des Parlamentsfernsehens ginge auch dann nicht verloren, wenn sich der Sender zu einem umfassend berichtenden bundespolitischen Informationskanal weiterentwickelte, der nicht nur Plenar- und Ausschusssitzungen überträgt, sondern auch Interviews mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Informationssendungen bzw. Gesprächsrunden mit bundespolitischem Bezug o. ä. enthält185. Solange und soweit der erforderliche (unmittelbare) Bezug zum Funktionskreis des Deutschen Bundestages besteht, wäre ein entsprechend ausgebautes Parlamentsfernsehen Ausdruck des Rechts des Parlaments zur Selbstdarstellung. In Ermangelung einer Qualifizierung als Rundfunk bedarf das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages keiner rundfunkrechtlichen Zulassung der nach Landesrundfunkrecht zuständigen Stelle (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV). Die Legitimation zur Veranstaltung des Parlamentsfernsehens beruht nicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 RStV. Sie folgt aus der Befugnis des Deutschen Bundestages zur Selbstdarstellung. Umgekehrt kommen dem Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages auch nicht die Kabelbelegungsregelungen des § 52 RStV zugute, die für bestimmte Rundfunkprogramme bzw. (Rundfunk-)Bouquets eine Einspeiseverpflichtung vorsehen (sogenannte must-carry-Bestimmungen). Der Bundestagsverwaltung bleibt es jedoch unbenommen, mit den Betreibern von Satelliten, BK-Netzen und DSLNetzen Einspeiseverträge abzuschließen, um das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages bundesweit (digital) verbreiten zu können. Soll das Parlamentsfernsehen in jedem Fernsehhaushalt empfangbar sein, muss es letztlich auch auf jeder TV-Vertriebsplattform vertreten sein186.

185 186

Vgl. hierzu B. III. 2., S. 21 f. Vgl. hierzu oben B. III. 1., S. 20 f.

Zusammenfassung in Thesen I. Gegenstand der Untersuchung Gegenstand der Untersuchung ist die Frage, ob das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages von Verfassungs wegen zulässig ist und bundesweit verbreitet werden darf.

II. Bestandsaufnahme und Zukunftsoptionen des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages Parlamentsfernsehen gibt es in mehreren Staaten in verschiedenen Erscheinungsformen. Parlamentsfernsehen kann zum einen von staatsfrei organisierten (privatrechtlichen bzw. öffentlichrechtlichen) Rundfunksendern veranstaltet werden187. Zum anderen kann der Staat in Eigenregie Parlamentsfernsehen verbreiten188. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages wird in Eigenregie des Parlaments veranstaltet. Die Verbreitung des Programms erfolgt derzeit über den Hauskanal des Deutschen Bundestages und die Verteilwege des Informationsverbundes Bonn-Berlin (IVBB), an die alle obersten Bundesbehörden angeschlossen sind. Darüber hinaus wird das Programm in das digitalisierte Breitbandkabelnetz (BK-Netz) in Berlin-Brandenburg und in das Internet eingespeist189. Das Programmangebot ist momentan im Wesentlichen auf die Übertragung von Plenarund Ausschusssitzungen des Deutschen Bundestages beschränkt190. Künftig soll das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages bundesweit empfangbar sein. Als Distributionswege stehen hierfür Satellit, (digitalisierte) BK-Netze und DSLNetze zur Verfügung191. In programmlicher Hinsicht wären Erweiterungen möglich. Denkbar wären Interviews mit Abgeordneten aus der Lobby des Deutschen Bundestages, Informationssendungen zu Gesetzesvorhaben, bundespolitischen Themen u. ä.192 187 188 189 190 191 192

B. I. 1., S. 15 f. B. I. 2., S. 16 f. B. II. 2., S. 18 f. B. II. 3., S. 19 f. B. III. 1., S. 20 f. B. III. 2., S. 21 f.

Zusammenfassung in Thesen

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III. Was ist dem Staat verboten? Veranstaltung von Rundfunk Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ist ein Fundamentalprinzip der grundgesetzlichen Kommunikationsordnung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedeutet der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, dass der Staat weder selbst Rundfunkveranstalter sein noch bestimmenden Einfluss auf das Programm der von ihm unabhängigen Veranstalter gewinnen darf193.

IV. Was ist dem Staat erlaubt? (Funktionsbezogene) Öffentlichkeitsarbeit 1. Staatlicher Informationstätigkeit kommt in der Informationsgesellschaft zunehmend größere Bedeutung zu194. 2. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist die klassische Erscheinungsform der Informationstätigkeit des Staates. Im Kern ist Öffentlichkeitsarbeit Selbstdarstellung des Staates. Ihre Legitimation fußt auf demokratischen Grundprinzipien des Verfassungsstaates. Zum einen erfüllt staatliche Öffentlichkeitsarbeit eine identifikationstiftende Funktion. Öffentlichkeitsarbeit ist auf die Schaffung und Erhaltung eines „Grundkonsenses“, d. h. eines weitgehenden Einverständnisses des Bürgers mit der grundgesetzlichen Staatsordnung gerichtet. Zum anderen soll staatliche Öffentlichkeitsarbeit den Bürger zur verantwortlichen Wahrnehmung seiner grundrechtlich geschützten Rechte und seiner staatsbürgerlichen Rechte (status activus) befähigen195. 3. Die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit beschränkt sich nicht auf die Regierung und Exekutive, sondern erfasst sämtliche Staatsgewalten. Alle drei Staatsgewalten, also gesetzgebende Körperschaften und ihre Untergliederungen196, Regierung und Verwaltung197 sowie Gerichte198, sind zur Öffentlichkeitsarbeit berechtigt. Zur Öffentlichkeitsarbeit bedienen sich die Parlamente – ebenso wie alle Staatsgewalten – ganz unterschiedlicher Informations- und Kommunikationswege. Die klassische Form der Öffentlichkeitsarbeit ist die Verbreitung entsprechender Druckschriften. Im Interesse des Zugangs einer möglichst breiten Öffentlichkeit, der Aktualität und der Kostenersparnis vollzieht sich ein wesentlicher Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Parlamente heute im Internet. Der Deutsche Bundestag 193 194 195 196 197 198

C., S. 23 ff. D. I., S. 27 f. D. II. 1., S. 28 ff. D. II. 2. a), S. 33 f. D. II. 2. b), S. 34 f. D. II. 2. c), S. 35 ff.

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Zusammenfassung in Thesen

bietet eine Vielzahl redaktionell gestalteter elektronischer Informations- und Kommunikationsdienste an199.

V. Zur Abgrenzung von verbotenem Staatsrundfunk und erlaubter Öffentlichkeitsarbeit 1. Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages erfüllt die begrifflichen Voraussetzungen des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Berichterstattung aus dem Plenum und aus den Ausschüssen wirkt auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess ein. Bereits in der Entscheidung über eine unkommentierte, „blanke“ Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen manifestiert sich ein Stück publizistischer Betätigung. Das gilt ebenfalls für die Auswahl der zu übertragenden Plenar- bzw Ausschusssitzungen. Und schließlich kommt der Bildregie bei der Übertragung (maßgebliche) meinungsbildende Bedeutung zu200. Dieses der individuellen und öffentlichen Meinungsbildung dienende Programm des Parlamentsfernsehens ist auch für den Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt201; weiter sind Video-Abrufdienste Rundfunk im verfassungsrechtlichen Sinne202. Und schließlich wird das Programm des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages auf elektromagnetischem Wege203 verbreitet204. Damit liegen die begrifflichen Voraussetzungen des Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vor. 2. Unzulässiger Staatsrundfunk (bzw. unzulässige Staatspresse) und zulässige Öffentlichkeitsarbeit lassen sich nicht durch schlichte Subsumtion unter die Merkmale des verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs (bzw. des verfassungsrechtlichen Pressebegriffs) abgrenzen. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit erfüllt regelmäßig die begrifflichen Voraussetzungen der Massenkommunikationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, ohne dass dadurch Rundfunk (bzw. Presse) vorliegt205. 3. Immer dann, wenn es sich funktional um staatliche Öffentlichkeitsarbeit handelt, liegt keine Rundfunkbetätigung (bzw. Pressetätigkeit) vor. Der Deutsche Bundestag ist zur Öffentlichkeitsarbeit durch die Befugnis zur Selbstdarstellung legitimiert und zugleich limitiert. Hieraus folgt, dass Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages dann, aber auch nur dann zulässig ist, wenn es Ausdruck der Selbstdarstellung der gesetzgebenden Gewalt ist. Der Deutsche Bundestag ist nicht zur gegenständlich allumfassenden Berichterstattung berechtigt. Vielmehr müssen 199 200 201 202 203 204 205

D. II. 2. b), vor und nach Fn. 93 (S. 38). E. I. 1., S. 41 ff. E. I. 3., S. 46 ff. E. I. 3., bei und nach Fn. 128 (S. 47). E. I. 4., S. 50. E. I. 2., S.46. E. II. 1., S. 50 ff.

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die Sendeinhalte des Parlamentsfernsehens einen (unmittelbaren) Bezug zum Funktionskreis des Deutschen Bundestages aufweisen. Der Charakter massenkommunikativer Selbstdarstellung bleibt unzweifelhaft gewahrt, wenn der Deutsche Bundestag in Form des Parlamentsfernsehens Debatten aus dem Plenum und aus den Ausschüssen in eigener Regie überträgt. Die unkommentierte, „blanke“ Übertragung von Parlaments- und Ausschusssitzungen ist eine massenkommunikative legislative Selbstrepräsentation par excellence206. Das Gleiche gälte, wenn das Parlamentsfernsehen zu einem umfassend berichtenden bundespolitischen Informationskanal ausgebaut werden sollte, der nicht nur Plenar- und Ausschusssitzungen überträgt, sondern auch Interviews mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Informationssendungen bzw. Gesprächsrunden mit bundespolitischem Bezug o. ä. enthält207. Auch unterhaltende Elemente kann ein Parlamentsfernsehen aufweisen208, solange und soweit der sachbezogene Informationsgehalt des Programms im Vordergrund steht209. Demgegenüber wäre die Veranstaltung eines (gegenständlich nicht begrenzten) Vollprogramms keine Selbstdarstellung des Parlaments und daher von seiner Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit nicht mehr gedeckt210.

VI. Verfassungsrechtliche Direktiven für die Veranstaltung des Parlamentsfernsehens 1. Als ein Mittel massenkommunikativer Selbstdarstellung des Deutschen Bundestages muss sich das Parlamentsfernsehen im Rahmen der Verbandskompetenz des Bundes und der Organkompetenz der gesetzgebenden Körperschaft bewegen211. 2. Sofern das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages zu einem umfassend berichtenden bundespolitischen Informationskanal ausgebaut werden sollte, der nicht nur Plenar- und Ausschusssitzungen überträgt, sondern auch Interviews mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, Informationssendungen bzw. Gesprächsrunden mit bundespolitischem Bezug o. ä. enthält, wäre der Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen zu wahren212. 3. In Ermangelung eines entsprechenden Subsidiaritätsverhältnisses hängt die Legitimation des Deutschen Bundestages zur Veranstaltung eines Parlamentsfernsehens nicht davon ab, ob und in welchem Umfang (öffentlichrechtliche oder privatrechtliche) Rundfunkveranstalter aus dem Plenum und den Ausschüssen (live 206 207 208 209 210 211 212

E. II. 2., S. 52 ff. E. II. 2., nach Fn. 161 (S. 53). E. II. 2., vor und nach Fn. 164 (S. 54). E. II. 2., nach Fn. 165 (S. 55). E. II. 2., vor und nach Fn. 167 (S. 56). F. I., S. 57. F. II., nach Fn. 175 (S. 58).

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und vollständig) berichten213. Dem für staatliche Öffentlichkeitsarbeit geltenden Transparenzgebot entspricht das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages214. Auch verschafft sich der Staat dadurch keinen – von Verfassungs wegen unvereinbaren – bestimmenden Einfluss auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozess215. Der chancengleiche Zugang der Medien zum parlamentarischen Raum ist zu gewährleisten216.

VII. Ergebnis und Fazit Da das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages keinen Rundfunk darstellt, bedarf es keiner rundfunkrechtlichen Zulassung der nach Landesrundfunkrecht zuständigen Stelle. Die Bundestagsverwaltung kann mit Betreibern von Satelliten, BK-Netzen und DSL-Netzen entsprechende Einspeiseverträge abschließen, um auf diese Weise die bundesweite (digitale) Verbreitung des Parlamentsfernsehens des Deutschen Bundestages zu ermöglichen217.

213 214 215 216 217

F. III. 1., S. 59. F. III. 2., S. 59 f. F. III. 3., S. 60 f. F. III. 4., S. 61 f. G., S. 63.

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