Die Stellung des Zeugen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages [1 ed.] 9783428511839, 9783428111831

Johann M. Plöd befasst sich mit einem zentralen Thema des am 26.06.2001 in Kraft getretenen Untersuchungsausschussgesetz

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German Pages 206 [207] Year 2003

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Die Stellung des Zeugen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages [1 ed.]
 9783428511839, 9783428111831

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Beiträge zum Parlamentsrecht

Band 58

Die Stellung des Zeugen in einem parlamentarischen Untersuchungsauschuss des Deutschen Bundestages

Von

Johann M. Plöd

Duncker & Humblot · Berlin

JOHANN M. PLÖD

Die Stellung des Zeugen in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages

Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von

Ulrich Karpen, Heinrich Oberreuter, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang Heyde, Joachim Linck Georg-Bemdt Oschatz, Hans-Peter Schneider Uwe Thaysen

Band 58

Die Stellung des Zeugen in einern parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages

Von

Johann M. Plöd

Duncker & Humblot . Berlin

Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D29 Alle Rechte vorbehalten

© 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 3-428-11183-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97060

Vorwort Die vorliegende Arbeit hat der Juristischen Fakultät der Friedrich-AlexanderUniversität Erlangen-Nürnberg im Wintersemester 2002/2003 als Dissertation vorgelegen. Sie versucht, die rechtliche und tatsächliche Stellung des Zeugen bei seiner Vernehmung durch einen Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages zu beleuchten. Dabei habe ich die Erfahrungen, die ich ab Juli 2000 als Mitglied der Arbeitsgruppe "Untersuchungsausschuss" der CDU 1CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag im Rahmen des "Parteispendenuntersuchungsausschusses" gemacht habe, verwertet. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Christian Hillgruber und Herrn Generalstaatsanwalt Prof. Dr. Heinz Stöckel, die die Arbeit durch zahlreiche Anregungen gefördert haben. Regensburg, im April 2003 Johann Michael Plöd

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung .... . . . ........ . . . .......... . ....... . . . ...... . ........ . . . .... . . . ..... . . . .

17

B. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

I. Der UA ein politisches Tribunal? .............................................

22

11. Lösungsansätze durch die Rechtsprechung ...................................

23

III. Lösungsansätze durch den Gesetzgeber. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

24

Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages ..........................

27

I. Untersuchungstypen .........................................................

27

1. Gesetzgebungsenqueten oder legislative Enqueten ........................

28

2. Kontrollenqueten im Exekutivbereich ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

3. Parlamentarische Untersuchungen im judikativen Bereich. . . . . . . . . . . . . . . . .

30

4. "Skandal-Enqueten" ......................................................

31

5. Kollegial-Enqueten .......................................................

32

11. Der UA als politisches Kampfinstrument nicht nur der Minderheit. . . .. . . . . . ..

32

D. Verfassungsrechtliche Grundlagen ...............................................

36

I. Die Entstehungsgeschichte von Art. 44 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

11. Die Stellung von Untersuchungsausschüssen gemäß Art. 44 GG ..............

37

III. Der Gegenstand der Untersuchungen .........................................

40

IV. Das Untersuchungsverfahren .................................................

41

c.

1. Die Aufgabe von Untersuchungsausschüssen..............................

41

2. Das Beweiserhebungsrecht ...............................................

42

3. Die Berücksichtigung des Betroffenenstatus bei der Beweiserhebung . . .. . .

45

V. Die Grenzen des Untersuchungsrechts .......................... . . . ...........

47

I. Die Begrenzungen entsprechend der Korollartheorie ......................

48

2. Die Beschränkungen durch das Gewaltenteilungsprinzip ..................

50

8

Inhaltsverzeichnis 3. Die zeitliche Begrenzung........................ . ........................

51

4. Die Beschränkung durch Grundrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

5. Die Beschränkung durch den Untersuchungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

54

VI. Der Unterschied zum gerichtlichen Verfahren ....... . ........................

55

1. Der UA ist kein Gericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

2. Der UA ist Teil des Parlaments ...........................................

55

3. Keine Ausschluss- bzw. Befangenheitsregeln .............................

56

4. Keine Verpflichtung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses .....

57

5. Kein streng normiertes justizförmiges Verfahren ..........................

57

6. Andere Verfahrensziele ...................................................

59

E. Die geschichtliche Entwicklung des Untersuchungsausschussrechts .............

61

I. Die Entwürfe eines Untersuchungsausschussgesetzes .........................

61

1. Die Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vom 4. 5.1961 ..................... ................

61

2. Der Entwurf der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages vom 14.5. 1969 (sogenannter IPA-Gesetzentwurf). ..........

62

3. Der Mustergesetzentwurf der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente von 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

4. Die Enquetekommission Verfassungsreform 1972 .........................

64

5. Die Empfehlungen der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages 1976 ..................................................

64

6. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 44 GG) und eines Gesetzes über das Untersuchungsverfahren des Deutschen Bundestages der CDU ICSU-Fraktion vom 14.11. 1977 ..................

65

7. Der interfraktionelle Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages von Abgeordneten der CDU I CSU, SPD und FDP ..................................

65

8. Der Entwurf eines Untersuchungsausschussgesetzes der SPD-Bundestagsfraktion ................................................. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

11. Die IPA-Regeln ..............................................................

66

Inhaltsverzeichnis

9

F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) .............................

68

I. Das Gesetzgebungsverfahren ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

11. Der Regelungsinhalt .........................................................

69

I. Die Berechtigung für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ....

71

2. Die Frist für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses .............

71

3. Die Form der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ................

72

4. Der Inhalt des Einsetzungsbeschlusses .......................... . .........

73

a) Der Untersuchungsgegenstand .... ,. . . . . . . . .. . . . . . . .. . . . . . . . .. . .. . . . . . .

73

b) Die Bestimmtheit des Untersuchungsantrags und -beschlusses .........

74

c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit .................... . ...........

76

5. Die personelle Besetzung des Untersuchungsausschusses .................

77

a) Der Vorsitz ............................................................

78

aal Der Vorsitzende. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

bb) Der stellvertretende Vorsitzende ................. . .... . ........ . ..

84

b) Die Mitglieder des Ausschusses ........... . .......... . .... . ...........

84

c) Die Anzahl der Mitglieder...... . .......... . ............... . ...........

85

6. Die Beschlussfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

7. Der Ermittlungsbeauftragte ....................... . .......................

87

8. Die Beweiserhebung ......................................................

91

a) Der Beweisbeschluss ..................................................

91

b) Der Antrag auf Beweiserhebung .......................................

92

c) Die Beweismittel......................................................

92

d) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen ..

93

e) Die Ablehnung der Erhebung bestimmter Beweise.....................

96

G. Die Vernehmung der Zeugen.....................................................

97

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen .................

97

I. Die Ladung der Zeugen ........ .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .

97

2. Die Folgen des Ausbleibens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

3. Der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand ......................... . ........ . .. 101 a) Kein eigenes Fragerecht, nur Beratung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Die Erklärungen zu prozessualen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Die Unterbrechung der Vernehmung................................... 103

10

Inhaltsverzeichnis d) Die Vorbereitung einer Stellungnahme des Zeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 e) Die Prüfung der gestellten Fragen auf ihre Zu lässigkeit im Rahmen des Untersuchungsauftrags ................................................ 103 f) Die Prüfung des Rechts auf Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerung ....

104

g) Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 h) Die Überprüfung des Protokolls ....................................... 105 4. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Die Regelung im PUAG ........................... . . .. .. . . ... . . . . . . . . . 107 b) Die bisherigen Überlegungen zum Betroffenenstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 c) Keine Berücksichtigung des Betroffenenstatus im PUAG .............. 113 d) Rechtliches Gehör. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5. Der Ausschluss bzw. die Ablehnung wegen Befangenheit.................

119

6. Der Gang der Vernehmung................................................ 124 a) Die Einzelvernehmung ................................................ 124 b) Die Belehrung durch den Vorsitzenden ................................ 127 c) Die Befreiung von der Schweigepflicht und die Aussagegenehmigung 128 d) Der Bericht des Zeugen im Zusammenhang............................ 129 e) Die Befragung des Zeugen ............................................ 129 aa) Die Reihenfolge der Befragung durch Ausschussmitglieder ....... 130 bb) Verbotene Vernehmungsmethoden ................................ 131 cc) Die Zulässigkeit von Fragen an Zeugen.......... . ................ 132 f) Die Wahrheitspflicht ..................................................

134

g) Grundlose Zeugnisverweigerung ...................................... 135 h) Die Öffentlichkeit ..................... . . . ........ . . . ...... . . . . . ....... 136 aa) Die Sitzungen zur Beratung .................... . ................ "

137

bb) Die Sitzungen zur Beweisaufnahme............................... 138 cc) Der Ausschluss der Öffentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 dd) Der Geheimschutz ................................................ 142 i) Der Abschluss der Vernehmung ......... . ........ . . . . . ...... . . . ....... 146 j) Die Vereidigung des Zeugen........................................... 147 7. Die Strafbarkeit einer Falschaussage...................................... 155 a) Die bisherige Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. .. . . . . . . . 156 d) Die Neufassung des § 153 StGB ....................................... 158 8. Der Rechtsschutz für Zeugen ............................................. 159

Inhaltsverzeichnis

11

11. Die tatsächliche Vernehmungssituation ....................................... 162 I. Der politische Hintergrund................................................

162

2. Die Presse vor dem Tagungsort ........................................... 163 3. Das Aufspüren und die Verfolgung von Zeugen durch Journalisten........ 164 4. Keine Gerichtsverhandlung, keinjustizförmiges Verfahren................ 165 a) Die Vernehmungs situation ............................................. 166 aa) Fotojournalisten vor dem Platz des Zeugen vor Beginn der Vernehmung ............................................................. 166 bb) Journalisten im Zuhörerraum ...................................... 167 cc) Zeichner aufSitzplätzen neben Abgeordneten..................... 167 dd) Essen und Trinken während der Vernehmung, Catering ............ 168 ee) Die fehlende Aufmerksamkeit der Verhörs personen ............... 168 ff) Zwischenrufe..................................................... 169 gg) Diskussionen über die Zulässigkeit von Fragen bzw. über die Zeugenaussagen ...................................................... 170 b) Die Vernehmungsmethoden ........................................... 172 aa) Kein neutraler Vorsitzender ....................................... 172 bb) Die Verhandlungsleitung .............................. . ........... 174 cc) Die Nichteinhaltung von Absprachen ............................. 175 dd) Der Zwang zum Erscheinen trotz eindeutig bestehenden Auskunftsverweigerungsrechts ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 ee) Die Anwendung des § 55 StPO ....... . ........................... 178 ff) Die Vernehmungstechnik .........................................

179

gg) Vorhalte aus Urkunden............................................ 180 hh) Beschimpfungen von Zeugen ..................................... 181 ii) Gezielte Informationen an Journalisten vor der Vernehmung ......

181

jj) Die Dauer der Vernehmung der Zeugen........................... 182 kk) Presseerklärungen von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses während der Vernehmung ......................................... 184 11) Die Vereidigung von Zeugen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

H. Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Die Fortschritte: ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 187 I. Die Stärkung der Minderheitenrechte ......... . ........................... 187

2. Der einheitliche Rechtsweg ............................................... 188

12

Inhaltsverzeichnis H. Die Regelungsdefizite ........................................................ 189 I. Keine Verfassungsänderung .................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

2. Der Vorsitzende / stellvertretende Vorsitzende ............................. 189 a) Keine Neutralität ...................................................... 189 b) Keine Stärkung der Stellung des Vorsitzenden durch das PUAG ....... 190 c) Keine Regelung im PUAG bezüglich der Qualifikation des Vorsitzenden.................................................................... 190 3. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses

190

a) Keine Begrenzung der Zahl der Mitglieder

190

b) Keine Präsenzpflicht .................................................. 191 c) Keine Regelung im PUAG über das Verhältnis zur Presse.............. 191 4. Die Zeugen ............................................................... 192 a) Die Behandlung der Zeugen im UA ................................... 192 b) Keine Regelung im PUAG zum "Betroffenenstatus" ................... 192 c) Kein Rechtsschutz für Zeugen ......................................... 193 III. Schlussbemerkung ... . .......... . . . ...... . . . ........ . . . ........ . . . ...... . .... 195 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 196 Personenregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 203 Sachregister ............................................................ . ............. 204

Abkürzungsverzeichnis a.A. a. a. O. AbgG Ab!. Abs. ADrs. a.F. AG AK-GG AK/StPO a.M. AnwBI. AöR Art. Aufl. Az. BadWürttStGH Ba-WüUAG BayUAG BayVBI. BayVerf BayVerfGH BayVerfGHE Bd. Bde. BGAG BGB BGB!. BGH BGHSt BK BR-Drs. BremStGH

anderer Ansicht am angegebenen Ort Abgeordnetengesetz Amtsblatt Absatz Ausschussdrucksache alte(r) Fassung Amtsgericht Alternativkommentar zum Grundgesetz Kommentar zur Strafprozessordnung in der Reihe Alternativkommentare, Hrsg. Wassermann anderer Meinung Anwaltsblatt: Nachrichten für die Mitglieder des Deutschen Anwaltsvereins e. V. Archiv des öffentlichen Rechts Artikel Auflage Aktenzeichen Baden-Württembergischer Staatsgerichtshof Baden-Württembergisches Untersuchungsausschussgesetz Bayerisches Untersuchungsausschussgesetz Bayerische Verwaltungsblätter Verfassung des Freistaates Bayern vom 2. 12. 1946 Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs Band Bände Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft Aktiengesellschaft, Frankfurt Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundesratsdrucksache (Nummer und Jahrgang) Bremer Staatsgerichtshof

Abkürzungsverzeichnis

14 BSHG BT-Drs. BVerfG BVerfGE BVerfGG BVerwG BVerwGE BWStGH CDU CSU ders. dg!. d. h. Diss. DJT DÖV DRiG DRiZ

Bundessozialhilfe-Gesetz Drucksache des Deutschen Bundestages (Wahlperiode und Nummer) Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union derselbe dergleichen das heißt Dissertation Deutscher Juristentag Die öffentliche Verwaltung Deutsches Richtergesetz

f., ff. FAZ

Deutsche Richterzeitung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 3. 1957 (BGB!. II, S. 766 ff.) i.d.E des Vertrages über die Europäische Union vom 7. 2. 1992 (BGB!. II S, 1253/ 1256) - Sartorius II Nr. 150 folgende Seite(n) Frankfurter Allgemeine Zeitung

ED.P. FG

Freiheitlich demokratische Partei Finanzgericht

Fn. FR FS GA

Fußnote Frankfurter Rundschau Festschrift Goldammer's Archiv für Strafrecht

GG ggfls. GOBT GVB!. GVG HbgVerfG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Sart. Nr. 1) gegebenenfalls Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Sart. Nr. 35) Gesetz- und Verordnungsblatt

Drs. DVB!. EGV

HdbDStR HchE h.L. h.M.

HessStGH Hrsg.

Gerichtsverfassungsgesetz (Schönfelder Nr. 95) Hamburger Verfassungsgericht Handbuch des Deutschen Staatsrechts Herrenchiemsee-Entwurf des Grundgesetzes herrschende Lehre herrschende Meinung Hessischer Staatsgerichtshof Herausgeber

15

Abkürzungsverzeichnis hrsg.

herausgegeben

Hs.

Halbsatz

i.d.E

in der Fassung

IPA

Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft

i.S.

im Sinne

i.S.d.

im Sinne des

i.S.v.

im Sinne von

i.Y.m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JuS

Juristische Schulung

JZ

Juristenzeitung

KK-Bearbeiter

Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz mit Einführungsgesetz, herausgegeben von G. Pfeiffer, 4. Aufl. 1998

KMR-Bearbeiter

Loseblattkommentar zur Strafprozessordnung, begründet von Kleinknecht I Müller I Reitberger, ab 1980 fortgeführt von Müller I Sax I Paulus; ab 1990 neu bearbeitet von Fezer I Paulus, nunmehr herausgegeben von v. Heintschel-Heineggl Stöckel

LG

Landgericht

LK-Bearbeiter

Leipziger Kommentar, hrsg. v. Jescheck, Ruß, Willms, 10. Aufl. 1988

LR-Bearbeiter

Löwe I Rosenberg, 25. Auflage

Strafprozessordnung,

herausgegeben

LT-Drs.

Drucksache des Landtages (Wahlperiode und Nummer)

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

M-G

Meyer-Goßner, Strafprozessordnung, 46. Aufl. 2003

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

NdsStGH

Niedersächsischer Staatsgerichtshof

n.E

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

von

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport

OLG

Oberlandesgericht

OrgA

Organisationsausschuss

OVG

Oberverwaltungsgericht

Rieß,

PUAG

Parlamentarisches Untersuchungsausschussgesetz

RiStBV

Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (MeyerGoßner, StPO, 46. Aufl. 2003, A 15)

Rn.

Randnummer

S.

Seite

SaarlLTG

Saarländisches Landtagsgesetz

Sart.

Sartorius Band I, Verfassungs- und Verwaltungs gesetze der Bundesrepublik Deutschlands

16

Abkürzungsverzeichnis

SK

Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, bearbeitet von Rudolphi, Frisch, Paeffgen, Rogall, Schlüchter, Wolter, WeßIau

sog.

sogenannte(r) Sozialdemokratische Partei Deutschlands

SPD StPO StV

Strafprozessordnung Strafverteidiger

SZ UA UAG u. a.

Süddeutsche Zeitung Untersuchungsausschuss Untersuchungsausschussgesetz unter anderem

u.U. VBIBW VG VGH

unter Umständen VerwaItungsblatt Baden-Württemberg Verwaltungs gericht Verwaltungs gerichtshof

vgl. VerwArch.

vergleiche Verwaltungsarchiv

VwVfg wistra WRV

Verwaltungsverfahrensgesetz Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Weimarer Reichsverfassung von 1919

z. B. ZBR

zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht

ZfP ZPari ZPO ZRP

Zeitschrift für Politik Zeitschrift für Parlamentsfragen Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik

A. Einleitung Die "Konjunktur" von Untersuchungsausschüssen wird in den letzten beiden Jahrzehnten sehr unterschiedlich bewertet. Im Jahre 1987 stellte Hilfl fest, "Untersuchungsausschüsse haben gegenwärtig Konjunktur, im Bund wie in den Ländern". Der Bundestag hatte damals in der 10. Legislaturperiode vier Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Müller-Boysen 2 kommt dagegen im Jahr 1990 zu dem Ergebnis, dass die Zahl der in den letzten Jahren in der Bundesrepublik eingesetzten Untersuchungsausschüsse im Gegensatz zu den Nachkriegsjahren sehr stark gesunken ist. Tatsächlich war in der ersten Wahlperiode die bisher höchste Zahl von Untersuchungsausschüssen, nämlich insgesamt neun, eingesetzt worden? Die Feststellung von Hilf wiederholen im Jahre 1993 Güther und Seiler4 mit der Steigerung, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag und in den Landesparlamenten "Hochkonjunktur" haben. Bis zum Jahre 2001 gab es im Deutschen Bundestag 33 Untersuchungs verfahren zuzüglich 12 Untersuchungen des Verteidigungsausschusses gemäß Art. 45 a Abs. 2 GG. 5 Ausgehend von den einzelnen Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages und ihrer praktischen Abwicklung gab es immer wieder Reformdiskussionen. 6 Die deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen und der Niedersächsische Landtag veranstalteten am 20. und 21. 11. 1987 eine Seminartagung zu dem Thema: "Bedarf das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse einer Reform?".7 Der 57. Deutsche Juristentag in Mainz hat sich im Jahre 1988 eingehend mit der Frage "Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?" befasst. 8 Immer bestand Einigkeit, Hilf, NVwZ 1987, S. 537. Müller-Boysen, Die Rechtsstellung des Betroffenen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, 1980, S. 13. 3 Schindler; Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages, 1949-1982, 1983,S.617. 4 GütherlSeiler; NStZ 1993, S. 305 ff.; vgl. auch Vetter; ZParl 1993, S. 211 ff., 221. 5 vgl. BT-Drs. 14/5790, S. 11; Schindler; Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 -1999, S. 2185. 6 Bötsch, Das Recht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, in: Parlamentarische Demokratie und Bewährung, FS für Schellknecht, 1984, S. 9 . 7 Bachmannl Radeck, Tagungsbericht, DVBl. 1988, S. 89 ff. 8 Bickel, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M; Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche I

2

2 Plöd

18

A. Einleitung

dass eine Neuordnung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse unerlässlich ist, weil die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 GG auf die sinngemäße Anwendung der Regeln über den Strafprozess höchst unzulänglich und ineffizient sei. 9 Trotz der zahlreichen Erfahrungen des Deutschen Bundestages mit Untersuchungsausschüssen, des Publikums- und Medieninteresses, das parlamentarische Untersuchungsausschüsse im politischen Alltag begleitet lO , trotz der Vielzahl von wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes zu dieser Thematik erschienen sind und die Arndt bereits im Jahre 1964 Anlass zur Feststellung gaben, dass "die Dissertationen eine Bibliothek füllen" II , und trotz zahlreicher gerichtlicher Entscheidungen l2 in Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen verhielt sich das Parlament sehr zögerlich mit der Reform des Untersuchungsausschussrechts. Die Reform - und damit die Kodifizierung - des parlamentarischen Untersuchungsrechts glich der Quadratur des Kreises. 13 Dem Verlangen nach dem Ausbau der Minderheitenrechte stand das Bestreben der Mehrheit gegenüber, die Verfahrensherrschaft rechtlich abzusichern. Forderte das Parlament eine freiere Gestaltung des Verfahrens, wollten die Betroffenen, vor Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. H, Teil M; Schräder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DIT, Bd. I, Teil E. 9 Baum, ZParl5 (1974), S. 530; Schräder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DIT, Bd. I, Teil E, Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Schröder, S. E 124, A. I. l.; Bickel, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DIT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, Thesen zum Referat, S. M 49, I. l.; Schneider, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DIT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. H, Teil M; Thesen zum Referat, S. M 91, H. 5; vgl. auch Kretschmer, DVBl. 1988, S. 811, 820; Damkowski, ZRP 1988, S. 340; Eschenburg, Institutionelle Sorgen in der Bundesrepublik, Politische Aufsätze 1957 -1961, S. 123, 124; Schenke, JZ 1988, S. 805 ff., der die Erkenntnis, dass eine neue Ordnung des Rechts der Untersuchungsausschüsse dringend geboten ist, schon seit langem als Allgemeingut bezeichnet; QuaaslZuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1875; Kempfl Richter, AnwBl. 2000, S. 513, 514. JO Kohlmann, JA 1984, S. 670. 11 Amdt, DRiZ 1964, S. 290 ff., 291; vgl. auch Kohlmann, JA 1984, S. 670. 12 Die Befassung der Gerichte mit einschlägigen Sachen ist seit Beginn der achtziger Jahre beträchtlich gestiegen. Vgl. Zusammenstellung bei Engels, in: Thaysen-Schüttemeyer (Hrsg.), Bedarf das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse einer Reform?, 1988, S. 285 ff.; HbgVerfG, NJW 1989, S. 1081; BremStGH, NVwZ 1989, S. 953; BadWürttStGH, VBIBW 1990, S. 51; OVG Münster, NJW 1989, S. 1103; OVG Bremen, NVwZ 1989, S. 1080; VG Hannover, NJW 1988, S. 1928; LG Frankfurt a.M., NVwZ 1989, S. 997; AG Bonn, NJW 1989,1101. 13 Busch, Parlamentarische Kontrolle: Ausgestaltung und Wirkung, 4. Aufl.1991, S. 132.

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allem aus dem privaten Bereich, eine präzise - und damit justiziable - Konkretisierung ihrer Rechte und Pflichten. Eylmann 14 fasste die Begründung für die stets unvollendet gebliebenen Reformvorschläge wie folgt zusammen: "Unsere Versuche sind letztlich immer daran gescheitert, dass die Regierungsparteien die naive Vorstellung haben, sie blieben Dauerregierungsparteien und sich die Opposition von der Vorstellung leiten ließ, dass sie immer Opposition bliebe. Daran ist es in der Tat jeweils gescheitert."

Die Aussage von Eylmann hat sich als richtig erwiesen. Nach dem Regierungswechsel im Jahre 1998 konnten sich am 4. 4. 2001 die Fraktionen des Deutschen Bundestages im Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) auf eine Beschlussempfehlung einigen, "der Bundestag wolle beschließen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 15 und den Gesetzentwurf der Abgeordneten Gerhardt, van Essen, Funke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der ED.P. 16 zusammenzuführen und in der als Anlage ersichtlichen Fassung anzunehmen".17 Diese einstimmige Beschlussempfehlung kam nach jahrzehntelangem Streit und sieben gescheiterten Anläufen überraschend zustande, obwohl das Klima zwischen den Koalitionsfraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DlE GRÜNEN und der CDU I CSU-Fraktion erheblich vergiftet war. Denn zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) war auf Bundesebene der 1. UA "Parteispenden" der 14. WP tätig, den der Deutsche Bundestag in seiner 76. Sitzung auf Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DlE GRÜNEN vom 23. 11. 1999 am 2. 12. 1999 einstimmig eingesetzt hatte. 18 In der Folgezeit hatten die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 901 DIE GRÜNEN am 1. 2. 2000 im Hessischen Landtag einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Überprüfung rechtswidriger Finanzierungspraktiken der CDU Hessen gestellt. 19 Dieser Antrag wurde in den Monaten Februar und März 2000 jeweils geändert bzw. ergänzt. 20 Im Bayerischen Landtag hatten am 23. 1. 2001 die Abgeordneten von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Prüfung unzulässiger staatlicher Einflussnahmen seitens bayerischer Amtsträger auf die strafrechtlichen Ermittlungen gegen Schreiber, Strauß, Pfahls, Holzer, 14 Eylmann, Gemeinsame Verfassungskommission, Protokoll der 13. Sitzung v. 26. 11. 1992, S. 11. 15 BT-Drs.14/2518. 16 BT-Drs. 14/2363. 17

BT-Drs.14/5790.

18

BT-Drs. 14/2139; BT-Plenarprot. 14/76. LT-Drs. 15198, Plenarprotokoll15 130. LT-Drs.15/1033und 15/1119.

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2*

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Leisler-Kiep, Maßmann, Haastert und Riedl beantragt. 2l Auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen 22 hatte der Bayerische Landtag in seiner Sitzung vom 15. 2. 2001 die Einsetzung des Untersuchungsausschusses beschlossen 23 . Am 5. 4. 2001 hatte das Abgeordnetenhaus in Berlin zu den Anträgen der Fraktion der CDU 24 , der SPD 25 , der PDS 26 und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN27 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge bei der Berliner Bankgesellschaft, der Landesbank Berlin und des Umgangs mit Parteispenden beschlossen.28 Der 1. UA der 14. WP29 sowie der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundes-

tages befassten sich im April 2001 mit den Ermittlungen der Sonder-Task-Force, die von Staatssekretär Diller im BMF zur Privatisierung bzw. zum Neubau der Erdölraffinerie in Leuna durch den französischen Konzern Elf-Aquitaine eingesetzt worden war. Die Vertreter der CDU /CSU-Fraktion erhoben im UA schwere Vorwürfe gegen den "Sonderermittler" Hirsch, der in seinem Abschlussbericht zu disziplinarrechtlichen Vorermittlungen über die Aktensuche im Bundeskanzleramt unter anderem festgestellt hatte, es seien im Bundeskanzleramt nach der verlorenen Bundestagswahl in einer gezielten Aktion zwei Drittel aller elektronischen Daten gelöscht worden. 3o Die Staatsanwaltschaft Bonn war zu diesem Zeitpunkt im Begriffe, ein Ermittlungsverfahren gegen zwei Mitarbeiter des Bundeskanzleramtes wegen des Verschwindens von Akten aus dem Bundeskanzleramt und wegen der Datenlöschungen einzustellen. 3l Der Obmann der CDU /CSU-Fraktion im UA sprach von einer "Diffamierungs- und Verleumdungskampagne,m, die aus dem Bundeskanzleramt gesteuert werde. Trotz dieser Auseinandersetzungen "gelang schließlich das Jahrhundertwerk in einem einzigartigen Akt der Verständigung aller im Bundestag vertretenen Parteien".33 Die Redner aller Fraktionen äußerten in der Aussprache zu dem Gesetzentwurf, dass mit dem PUAG die Sacharbeit in den Untersuchungsausschüssen gefördert wird und die Minderheitenrechte gestärkt werden. 34 21

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LT-Drs. 14/550l. LT-Drs. 14/5736. LT-Drs. 14/5770. Drs.14/107l. Drs. 1411054. Drs. 14/1066. Drs.1411060. Drs. 14/1122. Einsetzungsantrag BT-Drs. 14/2139, Ergänzungsantrag BT-Drs. 14/2686. FAZ v. 5. 4. 2001, S. 2. FAZ V. 4. 4. 2001, S. 4. FAZ V. 5. 4. 2001, S. 2. Schneider, NJW 2001, S. 2604. FAZ V. 7. 4.2001, S. I; SZ v. 7. /8. 4. 2001, S. 6.

A. Einleitung

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Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) wurde am 19. 6. 2001 vom Bundespräsidenten ausgefertigt und am 25. 6. 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet. Seit dem 26. 6. 2001 ist das PUAG in Kraft. 35 Das PUAG besteht aus Art. 1 (Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestags), Art. 2 (Änderung des Strafgesetzbuches) und Art. 3 (ln-Kraft-Treten). Aus dem Wortlaut des Art. 3 PUAG, der Gesetzesbegründung und dem Gesamtzusammenhang kommt der Wille des Gesetzgebers unmissverständlich zum Ausdruck, dass das neue Recht - Art. 1 und Art. 2 - auf den laufenden 1. UA der 14. WP keine Anwendung finden sol1. 36 Damit ist der Gesetzgeber zwar formal der Forderung nach Regelung des Rechts für Untersuchungsausschüsse im Deutschen Bundestag nachgekommen. Die inhaltliche Prüfung wird zeigen, ob der Gesetzgeber tatsächlich ein "Jahrhundertwerk" bei der Lösung der vielen Rechtsfragen geschaffen hat. Trotz der Vielzahl von wissenschaftlichen Erörterungen zum parlamentarischen Untersuchungsrecht 37 ist nunmehr eine Situation entstanden, die eine erneute Auseinandersetzung mit der Thematik gebietet. Hierbei soll einschränkend lediglich die Stellung des Zeugen in einem parlamentarischen UA des Deutschen Bundestages auf der Grundlage des PUAG rechtlich und insbesondere unter Berücksichtigung von Erfahrungen im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP in tatsächlicher Hinsicht überprüft werden.

BGB!. 2001 I Nr. 28, S. 1142 ff. Wie!elspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 18; Hamm, ZRP 2002, S. 11 ff., 13; Groß, ZRP 2002, S.91. 37 Vg!. Richter; Privatpersonen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, Diss. Köln 1990, S. 1. 35

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B. Problemdarstellung I. Der UA ein politisches Tribunal? Schueler hat in der "Zeit" vom 23.3. 1986 die Frage aufgeworfen: "Verkommen unsere parlamentarischen Untersuchungsausschüsse bei dem Versuch, politische Skandale aufzuklären, zu Wohlfahrtsausschüssen nach dem Muster der Französichen Revolution, denen es nicht um Schuld oder Unschuld, sondern nur noch um die Vernichtung des politischen Gegners geht?"l

Diese Frage ist im Fall "Orgaß" in Hamburg gestellt worden, wo in dem UA "Neue Heimat,,2 im Jahre 1983 Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundestagsabgeordneten Orgaß erhoben wurden, die Neue Heimat habe Orgaß Vergünstigungen eines Neue-Heimat-Mitarbeiters eingeräumt, auf die er damals keine Ansprüche gehabt habe. Die gestellte Frage ist wieder aktuell geworden. Denn es ist zu beobachten, dass Untersuchungsausschüsse zunehmend zu einem politischen Tribunal werden, in dem es weniger um die Suche nach einer objektiven als vielmehr nach einer (partei-) politisch angenehmen Wahrheit geht? Der hessische Ministerpräsident Koch hat es am 16. 11. 2001 abgelehnt, vor dem 1. UA "Partei spenden" der 14. WP den Eid zu leisten4 , wie vorher bereits der als Zeuge vernommene frühere Schatzmeister der CDU Leisler-Kiep5. Koch verwies darauf, dass der Antrag der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im UA, ihn zu vereidigen, nur darauf abzielt, ihn an den Pranger zu stellen. Er sprach von einem "Rufmord, der gegen ihn betrieben werde".6 Auch nach Ansicht von Wiefelspütz7 hätte es angesichts einer mehr als dreißigjährigen Parlamentspraxis, in der von der Vereidigung von Zeugen stets Abstand genommen wurde, nahe gelegen, auch im Parteispendenuntersuchungsausschuss auf Vereidigungen zu verzichten. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse haben sich im Rahmen der politischen Kontroverse bis heute mit der Lösung von schwierigen Rechtsfragen ausei1 Steffani, Betroffener als "Verfahrensobjekt"?: Der "Fall Orgaß" in Hamburg, ZParl 1989, S. 54 ff., 64. 2 UA "Neue Heimat", eingesetzt am 23.2. 1983, Bericht v. 7. 5. 1986, BT-Drs. 11/5900. 3 Glauben, DRiZ 1992, S. 395. 4 Vgl.SZv.17./l8.11.2oo1,S.5. 5 Vgl. "Blickpunkt Bundestag" 9 / 2002, S. 83. 6 SZ v. 17./18.11. 2001, S. 5. 7 WieJelspütz. ZRP 2002, S. 14 ff., 18.

11. Lösungsansätze durch die Rechtsprechung

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nander zu setzen. Immer wieder tauchen neue Probleme auf, wie z. B. die Frage der Vereidigung von Zeugen8 oder der Ablehnung von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wegen Befangenheit durch einen Zeugen.

11. Lösungsansätze durch die Rechtsprechung Es gibt zum Untersuchungsausschussrecht drei große Problemkreise, die Gegenstand von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts waren. Im Jahre 1984 befasste sich das BVerfG mit der Frage, ob sich das Beweiserhebungsrecht eines Untersuchungsausschusses des Bundestages nach Art. 44 GG auch auf das Recht der Vorlage von Akten durch die Bundesregierung erstreckt. 9 In Zusammenhang mit dem 3. UA "Neue Heimat" des 10. Deutschen Bundestages hat das BVerfG entschieden, dass die den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen eingeräumte Befugnis, die erforderlichen Beweise in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess zu erheben, Untersuchungsausschüsse berechtigt, gegen einen Zeugen, der grundlos das Zeugnis verweigert, Ordnungsgeld festzusetzen und zur Erzwingung des Zeugnisses die Anordnung von Ordnungshaft beim zuständigen Gericht unter Beachtung der Grundrechte des Betroffenen und insbesondere des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu beantragen. IO Bei der zuletzt genannten Entscheidung hatte sich das BVerfG eingehend mit den Pflichten eines Zeugen und andererseits mit den Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts auseinander zu setzen. Ausgangspunkt der rechtlichen Überlegungen war, dass die Zeugenpflicht nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht ist. 11 Am 8. 4. 2002 hat das BVerfG in einem Organstreitverfahren gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5,63 ff. BVerfGG entschieden, dass Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG der qualifizierten Minderheit im UA das Recht zur Beweiserhebung verleiht, dieses Recht auf angemessene Berücksichtigung der Beweisanträge der Minderheit auch in einer Mehrheitsenquete besteht und Beweisanträge der einsetzungsberechtigten Minderheit nur abgelehnt werden dürfen, wenn das Antragsrecht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt wird. 12 Die rechtlichen Schwierigkeiten bei der Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen in Untersuchungsausschüssen beruhen im wesentlichen darauf, dass Art. 44 Abs. 2 GG für die Beweiserhebung in Untersuchungsausschüssen die Vorschriften über den Strafprozess für sinngemäß anwendbar erklärt. Dies bedeutet, Vgl. Wiejelspütz. ZRP 2002. S. 14 ff. BVerfGE 67, 100 ff., sog. Flick-Entscheidung. 10 BVerfGE 76, 363 ff., sog. Lappas-Entscheidung. 11 BVerfGE 49,280. 284. 12 BVerfGE 105. 197 ff.

8 9

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B. Problemdarstellung

dass es für Untersuchungsausschüsse kein eigenes, mit der ZPO oder der StPO vergleichbares Verfahrensrecht gibt. Durch die Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess mit der Einschränkung, dass diese Vorschriften nur sinngemäß anwendbar sind, entstehen für die Beweiserhebung durch Zeugenvemehmung erhebliche Regelungslücken, die durch die Wesensverschiedenheit des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens im Verhältnis zum Strafprozess bedingt sind. Es besteht ein Spannungsfeld zum Aufklärungsinteresse des Parlaments, um eine wirksame Kontrolle der Regierung zu gewährleisten. Andererseits können aber die Nachforschungen von Untersuchungsausschüssen bis in die Privatsphäre des Staatsbürgers, der der Zeugenpflicht unterliegt, hineinreichen.

111. Lösungsansätze durch den Gesetzgeber Die überwiegende Anzahl der Bundesländer l3 hat durch Untersuchungsausschussgesetze versucht, den Interessenkonflikt zwischen dem Aufklärungsinteresse des Parlaments und dem Schutz der Grundrechte der Bürger zu lösen. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben unbestritten öffentliche Gewalt aus. 14 Über die in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG bezeichneten Schranken können Grundrechte das Beweiserhebungsrecht von Untersuchungsausschüssen einschränken. 15 Andererseits sollen aber die Normen der StPO, die Mitwirkungsrechte des Beschuldigten im Rahmen der Beweisaufnahme begründen, einer entsprechenden Anwendung auf das Verfahren parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nicht zugänglich sein. 16 13 Baden-Württemberg, Gesetz v. 3. 3. 1976, GBI. 1976, S. 194, zuletzt geändert durch Gesetz v. 11. 10. 1993, GBI. 1993,605; Bayern, Gesetz v. 23. 3. 1970, GVBI. 1970, 95, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23. 7. 1985, GVBI. 1985,246; BerIin, Gesetz v. 22. 6. 1970, GVB1.l970, 925, zuletzt geändert durch Gesetz v. 2. 11. 1993, GVBI. 1993,543; Brandenburg, Gesetz v. 17.5.1991, GVBI. 1991,68; Bremen, Gesetz v. 15. 11. 1982, GBI. 1982,329, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23. 2. 1988, GBI. 1988, 17; Mecklenburg-Vorpommern, Gesetz v. 10. 7. 1991, GVOBI. 1991, 242; Nordrhein-Westfalen, Gesetz v. 18. 12. 1984, GVNW 1985, 26, zuletzt geändert durch Gesetz v. 24. 4. 1990, GVNW 1990,250; Rheinland-Pfalz, Gesetz v. 18.9. 1990, GVBI. 1990,261; Saarland, §§ 38-59 Gesetz über den LT des Saarlandes v. 20. 6. 1973, ABI. 1973,517, zuletzt geändert durch Gesetz v. 14.3. 1990, AbI. 1990,422; Sachsen, Gesetz v. 12.2. 1991, GVBI. 1991,29; Sachsen-Anhalt, Gesetz v. 29. 10. 1992, GVBI. 1992, 757; Schleswig-Holstein, Gesetz v. 17. 4. 1993, GVOBI. 1993, 145; Thüringen, Gesetz v. 7. 2. 1991, GVBI. 1991,36. 14 BVerfGE 67, 100, 142; 76, 363; 77, 1,39,46; BayVerfGH, BayVBI. 1994, S. 463, 465; OVG Münster, NVwZ 1986, S. 575, 576; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 14; Stern, AöR 109 (1984),199,282 ff.; Scho[z, AöR 105 (1980), S. 564 ff., 576 ff.; Friedrich, Der parlamentarische Untersuchungsausschuss - Entwicklung, Stellung und Kompetenzen -, S. 97; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 49; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 90 ff.; Richter; AnwBI. 2000, S. 513, 514. 15 v. Mangold!/ Klein/ Achterberg / Schulte, Art. 44, Rn. 71. 16 OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 607; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 66 ff.; Gollwitzer, BayVBI. 1982, S. 417; ders., in: FS für Dünne-

IH. Lösungsansätze durch den Gesetzgeber

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Daher ist bei der Bewertung des PUAG von wesentlicher Bedeutung, ob der Zeuge ohne Einschränkung zu wahrheitsgemäßen Angaben vor dem UA verpflichtet ist oder ob dem Zeugen vom Gesetz der Status eines betroffenen Zeugen bzw. eines Beschuldigten zuerkannt wird, mit der Folge, dass er als Auskunftsperson nicht wie ein Zeuge, sondern wie ein Beschuldigter zu vernehmen ist. Der 57. DJT forderte, dass in ein Gesetz über Untersuchungsausschüsse "Bestimmungen zum Schutz betroffener Auskunftspersonen aufzunehmen" sind, wobei der Kreis der Betroffenen nicht durch das Untersuchungsziel, sondern durch ein konkretes Schutzbedürfnis bestimmt wird. 17 Eine Regelung des Betroffenenstatus hätte dann zwangsläufig auch die Frage zu lösen, ob ein verdächtiger Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht entsprechend § 55 StPO gegenüber dem UA geltend machen bzw. ob er durch Ordnungsrnaßnahmen zu einer Aussage gezwungen werden kann. Als weitere Konsequenz ergäben sich aus der Lösung dieser Frage Aussagen darüber, ob ein betroffener Zeuge von einem UA vereidigt werden kann bzw. ob sich dieser Zeuge auf ein Eidesverweigerungsrecht analog § 60 Nr. 2 StPO berufen kann. Diese Fragen sind gerade im 1. UA der 14. WP virulent geworden, da die Ausschussmehrheit, nämlich die Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die Beeidigung der Zeugen Leisler-Kiep, des hessischen Ministerpräsidenten Koch und des Bundeskanzlers a. D. Kohl beschlossen und diese Zeugen teilweise die Leistung des Eides unter Berufung aus ihren Status als "Beschuldigte" bzw. "Betroffene" abgelehnt haben, nachdem frühere Untersuchungsausschüsse auf die Beeidigung von Zeugen verzichtet hatten. 18 Die Lösung dieser Rechtsfragen steht auch in Zusammenhang mit der weiteren Frage, welche Mitwirkungsrechte ein betroffener Zeuge im Untersuchungsverfahren geltend machen kann. Solange die Tradition des rechtlichen Gehörs im deutschen Recht zurückreicht l9 , ist die Maxime erst nach 1945 in die Verfassung aufgenommen worden. Die entscheidende Bedeutung der Verfassungs garantie liegt darin, dass sie das rechtliche Gehör als Prinzip in das Bewusstsein hebt, als Essentiale eines rechtlich geregelten Verfahrens. Herkömmliche Erscheinungsformen des Rechts auf Gehör, wie einzelne Informations-, Äußerungs-, Mitwirkungs- und bier, 1982, S. 333; Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1875, 1878; Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 488, S. 50; v. Mangoldt/ Klein/Achterberg / Schulte, Bd. 6, Art. 44, Rn. 125; Wohlers, NVwZ 1994, S. 40, 41; vgl. auch Fn. 149. 17 Schräder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. I, Teil E, Thesen zum Gutachten von Prof. Dr. Schröder, S. E 124, 125, B. 1. 6. 18 Nähere Erörterung zum Betroffenenstatus siehe G. I. 4. b) und c), zur Vereidigung von Zeugen siehe G. 1. 6. j). 19 Zu den verschiedenen Etappen Rüping, Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs und seine Bedeutung im Strafverfahren, Strafrechtliche Abhandlungen-Neue Folge, Bd. 26, S. 13 ff.

B. Problemdarstellung

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Beteiligungsrechte, erhalten auf diese Weise einen anderen Stellenwert,z° Zwar wurde in Untersuchungsausschüssen bereits bisher Zeugen rechtliches Gehör zum Abschlussbericht gewährt; offen blieb aber, ob ein betroffener Zeuge berechtigt ist, Anträge im UA zu stellen, und ob ihm ein Anwesenheitsrecht während der Beweisaufnahme zusteht. Wenn man dem betroffenen Zeugen den Status eines "Beschuldigten" in einem Strafverfahren einräumt, ergeben sich insoweit Lösungsansätze aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess nach Art. 44 Abs. 2 GG. Mit dieser Arbeit soll untersucht werden, ob das PUAG inhaltlich einen Fortschritt bringt, indem es befriedigende Antworten bei der Lösung folgender Problemkreise gibt oder ob nur einige Randkorrekturen den bestehenden Rechtszustand festschreiben: - Beschränkt sich das PUAG lediglich auf ein "Ausführungsgesetz" zu Art. 44 GG? - Hat der Gesetzgeber bei den einzelnen Regelungen im PUAG die vom GG vorgegebene strenge Trennung zwischen Tatsachenfeststellung durch Beweiserhebung und politischer Bewertung der festgestellten Tatsachen vorgenommen? - Unterscheidet das PUAG zwischen Zeugen, betroffenen Zeugen oder Beschuldigten? - Enthält das PUAG Bestimmungen zum Schutz von betroffenen Auskunftspersonen? - Ist gewährleistet, dass sich ein Zeuge eines Rechtsbeistands bedienen kann? - Wie sichert das PUAG die Mitwirkungsrechte eines betroffenen Zeugen bzw. eines Beschuldigten? - Wie ist die Frage der Vereidigung von Zeugen im PUAG gelöst? Da die Stellung von Zeugen sehr stark von dem jeweiligen Untersuchungsgegenstand abhängig ist, sollen zunächst die verschiedenen Typen von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages dargestellt werden.

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Rüping, NVwZ 1985, S. 304 ff.

c. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages Nach der 1. WP des Deutschen Bundestages zwischen den Jahren 1949 und 1953 flachte das Interesse, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, deutlich ab. Erst ab der 10. WP stieg die Anzahl der Untersuchungsausschüsse wieder an. In den Jahren 1983 bis 1987 beschäftigten sich Untersuchungsausschüsse mit der FlickSpendenäffäre l , dem Fall "Tiedge,,2, dem Thema "Neue Heimat,,3 und der U-BootAffare4 . Der U-Boot-UA wurde bis zum Ende der 10. WP nicht abgeschlossen und in der 11. WP erneut eingesetzt. 5 Der 2. UA der 11. WP beschäftigte sich mit dem "Transnuklear / Atomskandal,,6. In der 12. WP tagten der UA "Kommerzielle Koordinierung,,7, der Treuhand-UA8 und der Aids- UA9 . In der 13. WP waren der Plutonium- UA 10 und der UA "DDR-Vermögen" II eingesetzt. Diese Auflistung zeigt, dass sich Untersuchungsausschüsse mit sehr unterschiedlichen Themenbereichen befassen und daher verschiedene Untersuchungstypen zu unterscheiden sind.

I. Untersuchungstypen Der Bundestag hat nach Art. 44 Abs. 1 GG das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht, einen DA einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die Beweise erhebt. Der Bundestag übt sein eigenes Enquete-Recht durch einen DA aus. Daher ist er auch verpflichtet, den Gegenstand und die AbEinsetzungsantrag BT-Drs. 10 /34, Abschlussbericht BT-Drs. 10 /5079. Einsetzungsantrag BT-Drs. 103906 neu, Abschlussbericht BT-Drs. 10/6584. 3 Einsetzungsantrag BT-Drs. 10 / 5575, Abschlussbericht BT-Drs. 10/6679. 4 Einsetzungsantrag BT-Drs. 10 / 6709. 5 Einsetzungsantrag BT-Drs. 11/50, Abschlussbericht BT-Drs. 11/8109 mit Ergänzung BT-Drs. 111 8176. 6 Einsetzungsantrag BT-Drs. 11 / 1680, 11 / 1683, Abschlussbericht 11 /7800. 7 Abschlussbericht BT-Drs. 12/7600, vgl. auch Fn. 454. 8 Einsetzungsantrag BT-Drs. 12/5768, Abschlussbericht BT-Drs. 12/8404. 9 Einsetzungsbeschluss BT-Drs. 12/6048, Abschlussbericht 12/8591. 10 VA: Der nukleare Schwarzmarkt und der Münchner Plutoniumfall, Einsetzungsanträge BT-Drs. 13/1176, BT-Drs. 13/1196, BT-Drs. 13/1202, zusammengefasst zu einem Antrag BT-Drs. 13/1323, Abschlussbericht BT-Drs. 13/10800. 11 EinsetzungsanträgeBT-Drs. (ursprünglicher VA 12/654) 13/1871, 13/1833, 13/2484, 13/4698, 13/5233, Abschlussbericht BT-Drs. 13 /10900. I

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C. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

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grenzung seiner Untersuchung nicht dem UA zu überlassen, sondern jeweils selbst im Einsetzungsbeschluss genau zu bestimmen, wobei eine spätere Änderung oder Ergänzung nicht ausgeschlossen ist. 12 Im Hinblick auf unterschiedliche Untersuchungsgegenstände und Untersuchungszwecke wird bei Untersuchungsausschüssen zwischen Informations-, Kontroll- und den in der Praxis im Vordergrund stehenden Missbrauchs-(Skandal-)Enqueten unterschieden. 13 Schulte hält diese Bezeichnungen mit guten Gründen für unpräzise l4 , da z. B. bei der Skandal-Enquete lediglich auf den Eindruck abgestellt wird, den der Untersuchungsgegenstand in der Öffentlichkeit zu hinterlassen vermag, ohne dass damit ausgedrückt ist, welches Untersuchungsobjekt von ihr betroffen ist. Er gliedert deshalb nach Untersuchungsgegenständen, insbesondere, ob diese den Bereich der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt oder der Rechtsprechung betreffen, sowie nach Untersuchungen, die parlamentarische Angelegenheiten oder solche des öffentlichen Lebens betreffen, wobei allerdings solche Typologien keine rechtliche Bedeutung haben, im Gegensatz zur Einteilung in Minderheits- und Mehrheitsenqueten. 15

1. Gesetzgebungsenqueten oder legislative Enqueten

Gesetzgebungsenqueten oder legislative Enqueten verfolgen das Ziel, dem Parlament für seine Gesetzgebungstätigkeit auf gewissen Gebieten Tatsachen, insbesondere statistisches Material zu liefern. 16 Dabei werden umfangreiche Sachkomplexe durchforstet und Empfehlungen für eine Reform gesetzlicher Bestimmungen vorbereitet. Ein Beispiel dafür ist der 2. UA in der 2. WP, der die Bereinigung des Reichs- und Bundesrechts aufbereitete. I? Im Gesetzgebungsbereich wurden die Gesetzgebungsenqueten aber von den Enquete-Kommissionen abgelöst. Mit der Enquete-Kommission gemäß § 56 GOBT und den öffentlichen Anhörungen in Fachausschüssen gemäß § 70 GOBT (sog. Hearings) stehen geeignetere und effektivere Instrumente zur Verfügung. 18 Enquete-Kommissionen unterscheiden sich sowohl in ihrer Zusammensetzung als auch hinsichtlich ihrer Befugnisse erheblich von Untersuchungsausschüssen. Während ein UA nur aus den von den Fraktionen benannten Abgeordneten besteht, macht eine Enquete-Kommission durch die Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 44, Rn. 10, I!. BayVerfGH, NVwZ 1995, S. 681 ff., 685; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 16; Achterberg, Parlamentsrecht 1984, S. 160 ff.; vgl. auch Pabel, NJW 2000, S. 788; Friedrich, Der parlamentarische Untersuchungsausschuss - Entwicklung, Stellung und Kompetenzen -, S. 40; Schindler, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 46, Rn. 6; Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 35, 36. 14 v. Mangoldt/ Klein/ Achterberg/Schulte, Bd. 6, Art. 44, Rn. 9. 15 Schindler, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, § 46, Rn. 7, 20 ff. 16 Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 38. 17 Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 13. 18 Maurer, Staatsrecht I, 2. Aufl. 2001, S. 459, Rn. 135. 12 13

I. Untersuchungstypen

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gleichberechtigte Mitgliedschaft von Fachleuten den in Wissenschaft und Praxis vorhandenen Sachverstand für ihre Tätigkeit fruchtbar. Enquete-Kommissionen sind eine Art Planungsinstrument des Bundestages, mit denen gesetzgeberische Entscheidungen langfristig vorbereitet werden. Enquete-Kommissionen sind nicht in die Gesetzgebungsarbeit eingebunden. Ihre Tätigkeit wird nicht vom fraktionspolitischen Stellungskrieg und auch nicht von Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Regierung, sondern von einem an einer sachgerechten Auftragserfüllung, stellenweise auch von einem wissenschaftlich orientierten Erkenntnisinteresse geprägt. 19 Enquete-Kommissionen haben keine Beweiserhebungsbefugnisse wie Untersuchungsausschüsse. Dies gilt insbesondere für die Einholung von Auskünften und Stellungnahmen aus dem privaten Bereich. § 56 GaBT eröffnet nur die Möglichkeit, Enquete-Kommissionen einzurichten, beschränkt aber nicht das Tätigkeitsfeld von Untersuchungsausschüssen. 2o

2. Kontrollenqueten im Exekutivbereich Im Exekutivbereich sind die Kontrollenqueten anzusiedeln. Die überwiegende Anzahl von Untersuchungsausschüssen hat zum Gegenstand der Untersuchung, dass ein bestimmtes Verhalten der Bundesregierung und der ihr nachgeordneten Behörden untersucht werden soll. Zie1richtung ist die Kontrolle der Regierung. Es ist Aufgabe des Parlaments, das gesamte Handeln der Regierung und der Verwaltung hinsichtlich etwaiger Gesetzesverstöße und Pflichtverletzungen zu überwachen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung gebietet "eine Auslegung des GG dahin, dass die parlamentarische Kontrolle wirksam sein kann".21 Zur Kontrolle stehen dem Parlament verschiedene Wege offen. Im Vordergrund stehen die Anfragen an die Bundesregierung. Nach Anlage 4 zur GaBT werden in jeder Sitzungswoche des Bundestages Fragestunden mit einer Gesamtdauer von höchstens 180 Minuten durchgeführt. Jedes Mitglied des Bundestages ist berechtigt, für die Fragestunden einer Sitzungswoche bis zu zwei Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten?2 Darüber hinaus kann jedes Mitglied des Bundestages in jedem Monat bis zu vier Fragen zur schriftlichen Beantwortung an die Bundesregierung zu richten. Diese schriftlichen Fragen sind von der Bundesregierung binnen einer Woche nach Eingang beim Bundeskanzleramt zu beantworten. 23 Das Parlament kann aber auch einen UA einsetzen, dessen Untersuchungen sich gegenständlich im Exekutivbereich auf sämtliche Ressorts erstrecken können. Es wäre unzutreffend, wenn man die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses le19 20 21 22

23

Busch, Parlamentarische Kontrolle. Ausgestaltung und Wirkung, 4. Aufl. 1991, S. 110. Weingärtner, ZRP 1991, S. 232.

BVerfGE 67, 100, 130.

Anlage 4 zur GOBT Nr. 1. Anlage 4 zur GOBT Nr. 13.

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C. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

diglich als Waffe der Opposition gegen die die Regierung tragende Parlamentsmehrheit ansehen würde, wie der 1. UA "Parteispenden" der 14. WP gezeigt hat. Dieser UA untersuchte auf Betreiben der die Bundesregierung tragenden Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ob im Zusammenhang mit dem Verkauf von 36 Spürpanzern vom Typ "Fuchs" an Saudi Arabien und der Lieferung aus Beständen der Bundeswehr im Jahre 1992, mit der Privatisierung bzw. dem Neubau der Erdölraffinerie in Leuna und mit der Veräußerung des Minol-Tankstellen-Netzes, der Lieferung von Flugzeugen durch die Airbus GmbH an kanadische und thailändische Fluggesellschaften Ende der achtziger / Anfang der neunziger Jahre, der Lieferung von MBB-Hubschraubern an die kanadische Küstenwache in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre durch Zuwendungen gegen die Bestimmungen des Parteiengesetzes, gegen Amts- und Dienstpflichten, internationales Recht oder internationale Verträge verstoßen worden ist, ob durch die steuerliche Behandlung solcher Zuwendungen oder durch unrechtmäßige Zahlungen aus öffentlichen Haushalten die öffentliche Hand belastet wurde, ob und welche Personen von solchen Zuwendungen, den mit den Zahlungen verbundenen Geldflüssen, von den Vorteilsgewährungen und der steuerlichen Behandlung der Zuwendungen Kenntnis hatten. Ein weiteres Beispiel für eine Kontrollenquete ist der U-Boot-UA, in dem geklärt werden sollte, ob Mitglieder der Bundesregierung oder Bundesbehörden über die rechtswidrige Lieferung von Konstruktionsunterlagen für den Bau von Unterseebooten an die Republik Südafrika unterrichtet und mit diesem Vorgang befasst waren. Eine ständige Kontrolleinrichtung gegenüber der Regierung ist der Verteidigungsausschuss (Art. 45 a GG), der als besonderes Überwachungsorgan neben dem Wehrbeauftragten (Art. 45 b GG) die Wehrkontrolle ständig wahrnimmt.

3. Parlamentarische Untersuchungen im judikativen Bereich Im judikativen Bereich sind zwar ebenfalls parlamentarische Untersuchungen zulässig, aber nicht unbegrenzt. 24 Das Untersuchungsrecht ist dadurch beschränkt, dass wegen der Garantie der richterlichen Unabhängigkeit parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht in laufende gerichtliche Verfahren eingreifen dürfen. Außerdem kann nicht eine einzelne Gerichtsentscheidung als solche zum Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gemacht werden. 25 Außer Streit ist inzwischen, dass UA-Verfahren und Gerichtsverfahren, insbesondere strafrechtliche Ermittlungen und Strafverfahren, neben einander geführt werden können. 26 Die Parallelität der beiden Verfahren kann im Einzelfall erhebliche SeifertlHömig, Art. 44, Rn. 2. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 44, Rn. 14. 26 OLG Köln, NJW 1985, S. 336; Friedrich, Der parlamentarische Untersuchungsausschuss - Entwicklung, Stellung und Kompetenzen -, S. 88; z. B. wurde der Zeuge Maßmann im 1. UA der 14. WP vernommen, während er seit November 2001 in einem Strafverfahren vor dem LG Augsburg vor Gericht stand. 24

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I. Untersuchungstypen

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Schwierigkeiten bereiten, wenn ein UA staatsanwaltschaftliche Ermittlungsakten bzw. die gerichtlichen Akten beiziehen will. Das Untersuchungsverfahren darf dabei nicht zu einer Behinderung der Rechtspflege führen.

4. "Skandal-Enqueten"

Mit der Bezeichnung "Skandal-Enquete" wird umschrieben, dass sich das Parlament und damit auch ein UA mit Missständen in allen Bereichen des öffentlichen Lebens befassen darf, da dem Parlament insgesamt die politische Leitungs-, Führungs- und Kontrollfunktion zukommt. Die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses reicht über den engen Bereich der Regierungskontrolle hinaus. Beispielsweise befasste sich in der 1. WP ein UA mit der Grubenkatastrophe auf der Zeche Dahlbusch. 27 Der Trans-Nuklear-UA überprüfte in der 11. WP, ob Vorstand, Geschäftsführer oder Mitarbeiter von in Hanau ansässigen Unternehmen gegen atomrechtliche Bestimmungen verstoßen haben. 28 Die von Untersuchungsausschüssen durchgeführten Skandal-Enqueten dienen heute auch der Aufdeckung von Missständen, die nicht nur in dem engeren staatlichen Sektor angesiedelt sind, sondern zumindest auch dem privaten Bereich zuzuordnen sind, was zur Folge hat, dass in verstärktem Maße durch Untersuchungsausschüsse Eingriffe in den Rechtsstatus Privater erfolgen. Man spricht dann von privatgerichteten Skandal-Enqueten. 29 Erstmals war im Jahre 1986 das Geschäftsgebaren der "Neuen Heimat" als privates Unternehmen unmittelbar Gegenstand eines Untersuchungsausschusses durch den 3. UA der 10. WP. 30 Ziel des Untersuchungsausschusses war die Aufdeckung von Missständen in der Unternehmungsführung, insbesondere von Verstößen gegen Bundesrecht und von Einflussnahmen auf die Bundesregierung und den Bundestag mit dem Ziel, Bundesrecht in einer die Neue Heimat bzw. die Beteiligungsgesellschaft für Gemeinwirtschaft (BGAG) begünstigenden Weise zu schaffen oder zu ändern, und die Vorbereitung etwaiger Gesetzesinitiativen, so der Einsetzungsbeschluss. Der sog. Flick-UA 3 ! untersuchte in der 10. WP u. a. Parteispenden privater Personen und Unternehmen und etwaige damit verfolgte Absichten, wobei dem UA teilweise bereits die Kompetenz abgestritten wurde, Vorgänge im privaten Bereich aufzuklären?2 Diese Entwicklung erklärt die Forderung nach einer verfahrensmäßigen Aufwertung der Rechtsstellung von betroffenen Zeugen. 33 Durch gegen Private gerichtete Untersuchungen werden die Interessen von GrundrechtsträEinsetzungsbeschluss BT-Drs. 1/980. Einsetzungsantrag BT-Drs. 11 / 1680 und 11 / 1683, Abschlussbericht BT-Drs. 11/7800. 29 Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 14. 30 BT-Drs. 10/5575. 31 Einsetzungsbeschluss BT-Drs. 10 / 34, Abschlussbericht BT-Drs. 10 / 5079. 32 Vgl. FAZ v. 1. 10. 1986 und 17. 10. 1986, Position der Neuen Heimat bzw. der Gewerkschaftsholding BGAG zum UA "Neue Heimat" des Deutschen Bundestages. 33 Schenke, JZ 1988, S. 805, 806. 27

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32

C. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

gern zentral berührt. Solche Untersuchungen werden leicht zum öffentlichen Tribunal mit einem Grad von Publizität, den normalerweise kein Strafverfahren hat. Beispiele dafür sind die Vernehmungen des Zeugen Holzer, der Eheleute Ehlerding, des Medienkaufmanns Kirch und des Zeugen Schreiber im I. UA der 14. WP, die ein lebhaftes Presseecho ausgelöst haben.

5. Kollegial-Enqueten

Enqueten in Kollegialsachen untersuchen innerparlamentarische Ordnungsfragen, insbesondere das Verhalten von Bundestagsabgeordneten. Z. B. hatte der Wienand-UA, der auf Antrag der CDU / CSU-Fraktion in der 7. WP 1972 bis 1976 eingesetzt worden war34 , zu untersuchen, ob Entscheidungen von Mitgliedern des Bundestages der 6. WP bei der Abstimmung über das konstruktive Misstrauensvotum gegen den damaligen Bundeskanzler Brandt und über die Ostverträge durch geldwerte Zuwendungen beeinflusst worden waren. Im Rahmen einer Kollegialenquete hat der Bundestag auch die Legitimität des Mandats von Abgeordneten untersucht, die einer Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit/ Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik verdächtig waren. Allerdings wurde mit der Untersuchung nicht ein UA, sondern der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (I. Ausschuss) beauftragt. 35 Zwischenergebnis:

Sowohl bei Kontrollenqueten als auch bei Skandal- und Kollegial-Enqueten können Zeugen sehr leicht in die Stellung eines betroffenen Zeugen oder sogar eines Beschuldigten kommen. Dies hängt lediglich davon, inwieweit sie in den zu untersuchenden Vorgang involviert sind. Die Zielrichtung eines Untersuchungsausschusses kann sich damit unmittelbar gegen einen Zeugen richten.

11. Der VA als politisches Kampfinstrument nicht nur der Minderheit Nach der Darstellung der Typen von Untersuchungsausschüssen und der Komplexe, mit denen sich ein UA befassen kann, bleibt die Frage, welche Funktion Untersuchungsausschüsse haben. Untersuchungsausschüsse werden verschieden umBT-Drs. 7/80. Vgl. § 44 b AbgG v. 20. Januar 1992 (BGBI. 1992 I, S. 67), Absprache des 1. Ausschusses v. 30. April 1992 (BT-Drs. 12/4613); vgl. auch BVerfGE 94,353 ff. Fall "Gysi" und S. 117, Fn. 86. 34

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11. Der UA als politisches Kampfinstrument nicht nur der Minderheit

33

schrieben. Nach Versteyl36 "ist ein UA ein mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattetes Gremium mit der Aufgabe, Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse und für die die Zuständigkeit beim Bund liegt, zu untersuchen, ggf. zu werten und dem Bundestag darüber Bericht zu erstatten". Der UA wird einerseits als "scharfes Schwert der Opposition gegen die Regierung angesehen,m. Andere sprechen davon, dass Untersuchungsausschüsse "ein politisches Kampfinstrument,,38 oder "ein Kampfmittel politischer Gruppen bzw. des Parlaments,,39 oder "politische Kampfausschüsse,,4o sind. Nach Arloth41 erweist sich das Untersuchungsrecht im Bereich der Exekutivkontrolle als "Waffe der Opposition". Morlok42 spricht davon, dass der UA als schärfstes Kontrollinstrument vor allem Bedeutung als politisch propagandistisches Kampfmittel im Wettbewerb mit dem parteipolitischen Gegner hat. Vetter43 umschreibt Untersuchungsausschüsse als das "schwerste Geschütz parlamentarischer Kontrolltätigkeit". Die Umschreibung dessen, was ein UA ist, ist von der Sprache des Militärs geprägt, als würden zwischen der Regierungsmehrheit und der Opposition ständig kriegerische Auseinandersetzungen stattfinden. Dann wäre der UA der zentrale Kriegsschauplatz. Es ist einzuräumen, dass sich im Laufe eines Untersuchungsausschusses die "Gefechtslage" sehr schnell ändern kann, wie sich gerade im 1. UA der 14. WP gezeigt hat. Stand am Anfang die CDU am Pranger, so wendete sich im Frühjahr 2002 das Blatt, als in Köln und Wuppertal die "Spenden- oder Bestechungsaffäre"44 der SPD publik wurde. Die SPD suchte durch die Vernehmung des Zeugen Schreiber in Toronto / Kanada und daran anschließend durch die Vernehmung des bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber45 einen angeblichen Spendenskandal der CSU nachzuschieben.

36 Versteyl, in: v. MünchlKunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 17; ähnlich BT-Drs. V/4209, 14/2363,14/2518; vgl. auch BVerfGE 77,1 ff.,43. 37 Busch, Parlamentarische Kontrolle: Ausgestaltung und Wirkung, 4. Aufl. 1991, S. 114. 38 Danckert, ZRP 2000, S. 480; Scholz, BT-Plenarprot. 14/115 v. 7. 7. 2000, S. 11009 (9); BachmannlRadeck, DVBI. 1989, S. 89, 90; Isensee, in: FS für Schiedermair, S. 181 ff., 203. 39 Bötsch, Das Recht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, in: Parlamentarische Demokratie und Bewährung, FS für Schellknecht, 1984, S. 9 ff., 12; Bücker, Kontrollmittel ohne Bedeutung? Zur Reform der Untersuchungsausschüsse, in: Hübner 1Oberreuter 1Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, 1969, S. 160 ff., 172. 40 Müller-Boysen, Die Rechtsstellung des Betroffenen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 14; Rechenberg, BK, Art. 44, Rn. 33; Vogel, ZParl5 (1974), S. 503. 41 Arloth, NJW 1987, S. 808; Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 488, S. 17. 42 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 9. 43 Vetter, Die Parlamentsausschüsse im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland, 1986, S. 112. 44 FAZ v. 7. 3. 2002, S. 4. 45 ADrs. 785.

3 Plöct

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C. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sind grundsätzlich zwei Varianten zu unterscheiden, nämlich die Mehrheitsenquete und die Minderheitenenquete. Nach Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG hat der Bundestag das Recht, einen UA einzusetzen. Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages hat er die Pflicht, einen UA einzusetzen. Insoweit kommt der Minderheitenenquete besondere Bedeutung im Rahmen der Kontrolle der Regierung ZU. 46 Das vom Mehrheitsprinzip des GG abweichende Quorum ist Ausdruck des Minderheitenrechts 47 und der veränderten Grundkonstellation im parlamentarischen Regierungssystem. Die weitere Frage, ob das Minderheitenrecht auch für die Beweiserhebung im UA Gültigkeit hat, hat das BVerfG mit seinem Urteil vom 8. 4. 2002 beantwortet. 48 Bisher ging man immer davon aus, dass das Antragsrecht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Ausdruck des Kontrollrechts ist, das der parlamentarischen Opposition als Mittel der Kontrolle der Regierung zusteht. 49 Diese Feststellung ist nicht mehr zutreffend, worauf bereits Quaas / Zuck hinweisen. 50 Denn das Antragsrecht kann auch von der die Regierung tragenden Parlamentsmehrheit gegen die Opposition, also die Minderheit, benutzt werden. Der 1. UA der 14. WP ist auf Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, also der die Regierung tragenden Parteien eingesetzt worden. 5I Bisher war in den meisten Fällen die Opposition Antragsteller bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Im 1. UA der 14. WP wurde das Spannungsverhältnis Opposition gegen Koalition umgedreht in Regierungsmehrheit versus Opposition. Diese Änderung birgt viele Gefahren in sich, weil die Regierungsmehrheit den UA dazu benutzen kann, den in der Opposition befindlichen politischen Gegner so zu diffamieren, dass er es bei künftigen Wahlen sehr schwer haben wird, die Mehrheit der Wähler zu gewinnen. Insoweit kann der UA auch dazu eingesetzt werden, um eine Oppositionspartei als politisch gefährlichen Konkurrenten auf diesem Wege zu bekämpfen. Deshalb geht es bei der Ausgestaltung des Untersuchungsausschussrechts nicht nur um Minderheitenschutz, sondern auch um politische Chancengleichheit. Dies gilt insbesondere im Bereich der eigentlichen Beweiserhebung durch Vernehmung von Zeugen, da die Gefahr besteht, dass Beweisanträge der Minderheit von der Mehrheit abgelehnt werden oder die Terminierung bereits beschlossener Zeugenvernehmungen hinausgezögert wird oder ganz unterbleibt, was für die Mitglieder der CDU /CSU-Fraktion im 1. UA der 14.WP Anlass für ein Organstreitverfahren52 vor dem BVerfG war. 53 46 Magiera, in: Sachs, Art. 44, Rn. 13; Badura, in: FS für Heimrich, S. 191 ff.; Herrnes, in: FS für Mahrenholz, S. 349 ff. 47 Versteyl, in: v. Münch/ Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 14. 48 BVerfGE 105, 197 ff. 49 Maurer, Staatsrecht I, 2. Aufl. 2001, S. 464, Rn. 145. 50 Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1879. 51 BT-Drs.14/2139. 52 BT-Drs. 14/9300, S. 103 ff. 53 BVerfGE 105, 197 ff.

11. Der VA als politisches Kampfinstrument nicht nur der Minderheit

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Die Änderung der Zielrichtung dahingehend, das der UA auch von der die Regierung tragenden Mehrheit gegen die Opposition eingesetzt wird, ist nicht verwunderlich. Der UA ist ein geeignetes Mittel zur Bloßstellung des politischen Gegners. Es geht primär um die Beeinflussung der öffentlichen Meinung. Gerade Untersuchungsausschüsse sind geeignet, mit Hilfe der Presse eine Stimmung gegen die von einem UA betroffenen Personen und Parteien zu erzeugen, um diese in einem schlechten Lichte erscheinen zu lassen. Die Medien spielen in der Demokratie eine immer größere Rolle. Sie "haben nicht nur Einfluss auf die Debatten, sondern wirken auch an den Entscheidungsprozessen mit", sagte der frühere Parteivorsitzende der CDU Schäuble54 bei einer Podiumsdiskussion der "Cappenberger Gespräche" der Freiherr-von-Stein-Gesellschaft am 26. 11. 2001 in Berlin. Eine Chance für langfristige politische Entscheidungen sah Schäuble nur dann, wenn eine Regierung die eigene Mehrheit gegen Meinungsumfragen behaupten kann.

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3*

Die Welt v. 27.11. 2001, S. 4.

D. Verfassungsrechtliche Grundlagen Ausgangspunkt bei der Betrachtung der Rechtsstellung des Zeugen in einem parlamentarischen UA des Bundestages sind zunächst die verfassungsrechtlichen Grundlagen für das PUAG.

I. Die Entstehungsgeschichte von Art. 44 GG Die Formulierung des Art. 44 GG geht auf den Art. 57 HchE zurück, dessen Abs. 1- 3 im Wesentlichen mit Art. 34 WRV des Deutschen Reiches vom 11. 8.1919 übereinstimmten bzw. im Wortlaut wiederholten. Art. 34 WRV lautete: ,,(1) Der Reichstag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die

Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich erachten. Die Öffentlichkeit kann vom Untersuchungsausschuss mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Die Geschäftsordnung regelt das Verfahren des Ausschusses und bestimmt die Zahl der Mitglieder. (2) Die Gerichte und Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten; die Akten der Behörden sind ihnen auf Verlangen vorzulegen.

(3) Auf die Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die Vorschriften der Strafprozessordnung sinngemäße Anwendung, doch bleibt das Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis unberührt."

Das parlamentarische Untersuchungsrecht war also bereits in der WRV verankert. Max Weber! hatte 1918 das Mittel der Enquete für die Kontrolle der Verwaltung vorgeschlagen, wobei er anregte, dass die parlamentarische Kontrolle öffentlich erfolgen und das Enqueterecht als Minoritätsrecht geregelt werden sollte. Vor 1919 gab es keine verfassungsrechtliche Festschreibung des parlamentarisehen Untersuchungsrechts in Deutschland. Art. 34 WRV enthielt keine Restriktion des Untersuchungsrechts auf eine reine Exekutivkontrolle. Der Umfang des Untersuchungsrechts wurde bewusst unbestimmt gelassen. Der Parlamentarische Rat übernahm für das Grundgesetz die Regelung des Art. 34 WRY. Er änderte allerdings das Minderheitenquorum dahin gehend ab, dass für die Einsetzung I

Weber, Gesammelte politische Schriften, 4. Auf]. 1980, S. 306 ff., 339 ff., 354.

II. Die Stellung von Untersuchungsausschüssen gemäß Art. 44 GG

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eines Untersuchungsausschusses nicht bereits ein Fünftel der Mitglieder des Bundestages ausreichend sein sollte, sondern ein Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages notwendig ist. Art. 57 Abs. 2 HchE des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, der dem UA die Befugnis einräumte, in entsprechender Anwendung der Strafprozessordnung die erforderlichen Beweise zu erheben, auch Zeugen und Sachverständige vorzuladen, zu vernehmen, zu beeidigen und das Zwangsverfahren gegen sie durchzuführen, wurde in den Beratungen im Parlamentarischen Rat in der Formulierung für verfehlt bezeichnet und auf Grund eingehender Erörterungen in der 20. Sitzung des Organisationsausschusses umformuliert. 2 In den Erörterungen wurde insbesondere die Bezugnahme auf die Strafprozessordnung hervorgehoben, "weil dadurch im Interesse der Rechtssicherheit für das Verfahren der Untersuchungsausschüsse bestimmte Grenzen gezogen werden ,,3. Während Art. 34 WRV auf die Vorschriften der Strafprozessordnung verwies, erklärt Art. 44 Abs. 2 GG die Vorschriften über den Strafprozess für sinngemäß anwendbar. Durch die Übernahme der Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess und die augenfällige Anlehnung der Fassung des Art. 44 GG an Art. 34 WRV sollte ersichtlich zum Ausdruck gebracht werden, dass eine Änderung der Rechtslage nicht beabsichtigt war. 4

11. Die Stellung von Untersuchungsausschüssen gemäß Art. 44 GG Art. 44 GG erhielt damit folgenden Wortlaut: ,,(1) Der Bundestag hat das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die

Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

(2) Auf Beweiserhebungen finden die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Das Brief-, Post- und Femmeldegeheimnis bleibt unberührt. (3) Gerichte und Verwaltungsbehörden sind zur Rechts- und Amtshilfe verpflichtet. (4) Die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse sind der richterlichen Erörterung entzogen. In der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhaltes sind die Gerichte frei."

2 Vgl. OrgA, Sitzung v. 5. 11. 1948, Stenographisches Protokoll S. 26 ff., 40, und Drucks. Nr. 265 v. 5.11. 1948. 3 Vgl. Abgeordnete Seibert, OrgA, 20. Sitzung v. 5. 11. 1948, Stenographisches Protokoll S. 27 sowie schriftlicher Bericht des Abgeordneten Lehr in der 9. Sitzung des Parlamentarischen Rates am 6. 5. 1949, S. 23, Drs. 850, 854. 4 BVerfGE 76, 363 ff., 385.

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Mit der Möglichkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erhielt das Parlament ein "spezifisches Instrument parlamentarischer Kontrolle,,5 oder "ein Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse,,6. Art. 44 Abs. I S. I GG ermächtigt den UA, die in Verfolg des Untersuchungszweckes erforderlichen Beweise selbst zu erheben. 7 Der Wille des Parlamentarischen Rats war aber darauf gerichtet, dass der UA die Feststellung der Tatsachen durch Beweiserhebung in einem strengen, förmlichen Beweisverfahren nach den Regeln der Strafprozessordnung unter Berücksichtigung der Besonderheiten eines Untersuchungsausschussverfahrens vornimmt. Während die Tatsachenfeststellungen durch einen UA in einem rechtsstaatlichen Verfahren erfolgen sollten, sollte andererseits dem Parlament und damit dem UA Freiheit bei der politischen Bewertung des festgestellten Sachverhalts gewährt werden, indem sie als Ausnahme von der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 Abs. 4 GG der richterlichen Erörterung entzogen. Ein Gericht sollte nicht die vom UA vorgenommene politische Bewertung des festgestellten Sachverhalts überprüfen können. Die unerlässliche Rechtskontrolle über das Untersuchungsverfahren sollte auf ein Minimum beschränkt werden, um das Ansehen des Parlaments und die Funktionsfähigkeit der Untersuchungsausschüsse zu wahren. Die Injustitiabilitätsregelung wurde auf Grund der Erfahrungen der Weimarer Zeit in das Grundgesetz aufgenommen, um eine negative und herabsetzende Kritik der Richterschaft gegenüber der Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse zu verhindern. 8 Die Richter sollten keine Politik betreiben, sondern diese dem Parlament überlassen. Dies bedeutet aber auch, dass die politische Kontroverse erst erfolgen sollte, wenn die Tatsachen in einem rechtstaatlichen Verfahren festgestellt sind und nicht bereits im Stadium der Beweiserhebung. Dies heißt nicht, dass sich ein UA im rechtsfreien Raum bewegen kann. Denn die in subjektive Rechtspositionen eingreifenden Maßnahmen von Untersuchungsausschüssen sind "öffentliche Gewalt" i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG. Für die Frage der lustitiabilität von Maßnahmen von Untersuchungsausschüssen ist deshalb von Bedeutung, welche Handlungen der Gesetzgeber nach Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG der richterlichen Überprüfung entziehen wollte. Im Hinblick auf die überragende Bedeutung der Garantie des gerichtlichen Rechtsschutzes kann die Ausnahmevorschrift nur soweit Geltung entfalten, wie dies die besondere Funktion des Untersuchungsrechts erfordert. 9 Um dem Sinngehalt des Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG gerecht zu werden, muss im Einzelfall geprüft werden, welche Bedeutung der jeweilige Beschluss des Untersuchungsausschusses für das Untersuchungsverfahren hat. Denn der lustitiabilitätsausschluss gilt nur für Beschlüsse des Untersuchungsausschusses Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 8. BVerfGE 105, 197 ff., 225, 226. 7 BVerfGE 67, 100 ff., 128. 8 V gl. Verhandlungen des Parlamentarischen Rats, 2. Sitzung v. 11. 11. 1948, Ausschussprotokoll S. 16 ff. 9 Di Fabio, Rechtsschutz im Parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 95. 5

6

11. Die Stellung von Untersuchungsausschüssen gemäß Art. 44 GG

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mit herausragendender Bedeutung lO , z. B. für den Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses. Bei anderen Beschlüssen haben die Gerichte zu prüfen, ob die Anerkennung politischer Beurteilungsspielräume im Interesse einer verfassungskonformen Verwirklichung des parlamentarischen Untersuchungsrechts die gerichtliche Kontrolle einschränkt. II Art. 57 Abs. 5 HehE enthielt folgende Bestimmung: "Wer durch die Feststellungen des Ausschusses in seiner Ehre betroffen ist, kann das Bundesverfassungsgericht anrufen, wenn er die Mindestgrundsätze eines geordneten Verfahrens, namentlich sein Recht auf Gehör, verletzt glaubt. Ist die Beschwerde begründet, so erkennt das Gericht, dass Feststellungen des Ausschusses nicht nach der Vorschrift der Gesetze getroffen sind."

Diese Bestimmung wurde zwar in den Beratungen gestrichen, aber nicht mit dem Ziel, den Rechtsschutz vollkommen auszuschließen. 12 Die Vater des Grundgesetzes konnten sich auf Grund von Erfahrungen der Weimarer Zeit durchaus Untersuchungsausschüsse vorstellen, die willkürlich vorgehen. Die Formulierung in Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG schließt daher eine gerichtliche Überprüfung von Maßnahmen eines Untersuchungsausschusses im Rahmen der Beweiserhebung nicht aus. 13 Vielmehr sind die Gerichte befugt, zu prüfen, ob die Beweiserhebung und die Feststellung von Tatsachen durch den UA rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht. Die Beschränkung der Rechtsschutzgarantie kann nur für die Bewertung der festgestellten Tatsachen im Abschlussbericht, nicht aber für Beweiserhebung selbst gelten. Dies ergibt sich insbesondere auch aus der Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG, dass auf die Beweiserhebung selbst die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung finden. Inhaber des materiellen Untersuchungsrechts und damit Herr der Untersuchung ist nach Art. 44 Abs. 1 GG allein der Bundestag, der es im eigenen Namen durch den UA ausübt. 14 Der UA ist eine partiell verselbständigte verfassungsrechtliche Einrichtung, ein "Unterorgan,,15 mit besonderen Befugnissen, die dem Plenum sonst nicht zustehen. 16 Andere sprechen beim UA von einem "Hilfsorgan,,17 oder einem Vgl. VG Hamburg, DVBI. 1986, S. 1017, 1019. Linck, ZRP 1987, S. 14. 12 Vgl. Organisationsausschuss, 9. Sitzung v. 24. 9. 1948, Stenographisches Protokoll S. 59. 13 Vgl. OVG Hamburg, NVwZ 1987, S. 1094 ff.; VG Hamburg, DVBI. 1986, S. 1017 ff.; Schneider, in: Wassermann, Art. 44, Rn. 10; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 54, 55, 57; Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldtl Klein / Starck, Art. 44, Rn. 190. 14 OVG Münster, NVwZ 1987, S. 608; Seidel, BayVBI. 2002, S. 97; Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 37. 15 Versteyl, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 8; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog / Scholz, Art. 44, Rn. 10, 3; Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 37 f.; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 25; OLG Köln, NJW 1985, S. 336. 16 BVerfGE 77, 1, 41; BVerwG, NJW 2000, S. 160, 162; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 15; Wagner, NJW 1960, S. 1936; Löwer, Jura 1985, S. 358, 361 f.; Seijert/Hömig, Art. 44, Rn. 1. 10

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

"Teilorgan,,18. Allerdings werden die materiellen Sonderrechte für die Zwecke der parlamentarischen Untersuchung nicht vom Bundestag auf den UA übertragen, sondern Art. 44 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 GG verleiht diese Kompetenz direkt dem UA. 19

III. Der Gegenstand der Untersuchungen Nicht ausdrücklich geregelt ist, in welchem Umfang das Parlament Untersuchungen durchführen darf. Die Zwecke des Untersuchungsrechts wurden bisher nach zwei Richtungen umschrieben. Einmal darf der Bundestag Untersuchungsaufträge nur "innerhalb seines Aufgabenbereichs,,2o erteilen. Die Kompetenz des Parlaments ist aber nicht grenzenlos, mit der Folge, dass sich ein UA mit jedem Thema beschäftigen könnte. Vielmehr kann Gegenstand eines Untersuchungsausschusses nur sein, was im öffentlichen Interesse liegt. Dies wird aber vom Bundestag bzw. von der Minderheit im Bundestag selbst definiert. § 1 PUAG-Entwurf vom 26. 2. 198821 hat dies in Abs. 1 verdeutlicht: "Ein UA des Bundestages hat die Aufgabe, Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen. " Das BVerfG verlangt sogar ein "öffentliches Interesse von himeichendem Gewicht,,?2 Für die Ausübung des Untersuchungsrechts in einem konkreten Fall ist verfassungsrechtliche Voraussetzung, dass ein Gemeinwohlbezug (öffentliches Interesse) von solchem Gewicht besteht, dass er die Befassung des Parlaments rechtfertigt und den Einsatz der Eingriffkompetenzen in einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren zulässt?3 Das "öffentliche Interesse" ist eine immanente sachliche Grenze des parlamentarischen Untersuchungsausschussrechts. 24 Durch das Kriterium des öffentlichen Interesses sollen vorrangig Untersuchungen ausgeschlossen werden, die allein die Privatsphäre Einzelner berühren?5 Schon wegen 17 BVerfGE 49,70,95; 67, 100, 123; v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Art. 44, Rn. 78; Schneider; in: Wassennann, Art. 44, Rn. 7; Leibholz/Rinck/Hesselberger; Art. 44, Rn. 18; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Art. 44, Rn. 11; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 44, Rn. 7; Badura, DÖV 1984, S. 760, 761; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, s. 25; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 80; Weingärtner; ZRP 1991, S. 232; Bäumer/Gundermann, ZParl 1997, S. 236, 237. 18 Scholz, AöR 105 (1980), S. 565, 600; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 25. 19 BVerfGE 77, 1,47,48; Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 37. 20 BVerfGE 77, 1. 21 BT-Drs.11l1896. 22 BVerfGE 77, 1. 23 Vetter; ZPar11993, S. 211 ff., 221. 24 Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 25. 25 Stern, AöR 109, S. 199;Scholz, AöR 105, S. 564ff., 595; Hilf, NVwZ 1987, S. 537 ff., 539.

IV. Das Untersuchungsverfahren

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des Grundrechts der informationellen Selbstbestimmung26 ist das Vorliegen eines öffentlichen Interesses bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Abgrenzung zu Individualinteressen erforderlich?7 Ein faktisches öffentliches Interesse kann den Kontrollzugriff des Untersuchungsausschusses nicht begründen?8 Das öffentliche Interesse muss in bezug auf das Gemeinwohl vorliegen, wobei die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses insoweit nur auf einen offenkundig verletzten Beurteilungsspielraum überprüft werden darf. Ein öffentliches Interesse ist nicht schon dann gegeben, wenn eine Angelegenheit Aufsehen erregt und medienattraktiv ist. Allerdings werden im allgemeinen und zu Recht an das "öffentliche Interesse" nur sehr geringe Anforderungen gestellt. Nach h.M. indiziert bereits ein Minderheitsantrag als solcher in der Regel ein öffentliches Interesse an der Untersuchung, sofern nicht gewichtige Gegenargumente vorgebracht werden können. 29 Unschädlich ist es, dass sich die Untersuchung gegen eine bestimmte Person richten soll. Die Freiheitssicherung der von einem UA Betroffenen verlagert sich von dem "groben" Kriterium des "öffentlichen Interesses" in den stärker differenzierenden Grundrechtsschutz gegen konkrete Untersuchungsrnaßnahmen.

IV. Das Untersuchungsverfahren 1. Die Aufgabe von Untersuchungsausschüssen Die Untersuchungsausschüsse haben die Aufgabe, Sachverhalte zu untersuchen, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, und hierüber im Parlament zu berichten, damit das Parlament seine politische Entscheidung vorbereiten kann?O Untersuchungsausschüssen sind daher zur wirkungsvollen Ausübung des parlamentarischen Enqueterechts über Art. 44 Abs. 2 GG weitreichende Beweiserhebungsrechte und damit verbundene prozessuale Zwangsbefugnisse zugewiesen. Untersuchungsausschüsse verfügen von Verfassung wegen über besondere Rechte, die nicht vom Plenum wahrgenommen werden können. 31 Im Hinblick darauf ist es verfehlt, bei einem UA von einem bloßen "Hilfsorgan" des Bundestages zu sprechen. Vielmehr ist der UA Herr des Verfahrens, wie die Staatsanwaltschaft im strafrechtlichen Bereich "Herrin des Ermittlungsverfahrens" ist 32 , weil jeder UA seinem Untersuchungsthema gemäß berechtigt und verpflichtet ist, die jeweils erBVerfGE 65, 1 ff. Versteyl, in: v. Münch I Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 2l. 28 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 29. 29 Vgl. BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 597, 600; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 29; Schotz, AöR 105 (1980), S. 564 ff., 595. 30 BVerfGE 49,70,85. 31 Maunz, in: Maunz IDürigl Herzog I Scholz, Art. 44, Rn. 12. 32 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 15; Schotz, AöR 105 (1980), S. 565, 604 ff.; Stern, AöR 109 (1984), S. 199,225 ff. 26

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

forderlichen Beweise zu erheben und keine Parlamentsmehrheit, auch nicht die im UA repräsentierte Parlamentsmehrheit befugt ist, die Erhebung der erforderlichen Beweise zu verhindern. Dies gilt insbesondere bei Beweisanträgen der potentiell einsetzungsberechtigten Minderheit. Eine Ablehnung von Beweisanträgen der Minderheit im UA kann daher nur erfolgen, wenn die Beweisanträge der Ausschussminderheit offenkundig außerhalb des Untersuchungsthemas und damit des Beweisthemas liegen, also sachwidrig sind oder missbräuchlich gestellt werden?3 Im übrigen wird das Verfahren vor Untersuchungsausschüssen nach dem Prinzip der Amtsermittlung (Offizialmaxime) durchgeführt. 34

2. Das Beweiserhebungsrecht

Auf die gemäß Art. 44 Abs. 1 S. 1 2. Hs. GG bestehende Kompetenz zur Beweiserhebung finden gemäß Art. 44 Abs. 2 S. I GG die jeweils geltenden Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Unter dem Begriff der Beweiserhebung ist der gesamte Prozess der Beweisverschaffung und Beweissicherung zu verstehen. 35 Art. 44 Abs. 2 GG verweist nicht lediglich auf die Vorschriften der StPO, sondern auf alle Vorschriften über den Strafprozess. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass alle Vorschriften über den Strafprozess, also sowohl die Vorschriften der StPO als auch die des Gerichtsverfassungsgesetzes sinngemäß Anwendung finden. Durch die Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess wird der UA mit einem Instrumentarium ausgestattet, dessen er bedarf, um seinen Untersuchungsauftrag wirkungsvoll erfüllen zu können?6 Die Anwendung des Strafprozessrechts erfolgt aber nur insofern, als dies mit dem vom Strafverfahren deutlich zu unterscheidenden Zweck des Untersuchungsausschusses vereinbar ist. Die Verweisung erfasst nur die Vorschriften, in denen die den Strafverfolgungsorganen zustehenden Befugnisse zur Aufklärung des Sachverhalts und deren Grenzen umschrieben sind?? In Bezug genommen sind daher auch solche Vorschriften, die dem vom Verfahren Betroffenen bei der Erforschung des Sachverhalts bestimmte Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte gewähren. 38 Dies folgt bereits daraus, dass durch die Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess in BVerfGE 105, 197 ff., 225; Ehmke, 45. DJT, Bd. 11, Teil E, S. 46. Schneider; in: Wassennann (Hrsg.), Art. 44, Rn. 14. 35 AchterberglSchulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 44, Rn. 117; Sachs, Art. 44, Rn. 22; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 11, 14, der in der Beweiserhebung durch den UA das Recht des Parlaments auf Selbstinfonnation verwirklicht sieht. 36 BVerfGE 77, 1,48; 76, 363, 383 ff.; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 607; Achterberg I Schulte, in: v. Mangoldt 1 Klein 1Starck, Art. 44, Rn. 120; vgl. auch Hilf, NVwZ 1987, S. 537, 540 m. w. N. 37 BVerfGE 67, 100, 133; 76, 363, 387; Stern, AöR 109 (1984), S. 233 ff. 38 a.M. OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 607 m. w. N.;AchterbergISchulte, in: v. Mangoldtl Klein IStarck, Art. 44, Rn. 125; vgl. auch S. 24/25, Fn. 16. 33

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IV. Das Untersuchungs verfahren

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Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG im Interesse der Rechtssicherheit für das Verfahren vor Untersuchungsausschüssen Grenzen gezogen werden sollten. Somit sind alle Beweismittel des Strafprozesses zugelassen (Zeugen, Sachverständige, Augenschein, Urkunden), wobei die Beweiserhebung im Einzelfall einen Antrag voraussetzt, über den dann vom UA durch Beweisbeschluss entschieden wird. Die Verweisung auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess bezieht sich nicht nur auf die befugnisbegründenden, sondern auch auf die befugnisbegrenzenden Regelungen der StPO?9 Damit sind alle Bestimmungen gemeint, die die strafprozessuale Sachaufklärung regeln, z. B. die §§ 168d, 214, 219-221, 223-225, 238-245, 247-253, 255-258 StPO, die Vorschriften über die Mündlichkeit und Unmittelbarkeit des Strafverfahrens, die §§ 169 ff. GVG, §§ 249 ff., 226, 261 StPO, die Vorschriften über Maßnahmen des Gerichts gegen Verhandlungsstörungen, §§ 176 ff. GVG. 40 Sinngemäß anwendbar sind daher neben den Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (§ 52 StPO), der Berufsgeheimnisträger und Berufshelfer (§§ 53, 53 a StPO) auch die Regelung des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 StP041 sowie die Bestimmung des § 68 a StPO über die Unzulässigkeit bloßstellender Fragen. 42 Durch die Verweisung auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess soll sichergestellt werden, dass die erforderlichen Beweise auch durch den Einsatz sämtlicher Zwangsmittel unter Mithilfe der Gerichte Zwangsmaßnahmen stehen wegen des Eingriffs in Grundrechte unter dem Richtervorbehalt nach Art. 2 Abs. 2 S. 3 und Art. 104 GG - erhoben werden können. Dies bedeutet, dass Zeugen und Sachverständige verpflichtet sind, vor dem UA zu erscheinen und dass sie im Weigerungsfalle auf Anordnung des zuständigen Gerichts auch zwangsweise vorgeführt werden können. Weiterhin sind bei unentschuldigtem Ausbleiben eines Zeugen oder Sachverständigen die Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten neben der Verhängung von Ordnungsgeld, auf Antrag des Untersuchungsausschusses die Anordnung von Ordnungshaft sowie die Verhängung von Beugehaft durch das Gericht zulässig. Die Rechtsprechung hat den Einsatz sämtlicher Maßnahmen des Zeugniszwanges im parlamentarischen Untersuchungsverfahren für grundsätzlich zulässig erklärt, wobei dies aber nicht unbegrenzt erfolgen kann. Bei der Verhängung der Maßnahmen sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG i.Vm. Art. 1 Abs. 1 GG zu beachten. 43 Das BVerfG hält die Möglichkeit der Erzwingung des Zeugnisses vor dem UA durch Haft für eine effektive UntersuBVerfGE 67,100,133; 76, 363, 387; VG Mainz, NVwZ 1986, S. 589, 590. BVerfGE 77, 1,49; 67, 100, 133; AchterberglSchulte, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 44, Rn. 122; a.M. zu Amtsermittlung, Unmittelbarkeit und Mündlichkeit Versteyl, in: v. Münch/Kunig, Art. 44, Rn. 29. 41 LeibholzlRincklHeselberger, Art. 44 Rn. 171; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 48. 42 BVerfGE 38, 105, 117. 43 BVerfGE 76,363,383 ff. - Lappas-Entscheidung; LG Bonn, NJW 1987, S. 790 ff. 39

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

chungstätigkeit für unentbehrlich. Dabei hat der UA bei der Anordnung der Maßnahme, um der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu genügen, das Schutzinteresse des Zeugen gegen das Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes abzuwägen. Andererseits ist aber auch die Regelung über das Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 StPO im Untersuchungsverfahren anwendbar. 44 Gemäß § 55 StPO kann ein Zeuge die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihm oder einem der in § 52 StPO bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. Dies wäre der Fall, wenn ein Zeuge bei einer wahrheitsgemäßen Aussage bestimmte Angaben machen müsste, die zumindest einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht i. S. d. § 152 Abs. 2 StPO begründen würden, wobei sich der Anfangsverdacht auf konkrete Tatsachen stützen müsste, die dafür sprechen, dass gerade der zu untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat enthält. 45 Bloße, nicht durch konkrete Umstände belegte Vermutungen oder rein theoretische Möglichkeiten reichen weder für einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht noch für ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO aus. 46 § 55 StPO gibt dem Zeugen grundsätzlich zwar nur das Recht, die Auskunft auf einzelne Fragen zu verweigern. Jedoch kann die gesamte, in Betracht kommende Aussage des Zeugen mit seinem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in derart engem Zusammenhang stehen, dass nichts übrig bleibt, was er ohne die Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussagen könnte. 47 Dies kann insbesondere bei Fragen der Fall sein, die ein Teilstück in einem mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und die demzufolge (mittelbar) zu einer Belastung des Zeugen beitragen können. 48 In diesen Fällen kommt das Aussageverweigerungsrecht im Ergebnis einem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gleich. 49 Ausreichend kann schon sein, wenn aus Angaben über verjährte Straftaten beweiskräftige Indizien übernommen werden können, die für die Begehung von Straftaten in nicht verjährter Zeit sprechen, oder wenn gegen den 44 So die h.M., vgl. BVerfGE 76, 363 ff., 387 (Lappas-Entscheidung); OVG Münster, NJW 1999, S. 80; KölbellMorlok, ZRP 2000, S. 217; a.M. Kramer; ZRP 2001, S. 386 f., der unter Verweis auf den Gemeinschuldner-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 56, 37) keine zwingende Notwendigkeit für eine Anwendung von § 55 StPO sieht. Kramer spricht sich für eine Aussagepflicht des Betroffenen aus, bejaht dann aber ein aus Art. 2 Abs. 1 GG abzuleitendes Beweisverwertungsverbot. Die Ausschussmehrheit im 1. UA der 14. WP forderte eine gesetzliche Neuregelung für Auskunfts- und Aussageverweigerung vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, da dadurch die Aufklärungsarbeit des Ausschusses erheblich eingeschränkt und behindert werde (vgl. BT-Drs. 14/9300, S. 414). 45 VG Berlin, Urteile v. 25. 9. 2001, Az. VG 2 A 42.2000 und VG 2 A 55.00. 46 Vgl. hierzu BGH, MDR 1994, S. 929 ff. m. w. N. 47 BGHSt 10, 104, 105; BGH, StV 1987, S. 328. 48 BGH, StV 1987, S. 328 f., 329; wistra 1988, S. 358; NJW 1989, S. 2703; MDR 1994, S.930. 49 BGH, NJW 1998, S. 1729; OVG Münster, DVBl. 1998, S. 1354.

IV. Das Untersuchungsverfahren

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Zeugen bisher nur Verdachtsmomente bestehen, die allein für einen Anfangsverdacht (§ 152 StPO) noch nicht ausreichen. 5o Die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 GG erfasst aber nicht das Aussageverweigerungsrecht gemäß § 384 ZPO, da das Strafprozessrecht private Geheimhaltungsinteressen nicht höher bewertet als das öffentliche Interesse an der Aufklärung eines Sachverhalts im Rahmen des Untersuchungsauftrags durch einen UA. 5 )

3. Die Berücksichtigung des BetrofTenenstatus bei der Beweiserhebung Schwierigkeiten entstehen bei der Vernehmung von Zeugen in einem UA dann, wenn der Gegenstand des Untersuchungsausschusses auch den privaten Gesellschaftsbereich betrifft. Die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess wirft im Bereich des sog. Betroffenenschutzes erhebliche Probleme auf. 52 Zwar umfasst die Enquetekompetenz keine rein privatgerichteten Enqueten. 53 Das Parlament darf nicht mit einem UA Verhältnisse Privater aufklären. 54 Der privat-gesellschaftliche Bereich kann aber mittelbar Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung werden, wenn er in Zusammenhang mit einem zulässigen Untersuchungsgegenstand steht, was in Anbetracht des weiten Befassungsrechts des Parlaments sehr schnell der Fall sein kann. Die Gefahr der Degradierung des Einzelnen zum bloßen Verfahrensobjekt besteht bei allen Enqueten, die sich faktisch ausschließlich oder überwiegend gegen eine bestimmte Person richten, wobei die Ausrichtung in dem Einsetzungsbeschluss enthalten sein kann oder sich erst im Laufe der Untersuchung ergeben kann. In diesem Bereich kann der Zeuge den Status eines von der Untersuchung "Betroffenen", vergleichbar mit der Stellung eines Angeklagten in einem Strafprozess, erlangen. Dies hätte zur Folge, dass dem Zeugen möglicherweise ein Aussageverweigerungsrecht zukäme, weil eine Beweisperson nur dann verpflichtet ist, Auskunft über die Wahrnehmung von Tatsachen zu geben, wenn sich das Strafverfahren nicht gegen sie selbst richtet (Nemo-Tenetur-Prinzip). Das parlamentarische Untersuchungsverfahren kennt aber nur die Zeugen stellung bei der Beweiserhebung. Andererseits ist hinsichtlich der Rechtsstellung eines Zeugen zu differenzieren, ob der UA den Zeugen in den Mittelpunkt des Verfahrens stellt, mit der Folge, dass er unmittelbar betroffen wird und der Gefahr ausgesetzt ist, zum bloßen VerDahs, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 55, Rn. 11. Vgl. dazu Kretschmer; DVBI. 1988, S. 811, 818; Linck, ZRP 1987, S. 11, 18; Quaas/ Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1878. 52 Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldtl Klein I Starck, Art. 44, Rn. 124. 53 Masing, Parlamentarische Untersuchungen gegenüber Privaten?, in: Der Staat 1988, S. 220 ff., 329 ff.; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 20. 54 FG München, NVwZ 1994, S. 100, 102. 50

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

fahrensobjekt zu werden. 55 Dies bedeutet nämlich, dass ein derart betroffener Zeuge einem Beschuldigten in einem Strafverfahren so ähnlich wäre, dass ihm zumindest teilweise dessen Schutz zustehen müsste. Dies gilt insbesondere in Skandal-Enqueten, die sich mit dem Verhalten bestimmter Personen befassen und diese "angesichts des starken öffentlichen Interesses an parlamentarischen Untersuchungen harten persönlichen Belastungen,,56 aussetzen. Ohne Zweifel ist dies gegeben, wenn die Untersuchungen das Verhalten von Ministern, Abgeordneten, Richtern und Beamten betreffen, etwa um eine Anklage oder Disziplinarmaßnahme vorzubereiten. In verschiedenen UA - Gesetzen der Länder ist der Betroffenenstatus ausdrücklich geregelt. Eine Unterscheidung zwischen Zeugen und Betroffenen findet sich z. B. in UA-Gesetzen der Länder Bayern, Baden-Württemberg und des Saarlandes57 . Die UA-Gesetze der Länder Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und SachsenAnhalt unterscheiden nicht zwischen Zeugen und Betroffenen. Die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 S. I GG bietet dem von einer Untersuchung Betroffenen keinen ausreichenden Rechtsschutz, da die Norm Untersuchungsausschüssen primär ein Instrumentarium zur Verfügung stellen will, um die Erfüllung des Untersuchungsauftrags effektiv zu gewährleisten. Dennoch ist dem Betroffenen ein Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs und ein Recht auf ein "faires" Verfahren einzuräumen. Diese Rechte werden aus Art. 1 Abs. 1 GG (Garantie der Würde des Menschen) und aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) abgeleitet. 58 Die Menschenwürde würde verletzt, wenn der Zeuge zum bloßen Objekt staatlichen Handeins degradiert würde. Auch das Rechtsstaatsprinzip schützt die in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürde. Daraus ergibt sich, dass dem Betroffenen die Rolle eines Verfahrenssubjekts zukommen muss. Er muss im Verfahren als Betroffener aktiv Einfluss nehmen können. Diese Grundsätze können nicht nur für gerichtliche Verfahren gelten, sondern auch für parlamentarische Untersuchungsverfahren, da die Feststellungen in einem Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses faktisch die gleichen, schwerwiegenden Folgen für einen Zeugen haben können wie ein Strafurteil für einen Angeklagten. Wegen seiner fundamentalen Bedeutung gilt das rechtliche Gehör nicht nur gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in allen gerichtlichen Verfahren, sondern ist unabhängig davon als Essentiale jeden rechtlich geregelten Verfahrens anerkannt. 55 Beckedoif, ZParl 1989, S. 36; Müller-Boysen, Die Rechtsstellung des Betroffenen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 72. 56 Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 488, S. 46. 57 Art. 13 BayUAG, § 19 Abs. 1 Nr. 2, 3 Ba-WüUAG; § 54 Abs. 1 Nr. 1,2 SaarILTG; vgl. auch Ausführungen S. 108 ff. 58 Müller-Boysen, Die Rechtsstellung des Betroffenen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 63 ff.; Beckedoif, ZParl 1989, S. 42, 43; Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 112 ff.; vgl. auch Rüping, NVwZ 1985, S. 304 ff., 308.

V. Die Grenzen des Untersuchungsrechts

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Offen ist bisher, welche Mitwirkungsrechte sich aus dem Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ergeben. Hier geht es insbesondere um die Frage, ob der Betroffene einen Anspruch auf Anwesenheit bei den ihn betreffenden Teilen der Beweisaufnahme hat, ob er einen Anspruch auf Stellungnahme zu den tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen im Abschlussbericht hat, ob ihm ein Frageund Antragsrecht zusteht und ob er sich bei seiner Einvernahme eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand bedienen kann. Diese Fragen werden zwar in der Literatur diskutiert. 59 Gerichtlich ist letztlich nur die Frage des Zeugenbeistandes entschieden. 6o Der Ausschluss eines Rechtsbeistands des Zeugen von der Zeugenvernehmung verstößt gegen das im Rechtsstaatsprinzip enthaltene Recht auf ein faires Verfahren61 und kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn er unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen, wirksamen Rechtspflege erforderlich ist. Ein faires Verfahren ist nur dann gegeben, wenn "Waffengleichheit" für "Anklage" und "Beschuldigten" besteht. Die einem fairen Verfahren immanente Forderung nach verfahrens mäßiger Selbständigkeit des in das Verfahren hineingezogenen Bürgers bei Wahrnehmung seiner Rechte gebietet es, auch dem Zeugen grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung zuzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbständig und seinen Interessen entsprechend Gebrauch zu machen. Diese Grundsätze müssen auch für Personen gelten, die von einer parlamentarischen Untersuchung betroffen sind und deshalb im Mittelpunkt des Verfahrens stehen. 62 Die übrigen aufgeworfenen Fragen sind bisher nicht beantwortet. Insoweit ist eine deutliche Zurückhaltung festzustellen. 63

v. Die Grenzen des Untersnchungsrechts Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG ermächtigt den UA, in Verfolg des Untersuchungszwecks Beweise selbst zu erheben. Dies kann aber nur insoweit geschehen, als ein UA überhaupt zuständig ist. Damit stellt sich die Frage, was Gegenstand eines Untersuchungsausschusses des Bundestages sein kann. Weder Art. 44 GG noch entsprechende Regelungen in Landesverfassungen geben eine ausreichende Antwort auf diese Frage. Allerdings ist die Untersuchungsbefugnis eines UntersuchungsausVgl. Rüping. NVwZ 1985. S. 304 ff., 308. BVerfGE 38, 105 ff. 61 BVerfGE 26. 66. 71; 38. 105, 111 ff.; Buchholz. Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 147. 62 Buchholz. Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 147; anders § 18 Abs. 3 S. 4 des IPA-Entwurfs, der ein Beistandsrecht im Grundsatz ausschloss und einen Rechtsbeistand nur auf Antrag zum Schutz berechtigter Interessen des Betroffenen zuließ. 63 v. Mangoldt/ Klein/ Achterberg / Schulte. Art. 44, Rn. 126. 59 60

D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

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schusses nicht grenzenlos. Eine Vielzahl von Beschränkungen ergeben sich aus der Rechtsstellung von Untersuchungsausschüssen. Wie bereits erläutert wurden bisher die Zwecke des Untersuchungsrechts nach zwei Richtungen umschrieben. Einmal darf der Bundestag Untersuchungsaufträge nur innerhalb seines Aufgabenbereichs erteilen. 64 Dann muss es sich um einen Sachverhalt handeln, dessen Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, "weil die parlamentarische Kontrolle keine administrative Überkontrolle sein darf,65. Innerhalb dieser sehr weit gefassten Grenzen gibt es aber weitere Begrenzungen des Untersuchungsrechts des Bundestages. 1. Die Begrenzungen entsprechend der Korollartheorie

Die Enquetekompetenz des Bundestages kann nicht losgelöst von der Parlamentskompetenz betrachtet werden. Die materiellen Kompetenzen des Untersuchungsausschusses als Unterorgan des Parlaments können grundsätzlich nicht weitergehend sein als die des Hauptorgans. 66 Die Aufgabe des parlamentarischen Untersuchungsrechts liegt in der Kontrolle der Exekutive. Dieser Kontrolle kommt im Rahmen der Gewaltenteilung verfassungsrechtlich ganz besonderes Gewicht ZU. 67 Für die Kontrolle sind parlamentarische Untersuchungsausschüsse unverzichtbar. Sie zählen deswegen zu den "Essentials des demokratischen Prinzips".68 Nach der heute herrschenden Korollartheorie69 muss der Untersuchungsauftrag in die Kompetenz des Bundestages fallen. 7o Die Bindung des Untersuchungsrechts an die Parlamentskompetenzen hat zur Folge, dass die Kompetenzaufteilungen in den Verfassungen zu beachten sind. Die Korollartheorie gilt heute für die Abgrenzung, ob ein zulässiges Untersuchungsthema Bundesrecht betrifft bzw. auf Grund mangelnder Kompetenz des Bundestages ein Einsetzungsbeschluss deswegen verfassungswidrig sein könnte, weil er in den Aufgabenbereich der Länder eingreift. Die Reichweite des Untersuchungsrechts wird durch die Parlamentszuständigkeit bestimme', die bereits bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu beachten ist. Das bedeutet, dass sich ein UA des Bundestages nicht mit Angelegenheiten befassen darf, die ausschließlich Sache der Länder sind. 72 Damit ergeben sich beBVerfGE 77, I. FG München, NVwZ 1994, S. 100, 102; BVerfGE 67,100,140. 66 Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 39; vgl. auch Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, S. 99. 67 Vgl. BVerfGE 49,70,85; 77,1,42 f.; BVerwG, DVBI. 2000, S. 487, 488. 68 BVerfGE 40,296; BVerwGE 79, 339, 345. 69 Begründet von Zweig, ZfP, Bd. 6 (1913), S. 265 ff. 70 Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 44, 45; Versteyl, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 21; kritisch Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 18. 71 BVerfGE 77, I, 144; BVerwG, NJW 2000, S. 160, 163; AG Bonn, NJW 1989, S. 1101. 72 Arloth, NJW 1987, S. 808, 809; Stern, AöR 109 (1984), S. 226; Versteyl, in: v. Münchl Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 21; Morlok, in : Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 22; Gusy, NWVBI. 1988, S. 262 ff., 264; Klatt, Das Parlament 1980, S. 7. 64 65

V. Die Grenzen des Untersuchungsrechts

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reits Beschränkungen des Untersuchungsrechts des Bundestages aus der Föderalstruktur der Bundesrepublik. Das BVerfG erachtet eine Rechtskonfonnität allerdings bereits dann als gegeben, wenn auch Verstöße gegen Bundesrecht untersucht werden sollen. 73 Umgekehrt folgen aus der verfassungsrechtlichen Beschränkung der zulässigen Untersuchungsgegenstände auch Grenzen der Beweiserhebung für Länderparlamente. Nach der bundesstaatlichen Zuständigkeitsregelung zwischen Bund und Ländern darf ein Landesparlament - ebenso wie der Bundestag - Untersuchungsausschüsse nur im Rahmen seines Aufgabenbereichs einsetzen. Ausgenommen von der Untersuchungskompetenz eines Landesparlaments sind Angelegenheiten, die entweder nicht zu den Landesaufgaben gehören (vgl. Art. 30 GG) oder in die ausschließliche Kompetenz anderer Verfassungsorgane fallen?4 Weiter kann sich ein UA des Bundestages nicht mit einer Materie befassen, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommunen fallt. 75 Art. 28 Abs. 2 GG verbietet Eingriffe in den Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung. Der kommunale Bereich ist der staatlichen Aufsicht der Länder unterworfen, wobei allerdings die Parlamente bei der Untersuchung von kommunalem Verwaltungshandeln an die kommunalaufsichtliche Beschränkung auf die Gesetzmäßigkeit des Handelns gebunden sind. 76 Damit ist der kommunale Bereich einer Enquete des Bundestages verschlossen. Dagegen sind Enqueten im Bereich der ausschließlichen und konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes sowie im Bereich der bundeseigenen Verwaltung zulässig. Beim Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder (Art. 83 ff. GG) kann die Ausübung der Bundesaufsicht ein zulässiger Untersuchungsgegenstand sein. Auch im Bereich des Landesvollzugs von Landesgesetzen ist ein Untersuchungsrecht des Bundes wegen des dort geltenden Prinzips der Bundestreue (Art. 28 Abs. I S. 1 GG) und wegen der Bindung des Landes an das Bundesrecht gemäß Art. 28 Abs. 3 GG nicht ausgeschlossen. 77 Ausgeschlossen ist ein Untersuchungsrecht des Bundestages aber in Angelegenheiten, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Union fallen und dieser zur ausschließlichen Wahrnehmung übertragen worden sind. 78 Art. 138 c (193 n.F.) EGV verleiht konsequenterweise dem Europäischen Parlament das Recht, zur Prüfung von Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht oder von Missständen bei dessen Anwendung nichtständige Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Allerdings steht nach Art. 138 c Abs. I (193 Abs. 1 n.F.) EGVein gerichtliches Verfahren, das sich mit dem gleichen Sachverhalt befasst, der Einsetzung eiBVerfGE 77,1,59; kritisch Versteyl, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 21. Vgl. Art. 44 GG; BVerfGE 67,100,139; 77,1,44; BVerwG, DVBI. 2000, S. 487, 490. 75 Magiera, in: Sachs, Art 44, Rn. 8; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Art. 44, Rn. 16; v. Mangoldt/ Klein/ Achterberg / Schulte, Art. 44, Rn. 36 ff. 76 Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, S. 116. 77 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 23; Schenke, JZ 1988, S. 805 ff., 809. 78 Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Art. 44, Rn. 8. 73

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

nes Untersuchungsausschusses entgegen. 79 Dies gilt auch für Verfahren vor nationalen Gerichten. 8o

2. Die Beschränkungen durch das Gewaltenteilungsprinzip Das Untersuchungsrecht des Bundestages findet eine Grenze im Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG).81 Ein Untersuchungsauftrag darf nicht das Gewaltenteilungsprinzip verletzen. Der Bundestag darf nicht Aufgaben anderer Verfassungsorgane wahrnehmen. Dies gilt sowohl für den Bereich der Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden als auch für den "Kembereich exekutiver Eigenverantwortung, der Untersuchungen im exklusiven Initiativ-, Beratungsund Handlungsbereich der Bundesregierung ausschließt,,82. In den Kembereich der Exekutive würde eingegriffen werden, wenn der nicht ausforschbare Bereich, wie etwa die Vorbereitung von Kabinettsentscheidungen und dgl. betroffen wäre 83 oder sich das Parlament die Kompetenz eines umfassenden Aufsichtsorgans anmaßt. 84 Die Bundesregierung hat das Recht auf einen unausforschbaren "Bereich der inneren Willensbildung,,85. Die Grenzen des Enqueterechts des Parlaments sind insoweit nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz zu bestimmen, wobei Leitlinie die Verpflichtung der Verfassungsorgane zu wechselseitiger Rücksichtnahme ("Organtreue") unter Wahrung des grundsätzlichen Vorrangs des Parlaments ist. Daher kann Gegenstand eines Untersuchungsausschusses des Bundestages nur ein Vorgang sein, der bereits abgeschlossen ist. 86 Dies gilt z. B. auch für die Beiziehung staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsakten durch einen UA. Weiterhin stellt sich die Frage nach den Grenzen, die der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG) dem parlamentarischen Untersuchungsrecht im Verhältnis zur Judikative zieht, insbesondere ob parallele Doppeluntersuchungen in einem Ermittlungs- bzw. Strafverfahren und einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren zulässig sind. Die Zulässigkeit der DoppeluntersuVgl. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 5. Beckedorf, Das Untersuchungsrecht des Europäischen Parlaments, S. 325 ff. 81 Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 44, Rn. 17; v. Mangoldt/ Klein/ Achterberg/Schulte, Art. 44, Rn. 59 ff.; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Art. 44, Rn. 9; Versteyl, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 21; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 25, 26. 82 BVerfGE 67,100,139. 83 BVerfGE 67, 100, 139. 84 Steinberger; BT-Drs. 11/7800, S. 1181,1192; FG München, NVwZ 1994, S. 100, 102. 85 BT-Drs. 11/8085, S. 15, Degenhart, Staatsrecht I, 17. Aufl. 2001, Rn. 483, vgl. auch HessStGH, NVwZ-RR 1999, S. 483 = DVBI. 1999, S. 711 ff. 86 BVerfGE 67, 100, 139; Hilf, NVwZ 1987, S. 537, 539; Arloth, NJW 1987, S. 808, 811; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, S. 259, 260; Glauben, DRiZ 1992, S. 395. 79

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V. Die Grenzen des Untersuchungsrechts

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chung war lange strittig, wird aber mittlerweile ganz überwiegend bejaht. 87 Für die Zulässigkeit der parallelen Doppeluntersuchung spricht, dass es sich bei der parlamentarischen Untersuchung und beim justiziellen (staatsanwaltlichen oder gerichtlichen) Verfahren um zwei wesensmäßig verschiedene staatliche Funktionen handelt, die einander nicht ausschließen. Während es bei der parlamentarischen Untersuchung um die Aufdeckung und politische Missbilligung etwaiger Missstände im Bereich der Exekutive oder im öffentlichen Leben, z. B. bei einer Missstands- oder Skandal-Enquete, geht, zielt das Strafverfahren auf die Verfolgung und Verurteilung eines Bürgers wegen einer strafbaren Handlung ab. Es besteht grundsätzlich weder ein Zuständigkeitskonflikt noch ein temporärer Vorrang der einen oder der anderen Verfahrensart. Von diesem Nebeneinander geht Art. 44 Abs. 4 GG offensichtlich aus. Diese Bestimmung entzieht einerseits die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse der richterlichen Erörterung, andererseits stellt sie die Freiheit der Gerichte in der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrunde liegenden Sachverhalts fest. Außerdem wäre eine Aussetzung der parlamentarischen Untersuchung bis zum Abschluss eines Strafverfahrens wegen des parlamentarischen Diskontinuitätsprinzips gleichbedeutend mit dem Verzicht auf einen UA.

3. Die zeitliche Begrenzung

Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gilt wegen des Diskontinuitätsgrundsatzes immer nur für die Dauer der laufenden Legislaturperiode. s8 Unerheblich ist, wenn die Wahlperiode vorzeitig beendet wird. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der UA ein Organ des Parlaments ist, das den UA eingesetzt hat. Dies bedeutet aber nicht, dass ein UA nicht kurz vor dem Ende einer Wahlperiode eingesetzt werden kann. 89 Wenn ein UA seine Arbeit nicht mit einem Abschlussbericht beenden kann, hat der UA die Möglichkeit, lediglich einen Teilbericht vorzulegen, um in der nächsten Wahlperiode einen neuen UA einzusetzen und die Untersuchungen in diesem UA fortzusetzen. 9o Frühere Beweiserhebungen können dann beigezogen und im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden. 91 Andererseits ist es durchaus möglich, dass das Parlament die Dauer eines Untersuchungsausschusses bereits bei der Einsetzung zeitlich begrenzt.

87 Zum Streitstand: v. MangoldtlKleinl AchterberglSchulte, Art. 44, Rn. 14 ff.; vgl. auch Friedrich, Der parlamentarische Untersuchungsausschuss - Entwicklung, Stellung und Kompetenzen, S. 89; Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 47. 88 BVerfGE 49, 70, 86; BVerwG, NVwZ-RR 1995, S. 587; NJW 2000, S. 160, 162; BayVerfGH, NVwZ 1996, S. 1206 m. w. N.; Morlok, in : Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 33. 89 Versteyl, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 25. 90 Ba-Wü-StGH, DÖV 1977, S. 524, 529. 91 Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, 2. Aufl. 1991, S. 165.

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Das Untersuchungsverfahren findet sein Ende mit der Vorlage eines Abschlussberichts an das Parlament. 92 Das BVerfG hat es für zulässig erklärt, dass ein UA bereits frühzeitig einen Beschluss fasst, mit dem die Vernehmung von Zeugen beendet wird, um genügend Zeit für die Fertigstellung des Abschlussberichts zu haben. Allerdings muss der Beschluss dafür Sorge tragen, dass die Beendigung der Zeugenvernehmung "unter Beachtung von Regeln geschieht, die sowohl der Mehrheit als auch der qualifizierten Minderheit erlauben, noch in ausreichendem Umfang die von ihnen jeweils für unabdingbar gehaltenen Beweise zu erheben".93 Es ist aber auch möglich, dass das Untersuchungsverfahren in der Weise beendet wird, dass das Parlament die Auflösung des Untersuchungsausschusses beschließt. 94 Hierzu ist allerdings eine qualifizierte Mehrheit von über Dreiviertel der Mitglieder dann zu verlangen, wenn es sich um eine Minderheitenenquete handelt, da ansonsten die Minderheit von einem Viertel sofort nach Ergehen des Auflösungsbeschlusses wieder die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen und durchsetzen könnte.

4. Die Beschränkung durch Grundrechte

Untersuchungsgegenstand können auch private Angelegenheiten sein, wenn wegen ihres Bezugs zu öffentlichen Aufgaben oder einer Amtstätigkeit ein öffentliches Interesses daran besteht. Dies kommt insbesondere bei sog. Skandal-Enqueten in Betracht, deren Nachforschungen in die Privatsphäre natürlicher oder juristischer Personen hineinreichen können. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist in diesem Falle noch kein Eingriff in verfassungsmäßige Rechte des Bürgers. 95 Untersuchungsausschüsse üben aber öffentliche Gewalt i. S. d. Art. 19 Abs. 4 GG aus, soweit Maßnahmen des Untersuchungsausschusses in subjektive Rechtspositionen von Zeugen eingreifen. 96 So wird denn auch dem UA, soweit er gegenüber einer Privatperson von seinen Eingriffsbefugnissen Gebrauch macht, in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die Eigenschaft einer Behörde zuerkannt. 97 Die Beweiserhebung durch den UA ist materiell Verwaltungstätigkeit. Un92 Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, Schriften zum öffentlichen Recht, Bd. 488, S. 87. 93 BVerfGE 105, 197 ff., 234. 94 Versteyl, in: v. Münch I Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 24. 95 BayVerfGH, BayVBI. 1995, S. 463. 96 BVerfGE 67, 100, 142; 77, 1, 39, 46; BayVerfGH, BayVBI. 1994, S. 463, 465; OVG Münster, NVwZ 1986, S. 575, 576; Morlok, in : Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 28; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 49; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 90 ff.; Richter, AnwBI. 2000, S. 513, 514. 97 BVerwG, BayVBI. 1981, S. 214; OLG Köln, NJW 1985, S. 336; OVG Berlin, DVBI. 1970, S. 293; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 609; Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I

V. Die Grenzen des Untersuchungsrechts

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tersuchungsausschüsse, die auch Untersuchungen im privaten Bereich vornehmen dürfen, können in vielfältiger Weise in private, grundrechtlich abgesicherte Rechtspositionen eingreifen und insbesondere das Recht auf infonnationelle Selbstbestimmung (Art. 2 GG) oder auch das Eigentumsrecht aus Art. 14 GG tangieren. 98 Über die in Art. 44 Abs. 2 S. 2 GG benannten Schranken hinaus haben Untersuchungsausschüsse gemäß Art. 20 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte und das Rechtsstaatsprinzip mit dem aus beiden abgeleiteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. 99 Dies kann das Beweiserhebungsrecht einschränken. Die Eingriffe im Rahmen der Beweiserhebung sind zwar grundsätzlich zulässig, weil Art. 44 GG Untersuchungsausschüsse zu den erforderlichen Beweiserhebungen ermächtigt. 100 Die parlamentarische Untersuchung darf aber den Kernbereich der Persönlichkeitsentfaltung Privater, dessen Unantastbarkeit sich aus Art. 19 Abs. 2 i.Y.m. Art. 2 Abs. 1 GG ergibt, nicht tangieren. 101 Das infonnationelle Selbstbestimmungsrecht steht dem ebenfalls Verfassungsrang genießenden Beweiserhebungsrecht des Parlaments gegenüber. Bei der Abwägung sind Art und Bedeutung des mit der Beweiserhebung verfolgten Ziels im Rahmen des dem UA erteilten Auftrags und die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Daten angemessen zu berücksichtigen. 102 Dabei ist insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Der UA hat den Weg zu wählen, der am wenigsten in die Grundrechte der Auskunftsperson eingreift. Wenn die erforderlichen Infonnationen aus dem privaten Bereich von dem Zeugen zur Verfügung gestellt werden, verbietet es sich, Zwangsmassnahmen anzuwenden, um in den Besitz der Beweismittel zu kommen. Die Praxis zeigt, dass im Untersuchungsverfahren nicht gewährleistet ist, dass private Geheimnisse, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht an die Öffentlichkeit gelangen. Dabei ist unerheblich, ob die Ausschusssitzung öffentlich oder nicht öffentlich ist. 103 Eingriffe in Grundrechte von Auskunftspersonen drohen insbesondere im Untersuchungsverfahren, weil bei Skandal-Enqueten Zeugen oft missbräuchlich zu politischen Zwecken coram publico peinlichen BefraScholz, Art. 44, Rn. 27; a.M. OVG Lüneburg, DÖV 1986, S. 210; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 14, der den UA als Gremium des Parlaments bezeichnet. 98 OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 607. 99 BVerfGE 67, 100, 142; NdsStGH, NVwZ 1986, S. 827, 828; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 610, 611; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 143; Linck, ZRP 1987, S. 11, 16; Scho/z, AöR 105 (1980), S. 564 ff., 604; Stern, AöR 109 (1984), S. 199 ff., 282; Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, S. 31 ff.; Arloth, NJW 1987, S. 808 ff., 812; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 80. 100 Linck, ZRP 1987, S. 11 ff., 14. 101 Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, S. 107. 102 Klenke, NVwZ 1995, S. 646; vgl. auch Kölbel/Morlok, ZRP 2000, S. 217, 219. 103 Linck, ZRP 1987, S. 14; Klenke, NVwZ 1995, S. 647; Kölbel/Morlok, ZRP 2000, S. 217, 221.

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

gungen unterzogen werden, denen sie ohne Schutz ausgeliefert sind, weil entweder vom Ausschussvorsitzenden nicht eingegriffen wird oder man sich darauf beruft, dass die Fragen vom Untersuchungsauftrag gedeckt sind. Daher kommt im Bereich parlamentarischer Enqueten den Gerichten eine bedeutsame Funktion bei der Verwirklichung grundrechtlicher Positionen zu. Denn auf die regulierende Kraft der viel beschworenen politischen Kultur ist kein Verlass.

5. Die Beschränkung durch den Untersuchungsgegenstand

Das Spektrum möglicher Untersuchungsgegenstände ist sehr weit gezogen. 104 Der Gegenstand eines Untersuchungsausschusses, der bereits klar und eindeutig im Einsetzungsantrag umschrieben sein muss, ist begrenzt durch den Einsetzungsbeschluss. Das Parlament kann es dem UA nicht überlassen, mit welchen Themen sich dieser befassen will, da das Parlament der Träger des Rechts auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist. Mit dem Einsetzungsbeschluss wird dem UA aufgegeben, bestimmte Tatbestände, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt, zu untersuchen und hierüber dem Parlament zu berichten. 105 Das Bestimmtheitsgebot erfordert, im Einsetzungsantrag und -beschluss den Untersuchungsgegenstand so genau festzulegen, dass dem UA ein klar, möglichst genau und deutlich umschriebenes Arbeitsprogramm vorgegeben iSt. 106 Gerade sehr weit gefasste Untersuchungsgegenstände bergen die Gefahr in sich, dass die Beweiserhebung mit dem Argument, diese sei vom Untersuchungsauftrag gedeckt, in einer Form ausgeweitet wird, dass der UA gegen Ende der Legislaturperiode in zeitliche Bedrängnis gerät, den Abschlussbericht rechtzeitig fertig stellen zu können, wie sich dies gerade im 1. UA der 14. WP gezeigt hat. Die Beachtung des Bestimmtheitsgebots beim Einsetzungsbeschluss ist auch im Hinblick auf den Grundrechtsschutz der von einer parlamentarischen Untersuchung Betroffenen geboten. Denn parlamentarische Untersuchungen, die private Angelegenheiten einer Auskunftsperson betreffen, sind nur dann zulässig, wenn sie nicht ausschließlich den privaten Bereich berühren und wenn für die Untersuchung ein öffentliches Interesse besteht, das nur dann gegeben ist, wenn der Untersuchungsgegenstand einen Bezug zu einer öffentlichen Funktion oder zu einer Amtstätigkeit des Betroffenen hat und die Aufklärung Rückschlüsse auf die Führung der Amtsgeschäfte des Betroffenen erlaubt. 107 Das Bestimmtheitsgebot ergibt sich weiterhin auch aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Der Einsetzungsbeschluss muss im Interesse der anderen Staatsgewalten die zu ermittelnden Tatbestände hinreichend deutlich erkennen lassen. Das 104 Klenke, NVwZ 1995, S. 644, 646; BT-Drs. 11 /7800, Steinberger, Rechtsgutachten, erstattet dem 2. VA der 11. WP des Deutschen Bundestages v. 16. 10. 1988, S. 1181 ff., 1198. 105 BVerfGE 49,70,85. 106 BayVerfGH, NVwZ 1995, S. 681 ff. 107 BayVerfGH, NVwZ 1995, S. 681.

VI. Der Unterschied zum gerichtlichen Verfahren

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Erfordernis der Bestimmtheit wird auch aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitet. Wenn Untersuchungsausschüsse befugt sind, in die Rechtssphäre des Bürgers einzugreifen, folgt daraus das rechtsstaatliche Erfordernis, die Eingriffsvoraussetzungen klar und für den Bürger messbar und verlässlich festzulegen.

VI. Der Unterschied zum gerichtlichen Verfahren Die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess bereitet erhebliche Probleme, da die Verfahren von Untersuchungsausschüssen und Strafgerichten doch deutliche Unterschiede aufweisen. 108 Um eine Aussage darüber treffen zu können, welche Vorschriften sinngemäß auf Untersuchungsausschüsse anwendbar sind, muss man sich darüber im Klaren sein, welche Unterschiede zum gerichtlichen Strafverfahren bestehen. 1. Der UA ist kein Gericht

Untersuchungsausschüsse sind keine Gerichte, weder Strafgerichte noch sonstige Gerichte, die in einem justizförmigen Verfahren zu einer endgültigen vollstreckbaren Entscheidung kommen. 109 Ihre Tätigkeit ist keine Rechtspflege, sondern die Ausübung eines verfassungsmäßigen Kontrollrechts des Parlaments. Untersuchungsausschüsse haben eine andere Aufgabe als Gerichte. Der UA übt das Enqueterecht des Bundestages aus. Aufgabe des Untersuchungsausschusses ist es, eine politische Entscheidung des Bundestages durch die Beweiserhebung und die Wertung des Beweisergebnisses vorzubereiten. 110 Die Sachverhaltsfeststellungen im UA-Bericht sind nicht bindend. Gemäß § 33 Abs. 2 PUAG besteht die Möglichkeit, in den Bericht Sondervoten aufzunehmen, wenn der UA nicht zu einem einvernehmlichen Bericht kommt. Diese Möglichkeit ist in einem Strafurteil nicht gegeben. Dort muss der Sachverhalt unter Beachtung des Grundsatzes in dubio pro reo mit Zweidrittelmehrheit festgestellt werden (§ 263 StPO, § 196 GVG). Die Sachverhaltsfeststellungen im Strafurteil erwachsen in Rechtskraft. 2. Der UA ist Teil des Parlaments

Ein UA ist Teil des Parlaments, nicht Teil der rechtsprechenden Gewalt. "Untersuchungsausschüsse sind politische Kampffelder, auf denen es gilt, für die eigene 108 A.M. Wohlers, NVwZ 1994, S. 40, 41, der von Übereinstimmungen hinsichtlich der Folgen und der Grundstruktur des Verfahrens beim parlamentarischen Untersuchungsverfahren und dem Strafprozess ausgeht. 109 Zeh, DÖV 1988, S. 703; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 44, Rn. 27. 110 Beckedoif, Das Parlament 1989, S. 42.

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D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Person oder Partei politische Siege zu erringen; dabei kann sich das Gesichtsfeld verengen, können sich Gewichte verschieben und somit auch Grundrechtspositionen Privater leichter unter die Räder kommen". 111 Die Zusammensetzung der Mitglieder von Untersuchungsausschüssen entspricht nicht dem Spruchkörper eines Gerichts. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Ausschussvorsitzende nicht mit dem gesetzlichen Richter vergleichbar ist, der von Verfassung wegen im Voraus für das konkrete Strafverfahren feststehen muss. Nach § 6 Abs. I PUAG bestimmt der UA das Mitglied, das den Vorsitz führt, aus seiner Mitte nach den Vereinbarungen im Ältestenrat, wobei für den Vorsitz der Untersuchungsausschüsse die Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke zu berücksichtigen sind (§ 6 Abs. I PUAG). Der Richter muss über die Befähigung zum Richteramt verfügen (§ 5 Abs. I DRiG). Über die Qualifikation für den Vorsitzenden in einem UA sagen weder Art. 44 GG noch das PUAG etwas, d. h. der Ausschussvorsitz und damit die Leitung eines Untersuchungsausschusses kann ohne Rücksicht auf die berufliche Qualifikation oder die parlamentarische Erfahrung jedem Abgeordneten übertragen werden.

3. Keine Ausschluss- bzw. Befangenheitsregeln Ein weiterer Unterschied ergibt sich daraus, dass es im PUAG keine Regeln über den Ausschluss eines Mitglieds gibt. Während die StPO in den §§ 22 ff. detailliert regelt, wann ein Richter kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist bzw. wann ein Richter wegen Befangenheit abgelehnt werden kann (§ 24 Abs. 1 StPO), finden sich im PUAG keine entsprechenden Vorschriften. Das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) ist in einem gerichtlichen Verfahren nicht gewahrt, wenn der Rechtssuchende vor einem Richter steht, der etwa wegen naher Verwandtschaft, Freundschaft oder Verfeindung die gebotene Unvoreingenommenheit vermissen lässt. 1l2 Daher hat der Gesetzgeber durch die Vorschriften in den §§ 22 ff. StPO Vorsorge getroffen, dass die Richterbank von Richtern freigehalten wird, die dem rechtlich zu würdigenden Sachverhalt und den Verfahrensbeteiligten nicht mit der erforderlichen Distanz eines Unbeteiligten und daher am Ausgang des Verfahrens Uninteressierten gegenüberstehen. 1l3 Im Gegensatz zur StPO bestimmt § 5 PUAG lediglich, dass der ordentliche und stellvertretende Vorsitzende von den Fraktionen benannt und abberufen werden. Das entspricht dem Verfahren bei sonstigen Ausschüssen gemäß § 57 Abs. 2 GOBT. Nach dem PUAG hat ein Mitglied des Untersuchungsausschusses nicht einmal anzuzeigen, wenn ein Zeuge von ihm als Mitglied des Untersuchungsausschusses anwaltlich vertreten wird. Im Gegensatz dazu sah § 5 der sog. IPA-Regeln vor, dass zwar nach § 5 Abs. 3 IPA-Regeln die Vorschriften der StPO über die Ablehnung 111 Linck, Anmerkung zum Urteil des BVerfG v. 11. 11. 1987 (Neue Heimat), DÖV 1988, S. 261 ff., 265. 112 BVerfGE 21, 139, 146; 30, 149, 153. 113 Meyer-Goßner; StPO, Vor § 22, Rn. I.

VI. Der Unterschied zum gerichtlichen Verfahren

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oder den Ausschluss von Richtern auf die Ausschussmitglieder keine Anwendung finden, dass aber ein Mitglied des Bundestages, das an dem zu untersuchenden Vorgang beteiligt ist oder war, dem UA nicht angehören darf und dass dieses Mitglied auszuscheiden hat, wenn dies erst nachträglich bekannt wird.

4. Keine Verpflichtung zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Gemäß § 152 Abs. 2 StPO ist die Staatsanwaltschaft, soweit nicht gesetzlich ein anderes bestimmt ist, verpflichtet, wegen aller verfolgbaren Straftaten einzuschreiten, sofern zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (sog. Legalitätsprinzip). § 152 Abs. 2 StPO enthält einerseits die Verpflichtung für die Staatsanwaltschaft zum Einschreiten, gleichzeitig begrenzt die Bestimmung diese Pflicht. Durch die Geltung des Legalitätsprinzips soll die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG) und damit die Willkürfreiheit gewährleistet werden. 1l4 Die Verfahrensmaxime des § 152 Abs. 2 StPO beinhaltet auch die Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 160 StPO) sowie zur Erhebung der öffentlichen Klage (§ 170 Abs. 1 StPO), sofern die Ermittlungen hierzu genügenden Anlass bieten. 115 Die Anforderungen, unter denen ein parlamentarischer UA eingesetzt werden kann, sind wesentlich geringer. § 1 Abs. 1 PUAG bestimmt lediglich, dass der Bundestag das Recht und auf Antrag von einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht hat, einen UA einzusetzen. Im letzteren Falle hat dies der Bundestag gemäß § 2 Abs. 1 PUAG unverzüglich zu beschließen. Unter welchen Voraussetzungen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in Betracht kommt, wurde bereits bei den verschiedenen Typen von Untersuchungsausschüssen behandelt.

s. Kein streng normiertes justizförmiges Verfahren Ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren und das anschließende Strafverfahren sind streng normierte justizförmige Verfahren. Nach den durchgeführten Ermittlungen mit dem Ziel, den Sachverhalt umfassend von Amts wegen aufzuklären, erfolgt im Ermittlungsverfahren die Anklageerhebung gemäß § 170 Abs. 1 StPO, wenn der Beschuldigte der Tat dringend verdächtig ist. Insoweit hat die Staatsanwaltschaft einen nicht unerheblichen Beurteilungsspielraum 116, aber keinen Ermessensspielraum, da die Staatsanwaltschaft dem Legalitätsprinzip unterliegt. 117 Nach der Erhebung der öffentlichen Klage folgt das Eröffnungsverfahren 114 115 116 117

BVerfGE 20, 162,222; 57, 250, 275. KMR-Plöd, StPO, § 152, Rn. 3. BGH, NJW 1970, S. 1543. KMR-Plöd, StPO, § 170, Rn. 4.

58

D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

(Zwischenverfahren). In diesem Verfahrensstadium prüft das Gericht, ob der Angeschuldigte nach dem Ergebnis des vorbereitenden Verfahrens (= Ermittlungsverfahren) einer Straftat hinreichend verdächtig ist. Ist dies der Fall, so beschließt das Gericht gemäß § 203 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens und bestimmt einen Termin zur Hauptverhandlung. Weist die Anklage essentielle Mängel 118 auf oder liegt ein Verfahrenshindernis vor oder scheidet eine Verurteilung des Angeschuldigten aus rechtlichen Gründen aus, weil der Sachverhalt keinen Straftatbestand erfüllt, oder besteht kein hinreichender Tatverdacht, so lehnt das Gericht die Eröffnung des Hauptverfahrens ab (§ 204 StPO). In der Hauptverhandlung entscheidet das Gericht über die Schuld des Angeklagten und setzt die Rechtsfolgen zur Ahndung der Straftat fest. Diese strenge Einteilung der verschiedenen Verfahrensabschnitte gibt es im UAVerfahren nicht. Nach § 7 Abs. I der sog. IPA-Regeln konnte der UAjederzeit eine vorbereitende Untersuchung durch einen Unterausschuss beschließen. Aufgabe eines Unterausschusses ist es, den Untersuchungsstoff einschließlich der erforderlichen Beweismittel, insbesondere die einschlägigen Akten und Unterlagen, zu sammeln und zu gliedern. Er konnte auch Personen informatorisch hören. Diese Regelung hat das PUAG nicht übernommen. Dafür sieht § 10 Abs. I PUAG vor, dass der UA das Recht und auf Antrag von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages die Pflicht hat, zu seiner Unterstützung eine Untersuchung zu beschließen, die von einem oder einer Ermittlungsbeauftragten durchgeführt wird. Der / Die Ermittlungsbeauftragte soll in der Regel die Untersuchung durch den UA vorbereiten (§ 10 Abs. 3 S. 1 PUAG), indem er / sie die erforderlichen sachlichen Beweismittel beschafft und sammelt, um nach Abschluss der Untersuchung dem UA einen schriftlichen und mündlichen Bericht zu erstatten und einen Vorschlag für die weitere Vorgehensweise zu unterbreiten. Die weitere Vorgehensweise liegt in der Hand des Untersuchungsausschusses. Der UA erhebt dann die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise auf Grund von Beweisbeschlüssen (§ 17 Abs. 1 PUAG). Eine Amtsaufklärungspflicht entsprechend § 244 Abs. 2 StPO ist dem PUAG fremd, im Unterschied zum Strafprozess, wo die Ermittlung des wahren Sachverhalts das zentrale Anliegen ist. 119 Hinsichtlich des Umfangs der Beweiserhebung bestimmt § 17 Abs. 2 PUAG lediglich, dass Beweis zu erheben ist, wenn die Beweiserhebung von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt wird, es sei denn, dass das Antragsrecht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt wird oder das Beweismittel 118 Vgl. KMR-Seidl. StPO. § 200, Rn. 53 ff.: Beim Anklagesatz sind essentielle, d. h. substantielle, wesentliche Mängel, die ein von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindemis begründen (BGHSt 5, 225, 227; 16, 73, 76 f.), und nicht-essentielle Fehler, die heilbar sind, zu unterscheiden. Beispiel für essentielle Mängel sind: Der Anklagesatz bezeichnet keinen hinreichend identifizierten Angeklagten. Der Anklagesatz individualisiert die einzelnen Taten nicht nach Tatzeit und Geschehnisablauf. 119 BVerfGE 57, 250, 275; 63,45,61; a.M. Schneider, in: Wassermann (Hrsg.), Art. 44. Rn. 14; vgl. S. 42.

VI. Der Unterschied zum gerichtlichen Verfahren

59

auch nach Anwendung der im Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel nicht erreichbar ist. Zur Durchsetzung des Beweiserhebungsrechts kann ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Errnittlungsrichter oder die Errnittlungsrichterin des BGH zur Entscheidung über die Erhebung der Beweise anrufen (§ 17 Abs. 4 PUAG). Eine weitere Kontrollinstanz vergleichbar mit den Rechtsmitteln der Berufung und Revision im Strafprozess gibt es nicht. Ein Betroffener hat wegen Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG keine Möglichkeit der gerichtlichen Korrektur von Aussagen über seine angeblichen Verfehlungen im Untersuchungsbericht. 120 Lediglich für Fälle, in denen gewichtige Grundrechtsverletzungen in Rede stehen, haben Verwaltungsgerichte im Zusammenhang mit dem Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses fachgerichtlichen Rechtsschutz nicht ausgeschlossen. 121

6. Andere Verfahrensziele

Die Durchführung des Strafverfahrens hat zum Ziel, über die Schuld des Angeklagten zu entscheiden und im Falle der Verurteilung Rechtsfolgen zur Ahndung der Tat festzusetzen bzw. im Falle der Nichtschuld den Angeklagten von dem Vorwurf der Anklage freizusprechen. Ein UA verfolgt ein anderes Verfahrensziel. Parlamentsenqueten liegen vielfach globale Aufträge zugrunde, die zumeist auf die Aufklärung von Skandalen oder Missständen gerichtet sind. Auch der Verfahrensablauf wird von anderen Erwägungen bestimmt. Beim UA geht es um die Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner. Ein UA dient parteipolitischen Zwecken. Es ist zu beobachten, dass z. B. anstehende Wahlen die Terrninplanung des Untersuchungsausschusses bestimmen können. Es ist nicht ungewöhnlich, dass vor einer Wahl in einem Bundesland dessen Ministerpräsident vor den UA vorgeladen wird, um dann Schlagzeilen in der Presse gegen den politischen Gegner produzieren zu können. So hat der 1. UA "Partei spenden" der 14. WP über Wochen und Monate hinweg die Berichterstattung in den deutschen Medien beherrscht. Je länger er jedoch gedauert hat, um so deutlicher wurde, dass das Ergebnis des Untersuchungsausschusses bereits lange feststand, weil die nicht veröffentlichten Partei spenden zugunsten der CDU sehr frühzeitig geklärt waren, da sie von der CDU selbst eingeräumt wurden, andererseits aber der UA nicht weiterkam, was die Frage der Bestechlichkeit der Mitglieder der Bundesregierung beim Regierungshandeln anbelangte. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Verkaufs von 36 Fuchspanzern an Saudi-Arabien bzw. der Übernahme der Raffinerie in Leuna durch den französischen Konzern Elf Aquitaineo Der Leuna-Komplex, den die Ausschussmehrheit aus SPD und BÜNDNIS 120 Beckedorf, Das Parlament 1989, S. 43; Klein, Art. 44, Anm. IV. 2.; einschränkend BVerfG, NVwZ 1993, S. 357; OVG Hamburg, NVwZ 1987, S. 610 ff. 121 VG Hamburg, DVBI. 1986, S. 1017, 1021; OVG Hamburg, NVwZ 1987, S. 610, 611; vgl. auch BVerfG, NVwZ 1993, S. 357 f.

D. Verfassungsrechtliche Grundlagen

60

90/DIE GRÜNEN als Ausgangspunkt für eine Überprüfung ins Auge gefasst hatte und dessen "Aufklärung" sie mit großem personellen und publizistischen Aufwand betrieb, hat nichts anderes ans Licht gebracht, als dass auf Regierungsebene kein Fehlverhalten nachweisbar ist. J22 Leyendecker 123 stellte am Ende des 1. Untersuchungsausschusses der 14. WP fest: "Der Hang einiger Akteure zur Inszenierung, vor allem die Versuchung, prominente Christdemokraten vorzuführen, hatte allerdings in den letzten Monaten die Sicht auf die Arbeit des Ausschusses getrübt." Zusammenfassend ist festzustellen, dass Untersuchungsausschüsse keine Gerichte sind und dass die Verfahrenszie1e und der Verfahrens gang im Vergleich mit dem gerichtlichen Verfahren deutliche Unterschiede aufweisen. Daraus folgt, dass die Regeln über den Strafprozess auf Untersuchungsausschüsse nicht ohne weiteres übertragbar sind. Ein schematischer Transfer der Normen der StPO ins Enqueteverfahren ist von Art. 44 GG nicht gewollt. Bei jeder Vorschrift ist zu fragen, ob ihre Anwendung dem Sinn parlamentarischer Enqueten entspricht. Als Ergebnis bleibt aber: Im UA sollte es um die Erforschung der Tatsachen gehen. Deshalb verweist Art. 44 Abs. 2 GG für die Beweiserhebung auf die Vorschriften über den Strafprozess, um dem UA die Ermittlung der Tatsachen in einem strengen Beweisverfahren zu ermöglichen. In Wirklichkeit werden aber die Untersuchungsausschüsse von den Parteien bereits bei der Beweiserhebung und nicht erst bei der politischen Bewertung der festgestellten Tatsachen als Kampfinstrument benutzt, während die Vater des GG mit Art. 44 GG dem Parlament lediglich ein effektives Aufklärungsinstrument im Rahmen der politischen Kontroverse in die Hand geben wollten.

\22

123

FAZ v. 14. 12.2001, S. I. SZ v. 12.6.2002, S. 10.

E. Die geschichtliche Entwicklung des

Untersuchungsausschussrechts

Die Refonn des UA-Rechts ist Thema bereits seit dem 34. DJT im Jahre 1926 in Köln. Es gab eine Vielzahl von Refonnvorschlägen seitens der Wissenschaft und der Praxis. Dies führte dazu, dass in den meisten Bundesländern UA-Gesetze verabschiedet wurden. l Auf Bundesebene ließ aber ein UA-Gesetz auf sich warten, obwohl entsprechende Refonnvorschläge, wie sie nachstehend zusammengefasst sind, immer wieder diskutiert wurden.

I. Die Entwürfe eines Untersuchungsausschussgesetzes Die Erfahrungen des Deutschen Bundestages mit Untersuchungsausschüssen, beginnend ab der 1. Wahlperiode, zeigten sehr frühzeitig, dass eine gesetzliche Regelung des Untersuchungsausschussrechts erforderlich ist. Daher gab es bereits frühzeitig Forderungen nach solchen Regelungen. 1. Die Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vom 4. S. 1961 2 Die Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsaus1 Baden-Württemberg, Gesetz v. 3. 3. 1976, GBI. 1976, S. 194, zuletzt geändert durch Gesetz v. 11. 10. 1993, GBI. 1993, 605; Bayern, Gesetz v. 23. 3. 1970, GVBI. 1970, 95, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23. 7. 1985, GVBI. 1985,246; Berlin, Gesetz v. 22. 6. 1970, GVBI. 1970,925, zuletzt geändert durch Gesetz v. 2. 11. 1993, GVBI. 1993,543; Brandenburg, Gesetz v. l7. 5. 1991, GVBI. 1991,68; Bremen, Gesetz v. 15. 11. 1982, GBI. 1982,329, zuletzt geändert durch Gesetz v. 23. 2. 1988, GBI. 1988, 17; Hamburg, Gesetz v. 27. 8. 1997, GVBI. 1997, 247, zuletzt geändert durch Gesetz v. 6. 6. 2001, GVBI. 2001, 126; Mecklenburg-Vorpommern, Gesetz v. 10.7.1991, GVOBI. 1991,242; Nordrhein-Westfalen, Gesetz v. 18. 12. 1984, GVNW 1985,26, zuletzt geändert durch Gesetz v. 24. 4. 1990, GVNW 1990, 250; Rheinland-Pfalz, Gesetz v. 18.9. 1990, GVBI. 1990,261; Saarland, §§ 38-59 Gesetz über den LT des Saarlandes v. 20. 6. 1973, ABI. 1973, 517, zuletzt geändert durch Gesetz v. 14. 3. 1990, AbI. 1990,422; Sachsen, Gesetz v. 12.2. 1991, GVBI. 1991,29; Sachsen-Anhalt, Gesetz v. 29. 10. 1992, GVBI. 1992,757; Schleswig-Holstein, Gesetz v. 17.4. 1993, GVOBI. 1993, 145; Thüringen, Gesetz v. 7. 2. 1991, GVBI. 1991,36, zuletzt geändert durch Gesetz v. 25. 5. 2000, GVBI. 2000, 101. 2 Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 231005 ff.

62

E. Die geschichtliche Entwicklung des Untersuchungsausschussrechts

schüssen enthielten entsprechend ihrer Zielsetzung keine umfassende Kodifizierung des für Untersuchungsausschüsse geltenden Verfahrensrechts, sondern im Wesentlichen eine Bestandsaufnahme des geltenden Rechts. Sie befassten sich aber bereits mit der Frage, wie eine betroffene Person in einem UA zu vernehmen ist. Man sprach sich dafür aus, eine betroffene Auskunftsperson nicht als Zeuge zu vernehmen, wenn sich aus dem Untersuchungs auftrag eindeutig ergibt, dass sich die Untersuchung ausschließlich oder ganz überwiegend gegen diese bestimmte Person richtet. Dies war nach den Empfehlungen der Fall, wenn parlamentarische Untersuchungen mit dem Ziel eingeleitet oder weitergeführt wurden, um einer bestimmten Person ein persönliches Fehlverhalten nachzuweisen, wenn also der Ermittlungszweck nicht oder nicht nur sachbestimmt, sondern auch personenbestimmt war? Dieser Betroffene sollte nach Art eines Beschuldigten vernommen werden. Allerdings haben die Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente dem Zeugen nicht das Recht eingeräumt, einen Rechtsbeistand bei seiner Vernehmung vor dem UA zuzuziehen. Andererseits sollte der Betroffene aber das Recht haben, die Aussage zu verweigern, Fragen zu stellen und Beweiserhebungen anzuregen. Die Empfehlungen sprachen sich konsequent für eine Nichtvereidigung des betroffenen Zeugen aus.

2. Der Entwurf der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages vom 14. 5. 1969 (sogenannter IPA-Gesetzentwurf) In der 5. Wahlperiode haben am 14. 5. 1969 Mitglieder aller Fraktionen des Deutschen Bundestages einen Antrag eingebracht, der Bundestag wolle einen Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages beschließen. 4 Dieser Gesetzentwurf regelte in § 18 Abs. 1 die Rechtsstellung des Betroffenen wie folgt: "Betroffene sind 1. der Bundespräsident im Falle eines Untersuchungsausschusses zur Vorbereitung der Präsidentenanklage, 2. Abgeordnete und Regierungsmitglieder im Untersuchungsverfahren, die ihre Belastung oder Entlastung zum Ziele haben, 3. Richter im Falle eines Untersuchungsausschusses zur Vorbereitung einer Richteranklage, 4. Personen, bei denen sich aus dem Untersuchungsauftrag oder aus dem Verlauf der Untersuchung ergibt, dass die Untersuchung sich ausschließlich oder ganz überwiegend gegen sie richtet." 3 4

Gollwitzer, in: FS für Dünnebier, S. 327 ff., 336; Wagner, GA 1976, S. 261. BT-Drs. V / 4209; vgl. Ausführungen zu E. H.

I. Die Entwürfe eines Untersuchungsausschussgesetzes

63

Nach § 18 Abs. 3 des IPA-Gesetzentwurfs sollte dem Betroffenen Gelegenheit gegeben werden, zeitlich vor den Zeugen eine zusammenhängende Sachdarstellung zu geben. Die Aussagepflicht und das Aussageverweigerungsrecht entsprachen denen eines Zeugen in einem Strafverfahren. Der Gesetzentwurf räumte den Betroffenen ein Beweisantragsrecht, Fragerecht und das Recht auf Anwesenheit in der Beweisaufnahme ein. Eine Vereidigung des betroffenen Zeugen wurde ausgeschlossen, ebenso ein Beistandsrecht, aber mit der Möglichkeit, dass die Beiziehung eines Beistandes gestattet werden konnte, wenn die Beiziehung zum Schutze berechtigter Interessen des Betroffenen erforderlich erschien. Der Rechtsbeistand hatte aber kein Rederecht. In der 5. Wahlperiode war weiterhin ein Initiativantrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP zur Änderung des Grundgesetzes verbunden mit dem IPA-Entwurf eingebracht worden. 5 Der Initiativantrag beinhaltete eine Ergänzung des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG, dass das Nähere ein Bundesgesetz regelt. Art. 45 a GG sollte dahingehend geändert werden, dass der Bundestag einen Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, einen Ausschuss für Verteidigung und einen aus fünf Abgeordneten bestehenden Ausschuss für Angelegenheiten der Nachrichtendienste bestellt. Dieser Antrag wurde zwar noch im Rechtsausschuss behandelt. 6 Er konnte aber nicht mehr verabschiedet werden. Das gleiche Schicksal hat der oben genannte IPA-Entwurf erlitten, dessen Beratung ebenfalls nicht abgeschlossen werden konnte. Dem IPA-Entwurf waren die Erörterungen beim 45. DJT in Karlsruhe vorausgegangen, der sich mit der Neuordnung des parlamentarischen Untersuchungsausschussrechtes befasst hatte.

3. Der Mustergesetzentwurf der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente von 19727 Eine von der Konferenz der Parlamentspräsidenten der Länder eingesetzte Kommission erhielt den Auftrag, die Empfehlungen aus dem Jahr 1961 fortzuentwickeln und einen Mustergesetzentwurf vorzuschlagen. Dieser Mustergesetzentwurf umschrieb in § 20 Abs. 1 die Rechte und Pflichten eines Zeugen sowie die BetroffenensteIlung wie im IPA-Gesetzentwurf. Hinsichtlich der Beiziehung eines Rechtsbeistands war vorgesehen, dass der Rechtsbeistand sowohl Fragen als auch Anträge stellen kann. Eine Vereidigung des Betroffenen war nach dem Gesetzentwurf ausgeschlossen.

5 6 7

BT-Drs. V / 4445. BT-Drs. V /4514. Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 231021 ff.

64

E. Die geschichtliche Entwicklung des Untersuchungsausschussrechts

4. Die Enquetekommission Verfassungsreform 19728 Die Enquetekommission Verfassungsrefonn 1972 empfahl ausdrücklich, von einer Unterscheidung zwischen Zeugen und Betroffenen im Verfahren des Untersuchungsausschusses abzusehen. Andererseits sollte in einem Untersuchungsausschussgesetz ein persönliches Zeugnisverweigerungsrecht vorgesehen werden.

s. Die Empfehlungen der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages 19769

Auch die Enquetekommission 1976 verzichtete in ihren Empfehlungen auf die Unterscheidung zwischen Zeugen und Betroffenen. Begründet wurde dies damit, dass das Untersuchungsverfahren nicht das Ziel verfolgt, eine persönliche Schuld eines Einzelnen festzustellen. Aufgabe eines Untersuchungsausschusses sei vielmehr, objektive Missstände aufzudecken und für Abhilfe zu sorgen. Nach den Empfehlungen sollte ein Zeuge grundsätzlich nicht vereidigt werden. Die Kommission sprach sich weiter dafür aus, die Möglichkeit einer Aussageverweigerung im Untersuchungsverfahren enger zu fassen als dies im gerichtlichen Verfahren vorgesehen ist. Unter anderem sollte ein neu zu schaffendes Gesetz über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen folgendes vorsehen: die Unparteilichkeit des Vorsitzenden (ohne Stimmrecht und nicht zwingend mit Befähigung zum Richteramt), - das Beweisantragsrecht von zwei Ausschussmitgliedem, - die Verstärkung des Prinzips der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Verhandlung (Abschaffung der Voruntersuchung, Verwertungsverbot nicht verlesener oder gelesener Unterlagen), - den Verzicht auf Vereidigung - eine Verbesserung des Individualrechtsschutzes. 10

BT-Drs.6/3829. Schlussbericht v. 9. 12. 1976, BT-Drs. 7/5924. 10 Schneider, in: Wassermann (Hrsg.), Art. 44, Rn. 19.

8 9

I. Die Entwürfe eines Untersuchungsausschussgesetzes

65

6. Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 44 GG)11 und eines Gesetzes über das Untersuchungsverfahren des Deutschen Bundestages der eDU I eSU-Fraktion vom 14. 11. 1977 12 Dieser Entwurf knüpfte an die Empfehlungen der Enquetekommission 13 an. Eine Regelung über eine Betroffenenstellung war in dem Entwurf nicht enthalten. Überraschenderweise verwies dieser Entwurf zur Regelung der Aussagepflicht und des Auskunftsverweigerungsrechts nicht auf die Bestimmungen der StPO, sondern der ZPO, was eine Verfassungsänderung (Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG) bedingt hätte. Der Zeuge, dem eine Abgeordneten- oder Ministeranklage drohte, sollte ein Auskunftsverweigerungsrecht haben. Dem Zeugen wurde das Recht eingeräumt, Fragen und Beweisanträge zu stellen; er war auch berechtigt, einen Rechtsbeistand zuzuziehen, wenn dies der Ausschussvorsitzende zuließ. Eine Vereidigung der Zeugen wurde abgelehnt. Der Entwurf enthielt keinen Verweis auf die Bestimmungen der §§ 52 ff. StPO. 7. Der interfraktionelle Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages von Abgeordneten der eDU I esu, SPD und FDp 14 Dieser Entwurf, der bereits in der 10. WP eingebracht 15 und in der 11. WP erneut vorgelegt worden war, enthielt in § 15 eine detaillierte Regelung der Rechtsstellung eines Betroffenen. Diese Regelung entsprach § 18 Abs. 1 des IPA-Gesetzentwurfes; den betroffenen Zeugen sollte ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 15 Abs. 3 des Gesetzentwurfes eingeräumt werden. Der Betroffene sollte ein Anwesenheitsrecht bei der Beweisaufnahme sowie ein Recht auf Zuziehung eines Rechtsbeistandes haben. 8. Der Entwurf eines Untersuchungsausschussgesetzes der SPD-Bundestagsfraktion 16 In diesem Gesetzentwurf war die Rechtsstellung eines Betroffenen nicht geregelt. Er verzichtete auf die Unterscheidung von Zeugen, Sachverständigen, Betroffenen und sprach lediglich von Auskunftspersonen. Der Entwurf übernahm die Regelung der §§ 52, 53, 53 a StPO hinsichtlich des Zeugnisverweigerungsrechts aus persönlichen oder beruflichen Gründen. II

12 13

14 15

16

5 P1öd

BT-Drs. 8/1180. BT-Drs. 8/ 1181. BT-Drs. 7/5924. BT-Drs. 11 /1896. BT-Drs. 10/6587. BT-Drs. 11 /2025.

66

E. Die geschichtliche Entwicklung des Untersuchungsausschussrechts

Die aufgrund der beiden zuletzt genannten Gesetzentwürfe eingeleiteten Gesetzesberatungen waren bis zu einem Bericht des Geschäftsordnungsausschusses mit Beschlussempfehlung gediehen 17 , der dann im Bundestag nicht weiterberaten wurde. Zu Beginn der 12. WP wurde diese Beschlussempfehlung wieder aufgegriffen und erneut in die parlamentarische Beratung gebracht. 18 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in den älteren Gesetzentwürfen die Betroffenenstellung umfänglich geregelt war, während die neueren Gesetzentwürfe auf eine Regelung der Rechte von betroffenen Zeugen verzichteten, so dass die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht bzw. das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß den §§ 52, 53, 53 a, 55 StPO entsprechend anwendbar gewesen wären. Keiner dieser Entwürfe ist Gesetz geworden. Mangels gesetzlicher Regelungen haben sich aber die Untersuchungsausschüsse sehr häufig der IPA-Regeln bedient, indem man bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses die Anwendung der IPA-Regeln für den jeweiligen Untersuchungsausschuss ausdrücklich beschlossen hat.

11. Die IPA-Regeln Die Untersuchungsausschüsse des Bundestages arbeiteten bis zur 14. WP auf der Grundlage des Art. 44 GG mit den dort in Bezug genommenen Vorschriften über den Strafprozess und mit Hilfe der sog. IPA-Regeln. Die IPA-Regeln, d. h. der Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages aus der 5. Wp 19 , waren bis zur Verabschiedung des PUAG in den Untersuchungsausschüssen des Bundestages die verfahrensrechtliche Grundlage der Untersuchungsausschüsse. Zeh20 bezeichnet es als einen normtheoretisch interessanten Fall, dass es neben der Nichtanwendung von Gesetzen auch einmal zur Anwendung von Nichtgesetzen kommt. Regelmäßig hat nämlich der Bundestag neben dem Einsetzungsbeschluss hinsichtlich der Verfahrensrege1n Folgendes beschlossen: "Dem Verfahren des Untersuchungsausschusses werden die Regeln zugrundegelegt, die von Mitgliedern der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft im Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen formuliert wurden, soweit sie geltendem Recht nicht widersprechen und wenn nach übereinstimmender Auffassung der Mitglieder des Untersuchungsausschusses keine sonstigen Bedenken dagegen bestehen".21 17 BT-Drs. 11/8085, sog. Porzner-Entwurf. 18 BT-Drs.12/418. 19 BT-Drs. VI 4209. 20 Zeh, DÖV 1988, S. 101, 102. 21 BT-Drs. 7/1803, S. 6; BT-Drs. 14/2139, S. 2 = Antrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN über die Einsetzung des sog. Parteispendenuntersuchungsausschusses in der 14. Wahlperiode.

11. Die IPA-Regeln

67

Die Bindungswirkung der IPA-Regeln im UA steht also unter einem doppelten Vorbehalt. Sie dürfen geltendem Recht nicht widersprechen und ihre Anwendung muss nach übereinstimmender Auffassung des Ausschusses unbedenklich sein. Die IPA-Regeln bilden kein Gewohnheitsrecht. 22 Mit den IPA-Regeln schafft sich der UA eine die Geschäftsordnung des Bundestages fakultativ ergänzende Verfahrensordnung, die deren Rechtscharakter als parlamentarisches Innenrecht teilt. 23 Auf der Grundlage der IPA-Regel hat der Zeuge Schalck-Golodkowski im UA "Kommerzielle Koordinierung" mit Schreiben seines Zeugenbeistandes vom 28. 5. 1993 die Feststellung der Rechtsstellung eines Betroffenen beantragt und von dieser Rechtsposition aus Akteneinsicht begehrt. Der UA hat dies in seiner 138. Sitzung vom 16.6. 1993 abgelehnt, weil die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 des Entwurfes eines Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages (lPA-Regel/4 , die dem Verfahren des Untersuchungsausschusses zugrunde lagen25 , nach seiner Ansicht nicht erfüllt waren?6 Die IPA-Regeln waren damit die grundlegenden Verfahrensvorschriften in Untersuchungsausschüssen bis einschließlich der 14. Wahlperiode. An deren Stelle ist ab dem 26. 6. 2001 das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PU AG) getreten.

22

684.

Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 17; a.M. VGH Kassel, NVwZ 1996, S. 683,

23 BVerwG, NVwZ 1993, S. 60, 61; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 607; v. Mangoldt/ Klein/ Achterberg / Schulte, Art. 44, Rn. 125; Hilf, NVwZ 1987, S. 537, 540. 24 BT-Drs. V / 4909. 25 BT-Drs. 12/654; 12/662. 26 BT-Drs. 12/7600, S. 48, 49.

S*

F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) I. Das Gesetzgebungsverfahren Der Deutsche Bundestag hat in seiner 82. Sitzung am 21. Januar 2000 den von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz)' und den von den Abgeordneten Gerhardt, van Essen, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der ED.P. eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz)2 in erster Lesung beraten und federführend an den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) sowie mitberatend an den Innenausschuss und den Rechtsausschuss überwiesen. 3 Der I. Ausschuss hat sich mit beiden Gesetzentwürfen in insgesamt 9 Sitzungen befasst. Außerdem hat er am 10.5.2000 eine öffentliche Anhörung zu den beiden Gesetzentwürfen sowie einem hiermit korrespondierenden Antrag der Fraktion der ED.P. zur Änderung der Geschäftsordnung4 durchgeführt. 5 Darüber hinaus fanden 10 Berichterstattergespräche statt, in denen mehrfach Gesetzestextsynopsen erstellt und vergleichend beraten wurden. 6 In die Beratungen flossen weiterhin Anregungen des früheren Bundesverfassungsrichters und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Klein und eine Stellungnahme des Bundesbeauftragten für den Datenschutz vom 6. 3. 2001 ein. Am 6. 4. 2001 stand als Tagesordnungspunkt 16 in der 165. Sitzung des Deutschen Bundestages die zweite und dritte Beratung der genannten Gesetzentwürfe an. 7 Nach dem Schluss der Aussprache empfahl der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung die Annahme der zusammengeführten Gesetzentwürfe in der Ausschussfassung. Ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS 8 I

2 3

4 5

6 7

8

BT-Drs. 14/2518, 14/5790. BT-Drs. 14/2363, 14/5790. BT-Drs. 14/5790, S. 11. BT-Drs. 14/2365. BT-Drs. 14/5790, S. 12. Simm, Plenarprotoko1114/ 165, S. 16153. Plenarprotokoll 14/165. BT-Drs. 14/5819.

11. Der Regelungsinhalt

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wurde bei Zustimmung der PDS und Stimmenthaltung der F.D.P. abgelehnt. Dem zusammengeführten Gesetzentwurf hat der Bundestag einstimmig zugestimmt. 9 Der Bundesrat hat sich in der 763. Sitzung des Bundesrats am 11. 5. 2001 mit dem Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz) gemäß Art. 77 Abs. 2 GG befasst lO und auf Empfehlung des Ausschusses für Innere Angelegenheiten und des Rechtsausschusses einen Antrag auf Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht gestellt. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz-PUAG) wurde am 25. 6. 2001 im Bundesgesetzblatt verkündet und ist am 26. 6. 2001 in Kraft getreten. Il In Art. 3 S. 2 PUAG ist klargestellt, dass das Gesetz auf einen im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eingesetzten UA keine Anwendung findet.

11. Der Regelungsinhalt Das Grundproblem eines Untersuchungsausschussgesetzes besteht darin, dass Art. 44 GG keinen Gesetzesvorbehalt enthält und auf die entsprechende Anwendung der Regeln über den Strafprozess verweist. Damit war der Rahmen für ein PUAG ohne gleichzeitige Verfassungsänderung sehr eng. In der Literatur wurde in vielen Untersuchungen zum Untersuchungsausschussrecht wiederholt gefordert, dass die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 GG auf die für die Beweiserhebung sinngemäß geltenden Vorschriften über den Strafprozess aufzuheben und durch einen einfachen Gesetzesvorbehalt hinsichtlich des Untersuchungsausschussverfahrens zu ersetzen sei. 12 Schneider 13 hielt für eine grundlegende Reform des Rechts der Untersuchungsausschüsse eine Verfassungsänderung für erforderlich, wenn das Feld nicht den Gerichten überlassen werden sollte. Dazu forderte er nachdrücklich ein Ausführungsgesetz zu Art. 44 GG, das für den Deutschen Bundestag das Verfahren von und vor Untersuchungsausschüssen im einzelnen neu und möglichst vollständig regeln sollte, wobei das Gesetz mit seinen Verfahrensvorschriften, insbesondere über die Beweiserhebung, sowohl für einen umfassenden Minderheitenschutz sorgen als auch die Stellung der Beteiligten durch die Anerkennung von Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechten, den Schutz der PersönlichkeitsPlenarprotokoll 14/165, S. 16157. BR-Drs.281/01. II BGBI. 2001 I, S. 1142, 1148. 12 Schenke, JZ 1988, S. 805, 820; Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 198; vgl. auch Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1880, die bei einer Neuregelung die Ablösung vom Vorbild des Strafverfahrens verlangen. 13 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DIT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DIT, Bd. 11, Teil M, Thesen zum Referat, S. M 91,11.5. 9

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

sphäre Dritter sowie einen effektiven Rechtsschutz gegenüber Eingriffen von Untersuchungsausschüssen absichern sollte. Auch Schröder hielt es beim 57. DJT in Mainz nicht für ratsam, sich bei einer gesetzlichen Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse auf ein "Ausführungsgesetz" zu Art. 44 GG in der geltenden Fassung zu beschränken. 14 Der Gesetzgeber ist diesen Forderungen nicht nachgekommen. Er hat von einer Änderung der Verfassung abgesehen und es bei der Verweisung des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess belassen. De jure handelt es sich nur um einen verfassungsinterpretatorischen und damit deklaratorischen Gesetzgebungsakt. 15 Der lediglich interpretierende Charakter des PUAG wird insbesondere in § 1 Abs. 1 PUAG deutlich, wonach der Bundestag das Recht und auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht hat, einen UA einzusetzen. Insoweit gibt § 1 Abs. 1 PUAG den ersten Teil von Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG wörtlich wieder. Dadurch zeigt sich, dass sich das PUAG auf ein "Ausführungsgesetz" zu Art. 44 GG in der geltenden Fassung beschränkt. Der Gesetzgeber hat mit dem PUAG lediglich eine Verfassungsinterpretation innerhalb des Konkretisierungsspielraums vorgenommen. 16 Damit ist "der große Wurf, nämlich eine Neuordnung des Untersuchungsverfahrens unter Einschluss notwendiger Verfassungsänderungen"17, nicht gelungen. Mit dem PUAG wurde die Chance vertan, eine grundlegende und umfassende Reform des Verfahrensrechts für Untersuchungsausschüsse, vergleichbar mit anderen Verfahrensordnungen, z. B. der ZPO oder der StPO, zu erstellen und die Eigenheiten des Untersuchungsrechts klar herauszuarbeiten. Der 1. Ausschuss war sich bei seinen Gesetzesberatungen bewusst, "dass die Kodifizierung des Untersuchungsausschussrechts die sich unmittelbar aus Art. 44 GG ergebende Rechtsfolge unberührt lässt, wonach im PUAG nicht enthaltene Verfahrensregeln des Strafprozesses über die Beweiserhebung sinngemäß weiterhin gelten, sofern sie auf ein Untersuchungsausschussverfahren anwendbar sein können,,18. Auch die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages bleibt weiter anwendbar, soweit das GG oder das PUAG nichts anderes vorschreiben. Dies bedeutet, dass die Regeln über den Strafprozess weiterhin heranzuziehen sind, wenn im Einzelfall Regelungslücken des PUAG zu schließen sind. Daher ist weiterhin jeweils zu prüfen, ob die Vorschriften der StPO und des GVG für die Beweiserhebung im Untersuchungsausschussverfahren passen. Für das PUAG bleibt in allen Punkten der Art. 44 GG Auslegungsmaßstab. Das Idealziel, für das parlamentarische Untersuchungsverfahren eine abschlie14 Schräder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. I, Teil E, Thesen zum Gutachten, S. E 125, A. 11. 4. 15 Seidel, BayVBI. 2002, S. 97 ff., 98; vgl. auch Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 44, Rn. 28. 16 WieJelspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 17. 17 Schneider, NJW 2001, S. 2604. 18 BT-Drs. 14/5790, S. 13.

11. Der Regelungsinhalt

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ßende und ausgewogene Verfahrensordnung zu schaffen, die die Rechte der Verfahrensbeteiligten angemessen berücksichtigt, wurde nicht erreicht.

1. Die Berechtigung für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Voraussetzung für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ist gemäß Art. 44 Abs. I S. I GG ein entweder von mindestens einem Viertel oder der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gestellter Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. § 1 Abs. I PUAG bildet den Ausgangspunkt für die in dem PUAG geregelte Ausgestaltung des dort vorgesehenen Verfahrens der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse. Bereits der Antrag eines Viertels der Mitglieder des Bundestages löst die Pflicht des Bundestages aus, einen UA einzusetzen. Daneben besteht aber auch die Möglichkeit, dass die Mehrheit des Bundestages die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beschließt.

2. Die Frist für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Art. 44 Abs. I GG enthält keine Bestimmung, binnen welcher Frist der Bundestag bei Vorliegen eines entsprechenden Antrags den U A einzusetzen hat. Gemäß § 2 Abs. 1 PUAG hat der Bundestag die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses unverzüglich zu beschließen, wenn die Einsetzung von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages beantragt worden ist. Die in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB enthaltene Legaldefinition des Begriffs "unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern, kann auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Legaldefinition des Begriffs auch für das öffentliche Recht gilt,19 nur sinngemäß auf die Frist für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses übertragen werden. Die Bestimmung des § 2 Abs. I PUAG will lediglich besagen, dass der Bundestag in der nach Eingang eines entsprechenden Antrags folgenden Sitzungswoche über den Antrag entscheiden muss. Eine Sondersitzung des Bundestages ist für die Entscheidung über den Einsetzungsantrag nur unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 GOBT geboten. Die Pflicht, die Einsetzung "unverzüglich" zu beschließen, hindert den Bundestag bei Vorliegen eines Antrags einer qualifizierten Minderheit nicht, bei Zweifeln an der Zulässigkeit des Untersuchungsantrags vorher den Rechts- oder Geschäftsordnungsausschuss mit der Klärung der Zweifel zu befassen. 2o

19 Palandt, BGB, § 121, Rn. 3; vgl. auch § 23 Abs. 2 S. 1,3 BVwVfG, § 91 Abs. 2 BSHG; OLG Frankfurt a.M., MDR 1989, S. 545. 20 BT-Drs. 14/5790, S. 14.

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

3. Die Form der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses Gemäß § lAbs. 2 PUAG erfolgt die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch einen Beschluss des Bundestages. Daraus folgt zugleich, dass ein entsprechender Beschlussantrag vorliegen muss. Fraglich ist, ob der Bundestag berechtigt ist, im Einsetzungsbeschluss den in dem Einsetzungsantrag bezeichneten Untersuchungsgegenstand ohne Zustimmung der Antragsteller zu ändern. Mit dem BVerfG21 ist davon auszugehen, dass die Parlamentsmehrheit grundsätzlich nicht befugt ist, den Untersuchungsgegenstand zu erweitern oder inhaltlich zu ändern. Für diese Rechtsansicht spricht vor allem, dass die Ausdehnung des Untersuchungsgegenstandes die Notwendigkeit zusätzlicher Aufklärung mit sich bringt und die Arbeit des Untersuchungsausschusses vermehrt. Damit könnte der Abschluss des Untersuchungsverfahrens erheblich verzögert werden. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass für einen UA der Diskontinuitätsgrundsatz gilt, er also seine Arbeit - insbesondere zum Schluss der Wahlperiode - so schnell wie möglich erledigen muss. Jeder zusätzliche "Ermittlungsauftrag" würde eine Behinderung darstellen, die von der antragstellenden Minderheit nicht hingenommen werden muss. Von diesem Grundsatz lässt das BVerfG nur in sehr engem Umfang Ausnahmen zu. Dies gilt dann, wenn der Ausschuss den zu überprüfenden Sachverhalt von vornherein nur unter einem eingeengten Blickwinkel untersuchen und damit dem Parlament oder der Öffentlichkeit allenfalls eine verzehrte Darstellung vermitteln würde. Zusatzfragen sind danach auch gegen den Willen der Antragsteller zulässig, wenn sie nötig sind, um ein umfassenderes und wirklichkeitsgetreueres Bild des angeblichen Missstandes zu vermitteln. Der Kern des Untersuchungsgegenstandes muss aber unverändert bleiben. Innerhalb dieser engen Grenzen ist eine Änderung des Untersuchungsgegenstandes auch gegen den Willen der Antragsteller zulässig. Ebenfalls sind rein redaktionelle Korrekturen nicht ausgeschlossen. Gemäß § 2 Abs. 3 PUAG hat der Bundestag, wenn er den Einsetzungsantrag für teilweise verfassungswidrig hält, einen UA mit der Maßgabe einzusetzen, dass dessen Untersuchungen auf diejenigen Teile des Untersuchungsgegenstandes zu beschränken sind, die der Bundestag für nicht verfassungswidrig hält. Den Antragstellern wird insoweit gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 PUAG das Recht eingeräumt, wegen der teilweisen Ablehnung des Einsetzungsantrages das BVerfG anzurufen. Die Minderheit kann daher nach einem solchen Beschluss ein Organstreitverfahren vor dem BVerfG wegen der Teilablehnung einleiten.

21 Vgl. dazu BVerfGE 49, 70, 86 ff.; ebenso im Ausgangspunkt auch BayVerfGH, BayVBl. 1977, S. 597, 599.

11. Der Regelungsinhalt

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4. Der Inhalt des Einsetzungsbeschlusses Weder Art. 44 GG noch die GOBT enthalten gegenständliche Begrenzungen für mögliche Untersuchungsaufträge. Auch das PUAG enthält keine konkreten Aussagen darüber, was Untersuchungsgegenstand in einem Untersuchungsverfahren sein kann. a) Der Untersuchungsgegenstand Eine thematische Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes ist nicht vorgegeben. Dies bedeutet, dass innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des Bundestages jede Angelegenheit zum Gegenstand eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gemacht werden kann. Daher besteht die Gefahr einer uferlosen Ausweitung von möglichen Untersuchungsthemen. Depenheuer und Winands 22 sprechen sich deshalb zu Recht für eine Beschränkung dahingehend aus, "dass nur konkrete Zweifel an der "Gesetzlichkeit oder Lauterkeit" von Regierungs-, Verwaltungs- oder öffentlich relevantem Handeln Privater die Einsetzung parlamentarischer Untersuchungsausschüsse nach Art. 44 GG rechtfertigen". Nach der Korollartheorie kann Thema eines Untersuchungsausschusses grundsätzlich jeder Gegenstand des öffentlichen Interesses im Rahmen der sachlichen Zuständigkeit des Parlaments sein. § 1 Abs. 3 PUAG erlaubt ein Untersuchungsverfahren nur im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages. Ein UA muss sich daher innerhalb der bundesstaatlich-verbandsschaftlichen und parlamentarisch-organschaftlichen Kompetenzgrenze halten. Denn nur anhand eines inhaltlich bestimmten Untersuchungsauftrags können andere Staatsorgane beurteilen, ob sie zur Amtshilfe, z. B. zur Aktenvorlage, verpflichtet sind. Die genaue Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes ermöglicht auch die Abgrenzung zu anderen, denselben Sachverhalt betreffenden behördlichen, staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Verfahren. 23 Im Rahmen eines zulässigen Untersuchungsgegenstandes stellt sich die Frage der Zulässigkeit ständiger Untersuchungsausschüsse. Hier handelt es sich um Untersuchungsausschüsse, die nicht lediglich mit einem bereits abgeschlossenen und abgegrenzten Sachverhalt befasst werden. Vielmehr geht es um die Überwachung und Untersuchung eines bestimmten Bereichs für die gesamte Dauer der Legislaturperiode. Die Kontrolle von Regierung und Verwaltung gehört zu den wesentlichen Aufgaben eines Parlaments und damit auch zu den möglichen Gegenständen eines Untersuchungsausschusses. Nach herrschender und zutreffender Auffassung sind aber ständige Untersuchungsausschüsse unzulässig?4 Gegen die Zulässigkeit 22 Depenheuer/Winands, ZRP 1988, S. 258, 263; a.A. Weingärtner, ZRP 1991, S. 232, der einen "konkreten Anfangsverdacht" nicht für erforderlich erachtet. 23 BayVerfGH, BayVBI. 1977, S. 597, 599. 24 Vgl. hierzu v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Art. 44, Rn. 60 ff. m. w. N.; vgl. auch Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 194; Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 23.

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

ständiger Untersuchungsausschüsse spricht, dass es sich bei einem UA um einen "Sonderausschuss" handelt. Davon ist nach Art. 44 GG i.Y.m. § 54 der GOBT auszugehen. Ständige Untersuchungsausschüsse würden gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung verstoßen. Bei einer begleitenden Kontrolle durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse bestünde die Gefahr, dass Regierung und Verwaltung in ihrer Handlungsfähigkeit und ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung beeinträchtigt werden. Außerdem würden ständige Untersuchungsausschüsse u.U. in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung eingreifen. 25 Eine ständige Kontrolle entspricht außerdem nicht dem Sinn und Zweck des Untersuchungsrechts, da ein UA ein mit besonderen Eingriffsbefugnissen ausgestattetes Kontrollinstrument ist, das nur situationsbezogen eingesetzt werden darf. Permanente Kontrolle verstieße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. 26 b) Die Bestimmtheit des Untersuchungsantrags und -beschlusses

Es besteht Übereinstimmung in Literatur und Rechtsprechung, dass bereits im Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses das Beweisthema genau bezeichnet werden muss, d. h., dass die zu untersuchenden Tatsachen in erkennbarer Weise bestimmt sein müssen, weil ein UA ein Hilfsorgan des Parlaments ist und deshalb keine Kompetenz bezüglich der Festlegung des Untersuchungsgegenstandes hat?? Das Erfordernis eines hinreichend bestimmten Einsetzungsantrags und -beschlusses ist Ausdruck der verfassungsimmanenten Grenzen des Enqueterechts und soll deren Beachtung gewährleisten?8 Das Bestimmtheitsgebot erfordert, dass im Einsetzungsantrag und -beschluss der Untersuchungsgegenstand und -auftrag so genau festgelegt werden, dass dem UA ein klares, möglichst genaues und deutlich umschriebenes Arbeitsprogramm vorgegeben wird, wobei zur Bestimmtheit in diesem Sinn Eingrenzungen in zeitlicher, sachlicher und persönlicher Hinsicht gehören?9 Das Bestimmtheitsgebot folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, den Verbürgungen der Grundrechte, dem Grundsatz der Gewaltenteilung, den kompetenzrechtlichen Begrenzungen des Untersuchungsrechts sowie aus den Aufgaben und der Stellung eines Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Parlaments. 3o Bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses hat das Parlament als Herr des Untersuchungsverfahrens selbst den Untersuchungsgegenstand und die AbVgl. dazu BVerfGE 67,100,139; Scholz, AöR 106 (1980), S. 564, 598. Friedrich, Der parlamentarische Untersuchungsausschuss - Entwicklung, Stellung und Kompetenzen, S. 85; a.M. Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Art. 44, Rn. 17. 27 Damkowski, ZRP 1988, S. 340. 28 Depenheuer/Winands, ZRP 1988, S. 258, 259; Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 38. 29 BayVerfGH, NVwZ 1995, S. 681 ff. 30 BayVerfGHE 30, 48, 59 f.; 38, 165, 175 f.; Steinberger; Rechtsgutachten, erstattet dem 2. UA der 11. WP Deutschen Bundestages v. 16. 10. 1988, BT-Drs. 11/7800, S. 1181 ff., 1200. 25 26

H. Der Regelungsinhalt

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grenzung des Untersuchungsthemas zu bestimmen. Das Parlament kann die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes nicht dem Ausschuss überlassen. Dies ist allein Aufgabe des Gesamtparlaments. Daneben kommt dem Bestimmtheitsgebot unter Berücksichtigung der grundrechtlich geschützten Freiheiten eines vor einem UA geladenen Bürgers wesentliche Bedeutung zu. Der Gesetzgeber hat in der Begründung zu § 1 Abs. 3 PUAG ausgeführt, dass der Untersuchungsauftrag im Hinblick auf seine Tragweite für alle Beteiligten im Untersuchungsverfahren bestimmt und präzise gefasst sein muss. 3l Der Einsetzungsbeschluss muss für den Bürger, der von dem UA vernommen wird, den Vernehmungsgegenstand genau bestimmen. Nur innerhalb dieses Rahmens ist der Bürger als Zeuge vor dem UA zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet. Damit wird durch den Vernehmungsgegenstand die Aussagepflicht des Zeugen bestimmt und begrenzt. Fragen und Vorhalte an den Zeugen haben sich innerhalb dieses Rahmens zu halten. Der äußere Tatbestand des § 153 StGB erfasst nämlich nur solche Falschaussagen einer Beweisperson, die nach den für den fraglichen Prozess geltenden Regeln den Gegenstand ihrer Vernehmung und damit ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage betreffen. 32 Die Aussagepflicht des Zeugen vor einem UA darf anders als beim Strafrichter nicht über den Untersuchungsgegenstand hinaus erweitert werden. 33 Insoweit bestimmt also der Einsetzungsbeschluss die Pflichten einer Auskunftsperson zur wahrheitsgemäßen Aussage. Außerhalb des Untersuchungsauftrags liegende Tatsachen werden von der Aussagepflicht nicht erfasst. Der Bestimmtheitsgrundsatz hat aber nicht nur Schutzfunktion zugunsten der Freiheitsrechte des Bürgers. Er dient auch der Abgrenzung der Handlungsbereiche von Gesetzgebung und Exekutive. 34 Der Gesetzgeber muss die wesentlichen normativen Grundlagen des zu regelnden Rechtsbereichs festlegen und darf diese nicht der Exekutive überlassen. Neben den kompetenz- und funktionsrechtlichen Schranken (Bundesstaatsprinzip, Gewaltenteilungsgrundsatz) gehört zur Bestimmtheit der Arbeit von Untersuchungsausschüssen, dass der UA ein eingegrenztes und überschaubares Thema mit einem darstellbaren Aufwand bewältigen kann. 35 Aus dem Gewaltenteilungsprinzip folgt, dass sich das Untersuchungsrecht hinsichtlich der Exekutive grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge beziehen kann und nur soweit sie nicht den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung betreffen. Im Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 36 war vorgeschlagen worden, dass die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses BT-Drs. 14/5790, S. 14. BGHSt 25, 244, 246; vgl. S. 165 f. 33 OLG Koblenz, StV 1988, S. 531; vgl. S. 155 f. 34 BVerfGE 49, 89, 138. 35 BadWürttStGH NJW 1977, S. 1872 ff. 1874 und NVwZ-RR 1992, S. 593 ff., 597; Schneider, in: AK-GG, Art. 44, Rn. 6; Depenheuer/Winands, ZRP 1988, S. 258 ff., 260. 36 BT-Drs. 14/2518. 31

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

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zulässig ist, wenn der Gegenstand der Untersuchung hinreichend bestimmt ist, der Bundestag für die beantragte Untersuchung zuständig ist, die Aufklärung des Sachverhalts im öffentlichen Interesse liegt und sich nicht auf laufende, noch nicht abgeschlossene Vorgänge bezieht, soweit sie dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung zuzurechnen sind. Im Rahmen der Berichterstattergespräche wurde auf diese detaillierte Formulierung der Zulässigkeit für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verzichtet, da sich die verfassungsrechtlichen Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts aus der Kompetenz des Bundestages ergeben. An sich ist die Regelung in § 1 Abs. 3 PAUG überflüssig, da es eine Selbstverständlichkeit ist, dass sich der Deutsche Bundestag im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegt. Der Vergleich zwischen § 1 PUAG und § 1 der sog. IPA-Regeln zeigt, dass der Gesetzgeber eine inhaltliche Änderung der Voraussetzungen für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht beabsichtigt hat, auch wenn das Vorliegen "eines öffentlichen Interesses" für die Aufklärung eines Sachverhalts durch einen UA nicht mehr im Gesetzestext enthalten ist. Schneider 7 hielt dies für eine "beachtliche Innovation". Er ging davon aus, dass im § 1 PUAG auf das Erfordernis des "öffentlichen Interesses", das in der Vergangenheit immer wieder Anlass zu Kontroversen über die Zulässigkeit eines bestimmten Untersuchungsbegehrens vor allem im privaten Bereich gewesen ist, verzichtet worden ist. Dies ist allerdings nicht der Fall. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Begründung zu § 1 PUAG ausdrücklich betont, dass "die Untersuchung im öffentlichen Interesse" liegen muss. 38 Damit ist es weiterhin unzulässig, einen UA mit dem Ziel einzusetzen, rein private Sachverhalte auszuforschen. Das "öffentliche Interesse" ist nicht bereits dann gegeben, "wenn ein faktisches Interesse, insbesondere das der Massenmedien vorhanden ist, sondern nur, wenn das private Interesse einen "staatlichen Bezug" aufweist".39 c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hat das Parlament den aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Wesen der Grundrechte abgeleiteten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. 4o Dies gilt insbesondere bei privatgerichteten Skandal-Enqueten. Umfang und Intensität parlamentarischer Untersuchungen haben sich daran messen zu lassen, ob sie zur Erforschung der objektiven Wahrheit geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Dies bedeutet, dass nur die UnterSchneider; NJW 2001, S. 2604, 2605. BT-Drs.14/5790, S. 14. 39 Kerbein, ZRP 2001, S. 302, 303. 40 Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, S. 119; Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, 1985, S. 32 f.; Böckenförde, AöR 103 (1978), S. 1 ff., 35 f. 37

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11. Der Regelungsinhalt

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suchungshandlungen zulässig sind, die geeignet sind, den im Einsetzungsbeschluss fonnulierten Zweck der Untersuchung zu erfüllen. Daraus folgt, dass der UA nicht berechtigt ist, seinen Untersuchungsauftrag auszuweiten. Zeugen sind daher nicht verpflichtet, Fragen zu beantworten, die von dem im Einsetzungsbeschluss festgelegten Untersuchungsauftrag nicht gedeckt sind. Bei der Beweisaufnahme hat der UA den Grundsatz des geringst möglichen Eingriffs zu beachten. Wenn mehrere Mittel zur Erforschung der Wahrheit zur Verfügung stehen, hat der UA das Mittel zu wählen, das am wenigsten in die Grundrechte des Bürgers eingreift. Daher verbietet sich die Ladung einer beteiligten Person als Zeugen, wenn die Erkenntnisse durch Beiziehung von Akten gewonnen werden können. Die Frage der Erforderlichkeit ist besonders zu prüfen, wenn die Beweiserhebungen des Untersuchungsausschusses mit dem Interesse des Bürgers am Schutz von privaten oder geschäftlichen Geheimnissen kollidieren. Einerseits haben Untersuchungsausschüsse die Pflicht, das Parlament zuverlässig und umfassend zu infonnieren. Andererseits gewährleisten Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1,9, 12 und 14 GG einen weit reichenden Schutz vor Offenbarung von privaten und geschäftlichen Geheimnissen in der Öffentlichkeit. Dies hat zur Folge, dass der UA unter Berücksichtigung jedes Einzelfalles und Abwägung der sich gegenüber stehenden Interessen Maßnahmen des Geheimschutzes, z. B. durch Einstufung von beigezogenen Akten als VS-vertraulich oder durch Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Zeugeneinvernahme ergreifen muss. Vorher hat der UA bereits sicherzustellen, dass "Unterlagen, die ersichtlich grundrechtlich bedeutsame Daten enthalten, erst dann im Ausschuss erörtert werden, wenn ihre Beweiserheblichkeit im einzelnen '" geprüft wurde,,41. Im Zweifel muss sich der UA für eine nicht öffentliche bzw. vertrauliche Verhandlung und Beweisaufnahme entscheiden.

s. Die personelle Besetzung des Untersuchungsausschusses Die Befragung eines Zeugen vor einem UA beginnt mit der Vernehmung durch den Ausschussvorsitzenden. Anschließend folgt die Befragung durch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Die Qualität und der Stil der Befragung eines Zeugen hängen von der personellen Besetzung eines Untersuchungsausschusses ab. Für die Frage der Besetzung eines Untersuchungsausschusses ist von maßgebender Bedeutung, welche Aufgaben einem UA zukommen. Mitunter werden Untersuchungsausschüsse mit Gerichten verglichen. Es wurde aber bereits aufgezeigt, welche erheblichen Unterschiede zwischen gerichtlichen Verfahren und Verfahren vor Untersuchungsausschüssen bestehen. Insoweit lassen sich nur bei vordergründiger Betrachtung Gemeinsamkeiten feststellen. Da ein UA ein mit Parlamentsabgeordneten besetztes Organ des Bundestages ist, unterscheidet er sich auch in der Arbeitsweise grundlegend von einem Gericht, bei dem das Verfahren von persönlich und sachlich unabhängigen Richtern geführt wird. Weiterhin bestehen inhalt41

BVerfGE 77, 1 ff., 55.

F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

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liche Differenzen zwischen der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses und materiellen Rechtsprechungsakten. Am deutlichsten wird dies an der Zielsetzung. Wenn es auch bei beiden Verfahren um Sachaufklärung geht, bezweckt ein UA die Aufklärung eines Sachverhalts mit anschließender politischer Bewertung, während in einem gerichtlichen Verfahren ein Sachverhalt rechtsverbindlich festgestellt wird, um auf dieser Grundlage eine gerichtliche Entscheidung, insbesondere im Strafprozess eine Entscheidung über die Schuld eines Angeklagten und die im Einzelfall zu verhängenden Rechtsfolgen zu treffen. Gerade bei Gesetzgebungsenqueten oder Legislativenqueten fehlt es an einer Vergleichbarkeit mit der Rechtsprechung. Die Institution des Untersuchungsausschusses ist das Kennzeichen der für die parlamentarische Demokratie charakteristischen "Frontstellung" zwischen Parlamentsmehrheit und der durch sie gestellten Regierung einerseits und der oppositionellen Parlamentsminderheit andererseits. 42 Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen an die personelle Zusammensetzung eines Untersuchungsausschusses, insbesondere hinsichtlich des Ausschussvorsitzenden und dessen Stellvertreters, zu beurteilen. 43

a) Der Vorsitz

Nach den Regelungen der §§ 58, 59 GOBT bestimmen die Ausschüsse ihren Vorsitzenden und Stellvertreter. Der Vorsitzende hat die Aufgabe, die Ausschusssitzungen vorzubereiten, einzuberufen und zu leiten und die Ausschussbeschlüsse auszuführen. Diese rechtlich schwache Stellung wird der Rolle, die der Vorsitzende eines Untersuchungsausschusses einnimmt, nicht gerecht. Denn der Funktion des Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses kommt wegen seiner weitreichenden Kompetenzen eine erhebliche Bedeutung ZU. 44 Der Ausschussvorsitzende hat bei sinngemäßer Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess grundsätzlich alle jene Befugnisse, die nach dem Strafprozessrecht dem Gerichtsvorsitzenden zustehen. Er ist insbesondere Inhaber der Sitzungspolizei nach § 176 GVG. Daneben besitzt er aber auch alle Befugnisse, die das GG und vor allem die GOBT den Vorsitzenden von Parlamentsausschüssen einräumen, insbesondere die sog. Leitungsund Ordnungsgewalt und das Hausrecht des Bundestagspräsidenten, das ihm für die Sitzungen des Ausschusses in dessen Räumen stillschweigend delegiert ist. 45 Schenke, JZ 1988, S. 805 f., 807. Schlussbericht der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 7/5924 Abschnitt 1, S. 55 f.; Sondervotum Hirsch zum Abschnitt 1, "Untersuchungsausschüsse", in: Schlussbericht der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 7/5924, S. 65 f., 67 f.; Sondervotum Schäfer zum Abschnitt 1, "Untersuchungsausschüsse", in: Schlussbericht der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 7/5924, S. 70 f., 73. 44 Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 52. 45 Maunz/ Dürig / Herzog / Scholz, Art. 44, Rn. 52, 58. 42

43

11. Der Regelungsinhalt

79

Vom politischen Gewicht her sollte daher der Ausschussvorsitzende vom Plenum des Bundestages gewählt werden. 46 Der "Gedanke, parlamentsfremde Personen - vor allem aus dem Justizbereich bei der parlamentarischen Untersuchung zu beteiligen, hat in Deutschland traditionelle Bezüge".47 Dafür wurden drei Argumente ins Feld geführt. Durch die Beteiligung externer Personen würde die parlamentarische Untersuchung objektiver gestaltet, insbesondere würde die Polemik zwischen den politischen Lagern reduziert. 48 Zudem würde durch externe Untersuchungsführer eine Insich-Kontrolle durch das Parlament vermieden. 49 Als weiteres Argument wurde vorgetragen, dass Gründe der Rechtsstaatlichkeit für eine Einschaltung von Personen aus dem Bereich der Justiz sprechen. Dieser Gesichtspunkt wurde gerade in Zusammenhang mit der Vereidigung von Zeugen durch den UA angeführt, da Personen außerhalb des Parlaments besser zur Eidesabnahme geeignet seien. 50 Als weitere Überlegung wurde vorgebracht, dass mit einer Änderung der personellen Zusammensetzung eine Beschleunigung des Untersuchungs verfahrens erreicht werde. 51 Eschenburg 52 hielt bereits im August 1959 eine Reform des Untersuchungsausschussverfahrens für erforderlich, insbesondere eine Neuregelung der Zusammensetzung. Nach seiner Meinung muss ein Richter allein oder zusammen mit zwei richterlichen Beisitzern, die alle nicht dem Parlament angehören dürfen, aber vorher aus der Reihe der hohen Richter des Landes bestimmt werden sollten, den Vorsitz führen, wenn der UA das Recht des Eidesabnahme behalten sollte. Baum53 war der Ansicht, die Bestellung eines neutralen Vorsitzenden würde zur Objektivierung und Wertsteigerung parlamentarischer Untersuchungen beitragen. Andererseits dürfe aber nicht übersehen werden, dass Parlamente den Ausschussvorsitz nur sehr ungern aus der Hand geben und darüber hinaus der Ausschussvorsitz wegen der damit verbundenen Publizität, insbesondere durch die Kontakte zu den Medien, ein politisch zu interessantes Objekt darstelle, um ihn parlamentsfremd zu vergeben. Das Argument, das Parlament gebe sich selbst auf, wenn es sich einen solchen Aufpasser und Schiedsrichter verordne, dürfte eine zu große Rolle spielen. 46

397.

Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1879; vgl. auch Glauben, DRiZ 1992, S. 395 ff.,

Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 183. Arndt, DRiZ 1964, S. 290 ff., 291. 49 Bücker; Kontrollmittel ohne Bedeutung? Zur Reform der Untersuchungsausschüsse, in: Hübner/Oberreuter/Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, 1969, S. 160 ff., 165. 50 Baum, ZParl5 (1974), S. 530 ff., 536. 51 Baum, ZParl5 (1974), S. 530 ff., 533. 52 Eschenburg, Institutionelle Sorgen in der Bundesrepublik. Politische Aufsätze 1957 bis 1961, S. 124. 53 Baum, ZParl1974, S. 530 ff., 538. 47 48

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

Bötsch54 versprach sich von der Hereinnahme von Nichtparlamentariern in ein Untersuchungsverfahren keine Verbesserung in der Aufklärung von Sachverhalten durch Untersuchungsausschüsse. aa) Der Vorsitzende Auch beim 57. DJT 1988 in Mainz wurde zwar gefordert, dass der Ausschussvorsitz einem Parlamentsmitglied vorzubehalten ist und der Vorsitzende vom Parlament gewählt werden soll. Im Interesse einer sachlichen Verfahrensleitung hielt man es aber für angezeigt, dem Vorsitzenden eine neutrale Stellung zu geben, indem er vom Stimmrecht freigestellt und so aus der unmittelbaren Frontstellung von Mehrheit und Minderheit herausgelöst wird, und die Rechtsstellung des Vorsitzenden zu stärken, indem seine verfahrensleitenden Befugnisse ausgebaut und an seine Qualifikation besondere Anforderungen gestellt werden, nämlich die Eignung für das Richteramt oder besondere Kenntnisse, die der Verfahrensleitung förderlich sind. Vorschläge, Untersuchungsausschüsse parlamentsfremd mit ehemaligen Richtern zu besetzen, wurden für nicht realisierbar erachtet, da sie mit dem parlamentarischen Selbstverständnis nicht zu vereinbaren sind. 55 Ebenso sprach sich Schneider bei dem DJT 1988 dafür aus, dass Untersuchungsausschüssen wie bisher nur Abgeordnete angehören sollen. Der Vorsitzende sollte aber vom Ausschuss mit 2/3 Mehrheit aus der Mitte des Bundestages zusätzlich kooptiert werden, und zwar auf Vorschlag der Fraktionen in wechselnder Reihenfolge. Der Vorsitzende selbst sollte im Ausschuss kein Stimmrecht haben. 56 Partsch57 hielt bei einer Diskussionsveranstaltung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen den Gedanken für interessant, dass ein Richter nicht den Vorsitz eines UA übernehmen solle, sondern dass ihm lediglich die Aufgabe der Sachverhaltsforschung anvertraut werde. In diesem Fall bliebe der Ausschuss insofern Herr des Verfahrens, als er die zu ermittelnden Tatsachen bezeichnet, während der Richter sein, des Ausschusses, ausführendes Organ wäre. Der Richter sollte nicht zum Mitglied des Ausschusses gemacht werden und auch kein Stimmrecht im Ausschuss haben. Eine solche Trennung der Funktionen wäre besser als die Hereinnahme des Richters in den UA.

54 Bötsch, Das Recht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, in: Parlamentarische Demokratie und Bewährung, FS für Schellknecht, 1984, S. 9 f., 13. 55 Bickel, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, Thesen zum Referat, S. M 49, II, Nr. 6 u. 7. 56 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, Thesen zum Referat, S. M 92, 111. Nr. 9 u.lO. 57 Schäfer; ZParl5 (1974), S. 500 f., 511 f.

H. Der Regelungsinhalt

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Die Enquetekommission Verfassungsrefonn des Deutschen Bundestages sprach sich in ihren Empfehlungen58 dafür aus, dass dem UA ein Parlamentarier und nicht ein Richter vorsitzen sollte und der Parlamentarier die Befähigung zum Richteramt nicht zu besitzen brauche. Begründet wurde diese Forderung damit, dass die Mitwirkung im UA Kenntnisse des parlamentarischen Lebens voraussetzt und dass der UA einem parlamentarischen Verfahren zur Kontrolle der Regierung einschließlich der Verwaltung oder zur Prüfung innerer Angelegenheiten des Parlaments dient. Im Vordergrund stünden politisches Handeln und hierbei in besonderem Maße das Mittel der Kritik und bisweilen auch polemische Auseinandersetzungen. Daher könnten auch Mitglieder des Untersuchungsausschusses nicht gesetzlich zur Unparteilichkeit verpflichtet sein. Ein Außenstehender scheide deshalb als Vorsitzender oder einfaches Mitglied des Untersuchungsausschusses aus. Die Enquetekommission prüfte die Frage, ob die Mitglieder des Untersuchungsausschusses besondere Qualifikationen besitzen sollen, insbesondere, ob die Befähigung zum Richteramt zu verlangen sei. Davon nahm man aber Abstand, da man der Meinung war, dass die Befähigung zum Richteramt nicht der einzig denkbare Nachweis für die Qualifikation ist und jeder Abgeordnete in der Lage sei, Verhandlungen unter Beachtung parlamentarischer Regeln zu leiten. 59 Andererseits forderte die Kommission von dem Vorsitzenden eine faire und unparteiliche Verhandlungsführung und räumte dem Vorsitzenden deshalb auch kein Stimmrecht im UA ein. Der Vorsitzende sollte vom Bundestag in der Reihenfolge der Stärke der Fraktionen gewählt und bei gröblicher Verletzung seiner Pflichten oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes auf Antrag des Präsidiums durch den Bundestag abberufen werden können. Im Gegensatz zur Enquetekommission Verfassungsrefonn im Deutschen Bundestag forderte Hirsch in seinem Sondervotum6o, dass durch Los entschieden werden sollte, welche Fraktion den Vorsitzenden und stellvertretenden Vorsitzenden stellt, wobei der stellvertretende Vorsitzende einer anderen Fraktion angehören sollte als der Vorsitzende. Hirsch war der Meinung, dass ein Losentscheid der neutralen Stellung eines Vorsitzenden entspreche, der das Verfahren so objektiv wie möglich leiten und daher auch kein Stimmrecht im UA haben sollte. Hirsch forderte im Unterschied zur Kommission, dass der Ausschussvorsitzende die Befähigung zum Richteramt haben muss, da die Leitung eines Untersuchungsausschusses Erfahrungen in der Leitung rechtsfönniger Verhandlungen voraussetzt und ohne die selbständige rechtliche Beurteilung von juristisch relevanten Sachverhalten nicht denkbar sei. Zusätzlich sollte der Ausschussvorsitzende auch durch seine bisherige parlamentarische Funktion Ansehen genießen. Schäfer ging in seinem Sondervotum61 noch einen Schritt weiter. Er sprach sich dafür aus, dass der Bundestag zu Beginn einer Wahlperiode 30 ehemalige Richter 58 59

60 61

6 PIöd

BT-Drs. 7/5924, BT-Drs. 7/5924, BT-Drs. 7/5924, BT-Drs. 7/5924,

S. S. S. S.

50. 53. 67 f. 73.

F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

82

als Untersuchungsführer berufen solle. Bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sollte durch Los eine Untersuchungskommission, bestehend aus fünf Richtern, aus der Richterliste, vergleichbar der Schöffenliste im Strafprozess, bestimmt werden, wobei das zuerst bestimmte Mitglied den Vorsitz im UA übernehmen sollte. Die Untersuchungskommission sollte die Untersuchungen entsprechend dem Auftrag des Bundestages durchführen und die erforderlichen Beweise erheben. Für das Verfahren sollte eine eigene Verfahrensordnung geschaffen werden, die sich an den Vorschriften der Verwaltungs gerichtsordnung orientieren sollte. Gegen die Einschaltung von Richtern im Untersuchungsausschussverfahren plädierte Schenke. 62 Als Argumente führte er an, dass die nur mittels einer Verfassungsänderung zu verwirklichende Realisierung dieser Forderung nur auf Kosten wichtiger Strukturmerkmale unseres Verfassungs systems möglich wäre. Richtern würde die politische Erfahrung für die erforderliche Bewertung der Sachverhalte fehlen. Durch die Einschleusung von Richtern würde deren Unabhängigkeit und Neutralität gefährdet werden. Sie würden in den Strudel der politischen Auseinandersetzung hineingezogen, auch wenn diese lediglich auf die Feststellung des Sachverhalts beschränkt würden, um die politische Bewertung von Parlamentsabgeordneten vornehmen zu lassen. Schließlich ergebe sich aus der Betrauung von Richtern mit Aufgaben eines Untersuchungsausschusses angesichts der der Judikative gleichzeitig nach Art. 19 Abs. 4 GG zufallenden Rechtsschutzfunktion eine verfassungsrechtlich, zumindest aber verfassungspolitisch gesehen bedenkliche Kompetenzhäufung. Schenke hielt die Einwände gegen die Einschaltung von Richtern auch für den Fall aufrecht, dass Richter nicht allein, sondern neben Parlamentsabgeordneten im UA vertreten wären. Auch die Kommission der Landtagsdirektoren zum Recht der Untersuchungsausschüsse, die in der 63. Konferenz der Präsidentinnen und Präsidenten der Deutschen Landesparlamente am 15. 6. 1989 eingesetzt worden war, war sich einig, dass die Funktion des Ausschussvorsitzenden von einem Parlamentarier und nicht von einem "Außenstehenden" wahrgenommen werden soll, wobei man eine besondere Qualifikation, z. B. die Befähigung zum Richteramt, beim Ausschussvorsitzenden für wünschenswert hielt, ohne dies im Gesetz allerdings festschreiben zu wollen. Der Ausschussvorsitzende sollte mit vollem Stimmrecht ausgestattet sein, da nur dies der deutschen Parlamentstradition und dem Selbstverständnis der Stellung eines Ausschussvorsitzenden entspricht. Allerdings hielt man es für denkbar, zur Unterstreichung der objektiven und neutralen Stellung des Ausschussvorsitzenden auf ein Stimmrecht zu verzichten. Nach Darnkowski 63 sollte die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters durch das "Parlamentsplenum" erfolgen und dem Vorsitzenden eine neutrale Stellung im UA gegeben werden.

62 63

Schenke, JZ 1988, S. 805 f., 807; ebenso Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1879. Vgl. Bachmann/Radeck, DVBl. 1988, S. 89 ff., 92.

11. Der Regelungsinhalt

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Der Abgeordnete Struck64 hielt es bei einer Seminartagung der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen und des niedersächsischen Landtages am 20. und 21. 11. 1987 im hannoverschen Leineschloß für erforderlich, den Vorsitzenden eines Untersuchungsausschusses nicht in die Fraktionsdisziplin einzubinden und ihm deshalb kein Stimmrecht zu geben. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist die Regelung in § 6 PUAG zu sehen. § 6 PUAG macht zwei Vorgaben für die Bestimmung des Ausschussvorsitzenden im UA. Einmal sind für den Vorsitz der Untersuchungsausschüsse die Fraktionen im Verhältnis ihrer Stärke zu berücksichtigen. Der UA bestimmt das Mitglied, das den Vorsitz führt, aus seiner Mitte nach den Vereinbarungen des Ältestenrats. Aufgabe des Vorsitzenden ist es nach § 6 Abs. 2 PUAG, das Untersuchungsverfahren, gebunden an den Einsetzungsbeschluss des Bundestages und an die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses, zu leiten. § 6 PUAG geht hinsichtlich der Bestimmung der Fraktion, die den Vorsitzenden stellen darf, von der üblichen Praxis wie bei Ausschüssen aus. 65 In § 6 Abs. 2 PUAG ist auf eine abstrakte Aufzählung der Aufgaben des Untersuchungsausschussvorsitzenden verzichtet worden. Die Aufgaben des Vorsitzenden ergeben sich aus den Einzelregelungen des PUAG und sind generell bereits in § 59 Abs. 1 GOBT festgelegt, wonach dem Vorsitzenden die Vorbereitung, Einberufung und Leitung der Ausschusssitzungen und die Durchführung der Ausschussbeschlüsse obliegt. Mit der Regelung in § 6 PUAG ist der Bundestag den Empfehlungen von Eschenburg, Hirsch und Schäfer nicht gefolgt. Die Neuregelung macht sich aber auch nur teilweise die Empfehlungen der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages zu Eigen; die Befähigung zum Richteramt wird beim Ausschussvorsitzenden nicht verlangt. Im Unterschied zu den Empfehlungen der Enquetekommission ist nach § 6 Abs. 1 PUAG der Ausschussvorsitzende auch voll stimmberechtigt.

Es war nicht zu erwarten, dass die Abgeordneten und Fraktionen des Deutschen Bundestages beim PUAG den Vorsitz im UA einer neutralen Person, insbesondere einem Richter überlassen, weil dies für das Parlament einen erheblichen Bedeutungsverlust und gleichzeitig eine Stärkung der Judikative gegenüber der Legislative bedeuten würde. 66 Die herausragende Stellung des Ausschussvorsitzenden, die besondere Publizität und das politische Prestige der Funktion sprechen dagegen, diese Position aus der Hand zu geben. 67 Dabei darf allerdings auch nicht übersehen werden, dass sich auch ein Richter als neutraler Ausschussvorsitzender kaum aus den parteipolitischen Auseinandersetzungen im UA heraushalten könnte.

64 65 66 67

6*

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

Bachmannl Radeck, DVBI. 1988, S. 89 ff., 90. § 12 GOBT. Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 190. Baum, ZPar11974, S. 530 ff., 538.

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

Der Deutsche Bundestag hat sich aber auch nicht die Argumente hinsichtlich einer besonderen Qualifikation eines Ausschussvorsitzenden zu Eigen gemacht, sondern auf die Befähigung zum Richteramt verzichtet. Praktisch bedeutet dies, dass einen UA jeder Abgeordnete ohne Rücksicht auf seinen bisherigen schulischen und beruflichen Werdegang und seine bisherige parlamentarische Erfahrung leiten kann, obwohl bei der Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses schwierigste rechtliche Fragen, z. B. hinsichtlich der Berechtigung zur Zeugnis- und Auskunftsverweigerung, der Herausgabe von Akten oder des Geheimschutzes, zu entscheiden sind. Insoweit haben die Fraktionen des Deutschen Bundestages weder auf die Qualifikation des Ausschussvorsitzenden noch auf dessen parlamentarische Erfahrung und sein Ansehen Wert gelegt. Dies kann sich bei der Vernehmung von Zeugen als großes Handicap im Einzelfall erweisen. Fehlende Souveränität des Ausschussvorsitzenden bei der Befragung der Zeugen wird regelmäßig zu Auseinandersetzungen mit Zeugen, Zeugenbeiständen und Ausschussmitgliedern führen und für das Klima im UA bestimmend sein. Nachdem aber eine relativ große Gruppe von Parlamentariern über die Befähigung zum Richteramt verfügt, wäre die Festlegung auf diese Qualifikation, jedenfalls als Regelfall, sinnvoll gewesen, da sich der Bedarf an juristischer Kompetenz und Verfahrenspraxis bei ad hoc-Entscheidungen im UA immer wieder zeigt. Die Möglichkeit der juristischen Beratung durch Mitarbeiter des Ausschusssekretariats kann dieses Defizit nicht aufwiegen. bb) Der stellvertretende Vorsitzende Nach § 7 PUAG bestimmt der UA nach den Vereinbarungen im Ältestenrat ein Mitglied für den stellvertretenden Vorsitz, wobei dieses Mitglied einer anderen Fraktion als der oder die Vorsitzende angehören muss. Der oder die stellvertretende Vorsitzende besitzt alle Rechte und Pflichten des oder der abwesenden Vorsitzenden (§ 7 Abs. 2 PUAG). Im Einklang mit der bisherigen Praxis wurde eine Repräsentanz der verschiedenen politischen Lager (Mehrheit / Opposition) für selbstverständlich angesehen. Hinsichtlich der Qualifikation und der parlamentarischen Erfahrung gelten obige Ausführungen auch für den stellvertretenden Ausschussvorsitzenden. b) Die Mitglieder des Ausschusses § 5 PUAG regelt, dass die ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses von den Fraktionen benannt und abberufen werden.

Die Regelung entspricht dem Verfahren bei sonstigen Ausschüssen gemäß § 57 Abs. 2 GOBT. In Anbetracht der Dauer von Untersuchungsausschussverfahren ergibt sich die Notwendigkeit des Ausscheidens von Mitgliedern aus dem UA. Den Wechsel der Ausschussmitglieder regeln ebenfalls die Fraktionen durch Abberu-

11. Der Regelungsinhalt

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fung und Neubenennen von Ausschussmitgliedern. Das Gesetz enthält keine Bestimmungen über die Befugnisse stellvertretender Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Der Gesetzgeber hielt insoweit eine Regelung für entbehrlich, da die allgemeine Regelung der GOBT und die Verfahrenspraxis der Untersuchungsausschüsse insofern keine Regelungslücken lassen.

c) Die Anzahl der Mitglieder

Schneider68 hatte sich beim 57. DJT dafür ausgesprochen, dass Untersuchungsausschüsse im Interesse der Chancengleichzeit von Regierungsmehrheit und Opposition aus beiden Lagern zu gleichen Teilen (paritätische Besetzung) besetzt werden sollen, wobei mit "Opposition" alle nicht an der Regierung beteiligten Fraktionen gemeint waren. Innerhalb der beiden Lager sollte sich die Besetzung nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen richten, wobei aber gewährleistet sein sollte, dass jede Fraktion mit mindestens einem Abgeordneten stimmberechtigt vertreten ist. Diesem Vorschlag ist der Gesetzgeber in § 4 PUAG nicht gefolgt. Gemäß § 4 PUAG hat der Bundestag bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses die Anzahl der ordentlichen und die gleiche Anzahl der stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses zu bestimmen, wobei unter der Vorgabe, dass jede Fraktion vertreten sein muss, die Bemessung der Zahl einerseits die Mehrheitsverhältnisse und andererseits die AufgabensteIlung und die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses berücksichtigen muss. Die Berücksichtigung von Gruppen richtet sich nach den allgemeinen Beschlüssen des Bundestages. Die Zahl der auf die Fraktionen entfallenden Sitze wird nach dem Verfahren der mathematischen Proportion (St. Lague / Schepers) berechnet. Mit diesem Verfahren werden im Vergleich zum Verfahren nach d-Hondt eine übermäßige Begünstigung der großen Fraktionen sowie unlogische Sprünge, wie sie bei dem System Haare / Niemeyer vorkommen, vermieden. Die Vorschrift gibt die bisherige Rechtslage wieder, täuscht allerdings einen Entscheidungs spielraum vor, den es in der Praxis nicht gibt. In der Begründung69 wird nichts zu der Frage gesagt, ob die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses durch eine große oder kleine Anzahl von Ausschussmitgliedern gewährleistet wird. Ergebnis: Die Vernehmung der Zeugen erfolgt nicht durch einen neutralen Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden. Vielmehr muss sich ein Zeuge vor einem UA des Bundestages darauf einstellen, von einem parteiischen, durch die Mehrheitsfraktion des Untersuchungsausschusses beeinflussten Vorsitzenden ver68 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. 11, Teil M, Thesen zum Referat, S. M 92, III. Nr. 9. 69 BT-Drs. 14/5790, S. 14.

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

nommen zu werden, dem es bei der Vernehmung nicht in erster Linie um eine sachliche Aufklärung des Sachverhalts, sondern um die kontroverse Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner geht. Insoweit besteht die Gefahr, dass Zeugen den unterschiedlichen politischen Lagen von vornherein zugeordnet werden und ihre Behandlung bei der Vernehmung entsprechend dieser Zuordnung gestaltet wird.

6. Die Beschlussfähigkeit

Voraussetzung für die Durchführung einer Zeugen vernehmung ist die Beschlussfähigkeit des Untersuchungsausschusses. Im Falle der Beschlussunfahigkeit kann der Beginn bzw. die Fortsetzung einer Zeugenvernehmung durch einen Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit verhindert werden. Im 1. UA der 14. WP zeigte sich im Laufe der sich über das ganze Jahr 2001 hinziehenden Beweisaufnahme, dass das Interesse an dem UA erheblich nachgelassen hat. Dies konnte man deutlich an der Präsenz der Abgeordneten in den Sitzungen des Untersuchungsausschusses erkennen. Während der Vernehmung des Zeugen Dieter Kapp trat am 8. 2. 2001 in der 61. Sitzung des 1. UA der 14. WP die Situation ein, dass von dem Abgeordneten Norbert Hauser (CDU) der Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit des Untersuchungsausschusses mit Erfolg gestellt wurde, da nur noch eine ganz geringe Anzahl von SPD-Abgeordneten im Sitzungssaal anwesend war. Der Vorsitzende stellte daraufhin gemäß § 6 der IPA-Regeln folgendes fest: "Der Untersuchungsausschuss ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Das sind acht. Bei Beschlussunfähigkeit darf der Untersuchungsausschuss keine Untersuchungshandlungen durchführen. Bei Beschlussunfähigkeit hat der Vorsitzende unverzüglich eine neue Sitzung anzuberaumen. Wir sind beschlussunfähig.,,70 "Ich berufe die nächste Sitzung für zehn Minuten später ein. Es geht dann mit der Vernehmung des Zeugen Jung weiter.,,71

§ 9 Abs. 1 S. 1 PUAG hat § 6 der IPA-Regeln übernommen. Gemäß § 9 Abs. 1 S. 1 PUAG ist der UA beschlussfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist. Unabhängig von der Anwesenheit der Mehrheit gilt der UA gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 PUAG so lange als beschlussfähig, als nicht auf Antrag die Beschlussunfähigkeit festgestellt wird. Wird auf Antrag die Beschlussunfähigkeit festgestellt, hat der oder die Vorsitzende sofort die Sitzung auf bestimmte Zeit zu unterbrechen (§ 9 Abs. 2 S. 1 PUAG). Wenn auch nach Ablauf dieser Zeit der UA noch nicht beschlussfähig ist, ist unverzüglich eine neue Sitzung anzuberaumen, bei der die Beschlussfähigkeit gegeben ist, auch wenn die Mehrheit der Mitglieder 70 Stenographisches Protokoll der 61. Sitzung des I. UA der 14. WP v. 8.2. 2001, Nr. 61, S.112. 71 Stenographisches Protokoll der 61. Sitzung des I. UA der 14. WP v. 8. 2. 2001, Nr. 61, S. 113; BT-Drs. 14/9300, S. 79.

11. Der Regelungsinhalt

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des Untersuchungsausschusses nicht anwesend ist, wenn in der Einladung zu dieser Sitzung hierauf hingewiesen worden ist. Solange die BeschlussunHihigkeit besteht, darf der UA gemäß § 9 Abs. 3 PUAG keine Untersuchungshandlungen fortführen. Der UA beschließt gemäß § 9 Abs. 4 S. 1 PUAG mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit im PUAG nichts anderes bestimmt ist. Bei Stimmengleichheit ist der Antrag abgelehnt (§ 9 Abs. 4 S. 2 PUAG). Die Regelungen zur Beschlussfähigkeit orientieren sich unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Untersuchungsausschussverfahrens an § 67 GOBT, der die Beschlussfähigkeit im Ausschuss allgemein regelt.

7. Der Ermittlungsbeauftragte Untersuchungsausschüsse stehen in der Regel vor einem in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfangreichen Ermittlungsauftrag. Damit sich ein UA auf die wesentlichen Kernfragen konzentrieren kann, ist bei komplexen Sachverhalten eine intensive Vorarbeit erforderlich, die der Ausschuss selbst nur sehr schwerfällig und zeitaufwendig leisten kann. Augstein 72 beklagte im Zusammenhang mit dem Parteispenden-UA, dass der UA "Monate gebraucht hat, bis er lernte, seine Arbeit zu koordinieren und Vernehmungen einigermaßen ordentlich vorzubereiten ". Die Frage der Vorbereitung und Organisation eines Untersuchungsausschussverfahrens, damit auch der erforderlichen Zeugenvernehmungen, war über Jahrzehnte hinweg Gegenstand von Reformdiskussionen zum Untersuchungsausschussrecht. Baum73 befürwortete eine gesetzliche Regelung bei der Reform des Untersuchungsausschussrechts, die es insbesondere bei Skandal-Enqueten wahlweise ermöglicht, Richter oder Staatsanwälte zur Vorbereitung von Untersuchungsverfahren oder zur Ausgliederung von Teilbereichen der Untersuchung, insbesondere der Beweiserhebung, einzuschalten. Dadurch würde das parlamentarische Untersuchungsverfahren beschleunigt und objektiviert, wobei allerdings eine ausgegliederte Untersuchung nur dann einen Sinn hätte, wenn sie wie die gerichtliche Voruntersuchung in richterlicher Unabhängigkeit geführt werden könnte. Für einen interessanten Weg bei der Lösung der Probleme hielt er auch eine Voruntersuchung, bei der ein richterlicher oder sonst juristischer Untersuchungsführer nicht dem Ausschuss vorgeschaltet, sondern mit ihm Hand in Hand arbeiten würde, indem dem richterlichen Untersuchungsführer nur einzelne vorbereitende Untersuchungen oder bestimmte Teiluntersuchungen vom Ausschuss von Fall zu Fall übertragen werden. 74 Auch nach Baum sind alle möglichen Beteiligungsformen von Per72

73

Augstein, Merkur, 2001, S. 375 ff., 384. Baum, ZParl 1974, S. 530 ff., 533.

F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

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sonen aus dem lustizbereich mit erheblichen Hypotheken belastet, z. B. durch den Verlust des politischen Charakters des Untersuchungsverfahrens, durch die Übertragung von" wesensfremden Aufgaben" auf Richter; die Reform der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse sei auf parlamentsinterne Mittel, etwa die Stärkung des Minderheitenrechts, die Aufstellung bestimmter Qualifikationen für den Vorsitz im Ausschuss, den Ausbau der parlamentarischen Hilfsdienste und die Schaffung einer eigenen Verfahrensordnung mit klarer Umgrenzung der Zwangsrechte angewiesen. 75 Partsch76 sprach sich zwar gegen eine Beteiligung von Richtern in einem Untersuchungsausschussverfahren aus wegen der unterschiedlichen Aufgabe, die Richter und Abgeordnete haben. Er hielt es aber für überlegenswert, ob nicht der Ausschussvorsitzende einen Richter mit der Aufgabe der Sachverhaltserforschung sollte betrauen können, da der Ausschuss insofern Herr des Verfahrens bliebe, während der Richter bei der Ermittlung der Tatsachen ein ausführendes Organ des Untersuchungsausschusses wäre, ohne selbst Mitglied des Ausschusses zu sein. Der Richter würde als Beauftragter des Ausschusses fungieren. Die Beweiserhebung könnte dann auch im Rahmen einer Voruntersuchung erfolgen. Kipke 77 forderte, dass ein Parlamentsbeauftragter für Untersuchungsaufgaben mit den gesetzlich festgelegten Befugnissen ausgestattet sein müsste, "die ihm gleiche Ermittlungsmöglichkeiten wie den Untersuchungsausschüssen" sichern müssten. In gleicher Weise trat der Abgeordnete Struck für das Instrument der "vorbereitenden Untersuchung" ein, ohne jedoch festzulegen, von wem die Voruntersuchung geführt werden soll.78 Gegen eine vorbereitende Untersuchung (entsprechend dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren) durch einen Unterausschuss, einzelne Mitglieder oder gar Dritte (Richter) votierte hingegen Schneider in seinem Referat beim 57. DJT 1988 in Mainz79 , während es andere für regelungsbedürftig hielten, "den UA zu ermächtigen, vorbereitende Untersuchungen (Sammlung, Gliederung und Auswertung, insbesondere des Aktenmaterials) durch einen Unterausschuss vornehmen zu lassen"so, wobei allerdings Voruntersuchungen im eigentlichen Sinne, nämlich die Durchführung der Beweisaufnahme, insbesondere Zeugen vernehmungen, wegen Baum, ZPar11974, S. 530 ff., 534, 535. Baum, ZParl 1974, S. 530 ff., 540. 76 Schäfer; ZParl. 1974, S. 509 ff., 511. 77 Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 191. 78 BachmannlRadeck, DVBI. 1988, S. 89 f., 90. 79 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. H, Teil M, Thesen zum Referat, S. M 92, 93 IV. Nr.14. 80 QuaaslZuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1879. 74

75

11. Der Regelungsinhalt

89

Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG ohne Grundgesetzänderung einem Unterausschuss nicht anvertraut werden können. Vor dem Hintergrund dieser Reformdiskussion hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 1 PUAG dem UA das Recht gegeben und auf Antrag von einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht auferlegt, zu seiner Unterstützung eine Untersuchung zu beschließen, die von einem oder einer Ermittlungsbeauftragten durchgeführt wird, wobei der Ermittlungsauftrag zeitlich auf höchstens 6 Monate begrenzt werden soll. Der Gesetzgeber hat die Beantragung derartiger Vorermittlungen als Minderheitenrecht ausgestaltet. Die Schaffung des Instituts eines Ermittlungsbeauftragten stellt eine wesentliche Neuerung im Zusammenhang mit der Sachverhaltserforschung dar. Der oder die Ermittlungsbeauftragte ist gemäß § 10 Abs. 2 PUAG innerhalb von 3 Wochen nach Beschlussfassung gemäß § 10 Abs. 1 PUAG mit einer Mehrheit von 2/ 3 der anwesenden Mitglieder zu bestimmen. Bei nicht fristgemäßer Bestimmung bestimmt der Vorsitzende im Einvernehmen mit seinem Stellvertreter und im Benehmen mit den Obleuten der Fraktionen im UA innerhalb weiterer 3 Wochen die Person des oder der Ermittlungsbeauftragten (§ 10 Abs. 2 S. 2 PUAG). Der gesetzlich vorgegebene Einigungszwang zwischen Vorsitzenden und Stellvertreter trägt dem gesetzgeberischen Anliegen einer größtmöglichen Akzeptanz des Ermittlungsbeauftragten im UA Rechnung. Der Einsatz eines Ermittlungsbeauftragten bedeutet nicht, dass der UA in seiner Arbeit innehalten muss, um das Ergebnis der Ermittlungen des Ermittlungsbeauftragten abzuwarten, da ansonsten eine Beeinträchtigung des Untersuchungsrechts einer Minderheit zu befürchten wäre. Aufgabe des Ermittlungsbeauftragten ist es nach § 10 Abs. 3 S. 1 PUAG, die Untersuchung durch den UA vorzubereiten, indem er die erforderlichen sachlichen Beweismittel beschafft und sichtet. Er soll im Spannungsfeld der parlamentarischen Auseinandersetzung die Sachermittlungsarbeit des Ausschusses durch gezielte Unterstützung bei der Aufklärungsarbeit fördern und stärken. Ein Ermittlungsbeauftragter hat nahezu die gleichen Befugnisse wie der Ausschuss selbst, nämlich das Recht auf Aktenvorlage (§ 18 PUAG), auf Augenschein (§ 19 PUAG) und auf Herausgabe von Beweismitteln (§ 30 PUAG). Ermittlungsbeauftragte können nach § 10 Abs. 3 S. 5 PUAG auch Personen informatorisch hören, nicht aber aus den bereits oben genannten Gründen förmlich als Zeugen vernehmen. Die erzwingbare Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen sowie eventuell weitere notwendige Untersuchungshandlungen und die Verhängung von Zwangsmitteln bleiben dem UA vorbehalten. Wird einem Begehren des Ermittlungsbeauftragten nicht freiwillig Folge geleistet, bedarf es eines förmlichen Beweisbeschlusses des gesamten Untersuchungsausschusses gemäß § 17 Abs. 1 PUAG, der dann auch über die entsprechenden Zwangsmittel nach den Vorschriften über den Strafprozess (Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG) verfügt. § 10 Abs. 4 PUAG stellt klar, dass Ermittlungsbeauftragte im Rahmen ihres Auftrags unabhängig sind, allerdings jederzeit mit einer Mehrheit von 2/3 der anwesenden Mitglieder abberufen werden können. Ausdrücklich ist in § 10 Abs. 4 S. 3 PUAG sichergestellt, dass Ermittlungsbeauftragte das Recht haben, für ihren Er-

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

mittlungsauftrag in angemessenem Umfang Hilfskräfte einzusetzen. Nach Abschluss ihrer Untersuchung erstattet der oder die Ermittlungsbeauftragte dem UA über das Ergebnis einen schriftlichen und mündlichen Bericht und unterbreitet auch einen Vorschlag über die weitere Vorgehensweise (§ 10 Abs. 3 S. 9 PUAG). Die Institution des Ermittlungsbeauftragten dient sicherlich der Entlastung der Abgeordneten bei der Prüfung des Beweismaterials. Daher ist die Idee, das Amt eines Ermittlungsbeauftragten zu schaffen, grundsätzlich zu begrüßen, weil die Ausschussarbeit durch gründliche Vorermittlungen erleichtert und beschleunigt werden kann. Allerdings besteht die Gefahr, dass in diesem Stadium bereits eine Bewertung durch außerhalb des Untersuchungsausschusses stehende Personen stattfindet und der dem UA vorzulegende Bericht nicht mehr wertungsfrei, sondern bereits eingefärbt ist. Das "hohe Gut der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme" geht dadurch verloren. 81 Es ist aber Aufgabe der Parlamentarier, die Akten zu prüfen, um eine fundierte Bewertung des Sachverhalts vornehmen zu können. Der Gesetzgeber hat es sich insoweit einfach gemacht, indem er Aufgaben dem Ermittlungsbeauftragten übertragen hat, die an sich die Abgeordneten selbst erledigen müssen. Im übrigen kann die Einschaltung eines Ermittlungsbeauftragten nicht nur Vorteile, sondern auch erhebliche Nachteile mit sich bringen, da der Ermittlungsbeauftragte keinen Weisungen unterliegt und damit zu rechnen ist, dass die Arbeit in einem UA so lange brachliegt, wie der Ermittlungsbeauftragte tätig ist, wenn es auch in der Begründung der Beschlussempfehlung zum Untersuchungsausschussgesetz heisst82 , dass die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten nicht bedeutet, dass der UA in seiner Arbeit innezuhalten und erst ein vom Ermittlungsbeauftragten vorgelegtes Ergebnis abzuwarten hätte. Bachmaier83 bezeichnet diese Befürchtungen als nicht berechtigte "Unkenrufe". Die Wirklichkeit wird die Befürchtungen aber wohl rasch bestätigen. Zutreffend weist Schneider84 darauf hin, "dass die Einsetzung eines Ermittlungsbeauftragten die Untersuchung durch den Ausschuss selbst nicht gerade beschleunigt, sondern eher verzögert". Das Engagement der Abgeordneten in einem UA kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Um die Mitgliedschaft in einem UA streiten sich die Abgeordneten in der Regel nicht. Gegen die Einschaltung eines Ermittlungsbeauftragten spricht weiterhin, dass dem Ausschussvorsitzenden das Ausschusssekretariat und den einzelnen Fraktionen im Ausschuss jeweils eine Arbeitsgruppe mit mehreren Juristen zur Verfügung steht, die das Beweismaterial aufbereiten und bewerten können. So ist es üblich, dass die einzelnen Fraktionen Mitarbeiter aus verschiedenen Ministerien oder den Justizverwaltungen der Länder rekrutieren. 85 Schneider, NJW 2000, S. 2604 ff., 2608; 2002, S. 1328; a.M. Bachmaier, NJW 2002, S. 348. BT-Drs. 14/5790, S. 15. 83 Bachmaier, NJW 2002, S. 348, 349. 84 Schneider, NJW 2002, S. 1398. 85 Bachmaier meint dagegen, dass Untersuchungsausschüssen ohnehin "viel zu wenig qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung stehen" (NJW 2002, S. 348); ebenso Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 8, Fn. 8. 81

82

II. Der Regelungsinhalt

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Kritisch zu bewerten ist weiterhin, dass das Gesetz keine Regelung enthält, welche Qualifikation ein Ermittlungsbeauftragter haben muss und aus welchem Personenkreis der Ermittlungsbeauftragte ausgewählt werden soll, aus dem Kreis der Parlamentarier oder aus dem Kreis der Beamten der Bundestagsverwaltung. Im Hinblick auf die schwierigen Rechtsfragen, die der Ermittlungsbeauftragte bei der Beschaffung von Akten zu lösen hat, wäre es angebracht gewesen, dass der Ermittlungsbeauftragte die Befähigung zum Richteramt haben muss. Strafprozessuale Erfahrungen sind sicher von Vorteil für die Tätigkeit. Insoweit bleiben erhebliche Lücken, die im Einzelfall Anlass zum Streit zwischen den im UA vertretenen Fraktionen geben werden.

8. Die Beweiserhebung

Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG ermächtigt den UA, die im Verfolg des Untersuchungszwecks erforderlichen Beweise zu erheben. Es handelt sich insoweit um eine kompetenzbegründende Norm. 86 Art. 44 Abs. 2 GG und die meisten Länderverfassungen 8? verweisen zur Beweiserhebung auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess. Über die Grenzen des Untersuchungs- oder des Beweiserhebungsrechts besagen das GG und die Landesverfassungen nichts.

a) Der Beweisbeschluss

Gemäß § 17 Abs. 1 PUAG erhebt der UA die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen. Aus dieser Bestimmung ergibt sich hinsichtlich des Beweiserhebungsrechts des Untersuchungsausschusses eine Begrenzung insoweit, als eine Beweiserhebung nur zulässig ist, soweit sie vom Untersuchungsauftrag gedeckt ist. Dies ist ein häufiger Streitpunkt bei der Beschlussfassung und der Befragung von Zeugen, gerade dann, wenn das Untersuchungsthema sehr weit gefasst ist. Auseinandersetzungen zwischen dem Ausschussvorsitzenden und Zeugen bei ständen bei der Befragung der Zeugen sind insoweit vorgezeichnet. Andererseits dient die Vorschrift der Rechtssicherheit, die der Gesetzgeber durch die Verweisung auf die Vorschriften über den Strafprozess in Art. 44 Abs. 2 gewährleisten wollte.

BVerfGE 67,100 f., 128. Art. 25 Abs. 2 BayVerf, Bremen Art. 105 Abs. 6, Hamburg Art. 25 Abs. 2, Hessen Art. 92 Abs. 3, Niedersachsen Art. 11 Abs. 4, Rheinland-Pfalz Art. 91 Abs. 4, Verfassung des Saarlandes Art. 79 Abs. 4, Landessatzung von Schieswig-Hoistein Art. 15 Abs. 2 verweisen zur Beweiserhebung auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess. 86 87

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

b) Der Antrag auf Beweiserhebung Das PUAG hat hinsichtlich der Beweiserhebungspflicht durch den UA einen Fortschritt insoweit gebracht, als nach § 17 Abs. 2 PUAG die Rechte der qualifizierten Minderheit zu beachten sind. Die Mehrheit des Untersuchungsausschusses muss nämlich Beweis erheben, wenn dies von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt wird, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der im PUAG vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar. Dies bedeutet, dass die Ausschussmehrheit dem Beweisantrag der qualifizierten Minderheit grundsätzlich zustimmen, ihn also beschließen muss. Ausnahmsweise ist die Ausschussmehrheit aber von der Zustimmungspflicht befreit, wenn das Beweismittel unerreichbar oder die Beweiserhebung unzulässig ist, weil das Antragsrecht sachwidrig oder missbräuchlich ausgeübt wird. 88 Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Beweiserhebung durch den Untersuchungsauftrag nicht gedeckt ist oder gegen verfassungsrechtliche, gesetzliche oder geschäftsordnungsrechtliche Vorschriften verstößt. Unerreichbar ist ein Zeuge, wenn der UA nicht weiß, wo sich der Zeuge befindet89 oder wenn nicht abzusehen ist, dass das Beweismittel auch nach Anwendung der im PUAG vorgesehenen Zwangsmittel im laufenden Untersuchungsverfahren herbeigeschafft werden kann. Für letztere Variante ist als Beispiel der Zeuge Schreiber im 1. UA der 14. WP zu nennen, der in sich in Kanada aufhält und nicht bereit war, vor dem UA in Berlin zu erscheinen, da gegen ihn in Deutschland ein Haftbefehl bestand.

c) Die Beweismittel Das PUAG enthält keine ausdrückliche Regelung, welcher Beweismittel sich der UA bei der Beweiserhebung bedienen kann. Insoweit verbleibt es bei Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess. Beweise des Strafverfahrens sind Zeugen (§§ 48 ff. StPO), Sachverständige und Augenschein (§ 72 ff. StPO) sowie Urkunden und andere Schriftstücke (§§ 249 ff. StPO), ferner die Aussage des Beschuldigten (§§ 136, 163 a Abs. 1, 243 Abs. 3 StPO) und der Mitbeschuldigten, obwohl die Vernehmung nicht zur Beweisaufnahme im prozesstechnischen Sinn gehört (§ 244 Abs. 1 StPO).90 Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Vorschriften über den Strafprozess auf Untersuchungsausschüsse nur sinngemäß anwendbar sind, stehen Untersuchungsausschüssen lediglich Zeugen, Sachverständige, Augenschein sowie Urkunden und 88 BVerfGE 105, 197 ff.; 222, AchterberglSchulte, in: v. Mangoldtl Klein/Starck (Hrsg.), Art. 44, Rn. 159; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Art. 44, Rn. 21; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 44, Rn. 7; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 43; Wiejelspütz. NJW 2002, S. 398 ff., 400. 89 Z. B. der Zeuge Pfahls im Parteispenden-UA. 90 Meyer-Goßner, StPO, Einleitung, Rn. 49.

11. Der Regelungsinhalt

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andere Schriftstücke als Beweismittel zur Verfügung. Dies gilt auch dann, wenn sich ein UA gegen einen "Betroffenen" richtet. Im Untersuchungsausschussverfahren fehlt es an einem "Beschuldigten" im strafprozessualen Sinne. d) Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen

Die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gab in bisherigen Untersuchungsausschüssen immer wieder Anlass zu Auseinandersetzungen innerhalb des Ausschusses, insbesondere dann, wenn die Minderheit zur Kenntnis nehmen musste, dass die aus ihrer Sicht interessanten Zeugen am Ende der Vernehmungsliste stehen. Strittig war in bisherigen Untersuchungsausschüssen aber nicht nur die Frage, ob die entsprechenden Beweisbeschlüsse gefasst werden, sondern auch, ob die Beweise tatsächlich erhoben werden und insbesondere in welcher Reihenfolge. Die CDU /CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, vertreten durch ihren Vorsitzenden Merz und ihren ersten stellvertretenden Vorsitzenden Glos (Antragsteller zu 1.) und die Mitglieder des Deutschen Bundestages Hans Peter Friedrich, Hauser, Andreas Schmidt, Störr-Ritter und Vosshof (Antragsteller zu 2.) strengten vor dem BVerfG ein Organstreitverfahren gegen den 1. UA des 14. Deutschen Bundestages, vertreten durch seinen Vorsitzenden Volker Neumann, an, mit dem Ziel, dass das BVerfG unter anderem feststellt, dass der Antragsgegner dadurch gegen Art. 44 Abs. 1, 38 Abs. 1 GG verstoßen hat, dass er es unterlassen hat, Beweise zu erheben zum Untersuchungsauftrag des Antragsgegners durch Vernehmung des früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen Schroeder, des ehemaligen Präsidenten der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben Himstedt, des parlamentarischen Staatssekretärs im Bundesministerium der Finanzen Diller und des Bundesministers der Finanzen Eichel als Zeugen gemäß den vom Antragsgegner auf Antrag der Antragsteller zu 2. gefassten Beweisbeschlüssen 14-254, 14-381, 14-382 und 14-326, durch Vernehmung der ehemaligen SPD-Schatzmeister Halstenberg, Klose, Matthöfer und des ehemaligen Vorsitzenden der Jungsozialisten Roth als Zeugen gemäß den vom Antragsgegner auf Antrag der Antragsteller zu 2. gefassten Beweisbeschlüssen 14-149, 14-150, 14-151 und 14-153. 91 Die Antragsteller rügten in dem Organstreitverfahren, dass der Antragsgegner durch die Ablehnung von Beweis- und Terrninierungsanträgen der Antragsteller zu 2. die von der Antragstellerin zu 1. geltend gemachten Rechte des Deutschen Bundestages aus Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG und die Rechte der Antragsteller zu 2. aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG in Verbindung mit § 12 Abs. 2 IPA-Regeln verletzt hat. Dabei ist von den Antragstellern durchaus eingeräumt worden, dass dem UA bei der Gestaltung seines Verfahrens ein gewisser Ermessensspielraum zukommt, auch hinsichtlich der Terrninierung seiner Sitzungen und der Festlegung der Reihenfolge, Zeit 91

ADrs. 667/2 des I. VA der 14. WP; BVerfGE 105,197 ff.

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

und Ort der Beweiserhebung, wobei sich dieses Verfahrensermessen nur auf das "wie" des Verfahrens, nicht aber auf das "ob" der Erhebung der erforderlichen Beweise beziehen kann. 92 Das BVerfG hat mit seinem Urteil vom 8. 4. 2002 bestätigt, dass der 1. UA der 14. WP dadurch gegen Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG verstoßen hat, dass er es unterlassen hat, seinen Beweisbeschluss 14-426 (Vernehmung von Bundesfinanzminister Eichel) zu vollziehen. Weiterhin sah das BVerfG einen Verstoß gegen Art. 44 Abs. 1 S. 1 GG darin, dass der 1. UA der 14. WP verschiedene Anträge der Mitglieder der CDU ICSU-Fraktion auf Beiziehung von Urkunden zur Aufklärung der SPD-Finanzen als unzulässig abgelehnt hatte. 93 Die Durchführung des Organstreitverfahrens hätte sich erübrigt, wenn die gesetzliche Regelung des § 17 Abs. 3 PUAG ("Reißverschlussverfahren,,94) bereits für den 1. UA der 14. WP anwendbar gewesen wäre, was aber wegen Art. 3 S. 2 PUAG nicht der Fall war. Gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 PUAG soll die Reihenfolge der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen im UA möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei einem Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten nach § 17 Abs. 3 S. 2 PUAG die Vorschriften der GOBT zur Reihenfolge der Reden entsprechend. Durch den Verweis auf die Regelung der GOBT zur abwechselnden Reihenfolge der Redner sollte einer Strategie der Ausschussmehrheit, die von der Minderheit im Ausschuss beantragten Zeugen nicht oder erst gegen Ende des Untersuchungsausschusses zu vernehmen, ein Riegel vorgeschoben werden. Im Vordergrund sollte aber gemäß § 17 Abs. 3 S. 1 PUAG stets die einvernehmliche Lösung hinsichtlich der Reihenfolge der Zeugen und der Sachverständigen stehen. Das in § 17 Abs. 3 S. 2 PUAG enthaltene Minderheitenrecht bezüglich der Reihenfolge von Zeugenvernehmungen bedarf aber der Prüfung auf seine Praktikabilität. Das Gesetz lässt offen, mit welchen Zeugen die Beweiserhebung zu beginnen hat, wenn sich die Fraktionen im UA nicht einigen können. Weder aus dem Gesetz noch aus der Begründung des Gesetzes zu § 17 PUAG ergibt sich, wer den ersten Zeugen im UA aufrufen darf. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der erste Zeuge der Opposition gehört und bei mehreren Oppositionsfraktionen die im Bundestag im Plenum übliche Reihenfolge genommen wird, bleibt die Frage nach dem ersten Zeugen letztlich unbeantwortet. § 28 Abs. 1 S. 2 GOBT bestimmt, dass der Präsident sich bei der Bestimmung der Reihenfolge der Redner von der Sorge für eine sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung, der Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen, von Rede und Gegenrede und von der Stärke der Fraktionen leiten lassen soll. Insoweit kann es im UA wiederum zu Streit kommen, in welcher Reihenfolge verschiedene Komplexe eines Untersuchungsauftrags behandelt werden und folglich in welcher Reihenfolge welche Zeugen angehört werden sollen. Unklar bleibt, ob die Mehrheit anhand des Untersu92 93 94

ADrs. 667/2 des 1. UA der 14. WP, Antragsschrift. S. 49, 55/56. BVerfGE 105, 197 ff., 230 ff. Wiejelspütz. NJW 2002, S. 398 ff., 400; kritisch dazu Klein, FAZ v. 28. 5. 2001.

11. Der Regelungsinhalt

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chungsauftrags Sachverhaltsbereiche festlegen kann und ob nur im Rahmen dieser Sachverhaltsbereiche die Zeugenreihenfolgeregelung gelten soll. Dieses Problem stellt sich insbesondere bei sehr umfangreichen Untersuchungsaufträgen mit verschiedenen Untersuchungskomplexen, die im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Zeit (Diskontinuitätsgrundsatz) gar nicht alle abgearbeitet werden können. Das Gesetz lässt offen, wer die Themenauswahl vornimmt. Immerhin betont das BVerfG in dem bereits genannten Urteil das Recht der qualifizierten Minderheit auf angemessene Berücksichtigung ihrer Beweisanträge auch in einer Mehrheitsenquete. Im Falle zeitlicher Enge hat der Ausschuss Vorkehrungen zu treffen, "dass Mehrheit und qualifizierte Minderheit mit ihren Beweisanträgen jeweils in angemessenem Umfang und nach ihren jeweiligen Vorstellungen am noch zur Verfügung stehenden Zeitbudget beteiligt werden".95 Ungeklärt ist ferner, wie zu verfahren ist, wenn ein Zeuge ausfällt. Im Übrigen sind durch § 17 Abs. 3 PUAG folgende in der Praxis vorkommenden Fälle nicht erfasst: - Während der Zeugenvernehmung verlangt die Mehrheit im Ausschuss, den Beistand des Zeugen zu vernehmen. Daraufhin wird die öffentliche Sitzung unterbrochen, eine nichtöffentliche Beratungssitzung angesetzt und ein entsprechender Beweisbeschluss gefasst, die Vernehmung des gerade vernommenen Zeugen zu unterbrechen und den Rechtsbeistand als Zeugen zu hören. Die Vernehmung des präsenten Zeugen wird unmittelbar im Anschluss durchgeführt. Im 1. UAder 14. WP ergab sich in zwei Fällen aus der Zeugenvernehmung heraus, dass die Rechtsbeistände selbst Auskunft zum Untersuchungsgegenstand geben konnten. So wurden in der Sitzung am 14. 4. 2000 eine Rechtsanwältin96 , die als Rechtsbeistand der Zeugin Baumeister erschienen war, und in der Sitzung am 27. 4. 2000 der Rechtsbeistand des Zeugen Leisler-Kiep als präsente Zeugen vernommen. 97 Offen bleibt auch, wie zu verfahren ist, wenn die Mehrheit im Ausschuss einen präsenten, mitgebrachten Zeugen präsentiert, wie dies im 1. UA der 14. WP am 5.7.2001 geschehen ist, als die Ausschussmehrheit die Vernehmung des anwesenden Zeugen Nitz durchgesetzt hat. 98 Ungeklärt ist weiterhin die Frage der Zeugenreihenfolge, wenn die Vernehmung eines Zeugen vom UA beschlossen ist, der Zeuge aber begründet, z. B. urlaubs-, berufs- oder krankheits bedingt, mitteilt, dass er für den Vernehmungstermin nicht zur Verfügung steht. In diesem Fall kann der Ausschussvorsitzende die Zeugenreihenfolge nicht von sich aus ändern, sondern muss einen neuen Ausschussbeschluss herbeiführen, der bei Wegfall eines Zeugen die Zeugenreihenfolge so ändern muss, dass sie nicht mehr der Rednerreihenfolge im Bundestag entspricht. BVerfGE 105, 197 ff., 234. Stenographisches Protokoll der 17. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 14.4.2000, Nr. 17. 97 Stenographisches Protokoll der 19. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 27. 4. 2000, Nr. 19. 98 Stenographisches Protokoll der 87. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 5. 7. 2001, Nr. 87, Beweisbeschluss 14 - 411. 95

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F. Das Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse

Folglich müsste die Fraktion im UA, die den wegfallenden Zeugen durchgesetzt hatte, einen anderen Zeugen präsentieren, um einen entsprechenden Beschluss in einer Beratungssitzung des Ausschusses zu fassen. Insoweit erweist sich die gesetzliche Regelung als zu starr; mehr Flexibilität wäre angemessener gewesen. e) Die Ablehnung der Erhebung bestimmter Beweise

In § 17 Abs. 4 PUAG hat der Gesetzgeber den Rechtsweg für den Fall der Ablehnung der Erhebung der Beweise oder der Anwendung beantragter Zwangsmittel geregelt. Nach § 17 Abs. 4 PUAG entscheidet auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses der Ermittlungsrichter oder die Ermittlungsrichterin des BGH über die Erhebung der Beweise oder über die Anordnung der Zwangsmittel, wenn der UA die Erhebung bestimmter Beweise oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel nach den §§ 21 Abs. 1, 27 Abs. 1, 28 Abs. 6 und 29 Abs. 2 S. 1 PUAG ablehnt. Für diesen Auseinandersetzungsfall ist hinsichtlich der Ablehnung der Beweise der Rechtsweg zum BVerfG gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5 BVerfGG eröffnet, weil es um die Auslegung VOn Art. 44, 38 GG und damit um die Rechte der Fraktion bzw. der Von ihr in den UA entsandten Abgeordneten gegenüber dem UA auf die Durchführung bestimmter Beweiserhebungen im Rahmen des Untersuchungsauftrags des vom Bundestag eingesetzten Untersuchungsausschusses geht. Deshalb war bei der Beratung des PUAG ebenfalls die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts erwogen worden, da durch die Ablehnung von Beweisanträgen im Verhältnis zwischen einer qualifizierten Minderheit und der Mehrheit verfassungsrechtlich begründete Rechte verletzt sein können. Da ein Beweisantrag jedoch aus Gründen abgelehnt werden dürfte, die Parallelen zum Strafprozess aufweisen, ist im Ergebnis die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs gewählt worden. Durch die jetzt gewählte Regelung bleibt aber die aus Art. 93 GG folgende Berechtigung, ein Organstreitverfahren einzuleiten, unberührt. Nach § 17 Abs. 4 PUAG ist der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auch zuständig im Falle der Ablehnung beantragter Zwangsmittel, insbesondere von Ordnungsgeld gegenüber einem ausbleibenden oder die Aussage verweigernden Zeugen sowie bei Nichtherausgabe von Beweismitteln. Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs über die Anordnung des Zwangsmittels und die Höhe des Ordnungsgeldes zu entscheiden, da dieser bereits für die Anordnung einer Haft bei Zeugnisverweigerung (§ 27 Abs. 2 PUAG) oder bei der Verweigerung der Herausgabe von Beweismitteln (§ 29 Abs. 2 S. 2 PUAG) zuständig ist. § 17 Abs. 4 PUAG verstärkt das Beweiserhebungsrecht der qualifizierten Minderheit, indem er dessen Durchsetzung durch Anrufung der Gerichte ermöglicht, und dient damit wiederum der Rechtssicherheit bei der Beweiserhebung in Rahmen eines förmlichen Verfahrens.

G. Die Vernehmung der Zeugen I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen 1. Die Ladung der Zeugen

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 PUAG sind Zeugen verpflichtet, "auf Ladung des Untersuchungsausschusses zu erscheinen". Insoweit entspricht die Bestimmung der Regelung in § 48 StPO, in der es lediglich heißt, dass die Ladung der Zeugen unter Hinweis auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens geschieht. Inhaltlich muss die Ladung des Untersuchungsausschusses erkennen lassen, dass die geladene Person als Zeuge vernommen werden soll.l Über die Form der Ladung sagt das PUAG nichts aus. Die Ladung kann wie im Strafprozess schriftlich, per Telefax, mündlich, aber auch telefonisch erfolgen. In der Praxis kommt für eine Ladung vor einen UA nur eine schriftliche Ladung in Betracht, da gemäß § 17 Abs. 1 PUAG der UA die durch den Untersuchungsauftrag gebotenen Beweise aufgrund von Beweisbeschlüssen erhebt und die Terminplanung ebenfalls in Form von Beschlüssen des Untersuchungsausschusses festgelegt wird. Eine kurzfristige Herbeiholung eines Zeugen, wie dies in Strafverfahren immer wieder einmal geschieht, ist dem Verfahren vor Untersuchungsausschüssen bisher fremd. Insoweit ist der Verfahrens gang vor einem UA wesentlich schwerfälliger als das Strafverfahren. Bei der Terminierung ist weiter zu berücksichtigen, dass Untersuchungsausschüsse regulär nur in den Sitzungswochen des Parlaments tagen. Für eine außerplanmäßige Sitzung ist die Genehmigung des Bundestagspräsidenten erforderlich. Die Ladung erfolgt gemäß der Beschlussfassung durch den UA durch das Ausschusssekretariat, in der Regel mit Postzustellungsurkunde, um den Nachweis des Zugangs der Ladung an den Zeugen führen zu können. Eine Ladungsfrist für den Zeugen ist im PUAG nicht vorgesehen. In dem Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN2 war in § 20 Abs. 2 vorgeschlagen worden, dass zwischen der Zustellung der Ladung des Untersuchungsausschusses und dem Tag der Vernehmung eine Frist von mindestens 2 Wochen liegen muss, es sei denn, dass der Zeuge auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet. Von der Regelung einer Ladungsfrist wurde abgesehen, da die genannte Ladungsfrist die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses unnötig erschweren würde. Dieses Argument ist nachvollziehbar, da der Terminplanung Beschlüsse über die Beweiserhebung vorausgehen und dazwischen in der Regel ausreichend Zeit zur Verfügung steht, um I

2

Vgl. RiStBV Nr. 64 Abs. 1. BT-Drs. 14/2518.

7 Plöd

G. Die Vernehmung der Zeugen

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den Zeugen nicht überraschend laden zu müssen. In der Praxis teilen Zeugen, insbesondere Politiker und Wirtschaftsmanager, oft schon Termine mit, wann sie zur Verfügung stehen und wann nicht, nachdem sie von dem entsprechenden Beweisbeschluss des Untersuchungsausschusses erfahren haben. Die Mitglieder von SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN im 1. UA der 14. WP haben am 16. 5. 2002 gegen die Stimmen von CDU ICSU und ED.P. beschlossen, den bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber vor den UA zu laden. 3 Als Termin wurde der 4. 6. 2002 beschlossen. Für diesen Fall ergaben sich folgende rechtliche Besonderheiten: Gemäß Art. 44 Abs. 2 GG finden auf Beweiserhebungen vor einem UA die Vorschriften über den Strafprozess sinngemäß Anwendung. Damit gilt auch die Sonderregelung in § 50 StPO für Parlaments- und Regierungsmitglieder. Gemäß § 50 Abs. 1 StPO sind die Mitglieder eines Landtages während ihres Aufenthaltes am Sitz der Versammlung zu vernehmen. Vernehmungsort der Parlamentsmitglieder ist der Sitz der Versammlung, wenn der Abgeordnete sich dort aufhält. Nach dem Normzweck gilt dies nur für die Sitzungswochen des Parlaments. Nach § 50 Abs. 2 StPO sind die Mitglieder einer Landesregierung an ihrem Amtssitz oder, wenn sie sich außerhalb ihres Amtssitzes aufhalten, an ihrem Aufenthaltsort zu vernehmen. Durch diese Sonderregelungen ergeben sich örtliche Beschränkungen der Zeugenpflicht. Sie bezwecken den Schutz vor Störungen der Parlaments- und Regierungsarbeit durch Reisen an auswärtige Vernehmungsorte. In der Kommentarliteratur wird die Meinung vertreten, dass ein Verzicht des Mitglieds des Parlaments oder der Landesregierung ausgeschlossen ist, da es sich um ein Sonderrecht der Institution handelt. 4 Dies hatte zur Folge, dass Ministerpräsident Dr. Edmund Stoiber an seinem Amtssitz in München oder, wenn er sich außerhalb seines Amtssitzes aufhält, an seinem Aufenthaltsort zu vernehmen war. Zu einer Abweichung von § 50 Abs. I und 2 StPO hätte der bayerische Ministerpräsident einer Genehmigung des Landtages und der Landesregierung bedurft. Auch wenn der Zeuge vor dem Ausschuss erscheinen würde, darf er ohne die erforderliche Genehmigung nicht vernommen werden. Eine Umgehung in der Weise, dass sich der Zeuge zum Aufenthalt an den Vernehmungsort des Untersuchungsausschusses begibt, ist unzulässig. 5 Durch das neue Untersuchungsausschussgesetz hat sich hinsichtlich § 50 StPO eine Gesetzesänderung ergeben. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 PUAG findet § 50 der Strafprozessordnung künftig keine Anwendung. Das PUAG war aber gemäß Art. 3 des PUAG auf den 1. UA der 14. WP nicht anwendbar, sodass der UA § 50 StPO zu beachten hatte.

3 4

5

ADrs. 785, Beweisbeschluss 14-539. Meyer-Goßner, StPO, § 50, Rn. I; KK - Senge, StPO, § 50, Rn. 1,7. Dahs, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 50, Rn. 9.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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Der Verzicht auf die Sonderregelung in § 50 StPO durch § 20 Abs. 1 S. 2 PUAG ist in der Regel unproblematisch, da parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundestages regelmäßig nur am Amtssitz des Deutschen Bundestages, des Bundesrates und der Bundesregierung tagen. Sollte ein UA seine Sitzung aber an einem anderen Ort abhalten, haben auch die Mitglieder oberster Staatsorgane am jeweiligen Sitzungsort des Untersuchungsausschusses zu erscheinen. 6 Unberührt lässt § 20 PUAG die Geltung des § 49 StPO. Der Bundespräsident ist grundsätzlich in seiner Wohnung zu vernehmen. Eine Ladung erfolgt nicht. Im Unterschied zu § 48 StPO muss dem Zeugen, der vor einen UA geladen wird, gemäß § 20 Abs. 2 PUAG das Beweisthema mitgeteilt werden. Zusammen mit der Ladung erhält der Zeuge den Einsetzungsbeschluss, den konkreten Beweisbeschluss und eine Unterrichtung über das Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG).7 Im Strafprozess wird dem Zeugen der Name des Beschuldigten nicht angegeben, wenn der Zweck der Untersuchung das verbietet, der Gegenstand der Beschuldigung nur, wenn dies zur Vorbereitung der Aussage geboten erscheint. 8 Weiter ist der Zeuge in der Ladung bereits über seine Rechte zu belehren und auf die gesetzlichen Folgen des Ausbleibens sowie darauf hinzuweisen, dass er einen rechtlichen Beistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuziehen darf. Insoweit geht die Regelung in § 20 Abs. 2 PUAG sowohl über die Bestimmung in § 13 Abs. 1 der sog. IPA-Regeln als auch über § 48 StPO hinaus. Damit sollte dem Zeugen wegen der Besonderheiten des Untersuchungsausschussverfahrens einschließlich der öffentlichen Berichterstattung die Vorbereitung auf die Vernehmung erleichtert werden. 2. Die Folgen des Ausbleibens Gemäß § 20 Abs. 2 PVAG ist der Zeuge über die Folgen seines Ausbleibens zu belehren. Welche Folgen sich für einen ordnungsgemäß geladenen, aber unentschuldigt ferngebliebenen Zeugen ergeben, folgt aus § 21 PUAG. Nach § 21 Abs. 1 S. 1 PUAG kann der VA dem ausgebliebenen Zeugen die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auferlegen, gegen ihn ein Ordnungs geld bis 10.000,00 € festsetzen und seine zwangsweise Vorführung anordnen. Bei wiederholtem Ausbleiben kann das Ordnungsgeld noch einmal festgesetzt werden (§ 21 Abs. 1 S. 2 PUAG). Die Regelung entspricht im Grundsatz § 51 Abs. 1 StPO mit zwei Unterschieden. Beim Ausbleiben eines Zeugen trotz ordnungsgemäßer Ladung kann in einem Strafverfahren gegen den Zeugen Ordnungsgeld in Höhe von 5,00 € bis 1.000,00 € festgesetzt werden (Art. 6 Abs. 1 EGStGB).9 Die Höhe BT-Drs. 14/5790, S. 18. Vgl. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 79. 8 RiStBV Nr. 64 Abs. I S. 2. 9 In der Fassung des Art. 22 des Gesetzes zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung von Mahn6

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G. Die Vernehmung der Zeugen

des Ordnungsgeldes von 10.000,00 € gegen einen ausgebliebenen Zeugen in einem UA begründet der Gesetzgeber mit den Besonderheiten des Untersuchungsverfahrens, was aber nicht einleuchtet, da die Zeugenpflicht eine Bürgerpflicht ist, unabhängig, vor welchem Gremium der Bürger seiner Zeugenpflicht nachkommen muss. Der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN IO hatte an dieser Stelle sogar ein Ordnungsgeld bis zu DM 100.000,00 vorgesehen. Die unterschiedlichen Höhen des festzusetzenden Ordnungsgeldes führen zu einer nicht vertretbaren Ungleichbehandlung. Dabei hat auch der UA bei der Festsetzung des Ordnungsge1des die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Für den UA dürfte es aber sehr schwierig sein, die wirtschaftlichen Verhältnisse eines ausgebliebenen Zeugen zu prüfen, wenn diese nicht allgemein bekannt sind. Eine Vernehmung des Zeugen zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen ist vom Untersuchungsauftrag in der Regel nicht gedeckt. Insoweit wird sich der DA bei der Festsetzung des Ordnungsge1des immer auf unsicherem Boden befinden, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen nicht bekannt sind. Die Verhängung von Ordnungshaft für den Fall der Uneinbringlichkeit des Ordnungsgeldes ist dem UA nicht gestattet, weil der UA kein Gericht ist, das in die Freiheit des Bürgers durch Verhängung von Haft eingreifen darf. Durch den Verweis auf die Anwendung von § 135 S. 2 StPO in § 21 Abs. 1 S. 3 PUAG wird klargestellt, dass der Zeuge im Falle seiner Vorführung vor den UA nicht länger festgehalten werden darf als bis zum Ende des Tages, der dem Beginn der Vorführung folgt. Voraussetzung für die Vorführung ist aber die Besorgnis, der Zeuge werde zum nächsten Termin wiederum nicht erscheinen. Die Regelung in § 21 Abs. 2 PUAG entspricht in vollem Umfang § 51 Abs. 2 StPO. Nach § 21 Abs. 2 PUAG unterbleiben die Auferlegung der Kosten und die Verhängung von Ordnungsgeld bzw. die Anordnung der zwangsweisen Vorführung, wenn der Zeuge sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt. Die nach § 21 Abs. 1 PUAG getroffenen Anordnungen sind gemäß § 21 Abs. 2 S. 2 PUAG aufzuheben, wenn das Ausbleiben nachträglich genügend entschuldigt wird und der Zeuge glaubhaft macht, dass ihn an der Verspätung kein Verschulden trifft. Gegen die Auferlegung des Ordnungsgeldes kann der Zeuge in entsprechender Anwendung der §§ 304 ff. StPO Beschwerde einlegen. Zuständig zur Entscheidung über die Beschwerde ist der Bundesgerichtshof (§ 36 Abs. 1 PDAG). Lehnt der UA eine Entscheidung nach § 21 Abs. 1 PUAG ab, so entscheidet der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs nach Maßgabe von § 17 Abs. 4 PUAG auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses über die Anordnung des Zwangsmittels. vordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze, BGBI. 2001 I Nr. 68, S. 3574 ff., 3578. 10 BT-Drs. 14/2518.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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3. Der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand Die Zeugen wurden im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP in ihrer Ladung über die Möglichkeit unterrichtet, zur Vernehmung einen Rechtsbeistand beizuziehen. 11 Am 15. 11. 2001 hat der 1. UA "Parteispenden" der 14. WP den Kaufmann Kirch als Zeugen vernommen. Dieser war mit einem Rechtsbeistand erschienen. Im Rahmen der Belehrung des Zeugen hat sich der Ausschussvorsitzende an den Zeugenbeistand gewandt und diesen dahingehend belehrt, dass er jederzeit die Möglichkeit habe, den Ausschussvorsitzenden und den UA in Verfahrenssachen anzusprechen, dass er aber kein eigenes Rede- oder Antragsrecht habe. 12 Nach § 20 Abs. 2 PUAG ist der Zeuge in der Ladung darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, einen rechtlichen Beistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuzuziehen. Damit folgt das PUAG der Rechtsprechung des BVerfG. Dieses leitet aus dem Gebot der fairen Verfahrensgestaltung das Recht des Zeugen auf Zuziehung eines Rechtsanwalts als Rechtsbeistand zu einer Vernehmung ab. Nicht nur der Beschuldigte kann in jeder Lage des Verfahrens zu seiner Unterstützung einen Verteidiger wählen (§§ 136 Abs. 1 S. 2, 137 Abs. 1 S. 1 StPO). Auch dem Zeugen ist grundsätzlich das Recht zuzubilligen, einen Rechtsbeistand seines Vertrauens zu der Vernehmung hinzuziehen, wenn er das für erforderlich hält, um von seinen prozessualen Befugnissen selbständig und seinen Interessen entsprechend sachgerecht Gebrauch zu machen. 13 Das Recht auf ein faires Verfahren beruht auf dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und dem allgemeinen Freiheitsrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG. 14 Den fairtrial-Grundsatz musste der Gesetzgeber als Leitlinie bei der Ausgestaltung des Verfahrensrechts achten. Für Zeugen, die durch eine Straftat verletzt worden sind, enthalten die §§ 406 f., 406 g StPO eine Regelung für die Zuziehung eines Zeugenbeistands. Weiterhin kann nach § 68 b StPO Zeugen, die noch keinen anwaltlichen Beistand haben, für die Dauer der Vernehmung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn ersichtlich ist, dass sie ihre Befugnisse bei der Vernehmung nicht selbst wahrnehmen können und ihren schutzwürdigen Interessen auf andere Weise nicht Rechnung getragen werden kann. Auch die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess hätte zur Folge gehabt, dass ein Zeuge in einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren berechtigt ist, ebenfalls einen Rechtsanwalt als Zeugenbeistand beizuziehen. 15 BT-Drs. 14/9300, S. 86. Stenographisches Protokoll der 99. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 15. 11. 2001, Nr. 99, S. 12. l3 BVerfGE 38, lOS ff., Ill, 112. 14 BVerfGE 26, 66 ff., 71; 38,105 ff., Ill; 57, 250 ff., 274; 63, 380, 390; 66, 313, 318; Meyer-Goßner, StPO, Einleitung, Rn. 19. 15 Gollwitzer, in: FS für Dünnebier 1982, S. 327, 339; so auch Beckedoif, ZParl 1989, S. 35 ff., 47, Bücker, Kontrollmittel ohne Bedeutung? Zur Reform der Vntersuchungsaus11

12

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O. Die Vernehmung der Zeugen

Der Zeuge in einem parlamentarischen UA befindet sich in der gleichen Situation wie ein Zeuge im Strafprozess. Auch im UA stellt sich sehr häufig die Frage, ob der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hat. Dies ergibt sich bereits daraus, dass oft parallel zu Untersuchungsausschüssen staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren laufen, wie beim 1. UA "Partei spenden" besonders deutlich wurde. Parallel zu dem Untersuchungsausschussverfahren führten die Staatsanwaltschaften Augsburg, Bonn, Düsseldorf, Koblenz, Saarbrücken, Frankfurt a.M., Magdeburg, Köln, Wiesbaden und Wuppertal Ermittlungsverfahren gegen Personen, die der UA als Zeugen vorgeladen hatte, z. B. gegen Bundeskanzler a.D. Kohl, LeislerKiep, Maßmann, Holzer, Terlinden, Weyrauch und Max Strauß. Weiter sind Zeugen vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen sehr häufig überfordert, wenn es um Fragen der Aussagepflicht im Hinblick auf die Reichweite des Untersuchungsauftrages, des Geheimschutzes und des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen geht. Das Gebot der fairen Verfahrensgestaltung gibt den Zeugen daher das Recht auf Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Zeugenbeistand. Einer ausdrücklichen Zulassung durch den UA bedarf der Zeugenbeistand ebenso wie im gerichtlichen Verfahren nicht. Im Hinblick auf die eingangs angeführte Belehrung des Zeugenbeistands stellt sich dann die Frage, welche Rechte ein Zeugenbeistand in dem Untersuchungsausschussverfahren hat. a) Kein eigenes Fragerecht, nur Beratung

Der Zeugenbeistand hat nur die Rechte, die auch ein Zeuge hat. Er verfügt über keine weitergehenden Befugnisse als die Auskunftsperson, die er begleitet. 16 Dies bedeutet, dass der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand kein eigenes Fragerecht hat. Er ist kein Verfahrensbeteiligter. Er hat auch keine selbständigen Antragsrechte. Die Verhinderung des Rechtsbeistands gibt dem Zeugen nicht das Recht, dem Vernehmungstermin fernzubleiben 17 oder die Aussage zu verweigern. 18

b) Die Erklärung zu prozessualen Fragen

Vielmehr hat der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand nur die Möglichkeit, den Zeugen zu beraten. Er kann den Zeugen nicht bei der Aussage vertreten. Dies führt bei Zeugenvernehmungen in Untersuchungsausschüssen sehr häufig zum Streit mit Ausschussmitgliedern, da immer wieder von diesen eingewandt wird, dass der schüsse, in: Hübner/Oberreuter/Rausch (Hrsg.), Der Bundestag von innen gesehen, 1969, S. 160 ff., 169. 16 Gollwitzer; BayVBI. 1982, S. 417 ff., 424. 17 BOH, NStZ 1989, S. 484 mit ablehnender Anmerkung Krehl, NStZ 1990, S. 192. 18 Kammergericht Berlin, Az.: 4 Ws 189/98 v. 16.9. 1998.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

103

Rechtsanwalt dem Zeugen die Antwort vorgesagt hat, während sich der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand darauf beruft, dass er den Zeugen vor der Beantwortung der gestellten Frage lediglich beraten hat. c) Die Unterbrechung der Vernehmung

Um eine ordnungsgemäße Beratung des Zeugen durchzuführen, wird man dem Zeugenbeistand das Recht zuerkennen müssen, dass er eine Unterbrechung der Vernehmung begehren kann. Dieses Recht folgt aus dem Mandatsverhältnis mit dem Zeugen. Denn der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand hat die Pflicht, den Zeugen über die Zulässigkeit der gestellten Frage und über das Bestehen eines Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechts gemäß den §§ 52, 55 StPO aufzuklären. d) Die Vorbereitung einer Stellungnahme des Zeugen

Zur umfassenden Beratung des Zeugen gehört auch, dass der Rechtsanwalt den Zeugen auf die Vernehmung auf der Basis des Auftrags des Untersuchungsausschusses vorbereitet. Gemäß § 20 Abs. I PUAG ist dem Zeugen in der Ladung das Beweisthema mitzuteilen. Damit soll der Zeuge die Möglichkeit erhalten, sich auf die Vernehmung vorzubereiten und seine Aussage schriftlich zu fixieren. Gemäß § 24 Abs. 4 S. 2 PUAG ist nämlich dem Zeugen zu Beginn seiner Vernehmung Gelegenheit zu geben, das, was ihm von dem Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang darzulegen. Daher kann der Zeugenbeistand zusammen mit dem Zeugen einen zusammenfassenden Bericht bereits vor der Vernehmung erstellen, damit der Zeuge dann diesen Bericht vor dem UA zu Beginn seiner Vernehmung vortragen kann. e) Die Prüfung der gestellten Fragen auf ihre Zulässigkeit im Rahmen des UntersuchungsauJtrags

Aufgabe des Zeugenbeistands ist es insbesondere darüber zu wachen, ob die im UA gestellten Fragen überhaupt zulässig sind. Die Prüfung der Zulässigkeit der Fragen bestimmt sich nach dem im Einsetzungsbeschluss festgelegten Untersuchungsauftrag. 19 Der UA hat kein eigenes Untersuchungsrecht und keinen vom Parlament unabhängigen Wirkungskreis. In Art. 2 Abs. 2 S. 2 des Bayerischen UAG ist dieser Grundsatz ausdrücklich normiert. Fragen, die außerhalb des Untersuchungsauftrags liegen, sind damit unzulässig. Sie müssen vom Zeugen nicht beantwortet werden. Im Falle einer bewussten Falschaussage zu einer unzulässigen Frage macht sich ein Zeuge nicht einmal strafbar. Der äußere Tatbestand des § 153 StGB erfasst nur solche Falschaussagen einer Person, die nach den für den fragli19

Wagner, GA 1976, S. 273.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

chen Prozess geltenden Regeln den Gegenstand ihrer Vernehmung und damit ihre Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage betreffen?O Dies gilt auch für Untersuchungsausschüsse. Parlamentarische Untersuchungsausschüsse dürfen die Aussagepflicht nicht über den Gegenstand der Untersuchung hinaus erweitern. 21 Der Zeuge bleibt auch straflos, wenn er Tatsachen verschweigt, die außerhalb des durch den Untersuchungsauftrag bestimmten Beweisthemas liegen?2 Insoweit ist der Rechtsanwalt als Zeugenbeistand gefordert, die Zulässigkeit von gestellten Fragen zu überprüfen und den Zeugen entsprechend zu beraten. Denn nach § 25 Abs. 1 S. 2 PUAG können Zeugen den Vorsitzenden auffordern, Fragen, die ungeeignet sind oder nicht zur Sache gehören, zurückzuweisen. Schwierigkeiten treten besonders dann auf, wenn der Untersuchungsauftrag sehr weit und allgemein gefasst ist, wie dies beim 1. UA "Partei spenden" der 14. WP der Fall war.

f) Die Prüfung des Rechts aujZeugnis- bzw. Auskunftsverweigerung

Auch wenn zulässige Fragen gestellt werden, ergibt sich bei Zeugen vor Untersuchungsausschüssen häufig die Rechtsfrage, ob der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hat, weil er ein "verdächtiger" Zeuge ist. Nach § 22 Abs. 2 PUAG können Zeugen die Auskunft auf Fragen verweigern, deren Beantwortung ihnen oder Personen, die i. S. d. § 52 Abs. 1 StPO ihre Angehörigen sind, die Gefahr zuziehen würde, einer Untersuchung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren ausgesetzt zu werden. 23 Über dieses Recht sind Zeugen bei Beginn der Vernehmung zu belehren (§ 22 Abs. 3 PUAG). Niemand, der Zeuge vor dem UA ist, ist verpflichtet, sich selbst oder einen Angehörigen zu belasten. Zu den gesetzlich geordneten Verfahren gehören nicht nur Ermittlungsverfahren wegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten, sondern z. B. auch beamtenrechtliche Disziplinarverfahren24 , nicht aber Parteischiedsverfahren, wie sie vom Landesverband der SPD in Nordrhein-Westfalen in der Kölner-Korruptionsaffäre in einer Vielzahl von Fällen durchgeführt worden sind. Daraus folgt, dass Untersuchungsausschüsse in ihrem Beweiserhebungsrecht erheblich beeinträchtigt werden können, wenn parallel gegen Zeugen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen, da ein Rechtsbeistand seinem Mandanten in diesem Fall in der Regel zu einer Aussageverweigerung raten wird. Dies hat sich insbesondere im 1. UA "Partei spenden" der 14. WP gezeigt, wo eine erhebliche Anzahl von Zeugen von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht hat 25 und der UA dadurch in seiBGHSt 25, 244, 246. OLG Koblenz, StV 1988, S. 531; Tröndlel Fischer, StGB, § 153, Rn. 3. 22 BGHSt 1,53,24; 3, 221, 223; 7, 127, 128. 23 Nemo-tenetur-Prinzip: "nemo tenetur se ipsum accusare". 24 BT-Drs. 14/5790, S. 18. 25 Von Auskunftsverweigerungs- und Schweigerechten haben insgesamt 24 Zeugen Gebrauch gemacht, vgl. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 87. 20

21

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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ner Aufklärungsarbeit erheblich behindert worden ist. Untersuchungsausschüsse sind damit praktisch eine nachgeordnete Instanz der JustiZ?6 Durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren oder auch Disziplinarverfahren können Untersuchungsausschussverfahren in weitem Umfang gefördert, aber auch faktisch in erheblichem Umfang lahmgelegt werden, wenn die Staatsanwaltschaft erst am Beginn ihrer Ermittlungen steht. g) Die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

Beratungsbedarffür einen Zeugenbeistand besteht weiterhin, wenn Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse bei einer wahrheitsgemäßen Aussage des Zeugen offengelegt werden müssten. Hier hat der Rechtsbeistand den Zeugen zu beraten, ob der Zeuge seine Aussage vor der Öffentlichkeit macht oder ob ein Ausschluss der Öffentlichkeit in Betracht kommt. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 3 PUAG schließt der UA die Öffentlichkeit aus, wenn ein Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden. Gleiches gilt, wenn Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Zeugen oder Dritten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzen würde (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 PUAG). Zur Stellung eines Antrags auf Ausschluss oder Beschränkung der Öffentlichkeit ist nach § 14 Abs. 3 Nr. 3 PUAG auch der Zeuge selbst berechtigt. Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, dass der Schutz privater Geheimnisse von Zeugen durch die Nichtöffentlichkeit einer Beweisaufnahme nur unzureichend gewährleistet ist, da auch Protokolle nichtöffentlicher Sitzungen weitgehend öffentlich zugänglich sind und eine Sanktionsregelung bei Verstößen gegen die Verschwiegenheitspflicht gegenüber Abgeordneten nicht besteht. 27 h) Die Überprüfung des Protokolls

Weiterhin kann der Zeugenbeistand bei der Überprüfung des Protokolls über die Zeugenvernehmung mitwirken. Gemäß § 26 PUAG ist den einzelnen Zeugen das Protokoll über ihre Vernehmung zuzustellen. Der Zeuge hat dadurch Gelegenheit, auf die Abfassung des Protokolls Einfluss zu nehmen, seine Aussage, wie sie sich im Wortlaut des Protokolls niederschlägt, zu korrigieren, gegebenenfalls auch auf eine ergänzende Vernehmung hinzu wirken. Erst nach Ablauf von 2 Wochen seit Zustellung des Vernehmungsprotokolls oder im Falle des Verzichts des Zeugen auf die Einhaltung dieser Frist kann der UA durch Beschluss feststellen, dass die Ver26

Schneider; NJW 2001, S. 2604 ff., 2607.

Linck, ZRP, 1987, S. 14 ff., 17; vgl. auch § 73 Abs. 2 GOBT mit den Richtlinien für die Behandlung der Ausschussprotokolle gemäß § 73 Abs. 2 GOBT; Scholz, AöR 105 (1980), S. 588 ff., 620. 27

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G. Die Vernehmung der Zeugen

nehmung des jeweiligen Zeugen abgeschlossen ist (§ 26 Abs. 2 PUAG). Erst wenn gemäß § 26 Abs. 2 PUAG eine Vernehmung abgeschlossen ist, ist der Tatbestand einer falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 StGB vollendet, nachdem durch Art. 2 des PUAG bei § 153 StGB ein Abs. 2 eingefügt wurde, dass ein UA eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes einer der in § 153 Abs. 1 StGB genannten Stelle gleichsteht. In der Begründung zu Art. 2 (Änderung des Strafgesetzbuchs) des Untersuchungsausschussgesetzes heißt es: "Da auf eine Bestimmung über die mögliche Vereidigung eines Zeugen durch den UA verzichtet worden ist, muss die Strafvorschrift über die falsche uneidliche Aussage (§ 153 StGB) angepasst werden.,,28 Im Ergebnis gewährleistet § 20 Abs. 2 PUAG einen effektiven Zeugenschutz, wenn auch ein Rechtsanwalt als Zeugenbeistand vor einem UA zwar nur eingeschränkte Rechte, aber vielfältige Pflichten hinsichtlich der Beratung des Zeugen hat. Aufgrund der Unterschiede zwischen dem "Betroffenen" im parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahren und dem Angeklagten im Strafprozess werden dem Rechtsanwalt als Rechtsbeistand nicht die dem Strafverteidiger zugebilligten Antrags-, Frage-, Erklärungs- und Zustimmungsrechte eingeräumt. Die ernsthafte Wahrnehmung der Pflichten des Zeugenbeistands bietet ein großes Feld für Auseinandersetzungen zwischen Zeugenbeiständen und fragenden Abgeordneten, wie sich dies bei Vernehmungen in Untersuchungsausschüssen immer wieder zeigte. Das Auftreten von Rechtsanwälten vor einem UA ist allerdings zumeist zurückhaltend, da dieses Verfahren für viele Neuland ist. Es gibt jedoch auch Rechtsanwälte, die bereits öfter Zeugen vor Untersuchungsausschüssen vertreten haben und deshalb eher dazu neigen, die Auseinandersetzung mit Abgeordneten oder dem Ausschussvorsitzenden zu suchen. 4. Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte

Der 1. UA der 14. WP hat gezeigt, dass die Aufklärungsarbeit in einem UA durch die Vernehmung von Zeugen immer wieder vor unüberwindlichen Hürden steht, weil eine Vielzahl der Zeugen wegen parallel laufender Ermittlungsverfahren von Staatsanwaltschaften bzw. von Strafverfahren die Aussage ganz verweigert oder entsprechend § 55 StPO auf einzelne Fragen die Auskunft abgelehnt hat. 29 Die SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN befürworteten deshalb in dem Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP eine gesetzliche Neuregelung für Auskunftsund Aussageverweigerungsrechte vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und sprachen sich dafür aus, "die Erfahrungen alter und gefestigter parlamentarischer Demokratien wie in England und in USA zu nutzen,,30. Die Neuregelung BT-Drs. 14/5790, S. 21. Insgesamt 24 Zeugen, vgl. Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 87 ff. 30 Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 414. 28 29

1. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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sollte das grundsätzliche Recht jedes einzelnen Bürgers, sich im Strafverfahren und damit auch vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen nicht selbst belasten zu müssen, "gegenüber dem Interesse von Gesellschaft und Staat an einer wirksamen Aufklärung von schweren Missständen, wie vorsätzlichem Gesetzesbruch, Korruption und Käuflichkeit von Politik auf Regierungsebene, neu abwägen,,3). Diese Forderung wurde nach Inkrafttreten des PUAG bereits zu einem Zeitpunkt erhoben, als das PUAG noch auf keinen UA Anwendung gefunden hatte, da gemäß Art. 3 PUAG das Gesetz auf bereits eingesetzte Untersuchungsausschüsse nicht anzuwenden ist. Dies bedeutet, dass bereits nach einer Novellierung des PUAG gerufen wurde, obwohl das PUAG bisher noch nicht Verfahrensgrundlage für einen UA war.

In der Literatur wird dagegen die Ansicht vertreten, dass durch ein Auskunftsverweigerungsrecht ein genügender Rechtsschutz für Zeugen vor Selbstbezichtigungen nicht erreicht werden kann. 32 Der Auskunftsperson ist oft nicht erkennbar, welche rechtlichen Folgen die Aussage haben kann. Dies gilt insbesondere, wenn die wahrheitsgemäße Aussage eine strafrechtliche Verfolgung auslösen kann. Vor diesem Hintergrund entwickelte das BVerfG das Recht des Zeugen, sich eines Rechtsbeistands zu bedienen, da der im allgemeinen rechtsunkundige Zeuge regelmäßig, selbst bei rechtsfehlerfreier Belehrung, die rechtlichen Folgen seiner Angaben nicht übersehen und den Umfang und die Grenzen seines Auskunftsverweigerungsrechtes nicht zweifelsfrei erkennen kann?3 a) Die Regelung im PUAG § 22 PUAG beinhaltet eine sehr eingeschränkte Regelung des Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechts im Vergleich mit den Vorschriften der StPO. Zunächst verweist § 22 Abs. I PUAG auf die Vorschriften der StPO zum Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen sowie auf die Regelung über das Zeugnisverweigerungsrecht der Berufshelfer. Die Vorschriften des § 53 StPO (Zeugnisverweigerungsrecht der Berufsgeheimnisträger) und des § 53 a StPO (Zeugnisverweigerungsrecht der Berufshelfer) gelten entsprechend.

Die Regelung in § 22 Abs. 2 PUAG entspricht im Wesentlichen dem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO, wobei allerdings der Anwendungsbereich erweitert wurde. Während das Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. I StPO nur gegeben ist, wenn bei wahrheitsgemäßer Beantwortung einer Frage für den Zeugen oder einen der in § 52 Abs. I StPO bezeichneten Angehörigen die Gefahr bestehen würde, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, besteht das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 22 Abs. 2 PUAG in ei31 32

33

BT-Drs. 14/9300, S. 414. Kohlmann, JA 1984, S. 670, 671. BVerfGE 38, 105 ff., 113.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

nem weiteren Umfang. Nach § 22 Abs. 2 PUAG können Zeugen die Auskunft auf Fragen verweigern, deren Beantwortung ihnen oder Personen, die i. S. d. § 52 Abs. 1 StPO ihre Angehörigen sind, die Gefahr zuziehen würde, der Untersuchung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren ausgesetzt zu werden. 34 In Disziplinar-, Ehrengerichtsverfahren und berufsgerichtlichen Verfahren, in denen die Vorschriften der StPO entsprechend gelten (z. B. §§ 25 BDO, 116 BRAO), darf der als Zeuge aussagende Beamte, Rechtsanwalt oder Steuerberater ebenfalls die Auskunft auf solche Fragen verweigern, deren Beantwortung ihn der Gefahr einer disziplinarrechtlichen oder berufs gerichtlichen Verfolgung aussetzen würde?5 Dem Ermittlungsverfahren wegen Straftaten ist die Abgeordneten- oder Ministeranklage gleichzustellen. 36 Im Übrigen regelt § 22 PUAG, dass die Zeugen über die in den Absätzen 1 und 2 des § 22 PUAG bestimmten Rechte bei Beginn der ersten Vernehmung zur Sache zu belehren sind (§ 22 Abs. 3 PUAG) und dass die Tatsachen, auf die einzelne Zeugen die Verweigerung ihres Zeugnisses stützen, auf Verlangen glaubhaft zu machen sind (§ 22 Abs. 4 PUAG). Weitere Bestimmungen zum Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht enthält § 22 PUAG nicht. Insbesondere fehlt es an einer § 52 StPO entsprechenden Regelung. Nach § 52 Abs. 1 StPO sind zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt der Verlobte des Beschuldigten, der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht, Lebenspartner, nämlich Personen gleichen Geschlechts, die nach § 1 LPartG wirksam eine Lebenspartnerschaft begründet haben, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht, sowie Personen, die mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum 3. Grad verwandt oder bis zum 2. Grad verschwägert sind oder waren (§§ 1589, 1590 BGB). Das Fehlen einer Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts der Angehörigen beruht darauf, dass das PUAG bewusst auf eine Regelung des Betroffenenstatus 37 und damit auf die Parallele zum strafprozessualen Begriff des Beschuldigten verzichtet hat. 38 b) Die bisherigen Überlegungen zum BetroJfenenstatus Der Betroffenenstatus war in den zurückliegenden Jahrzehnten bereits vielfach Gegenstand von Empfehlungen, Gesetzentwürfen und verabschiedeten Gesetzen. (aa) Die Konferenz der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen vom 34

3S 36 37

38

V gl. Ausführungen zu G. I. 3. f). BGH, NJW 1979, S. 324. BGHSt 17, 128 ff., 136. Vgl. Ausführungen zu B. III. und D. IV. 3. BT-Drs. 14/5790,S. 18.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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4.5. 1961 39 empfahl, die von der Untersuchung betroffene Person nur dann nicht als Zeugen zu vernehmen, wenn sich aus dem Untersuchungsauftrag eindeutig ergibt, dass sich die Untersuchung ausschließlich oder ganz überwiegend gegen diese bestimmte Person richtet. Im Unterschied zu § 20 Abs. 2 PUAG wurde in dieser Empfehlung dem Zeugen nicht das Recht zugestanden, bei der Vernehmung einen Rechtsbeistand zuzuziehen. Der betroffene Zeuge sollte wie ein Beschuldigter vernommen werden. Er sollte berechtigt sein, die Aussage zu verweigern, Fragen zu stellen und Beweiserhebungen anzuregen, durfte aber nicht vereidigt werden. (bb) Das Gesetz über Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtages vom 23. 3. 19704 °, geändert durch Gesetz vom 23. 7. 1985 4 \ zuletzt geändert am 10. 7. 199842 befasst sich in Art. 13 mit der Rechtsstellung des Betroffenen. ,,(1) Auch die von der parlamentarischen Untersuchung betroffene Person ist grundsätzlich als Zeuge zu vernehmen. Geht aus dem Untersuchungsauftrag aber eindeutig hervor, dass sich die Untersuchung ausschließlich oder ganz überwiegend gegen eine bestimmte Person richtet, so darf diese Person nicht als Zeuge vernommen werden. Ob diese Voraussetzung vorliegt, hat der UA in jedem einzelnen Fall zu prüfen; sie ist insbesondere gegeben, wenn die Untersuchung mit dem Ziele eingeleitet ist, die Beschlussfassung des Parlaments über eine Anklage gegen Mitglieder der Staatsregierung oder gegen Abgeordnete (Art. 59 und 61 der Verfassung) gegen den Betroffenen vorzubereiten.

(2) Stellt der UA fest, dass eine Person hiernach nicht als Zeuge vernommen werden darf, so ist sie nach der Art eines Beschuldigten anzuhören."

(cc) Im Jahre 1972 haben die Präsidenten der Deutschen Länderparlamente einen Mustergesetzentwurr3 vorgelegt. Die BetroffenensteIlung wurde dort wie im IPA-Gesetzentwurf umschrieben. Der Mustergesetzentwurf machte die Aussagepflicht davon abhängig, ob dem Zeugen eine Abgeordneten- oder Ministeranklage droht. Nur in diesem Falle sollte der Zeuge berechtigt sein, die Aussage zu verweigern. Der Mustergesetzentwurf räumte dem Zeugen die Möglichkeit ein, durch den Rechtsbeistand Fragen zu stellen und Beweisanträge anzubringen, wenn dies der Ausschussvorsitzende gestattete. Eine Vereidigung des betroffenen Zeugen war ausgeschlossen. (dd) Im Gesetz über den Landtag des Saarlandes vom 20. 6. 197344 wurde die Rechtsstellung des Betroffenen entsprechend dem IPA-Gesetzentwurf geregelt. Abweichend wird einem Richter, dem eine Richteranklage droht, die Stellung des Betroffenen verweigert, was sachlich nicht nachvollziehbar ist.

Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 231005 ff. BayGVBl. 1970, S. 95; Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 232101 ff. 41 BayGVBl. 1985, S. 246. 42 BayGVBl. 1998, S. 382. 43 Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 231021 ff. 44 Gesetz Nr. 970, Amtsbl. 1973, S. 517, zuletzt geändert durch Gesetz v. 27. Oktober 1999, Amtsbl. 1999, S. 46; Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 097619 ff. 39

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HO

G. Die Vernehmung der Zeugen

(ee) Das Baden-Württembergische Gesetz über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages vom 3. 3. 197645 räumt nur den Personen den Status eines Betroffenen ein, über die der UA im Bericht eine Äußerung dahin abgeben will, ob eine persönliche Verfehlung vorliegt. Diese Regelung dürfte in der Praxis schwer anwendbar sein, da im Zeitpunkt der Zeugenvernehmung in der Regel zunächst keine Klarheit besteht, ob eine persönliche Verfehlung überhaupt vorliegt, so dass ein Zeuge bei Beginn seiner Vernehmung auch nicht über das Auskunftsverweigerungsrecht belehrt werden kann, zum anderen erst am Ende der Beweisaufnahme eine Aussage über eine persönliche Verfehlung getroffen werden kann. Schließlich hängt der Betroffenenstatus davon ab, ob die persönliche Verfehlung im Bericht des Untersuchungsausschusses Erwähnung findet. (ff) Die Empfehlungen der Enquetekommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages46 verzichteten auf die Unterscheidung zwischen Zeugen und Betroffenen. Begründet wurde dies damit, dass Untersuchungsausschüsse nicht das Ziel haben, die persönliche Schuld Einzelner zu erforschen, sondern objektiv Missstände im staatlichen Bereich zu erkunden. Auf eine Vereidigung von Zeugen sollte in Untersuchungsausschüssen ebenfalls verzichtet werden.

(gg) Die CDU /CSU-Fraktion hat am 14. November 1977 einen Entwurf eines Gesetzes über das Untersuchungsverfahren des Deutschen Bundestages47 vorgelegt. Der Entwurf verzichtete auf eine Regelung hinsichtlich des Status eines Betroffenen. Er verwies nicht nachvollziehbar bezüglich der Zeugenvernehmung auf die Vorschriften der ZPO und nicht der StPO, was eine Änderung des Art. 44 Abs. 2 GG erforderlich gemacht hätte. (hh) Das bremische Gesetz über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen vom 15. November 198248 , geändert durch Gesetz vom 23. Februar 198849 , befasst sich ebenfalls nicht mit der Stellung des Zeugen als Betroffenen. Es enthält nur eine Regelung über die Beweismittel Zeugen und Sachverständige. (ii) Das Gesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages von Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 198450, geändert durch Gesetz vom 24. April 199051 , kennt keine BetroffenensteIlung eines Zeugen. Es verweist auf die Vorschriften der StPO hinsichtlich der Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte. 45 GBI. 1976, S. 194, geändert durch Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages v. 12. 12. 1983 (GBI. 1983, S. 834) und v. 11. 10. 1993 (GBI. 1003, S. 605); vgl. Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 231601 ff. 46 Schlussbericht v. 9.12.1976, BT-Drs. 7/5924. 47 BT-Drs. 8/ H81. 48 Brem. GBI. 1982, S. 329. 49 Brem. GBI. 1988, S. 17. 50 GVNRW 1985, S. 26; Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 236101 ff. 51 GVNRW 1990, S. 250.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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(jj) Im Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages52 vom 26. 2. 1988 war die RechtssteIlung des Betroffenen detailliert geregelt. Gemäß § 15 Abs. I galten als Betroffene der Bundespräsident, sofern der UA zur Vorbereitung einer Präsidentenanklage dient, Mitglieder des Bundestages und Mitglieder der Bundesregierung, wenn der UA ihre Be- oder Entlastung zum Ziele hat, Richter, deren Richteranklage im Ausschuss vorbereitet wird, und Personen, gegen die sich aufgrund des Untersuchungsauftrags die Untersuchung ganz oder teilweise richtet. In § 15 Abs. 2 wurde dem UA die Möglichkeit gegeben, noch nachträglich Personen, die im Untersuchungsauftrag nicht genannt sind, auf Beschluss des Untersuchungsausschusses mit einer 2/3 Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder den Betroffenenstatus einzuräumen. Nach § 15 Abs. 3 durfte ein Betroffener nicht als Zeuge vernommen werden, sofern und soweit sich die Untersuchung gegen ihn richtet. Vielmehr hatte der Betroffene ein Aussageverweigerungsrecht. Dem Betroffenen wurde grundsätzlich ein Anwesenheitsrecht bei der Beweisaufnahme zugestanden. Ebenso durfte er einen Rechtsbeistand hinzuziehen sowie Zeugen und Sachverständige zu seiner Entlastung benennen (§ 15 Abs. 5). (kk) Der Entwurf eines Untersuchungsausschussgesetzes der SPD-Bundestagsfraktion 53 vom 18. 3. 1988 verzichtete auf die Unterscheidung von Zeugen und Betroffenen. Er übernahm lediglich die Regelung des Zeugnisverweigerungsrechts, wie sie sich aus § 52 StPO ergibt. Darüber hinaus wurden die §§ 53, 55 StPO für entsprechend anwendbar erklärt. (11) Das Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen von Rheinland-Pfalz vom 18. September 199054 bezeichnet in § 14 natürliche und juristische Personen, gegen die sich nach dem Sinn des Untersuchungsauftrags die Untersuchung richtet, als Betroffene. (mm) In gleicher Weise ist die BetroffenensteIlung im Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Landtages des Freistaates Thüringen vom 7. Februar 1991 55 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Mai 200056 , geregelt. Nach § 15 Abs. I sind Betroffene natürliche und juristische Personen, gegen die sich nach dem Sinn des Untersuchungsauftrags die Untersuchung richtet. (nn) Das Gesetz über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages vom 12. Februar 1991 57 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. November 199758 , regelt in § 19 den Betroffenenstatus von Zeugen. Da52 53 54 55 56

57 58

BT-Drs. 11 /1896. BT-Drs.1112025. GVBI. 1990, S. 261. GVBI. 1991, S. 36. GVBI. 2000, S. 101. GVBI. 1991, S. 29. GVBI. 1997, S. 586.

G. Die Vernehmung der Zeugen

112

nach sind Betroffene Mitglieder der Regierung im Falle der Untersuchung zur Vorbereitung einer Ministeranklage, Mitglieder des Landtages im Falle der Untersuchung, die ihre Belastung oder Entlastung zum Ziele hat, Richter im Falle der Untersuchung zur Vorbereitung einer Richteranklage sowie alle weiteren Personen, über die der UA im Bericht eine Äußerung abgeben will, ob eine persönliche Verfehlung vorliegt. Im UAG des Landtages von Sachsen-Anhalt vom 29. Oktober 199259 wird in § 18 das Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht entsprechend den Vorschriften der StPO geregelt, allerdings in einem weiteren Umfang, da ein Zeuge auch die Aussage auf Fragen, deren Beantwortung ihn oder einen seiner in § 52 StPO bezeichneten Angehörigen bloßstellen oder seinen oder ihren höchstpersönlichen Lebensbereich betreffen oder die ihm oder ihnen schwerwiegende Nachteile bringen würde, verweigern kann. (pp) Das UAG des Landtages von Schleswig-Holstein vom 17. April 199360 bezeichnet in § 18 natürliche und juristische Personen als Betroffene, wenn sich gegen sie nach dem Sinn des Untersuchungsgegenstandes die Untersuchung richtet. (00)

(qq) Das Gesetz über die Untersuchungsausschüsse der Hamburgischen Bürgerschaft vom 27. August 19976\, zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. Juni 2001 62, erklärt in § 19 Abs. 1 die natürlichen Personen zu Betroffenen, über die der UA in seinem Bericht eine wertende Äußerung abgeben will. Die Empfehlungen, Gesetzentwürfe und die verabschiedeten Ländergesetze zeigen, dass man eine Regelung der Rechte von Zeugen, die "Betroffene" eines UAVerfahrens sind, überwiegend für dringend geboten erachtete. Sie folgten den Forderungen, die bei zwei Deutschen luristentagen aufgestellt worden waren. Bereits beim 45. DJT wurde im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei Untersuchungen, die Skandale oder sogar strafbare Handlungen zum Gegenstand haben, folgender Beschluss gefasst: "Richtet sich die Untersuchung offensichtlich gegen eine bestimmte Person oder werden im Untersuchungsauftrag Vorwürfe erhoben, die ihr zur Unehre gereichen, so sollte die Person insoweit nicht aus Zeuge vernommen werden, sondern eine ähnliche Stellung wie ein Beschuldigter haben".63 Beim 57. DJT Mainz 1988 wurde neben der Notwendigkeit, das Recht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse neu zu ordnen und dazu Art. 44 GG zu ändern, um einen Regelungsspielraum für ein eigenständiges Untersuchungsausschussgesetz zu eröffnen, insbesondere die Forderung erhoben, bei den Auskunftspersonen zwischen solchen Auskunftspersonen, die nur Wissensvermittler sind und

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62 63

GVBl.LSA 1992, S. 757. GVOBl.Sch.-H. 1993, S. 145. GVBl. 1997, S. 247. GVBl. 2001, S. 126; Burhenne (Hrsg.), ROP, S. 234101 ff. Partsch, Gutachten für den 45. DJT, Verhandlungen, Band II, E 173.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

113

Auskunft geben, und den Verhörpersonen zu differenzieren, die von dem aufzuklärenden Sachverhalt persönlich betroffen sind. 64 In gleicher Weise forderte Schneider65 beim 57. DJT, dass ein Untersuchungsausschuss gesetz die Rechtstellung der Beteiligten rechtsstaatlich absichern soll, "wozu namentlich die Anerkennung von Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechten, ein hinreichender Rechtsschutz der Persönlichkeitssphäre sowie ein effektiver Rechtsschutz gegenüber Angriffen von Untersuchungsausschüssen gehört". Allerdings hielt Schneider die gesonderte Anerkennung eines Betroffenenstatus nicht für erforderlich, weil sonst der Zweck einer parlamentarischen Untersuchung verfehlt wäre, "wenn man bestimmten Beteiligten, gegen die sich ganz oder überwiegend die Untersuchung zu richten scheint, eine der Position des Angeklagten im Strafprozess ähnliche "Verteidigungsstellung" zubilligen wollte".66 Andererseits forderte Schneider, dass "Auskunftspersonen und anderen Drittbeteiligten bei Eingriffen des Untersuchungsausschusses in ihre Rechte gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in Verbindung mit § 40 Abs. I VwGO der Weg zu den Verwaltungs gerichten offen" stehen soll.67

c) Keine Berücksichtigung des Betrojfenenstatus im PUAG

Letzteren Argumenten folgend hat der Bundesgesetzgeber auf eine Regelung des Betroffenenstatus im PUAG verzichtet. Damit wollte man schwierige Abgrenzungsstreitigkeiten sowie Auseinandersetzungen bei der Zuordnung von Auskunftspersonen zum Kreis der Betroffenen, der betroffenen Zeugen oder Zeugen vermeiden. Als Begründung führte der Gesetzgeber an, dass die Erfahrungen aus der Praxis der Untersuchungsausschüsse zum Ergebnis geführt haben, dass bisher niemandem der Status eines Betroffenen im Sinne der IPA-Regel zuerkannt worden ist. 68 Der notwendigen Subjektstellung bestimmter Auskunftspersonen hat 64 Bickel, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, These Nr. 14., S. M 51. 65 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, These Nr. 7, S. M 91. 66 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, These Nr. 25, S. M 95. 67 Schneider; Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, in: Verhandlungen des 57. DJT Mainz 1988, hrsg. von der ständigen Vertretung des DJT, Bd. II, Teil M, These Nr. 27, S. M 95, 96. 68 Vgl. Abschlussbericht des I. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 85: Der I. UA der 14. WP hat in keinem Fall ausdrücklich einen Betroffenenstatus i. S. d. § 18 Abs. 1 der sog. IPA-Regeln festgestellt. Er hat dies mit Beschluss v. 6. 7. 2000 bei dem Zeugen Kohl abgelehnt, der sich in seiner Vernehmung vom 29. 6. 2000 hinsichtlich eines bei der Staatsanwaltschaft Bonn anhängigen Verfahrens auf § 136 StPO berufen hat. Der Zeuge wurde auf das Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO verwiesen. Anlässlich der Vernehmung vom

8 Plöd

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G. Die Vernehmung der Zeugen

man damit nicht Rechnung getragen. Buchholz69 hat vergebens gefordert, dass der Gesetzgeber eine Sonderregelung für Betroffene in ein Verfahrensgesetz für parlamentarische Untersuchungsausschüsse aufnehmen muss. Im Unterschied zum PUAG definierte § 18 Abs. 1 der sog. IPA-Regeln 70 den Kreis der Betroffenen. Die Stellung als Betroffener gab nach § 18 Abs. 3 S. 1 und 3 der sog. IPA-Regeln dem Zeugen das Recht, zusammenhängende Sachdarstellungen vor der Zeugenvemehmung abzugeben, Beweisanträge und Fragen zu stellen und bei der Beweisaufnahme anwesend zu sein. Überdies durfte er nicht vereidigt werden und hatte die Möglichkeit der Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes, der jedoch gemäß § 18 Abs. 3 S. 6 der sog. IPA-Rege1n kein Rederecht genoss. Ansonsten glich seine Stellung der eines Zeugen (vgl. § 18 Abs. 3 S. 2 der sog. IPARegeln). Der Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (1. Ausschuss) des Deutschen Bundestages war sich bei der Beratung des PUAG und insbesondere bei der Erörterung des Verzichts auf einen gesetzlich vorzusehenden Betroffenenstatus und vor dem Hintergrund der weiterhin von Art. 44 GG angeordneten sinngemäßen Anwendung der Regeln über den Strafprozess "bewusst, dass eine über die Regelung des Untersuchungsausschussgesetzes hinausgehende Zuerkennung von Rechten für Zeugen in bestimmten Sonderkonstellationen durch die Rechtsprechung nicht ausgeschlossen werden könne,,7!. Damit hat der Gesetzgeber im PUAG ein zentrales Problem nicht geregelt, wobei es allerdings auch bisher nicht als selbstverständlich angesehen wurde, dass auf Grund der Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess auch im UA-Verfahren das strafprozessuale Auskunftsverweigerungsrecht des Zeugen nach § 55 StPO gilt. 72 Der Gesetzgeber ist im Gegensatz zu den Untersuchungsausschussgesetzen der Länder dem Problem aus dem Weg gegangen, obwohl die Regelung einer Sonderstellung für den "Betroffenen" durchaus sinnvoll und aus rechtstaatlichen Gründen auch einleuchtend gewesen wäre. 73 Insoweit hat das PUAG keinerlei Fortschritt gebracht. Die Frage des Betroffenenstatus in Unter13. 12.2001 hat der Ausschuss gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS nochmals bestätigt, dass dem Zeugen Kohl das Schweigerecht in entsprechender Anwendung des § 136 StPO nicht zusteht. 69 Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 149. 70 BT-Drs. V /4209. 71 BT-Drs. 14/5790, S. 18; Rixen, JZ 2002, S. 435 ff., 441, nennt diese Feststellung im Bericht des Ausschusses eine"Art salvatorische Klausel". 72 So die h. M., vgl. BVerfGE 76, 363 ff., 387 (Lappas-Entscheidung); OVG Münster, NJW 1999, S. 80; KölbellMorlok, ZRP 2000, S. 217; a.M. Danckert (ZRP 2000, S. 476 ff. 479), der sich unter Verweis auf den Gemeinschuldner-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 56, 37) für eine Aussagepflicht eines Betroffenen, aber dann für ein Verwertungsverbot in einem Straf- oder Bußgeldverfahren ausspricht. Ebenso Kramer (ZRP 2001, S. 386 f.), der keine zwingende Notwendigkeit für eine Anwendung von § 55 StPO sieht. 73 Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 61.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

115

suchungsausschüssen wird immer wieder auftauchen, wie die Erfahrungen aus dem 1. UA "Parteispenden" der 14. WP mehrfach deutlich gezeigt haben, auch wenn in diesem UA in keinem Fall der Betroffenenstatus LS.d. § 18 Abs. 1 der sog. IPA-Regeln festgestellt wurde. 74 Diese Lücke ist um so gravierender, weil sich daran die Frage anschließen würde, ob ein Zeuge ein Eidesverweigerungsrecht als "Betroffener" hat. Diese Problematik hat der Gesetzgeber in der Weise gelöst, dass er auf die Vereidigung von Zeugen in einem UA generell verzichtet hat. Die parlamentarische Untersuchung richtet sich von der Grundkonzeption her in der Regel nicht gegen eine bestimmte Person. Andererseits gibt es aber parlamentarische Untersuchungen, die darauf abzielen, einer bestimmten Person ein objektives und subjektives Fehlverhalten nachzuweisen. 75 "Ein Grundproblem der analogen Anwendung der Strafprozessordnung im parlamentarischen Untersuchungsverfahren ist die Einräumung der AngeklagtensteIlung an die von der Untersuchung Betroffenen".76 Welcher Zeuge ist nun ein "betroffener" Zeuge, der dem Beschuldigten im Strafprozess gleich zu stellen ist, worin besteht der Unterschied zwischen einem Nichtverdächtigen und einem verdächtigen Zeugen? I.S.d. StPO ist derjenige nicht verdächtig, gegen den ein Tatverdacht nicht besteht. 77 Beschuldigter im Sinne der StPO ist nur der Tatverdächtige, gegen den das Verfahren als Beschuldigter betrieben wird. 78 Daraus folgt, dass jede Person die Stellung eines Beschuldigten erlangt, wenn die Staatsanwaltschaft Maßnahmen gegen sie ergreift, die erkennbar darauf abzielen, gegen diese Person wegen einer Straftat vorzugehen. 79 Dieser Grundsatz kann nicht ohne weiteres auf die Vernehmung von Zeugen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses übertragen werden, da die Vorschriften über den Strafprozess nur sinngemäß anzuwenden sind. Dies ergibt sich bereits aus den unterschiedlichen Arten von Untersuchungsausschüssen. Nicht in jedem UA geht es um persönliche Vorwürfe gegen Personen, da auch Sachthemen Gegenstand von Untersuchungsausschüssen sein können. Entscheidend für den Betroffenenstatus in einem UA ist daher, ob sich die Untersuchung gegen eine bestimmte Person richten soll, ob der Ermittlungszweck also nicht oder nicht nur sachbestimmt, sondern auch personellbestimmt ist. Der Zeuge muss als Betroffener im Mittelpunkt des Verfahrens stehen, "mit der Folge, dass er unmittelbar betroffen wird und der Gefahr ausgesetzt ist, zum bloßen Objekt des Verfahrens zu werBT-Drs. 14/9300, S. 85. Vgl. Beispiele bei Rosenberg, Gutachten 34. Deutscher Juristentag, Band I, S. 25 ff.; Partseh, Gutachten 45. DJT, Band I, S. 115 ff. 76 Gollwitzer; in: FS für Dünnebier 1982, S. 327 ff., 335. 77 KMR-Plöd, StPO, § 163 b, Rn. 17. 78 BGHSt 10, S. 8, 12; 34, 140; 37, 49; BGH, NJW 1994, 2907; OLG Frankfurt, NStZ 1988, S. 485; OLG Hamburg, JR 1955, S. 394; OLG Hamm, NJW 1974, S. 915; OLG Stuttgart, MDR 1977, S. 70; Hanack, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 136, Rn. 4; SK-Rogali, StPO, vor § 133, Rn. 16; Meyer-Goßner; StPO, Einleitung, Rn. 76. 79 KMR-Plöd, StPO, § 163 a, Rn. 30. 74 75

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G. Die Vernehmung der Zeugen

den".8o Danach sind bereits aufgrund ihrer formellen Stellung betroffene Zeugen Minister, Abgeordnete oder Richter, die als Zeugen vor dem UA zur Vorbereitung einer Minister-, Abgeordneten- oder Richteranklage vernommen werden. 8l Darüber hinaus können aber insbesondere "Skandal-Enqueten" bestimmte Personen und ihr Verhalten zum Gegenstand parlamentarischer Untersuchungen machen. Nach Betrachtung der gesetzlichen Regelungen der Betroffenenstellung in den verschiedenen Ländergesetzen, Gesetzentwürfen bzw. Empfehlungen und der Probleme, die sich aus Regelungsdefiziten ergaben, erweist sich der Verzicht einer Regelung des Betroffenenstatus im PUAG für die verdächtigen Zeugen als nachteilig. 82 Die Parteien haben sich nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt. Deshalb rühmte sich das Parlament zu Unrecht, dass die Verabschiedung des PUAG "ein wichtiger Tag des Deutschen Bundestages,,83 war. Die Probleme bleiben bestehen. Daher bringt das PUAG keinen Fortschritt, keine Rechtssicherheit für Zeugen vor Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages. Es besteht die Gefahr, dass Zeugen in einem parlamentarischen UA des Deutschen Bundestages zum Objekt des Untersuchungsverfahrens werden, weil sie zur Durchsetzung ihrer Rechte zunächst von sich aus die Aussage verweigern müssen und erst im Falle der Verhängung von Ordnungsmitteln durch den UA ihre Aussagepflicht gerichtlich klären lassen können. d) Rechtliches Gehör Lediglich in einem Punkt berücksichtigt das PUAG formal die Stellung eines Zeugen als Betroffenen. § 32 Abs. I PUAG räumt Personen, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden können, vor Abschluss des Untersuchungsberichts ein Recht auf Gewährung von rechtlichem Gehör ein. Diesen Personen ist gemäß § 32 Abs. 1 S. 1 PUAG Gelegenheit zu geben, "zu den sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Abschlussberichts innerhalb von 2 Wochen Stellung zu nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in einer Sitzung der Beweisaufnahme erörtert worden sind". In der Begründung zu § 32 PUAG84 wird ausgeführt, die Vorschrift diene dem Schutz der "Personen, die indirekt in das Untersuchungsverfahren einbezogen worden sind, ohne dass ihnen die Gelegenheit gegeben worden ist, sich vor dem UA zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen oder zu den über sie aufgestellten Behauptungen äußern zu können". Daraus folgt, dass nur nicht vernommenen Zeugen 80 Müller-Boysen, Die Rechtsstellung des Betroffenen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 72. 81 Gollwitzer; in: FS für Dünnebier, S. 336. 82 a.M. Rixen, JZ 2002, S. 435 ff., 441 und Thaysen, ZParl 1989, S. 5 ff., 24, die die Regelung eines Betroffenenstatus nicht für erforderlich halten. 83 Plenarprotokolll4/ 165, S. 16157. 84 BT-Drs.14/5790, S. 20.

1. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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rechtliches Gehör zu gewähren ist, während vernommene verdächtige Personen nach ihrer Vernehmung keinen weiteren Anspruch auf rechtliches Gehör zum Entwurf des Abschlussberichts und auf Wiedergabe des wesentlichen Inhalts der Stellungnahme in dem Bericht (§ 32 Abs. 2 PUAG) haben sollen. Diese Regelung widerspricht zwar nicht Art. 103 Abs. 1 GG, der nur die rechtsprechende Tätigkeit der Gerichte bindet und nicht unmittelbar auf parlamentarische Untersuchungsverfahren anwendbar ist. 85 Der Anspruch auf umfassendes rechtliches Gehör ergibt sich aber aus Art. I Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG. Die Würde des Menschen ist verletzt, wenn der Zeuge zum bloßen Objekt staatlichen Handeins gemacht wird. Dem Betroffenen muss aufgrund von Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG auch in einem Verfahren vor einem parlamentarischen UA der Status eines Verfahrenssubjekts zukommen. Dies gilt um so mehr, als Rechte und Möglichkeiten des Betroffenen, sich gegen Feststellungen in einem Untersuchungsbericht zur Wehr zu setzen, nicht bestehen, außer bei schwerwiegenden Grundrechtsverletzungen. 86 Denn es gibt kein Gegendarstellungsrecht des Zeugen gegen Feststellungen im Untersuchungsbericht. Daher hielt Zeh 87 es für angezeigt, ein Recht auf Gegendarstellung gegen den Bundestag in eine gesetzliche Regelung aufzunehmen. Auskunftspersonen vor Untersuchungsausschüssen befinden sich sehr häufig in einer schlechteren Position als vor Gericht, wobei zwischen zwei Gruppen von Zeugen zu unterscheiden ist. Untersuchungsausschüsse werden in vielen Fällen zur Kontrolle politischen oder administrativen Fehlverhaltens eingesetzt. Gegen einen Teil der Personen, deren Verhalten Anlass für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses war, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat, z. B. im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP wegen Steuerhinterziehung oder wegen Untreue. Diese Zeugen können sich vor einem UA leicht aus der Affäre zie8S Beckedorf, Parlament 1998, S. 42; Müller-Boysen, Die Rechtsstellung des Betroffenen vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 64 ff.; Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundes; a.M. Rüping (NVwZ 1985, S. 304 ff., 308), der Art. 103 Abs. I GG auf jedes rechtlich geregelte Verfahren anwenden will. 86 Anders z. B. die Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit/ Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, die der 12. Deutsche Bundestag beschlossen und die der 13. Deutsche Bundestag mit Beschluss vom 10. November 1994 (BT-Plenarprotokoll 13 /1, S. 14) unverändert übernommen hat. Nach Nr. 5 der Richtlinien sind die Feststellungen des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (I. Ausschuss) über ein Mitglied des Bundestages unter Angabe der wesentlichen Gründe als Bundestagsdrucksache zu veröffentlichen. In die Bundestagsdrucksache ist auf Verlangen eine Erklärung des betroffenen Mitglieds des Bundestages in angemessenem Umfang aufzunehmen. Diese darf nur bei unangemessenem Umfang gekürzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beteiligung des Abgeordneten in den Richtlinien, die weiterhin eine Berücksichtigung der vom Abgeordneten vorgelegten Unterlagen, eine persönliche Anhörung des Abgeordneten und ein Akteneinsichtsrecht des Abgeordneten vorsehen, als ausreichend und daher als verfassungsgemäß angesehen (vgl. BVerfGE 94,351 ff., 37 I-Fall "Gysi"). 87 Zeh, DÖV 1988, S. 701 ff., 706.

118

G. Die Vernehmung der Zeugen

hen, indem sie unter Hinweis auf laufende Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder ein bereits anhängiges Strafverfahren die Auskunft entsprechend § 55 StPO verweigern. Die weniger beteiligten Zeugen, das können insbesondere Mitarbeiter in den Büros der von dem UA betroffenen Politiker oder auch Privatpersonen sein, z. B. Spender zugunsten der CDU oder SPD im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP, stehen schutzlos vor dem Ausschuss. Diese Gruppe von Zeugen ist inquisitorischen Befragungen und Vorhalten aus Presseberichten durch den politischen Gegner im UA mit unter Umständen erheblicher Prangerwirkung ausgesetzt. Allein die Tatsache, dass über die Vernehmung im Zusammenhang mit dem ,,skandal" in den Medien berichtet wird, reicht aus, um für diese Gruppe von Zeugen berufliche, geschäftliche oder auch private Nachteile hervorzurufen. Das Schutzbedürfnis dieses Personenkreises ist "größer als das von Politikern oder Beamten, bei denen es stärker zum Risiko politischer Betätigung oder zur dienstlichen Obliegenheit gehört, gegebenenfalls einem UA zur Verfügung zu stehen".88 Es besteht daher keine Waffengleichheit zwischen dem Staat und dem Betroffenen. Der betroffene Zeuge ist faktisch Verfahrensobjekt, was sich gerade bei der tatsächlichen Vernehmungssituation von Zeugen in Untersuchungsausschüssen widerspiegelt. Zum Recht auf rechtliches Gehör gehört auch das Recht auf Äußerung. Allerdings befindet sich ein Zeuge, der Betroffener ist, sehr häufig in einer schwierigen Situation. Er kennt Akten beispielsweise nur teilweise, soweit er sie selbst bearbeitet hat. Andere Aktenteile, die von anderen Behörden oder Staatsanwaltschaften oder Gerichten beigezogen worden sein können, sind ihm nicht bekannt. Insoweit fehlt es an einem Anspruch des Zeugen auf Akteneinsicht, um einmal die Tragweite seiner Angaben abschätzen und um andererseits sachgerecht Stellung nehmen zu können. Das PUAG enthält keine Regelung über das Informationsrecht des Betroffenen. Als weiterer Schwachpunkt erweist sich, dass das PUAG, weil es auf die Regelung des Betroffenenstatus verzichtet hat, dem Betroffenen kein Recht auf Anwesenheit während der Beweisaufnahme, die ihn betrifft, einräumt, wobei dieses Problem nur bei nichtöffentlichen Sitzungen auftritt. § 18 Abs. 3 der sog. IPA-Regeln hatte dem Betroffenen ein Beweisantrags- und Fragerecht und das Recht auf Anwesenheit bei der Beweisaufnahme zugestanden. Diese Regelung berücksichtigte Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG. Ein Anwesenheitsrecht des Betroffenen folgt auch aus der sinngemäßen Anwendung der Strafprozessordnung. Gemäß § 168 c Abs. 2 StPO ist dem Beschuldigten bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen die Anwesenheit gestattet. Übertragen auf das Untersuchungsausschussverfahren hat der betroffene Zeuge auch ein Anwesenheitsrecht bei der nichtöffentlichen Vernehmung von Zeugen vor dem UA.

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Zeh, DÖV 1988, S. 701 ff., 706.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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Zusammenfassend ist festzustellen, dass das PUAG dadurch, dass es auf die Regelung des Betroffenenstatus eines Zeugen verzichtet hat, die Lösung schwieriger Rechtsfragen dem betroffenen Zeugen und schließlich der Rechtsprechung überlassen hat, was in der Begründung zu § 20 PUAG eingeräumt wird. 89 Insoweit bringt das Gesetz keinerlei Verbesserung für die Beweiserhebung durch die Vernehmung von Zeugen. Damit fehlt Rechtssicherheit. Es werden sich auch in Zukunft die Fälle wiederholen, dass ein Zeuge den Rechtsweg beschreiten muss, um sich gegen Ordnungsrnaßnahmen, die gegen ihn wegen der Verweigerung der Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen verhängt worden sind, zur Wehr zu setzen. So hat der 1. UA der 14. WP den Zeugen Terlinden und Weyrauch die durch die Verweigerung ihres Zeugnisses verursachten Kosten auferlegt und gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von jeweils DM 1.000,00 festgesetzt. Das Verwaltungsgericht Berlin hat mit Urteilen jeweils vom 25. 9. 2001 die Beschlüsse des 1. Untersuchungsausschusses der 14. WP aufgehoben. 9o In beiden Entscheidungen kam das Gericht jeweils zum Ergebnis, dass die Zeugen entsprechend § 55 StPO zu einer umfassenden Auskunftsverweigerung berechtigt waren, was die Ausschussmehrheit der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90 I DIE GRÜNEN anders gesehen hatte. Mit gleicher Begründung hatten bereits das Amtsgericht Berlin91 und das Landgericht Berlin92 den Antrag des Untersuchungsausschusses auf Anordnung von Beugehaft zur Erzwingung des Zeugnisses gegen Terlinden zurückgewiesen.

5. Der Ausschluss bzw. die Ablehnung wegen Befangenheit Im Rahmen der Berichterstattergespräche zu den Gesetzentwürfen zum Recht der Untersuchungsausschüsse wurde auch angesprochen, ob Unvereinbarkeitsoder Befangenheitsregelungen in das Gesetz aufgenommen werden sollen. 93 Es ging um die Frage, ob ein vom UA geladener Zeuge durch ein Ausschussmitglied anwaltlich vertreten werden kann und ob ein vom UA betroffener Abgeordneter Mitglied des Untersuchungsausschusses sein kann. 94 Knebel-Pfuhl 95 hat ein totales "Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren" erwogen.

BT-Drs. 14/5790, S. 18. VG Berlin, Az.: 2 A 42. 00 und 2 A 55.00. 9! AG Berlin-Tiergarten, Beschluss v. 10.7.2000, Az. 353 AR 141/00. 92 LG Berlin, Beschluss v. 14.9.2000, Az. Qs 58/00. 93 Das Verbot, Amtstätigkeit in eigener Sache auszuüben, hat seinen Ursprung im römischen Prozessrecht: ne quis in sua causa iudicet vel sibi ius dicat. 94 Vgl. Versteyl, in: v. Münch/Kunig, Art. 44, Rn. 44. 95 Knebel-Pfuhl, Mitwirkungsverbot wegen Befangenheit für Parlamentarier, S. 271 f. 89 90

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G. Die Vernehmung der Zeugen

Im KoKo-UA96 hatte ein Abgeordneter in der Ausschusssitzung am 14. 6. 1993 den Antrag gestellt, den Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu bitten, seine Rechtsauffassung zu der Frage mitzuteilen, ob es mit den Verhaltensregeln des Deutschen Bundestages97 , insbesondere mit § 6 (Interessen verknüpfung im Ausschuss) übereinstimme, wenn ein Abgeordneter, der einen Zeugen in einem Wiederaufnahmeverfahren vertrete, im Rahmen der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses tätig werde, und zwar mit der Zielsetzung, die dabei erlangten Beweisergebnisse im Rahmen eines Wiederaufnahmeverfahrens zu verwerten. Der Vorsitzende des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hatte nach Zuleitung der Bitte um Stellungnahme dem Vorsitzenden des 1. UA der 12. WP mitgeteilt, dass der von ihm geleitete Ausschuss in seiner Sitzung vom 1. 7. 1993 zu folgenden Feststellungen gelangt sei: ,,1. Ein Mitglied eines Untersuchungsausschusses ist gemäß § 6 der Verhaltensregeln (Anlage I GOBT) verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss ein anwaltliches Mandatsverhältnis zu einem vom Untersuchungsausschuss geladenen Zeugen bis spätestens vor Beginn der Beweisaufnahme mitzuteilen.

2. Es besteht eine Unvereinbarkeit zwischen der Mitgliedschaft in einem Untersuchungsausschuss einerseits und der anwaltlichen Vertretung einer Person, die vom Untersuchungsausschuss als Zeuge geladen wird, andererseits. Betroffene Mitglieder des Untersuchungsausschusses haben sich entweder für die Mitgliedschaft im Untersuchungsausschuss oder für die Wahrnehmung eines anwaltlichen Mandats zugunsten eines vor dem Untersuchungsausschuss geladenen Zeugen zu entscheiden.,,98

Die Aufnahme von Ausschluss- bzw. Befangenheitsregelungen in das Gesetz wurde im Hinblick auf diese Auslegungsentscheidung fallen gelassen. Insoweit sah man es als ausreichend an, entsprechende Ausführungen in der Begründung zum PUAG zu machen. Dies bedeutet, dass auf Grund der Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG und auf Grund von § 54 GOBT die Regeln über den Strafprozess bzw. der Geschäftsordnung weiterhin anwendbar sind, sofern das PUAG nicht anderes festlegt. Mit der Frage, ob die Befangenheitsregeln der StPO im Rahmen der Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung im UA-Verfahren entsprechend gelten, sah sich 96 In der 12. WP setzte der Bundestag am 6. 6. 1991 den Schalck-Golodkowski/Kommerzielle Koordinierung-UA ein, der insbesondere das finanzielle Gebaren der Abteilung "Kommerzielle Koordinierung" des ehemaligen Ministerium für Staatssicherheit ("Stasi") der DDR und ihre Verbindungen zu westdeutschen Institutionen aufklären sollte. (Einsetzung des Untersuchungsausschusses: BT-Drs. 12/629, 121654, 12/662; 1. Teilbericht BT-Drs. 12/3462,2. Teilbericht BT-Drs. 12/3920,3. Teilbericht BT-Drs. 12/4500; Abschlussbericht BT-Drs. 12/7600). 97 GOBT, Anlage 1. 98 Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses "Der Bereich Kommerzielle Koordinierung und Alexander Schalck-Golodkowski, Werkzeuge des SED-Regimes", BT-Drs. 1217600, S. 69.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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der 1. UA der 14. WP konfrontiert, als ein Zeuge nach der wiederholten Ladung des Untersuchungsausschusses die ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die Mitglieder der SPD-, ED.P.-, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS-Bundestagsfraktionen sind, wegen Befangenheit ablehnte. 99 Zur Begründung des Ablehnungsantrags ließ der Zeuge durch seinen Rechtsbeistand vortragen, dass sich die Befangenheit daraus ergebe, dass allen den Mitgliedern, die Beschlüsse gegen den Zeugen wegen seiner Aussageverweigerung vorbereitet oder zustandegebracht hätten, in zwei von einander unabhängigen Gerichtszweigen und zwei Instanzen evidente Rechtswidrigkeit bescheinigt worden sei, dass Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die zur SPD-Bundestagsfraktion gehören, den Zeugen in öffentlichen Äußerungen diskriminiert und verurteilt hätten, dass Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Zeugen in den Sitzungen vom 23. 3. 2000 und 6. 4. 2000 massiv zu einer Aussage gedrängt hätten und dass der Ausschussvorsitzende schwere Verfahrensfehler bei seiner Verhandlungsführung begangen habe. Der 1. UA der 14. WP hat diesen Antrag zunächst nicht behandelt, später als unzulässig abgelehnt. Es stellt sich die Frage, ob diese Entscheidung einer rechtlichen Überprüfung standhält. Der Gesetzgeber ist eine Antwort auf diese Frage schuldig geblieben. Er überlässt die Lösung dieses Problems den Gerichten. Letztlich wird dem Zeugen das Risiko überbürdet, im Falle der Ablehnung von Ausschussmitgliedern trotz Ladung nicht vor dem UA zu erscheinen, um dann durch Einlegung von Rechtsmitteln gegen Ordnungsrnaßnahmen des Untersuchungsausschusses wegen unberechtigten Ausbleibens die Streitfrage klären zu lassen, ob ein Zeuge berechtigt ist, Ausschussmitglieder wegen Befangenheit abzulehnen. Da das PUAG keine Lösung dieses Problems anbietet, ist an den Ausgangspunkt, nämlich an die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 GG zurückzukehren. Mit der h.M. ist davon auszugehen, dass die strafprozessualen Vorschriften Anwendung finden, soweit sie der Aufgabe, dem Zweck und der Struktur des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens entsprechen. 100 Dies hat zur Folge, dass der UA gegenüber dem Bürger zu Eingriffen in Grundrechte berechtigt ist, soweit es die Pflicht des Zeugen zum Erscheinen vor dem VA betrifft. Andererseits ist aber auch die Funktion und die Stellung der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zu berücksichtigen. Ein UA unterscheidet sich in seiner Besetzung und seiner Funktion grundlegend von einem Strafgericht. Der UA ist mit parteipolitisch orientierten Parlamentariern besetzt. Er ist nicht richterlich unabhängig. Die Mitglieder können von ihrer Fraktion abberufen werden. Zudem hat der UA als Hilfsorgan des Parlaments die Aufgabe, ausschließlich Fakten zu sammeln, politisch zu bewerten und entsprechende Beschlüsse des Parlaments vorzubereiten. Maßgebend 99 Stenographisches Protokoll der 121. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 16. 5. 2002, Nr. 121, S. 37 nebst Pressemitteilung des Rechtsanwalts Plöger v. 16.5.2002 als Anlage. 100 Friedrich, Der parlamentarische Untersuchungsausschuss - Entwicklung, Stellung und Kompetenzen, S. 146.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

bei der Auslegung der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess ist der Enquetezweck, nämlich allein die Tatsachenermittlung und Bewertung. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind die Vorschriften der StPO über die Ablehnung wegen Befangenheit im UA-Verfahren nicht anwendbar, da klar ist, dass der Zeuge nicht einer unabhängigen, neutralen Richterbank, sondern parteipolitisch ausgerichteten Abgeordneten gegenübertritt. 101 "Gemessen an strafprozessualen Maßstäben, sind Mitglieder eines Untersuchungsausschusses durchgehend befangen, die einen, weil sie vorab darauf ausgehen, politische Konkurrenten bloßzustellen, die anderen, weil sie versuchen, sich vor unangenehmen Enthüllungen zu schützen,,102. Es fragt sich dann, ob nicht die Vorschrift des § 21 VwVfG im UA-Verfahren anwendbar ist. Nach § 21 VwVfG hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsführung zu rechtfertigen, oder wenn von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet wird. 103 Auf das Untersuchungsverfahren sind aber auch die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht unmittelbar anwendbar. 104 Nach § 1 VwVfG gilt dieses Gesetz für die öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Behörden 1. des Bundes, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,

2. der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände, der sonstigen der Aufsicht des Landes unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie Bundesrecht im Auftrag des Bundes ausführen. Behörde i.S.d. Verwaltungsverfahrensgesetzes ist nach § 1 Abs. 4 VwVfG jede Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Das VwVfG deckt aber nicht den gesamten Bereich staatlicher Exekutive ab. Denn § 2 VwVfG enthält zahlreiche Ausnahmen vom Anwendungsbereich des § 1 VwVfG. Die Ausnahmen beruhen auf der Besonderheit einzelner Verfahren, z. B. das Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und den bei diesem eingerichteten Schiedsstellen, da das Verfahren vor dem Patentamt justizförmig und nicht verwaltungsförmig ausgestaltet ist. 105 Es stellt sich dann die Frage, ob sich der Rechtsgedanke auf das Parlament übertragen lässt. 106 "Der UA ist weder eine Behörde i.S.d. § 1 Abs. 4 VwVfG noch 101 102 103 104 105 106

So auch Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 58. Isensee, in : FS für Schiedermair, S. 181 ff., 203. V gl. Dörr; Faires Verfahren, 1984, S. 51 f., 96 ff. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Art. 44, Rn. 14, Fn. 52 m. w. N. Vgl. BT-Drs. 7/910, S. 33. Bedenken dagegen äußert Isensee in FS für Hartmut Schiedermair, S. 181 ff., 184.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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sind seine Maßnahmen bei der Beweiserhebung Verwaltungsakte i.S.d. § 35 VwVfG.,,107 Untersuchungsausschüsse des Bundestages üben nicht Verwaltungstätigkeit, sondern im Rahmen der Beweiserhebung Verfassungstätigkeit aus. Der UA ist bei aller verfahrensrechtlichen Selbständigkeit weder organisationsrechtlich noch praktisch-politisch vom Parlament zu trennen. Maßnahmen von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen als Hilfsorganen des Parlaments sind in der Regel verfassungsrechtlicher Natur. Das Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen ist "eigenen Regeln unterworfen, die dem Verfahren im politischen Raum Rechnung tragen" und das Verwaltungsverfahrensgesetz generell verdrängen. 108 Daher ist in Analogie zu § 2 Abs. 2 Ziff. 3 VwVfG auch das UA-Verfahren von der Geltung des Verwaltungsverfahrensgesetzes auszunehmen. "Die Abgeordneten sind von Amts wegen nicht zu Neutralität verpflichtet. Sie stehen im Kampf um die Mehrheitsmacht und formieren sich nach der Zugehörigkeit zu politischen Parteien.'do9 Dann ist aber weiter zu fragen, ob nicht die Verleihung hoheitlicher Mittel von der Zeugenladung bis hin zur zwangsweisen Beschaffung von Beweismitteln es gebietet, die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in ihrem Verhalten gegenüber Beweispersonen, insbesondere solchen mit Betroffenenstatus, dem in § 24 StPO, § 21 VwVfG sowie allgemein im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip des Grundgesetzes ("fair-trial-Gebot") verankerten Objektivitäts- und Unbefangenheitsprinzip zu unterwerfen. Zwar ist, wie bereits ausgeführt, § 21 VwVfG auf parlamentarische Untersuchungsausschüsse nicht unmittelbar anwendbar. Auch das "fair-trial-Gebot", das beinhaltet, dass ein Amtswalter dann in einem Verfahren nicht tätig werden darf, wenn nicht gewährleistet ist, dass er objektiv (allein am Gesetz und Recht orientiert) und insbesondere fair handelt 110 , kann auf Untersuchungsausschüsse nicht unmittelbar übertragen werden, da es im UA primär um die politische Kontroverse und nicht um Rechtsanwendung geht. Die Befragung von Zeugen im UA entspricht oft nicht den Geboten der Fairness. Persönliche Erklärungen von Mitglieder des Untersuchungsausschusses gegenüber der Presse enthalten gelegentlich herabsetzende Äußerungen über Zeugen sowie Vorverurteilungen. "So manches Mitglied eines Untersuchungsausschusses gefallt sich in der Rolle eines Groß- oder Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 81. Stelkens / Schmitt, in: Stelkens / Bonk / Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § I Rn. 156; vgl. auch Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 81; a.M. Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz, § I, Rn. 56, § 35, Rn. 29. 109 Isensee, in: FS für Schiedermair, S. 181 ff., 186. 110 Bonk/ Schmitz, in: Stelkens / Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 20 Rn. 1; Haueisen, DVBI. 1950, S. 776 f.; von Turegg, NJW 1955, S. 81; Wimmer, MDR 1962, S. 11; Dagtoglou, Befangenheit und Funktionshäufung in der Verwaltung, in: Festgabe für Ernst Forsthoff zum 65. Geburtstag, 1967, S. 65, 72, 74, 101; Kirchhof, Die Bedeutung der Unbefangenheit für die Verwaltungsentscheidung, VerwArch. 1975, S. 370 ff., 376; vgl. auch BVerGE 12,273,276; 16, 152,153; 29, 70, 71; 43, 43 f. \07

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G. Die Vernehmung der Zeugen

Kleininquisitors, wie sie im echten Strafprozess kein Staatsanwalt und kein Richter wahrnehmen darf" 11. Dies muss hingenommen werden, da auch entsprechende Wertungen im Abschlussbericht gemäß Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG nicht justitiabel sind. Um einen Zeugen aber nicht zum Verfahrensobjekt zu machen, wäre dennoch eine Aufnahme von Ausschluss- und Befangenheitsregeln in das PUAG für Fälle evidenter Rechtsverstöße im Rahmen der Beweiserhebungen durchaus angebracht gewesen, um im Falle der Ablehnung eines Befangenheitsantrags durch den UA eine gerichtliche Überprüfung der Besetzung des Untersuchungsausschusses zu gewährleisten. Das Besetzungsrecht im UA könnte dabei beim Parlament verbleiben, da es ausreichend wäre, wenn das Gericht lediglich die Pflicht einer Fraktion zur Abberufung des "befangenen" Abgeordneten aus dem UA auszusprechen hätte.

6. Der Gang der Vernehmung Die Zeugenvernehmung ist in § 24 PUAG in Anlehnung an die StPO geregelt worden. Insoweit wird wiederum deutlich, dass das PUAG lediglich eine Gesetzesinterpretation darstellt, die auf der Verweisung des Art. 44 Abs. 2 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess beruht. a) Die Einzelvemehmung § 21 Abs. 1 PUAG übernimmt den Gesetzestext des § 58 Abs. 1 StPO. "Zeugen sind einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen zu vernehmen". Die Einzelvernehmung ist die Regel. Sie soll gewährleisten, dass sich der UA auf den jeweils zu befragenden Zeugen konzentrieren kann. Eine gleichzeitige Vernehmung von mehreren Zeugen würde möglicherweise zu Diskussionen zwischen den Zeugen und zwischen den vernehmenden Personen führen. Dadurch bestünde die Gefahr, dass eine Zuordnung der jeweiligen Aussage zu der jeweiligen Verhörsperson erschwert würde. Die Fertigung der Protokolle durch die Stenographen würde außerdem schwieriger.

Gemäß § 24 Abs. 2 PUAG ist eine Gegenüberstellung mit anderen Zeugen zulässig, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist. Das PUAG sagt in § 24 Abs. 2 nichts darüber aus, ob eine Gegenüberstellung bereits von Anfang an zulässig ist, also beide Verhörspersonen im UA von Beginn der Vernehmung an anwesend sein müssten oder ob eine Gegenüberstellung erst zulässig ist, wenn jeder Zeuge vorher einzeln vernommen worden ist. Eine Gegenüberstellung von Zeugen verfolgt das Ziel, Widersprüche zwischen einer Zeugenaussage und den Angaben eines anderen Zeugen durch Rede und Gegenrede, Fragen und Vorhalte zu klären. 112 Daraus folgt, dass jeder Zeuge zunächst einzeln anzuhören ist und erst an111 112

lsensee. in: FS für Schiedermair, S. 181 ff., 203. Kammergericht Berlin, NJW 1979, S. 1668; Meyer-Goßner; StPO, § 58, Rn. 10.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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schließend die Gegenüberstellung erfolgen kann, da erst nach der EinzeIvernehmung Widersprüche in den Zeugenaussagen feststehen können. Auf Widersprüche in Presseberichten zu den Angaben der Zeugen kann es nicht ankommen. Die Vernehmungsgegenüberstellung ist eine besondere Art der Vernehmung der bei den gegenübergestellten Personen, bei der auch eine gegenseitige Befragung zulässig ist. 1l3 Eine Gegenüberstellung zum Zwecke der Identifizierung in Form einer Wahlgegenüberstellung, wie sie im Strafprozess zur Überführung eines Täters häufig vorkommt, scheidet im Untersuchungsausschussverfahren aus. Eine Gegenüberstellung von Zeugen in einem UA ist kein Kreuzverhör i.S.v. § 239 StPO, bei dem Zeugen oder Sachverständige gleichzeitig von Staatsanwaltschaft und Verteidigung befragt werden. Ist das Kreuzverhör bereits in der Hauptverhandlung des deutschen Strafprozesses ein Fremdkörper, so kann diese Art der Befragung von Anhörpersonen im UA nicht erfolgen, da es dort weder einen Staatsanwalt als Ankläger noch einen Verteidiger eines Angeklagten gibt. § 24 Abs. 2 PUAG lässt die Gegenüberstellung mit einem anderen Zeugen zu, wenn es für den Untersuchungszweck geboten ist. Insoweit handelt es sich um eine sehr weit gefasste Zulässigkeitsvoraussetzung. Mit dem Argument, dass die widersprüchlichen Angaben von Zeugen eine Gegenüberstellung erforderlich machen, kann diese stets begründet werden. Man darf nicht aus dem Auge verlieren, dass Untersuchungsausschüsse Bühnen der politischen Auseinandersetzung sind und eine Gegenüberstellung ein medienwirksames Szenario bietet. Die Gefahr, dass Gegenüberstellungen nicht aus sachlichen, sondern aus medialen Gründen zur Diffamierung des politischen Gegners inszeniert werden, ist groß. Auf Widersprüche von Zeugenaussagen kann von den Obleuten der im UA vertretenen Fraktionen in Presseerklärungen hingewiesen werden, um Schlagzeilen in den Printmedien zu produzieren. Dies wurde z. B. besonders deutlich, als im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP der frühere Parteivorsitzende der CDU und die frühere Schatzmeisterin der CDU in Form einer Gegenüberstellung vor dem UA am 28. und 29. 8.2000 vernommen wurden, um den Zeitpunkt und die Modalitäten der Übergabe einer Spende in Höhe von DM 100.000,00 durch den Lobbyisten Schreiber zu klären. 114 Hier ging es bei der Gegenüberstellung weniger um die Wahrheitsfindung und die Aufklärung des Sachverhalts, da der Zeitpunkt und der Ort der Übergabe im Rahmen des Untersuchungsauftrags ohne Bedeutung waren. 115 Die Gegenüberstellung sollte offenbar der Schädigung und Bloßstellung des früheren Parteivorsitzenden der CDU dienen. Eine Änderung der bereits gemachten Aussagen, die hinsichtlich dieses Zeugen bis zu diesem Zeitpunkt ständig konstant gewesen waren, stand nicht zu erwarten. In gleicher Weise und mit dem gleichen Ziel beantragten die Mitglieder der CDU / CSU-Fraktion im I. UA "Parteispenden" die GegenüberstelDahs, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 58, Rn. 11. Stenographisches Protokoll der 35. und 36. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 28. und 29. 8. 2000, Nr. 35 u. 36. 115 Vgl. Abschlussbericht des 1. VA der 14. Wp, BT-Drs. 14/9300, S. 447 ff. 113

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G. Die Vernehmung der Zeugen

lung des Generalsekretärs der SPD und der Schatzmeisterin der SPD zur Frage, ab wann die Bundes-SPD Kenntnis von der durch einen Wirtschaftsprüfer entschlüsselten Spenderliste des Kölner SPD-Schatzmeisters hatte. Die FAZ l16 berichtete zu der oben erwähnten Gegenüberstellung mit der Überschrift "Eine Zeugen vernehmung, die mehr und mehr die Züge eines Scheidungsdramas annimmt": "Es sind Fragen, die belegen, dass dieser I. Bundestags-Untersuchungsausschuss der 14. Wahlperiode, so wie viele seiner Vorgänger auch, weniger von der Suche nach der Wahrheit motiviert ist als auch davon, die Lüge zu finden". Augstein ll7 schrieb unter der Überschrift "Die 100 OOO-Mark-Show, der Ausschuss lacht und verspielt die Aufklärung": "Längst behaupten die Gegner des Ausschusses, er diene nur dazu, die CDU mies zu machen. Auch deshalb ist es höchste Zeit, dass es mit der gefälligen Selbstdarstellung ein Ende hat". In Abwesenheit der später anzuhörenden Zeugen ist der Zeuge zu vernehmen. Dadurch soll erreicht werden, dass der Zeuge seine Aussage ohne Kenntnis dessen machen kann, was andere Beweispersonen bekunden. Ziel des § 24 Abs. 1 PUAG ist es, die Unbefangenheit des Zeugen und die Selbständigkeit der Darstellung zu erhaltenYs Dies war die Vorstellung des Gesetzgebers, die sich in dieser Form zwar im Strafprozess verwirklichen lässt, nicht aber in einem UA. Dies ergibt sich daraus, dass Untersuchungsausschüsse in der Regel ein starkes Medieninteresse hervorrufen und dass Journalisten bereits vor der Vernehmung eines Zeugen mit diesem Kontakt aufzunehmen versuchen, um ihn zu befragen. Spätestens nach der Vernehmung eines Zeugen in einem UA ist am nächsten Tage in Zeitungsberichten zu lesen, was der Zeuge vor dem UA erklärt hat. Der interessierte Zeuge, der zu einem Untersuchungskomplex vernommen werden soll, kennt in der Regel die vorher vernommenen Zeugen und kann sich über diese Zeitungsberichte informieren, was andere Zeugen bereits ausgesagt haben. Insoweit ist die Regelung in § 24 Abs. 1 PUAG eine Wunschvorstellung des Gesetzgebers, die sich aber in der Praxis nicht verwirklichen läßt, wenn Zeugen in einem UA in öffentlicher Sitzung vernommen werden, da die Zeitungsjournalisten bereits während der Vernehmung mit ihrem Laptop die Zeugenangaben wörtlich erfassen können. Da hilft auch das Handy-Verbot, d. h. die Aufforderung des Ausschussvorsitzenden am Beginn der Sitzung, die Handys abzuschalten, wenig. Das PUAG enthält keine Regelung, wie die Abwesenheit eines Zeugen bis zu seiner Vernehmung durchgesetzt werden kann. Insoweit verbleibt es bei der Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess. Die Abwesenheit eines Zeugen kann notfalls dadurch erzwungen werden, dass der Ausschussvorsitzende den Zeugen mit Gewalt aus dem Saal entfernen lässt. Gemäß § 176 GVG obliegt dem Vorsitzenden die Aufrechterhaltung der Ordnung in der FAZ v. 30. 8. 2000, S. 3. FAZ v. 30. 8. 2000, S. 49; vgl. auch die Welt v. 30. 8. 2000, S. 1 "Schlammschlacht zwischen Schäuble und Baumeister, Tränen im Untersuchungsausschuss". 118 BGHSt 3,386,388; BGH, MDR 1955, S. 396; Meyer-Goßner; StPO, § 58, Rn. 2. 116 117

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

127

Sitzung. Der Ausschussvorsitzende ist gemäß § 177 S. 1 GVG berechtigt, Zeugen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, aus dem Sitzungssaal entfernen zu lassen. Er kann auch Zuhörer, deren Vernehmung beantragt wird, aus den Sitzungssaal weisen; eine zwangsweise Entfernung verstößt nicht gegen § 169 GVG. 119 Andererseits macht die Anwesenheit vor der Vernehmung den Zeugen nicht zu einem ungeeigneten Beweismittel. 120

b) Die Belehrung durch den Vorsitzenden

Im 1. UA der 14. WP hat der Ausschussvorsitzende die Zeugen nach der Begrüßung darauf hingewiesen, dass zu Protokollzwecken ein Tonband mitläuft, der Zeuge das Protokoll zusammen mit seinem Rechtsbeistand lesen und prüfen kann, ob Korrekturen oder Ergänzungen erforderlich sind, und die Vernehmung erst nach Ablauf von 14 Tagen abgeschlossen wird, wenn der Zeuge das Protokoll erhalten hat. Weiterhin wurden die Zeugen über ihre Wahrheitspflicht, die Möglichkeit der Beeidigung und über die strafrechtlichen Folgen bei einem Verstoß gegen die Wahrheitspflicht belehrt. § 24 Abs. 3 PUAG schreibt vor, dass vor der Vernehmung der oder die Ausschussvorsitzende die Zeugen zur Wahrheit zu ermahnen, ihnen den Gegenstand der Vernehmung zu erläutern und sie über die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage zu belehren hat. Diese Belehrung entspricht der Bestimmung des § 57 S. 1, 2 StPO, wobei im Unterschied zu § 57 S. 1 StPO bei der Zeugenbe1ehrung in einem UA, für den das PUAG nunmehr Gültigkeit hat, kein Hinweis auf die Möglichkeit einer Beeidigung des Zeugen erfolgt. Gemäß Art. 3 des Untersuchungsausschussgesetzes vom 19.6.2001 ist dieses Gesetz am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten. Auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens bereits eingesetzte Untersuchungsausschüsse findet das Gesetz allerdings, wie erwähnt, keine Anwendung. 121

Die Zeugenbelehrung ist mündlich und vor der Vernehmung zu erteilen, auch wenn sie schon in der Ladungsschrift enthalten ist. 122 Es ist zulässig, mehrere an einem Tag vorgeladene Zeugen gleichzeitig zu belehren. In der Regel erfolgt aber die Belehrung von Zeugen vor Untersuchungsausschüssen einzeln, da die Zeugen meist zu umfangreichen Komplexen aussagen und daher zeitlich gestaffelt vor den UA vorgeladen werden.

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120 121 122

BGHSt 3, 386. Meyer-Goßner; StPO, § 58, Rn. 5. Vgl. WieJelspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 18. Vgl. Dahs, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 54, Rn. 1.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

c) Die Befreiung von der Schweigepflicht und die Aussagegenehmigung 123

Zeugen, die in der Privatwirtschaft beschäftigt sind, Angestellte von Parteien sowie Parlamentsmitglieder bedürfen keiner Entbindung von der Schweigepflicht bzw. einer Aussagegenehmigung. Dagegen benötigen Richter, Beamte und andere Personen des öffentlichen Dienstes vor der Aussage vor dem UA einer Aussagegenehmigung. Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte können aufgrund bestehender Mandatsverhältnisse nur dann als Zeugen aussagen, wenn sie von ihrer Verpflichtung zur Verschwiegenheit i.S.d. § 53 StPO entbunden worden sind (§ 53 Abs. 2 StPO, § 22 Abs. 1 PUAG). Gemäß § 23 Abs. 1 PUAG ist § 54 StPO anzuwenden. Der genannte Personenkreis ist grundsätzlich zur Verschwiegenheit über die ihm bei seiner Tätigkeit bekannt gewordenen Angelegenheiten verpflichtet. Er darf ohne Aussagegenehmigung bzw. Entbindung von der Schweigepflicht über solche Angelegenheiten keine Angaben vor dem UA machen. Aussagepflicht, ja Aussagebefugnis entfallen, soweit die Verschwiegenheitsverpflichtung reicht. Erst mit Vorliegen der Aussagegenehmigung bzw. der Entbindung von der Schweigepflicht gilt die allgemeine Zeugenpflicht. Die Vorschrift schützt bei Beamten, Richter und sonstigen Angehörigen des öffentlichen Dienstes nur öffentliche Geheimhaltungsinteressen, nicht aber amtlich bekannt gewordene Privatgeheimnisse. 124 Angaben und Erklärungen, die unter Geheimhaltungsgrade fallen, können nur in einer entsprechend eingestuften Sitzung abgefragt werden. Angaben über interne Willensbildung bestimmter Gremien werden regelmäßig von der Aussagegenehmigung ausgeklammert. Für die Mitglieder des Bundestages, eines Landtages, der Bundes- oder einer Landesregierung sowie für die Angestellten einer Fraktion des Deutschen Bundestages und eines Landtages gelten hinsichtlich eventuell erforderlicher Aussagegenehmigungen nach § 54 Abs. 2 StPO die für sie maßgeblichen Vorschriften. Für den Bundespräsidenten gilt das besondere Zeugnisverweigerungsrecht nach § 54 Abs. 3 StPO. Er entscheidet selbst, ob er aussagen will. Entsprechendes gilt für den Bundesratspräsidenten, wenn er nach Art. 57 GG die Befugnisse des Bundespräsidenten wahrgenommen hat und hierüber aussagen soll. 125 Soweit für benötigte Zeugenaussagen eine Aussagegenehmigung der Bundesregierung erforderlich ist, ergibt sich aus § 23 Abs. 2 PUAG eine grundsätzliche Pflicht der Bundesregierung zur Erteilung der Aussagegenehmigung. Hinsichtlich der Einschränkung dieser Pflicht wegen des Eingriffs in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, hinsichtlich des Geheimschutzes und hinsichtlich des weiteren Verfahrens bei der Versagung der Aussagegenehmigung gelten die Regelungen über die Vorlage von Beweismitteln (§ 18 PUAG) entsprechend. 126 123 124 125

126

Vgl. Abschlussbericht des I. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 86 f. Meyer-Goßner, StPO, § 54, Rn. I. Meyer-Goßner, StPO, § 54, Rn. 31; Dahs. in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 54, Rn. 30. BT-Drs. 14/5790, S. 18.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

129

d) Der Bericht des Zeugen im Zusammenhang

In § 24 Abs. 4 PUAG sind die Regelungen aus den §§ 68 und 69 StPO zusammengefasst. Gemäß § 24 Abs. 4 S. 1 PUAG vernimmt der oder die Vorsitzende die Zeugen zur Person, ohne dass detailliert bestimmt wird, welche Angaben der Zeuge bei der Feststellung der Personalien machen muss. Nach § 68 Abs. 1 S. 1 StPO ist der Zeuge verpflichtet, Angaben über Vornamen und Zunamen, Alter, Stand oder Gewerbe und Wohnort zu machen. Zeugen, die Wahrnehmungen in amtlicher Eigenschaft gemacht haben, können gemäß § 68 Abs. 1 S. 2 StPO statt des Wohnorts den Dienstort angeben. In § 68 Abs. 2, 3 StPO sind Einzelfälle benannt, in denen aus Gründen des Selbstschutzes bei Gefahrdung des Zeugen Ausnahmen von Wohnortangaben zulässig sind. Aufgrund der Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess ist § 68 StPO im Untersuchungsausschussverfahren entsprechend anwendbar. In der Regel begnügt sich der Aufsichtsvorsitzende damit, dass ein Zeuge hinsichtlich der Wohnortangabe lediglich den Ort, nicht aber Straße und Hausnummer bekannt gibt, während zur Wohnortangabe bei der Zeugenvernehmung im Strafprozess die genaue postalische Anschrift erforderlich ist und nicht die bloße Ortsangabe ausreicht. 127 § 69 StPO regelt die Vernehmung zur Sache. Gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 StPO ist der Zeuge zu veranlassen, das, was ihm vom Gegenstand seiner Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Diese Formulierung wurde in § 24 Abs. 3 S. 2 PUAG mit der Abschwächung übernommen, dass dem Zeugen Gelegenheit zu geben ist, im Zusammenhang zum Gegenstand der Vernehmung zu berichten.

Der Zeuge hat einen Anspruch darauf, seine Aussage unbeeinflusst von Fragen und Vorhalten im Zusammenhang zu machen. 128 Denn es muss erkennbar sein, was der Zeuge aus lebendiger Erinnerung weiß und was er erst nach Nachhilfe durch den Ausschuss bekundet. Dies schließt aber nicht aus, dass der Zeuge durch Vorhalte und lenkende Hinweise in seinem Bericht unterbrochen wird. § 24 Abs. 4 PUAG verdeutlicht, dass der Bericht des Zeugen bereits zur Vernehmung gehört. e) Die Befragung des Zeugen

Im 1. UA der 14. WP hat man sich auf Vorschlag des Ausschussvorsitzenden in seiner 2. Sitzung am 16. 12. 1999 hinsichtlich der Ausübung des Fragerechts verständigt (Beschluss 7 zum Verfahren I29 ). Die getroffene Regelung lautete: 127 BGH NJW 1990, S. 1125; OLG Stuttgart, Justiz 1991, S. 333; Meyer-Goßner; StPO, § 68, Rn. 8; Leineweber; MDR 1990, S. 109; Schlund, NJW 1972, S. 1035; a.M. OLG Celle, NJW 1988, S. 2751; AKIStPOLemke, StPO, § 68 Rn. 8; Senge, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 68, Rn. 5; Greiner, Kriminalistik 1979, S. 522; RebmannlSchnarr; NJW 1989,

S. 1188. 128 BVerfGE 38,105,117; RG 74,35. 129 Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 43. 9 Plöd

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G. Die Vernehmung der Zeugen

,,1. Das Fragerecht bei der Beweiserhebung wird grundsätzlich nach § 17 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der IPA-Regeln gemäß den nachfolgenden Konkretisierungen ausgeübt.

2. Die Beweisaufnahme wird in drei Abschnitte aufgeteilt. Zunächst steht das Fragerecht dem Vorsitzenden zu. Im zweiten Abschnitt wird das Fragerecht abwechselnd von den Fraktionen durch die von ihnen gestellten Berichterstatter ausgeübt. Leitet der Vorsitzende die Sitzung, so steht nach ihm der CDU / CSU-Fraktion, leitet der Stellvertreter des Vorsitzenden die Sitzung, so steht nach ihm der SPD-Fraktion das erste Fragerecht zu. Die Berichterstatter können das ihnen zustehende Fragerecht an ein ordentliches Mitglied oder auch an ein stellvertretendes Ausschussmitglied ihrer Fraktion weitergeben. 3. Die Gesamtzeit für den zweiten Abschnitt wird auf zwei Stunden begrenzt und unter den Fraktionen nach den für die Plenarsitzungen geltenden Regeln aufgeteilt. Sollen in einer Sitzung mehrere Zeugen getrennt vernommen oder Sachverständige unabhängig voneinander angehört werden, so kann durch Absprache der Berichterstatter die Gesamtzeit für den zweiten Abschnitt nach Bedarf abweichend festgelegt werden. 4. Für den dritten Abschnitt gilt § 28 GOBT sinngemäß. 5. Ein stellvertretendes Ausschussmitglied darf trotz der Anwesenheit der ordentlichen Ausschussmitglieder derselben Fraktion das Fragerecht ausüben, wenn das ordentliche Ausschussmitglied sich bei Fragen zu demselben Komplex zurückhält. 6. Von dieser Regelung des Fragerechts kann in allseitigem Einverständnis jederzeit auch stillschweigend abgewichen werden. 7. Bei informatorischen Anhörungen wird entsprechend der vorstehenden Regelung für Beweiserhebungen verfahren."

Dieser Verfahrensbeschluss zeigt, dass sich der 1. UA der 14. WP eine detaillierte Regelung für die Ausübung des Fragerechts bei der Einvernahme von Zeugen gegeben hatte. Für die folgenden Untersuchungsausschüsse regelt § 24 Abs. 5 PUAG das Nähere hinsichtlich der Vernehmung des Zeugen zur Sache.

aa) Die Reihenfolge der Befragung durch Ausschussmitglieder Nach dem Bericht des Zeugen kann zunächst der oder die Ausschussvorsitzende zur Aufklärung und zur Vervollständigung der Aussage sowie zur Erforschung des Grundes, auf dem das Wissen des Zeugen beruht, dem Zeugen ohne zeitliche Begrenzung weitere Fragen stellen (§ 24 Abs. 5 S. 1 PUAG). Anschließend erhalten die Mitglieder des Ausschusses die Gelegenheit, Fragen zu stellen. § 24 Abs. 5 S. 3 PUAG verweist für die Festlegung der Reihenfolge und der Dauer der Ausübung des Fragerechts der einzelnen Fraktionen auf die Vorschriften der GOBT (§§ 28, 35 GOBT) und die Praxis des Bundestages zur Reihenfolge von Reden und zur Ausgestaltung von Aussprachen, sofern der Ausschuss nicht einstimmig Abweichendes beschließt. Einen Anhaltspunkt für eine den Größenverhältnissen Rechnung tragende Verteilung der zur Verfügung stehenden Zeit auf die einzelnen Frak-

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

131

tionen bietet insoweit die seit der 10. WP praktizierte sog. Bonner Stunde 130 als Vereinbarung gemäß § 35 GOBT. Der Verweis auf die Geschäftsordnung des Bundestages und die Praxis ist aber nicht im Sinne einer notwendigen Zeitbegrenzung zu verstehen. l3l Dies könnte nämlich den Verfahrensgegebenheiten eines Untersuchungsverfahrens und dem Minderheitenrecht zuwiderlaufen. Bei der Bewertung von § 24 Abs. 5 PUAG ist zu sehen, dass durch diese Regelung die Dauer der Ausübung des Fragerechts nicht bestimmt wird. Denn auch im Plenum des Bundestages wird die Dauer der Debatte im Streitfall von der Mehrheit festgelegt. bb) Verbotene Vernehmungsmethoden § 24 Abs. 6 PUAG bestimmt hinsichtlich der Vernehmung der Zeugen, dass § 136 a StPO entsprechend anzuwenden ist. § 136 a StPO regelt, dass die Freiheit

der Willensentschließung und der Willensbetätigung des Beschuldigten nicht beeinträchtigt werden darf durch Misshandlung, Ermüdung, körperliche Eingriffe, Verabreichung von Mitteln, Quälerei, Täuschung und Hypnose. § 69 Abs. 3 StPO stellt für das Ermittlungs- und Strafverfahren klar, dass die Vorschrift des § 136 a StPO für die Vernehmung von Zeugen entsprechend gilt. Insoweit wiederholt § 24 Abs. 6 PUAG die Bestimmung des § 69 Abs. 3 StPO. § 136 a StPO ist eine Ausprägung des Art. 1 GG. Der Vorschrift ist der allgemeine Grundsatz zu entnehmen, dass die Wahrheit im Strafverfahren, ebenso im Untersuchungsausschussverfahren, nicht um jeden Preis, sondern nur auf "justizförmige" Weise, d. h. in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren erforscht werden darf. 132 Unzulässig ist auch die Drohung mit einer nach dem Strafverfahrensrecht unzulässigen Maßnahme und das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils (§ 136 a Abs. 1 S. 3 StPO). Die Drohung mit einer verfahrensrechtlich unzulässigen Maßnahme besteht in der Ankündigung einer Maßnahme, auf deren Anordnung der Vernehmende Einfluss zu haben behauptet. Keine Drohung in diesem Sinne sind Warnungen, Belehrungen oder Hinweise. Verboten sind auch nicht Vorhalte. Umgekehrt darf mit zulässigen Maßnahmen gedroht werden, wenn der Vernehmende zugleich zum Ausdruck bringt, dass er seine Entscheidung nur von sachlichen Notwendigkeiten abhängig macht. Das Versprechen eines gesetzlich nicht vorgesehenen Vorteils dürfte im Untersuchungsausschussverfahren keine Rolle spielen, da der UA nicht die Kompetenz hat, solche Entscheidungen, z. B. das Absehen von einer Anzeige oder die Einstellung des Verfahrens, zu treffen. 130 Die "Bonner Stunde" wird für jede Wahlperiode vom Ältestenrat festgelegt. Sie hatte in der 14. WP 68 Minuten. 131 BT-Drs. 14/5780, S. 19. 132 BVerfG, NJW 1984, S. 428; BGHSt 14, 358, 365; 31, 304, 309; OLG Köln, NJW 1979, S. 1216, 1217; Meyer-Goßner, StPO, § 136 a, Rn. 1.

9*

132

G. Die Vernehmung der Zeugen

Das OLG Köln hat eine Verletzung von § 136 a StPO für möglich angesehen, wenn ein Zeuge im UA ständig angeschrieen und in sonstiger Weise unter Druck gesetzt wurde, wenn der Zeuge übermüdet und erschlafft war, ihm keine Akten vorlagen, ihm Ordnungs geld und Ordnungshaft angedroht wurde und die Mitglieder des Untersuchungsausschusses den Sitzungssaal ständig betraten und verließen. 133 Daraus folgt, dass eine Strafbarkeit wegen falscher uneidlicher Aussage vor einem parlamentarischen UA entfallen kann, "wenn wegen gröbster Verfahrensverstöße bei der Vernehmung eines Zeugen nicht mehr von einer freien Mitteilung eigenen Wissens, wie sie zum Wesen der Aussage im Sinn des § 153 StGB gehört, gesprochen werden kann", d. h., "wenn verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136 a StPO in solcher Ausprägung angewendet worden sind, dass die "Aussage" im Ergebnis als widerwillig oder willenslose Hinnahme eines fremden Diktats erscheint" Y4 Unabhängig von der Einwilligung des Zeugen sind auch Maßnahmen, die das Erinnerungsvermögen oder die Einsichtsfähigkeit des Zeugen beeinträchtigen, nicht gestattet (§ 136 a Abs. 2, Abs. 3 S. 1 StPO). Aus § 136 a Abs. 2 StPO kann aber kein Verbot von Fang- und Suggestivfragen abgeleitet werden. 135 cc) Die Zulässigkeit von Fragen an Zeugen Bei der Befragung von Zeugen ist ein häufiger Streitpunkt im UA, ob die Frage eines Mitglieds des Ausschusses überhaupt zulässig ist. Gemäß § 25 Abs. 1 S. 1 PUAG hat der oder die Vorsitzende ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückzuweisen. § 25 Abs. 1 S. 1 PUAG begründet eine Pflicht zur Zurückweisung durch den Ausschussvorsitzenden. Zunächst ist einmal zu klären, was Gegenstand des Zeugenbeweises überhaupt sein kann. Dem Zeugenbeweis zugänglich sind nur Fragen nach Tatsachen, nicht aber Rechtsfragen, Erfahrungssätze, allgemeine Eindrücke, Schlussfolgerungen oder Mutmaßungen. Ebenso können reine Werturteile nicht Gegenstand des Zeugenbeweises sein. Über innere Tatsachen, auch hypothetischer Art, kann ein Zeuge vernommen werden, sofern es sich um Vorgänge in seinem eigenen Bewusstsein handelt. 136 Von der Zulässigkeit der Frage ist weiterhin abhängig, ob der Zeuge die Frage wahrheitsgemäß beantworten muss oder nicht. Der äußere Tatbestand des § 153 StGB erfasst stets nur solche Aussagen einer Beweisperson, die nach den für den fraglichen Prozess geltenden Regeln den Gegenstand ihrer Vernehmung und damit die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage betreffen. 137 Dieser Grundsatz gilt ent133 134

135 136 137

OLG Köln, NJW 1988, S. 2485 ff. OLG Köln, NJW 1988, S. 2485 ff., 2486. Meyer-Goßner, StPO, § 136 a, Rn. 25. Meyer-Goßner, StPO, vor § 48, Rn. 2. BGHSt 25, 244, 246.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

133

sprechend für die Vernehmung vor einern UA. Für den Gegenstand einer Zeugenvernehmung ist der Einsetzungsbeschluss des Parlaments maßgebend, da Untersuchungsausschüssen ein selbständiger, von dem Willen des Parlaments unabhängiger Wirkungskreis nicht eingeräumt ist. Anders als der Strafrichter darf der UA die Aussagepflicht des Zeugen nicht erweitern. Daher werden außerhalb des Untersuchungsauftrags liegende Tatsachen von der Aussagepflicht nicht erfasst. Diese Maßstäbe sind manchem Abgeordneten in den Untersuchungsausschüssen nicht bekannt, so dass ein korrekter Ausschussvorsitzender sehr häufig bei der Befragung von Zeugen eingreifen und Fragen zurückweisen müsste, weil diese unzulässig sind, was aber in der Praxis in der Regel nicht geschieht. § 25 Abs. I S. 2 PUAG räumt Zeugen das Recht ein, den Ausschussvorsitzenden aufzufordern, Fragen zurückzuweisen. Um zu verhindern, dass die Ausschussmehrheit die Zurückweisung von Fragen als Hebel zur Vereitelung einer notwendigen Aufklärung von möglicherweise für die Regierungsseite unangenehmen Umständen benutzt, bedarf die Zurückweisung einer Frage einer Mehrheit von zwei Drittel der anwesenden Mitglieder, wobei bei Zweifeln über die Zu lässigkeit von Fragen sowie über die Rechtmäßigkeit ihrer Zurückweisung der UA auf Antrag seiner Mitglieder entscheidet. 138 Praktisch bedeutet dies, dass, falls ein Zeuge die Beantwortung einer Frage verweigert, weil er sie vom Untersuchungsauftrag für nicht gedeckt ansieht, nicht einmal die Mehrheit im Ausschuss die Zurückweisung der Frage durchsetzen könnte. Die Regelung in § 25 Abs. 1 PUAG erscheint unlogisch. Die Entscheidung über die Zulässigkeit einer Frage ist letztlich eine Rechtsfrage, über die mit einfacher Mehrheit entschieden werden müsste. Sieht man das Problem unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung des Minderheitenbeweiserhebungsrechts, müsste die Frage beantwortet werden, wenn ein Viertel der Mitglieder dies beantragt. Daher wäre es konsequent, über die Zulässigkeit einer Frage im Falle der Beanstandung mit einfacher Mehrheit entscheiden zu lassen. Dies ergibt sich auch aus dem Vergleich mit einer anderen Vorschrift des PUAG. Nach § 17 Abs. 2 PUAG sind Beweise zu erheben, wenn sie von einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses beantragt sind, es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig oder das Beweismittel unerreichbar.

Die Zurückweisung einer Frage ist nach § 25 Abs. 2 PUAG auch noch nach deren Beantwortung möglich. In diesem Falle entsteht ein Verwertungsverbot für den Bericht sowohl hinsichtlich der Frage als auch der Antwort. Durch diese Regelung sollen Zeugen vor unzulässigen Überrumpelungen geschützt und eine sorgfältige Fragestellung gefördert werden. Das PUAG enthält keine mit § 68 a StPO vergleichbare Regelung. Nach dieser Vorschrift kann der Zeuge eine angemessene Behandlung und Ehrenschutz für sich beanspruchen. 139 Gemäß § 68 a Abs. 1 StPO sollen Fragen nach Tatsachen, die 138 139

BT-Drs. 14/5790, S. 19. BVerfGE 38, 105, 114 ff.

134

G. Die Vernehmung der Zeugen

dem Zeugen oder einer Person, die i.S.d. § 52 Abs. 1 StPO sein Angehöriger ist, zur Unehre gereichen können oder deren persönlichen Lebensbereich betreffen, nur gestellt werden, wenn es unerlässlich ist. Zwar lassen sich unangemessene und bloßstellende Fragen im Interesse der Sachverhaltsaufklärung nicht immer venneiden. Der Zeuge kann aber dann verlangen, dass möglichst schonend mit ihm umgegangen wird. 140 Der Gesetzgeber hat von einer § 68 a StPO entsprechenden Regelung im PUAG abgesehen, weil die Regelung in § 68 a StPO mit ihrer Anknüpfung an einen heute nur noch schwer definierbaren Ehrbegriff als zu unbestimmt angesehen wurde. Man glaubte auf eine ausdrückliche Nonnierung verzichten zu können, da sich aus der Fürsorgepflicht des Ausschussvorsitzenden für den Zeugen ergibt, bloßstellende Fragen an den Zeugen nicht zuzulassen. Insoweit hat der Gesetzgeber wiederum nur eine Teilregelung bezüglich der Vorschriften über die Vernehmung der Zeugen im PUAG vorgenommen. Die Lücke ist wiederum durch die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess zu schließen.

f) Die Wahrheitspflicht

Wie bereits aufgezeigt hat der Zeuge vor dem UA zu den zulässigen Fragen wahrheitsgemäße Angaben zu machen. Die Verpflichtung des Zeugen, zur Vernehmung zu erscheinen und wahrheitsgemäß auszusagen, ist eine staatsbürgerliche Pflicht, die unsere Rechtsordnung voraussetzt. 141 Insoweit steht der Zeuge unter der Strafdrohung des § 153 StGB. Das PUAG hat durch Art. 2 klargestellt, dass ein UA eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder des Landes einer zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle im Sinne des § 153 Abs. 1 StGB gleichsteht. Die Begründung zu Art. 2 lautet: "Da auf eine Bestimmung über die mögliche Vereidigung eines Zeugen durch den UA verzichtet worden ist, musste die Strafvorschrift über die falsche uneidliche Aussage (§ 153 Strafgesetzbuch) angepasst werden". 142 Im Gegensatz zu Art. 2 PUAG war bisher unter Hinweis auf den BGH davon ausgegangen worden, dass ein im Rahmen der Zuständigkeit des Parlaments und dessen Einsetzungsbeschlusses 143 vorgehender UA zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständig ist. 144 Hier ist aber zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des 140

141 142 143 144

Dahs, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 68a, Rn. 1. BVerfGE 49, 280 ff., 284; BVerfGE 76, 363 ff., 383 - Lappas-Entscheidung. BT-Drs. 14/5790, zu Art. 2 (Änderung des Strafgesetzbuchs), S. 25. Wagner, GA 1976, S. 257. BGHSt 17, 128.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

135

Bundesgerichtshofs einen Fall betraf, in dem ein Zeuge vor einem UA des Bayerischen Landtages ausgesagt hat und nach Art. 25 Abs. 2 BayVerf ein UA des Bayerischen Landtages "in entsprechender Anwendung der StPO alle erforderlichen Beweise erheben, auch Zeugen und Sachverständige vorladen, vernehmen, beeidigen" darf. Rechtliche Grundlage für die Zeugenvernehmung und -vereidigung ist daher in diesem Falle Art. 25 BayVerf gewesen.

g) Grundlose Zeugnisverweigerung § 27 PUAG übernimmt modifiziert die Regelung des § 70 StPO. Bei grundloser Verweigerung des Zeugnisses gibt § 27 Abs. 1 PUAG dem UA die Möglichkeit, dem Zeugen die durch seine Verweigerung verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein Ordnungsgeld bis 10.000,00 € festzusetzen.

Voraussetzung für die Auferlegung der Kosten und die Verhängung von Ordnungsgeld ist, dass der Zeuge das Zeugnis ohne gesetzlichen Grund verweigert, also ein Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 22 PUAG nicht besteht. 145 Mit der Entscheidung vom 1. 10. 1987 hat das BVerfG klargestellt, dass bereits bisher Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG den UA ermächtigte, gegen einen Zeugen, der grundlos das Zeugnis verweigerte, Ordnungsgeld festzusetzen und zur Erzwingung des Zeugnisses die Anordnung der Haft beim zuständigen Gericht zu beantragen. 146 Hierbei sind aber die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 GG i.Y.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 14 GG, insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. 147 Im Unterschied zu § 70 StPO gibt § 27 PUAG einen erheblich weiteren Ordnungsgeldrahmen mit 10.000,00 € vor. Nach Art. 6 Abs. 1 EGStGB ist die Verhängung eines Ordnungsgeldes von 5,00 € bis 1.000,00 € in Strafverfahren möglich. 148 Für die Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes sind der Grund des Ungehorsams und die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zeugen maßgebend. 149 Hier ergibt sich für den UA die schwierige Frage, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Zeugen in einem Verfahren vor dem UA ermittelt werden sollen. Ein Zeuge, der keine Angaben macht, wird auch zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Regel schweigen. Dies wird zur Folge haben, dass sich der UA stets im unteren Bereich des vorgegebenen Rahmens für das Ordnungsge1d bewegen muss, wenn er 145 Vgl. OVG Münster, NJW 1999, S. 80 ff.; VG Berlin, Urteil v. 25. 09. 2001, Az.: VG 2 A 55.00. 146 BVerfGE 76, 363 ff. - Lappas-Entscheidung. 147 BVerfGE 76,363 ff., 368; vgl. Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1878; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 44, Rn. 8. 148 Vgl. Art. 22 des Gesetzes zur Einführung des Euro in Rechtspflegegesetzen und in Gesetzen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts, zur Änderung von Mahnvordruckverordnungen sowie zur Änderung weiterer Gesetze, BGBI. 2001 I Nr. 68, S. 3574 ff., 3578. 149 Vgl. LG Mainz, NJW 1988, S. 1744.

136

G. Die Vernehmung der Zeugen

nicht riskieren will, im gerichtlichen Verfahren auf Beschwerde des Zeugen aufgehoben zu werden. Dazu kommt, dass die Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Zeugen nicht vom Untersuchungsauftrag gedeckt sein dürfte. Auch wenn bei Beamten oder Politikern die Höhe der Gehälter in der Regel leicht zu ermitteln ist, dürfte nicht bekannt sein, welche eventuellen Schulden oder Unterhaltsverpflichtungen bestehen, die für die Festsetzung der Höhe des Ordnungsgeldes ebenfalls von Bedeutung sein können. Lehnt der UA eine Entscheidung gemäß § 27 Abs. 1 PUAG ab, entscheidet der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Maßgabe des § 17 Abs. 4 PUAG. Für die Anordnung von Erzwingungshaft ist nach § 27 Abs. 2 PUAG der UA nicht selbst zuständig. Unter den in § 27 Abs. 1 PUAG genannten Voraussetzungen kann der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder zur Erzwingung des Zeugnisses die Haft anordnen, jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Untersuchungsausschusses, auch nicht über die Zeit von 6 Monaten hinaus (§ 27 Abs. 2 PUAG). § 27 Abs. 3 PUAG verweist auf § 70 Abs. 4 StPO. Dies bedeutet, dass eine Wiederholung der Maßregel unzulässig ist, wenn sie erschöpft ist. Ordnungsgeld darf immer nur einmal festgesetzt werden, auch wenn der zulässige Höchstbetrag unterschritten war. 150 Dagegen darf die Beugehaft mehrmals, insgesamt jedoch nicht über die Zeit der Beendigung des Untersuchungsausschusses und nicht für länger als 6 Monate angeordnet werden. Das Wiederholungsverbot bezieht sich auf dasselbe Untersuchungsausschussverfahren.

h) Die Öffentlichkeit

Der Grundsatz der Öffentlichkeit besagt, dass jedermann, einschließlich der Presse, des Rundfunks und des Fernsehens im Rahmen der räumlichen Möglichkeiten Zutritt zu den Sitzungen haben muss 151, wobei dieses Recht aber nicht die direkte Hörfunk- und Fernsehübertragung oder deren Aufzeichnung umfasst. Gemäß § 169 S. 1 GVG ist die Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse öffentlich. Die Öffentlichkeitsmaxime dient ganz überwiegend dem Informationsinteresse der Allgemeinheit. Sie ist zwar im GG nicht verankert, anders z. B. Art. 90 BayVerf, ist aber eine grundlegende Einrichtung des Rechtsstaats und Prozessmaxime für eine Hauptverhandlung l52 , wobei aber aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten SchutISO Senge, in: Karlsruher Kommentar zur StPO, § 70, Rn. 12; Dahs, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 70, Rn. 31. 151 Vgl. Linck, DÖV 1973, S. 514. 152 BGHSt 22, 297 ff., 301; BGH, MDR 1980, S. 273.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

137

zes der Persönlichkeits sphäre des Angeklagten und anderer Personen (§§ 171 b, 172 Nr. 2, 3 GVG) Abstriche zu machen sind. Bisher hat es an einem verbindlichen Rege1ungswerk für die Beantwortung der verfassungsrechtlich sensiblen Frage der Öffentlichkeitsbeschränkung aus Gründen des privaten oder im öffentlichen Interesse liegenden Geheimschutzes, einer effektiven Arbeit der Untersuchungsausschusses und / oder einer unerwünschten Zulassung von Presse- und Rundfunkvertretern gefehlt. 153 Bei der Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen ganz oder teilweise von dem in Art. 44 Abs. I GG vorgesehenen Grundsatz der öffentlichen Beweisaufnahme abgewichen werden kann, stehen sich widerstreitende Interessen gegenüber. Durch die Beweiserhebung in öffentlicher Sitzung können Untersuchungsausschüsse die Untersuchungsgegenstände transparent machen und die Kontrolle durch die Öffentlichkeit erreichen. 154 Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses kann mit öffentlichen (Sicherheits- und außenpolitischen Fragen, Staatsschutz) und privaten Geheimhaltungsinteressen (insbesondere dem grundrechtlichen Datenschutz) kollidieren. Art. 44 Abs. 1 S. 2 GG sieht deshalb auch die Möglichkeit der nicht öffentlichen Verhandlung vor. Das BVerfG hielt die Ausschlussregelung der §§ 171 b, 172 GVG zur Geheimhaltung von Umständen aus dem privaten Lebensbereich und von wichtigen Geschäfts- und Steuergeheimnis sen für anwendbar. 155 Dabei ist aber immer zu prüfen, ob eine öffentliche Beweisaufnahme und Erörterung persönlicher Umstände gerechtfertigt ist oder ob die Grundrechte des Betroffenen bestimmte Vorkehrungen parlamentarischer Geheimhaltung erfordern. 156 Vor dem Hintergrund dieser widerstreitenden Interessen sind schon frühzeitig Forderungen erhoben worden, die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess abzuschaffen und durch ein eigenes Verfahrensgesetz für Untersuchungsausschüsse zu ersetzen. Für das Untersuchungsausschussverfahren hat der Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verfahrens eine abgestufte Regelung vorgenommen. aa) Die Sitzungen zur Beratung Gemäß § 12 Abs. 1 PUAG sind Beratung und Beschlussfassung des Untersuchungsausschusses grundsätzlich nicht öffentlich. In den Beratungssitzungen wird abgestimmt über Beweisanträge, über die Herabstufung von Beweismaterial, über die Terrninplanung, den Abschluss von Zeugen vernehmungen, die Bitte von anderen Behörden um Übersendung von Protokollen von Zeugen vernehmungen. 153 Vgl. auch Schaffer, der sich aus Gründen der Öffentlichkeit der Untersuchung gegen die Beauftragung von Personen außerhalb des Parlaments wendet, ZParl 1974, S. 500. 154 Gollwitzer, in: FS für Dünnebier, 1982, S. 331; Versteyl, in: v. Münch, Art. 44, Rn. 16. 155 BVerfGE 67, 100 ff., 133; BVerfG, DVBI. 1988, S. 200, 203; Bedenken dagegen: Linck, ZRP 1987, S. 15; Stern, AöR 109 (1984), S. 200, 292 ff. 156 BVerfGE 76, 363 ff., 388.

138

G. Die Vernehmung der Zeugen

Zur Teilnahme an den Beratungssitzungen sind die Mitglieder des Untersuchungsausschusses berechtigt. Der UA kann nach § 12 Abs. 2 PUAG den benannten Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Fraktionen den Zutritt gestatten. Mitarbeiter in diesem Sinne sind die Mitarbeiter, die die jeweilige Fraktion gegenüber dem Ausschusssekretariat und dem Ausschussvorsitzenden offiziell mitgeteilt hat. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Untersuchungsausschusses. Diese Vorschrift erweist sich als völlig praxisfremd. Es ist üblich, dass die Mitarbeiter, die die Vermerke für die Beratungssitzung und die Sitzungen zur Beweisaufnahme gefertigt haben, bei der Beratungssitzung anwesend sind. § 12 Abs. 2 PUAG ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass den Sitzungen des Untersuchungsausschusses regelmäßig in den einzelnen Fraktionen Arbeitsgruppensitzungen vorausgehen, wo das weitere Vorgehen im UA von den Mitgliedern des Ausschusses und deren Mitarbeitern diskutiert wird, um das Abstimmungsverhalten im UA festzulegen. Bei einer Änderung der Sachlage wären manche Ausschussmitglieder ohne anwesende Mitarbeiter und deren Kenntnis des Beweismaterials gelegentlich hilflos. Dies gilt insbesondere auch für die Klärung schwieriger Rechtsfragen. Über Art und Umfang der Mitteilung an die Öffentlichkeit aus nicht öffentlichen Sitzungen entscheidet gemäß § 12 Abs. 3 PUAG der UA. Diese Bestimmung ist in der Praxis wirkungslos, da Abgeordnete ohne Rücksicht auf die Beratung in nicht öffentlicher Sitzung gegenüber Journalisten die Ergebnisse der Beratungssitzung ausplaudern. Interessant ist, dass § 12 Abs. 3 PUAG nicht unterscheidet zwischen nicht öffentlichen Beratungssitzungen und Beweisaufnahmesitzungen, die nicht öffentlich sind, weil sie VS-vertraulich eingestuft worden sind. Für letzteren Fall ist die Regelung verständlich, gleichzeitig aber auch überflüssig. Im übrigen ist die Restriktion für die Beratungssitzungen nicht angemessen, da die Regelung bedeutet, dass die qualifizierte Minderheit der Öffentlichkeit nicht mitteilen darf, dass die Mehrheit in nicht öffentlicher Beratungssitzung ihre Anträge abgelehnt hat. Eine solche Äußerung gegenüber der Öffentlichkeit setzt nämlich nach der Gesetzeslage (§ 12 Abs. 3 PUAG) eine Mehrheitsentscheidung über Art und Umfang der Äußerung voraus. bb) Die Sitzungen zur Beweisaufnahme Sitzungen zur Beweisaufnahme sind im Gegensatz zu den Beratungssitzungen grundsätzlich öffentlich (§ 13 Abs. 1 S. 1 PUAG), wenn nicht der Ausschuss unter den Voraussetzungen des § 14 PUAG die Öffentlichkeit ausschließt. § 13 Abs. 1 S. 2 PUAG knüpft an die Bestimmung des § 169 S. 2 GVG an, der Ton- und Fernseh-, Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts verbietet. Lediglich für Verhandlungen vor dem BVerfG ist § 169 S. 2 GVG nunmehr durch § 17 a BVerfGG eingeschränkt. Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 11. 1. 1996 157 den Erlass einer einst157

BVerfG, NJW 1996, S. 581.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

139

weiligen Anordnung auf Zulassung des Gerichtsfernsehens in der Hauptverhandlung im sog. Politbüro-Prozess abgelehnt. In der Hauptsacheentscheidung l58 kam das BVerfG zu dem klaren Ergebnis, dass der gesetzliche Ausschluss von Ton- und Bildaufnahmen durch § 169 S. 2 GVG verfassungsgemäß ist. Der Gesetzgeber hat seit 1964 nur die "Saalöffentlichkeit" als Gerichtsöffentlichkeit vorgesehen. Das BVerfG sieht auch heute im Medienzeitalter die Saalöffentlichkeit als die richtige Form der Wahrung der Öffentlichkeit an und begründet dies mit dem Persönlichkeitsrecht der am Verfahren Beteiligten, dem Anspruch der Beteiligten auf ein faires Verfahren und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, insbesondere mit der ungestörten Wahrheits- und Rechtsfindung. Von dem Verbot des § 169 S. 2 GVG darf weder der Vorsitzende noch das Gericht eine Ausnahme zulassen, auch nicht für die Urteilsverkündung. 159 § 13 Abs. 1 S. 2 PUAG verbietet Ton- und Filmaufnahmen sowie Ton- und Bildübertragungen von Sitzungen zur Beweisaufnahme. Allerdings kann der UA nach § 13 Abs. 1 S. 3 PUAG Ausnahmen von S. 1 zulassen. Ausnahmen von § 13 Abs. I S. 2 PUAG bedürfen einer Mehrheit von zwei Drittel der anwesenden Mitglieder sowie der Zustimmung der zu vernehmenden oder anzuhörenden Personen. Dies bedeutet, dass eine Ausnahme sowohl für eine echte Zeugenvernehmung als auch für die informatorische Anhörung von Personen gemacht werden kann. Als zu vernehmende oder anzuhörende Personen kommen Zeugen, Sachverständige, aber auch der Ermittlungsbeauftragte im Rahmen seines mündlichen Berichts gemäß § 10 Abs. 3 S. 8 PUAG in Betracht. Die Regelung in § 13 Abs. 1 S. 3 PUAG ist in Zusammenhang mit Bestrebungen im 1. UA der 14. WP zu sehen, Live-Übertragungen einer Sitzung zur Beweisaufnahme zu ermöglichen. Es war Gegenstand von Beratungssitzungen, ob die Vernehmungen des Bundeskanzlers a.D. Kohl und des Generalsekretärs der SPD Müntefering im UA live vom Fernsehen übertragen werden können. Diese Versuche sind daran gescheitert, dass der Zeuge Kohl eine Zustimmung zu einer Live-Übertragung verweigert hat. Bei dem Zeugen Müntefering wurde der Antrag des Zeugen und eines Abgeordneten von BÜNDNIS90 / DIE GRÜNEN, die Zeugen vernehmung im Fernsehen zu übertragen, von den Mitgliedern der Fraktionen von SPD und CDU / CSU abgelehnt. Eine andere Handhabung wäre ein klarer Verstoß gegen § 169 S. 2 GVG gewesen. Die Bestimmung des § 13 Abs. 1 S. 3 PUAG steht in Widerspruch zu § 169 S. 2 GVG und dürfte einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten, weil sie den Grundsätzen, die das BVerfG in seinem Urteil vom 24. 1. 2001 160 aufgestellt hat, widerspricht. Huff l61 hat vergebens gehofft, "dass die Parteien der VersuBVerfG, NJW 2001, S. 1633. BGHSt 22, 83. 160 BVerfG, Urteil v. 24.1. 2001-1 BvR2623/95 und 1 BvR622/99, NJW2001, S. 1633. 161 Huff, NJW 2001, S. 1622, 1623; Schröder (NJW 2000, S. 1455 ff., 1458) sprach sich dagegen dafür aus, das Verbot des § 169 S. 2 GVG "mindestens im Sinne einer Öffnungsklausel zu flexibilisieren, die Einzelfallprüfungen erlaubt". 158 159

140

G. Die Vernehmung der Zeugen

chung widerstehen, Fernsehaufnahmen aus laufenden Vernehmungen von Untersuchungsausschüssen vorzusehen". Er sah die Gefahr, dass in Untersuchungsausschüssen Zeugen, die den strengen Pflichten nach der StPO unterliegen, vorgeführt und für politische Auseinandersetzungen instrumentalisiert werden. Art. 44 Abs. 2 GG verweist für die Beweiserhebung auf die Vorschriften über den Strafprozess und damit auch auf § 169 GVG, der Ton- und Filmaufnahmen von Verhandlungen vor dem erkennenden Gericht einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse verbietet. Insoweit bestand für die Regelung in § 13 Abs. 1 S. 3 PUAG kein Raum. Die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung wird auch nicht dadurch beseitigt, dass als Voraussetzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Ausschuss und die Zustimmung des betroffenen Zeugen genannt werden. Natürlich können die Verfahrensbeteiligten auf den Schutz ihrer Persönlichkeitsrechte verzichten. Hierbei geht es nämlich nicht um die Parlamentsöffentlichkeit, nämlich die parlamentarische Debatte, sondern um die Ausübung öffentlicher Gewalt durch die Zeugenvernehmung, also um die "Gerichtsöffentlichkeit". Diese dient allein der Kontrolle des Gerichtes und damit des Untersuchungsausschusses; sie soll aber keine besondere Prangerwirkung für den Zeugen haben. Der UA soll nicht zum "Tribunal" für den Zeugen werden. 162 Die Funktionstüchtigkeit des Untersuchungsausschusses, insbesondere die ungestörte Beweisaufnahme, ist aber nur gewährleistet, wenn Ton- und Fernsehaufnahmen von Zeugenvernehmungen im UA nicht gestattet werden, selbst wenn Zeugen damit einverstanden sind. Außerdem können Persönlichkeitsrechte der Abgeordneten, die sich gegen eine Fernsehübertragung aus der Sitzung des Untersuchungsausschusses ausgesprochen haben, und ihrer Mitarbeiter verletzt werden. Im Bereich der Gerichte geht bekanntlich zur Wahrung von Persönlichkeitsrechten die Tendenz mehr in Richtung Ausschluss der Öffentlichkeit, die in § 14 PUAG auch grundsätzlich anerkannt wird. Hinsichtlich der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung verweist § 13 Abs. 2 PUAG auf die §§ 176 bis 179 GVG. Gemäß § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung des Untersuchungsausschusses dem Ausschussvorsitzenden, der auch gemäß § 177 S. 1 GVG berechtigt ist, Zeugen, Sachverständige oder andere nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Ebenso kann der UA gegen die genannten Personen nach § 178 Abs. 1 GVG Ordnungsgeld verhängen, wenn diese sich in der Sitzung des Untersuchungsausschusses einer Ungebühr schuldig gemacht haben. Die Verhängung von Ordnungshaft durch den UA kommt nicht in Betracht, da es sich um einen Eingriff in die persönliche Freiheit eines Zeugen, Sachverständigen oder einer sonstigen bei der Verhandlung nicht beteiligten Person handeln würde. Ein solcher Eingriff steht unter dem Richtervorbehalt nach Art. 2 Abs. 2 S. 3, 104 GG. Insoweit könnte der UA die Verhängung von Ordnungshaft lediglich bei dem zuständigen Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs beantragen. 162

Plate, NStZ 1999, S. 391.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

141

cc) Der Ausschluss der Öffentlichkeit § 14 PUAG regelt die Ausnahmen zu § 13 PUAG, wonach Sitzungen zur Beweisaufnahme im Gegensatz zu Beratungssitzungen grundsätzlich öffentlich sind.

Gemäß § 14 Abs. 1 PUAG schließt der UA die Öffentlichkeit aus, wenn - "Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich von Zeugen oder Dritten zur Sprache kommen, deren öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzen würde, - eine Gefahrdung des Lebens, des Leibes oder der Freiheit von einzelnen Zeugen oder einer anderen Person zu besorgen ist, - ein Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs- oder Steuergeheimnis zur Sprache kommt, durch dessen öffentliche Erörterung überwiegende schutzwürdige Interessen verletzt würden, - besondere Gründe des Wohls des Bundes oder eines Landes entgegenstehen, insbesondere wenn Nachteile für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder ihrer Beziehungen zu anderen Staaten zu besorgen sind." § 14 Abs. 1 PUAG stellt insoweit klar, dass der Ausschluss der Öffentlichkeit unter den angeführten Einzelvoraussetzungen nicht im Ermessen des Untersuchungsausschusses steht. Im übrigen entspricht die Einzelfallregelung in § 14 Abs. 1 PUAG den Bestimmungen der §§ 171 bund 172 GVG, wobei allerdings keine wörtliche Übernahme des Gesetzestextes erfolgt ist. Die Ausschließungsgründe bei § 172 GVG gehen weiter als die Regelung in § 14 Abs. 1 PUAG.

Gemäß § 14 Abs. 2 1. HS PUAG kann der UA einzelnen Personen zu nicht öffentlichen Beweisaufnahmen den Zutritt gestatten. Dies gilt insbesondere für die benannten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Fraktionen (§ 14 Abs. 2, 2. HS, § 12 Abs. 2 PUAG). § 14 Abs. 3 PUAG befasst sich mit der Regelung des Antragsrechts auf Ausschluss oder Beschränkung der Öffentlichkeit. Danach sind zur Stellung des Antrags berechtigt anwesende Mitglieder des Untersuchungsausschusses, Mitglieder des Bundesrates, der Bundesregierung und ihre Beauftragten sowie Zeugen, Sachverständige und sonstige Auskunftspersonen.

Über den Ausschluss oder die Beschränkung der Öffentlichkeit hat nach § 14 Abs. 4 PUAG der UA zu entscheiden. Die Entscheidung wird von dem Ausschussvorsitzenden in öffentlicher Sitzung begründet, wenn der UA einen entsprechenden Beschluss fasst. Dadurch wird verdeutlicht, dass die Mitteilung der Begründung nicht im Ermessen der Vorsitzenden steht, sondern ein Beschluss des Untersuchungsausschusses erforderlich ist.

142

G. Die Vernehmung der Zeugen dd) Der Geheimschutz

Der 1. UA der 14. WP hat in der 2. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 16. 12. 1999 zur Geheimhaltung folgenden Beschluss einstimmig gefasst (Be-

schluss 5 zum Verfahren I63 ):

,,1. Die Mitglieder des 1. UA-14.WP sind aufgrund der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages, ggf. ergänzt um Beschlüsse des 1. UA-14. WP in Verbindung mit § 353b Abs. 2 Nr. 1 StGB zur Geheimhaltung derjenigen Angelegenheiten verpflich-

tet, die ihnen durch Übermittlung der von amtlichen Stellen als VS-VERTRAULICH oder höher eingestuften Unterlagen bekannt werden.

2. Diese Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt sich auch auf solche Angelegenheiten, die aufgrund von Unterlagen bekannt werden, deren VS-Einstufung durch den Untersuchungsausschuss selbst veranlasst wird. 3. Die Geheimhaltungspflicht entfallt, wenn und insoweit die aktenführende Stelle bzw. der Untersuchungsausschuss die Einstufung als VS-VERTRAULICH und höher aufhebt. 4. Im Übrigen gilt die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages. 5. Anträge, deren Inhalt möglicherweise geheimhaltungsbedürftig ist, sollen in der GeheimschutzsteIle des Deutschen Bundestages hinterlegt werden. Über die Hinterlegung soll der Antragsteller das Ausschusssekretariat unterrichten." In der 34. Sitzung des 1. UA der 14. WP am 28. 8. 2000 hat der Ausschuss eine Modifizierung der Ziffer 2 164 beschlossen: ,,2. Diese Geheimhaltungsverpflichtung erstreckt sich auch auf solche Angelegenheiten, die aufgrund von Unterlagen bekannt werden, deren VS-Einstufung durch den Untersuchungsausschuss selbst veranlasst oder deren VS-Einstufung durch den Vorsitzenden unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Juli 1984 (BVerfGE 67, 100 ff.) zur Wahrung des Grundrechtsschutzes (Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, Steuergeheimnisse und inforrnationelles Selbstbestimmungsrecht) vorgenommen wird."

§ 8 Abs. 5 der sog. IPA-Regeln hat bestimmt, dass Sitzungen, insbesondere Beweiserhebungen sowie Vorgänge und Dokumente durch Beschluss des Untersuchungsausschusses für geheim oder vertraulich erklärt werden können. Ähnlich regelt § 15 Abs. 1 S. 1 PUAG, dass der UA Beweismittel, Beweiserhebungen und Beratungen mit einem Geheimhaltungsgrad versehen kann, wobei § 15 Abs. 1 S. 2 PUAG dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses die Berechtigung einräumt, vor der Entscheidung nach § 15 Abs. 1 S. 1 PUAG, z. B. in der sitzungsfreien Zeit, eine vorläufige Einstufung vorzunehmen. Damit wird dem Geheimschutz und dem Interesse des Ausschusses an unverzüglicher Einsicht in die Akten Rechnung getragen. Die Einstufung mit einem Geheimhaltungsgrad erfolgt in einer Beratungssitzung nach § 12 Abs. 1 PUAG und dient dazu, das Beweismittel, 163 164

Abschlussbericht des I. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 43 f. Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 44.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

143

die Beweiserhebungen und Beratungen, die von dem UA in nicht öffentlicher Sitzung oder sonst vertraulich zu behandeln sind, vor dem Bekanntwerden zu schützen. Das Verfahren richtet sich nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages. 165 Die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages gilt für Verschlusssachen (VS), die innerhalb des Bundestages entstehen oder dem Bundestag, seinen Ausschüssen oder Mitgliedern des Bundestages zugeleitet werden. Verschlusssachen sind nach § 1 Abs. 2 Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages Angelegenheiten aller Art, die durch besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen die Kenntnis durch Unbefugte geschützt werden müssen. § 2 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages unterscheidet die Geheimhaltungsgrade VS-nur für den Dienstgebrauch (Abkürzung: VS-nfD), VS-vertraulich (Abkürzung: VS-vertr.), geheim (Abkürzung: geh.) und streng geheim (Abkürzung: str.geh.). Für Untersuchungsausschüsse kommt insbesondere die Einstufung von Beweismaterial mit VS-vertr. in Betracht. Nach § 2 Abs. 4 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages werden als VS-vertr. Verschlusssachen eingestuft, deren Kenntnis durch Unbefugte den Interessen oder dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder abträglich oder für einen fremden Staat von Vorteil sein könnte. Verschlusssachen, die nicht unter die Geheimhaltungsgrade str.geh., geh. oder VS-vertr. fallen, aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind, erhalten den Geheimhaltungsgrad VS-nfD (§ 2 Abs. 5 Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages). Nach § 15 Abs. 2 S. 1 PUAG richtet sich die Entscheidung über die Einstufung nach der Geheimschutzordnung des Bundestages. Zur Antragsberechtigung verweist § 15 Abs. 2 S. 2 PUAG auf § 14 Abs. 3 PUAG, der entsprechend anwendbar ist. Dies bedeutet, dass zur Stellung eines Antrags auf Einstufung nach der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages die anwesenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses, Mitglieder des Bundesrats, der Bundesregierung und ihre Beauftragten sowie Zeugen, Sachverständige und sonstige Auskunftspersonen berechtigt sind. In der Begründung zu § 15 PUAG hat es der 1. Ausschuss des Deutschen Bundestages als selbstverständlich angesehen, dass die Regelung in § 15 PUAG anderweitige, z. B. durch die Bundesregierung vorgenommene Einstufungen, unberührt lässt. 166 § 15 Abs. 2 PUAG verdeutlicht weiterhin, dass auch für die Behandlung der Verschlusssachen sowie für streng geheime, geheime und vertrauliche Sitzungen und deren Protokollierung die Geheimschutzordnung des Bundestages gilt, soweit das PUAG nichts Abweichendes bestimmt.

In der praktischen Umsetzung bestimmt § 15 PUAG, dass z. B. Vorhalte an Zeugen aus Akten, die VS-vertr. oder höher eingestuft sind, nur in einer VS-vertr., d. h. nicht öffentlichen Sitzung gemacht werden können. Dies hat zur Konsequenz, dass bei Zeugenvernehmungen die Fragen und Vorhalte, die sich aus VS-vertr. und hö165 166

Anlage 3 zur GOBT. BT-Drs. 14/5790, S. 16.

144

G. Die Vernehmung der Zeugen

her eingestuften Akten ergeben, bis zum Ende der Zeugenvernehmung in öffentlicher Sitzung aufgeschoben werden müssen, um anschließend die Öffentlichkeit auszuschließen und die Vernehmung in einer nicht öffentlichen Sitzung fortzusetzen. Das stenographische Protokoll über den VS-vertr. Teil der Vernehmung wird dann vom Ausschusssekretariat der GeheimschutzsteIle des Bundestages zugeleitet mit der Bitte, die erforderliche Anzahl von Ausfertigungen des Protokolls zu erstellen, die dann von der GeheimschutzsteIle durch die Mitglieder des Untersuchungsausschusses bzw. deren Mitarbeiter angefordert werden können. Diese Vorgehensweise beruht regelmäßig auf einem Verfahrensbeschluss, der nach Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zwecks Verpflichtung zur Geheimhaltung und zwecks Verteilung von Verschluss sachen gefasst wird. Private Geheimnisse erfasst der Wortlaut der auf den staatlichen Bereich ausgerichteten Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages nicht. Daher hat der 1. Ausschuss des Deutschen Bundestages unter Übernahme eines Vorschlags aus dem Antrag der Fraktion der ED.P. 167 parallel zur Verabschiedung des Gesetzentwurfs des PUAG eine Ergänzung der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestags um eine Vorschrift über den Schutz privater Geheimnisse beschlossen.1 68 Gemäß der Bekanntmachung von Änderungen der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 2001 169 wurde die Anlage 3 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages wie folgt geändert: ,,1. Nach § 2 wird folgender § 2 a eingefügt:

§2a Private Geheimnisse (1) Als geheim können auch wichtige Geschäfts-, Betriebs-, Erfindungs-, Steuer- oder sonstige private Geheimnisse oder Umstände des persönlichen Lebensbereichs eingestuft werden, deren Kenntnis durch Unbefugte dem Berechtigten schweren Schaden zufügen würde.

(2) Als Vertraulich können die in Abs. 1 bezeichneten Geheimnisse oder Umstände eingestuft werden, deren Kenntnis durch Unbefugte dem Interesse des Berechtigten abträglich sein könnte. 2. In § 4 Abs. 3 wird folgender Satz 2 angefügt: Satz 1 gilt für einen Ermittlungsbeauftragten gemäß § 10 des Untersuchungsausschussgesetzes und seine Hilfskräfte entsprechend."

Mit der Änderung der Geheimschutzordnung wurde diese auch für den Schutz privater Geheimnisse anwendbar erklärt, während sie bisher nach ihrem Wortlaut nur für Staatsgeheimnisse galt. In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, wer die Einstufung vornimmt. Bei Behördenakten gilt der Grundsatz, dass über die Einstufung die he167 168 169

BT-Drs. 14/2365. Vgl. Beschlussempfehlung, BT-Drs. 14/5791. BGBI. 2001 I Nr. 28, S. 1203.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

145

raus gebende Behörde entscheidet. Dieser Grundsatz ist berechtigt, da die herausgebende Behörde zum einen zur Einstufung berechtigt ist und zum anderen sachgerecht über die Einstufung entscheiden kann, da sie im Unterschied zum UA ihre Akten und die Bedeutung dieser Akten kennt. Eine Einstufung durch den UA kommt nach diesem Grundsatz nur in Betracht bei der Herausgabe der Unterlagen durch Stellen, die ihre Akten nicht selbst als Verschlusssachen einstufen können, z. B. Private oder Unternehmen. In der Praxis kommt es aber sehr häufig vor, dass auch staatliche Stellen die Einstufung nicht selbst vornehmen. Dies gilt insbesondere für den lustizbereich. Gerichte oder Staatsanwaltschaften weisen bei der Vorlage von Akten an den U A lediglich auf das Steuergeheimnis hin oder erklären, dass sie die Akten nur herausgeben, wenn der UA vorher die Geheimhaltung beschlossen hat. Diese Vorgehensweise erweist sich sehr häufig als kurzsichtig, da dann der UA auch über die Herabstufung der Akten all ei ne entscheiden kann. Mit der Bestimmung des § 15 PUAG wird sich in der Praxis nichts ändern mit der Folge, dass insoweit im Bereich der Länderbehörden zu treffende Entscheidungen auf den U A verlagert werden. Es hätte sich angeboten, in § 15 PUAG die Bestimmung aufzunehmen, dass die von Behörden vorgelegten Akten grundsätzlich als offen behandelt werden, es sei denn die herausgebende Behörde hätte die Akten als Verschlusssachen eingestuft. Von dieser Möglichkeit ist aber im PUAG kein Gebrauch gemacht worden. In der Praxis wird die Geheimschutzregelung in § 15 PUAG voraussichtlich wenig Effizienz zeigen. Im I. UA "Parteispenden" der 14. WP war immer wieder zu verfolgen, dass Aktenteile, die VS-vertr. eingestuft waren, in Kopie der Presse zugespielt wurden und von dieser am Tage vor der entsprechenden Sitzung des Untersuchungsausschusses abgedruckt wurden. Dann machten Abgeordnete die Vorhalte nicht aus VS-vertr. eingestuften Aktenteilen, sondern eben aus den entsprechenden Zeitungsberichten, die öffentlich zugänglich waren. Im übrigen kann die Nichteinhaltung der Geheimhaltung dadurch, dass ein Ausschussmitglied in öffentlicher Sitzung aus einer Verschlusssache einem Zeugen einen Vorhalt macht, schon wegen der Indemnität (Art. 46 Abs. I GG) nicht geahndet werden. Darüber hinaus enthält die Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages insofern eine Lücke bezüglich der Verschwiegenheitsverpflichtung für im UA erlangte Kenntnisse, als nach § 4 Abs. 2 der Geheimschutzordnung des Deutschen Bundestages ein Mitglied des Bundestages, dem eine Verschlusssache des Geheimhaltungsgrades VS-vertr. und höher zugänglich gemacht worden ist, andere Mitglieder des Bundestages davon in Kenntnis setzen darf. Fraglich bleibt auch, ob private Geheimnisse unter den Schutz des § 353 b StGB fallen. Dies kann zweifelhaft sein, da durch die Offenbarung privater Geheimnisse kaum "wichtige öffentliche Interessen" gefährdet werden, was Tatbestandsvoraussetzung des § 353 b Abs. I StGB ist. Erforderlich ist die konkrete Gefahr eines Nachteils für öffentliche Interessen von Rang. 17o Eine konkrete Gefährdung 170

10 Plöd

BGHSt 11, 402; 20, 348.

146

G. Die Vernehmung der Zeugen

könnte dann eintreten, wenn die Tatsache des Geheimnisbruchs bekannt und so das Vertrauen in die vertrauliche Tätigkeit der Behörden erschüttert wird. 171

i) Der Abschluss der Vernehmung

Gemäß § 153 Abs. 1 StGB ist die Tat einer falschen uneidlichen Aussage mit dem Abschluss der Aussage vollendet, nämlich sobald der Aussagende nichts mehr bekunden und kein Verfahrensbeteiligter mehr Fragen an ihn stellen Will. l72 Danach bestimmt sich auch, ob ein strafloser Versuch gegeben und § 158 StGB anwendbar ist, wenn der Aussagende im letzten Termin seine Aussage richtig stellt. Wurde die Aussage vorher berichtigt, so ist § 158 StGB unanwendbar. Für die Aussagen eines Zeugen vor einem UA ist eine Strafbarkeit wegen uneidlicher Falschaussage erst mit dem formellen Abschluss der Zeugenvernehmung gegeben. 173 Formelle Vernehmungsabschlüsse sind bei Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages üblich. 174 Bei informatorischen Anhörungen besteht kein Bedürfnis für einen derartigen Abschluss. Der 1. UA der 14. WP hat in seiner 2. Sitzung am 16. 12. 1999 folgenden Beschluss zum Abschluss der Vernehmungen als Beschluss 8 zum Verfahren 175 gefasst: "Der Untersuchungsausschuss entscheidet durch gesonderten Beschluss, dass die Vernehmung des Zeugen abgeschlossen ist. Die Entscheidung darf erst ergehen, wenn nach Zustellung des Vernehmungsprotokolls an den Zeugen zwei Wochen verstrichen sind oder der Zeuge auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet hat."

Gemäß § 26 Abs. 2 PUAG muss der UA darüber beschließen, wann die Vernehmung eines Zeugen abgeschlossen ist. Dies geschieht durch Beschluss in einer nicht öffentlichen Beratungssitzung (§ 12 Abs. 1 PUAG).176 Der Abschluss der Vernehmung kommt erst in Betracht, wenn dem Zeugen nach seiner Vernehmung das Vernehmungsprotokoll zugestellt wurde und seit der Zustellung zwei Wochen verstrichen sind oder vom Zeugen auf die Einhaltung dieser Frist verzichtet worden ist (§ 26 Abs. 2 S. 2 PUAG). Weiterhin ist erforderlich, dass der Zeuge nach § 26 Abs. 3 PUAG über die Voraussetzungen des Abschlusses der Vernehmung gemäß § 26 Abs. 2 PUAG belehrt worden ist. Dem Zeugen soll durch die Zustellung des Protokolls Gelegenheit gegeben werden, das Protokoll zu überprüfen, seine Tröndle/Fischer, StGB, § 353 b, Rn. 13. Tröndle/Fischer, StGB, § 153, Rn. 5 a. 173 Vgl. BT-Drs. 14/5790, S. 19. 174 BT-Drs. 14/9300, S. 85. Als Begründung wird angeführt, dass der formelle Abschluss der Vernehmung "aus Gründen der rechtlichen politischen Klarheit" üblich ist, was immer man darunter verstehen mag. 175 BT-Drs. 14/9300, S. 47, 49. 176 Z. B. hat der l. UA der 14. WP in seiner 125. (=Ietzten) Sitzung am 27. 6. 2002 den Abschluss der Vernehmungen der Zeugen Stoiber und Müntefering beschlossen. 17l

l72

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

147

Aussage, wie sie sich im Protokoll niedergeschlagen hat, ggfls. zu korrigieren und/ oder auf eine ergänzende Vernehmung hinzuwirken. § 26 PUAG lässt offen, in welcher Weise der Zeuge das Protokoll ändern kann. Betrachtet man das Protokoll lediglich unter dem Gesichtspunkt der Wiedergabe dessen, was gesagt wurde, so ist der Veränderungsspielraum sehr gering. Aus der Sicht der Beweisperson sollte aber diese die Gelegenheit haben, auch Änderungen in der Sache selbst, also sachliche Korrekturen aufgrund inzwischen zurückgekehrter Erinnerung oder aufgrund der Überprüfung von schriftlichen Unterlagen, z. B. Tenninkalendern, Vennerken, Rückfragen, vorzunehmen. So wurden die Zeugen vor dem 1. UA "Partei spenden" der 14. WP vom Ausschussvorsitzenden regelmäßig dahingehend belehrt, dass sie die Möglichkeit haben, sich das Protokoll zusammen mit ihrem Rechtsbeistand anzusehen und zu prüfen, ob Korrekturen oder Ergänzungen erforderlich sind. l77 Im bisherigen Verfahren wurden die Änderungen, die ein Zeuge nach der Überprüfung des Protokolls vorgenommen hat, an das vom stenographischen Dienst erstellte Protokoll angehängt. In der Regel beruhen die Korrekturen auf sinnentstellenden Übertragungsfehlern, Namensverwechslungen, z. B. Staatsanwaltschaft Würzburg anstelle Staatsanwaltschaft Augsburg. Sachliche Übertragungsfehler beruhen darauf, dass für die Protokollführung von der Bundestagsverwaltung auch Stenographen von den Landtagen der Bundesländer ausgeliehen werden, die mit den Fachthemen des Untersuchungsausschusses und den Namen der beteiligten Personen nicht so vertraut sind.

Es kommt auch vor, dass im Zusammenhang mit der Überprüfung des Protokolls vom Zeugen weitere Angaben zu Personen oder Schreiben gemacht werden, an die sich der Zeuge während der Vernehmung nicht erinnern konnte und deshalb versprach, den Sachverhalt zu überprüfen und ergänzende Angaben zu machen. 178 Oft sind es aber auch nur kleine redaktionelle Veränderungen ohne inhaltliche Ergänzung oder Korrektur der Aussage. Ist das Protokoll über die Aussage eines Zeugen VS-vertr. oder höher eingestuft, erhält der Zeuge Gelegenheit, diese in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einzusehen. Eine Kopie erhält der Zeuge aber nicht. 179 j) Die Vereidigung des Zeugen

Im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP haben die Mitglieder der SPD-Fraktion beantragt, den früheren Schatzmeister der CDU Leisler-Kiep, den Bundeskanzler a.D. Kohl und den hessischen Ministerpräsidenten Koch zu vereidigen. 180 Der 177 Vgl. stenographisches Protokoll der 99. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 15. 11. 2001, Nr. 99, S. 12. 178 Z. B. stenographisches Protokoll der 95. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 18. 10.2001, Nr.95. 179 Vgl. Beschluss Nr. 3 zum Verfahren des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 46 f. 180 BT-Drs. 14/9300, S. 82 f.; vgl. auch FAZ v. 28. 9. 2001, S. 5; Die Welt v. 28. 9. 2001, S. 2.

10*

148

G. Die Vernehmung der Zeugen

UA ist diesen Anträgen in den Sitzungen vom 27.10. und 15. 11. 2001 mehrheitlich gefolgt. 181 Alle genannten Zeugen haben vor dem Ausschuss den Eid verweigert, wobei die Ausschussmehrheit lediglich gegen den Zeugen Koch Ordnungsrnaßnahmen in Form der Auferlegung der durch die Eidesverweigerung entstandenen Kosten und der Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 510,00 € beschlossen hat. 182 Gegen den Ordnungsgeldbeschluss in der Fassung des Bescheids des Vorsitzenden des Ausschusses vom 30. 1. 2002 hat der Zeuge Koch unter dem 28. 2. 2002 Klage beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht mit dem Antrag, den Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben. 183 Daher ist die Frage virulent geworden, ob Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages generell die Befugnis haben, Zeugen und Sachverständige zu vereidigen und wie diese Rechtsfrage unter Berücksichtigung des PUAG für die Zukunft zu beantworten ist. Ausgangspunkt bei der Prüfung dieser Rechtsfrage bleiben Art. 44 GG und die sog. IPA_Rege1n I84 , die das Untersuchungsausschussrecht des Bundestages bis heute geprägt haben, obwohl diese Regeln nie Gesetz wurden, sondern lediglich in Form von Verfahrensbeschlüssen Untersuchungsausschüssen zugrundegelegt wurden. Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG verweist auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess für die Beweiserhebung. Die Verweisung bezieht damit § 59 StPO ein, der ein Vereidigungsgebot für Zeugen vorsieht, wenn Ausnahmen gesetzlich nicht vorgeschrieben (§§ 60, 62, 63, 65 StPO, § 49 Abs. 1 JGG) oder zugelassen (§ 61 StPO) sind. 18s Aus anderen Gründen darf von der Vereidigung nicht abgesehen werden. Im Gegensatz zu § 59 StPO bestimmt § 16 Abs. 4 der sog. IPA-Regeln, dass Zeugen und Sachverständige nur vereidigt werden sollen, wenn der UA wegen der Bedeutung der Aussage oder zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage es für erforderlich hält, wobei § 60 StPO Anwendung findet. Insoweit brachte § 16 Abs. 4 der sog. IPA-Regeln bereits Einschränkungen im Verhältnis zu § 59 StPO. In der Literatur wurde lebhaft diskutiert, ob das Vereidigungsgebot des § 59 StPO unter Berücksichtigung, dass durch Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG die Vorschriften über den Strafprozess nur sinngemäß Anwendung finden, auch für Vernehmungen von Zeugen und Sachverständigen vor Untersuchungsausschüssen gilt. EschenBT-Drs. 14/9300, S. 82 f. FAZ v. 25. 1. 2002, S. 1; SZ v. 25. 1. 2002, S. 6; Abschlussbericht des 1. VA der 14. Wp, BT-Drs. 14/9300, S. 83. 183 Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 83; vgl. auch Anlage zum Abschlussbericht: Dokument Nr. 28. 184 BT-Drs. V / 4209. 185 Meyer-Goßner, StPO, § 59, Rn. I. 181

182

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

149

burg l86 wies unter Bezugnahme auf den "Spielbanken-Prozess" vor dem Landgericht München 1187 darauf hin, dass parlamentarische Untersuchungsausschüsse keine Gerichte sind und die Aufklärung des Sachverhalts nicht wie bei Gerichten durch "unbeteiligte und uninteressierte Dritte" erfolgt. Er plädierte dafür, bei einer Reform des Verfahrens für parlamentarische Untersuchungsausschüsse das Recht der Eidesabnahme einem Richter vorzubehalten mit der Folge, dass ein Richter allein oder zusammen mit zwei richterlichen Beisitzern, die alle nicht dem Parlament angehören dürfen, den Vorsitz führen sollen. Rinck 188 verwies darauf, dass die Vereidigung von Zeugen durch einen parlamentarischen UA im Prinzip für zulässig erachtet wird. Problematisch erschienen nur die Fälle der Vereidigung von Auskunftspersonen, die sich vor dem UA praktisch in der Stellung eines Beschuldigten befinden, wofür die "Skandal-Enqueten", die sich von vornherein gegen bestimmte Personen richten, ein klassisches Beispiel sind. Der vom Rechtsstaatsprinzip gedeckte und in ihm enthaltene Grundsatz "nemo tenetur se ipsum acussare" besage, dass einer Verhörsperson in einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren, gegen die ein hinreichender strafrechtlich relevanter Tatverdacht besteht, ebenso wie im Strafverfahren nicht die Rolle eines Beweismittels gegen sich selbst zufallen darf. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz sei verletzt, wenn ein Verdächtiger willkürlich in die Rolle eines Zeugen gegen sich selbst gedrängt, als solcher beeidigt und dann wegen Meineids zur Rechenschaft gezogen werden solle. In diesem Fall wäre außerdem ein aus dem Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hinausfallender rechtsstaatswidriger Angriff auf das Recht des Betroffenen auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) gegeben. 189 Die Enquetekommission Verfassungsreform hat in ihrem Schlussbericht 1976 190 für ein neu zu schaffendes Gesetz über Einsetzung und Verfahren vor Untersuchungsausschüssen des Bundestages gefordert, dass auf die Beeidigung von Zeugen und Sachverständigen verzichtet werden sollte. Zur Realisierung dieser und weiterer Empfehlungen hat die Kommission eine Neufassung des Art. 44 GG vorgeschlagen l91 , der es dem Gesetzgeber gestatten sollte, das Nähere durch ein Bundesgesetz zu regeln. Zur Begründung des Verzichts auf eine Vereidigung hat die Kommission angeführt, dass im UA der Betroffene eine völlig andere Stellung als ein Zeuge im Gerichtsverfahren hat und der UA sich von der Unbefangenheit eines Gerichts unterscheidet. Vielmehr sei der UA als "befangen" im Sinne einer partei186 Eschenburg, Der Eid vor dem Untersuchungsausschuss, in: Institutionelle Sorge in der Bundesrepublik, Politische Aufsätze 1957 bis 1961, S. 119 ff., 120. 187 Urteil v. 8. 8. 1959; vgl. auch BGHSt 17, 128; Versteyl, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 32 m. w. N. 188 Rinck, DVBI. 1964, S. 706 ff. 189 Rinck, DVBI. 1964, S. 706 ff., 708, 710. 190 BT-Drs. 7/5924, S. 50. 191 BT-Drs. 7/5924, S. 51.

150

G. Die Vernehmung der Zeugen

politischen Interessenbindung anzusehen. Für den Fall, dass die Vereidigung nicht abgeschafft werden sollte, empfahl die Kommission eine Eidesabnahme nachträglich außerhalb der Sitzung auf die schriftliche Aussage des zu Vereidigenden, um zu gewährleisten, dass der Betroffene nicht in der besonderen Atmosphäre der Ausschussverhandlung mit ihrer Turbulenz und ihren vielfältigen politischen Spannungen zur Eidesleistung gezwungen wird. 192 Quaas/Zuck l93 haben die Vereidigungsbefugnis VOn Untersuchungsausschüssen verfassungsrechtlich außer Frage gestellt. Die eidliche Zeugenvemehmung ist nicht ausschließlich ein der dritten Gewalt zugeordnetes Rechtsinstitut, wenngleich sie einräumen, dass das Mittel der Vereidigung in der Hand von Untersuchungsausschüssen fragwürdig ist, da dieses Gremium anders als ein Gericht auch von parteipolitischen Interessen und Bindungen seiner Mitglieder beherrscht wird. Vetter 194 bejaht ebenfalls das Recht der Vereidigung von Zeugen durch einen UA und verweist insoweit auf das Berliner Untersuchungsausschussgesetz und weitere landesrechtliche Regelungen. Ebenso geht Kipke 195 davon aus, dass der UA durch die sinngemäße Anwendung der strafprozessualen Bestimmungen die Kompetenz erhalten hat, Zeugen und Sachverständige zu vereidigen, wenn auch die Enqueten des Bundestages VOn dieser Befugnis nur in geringem Umfange Gebrauch gemacht hätten. Güther / Seiler 196 halten hingegen Vereidigungen von Zeugen und Sachverständigen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages für unzulässig, da sie keine zur Abnahme VOn Eiden zuständige Stelle sind. Sie meinen, dass der Wortlaut des § 16 Abs. 4 der sog. IPA-Regeln mit § 59 StPO nicht vereinbar ist. Grundsätzlich weisen sie darauf hin, dass die Vereidigung im Strafprozess vor dem Hintergrund zu sehen ist, dass dem Gericht ein Verfahren an die Hand gegeben werden soll, "für seine mit weitreichenden rechtlichen Konsequenzen verbundene Entscheidung eine verfestigte Überzeugung von der Richtigkeit einer Zeugenaussage als Tatsachengrundlage zu gewinnen".197 Die Unterschiede zwischen dem Untersuchungsausschussverfahren und dem gerichtlichen Verfahren würden eine Vereidigung im Untersuchungsausschussverfahren verbieten. Dies habe sich inzwischen zum Gewohnheitsrecht in Untersuchungsausschüssen herausgebildet. Dagegen folgert Schneider 198 aus der Verweisung des Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess, dass Zeugen und Sachverständige gege192 BT-Drs. 7/5924, S. 55. 193 194 195 196 197 198

QuaaslZuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1878. Vetter, ZPari 1988, S. 70 ff., 75. Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 59. Güther I Seiler, NStZ 1993, S. 305 ff., 311. GütherlSeiler, NStZ 1993, S. 305 ff., 307. Schneider, in: Wassermann (Hrsg.), Art. 44, Rn. 15.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

151

benenfalls nach den Vorschriften der Strafprozessordnung zu vereidigen sind, wobei bei Missstandsenqueten freilich § 60 StPO zu beachten und von der Vereidigungsmöglichkeit äußerst zurückhaltend Gebrauch zu machen ist. Wiefelspütz 199 widerspricht der Argumentation von Güther / Seiler. Er räumt ein, dass die Tatsache, dass in Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages seit mehr als drei Jahrzehnten Zeugen nicht vereidigt wurden, eine beachtliche Parlamentspraxis geschaffen habe, die aber noch nicht Gewohnheitsrecht darstelle, weil es an der Überzeugung fehle, dass im Widerspruch zum Wortlaut der IPA-Regeln der Verzicht über die Vereidigung rechtlich geboten sei. Vielmehr ist Wiefelspütz der Ansicht, in den Beschlüssen des Parteispendenuntersuchungsausschusses, die Zeugen Leisler-Kiep und Koch zu vereidigen, manifestiere sich schlüssig die in Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages mehrheitlich nie in Frage gestellte Rechtsüberzeugung, dass Untersuchungsausschüsse befugt sind, Zeugen und Sachverständige zu vereidigen. Hier übersieht allerdings Wiefelspütz ebenso wie ein Mitglied des 1. UA "Parteispenden" der 14. Wp2OO , der sich im Zusammenhang mit der Vereidigung von Leisler-Kiep gegen den Vorwurf des Rechtsbruchs, den der Obmann der CDU / CSU-Fraktion in einem Zeitungsbericht erhoben hatte,201 verwahrte, dass in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Plutonium-Untersuchungsausschusses202 folgendes festgestellt ist, nachdem drei vorausgegangene Anträge der SPD-Fraktion auf Vereidigung von Zeugen jeweils mit Stimmengleichheit abgelehnt worden waren: "Ausschlaggebend für die Ablehnung der Anträge sei aber die zum Gewohnheitsrecht erstarkte ständige Übung im Deutschen Bundestag, wonach Zeugen durch Untersuchungsausschüsse nicht vereidigt würden. In den ersten Wahlperioden seien zwar insgesamt drei Zeugen vereidigt worden, danach seien aber keine Vereidigungen mehr erfolgt. Entsprechende Anträge seien regelmäßig abgelehnt worden und zwar in den letzten Wahlperioden ausdrücklich mit dem Hinweis, dass eine Vereidigung gegen die Verfahrenspraxis im Deutschen Bundestag verstoße. Anders als in Strafprozessen sei im Untersuchungsausschussverfahren das Mittel der Zeugen vereidigung zur Erzielung einer wahrheitsgemäßen Aussage nicht erforderlich. Die drei zur Entscheidung anstehenden Fälle wiesen auch keinerlei Besonderheiten auf, die Veranlassung geben könnten, von der bisherigen Parlamentspraxis abzuweichen."

Insoweit gingen also bereits in der 13. WP zumindest die damaligen Ausschussmitglieder aus den Koalitionsfraktionen von CDU / CSU und ED.P. mit ihrem damaligen Berichterstatter von einer zum Gewohnheitsrecht erstarkten ständigen Übung des Deutschen Bundestages aus, wonach Zeugen durch Untersuchungsausschüsse nicht zu vereidigen sind. Zur Ergänzung wurde darauf hingewiesen, dass das Verfahren eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses anderen

199 200 201 202

Wiejelspütz. ZRP 2002, S. 14 ff., 15. SZ v. 19. 10.2001, S. 8. Vgl. FAZ v. 17. 10.2001, S. 16. BT-Drs. 13/10800, S. 42.

152

G. Die Vernehmung der Zeugen

Zwecken dient als das Strafverfahren und deshalb das in der StPO normierte Regel-Ausnahmeverhältnis für die Zeugenvereidigung im Untersuchungsverfahren nicht zur Anwendung kommt, wie auch die Parlamentspraxis zeigte. Letztendlich hielt Wiefelspütz den l.UA der 14. WP des Deutschen Bundestages grundsätzlich für befugt, Zeugen und Sachverständige zu vereidigen, wobei er allerdings einräumte, dass im Falle des Zeugen Leisler-Kiep der Ausschuss § 60 Nr. 2 StPO nicht rechtsfehlerfrei angewendet hat. 203 Maurer204 bezeichnet es als herrschende Meinung, dass zur Durchführung der Sachverhaltsermittlung den Untersuchungsausschüssen die Beweismittel der StPO zur Verfügung stehen und diese Zeugen vorladen, vernehmen und auch vereidigen können. Er räumt allerdings ein, dass die entsprechende Anwendung der StPO-Vorschriften zahlreiche Probleme aufwirft, da die Gefahr besteht, dass der politische Gegner durch die Vereidigung "hereingelegt" und einem anschließenden strafrechtlichen Meineidsverfahren ausgeliefert wird. 205 Rixen 206 kommt zu dem Ergebnis, dass weder Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG noch das PUAG des Bundes noch die bis zum Inkrafttreten des PUAG geltenden Regeln für das UA-Verfahren einer Vereidigung von Zeugen im 1. UA der 14. WP grundsätzlich entgegenstünden, wenn auch im Einzelfall zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen für eine Vereidigung gegeben sind und ob bei Vorliegen der Voraussetzungen die Vereidigung zweckmäßig sei. Das Gebot der politischen Klugheit könne dagegen sprechen. Ramm207 ist hingegen der Ansicht, dass die auf Grund der Gewaltenteilung bestehenden grundlegenden Unterschiede zwischen dem Beweisverfahren der Judikative und der Aufklärungsarbeit von Organen der Legislative zwingend dagegen sprächen, die verfassungsrechtlich gebotene Anwendung der Strafprozessordnung auch auf die §§ 59 ff. StPO zu erstrecken. Zur Begründung verweist Ramm auf § 161 aStPO, der die eidliche Vernehmung allein dem Richter vorbehält, während der Staatsanwaltschaft das Recht zur Vereidigung ausdrücklich abgesprochen ist. Umgekehrt gilt ein Vereidigungsverbot bei Zeugen, die der Tat, welche den Gegenstand der Untersuchung bildet oder der Beteiligung an ihr verdächtig oder deswegen bereits verurteilt sind. Diese strukturellen Unterschiede im Verfahren schlössen eine Anwendung der Vereidigungsvorschriften im Untersuchungsausschussverfahren aus. WieJelspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 18. Maurer, Staatsrecht I, S. 465, Rn. 148. 205 sog. Meineidsfalle, wie beim sog. Spielbanken-Ausschuss des Bayerischen Landtages, BGHSt 17, 128 ff.; vgl. auch Versteyl, in: v. Münchl Kunig, Art. 44, Rn. 32, der sich für eine Abschaffung der Vereidigung von Zeugen in einem UA ausspricht. 206 Rixen, JZ 2002, S. 435 ff., 441. 203

204

207 Hamm, ZRP 2002, S. 11 ff., 12; so im Ergebnis auch Groß, ZRP 2002, S. 91 f., der den Verweis von Hamm auf die strukturellen Unterschiede zwischen Strafprozess und UA-Verfahren allerdings nicht für überzeugend erachtet und deshalb allein auf die Änderung von § 153 StGB abstellt.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

153

Auch die Rechtsprechung hat sich mit der Frage der Vereidigung von Zeugen im Untersuchungsausschussverfahren in mehreren Entscheidungen befasst. Sehr häufig wird bei der Erörterung der Frage, ob Untersuchungsausschüsse berechtigt sind, Zeugen zu vereidigen, auf die Entscheidung des BGH vom 19. 2. 1960 verwiesen?08 Mit dieser Entscheidung überprüfte der BGH das Urteil des Landgerichts München I vom 8. 8. 1959 im sog. "Spielbanken-Prozess", in dem mehrere Angeklagte wegen Meineids bezüglich der Aussage vor einem UA des Bayerisehen Landtages verurteilt worden waren. Allerdings ist hinsichtlich dieses Urteils darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung für die Lösung der Frage, ob Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages Zeugen vereidigen dürfen, nichts hergibt. Denn verfassungsrechtliche Grundlage für die Vereidigung von Zeugen vor einem UA des Bayerischen Landtages ist Art. 25 BayVerf. Ein UA des Bayerischen Landtages darf nach Art. 25 Abs. 2 BayVerf "in entsprechender Anwendung der StPO alle erforderlichen Beweise erheben, auch Zeugen und Sachverständige vorladen, vernehmen, beeidigen .,. ". Deshalb ist die einzige Entscheidung des BGH, die eine Verurteilung wegen eines vor einem UA begangenen Meineids betrifft, ohne Aussagekraft für die Frage, ob Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages zu einer eidlichen Vernehmung von Zeugen befugt sind. 209 Ausdrücklich hat der Hessische Staatsgerichtshof in seinem Urteil vom 9. 12. 1998 210 das Recht von Untersuchungsausschüssen bejaht, Zeugen zu vereidigen. "Aus dem Verfassungsgebot der Effektivität parlamentarischer Untersuchungsverfahren folgt, dass Untersuchungsausschüssen bei der Sachverhaltsaufklärung die Abnahme des Zeugeneids als Mittel der Wahrheitsfindung grundsätzlich zu Gebote steht. Die Verweisung in Art. 92 Abs. 3 Hessische Verfassung auf die Bestimmungen der StPO für die Beweiserhebung erstreckt sich demgemäß befugnisbegründend, wie auch befugnisbegrenzend auf die strafprozessualen Vorschriften über die Zeugen vereidigung, soweit deren Anwendung im Einzelfall dem Sinn und Zweck des Untersuchungsausschussverfahrens entspricht"? 11 Diese Begründung hat die Ausschussmehrheit im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP benutzt, um die Vereidigung des hessischen Ministerpräsidenten Koch zu begründen. Pikant ist in diesem Zusammenhang, dass die Entscheidung des hessisehen Staatsgerichtshofs auf Betreiben von Abgeordneten der Fraktionen der CDU und der FDP im Hessischen Landtag ergangen war, die eine Verletzung ihrer Rechte aus Art. 92 Hessischer Verfassung gerügt hatten. Dass der hessische UA zur Überprüfung rechtswidriger Finanzierungspraktiken der CDU Hessen 212 die Vereidigung des dort vernommenen Zeugen Koch beschließen wird, nicht zu erwarten. 208

209 210 211 212

BGHSt 17, 128 ff. Hamm, ZRP 2002, S. 11. HessStGH, DVBI. 1999, S. 711 ff. = NVwZ-RR 1999, S. 483 ff. HessStGH,DVBI.1999.S. 711 ff., 713 = NVwZ-RR 1999,S.483ff.,484. LT-Drs. 15/982, Plenarprotokolll5/30.

154

G. Die Vernehmung der Zeugen

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung bisher davon ausgegangen ist, dass auch Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestags berechtigt sind, Zeugen zu vereidigen, da durch die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG auf die Vorschriften über den Strafprozess auch das Vereidigungs gebot des § 59 StGB erfasst wird. Stichhaltige Gründe, die gegen eine Vereidigung im Untersuchungsausschussverfahren sprechen würden, liegen in der Tat nicht vor. Allein der Hinweis, dass nur Gerichte vereidigen dürfen, ist nicht durchgreifend, da auch andere Behörden Vereidigungen vornehmen, z. B. bei Amtseiden, Vereidigungen im Zulassungs- und Überprüfungsverfahren (Art. 56, 64 Abs. 2 GG) oder bei der Vereidigung von Soldaten, worauf Wiefelspütz zutreffend hinweist. 213 Es fragt sich daher, ob die Vereidigungsbefugnis durch Untersuchungsausschüsse des Bundestages nach Inkrafttreten des PUAG214 fortbesteht. Ausgangspunkt der Überlegungen muss bleiben, dass der Bundestag im Zusammenhang mit der Verabschiedung des PUAG keine Änderung der Verfassung, nämlich des Art. 44 GG, vorgenommen hat. Das PUAG ist daher, soweit es um die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess geht, nur eine Interpretation des Art. 44 GG?15 Es hätte nahe gelegen, aus Gründen der Rechtssicherheit in § 24 Abs. 1 PUAG klarzustellen, dass "Zeugen einzeln und in Abwesenheit der später zu hörenden Zeugen" uneidlich "zu vernehmen sind". Der Gesetzgeber hätte als Selbstbeschränkung seiner Kompetenzausübung ohne weiteres durch einfachrechtliche Regelung eine eidliche Vernehmung von Zeugen im UA ausschließen können. Der Verzicht auf die Vereidigung von Zeugen bei Vernehmungen durch Untersuchungsausschüsse des Bundestages ergibt sich nur mittelbar aus Art. 2 PUAG und der Gesetzesbegründung zu § 24 PUAG. Die Begründung lautet wie folgt: "Auf eine mögliche Vereidigung von Zeugen durch einen UA soll ausdrücklich verzichtet werden. Zum einen entspricht ein ausdrücklicher Verzicht der ständigen Praxis der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages. Die gesetzliche Festschreibung widerspricht aber auch nicht der strafverfahrensrechtlichen Praxis, da auch die Gerichte zunehmend von Vereidigungen absehen. Eine mögliche Strafbarkeit wegen falscher uneidlicher Aussage bleibt durch die vorgeschlagene Änderung von § 153 StGB gewährieistet,,?16 213 Wiejelspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 15. 214 Vgl. zum Inkrafttreten des Gesetzes nach Art. 3 PUAG: Rixen (JZ 2002, S. 435 ff., 437) meint, dass § 153 StGB n. F. erst mit der nach dem 26. 6. 2001 erfolgenden Einsetzung eines Untersuchungsausschusses in Kraft tritt, während Wiejelspütz (ZRP 2002, S. 14 ff., 18) vom Inkrafttreten des PUAG am 26. 6. 2001 ausgeht; Groß (ZRP 2002, S. 91) ist der Ansicht, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 3 S. 2 PUAG herleiten lässt, dass die in Art. 2 PUAG geänderte Strafnorm bereits in Kraft getreten ist. 215 Wiejelspütz. ZRP 2002, S. 14 ff., 17 unter Hinweis auf Schneider, 57. DJT I, 1988, S. E 5, 121 ff., vgl. auch Hamm, ZRP 2002, S. 11 ff., 12, der vor dem Hintergrund des unverändert fortgeltenden Art. 44 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber nur das Recht einräumt, im Rahmen einer Auslegung des geltenden Verfassungsrechts die Vereidigung eines Zeugen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundestages einfachrechtlich auszuschließen.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

155

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber durch Art. 2 PUAG eine Änderung des § 153 StGB vorgenommen hat, mit der jetzt klargestellt wurde, dass den in § 153 StGB genannten Stellen ein UA eines Gesetzgebungsorgans des Bundes oder eines Landes gleichsteht. Eine entsprechende Änderung des § 154 StGB ist nicht erfolgt. Daraus folgt der Wille des Gesetzgebers, dass künftig bei Untersuchungsausschüssen keine Vereidigung von Zeugen mehr stattfindet und deshalb Zeugen vor ihrer Vernehmung auf die Möglichkeit der Vereidigung nicht mehr hinzuweisen sind. Dieser Verzicht auf die Vereidigung hat aber keine Art. 44 Abs. 2 S. 1 GG berührende Wirkung, sondern ist nichts anderes als eine Selbstbindung des Parlaments, auf die Vereidigung von Zeugen und Sachverständigen in künftigen Untersuchungsausschüssen zu verzichten?17 7. Die Strafbarkeit einer Falschaussage Ein Zeuge hat nicht nur die Pflicht, auf Ladung durch den UA zu erscheinen

(§ 20 Abs. 1 S. 1 PUAG). Vielmehr ist der Zeuge auch verpflichtet, wahrheitsge-

mäß auszusagen?18 Im Strafprozess kommt im Unterschied zum Untersuchungsausschussverfahren als weitere Pflicht hinzu, dass der Zeuge auf Verlangen seine Aussage auch zu beeidigen hat. Bei diesen Pflichten handelt es sich um staatsbürgerliche Pflichten, die die StPO nicht begründet, sondern voraussetzt. 219 Die Frage der Strafbarkeit einer Aussage vor einem UA nach § 153 StGB entscheidet sich nicht nur danach, ob die Verhörsperson vor den UA als Zeuge geladen und auch eine entsprechende Belehrung vorgenommen worden ist. Entscheidend ist nämlich nicht die Stellung, die der Vernommene im UA formell innehat, sondern welche Stellung der angehörten Person sachlich zukommt. Dies hängt wiederum in erster Linie von dem Untersuchungsauftrag ab. 22o Befand sich ein Zeuge bei seiner Anhörung in einer einem Beschuldigten im Strafverfahren ähnlichen Stellung, kann seine Aussage nicht als die eines Zeugen im strafrechtlichen Sinne gewertet werden. 221 Die Wahrheitspflicht des Zeugen erfährt eine weitere Einschränkung dadurch, dass der äußere Tatbestand des § 153 StGB stets nur solche Falschaussagen einer 216 BT-Drs. 14/5790, S. 19; Rixen (JZ 2002, S. 435 ff., 436/437, Fn. 11) deutet die absichtsvolle Nichtregelung "als vertretbare (und abschließende) Ausgestaltung der "sinngemäßen" Anwendbarkeit der Vorschriften über den Strafprozess". 217 Wiejelspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 17. 218 Meyer-Goßner, StPO, Vor § 48, Rn. 5. 219 BVerfGE 49,280 ff., 284; BVerfGE 76, 363 ff., 383 (Lappas-Entscheidung). 220 BGHSt 10, 8 ff., 12 ff. 128 ff.; Wagner, GA 1976, S. 257 ff., 271; Gollwitzer; in: FS für Dünnebier, S. 327 ff., 336, 338. 22l So die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bonn in dem Ermittlungsverfahren gegen Schalck-Golodkowsky, Az.: 50 Js 855/94, das aufgrund einer Anzeige des MdB Neumann v. 29. 9. 1994 eingeleitet worden war.

156

O. Die Vernehmung der Zeugen

Beweisperson erfasst, "die nach den für den fraglichen Prozess geltenden Regeln den Gegenstand ihrer Vernehmung und damit ihrer Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aussage betreffen".222 Dieser Grundsatz, der für die Vernehmung vor Gericht aufgestellt worden ist, gilt entsprechend für die Vernehmungen vor einem UA. 223 Der UA darf die Aussagepflicht einer Auskunftsperson nicht erweitern. 224 Daher werden außerhalb des Untersuchungsauftrags liegende Tatsachen nicht von der Aussagepflicht erfasst, was zur Folge hat, dass eine falsche Aussage des Zeugen straflos bleibt. 225 Im Hinblick auf die Vernehmungssituation in Untersuchungsausschüssen kann eine Strafbarkeit wegen uneidlicher Falschaussage entfallen, wenn bei der Vernehmung verbotene Vernehmungsmethoden nach § 136 aStPO, der gemäß § 24 Abs. 6 PUAG entsprechend anzuwenden ist, in solcher Ausprägung angewendet worden sind, dass die "Aussage" im Ergebnis nur als widerwillige oder willenlose Hinnahme eines fremden Diktats erscheint. 226 Zusammenfassend ist festzustellen, dass falsche Aussagen vor einem parlamentarischen UA nur dann strafbar sind, wenn das Parlament einen formell und materiell verfassungsmäßigen Einsetzungsbeschluss gefasst hat, der UA innerhalb der durch den Einsetzungsbeschluss gezogenen Grenzen ermittelt und die bekundeten Tatsachen vom jeweiligen Beweisbeschluss erfasst werden?27

a) Die bisherige Regelung Nach § 153 StGB a.F. macht sich strafbar, wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch ausgesagt hat. Wie bereits dargelegt ist ein parlamentarischer UA kein Gericht. 228 Daher stellt sich für die Prüfung der objektiven Tatbestandsmerkmale des § 153 StGB a.F. die Frage, ob ein UA des Bundestages aufgrund der Verweisung in Art. 44 GG eine zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständige Stelle ist. In der Literatur wurde die Meinung vertreten, dass ein im Rahmen der Zuständigkeit des Parlaments und dessen Einsetzungsbeschlusses vorgehender parlamentarischer UA eine zur eidliBOHSt 25, 244, 246. OLO Koblenz, StV 1988, S. 531. 224 Vgl. Art. 2 Abs. 2 BayUAO (BayOVBlI970, S. 95 ff.). 225 BOHSt 25, 246; kritisch zu der Entscheidung Rudolphi, JR 1974,293 ff.; Wagner, OA 1976, S. 257 ff., 273; Tröndle/Fischer, StOB, § 153, Rn. 3; vgl. auch Versteyl, in: v. Münchl Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 38. 226 OLO Köln, NJW 1988, S. 2485 ff., 2486; LK-Willms, StOB, § 153, Rn. 31; vgl. auch Ausführungen zu O. I. 6. e) bb). 227 Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 187. 228 Vgl. Ausführungen zu D. VI. 222 223

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

157

chen Vernehmung zuständige Stelle ist. 229 Insoweit kann aber für die Literaturmeinung die erwähnte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus den genannten Gründen nicht herangezogen werden?30 Die Rechtsprechung ist uneinheitlich. Das Oberlandesgericht Köln setzt sich in seinem Beschluss vom 9. 10. 1987231 mit der Frage, ob ein UA eine andere zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständige Stelle ist, nicht auseinander, sondern prüft lediglich, ob die Anwendung von verbotenen Vernehmungs methoden bei einer Zeugenvernehmung vor einem UA die Strafbarkeit wegen falscher uneidlicher Aussage entfallen lässt. Kritischer ist das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Urteil vom 23.6. 1987. Das OLG Koblenz führt aus, dass es bereits starken Bedenken unterliegt, ob die dem Angeklagten zur Last gelegten Äußerungen vor einer zur Vernehmung "zuständigen Stelle" (§ 153 StGB) erfolgt sind. Dies gilt insbesondere, wenn der UA bei der strittigen Fragestellung seinen Aufgabenkreis überschritten haben könnte. 232 Mit der aufgeworfenen Frage hat sich auch die Staatsanwaltschaft Berlin in dem Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten Schäuble und Baumeister nicht befasst?33 Gegenstand dieses Ermittlungsverfahrens war der Vorwurf, am 13.4., 28. und 29.8.2000 (Schäuble) bzw. am 14.4.,28. und 29.8.2000 (Baumeister) als Zeugen vor dem 1. UA "Partei spenden" des Deutschen Bundestages, deren Vernehmungen am 26. 10. 2000 formal abgeschlossen waren, im Bezug auf die Übergabemodalitäten der 100.000,00 DM-Spende des Lobbyisten Schreiber bewusst die Unwahrheit gesagt zu haben. In der Einstellungsverfügung vom 24. 10. 2001 234 setzt sich die Staatsanwaltschaft Berlin auf fast 100 Seiten mit dem Wahrheitsgehalt der jeweils vor dem 1. UA gemachten Angaben der bei den Beschuldigten auseinander, ohne die Frage zu prüfen, ob ein UA überhaupt eine zur eidlichen Vernehmung zuständige Stelle im Sinne des § 153 StGB a.F. ist. Zur Prüfung dieser Frage hätte gerade im Hinblick auf die Ausführungen von Güther / Seiler235 Anlass bestanden. Auch beim Zeugen Leisler-Kiep hat der 1. UA der 14. WP beschlossen, die stenographischen Protokolle der Vernehmung des Zeugen der zuständigen Staatsanwaltschaft Berlin zuzuleiten, um den Verdacht der Falschaussage überprüfen zu lassen?36 Ein Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist bisher nicht erfolgt. 229 Tröndle/Fischer; StGB, § 153, Rn. 2 unter Hinweis auf Wagner; GA 1976, S. 257 und BGHSt 17, 128 ff.; a.M. Güther/Seiler; NStZ 1993, S. 305 ff., 308; Vonnbaum, JZ 2002, S. 166 ff., 168. 230 Vgl. Ausführungen zu D. VI. 231 OLG Köln, NJW 1988, S. 2485 ff. 232 OLG Koblenz, StV 1988, S. 531. 233 Ermittlungsverfahren gegen Schäuble, Az.: 74 Js 91/01 StA Berlin, Ermittlungsverfahren gegen Baumeister, Az.: 74 Js 201 /00 StA Berlin. 234 Vgl. FAZ v. 2.11. 2001, S. 1,2 und v. 3. 11. 2001, S. 12. 235 Güther / Seiler; NStZ 1993, S. 305 ff. 236 FR V. 6.11. 2001, S. 4; Der Tagesspiegel v. 6.11. 2001, S. 7.

G. Die Vernehmung der Zeugen

158

b) Die Neufassung des § 153 StGB Die Zweifel daran, ob ein UA eine zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständige Stelle ist und § 153 StGB damit auf Falschaussagen vor einem UA anwendbar ist, wurden durch Art. 2 des PUAG beseitigt. 237 Nach Art. 2 PUAG wurde § 153 des Strafgesetzbuches in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 238 , das zuletzt durch Art. 3 des Gesetzes vom 2. August 2000 239 geändert worden war, wie folgt geändert: ,,1. Der bisherige Wortlaut wird Abs. 1. 2. Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 2 eingefügt: ,,(2) Einer in Abs. 1 genannten Stelle steht ein UA eines Gesetzgebungsorgans des Bundes

oder eines Landes gleich."

Zur Begründung wird hierzu ausgeführt: "Da auf eine Bestimmung über die mögliche Vereidigung eines Zeugen durch den Untersuchungsausschuss verzichtet worden ist, musste die Strafvorschrift über die falsche uneidliche Aussage (§ 153 StGB) angepasst werden".24o Diese Begründung überzeugt nicht, dient aber der KlarsteIlung. Es war bereits bisher strittig, ob ein UA des Bundestages einen Zeugen vereidigen darf. Es ist nicht zu verkennen, dass die Zulässigkeit der Vereidigung von Zeugen vor einem parlamentarischen UA des Bundestages von der h.M. anerkannt wurde. 241 Von dieser Befugnis wurde aber praktisch kein Gebrauch gemacht. Im KoKo-UA 242 wurde vom UA kein Zeuge vereidigt. Der UA war aber der Ansicht, dass die Vereidigung - auch wenn parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages diese Befugnis nur selten ausgeübt haben - rechtlich zulässig ist, wegen der unterschiedlichen Zielsetzung von Straf- und Untersuchungsverfahren diese zur Erzielung zweifelsfreier Aussagen aber nicht geboten ist. 243 Demgegenüber hat der Plutonium-UA von einer zum Gewohnheitsrecht erstarkten ständigen Übung im Deutschen Bundestag gesprochen, wonach Zeugen durch Untersuchungsausschüsse nicht vereidigt würden. 244 Entgegen dieser Praxis hat der 1. UA der 14. WP die Vereidigung der Zeugen Leisler-Kiep, Kohl und des hessischen Ministerpräsidenten Koch beschlossen und

237 238 239 240 241 242 243 244

BT-Drs. 14/5790, S. 10. BGBl. 1998, Teil I, S. 3322. BGBl. 2000, Teil I, S. 1253. BT-Drs. 14/5790, S. 21. Vgl. Ausführungen zu G. I. 6. j). Vgl. Ausführungen zu C. und G.1. 5. BT-Drs. 12/7600, S. 48. BT-Drs. 13/10800, S. 42; vgl. Ausführungen zu G. I. 6. j).

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

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den Eid abnehmen wollen, obwohl der Obmann der CDU-CSU-Fraktion sich gegen die Vereidigung von Zeugen vor einem UA ausgesprochen hatte. 245 Wenn aber die Nichtvereidigung gewohnheitsrechtlich feststand, dann war ein UA keine zur eidlichen Vernehmung zuständige Stelle mit der Folge, dass eine Strafbarkeit wegen uneidlicher Falschaussage bisher nicht gegeben war. Aus diesem Grund wird erst durch die Neuregelung des § 153 Abs. 1 und Abs. 2 StGB eine Strafbarkeit wegen uneidlicher Falschaussage vor einem UA des Bundes oder eines Landes begründet.

8. Der Rechtsschutz für Zeugen

Gegen Maßnahmen parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gibt es für den Bürger nur teilweise effektiven Rechtsschutz, obwohl die Eingriffsbefugnisse des Ausschusses und die teilweise erhebliche Brisanz von Untersuchungsverfahren für Zeugen gerichtlichen Rechtsschutz in vollem Umfange notwendig erscheinen lassen?46 Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG bestimmt abweichend von der grundsätzlichen Justitiabilität staatlicher Hoheitsakte gemäß Art. 19 Abs. 4 GG, dass Wertungen und Aussagen der Untersuchungsausschüsse gerichtsfrei sind. Dies gilt insbesondere für Feststellungen im Abschlussbericht. 247 Hier "spiegelt sich das Spannungsverhältnis zwischen der Effektivität des parlamentarischen Untersuchungsrechts und dem Grundrechtsschutz des Individuums wider,,248. Privatpersonen können aber durch eine Reihe von Maßnahmen eines Untersuchungsausschusses in ihren subjektiven Rechten beeinträchtigt werden. Als potentiell Individualrechte verletzende Akte kommen insbesondere in Betracht: Mitteilungen durch den Ausschussvorsitzenden oder Mitglieder des Untersuchungsausschusses an die Öffentlichkeit (zu jedem Verfahrenszeitpunkt), - durch die Art und Weise der Beweiserhebung (Beweisbeschluss, Zeugenladung, Aktenanforderung von Behörden, Aufforderungen an Private zur Vorlage von Unterlagen, Zwangsvorführung, Erzwingungshaft, Beschlagnahme- und Durchsuchungsanordnung), - Ordnungsrnaßnahmen, - der Abschlussbericht.

Schmidt, FAZ v. 17. 10.2001, S. 16. Masing, Parlamentarische Untersuchungen gegenüber Privaten?, in: Der Staat 1988, S. 272 ff., 280; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, 1988, (Beiträge zum Parlamentsrecht, Bd. 16), S. 82. 247 Vgl. Ausführungen zu D. 11. 248 v. MangoldtlKleinlAchterberglSchulte, Art. 44, Rn. 188; vgl. auch Kästner, NJW 1990, S. 2649 ff. 245

246

160

G. Die Vernehmung der Zeugen

Selbst unter Berücksichtigung der Effektivität des parlamentarischen Untersuchungsrechts bleiben Fragen nach den Grenzen der Gerichtsfreiheit gemäß Art 44 Abs. 4 GG. Die Väter des Grundgesetzes wollten einerseits aus Gründen der Rechtssicherheit durch die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess eine Beweiserhebung in einem förmlichen Beweisverfahren erreichen, andererseits die politische Bewertung der festgestellten Tatsachen der richterlichen Kontrolle entziehen. Daher kann sich die Injustitiabilitätsregelung in Art. 44 Abs. 4 GG als Ausnahme von Art. 19 Abs. 4 GG nur auf den Rechtsschutz gegen Wertungen und Aussagen im Schluss bericht des Untersuchungsausschusses beziehen, selbst dann, wenn die öffentliche Gewalt jemanden in seinen Rechten verletzt. 249 Dies gilt aber nicht für Maßnahmen mit unmittelbarer Rechtswirkung gegen Betroffene, wie Zeugenladung, Ordnungsgeldverhängung oder Beschlagnahme, gegen die bereits vor Inkrafttreten des PUAG alle Rechtsmittel aus der StPO, ZPO bzw. VwGO zur Verfügung standen?50 Fraglich bleibt weiter, ob Art. 44 Abs. 4 GG auch dann den Rechtsschutz versagt, wenn der UA bei der Abfassung des Schlussberichts Grundrechte von Privatpersonen verletzt und daher bei der Frage des Rechtsschutzes zwischen einer Grundrechtsverletzung durch öffentliche Gewalt und dem Schutz der Effektivität des parlamentarischen Untersuchungsrechts abzuwägen ist. Jeckewitz 251 sprach sich für einen besseren Schutz aller am Untersuchungsverfahren Beteiligten oder von ihnen Betroffenen aus, indem er forderte, dass die Art des Umgangs mit Auskunftspersonen für die Akteure Folgen haben muss und zwar für das Gesamtparlament, für den UA als solchen, für die einzelnen Fraktionen im Parlament wie im Ausschuss und für jeden Abgeordneten. Er verwies insoweit auf die Strafvorschriften der §§ 353 b, 353 d StGB. Als zweite Möglichkeit der Gegenwehr nannte Jeckewitz252 die Einführung von Gegendarstellungsansprüchen wie im Presserecht, aber nicht beschränkt auf den Abschlussbericht. Nicht nur die vom Parlament zu kontrollierende Regierung wird von den der gerichtlichen Erörterung entzogenen Beschlüssen berührt. Art. 44 Abs. 4 S. 1 GG lässt eine gerichtliche Kontrolle im Rahmen der Aufstellung, Verabschiedung und Verbreitung des Abschlussberichts nicht zu. Auch Dritte können durch die Arbeit und die Beschlüsse des parlamentarischen Untersuchungsausschusses empfindlich in ihrer Rechtsstellung berührt werden. Sie haben Feststellungen des Untersuchungsausschusses hinzunehmen, ohne mit Erfolg Gerichte zur Kontrolle der Beschlüsse des Untersu249 v. Mangoldt/Klein/Achterberg/Schulte, Art. 44, Rn. 188; Maunz, in: Maunz/Dürigl Herzog I Scholz, Art. 44, Rn. 63; Schneider; in: AK-GG, Art. 44, Rn. 10; Versteyl, in: Kunig (Hrsg.), Art. 44, Rn. 36; Schenke, JZ 1988, S. 805 ff., 816. 250 BVerfG, NJW 1994, S. 54; Magiera, in: Sachs (Hrsg.), Art. 44, Rn. 28; Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, 1988, (Beiträge zum Parlamentsrecht, Bd. 16), S. 102 ff. 251 leckewitz, in: FS für Karl-Josef Partsch zum 75. Geburtstag, S. 403 ff., 421; vgl. auch Zeh, DÖV 1988, S. 701 ff., 704. 252 leckewitz, in: FS für Karl-Josef Partsch zum 75. Geburtstag, S. 403 ff., 423.

I. Die rechtlichen Regelungen für die Vernehmung der Zeugen

161

chungsausschusses anrufen zu können?53 In der Regel steht die Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch Darstellungen im Abschlussbericht der Freiheit dieser Berichte von gerichtlicher Kontrolle nicht entgegen. Einen gerichtlichen Rechtsschutz hält das OVG Hamburg aber für "denkbar", wenn eine Verletzung der Grundrechte von einem solchen Gewicht vorliegt, "dass es dem Gewicht des parlamentarischen Kontrollrechts zumindest gleichkommt,,?54 Als Beispiel nannte das OVG Hamburg die Verletzung der Grundrechte aus Art. lAbs. 1 GG wegen Nichtgewährung rechtlichen Gehörs 255 oder aus Art. 2 Abs. 1 GG wegen rechtsstaatswidriger Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht. Versuche, mit einem zivilrechtlichen Unterlassungsantrag die Aufnahme von bestimmten Tatsachenbehauptungen sowie die Auslieferung der mit diesen Tatsachenbehauptungen bereits ausgedruckten Parlamentsdrucksache zu verhindern, sind gescheitert?56 Schenke 25 ? hat deshalb empfohlen, bei der Reform des Untersuchungsausschussrechts im Rahmen einer Verfassungsänderung die in Art. 44 Abs. 4 GG statuierte Einschränkung des gerichtlichen Rechtsschutzes fallen zu lassen, wobei er es als ausreichend ansah, Art. 44 Abs. 4 GG dahingehend zu ergänzen, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht berührt wird. Diese Empfehlung gab er mit der Überlegung ab, dass das Verhalten Privater in stärkerem Maße als früher zum Gegenstand von Untersuchungsausschüssen wird und andererseits die rechtsdogmatische Entwicklung zu einer Ausdehnung des Grundrechtsschutzes über die tradierten Fälle des klassischen Grundrechtseingriffs hinaus geführt hat und auch bei faktischen Grundrechtsbeeinträchtigungen bejaht wird. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Anerkennung eines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gegen die Ausforschung der Privatsphäre durch einen UA bei Schaffung des Grundgesetzes nicht bekannte rechtliche Barrieren errichtet hat. Auch Achterberg und Schulte258 sprechen sich "vor dem Hintergrund des Gebots der Herstellung praktischer Konkordanz zwischen widerstreitenden Verfassungsgrundsätzen" und unter Hinweis auf das Prinzip der "Einheit der Verfassung" für die Gewährung begrenzten Rechtsschutzes für den Fall aus, dass Feststellungen

253 OVG Hamburg, NVwZ 1987, S. 610 ff., 611; VG Hamburg, DVBI. 1986, S. 1017 ff., 1018, 1019. 254 OVG Hamburg, NVwZ 1987, S. 610 ff., 611. 255 A.M. VG Hamburg, DVBI. 1986, S. 1017 ff., 1020, 1021: "Der Rechtsschutz Betroffener muss hinter der Effizienz der Untersuchungsarbeit, insbesondere hinter einer schnellen, zeitnahen Berichterstattung gegenüber dem Plenum zurücktreten." 256 Vgl. Urteil des LG Kiel v. 17.2. 1988, Az.: 2060/88; Zeh, DÖV 1988, S. 701, 705. 257 Schenke, JZ 1988, S. 805 ff., S. 817; vgl. auch Studenroth, Die parlamentarische Untersuchung privater Bereiche, S. 198. 258 v. Mangoldt / Klein/ Achterberg / Schulte, Art. 44, Rn. 190; vgl. auch Beschluss Nr. 30 des 57. DJT, Sitzungsbericht M, S. 252 f.; kritisch zum Recht auf Gegendarstellung Bickel, Sitzungsbericht M zum 57. DJT, S. 41 f.

11 Plöd

162

G. Die Vernehmung der Zeugen

des Abschlussberichtes eines Untersuchungsausschusses "Dritte" in ihrer Menschenwürde verletzen oder gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG verstoßen. Der Gesetzgeber hat die Forderungen nach effektivem Rechtsschutz, z. B. durch Einführung eines aus dem Presserecht bekannten Gegendarstellungsanspruchs, eines parlaments internen Widerspruchverfahrens oder eines Vorverfahrens entsprechend § 7 der IPA-Regeln bei Verabschiedung des PUAG nicht berücksichtigt. Er hat die genannten Überlegungen im Rahmen der Gewährung des rechtlichen Gehörs nur teilweise umgesetzt. Gemäß § 32 Abs. 1 PUAG ist Personen, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichtes in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden können, vor Abschluss des Untersuchungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zu den sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Abschlussberichtes innerhalb von 2 Wochen Stellung zu nehmen, sofern diese Ausführungen nicht mit ihnen in einer Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind. Der wesentliche Inhalt der Stellungnahme ist in dem Bericht wiederzugeben (§ 32 Abs. 2 PUAG). Die Gewährung des rechtlichen Gehörs ist damit auf ein Minimum beschränkt worden. Zum einen wird der Personenkreis erheblich eingeschränkt, als rechtliches Gehör nur den Personen zu gewähren ist, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden. Weiterhin soll es der Gewährung des rechtlichen Gehörs vor Veröffentlichung des Abschlussberichtes nicht bedürfen, soweit diese Personen ihre Ausführungen in einer Sitzung zur Beweisaufnahme machen konnten. Zu diesem Zeitpunkt ist für den genannten Personenkreis aber überhaupt nicht absehbar, in welchem Umfang und in welcher Weise Feststellungen hinsichtlich ihrer Person und ihres Verhaltens im Abschlussbericht getroffen und welche Wertungen bezüglich ihrer Aussage vorgenommen werden. Eine weitere Einschränkung erfährt das rechtliche Gehör dadurch, dass lediglich der wesentliche Inhalt der Stellungnahme in den Bericht aufzunehmen ist.

11. Die tatsächliche Vernehmungssituation 1. Der politische Hintergrund

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass Zeugen jedenfalls nunmehr bei Aussagen vor Untersuchungsausschüssen hinsichtlich ihrer Wahrheitspflicht und hinsichtlich der strafrechtlichen Folgen bei einer falschen uneidlichen Aussage den Zeugen gleichstehen, die in einem gerichtlichen Verfahren vernommen werden. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Funktion von Zeugen vernehmungen in Untersuchungsausschüssen gegenüber Beweiserhebungen im Strafprozess unterschiedlich ist. Wahrend im Strafprozess durch die Zeugenvernehmung die Tatsachengrundlagen für die gerichtliche Entscheidung geschaffen werden, dient die Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen in erster Linie einem politischen Zweck, in dem es dort um die Darstellung

II. Die tatsächliche Vemehmungssituation

163

von politischen, also häufig im Meinungsstreit befindlichen Vorgängen für die Öffentlichkeit geht. Insoweit ist die Interessenlage der Beteiligten eine andere als im gerichtlichen Verfahren, das von den Prinzipien der Objektivität, der Unbefangenheit und damit auch der Fairness gegenüber den Verhörspersonen geprägt ist. Dies ist bei Untersuchungsausschüssen, die die Funktion eines politischen Kampfinstruments haben, ganz anders. Untersuchungsausschüsse finden wegen der gezielten politischen Öffentlichkeitswirkung und des entsprechenden Öffentlichkeitsinteresses zumeist nicht in der wohltuend sachlichen Atmosphäre eines Gerichtsverfahrens statt. 259 Ein Zeuge vor einem UA muss seine Aussage im Rahmen der politischen Kontroverse in einem UA machen, unterliegt aber hinsichtlich Wahrheitspflicht und Strafbarkeit bei einer Falschaussage den gleichen Regeln wie ein Zeuge vor Gericht. 2. Die Presse vor dem Tagungsort Der Zeuge, der vor den UA geladen ist, wird bereits vor dem Betreten des Tagungslokals von Journalisten mit Fernsehkameras erwartet. Das Medieninteresse ist natürlich von der Person des Zeugen jeweils abhängig. Dies zeigte sich im 1. UA der 14. WP insbesondere bei der Vernehmung der Zeugen Holzer, Kireh, der Eheleute Ehlerding und von Schreiber bei seiner konsularischen Vernehmung in Toronto/ Kanada am 13. und 14. 5. 2002, also von Zeugen, die bereits vor der Vernehmung Schlagzeilen gemacht hatten, aber andererseits für die Presse nicht ohne weiteres greifbar waren. Sie wurden bereits am Eingang zum Tagungsort in Berlin bzw. vor der Residenz des Generalkonsuls in Toronto von Journalisten erwartet, gefilmt und mit Fragen konfrontiert. Die Politiker, die als Zeugen vor einem UA aussagen müssen, wissen, wie man sich vor der Presse schützen kann, indem dafür Sorge getragen wird, dass sie nicht durch den Haupteingang den Tagungsort betreten, sondern durch einen Hintereingang. Damit gelingt es ihnen meist dann auch, den Sitzungssaal durch einen Nebeneingang zu betreten, um den Fragen von Journalisten nicht ausgesetzt zu sein. Dies gilt insbesondere, wenn auch noch Sicherheitsgründe für diese Art des Betretens des Tagungslokals sprechen. Weiterhin steht der Zeuge nach dem Betreten des Tagungslokals im Foyer vor dem Sitzungssaal oder vor dem Treppenhaus zum Sitzungssaal aufgebauten Kameras gegenüber. Die Anzahl richtet sich nach dem Medieninteresse an den Zeugen. Je brisanter die erwarteten Aussagen sind und je schillernder die Person des Zeugen ist, weil der Zeuge vorher in der Öffentlichkeit kaum sichtbar war, um so stärker ist das Interesse der Journalisten. Als Beispiel ist der Zeuge Holzer im 1. UA der 14. WP zu nennen, der bis zu diesem Zeitpunkt von den Journalisten nicht aufgespürt werden konnte. Daher wurde die Chance genutzt, Fotos von dem Zeugen zu machen und an diesen Fragen zu stellen. 259 GütherlSeiler; NStZ 1992, S. 305 ff., 309 mit Hinweis auf OLG Köln, NJW 1988, S. 2485 ff.

11*

164

G. Die Vernehmung der Zeugen

Natürlich kann es auch sein, dass umgekehrt ein Zeuge seine Chance nutzt, um vor der versammelten Presse Erklärungen abzugeben, wie dies der Zeuge Holzer getan hat, nachdem er bei seiner Vernehmung vor dem UA von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. 26o Unmittelbar im Anschluss an die Vernehmung stellte sich Holzer im Foyer des Tagungsortes den Journalisten und gab dort vor Kameras und Mikrophonen, gelegentlich unterbrochen von Zwischenrufen der Ausschussmitglieder der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, Erklärungen ab, dass er sich nicht an einem "Schauspiel" beteilige, das nur das Ziel habe, "die historische Leistung von Helmut Kohl herabzuwürdigen,,261. Der Ausschussvorsitzende, der sich die Erklärungen Holzers anhören musste, versuchte, Holzer bei seinen Erklärungen durch lautstarke Zwischenrufe zu behindern 262, und sprach von einer gezielten Missachtung des Parlaments?63 Ebenso nutzte der Zeuge Schreiber am 13. 5. 2002 die Gelegenheit, vor den aus Deutschland angereisten Journalisten am Eingang zur Residenz des Generalkonsuls in Toronto die Vorlage von Belegen zum Nachweis von Spenden vom Konto "Maxwell" an die CSU anzukündigen, was dann allerdings doch unterblieben ist.

3. Das Aufspüren und die Verfolgung von Zeugen durch Journalisten Bereits vor der eigentlichen Vernehmung sehen sich Zeugen Nachstellungen durch Journalisten ausgesetzt. Diese haben sehr häufig die Schwierigkeit zu überwinden, den Zeugen überhaupt ausfindig zu machen. Dies gelang im 1. UA der 14. WP der Presse am wenigsten beim Zeugen Holzer, der seinen Wohn- und Aufenthaltsort sehr häufig wechselte, bis er zuletzt seinen Wohnsitz vom saarländischen Quierschied in den Libanon verlegte?64 Unter den Nachstellungen durch die Presse hatten insbesondere die Eheleute Ehlerding, Gesellschafter der Firma WCM, Beteiligungs- und Grundbesitz AG, zu leiden, was dazu geführt hat, dass das Ehepaar vor dem 1. UA der 14. WP erklärte, dass sie sich im Moment kaum vorstellen können, je noch einmal irgend einer Partei irgend eine Spende zukommen zu lassen. Die Familie werde des Lebens nicht mehr froh, weil sie deswegen in der Öffentlichkeit diskreditiert werde. 265

260

Vgl. stenographisches Protokoll der 82. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 21. 6. 2001,

Nr. 82, S. 53.

Berliner Zeitung v. 22. 6. 2001, S. 5. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 420. 263 Vgl. FAZ v. 22. 6. 2001, S. 4; SZ v. 22. 6. 2001, S. 7. 264 Der Spiegel v. 4. 2. 2002, S. 17. 265 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 22. 261

262

Ir. Die tatsächliche Vemehmungssituation

165

Die Spende der Eheleute Ehlerding an die CDU in Höhe von 5,9 Mio. DM im September 1998 hatte dazu geführt, dass Journalisten vor dem Anwesen der Eheleute in Hamburg auftauchten, um dieses zu filmen, und dass Presseberichte mit der genauen Wohnanschrift der Zeugen erschienen. Im Hinblick auf den Entführungsfall Reemtsma hatten die Zeugen deshalb Sicherheitsvorkehrungen getroffen, da sie um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder fürchteten, seit sie im Zusammenhang mit ihrer Spende an die CDU über ein Jahr diskreditiert wurden,266 "wohl auch durch die Vorladung vor den Ausschuss" .z67 Der Rechtsbeistand der Zeugin Ehlerding begründete mit der investigativen Behandlung der Spende der Eheleute Ehlerding die Weigerung der Zeugen, die Namen von Freunden zu nennen, die sich an der Spende zugunsten der CDU ursprünglich beteiligen wollten, damit diese nicht in der Öffentlichkeit "breitgeschlagen" würden. 268

4. Keine Gerichtsverhandlung, kein justizformiges Verfahren Der Zeuge, der seinen staatsbürgerlichen Pflichten nachkommt, hat einen Anspruch auf angemessene Behandlung und Schutz. Eine angemessene Behandlung von Zeugen ist im gerichtlichen Verfahren eine Selbstverständlichkeit. Die Justiz hat sich im Laufe der letzten Jahre in besonderem Maße um die Zeugen bemüht, da Richter und Staatsanwälte in ihren Verfahren auf wahrheitsgemäße Angaben von Zeugen angewiesen sind. Aus dieser Interessenlage heraus ist zu erklären, dass bei Gerichten eigene Zeugenbetreuungsstellen eingerichtet wurden, um den Zeugen ihre Rechte und Pflichten zu erklären und sie auf ihre Vernehmung vorzubereiten. Hierzu wurden Mitarbeiter bei den Gerichten eigens geschult, um diese Aufgaben sachgerecht erfüllen zu können. Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Normalbürger selten als Zeuge vor einem DA erscheinen muss und daher in Dntersuchungsverfahren in der Regel Zeugen gehört werden, die aus der öffentlichen Verwaltung oder auch aus dem Bereich der Wirtschaft kommen. Dieser Personenkreis bedarf aufgrund seiner beruflichen Erfahrung nicht der Vorbereitung auf seine Vernehmung. Sehr häufig erhalten diese Zeugen auch Unterstützung durch einen Rechtsbeistand, den sie zur Vernehmung vor den DA mitbringen. Andererseits haben aber auch diese Personen einen Anspruch auf eine angemessene Behandlung, der gelegentlich nicht so erfüllt wird, wie sich dies eigentlich von selbst versteht.

266 Persönliche Erklärung der Frau Ehlerding v. 29. 3. 2001, S. 33, stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 22. 267 SZ V. 30. 3. 2001, S. 5. 268 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 3.

166

G. Die Vernehmung der Zeugen

a) Die Vemehmungssituation

aa) Fotojournalisten vor dem Platz des Zeugen vor Beginn der Vernehmung Die Vernehmungssituation vor einem UA ist anders als in einem Strafprozess. Dies zeigt sich schon nach Erscheinen des Zeugen im Sitzungssaal des Untersuchungsausschusses. Der Zeuge wird an seinen Platz geführt, einem Tisch mit Mikrophon, Getränken und einem großen Namensschild. Mancher Zeuge gewinnt den Eindruck, dass er sich auf eine Anklagebank setzen muss. Der Bayerische Ministerpräsident Stoiber hat daher bei seiner Vernehmung vor dem UA am 4. 6. 2002 solange gewartet, auf dem Stuhl Platz zu nehmen, bis die Fotografen aus dem Senatssaal im Maximilianeum in München von der Bundestagspolizei hinaus gedrängt worden waren. Damit wollte er verhindern, dass Bilder mit dem Tenor "Stoiber auf der Anklagebank" verbreitet werden konnten. Ähnlich hatte sich bereits der Zeuge Müntefering bei seiner Vernehmung am 16.5.2002 verhalten. Von der Publizität der Verhörsperson und der Brisanz der von dem Zeugen zu erwartenden Angaben ist abhängig, wie groß die Anzahl der Teams mit Fernsehkameras und Fotoapparaten ist, die sich dicht gedrängt vor dem Tisch aufbauen und über den Zeugen ein Blitzlichtgewitter herabprasseln lassen. Aufgrund des großen Konkurrenzkampfes zwischen den Medien haben die Fotografen in ihren Redaktionen möglichst viele Bilder von dem Zeugen abzuliefern. Entsprechend ist das Gedränge und Geschiebe zwischen den Fotografen und Kameraleuten, um in die beste Position zu kommen. Dies führt sogar dazu, dass Hocker und Leitern mitgeführt werden, um über die Köpfe der anderen Fotografen hinweg Bilder von dem Zeugen schießen zu können. Gleichzeitig versuchen Journalisten Fragen an den Zeugen zu stellen, Stangen mit Mikrophonen werden über die Köpfe in Richtung auf den Zeugen gehalten, um die Antwort des Zeugen aufnehmen zu können. Gleichzeitig gehen Kamerateams zwischen den Tischen der Abgeordneten entlang, um von den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses Aufnahmen zu machen. Nach ca. 10 bis 15 Minuten fordert der Ausschussvorsitzende die Fotografen und Kameraleute auf, den Sitzungssaal zu verlassen. Der Saaldienst sorgt dafür, dass auch die fest aufgebauten Kameras abgeschaltet werden, und drängt die Fotografen und Kameraleute zum Sitzungssaal hinaus. Kurz vor Verlassen des Saales werden noch die letzten Fotos geschossen. Anschließend begrüßt der Ausschussvorsitzende den erschienenen Zeugen. Dieser sitzt in einer Entfernung von ca. 15 Metern dem Ausschussvorsitzenden, dem stellvertretenden Ausschussvorsitzenden und den Mitarbeitern des Ausschusssekretariats gegenüber, während aus der Sicht des Zeugen links und rechts die Abgeordneten, die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sind, Platz genommen haben, dahinter die Mitarbeiter der Abgeordneten und die Vertreter der Länder und der Ministerien des Bundes.

II. Die tatsächliche Vernehmungssituation

167

bb) Journalisten im Zuhörerraum Hinter dem Zeugen befindet sich eine Absperrung zum Zuhörerraum hin, wo interessierte Zuhörer und Journalisten Platz genommen haben, denen Ton-, Fernsehund Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen während der Zeugenvernehmung entsprechend § 169 S. 2 GVG verboten sind, worauf der Ausschussvorsitzende regelmäßig bei Beginn der öffentlichen Sitzung hinweist. Ebenso betont der Ausschussvorsitzende immer wieder das "Handyverbot", d. h., dass Handys während der Sitzung grundsätzlich abgeschaltet sein müssen. Einige der Journalisten sind mit Laptops ausgestattet, die während der Zeugenvernehmung in Betrieb sind. Dies führt dazu, dass die Journalisten bereits während der Zeugenvernehmung ihre Berichte eintippen und an ihre Redaktionen per E-Mail senden. Damit wird das Verbot des § 169 S. 2 GVG konterkariert. Diese Art der Berichterstattung kommt Forderungen von Quaas/Zuck269 , dass bei Sitzungen von Untersuchungsausschüssen Rundfunk- und Fernsehübertragungen zugelassen werden sollten, schon sehr nahe. cc) Zeichner auf Sitzplätzen neben Abgeordneten Für den Zeugen ungewohnt ist die Situation, dass vor ihm auf den Sitzreihen der Abgeordneten gelegentlich Personen Platz genommen haben, die vor sich einen Zeichenblock, ihre Stifte oder auch die Farben mit Wassergefäß und Pinsel ausgepackt haben. Im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP erschienen regelmäßig bei der Vernehmung von bekannten Politikern, z. B. von Bundeskanzler a.D. Kohl, dem früheren Finanzminister Waigel und anderen, eine Dame und ein Herr, die während der Vernehmung die Verhörspersonen gezeichnet bzw. gemalt haben. Auf diese Weise entstand eine Vielzahl von Bildern von Zeugen, die von den Malern und Zeichnern anschließend an Redaktionen der Zeitungen oder auch an interessierte Personen, unter anderem auch an Abgeordnete, verkauft worden sind. Die Tatsache, dass ein Zeichner ganz selbstverständlich neben den Abgeordneten Platz genommen hat bzw. gelegentlich von Abgeordneten ein Platz für ihn freigemacht worden ist, zeigt, dass die Mitglieder des Untersuchungsausschusses sich nicht bewusst sind, welches Amt sie wahrnehmen. Man stelle sich vor, es würde sich in einem Gerichtssaal ereignen, dass neben dem Richter auf der Richterbank oder neben dem Staatsanwalt oder einem Verteidiger ein Zeichner sitzt, der die Zeugen in einem Strafprozess beobachtet und zeichnet. Jeder Vorsitzende einer Strafkammer würde dies sofort unterbinden. Ein Zeuge in einem UA muss dies hinnehmen. Dies ist ein typisches Beispiel, welche Nähe die Politik zu den Medien sucht und pflegt.

269

Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1877.

168

G. Die Vernehmung der Zeugen

dd) Essen und Trinken während der Vernehmung, Catering Als Missachtung seiner Person kann ein Zeuge in einem UA es empfinden, wenn er während seiner Vernehmung verfolgt, dass ein Abgeordneter vor sich eine Schachtel mit Obst auspackt und seine Weintrauben verzehrt. Daneben steht eine Flasche mit Milch, aus der der Abgeordnete gelegentlich trinkt. Gleichzeitig passiert es, dass eine Cateringfirma mit einem Wagen, auf dem sich Getränke, Kuchen und Süßigkeiten befinden, in den Sitzungssaal fahrt. Gelegentlich bildet sich dann eine kleine Schlange von Zuhörern, Abgeordneten, Mitarbeitern, die sich auf diesem Wege ihr Frühstück holen, während die Befragung des Zeugen durch den Ausschussvorsitzenden oder Mitglieder des Untersuchungsausschusses im Gange ist. Dann geht das Bedienungspersonal durch die Reihen, nimmt Bestellungen entgegen, serviert Kaffee und Kuchen und kassiert das Geld für den Service. Es handelt sich um eine Vernehmungssituation, die zeigt, dass die Vernehmungspersonen teilweise an der Aussage des Zeugen und ihrem Wahrheitsgehalt gar nicht interessiert sind, was noch dadurch bestärkt wird, dass die Mitglieder des Untersuchungsausschusses während der ganzen Vernehmung gar nicht persönlich anwesend sein müssen. Sie kommen und gehen aus dem Sitzungssaal "nach Lust und Laune".27o Eine Präsenzpflicht gibt es nicht. Unabhängig von der Anwesenheit während der Zeugenvernehmung nehmen aber die Abgeordneten an den zu treffenden Entscheidungen teil. Dies führt natürlich auch dazu, dass gelegentlich Fragen zwei- oder dreimal an den Zeugen gestellt werden, weil der Abgeordnete nicht anwesend oder abgelenkt war, als die gleiche Frage bereits an den Zeugen gestellt worden ist. Dadurch ist auch erklärlich, dass sich Vernehmungen über Stunden hinziehen, weil es an einer straffen Beweisaufnahme, gesteuert von einem unabhängigen Ausschussvorsitzenden, der bereits gestellte Fragen nicht zulässt, fehlt. ee) Die fehlende Aufmerksamkeit der Verhörspersonen Die mangelnde Aufmerksamkeit der Verhörspersonen findet ihre Fortsetzung dadurch, dass sich während der Aussage von Zeugen Abgeordnete, Mitarbeiter oder auch Vertreter der Ministerien unterhalten, Zeitungen, die Presseschau der jeweiligen Fraktion oder Tickermeldungen lesen. Es kam auch vor, dass nach den Feststellungen des hessischen Ministerpräsidenten Koch während seiner Vernehmung im UA ein Vertreter eines Ministeriums eine Schlafpause eingelegt hat. 271 Die Fürsorge und die Aufmerksamkeit, die Zeugen bei Gerichtsverhandlungen zuteil werden, erhielten Zeugen bei ihrer Vernehmung vor dem 1. UA der 14. WP nicht. 270

271

Klein, FAZ v. 28. 5. 2001, S. 10. Vgl. FR v. 29. 1. 2002, S. 33.

II. Die tatsächliche Vemehmungssituation

169

ft) Zwischenrufe

Die Befragung von Zeugen und die Konzentration der Zeugen bei der Aufnahme von Fragen und deren Beantwortung wurden im 1. UA der 14. WP sehr häufig durch Zwischenrufe von Abgeordneten gestört. Die Zeugin Ehlerding 272 beklagte sich bei ihrer Vernehmung in der 70. Sitzung des 1. UA der 14. WP am 29.3.2001: "Kann ich bitte mal um etwas mehr Ruhe bitten? Ich kann mich beim Lesen ganz schlecht konzentrieren." Nach der Bitte des Ausschussvorsitzenden um "ein bisschen Ruhe" und weiteren Zwischenrufen von Abgeordneten erklärte die Zeugin Eh1erding: "Ich höre dann jetzt einfach auf zu lesen, wenn Sie immer dazwischenreden. Es stört mich sehr. Haben Sie so wenig Disziplin, dass sie nicht warten können, bis ich fertig bin?,,273 Symptomatisch war, dass der Zeugenbeistand der Zeugin Ehlerding, der einen Angeordneten darauf hingewiesen hatte, dass durch dessen lautes Reden die Zeugin Ehlerding gestört werde, vom Ausschussvorsitzenden sofort wie folgt gerügt wurde: "Herr Rechtsbeistand, Sie können sich hier melden, wenn Sie etwas zu sagen haben; aber dürfen nicht einfach das Mikrophon nehmen, ich sage das nur schon von vornherein".274 Der Angriff des Ausschussvorsitzenden richtete sich also gegen den Rechtsbeistand. Eine Rüge für den Abgeordneten blieb aber aus. In dieser Situation hat der Zeuge vor dem UA seine Zeugenpflicht zu erfüllen und unterliegt der Wahrheitspflicht. Augstein275 hat im 1. UA den "Part der BuhRufer" den Abgeordneten der Union zugewiesen. Die Abgeordneten von SPD und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben sich aber nicht anders verhalten, wenn man an die empörten Zwischenrufe des Abgeordneten Dankert denkt, als der Zeuge Teltschik diesem vorgehalten hat: "Sie, Herr Dankert, stellen meine Glaubwürdigkeit von Anfang an in Frage, bevor ich ein Wort gesagt habe. Das ist ein politischer Schauprozess, den Sie hier abziehen,,?76 Über Zwischenrufe hat sich auch der Zeuge Henke bei seiner Vernehmung am 8. 3. 2001 wie folgt beschwert: "Herr Vorsitzender, können wir vielleicht einmal das Verhältnis des Kollegen Ströbele zu mir klären? Er fragt mich zum wiederholten Mal hier von der Seite, ohne das Wort erteilt bekommen zu haben. Würden Sie ihm freundlicherweise sagen, dass er sich entweder melden oder sich ansonsten zurückhalten möge,,?77 Erst 272 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 7. 273 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 7. 274 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 7. 275 Augstein, Merkur 2001, S. 375 ff., 377. 276 Stenographisches Protokoll der 49. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 16. 11. 2000, Nr. 49, S. 49. 277 Stenographisches Protokoll der 66. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 8.3.2001, Nr. 66, S.89.

170

G. Die Vernehmung der Zeugen

nachdem der Zeuge den Ausschussvorsitzenden darauf hingewiesen hat, dass er sich durch die Zwischenrufe des Abgeordneten Ströbele gestört fühle, teilte der Ausschussvorsitzende dem Abgeordneten mit, der Zeuge fühle sich gestört. gg) Diskussionen über die Zulässigkeit von Fragen bzw. über die Zeugenaussagen Die Vernehmung der Parteivorsitzenden der eDU Merkel am 8. 11. 2001 wurde wiederholt unterbrochen von Zwischenrufen von Abgeordneten aus dem Lager der SPD bzw. der eDU / esu, da bezüglich verschiedener Fragen Streit herrschte, ob es sich um Fragen nach Tatsachen oder um Rechtsfragen handelt. Der Obmann der eDU / eSU-Fraktion im UA warf mehrfach ein: "Doch, das ist eine Rechtsfrage", während ein Abgeordnete antwortete "das ist doch Unsinn". Dann forderte der Obmann den Abgeordneten auf: "Sie sollen nach Tatsachen fragen und nicht nach Meinungen". Oder "Herr Vorsitzender, das sind wieder Rechtsfragen. Ich bitte Sie, jetzt dafür zu sorgen, dass hier keine Rechtsfragen gestellt werden .• .278 Die Befragung der Zeugen wird gelegentlich begleitet von Auseinandersetzungen zwischen den Abgeordneten bzw. dem Ausschussvorsitzenden über die Zulässigkeit von Fragen. Bezeichnend war die Auseinandersetzung zwischen dem Zeugen Henke und dem Abgeordneten Ströbele um die Frage, ob der Zeuge wusste, dass der Zeuge Wissmann zum Zeitpunkt des Verkaufs der Eisenbahnerwohnungen an die Gruppe WeM Bundesschatzmeister war. Nach dem Einwand von Henke, dass er nicht auf jede Frage eine Antwort geben müsse, bestanden sowohl der Ausschussvorsitzende als auch der Abgeordnete Ströbele auf der Beantwortung dieser Frage. Dem schloss sich ein weiterer Disput zwischen dem Zeugen und Abgeordneten der eDU / eSU-Fraktion im UA und dem Fragesteller Ströbele an. Dabei wurde vom Ausschussvorsitzenden und dem Abgeordneten Ströbele darauf hingewiesen, dass Henke als Zeuge vor dem UA aussagt und er daher die Fragen zu beantworten habe, wogegen sich Henke wiederum verwahrte, dass ihn der Abgeordnete Ströbele nicht zu belehren brauche?79 Auf welchem Niveau sich der Ausschuss zuweilen bewegt hat und wie von Ausschussmitgliedern mit Zeugen umgegangen wird, zeigte deutlich die Äußerung eines Abgeordneten gegenüber der Zeugin Merkel bei ihrer Vernehmung am 8. 11. 2001: "Die Zeugin will keine Antworten geben, deshalb gebe ich das Fragerecht weiter,,?80 Dies war die Erklärung des Abgeordneten, als die Zeugin erklärt hatte, dass sie zu Vorgängen in der Schatzmeisterei der eDU im Jahr 1991 keine 278

S.10.

Stenographisches Protokoll der 96. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 8. 11. 2001, Nr. 96,

279 Stenographisches Protokoll der 66. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 8. 3. 2001, Nr. 66, S. 100, 101. 280 Stenographisches Protokoll der 96. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 8.11. 2001, Nr. 96, S. 13.

11. Die tatsächliche Vemehmungssituation

171

Angaben machen könne, weil sie damals nicht Partei vorsitzende der CDU war. Sie machte geltend, sie könne nur über die heutige Situation, insbesondere zu den Befugnissen des Schatzmeisters der CDU, Angaben machen. Streit gab es weiter bei der Vernehmung der Zeugin Merkel, als der Ausschussvorsitzende sie fragte, wer Inhaber der Norfolk-Stiftung ist und ob ein Konto der Norfolk-Stiftung der CDU wirtschaftlich zuzurechnen iSt. 281 Auf den Einwand, dass es sich hier um eine Rechtsfrage handelt, entgegnete der Ausschussvorsitzende, dass die Frage, ob man Eigentümer eines Autos ist, keine Rechtsfrage, sondern eine Tatsachenfrage sei. 282 Wahrend der Vernehmung der Zeugen Ehlerding beschwerte sich ein Abgeordneter beim Ausschussvorsitzenden: "Herr Vorsitzender, Sie wollen doch von uns nicht erwarten, dass wir 1 Stunde Lesestunde nachher wiederholen und bei jedem Satz nachfragen, ob Frau Ehlerding das selbst erlebt hat oder nicht. Das ist ja nicht der Zeugenbericht, den das Gesetz vorschreibt, sondern hier wird offensichtlich der Bericht eines anderen Zeugen verlesen,,?83 Diese Situation war bei der Vernehmung der Zeugen Ehlerding entstanden, weil der Ausschuss vor der Vernehmung der Eheleute Ehlerding trotz Absprache mit dem Rechtsbeistand der Zeugen die Vernehmungsreihenfolge geändert hatte, so dass Frau Ehlerding zunächst den Bericht, den an sich ihr Ehegatte abgeben wollte, verlesen hat und dabei stets einfügen musste "Wie mein Mann mir gesagt hat.", was wiederum den Unmut der Abgeordneten der SPD hervorgerufen hat. Diese Streitereien, Zwischenrufe und Diskussionen begleiten die Zeugenaussagen vor dem UA. Eine Rücksichtnahme bzw. Fürsorge für Zeugen, die ihrer Zeugenpflicht nachkommen und der Wahrheitspflicht unterliegen, ist nicht erkennbar. Man kann sich eigentlich nicht des Eindrucks erwehren, dass gelegentlich die Befragung in einer Art und Weise erfolgt, um den Zeugen an den Rand einer Falschaussage zu bringen und um dann das Protokoll der Staatsanwaltschaft zur Verfolgung des Zeugen wegen uneidlicher Falschaussage oder sogar wegen Meineids vorzulegen, wie dies bei den Zeugen Schäuble, Baumeister und Leisler-Kiep im 1. UA "Partei spenden" der 14. WP von der Ausschussmehrheit durchgesetzt worden ist.

281 Die Norfolk-Stiftung wurde für die CDU von Lüthje und Weyrauch mit Sitz in Vaduz am 15. 12. 1981 nach den Vorschriften des Liechtensteinischen Personen- und Gesellschaftsrechts (Art. 552 ff.) mit einem Stiftungskapital von Sfr. 30.000.- gegründet. Stiftungszweck war die Verwaltung des Stiftungsvermögens sowie die Ausrichtung von Zuwendungen an Dritte und / oder Familienmitglieder des Stifters, die in einem Reglement (Bei statut) bezeichnet worden sind. Vgl. Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 145 f. 282 Stenographisches Protokoll der 96. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 8. 11. 2001, Nr. 96, S.14. 283 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 9.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

b) Die Vemehmungsmethoden

Weitere Belastungen für Zeugen vor einem UA des Bundestages ergeben sich durch die angewendeten Vernehmungsmethoden. aa) Kein neutraler Vorsitzender Bei den Reformdiskussionen zum Untersuchungsausschussrecht wurde immer wieder vorgeschlagen, den Vorsitz im UA einer dem Parlament nicht angehörenden, von der Mehrheit und der Minderheit einvernehmlich zu bestimmenden, unabhängigen Persönlichkeit zu übertragen, damit das Verfahren des Untersuchungsausschusses, insbesondere während der öffentlichen Beweisaufnahme, einen dem Ernst des Auftrags entsprechenden Verlauf nehmen kann. Dieser Vorsitzende sollte kein Stimmrecht haben, wenn es um die politische Bewertung des Beweisergebnisses geht, und er sollte legitimiert sein, den Ablauf der Beweisaufnahme entsprechend den Vorschriften über den Strafprozess zu bestimmen, insbesondere eine sachdienliche Reihenfolge der Zeugeneinvernahme festzulegen, die Befragung der Zeugen zunächst selbst durchzuführen und weitere Fragen der Ausschussmitglieder nur zu zulassen, wenn dies sachdienlich ist. 284 Eschenburg285 hat bereits darauf hingewiesen, dass es im Untersuchungsausschussverfahren keinen Schutz eines Verdächtigen vor dem Meineid gibt, weil im Unterschied zum gerichtlichen Verfahren Zeugen einen Vorsitzenden im Untersuchungsausschussverfahren nicht wegen Befangenheit ablehnen können. Er verwies insoweit auf die Erfahrungen im bayerischen Spielbanken-UA. Zwei Mitglieder des Ausschusses sollen gewusst haben, dass ein Zeuge eine falsche Aussage gemacht hatte. Trotzdem soll der Zeuge beeidigt worden sein. Dieser Ausschuss hat auch einen Befangenheitsantrag eines Zeugen mit der Begründung zurückgewiesen, dass es beim UA weder Angeklagte noch Richter i.S.d. StPO gäbe, und dass daher auch die entsprechenden Befangenheitsvorschriften nicht angewandt werden könnten. Die Enquetekommission Verfassungsreform 286 hat zwar gefordert, dass dem UA ein Parlamentarier und nicht ein Richter vorsitzen soll, dass er aber als nicht 284 Klein, FAZ v. 28. 5. 2001, S. 10; vgl. Klau, Das Parlament 1980, S. 7 ff.; a.M. Bötsch, Das Recht parlamentarischer Untersuchungsausschüsse, in: Parlamentarische Demokratie und Bewährung, FS für Schellknecht, 1984, S. 9 ff., 13; Quaas/Zuck, NJW 1988, S. 1873 ff., 1879, die sich gegen einen "neutralisierten" stimmrechtslosen Vorsitzenden ausgesprochen haben. 285 Eschenburg, Der Eid vor dem Untersuchungsausschuss, in: Institutionelle Sorgen in der Bundesrepublik, Politische Aufsätze 1957 bis 1961, S. 119 ff., 122; vgl. auch Ausführungen zu F. 11. 5. a) aa). 286 BT-Drs. 7/5924 Schlussbericht v. 9.12.1967, S. 50, 51; vgl. Ausführungen zu F. H. 5. a) aa).

11. Die tatsächliche Vernehmungs situation

173

stimmberechtigter Vorsitzender eine faire und unparteiische Handhabung der Verfahrensordnung gewährleisten soll. Wie berechtigt diese Forderungen sind, hat der 1. UA "Parteispenden" der 14. WP gezeigt. Bei der Vernehmung des Zeugen Leisler-Kiep vom 18. 10.2001 gab der Rechtsbeistand des Zeugen zur Erklärung, weshalb der Zeuge den Eid verweigert, unter Hinweis auf einen Bericht in der "Süddeutschen Zeitung" vom 31. 8. 2001 folgende Erklärung ab: "Der Vorsitzende des Parteispendenausschusses will die Vernehmung Kieps jetzt abschließen und den Christdemokraten nur noch zur Vereidigung vorladen. "Wir sind seine Lügereien Leid", sagte Neumann der Süddeutschen Zeitung. Er hoffe, dass Kiep seine bisherigen Aussagen berichtigt. Ansonsten werde die Akte dem Staatsanwalt übergeben. Die Papiere bewiesen, dass Kiep vorsätzlich die Unwahrheit gesagt hat".287 Vom Ausschussvorsitzenden wurde nicht bestritten, sogar bestätigt, die angeführte Erklärung gegenüber der Süddeutschen Zeitung abgegeben zu haben. Dennoch hat der Ausschuss mit den Stimmen der Mitglieder der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf der Vereidigung des Zeugen Leisler-Kiep bestanden, aber von der Verhängung von Zwangsmitteln zur Herbeiführung der Eidesleistung abgesehen, und gleichzeitig beschlossen, die stenographischen Protokolle der Vernehmung des Zeugen der zuständigen Staatsanwaltschaft zuzuleiten. 288 Die Behandlung des Zeugen Leisler-Kiep zeigt, dass man dem Zeugen nicht die Fürsorge hat angedeihen lassen, die ein Bürger nach rechtsstaatlichen Grundsätzen selbst dann verdienen würde, wenn er als Angeklagter vor einem Strafgericht stehen würde. Von dem Abgeordneten und innenpolitischen Sprecher der SPD, Wiefelspütz, wurde eingeräumt, dass im Falle des Zeugen Leisler-Kiep der Ausschuss § 60 Nr. 2 StPO nicht rechtsfehlerfrei angewendet hat und es nahege1egen hätte, auf die Vereidigung im Parteispendenuntersuchungsausschuss zu verzichten. 289 Im Strafverfahren hätte sich ein Beschuldigter durch einen Befangenheitsantrag gegen einen evident befangenen Vorsitzenden des Gerichts wehren können, nicht aber im UA. Die Vereidigung wurde beschlossen, obwohl der Obmann der CDU / CSUFraktion im 1. UA der 14. WP argumentiert hatte, dass dem UA des Deutschen Bundestages keine Vereidigungskompetenz zusteht und der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des PUAG auf eine Vereidigung von Zeugen in Untersuchungsausschüssen ausdrücklich verzichtet hat. 290 Das parteiische Verhalten des Ausschussvorsitzenden wurde gerade im Zusammenhang mit der Frage der Vereidigung von Bundeskanzler a. D. Kohl deutlich. Zunächst einmal teilte der Ausschussvorsitzende in der 103. Sitzung des 1. UA am 287 Stenographisches Protokoll der 95. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 18. 10. 2001, Nr. 95, S. 4. 288 FR V. 6.11. 2001, S. 4; Der Tagesspiegel v. 6.11. 2001, S. 7. 289 Wieje[spütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 18; vgl. Ausführungen zu G. I. 6. j). 290 Anlage 2 zum stenographischen Protokoll der 95. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 18. 10.2001, Nr. 95.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

13. 12.2001 dem Zeugen mit, dass der Ausschuss zu der Überzeugung gelangt sei, dass dem Zeugen ein Schweigerecht in entsprechender Anwendung des § 136 StPO als Beschuldigter nicht zustehe. Anschließend gab der Vorsitzende eine Begründung für das Absehen von der Verhängung eines Ordnungsgeldes oder von Ordnungshaft ab, obwohl in der Beratungssitzung nur der Tenor der Entscheidung, nicht aber die Begründung für das Absehen von diesen Maßnahmen beraten worden war. Der Ausschussvorsitzende hatte die Gründe vorforrnuliert vor sich liegen. In der Begründung erhob er schwere Vorwürfe gegen den Zeugen. Der Obmann der CDD I CSD-Fraktion im DA protestierte gegen diese Vorgehensweise, weil die verlesenen Gründe nicht der Beschlusslage entsprachen und der Ausschussvorsitzende insoweit die Öffentlichkeit täuschen würde. 291 Gleichwohl schloss der Ausschussvorsitzende die Sitzung und versuchte, den Obmann am Reden zu hindern. bb) Die Verhandlungsleitung Augstein 292 schreibt zur Verhandlungsleitung im 1. DA "Parteispenden" der 14. WP: "Je weniger der Ausschuss erreicht, desto mehr ist er Theater. Die Darsteller sind fast sämtliche studierte Juristen. Anführer der Truppe ist der sozialdemokratische Ausschussvorsitzende Volker Neumann, ein redlicher Notar und für einen Politiker ungewöhnlich bescheiden." "Weil es dem freundlichen Ausschussvorsitzenden nicht entspricht, sich in den Vordergrund zu spielen, bleibt es nicht aus, dass die Durchsetzungskraft des Ausschusses etwas in das Hintertreffen gerät." "Seiner freundlichen Art war es zuzuschreiben, dass es in den ersten Monaten im Ausschuss mitunter so lustig zuging, als wäre ihr Vorsitzender Spaßvogel einer Juxveranstaltung und dazu berufen, die Anwesenden gut zu unterhalten." "Eine Respekt einflössende Autoritätsfigur hat die Regierungskoalition bedauerlicherweise nicht aufgeboten."

Damit ist die Verhandlungsleitung des Ausschussvorsitzenden kennzeichnend umschrieben. Der Ausschussvorsitzende ließ es ohne Beanstandung durchgehen, dass ein Abgeordneter von BÜNDNIS90 I DIE GRÜNEN eine Aussage des Zeugen Kohl, dass er einer Übertragung seiner Vernehmung durch das Fernsehen nicht zustimme, weil eine Übertragung wie eine Vorverurteilung wirken würde, mit folgender Bemerkung kommentierte: "Das ist doch lachhaft",z93 Kommentarlos blieb auch die Frage des Obmanns der SPD im DA an den Zeugen Kirch, warum er nur Rundfunk hört und nicht Fernsehen sieht. 294 Der Zeuge Vgl. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 420. Augstein. Merkur 2001, S. 375 ff., 376. 293 Stenographisches Protokoll der 57. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 25. 1. 2001, Nr. 57, S. 38. 294 Stenographisches Protokoll der 99. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 15. 11. 2001, Nr. 99, S. 18. 291

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11. Die tatsächliche Vemehmungssituation

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Kirch antwortete: "Ich schaue leider nicht Fernsehen, weil ich wenig sehe, wenn ich Fernsehen schauen würde". Die Frage war an einen Zeugen gestellt, der von seinem Rechtsbeistand am Arm in den Sitzungs saal geführt worden war und für den der Rechtsbeistand eine Erklärung zu Beginn seiner Vernehmung vorgelesen hatte, weil der Zeuge offensichtlich schwer sehbehindert war. Der Ausschussvorsitzende hatte daher dem Zeugen vorher zugestanden, dass der Rechtsbeistand am Beginn der Vernehmung eine Erklärung verlas, weil er gehört hatte, "dass es aus bestimmten Gründen sinnvoll ist,,?95 So sollte ein behinderter Zeuge von einem Mitglied des Untersuchungsausschusses nicht befragt werden. Besonders deutlich wurde die schwache Position des Ausschussvorsitzenden nach der Vernehmung des Zeugen Schreiber am 13./ 14.5.2002 in Toronto/Kanada. Dort erklärte der Vorsitzende, er sei froh, dass sein Gremium trotz der offenen Fragen einstimmig beschlossen habe, die Beweisaufnahme planmäßig diese Woche zu beenden: "Die letzten Monate haben bewiesen, dass der Ausschuss in Wahlkampfzeiten kein geeignetes Instrument zur Wahrheitsfindung ist".296 Doch bereits am Vormittag des 15.5.2002 galt das Wort des Ausschussvorsitzenden nicht mehr. Denn die Pressemeldungen verkündeten, dass die Beweisaufnahme mit der Vernehmung des bayerischen Ministerpräsidenten und Kanzlerkandidaten Stoiber fortgesetzt werde. Damit wurde deutlich, dass es nicht um Aufklärung im UA ging, sondern die Zeugenvernehmung nur aus Wahlkampfgründen beantragt und beschlossen wurde. Denn die Aussage des Zeugen Schreiber hatte keine Fakten zutage gefördert, die die Vernehmung des Zeugen Stoiber nahe legten. cc) Die Nichteinhaltung von Absprachen Zeugen, die ihrer Zeugenpflicht auf Ladung durch den UA nachkommen, können sich nicht darauf verlassen, dass Absprachen vom UA eingehalten werden, die ihr Rechtsbeistand hinsichtlich der Reihenfolge der Vernehmung mit dem Ausschussvorsitzenden getroffen hat und die sie bei der Vorbereitung der Zeugenvernehmung, insbesondere bei der Abfassung des zusammenhängenden Berichts, den die Zeugen am Beginn ihrer Vernehmung abgeben wollen, zugrundegelegt haben. Bei der 70. Sitzung des 1. UA "Parteispenden" der 14. WP teilte der Ausschussvorsitzende den vor dem UA erschienenen Eheleuten Ehlerding mit, dass der UA mit der Vernehmung der Zeugin Ehlerding beginnen will. Dazu gab der Rechtsbeistand der Eheleute Ehlerding folgende Erklärung ab: "Herr und Frau Ehlerding haben selbstverständlich ihre beiden Aussagen, die sie hier zu machen haben, eingehend vorbereitet und diese beiden Aussagen werden sie hier auch anhand eines Konzepts vortragen. Das Konzept, das Herr Ehlerding 295 Stenographisches Protokoll der 99. Sitzung des 1. DA der 14. WP v. 15. 11. 2001, Nr. 99, S. 12. 296 Der Spiegel, Nr. 21, v. 18.5.2002, S. 77, 78.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

erarbeitet hat - nachdem mir am Montag gesagt worden ist, man werde mit der Vernehmung von Herr Ehlerding beginnen -, ist sehr umfassend, mit einer Fülle von Anlagen versehen und dementsprechend ein gesamter Komplex, der die Vorgänge aus der Sicht beider Eheleute schildert, während das, was Frau Ehlerding zu sagen hat, immer punktuell dort ansetzt, was sie dabei interessiert. Das, was jetzt Frau Ehlerding zu sagen hat, wird, nachdem sie die Reihenfolge umgedreht haben, also immer Bruchwerk bleiben. Ich bitte, das zu berücksichtigen. Die Aussage zu dem Gesamtkomplex wird von Herr Ehlerding nachträglich erfolgen. Die umgekehrte Reihenfolge wäre zweifellos entschieden besser, weil dann nämlich ein gesamtkomplexes Gebilde hier vorgetragen werden würde. Die Aussage von Herrn Ehlerding wird etwa 1'/2 Stunden dauern. Ich bitte daher den Ausschuss, noch einmal darüber nachzudenken, ob es nicht doch geboten ist, umgekehrt zu verfahren und zunächst den Gesamtkomplex von Herrn Ehlerding vortragen zu lassen,,?97 Der Ausschussvorsitzende ließ den Rechtsbeistand mit seinen Einwänden einfach mit der Bemerkung abblitzen: "Ich wollte Ihnen nur sagen: Sie brauchen sich nicht so viel Mühe machen, weil der Beschluss so gefasst ist. Aber sie können es natürlich noch erklären. ,,298 Trotz der mündlichen Zusage des Ausschussvorsitzenden lehnte der Ausschuss den Antrag der CDU /CSU-Fraktion im UA, die Reihenfolge der Zeugen entsprechend der vom Vorsitzenden gegebenen Zusage vom Vortag zu beschließen, mit der Begründung ab, dass die Arbeitsgruppe der SPD jedoch später beschlossen habe, ihr taktisches Konzept zu ändern und die ursprüngliche Reihenfolge der Vernehmung beizubehalten, da man diese für zielführender hielt. 299 Ein Abgeordneter der CDU hielt die Vorgehensweise des Ausschusses nach der erfolgten mündlichen Zusage des Ausschussvorsitzenden gegenüber dem Rechtsbeistand der Eheleute Ehlerding für eine Täuschung der Zeugen, wogegen sich der Ausschussvorsitzende energisch verwahrte. Die Folge dieses taktischen Vorgehens der Ausschussmehrheit, die die Zusage des Ausschussvorsitzenden hinsichtlich der Reihenfolge der Vernehmungen überging, war, dass dann der Rechtsbeistand der Zeugin Ehlerding empfahl, die Erklärung, die ursprünglich ihr Ehemann gegenüber dem Ausschuss abgeben wollte, zu Beginn ihrer Vernehmung zu verlesen, was wiederum zu Kontroversen zwischen den Ausschussmitgliedern, dem Ausschussvorsitzenden, den Rechtsbeiständen und der Zeugin Ehlerding geführt hat. 3OO 297 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 1,2. 298 Stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 2. 299 FAZ v. 30. 3. 2001, S. 4; FR v. 30. 3. 2001, S. 5; SZ v. 30. 3. 2001, S. 5. 300 Vgl. stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3. 2001, Nr. 70, S. 3, 4.

H. Die tatsächliche Vernehmungs situation

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dd) Der Zwang zum Erscheinen trotz eindeutig bestehenden Auskunftsverweigerungsrechts Leithäuser301 schreibt in der FAZ: "Der Zeuge Maßmann hat unter Hinweis auf das Augsburger Verfahren im Berliner VA im letzten Monat viermal schriftlich mitgeteilt, er werde umfassend die Aussage verweigern, man möge daher von seiner Ladung absehen. Es hat nichts geholfen, er hat dennoch kurz nach Berlin reisen müssen, um seine Auskunftsverweigerung dem Ausschuss mündlich mitzuteilen, und hat dem Gremium auf diese Weise zum wiederholten Male eine Geste der Hilflosigkeit beschert: "Ihre Gründe haben uns überzeugt", sagte der Ausschussvorsitzende Neumann nach einer kurzen Beratungsrunde und ließ den schweigenden Maßmann ziehen".

Diese Schikane hat der 1. DA "Parteispenden" der 14. WP nicht bloß einmal betrieben. Genauso erging es dem Zeugen Strauß bei seiner Vernehmung am 16. 11. 2000, der ebenfalls durch seinen Zeugenbeistand vor dem Vernehmungstermin hatte mitteilen lassen, dass der Zeuge von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen werde,302 oder dem Zeugen Rohkamm bei der Vernehmung am 26. 10. 2000, der durch seinen Zeugenbeistand bereits im Vorfeld der Vernehmung mitteilen ließ, dass er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen werde 303 . In all diesen Fällen waren die Zeugen trotz strafrechtlicher Ennittlungen gegen sie, die dem Ausschuss bekannt waren, vorgeladen worden. Trotz ihrer vorherigen Mitteilung, dass sie von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen würden, hat der Ausschuss darauf bestanden, dass die Zeugen vor dem DA erscheinen, d. h. mit Rechtsbeistand nach Berlin anreisen, um ihre Erklärung, keine Angaben zu machen, mündlich vor dem DA zu wiederholen, um anschließend nach jeweiliger kurzer Beratung in nichtöffentlicher Sitzung von dem DA mit dem jeweiligen Rechtsbeistand entlassen zu werden. Ein solches Vorgehen bewirkt eine Verschwendung von Steuergeldern, da die Zeugen einen Anspruch auf Erstattung ihrer Fahrt- und Übernachtungskosten haben, gleichzeitig aber auch eine Schädigung der Zeugen selbst, die von ihrer Arbeit abgehalten werden und für das Honorar des Zeugenbeistandes selbst aufkommen müssen. Denn die Kosten des Rechtsbeistands sind nicht erstattungsfahig?04 Lediglich in zwei Fällen hat der 1. DA der 14. WP auf eine fönnliche Ladung bei frühzeitig geltend gemachten und vom UA als berechtigt angesehenen umfassendem Auskunftsverweigerungsrecht verzichtet. Dies geschah bei der VernehFAZ v. 30. 8. 2000, S. 3. Stenographisches Protokoll der 49. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 16. 11. 2000, Nr. 49, S. 51. 303 Stenographisches Protokoll der 45. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 26. 10. 2000, Nr. 45, S. 1. 304 Vgl. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 86. 301

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Plöd

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G. Die Vernehmung der Zeugen

mung des Zeugen Prinz zu Sayn-Wittgenstein am 18.5.2000 und des Zeugen Terlinden bei der Fortsetzung seiner Vernehmung am 13. 12. 2001. In beiden Fällen wurde die Ladung zurückgestellt. 305 Erst in einem späteren Zeitpunkt der Beweisaufnahme konnte sich der UA durchringen, einen Verfahrensbeschluss zu fassen, dass in Zukunft der Ausschuss nicht mehr auf der Anreise der Zeugen besteht, wenn klar ist, dass diese berechtigt sind, die Aussage in entsprechender Anwendung von § 55 StPO zu verweigern. ee) Die Anwendung des § 55 StPO Das PUAG hat eine wichtige Weichenstellung für die Gestaltung des Untersuchungsausschussverfahrens in § 20 PUAG vorgenommen, indem dort generell geregelt ist, dass Zeugen verpflichtet sind, auf Ladung des Untersuchungsausschusses zu erscheinen. Im Anschluss an die dem PUAG zugrunde liegenden Gesetzentwürfe und seine Vorläufer hat der Gesetzgeber auf die Unterscheidung zwischen "Zeugen", "betroffenen Zeugen" und "Betroffenen" verzichtet. § 22 Abs. 2 PUAG räumt dem Zeugen in Anlehnung an § 55 StPO lediglich dann ein Auskunftsverweigerungsrecht ein, wenn dem Zeugen oder einem seiner Angehörigen wegen der Beantwortung von bestimmten Fragen eine Untersuchung nach einem gesetzlich geordneten Verfahren drohen könnte. Die Frage, ob ein Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht in entsprechender Anwendung von § 55 StPO hat, war bisher ein viel diskutierter Streitpunkt im Untersuchungsausschussverfahren und wird es auch in Zukunft bleiben. Vor der Vernehmung eines Zeugen zur Sache hat im 1. UA der 14. WP der Ausschussvorsitzende die Zeugen bei der Belehrung insbesondere auf das Recht hingewiesen, gemäß § 55 StPO die Aussage auf solche Fragen zu verweigern, bei deren Beantwortung ihnen selbst oder einem Angehörigen die Gefahr drohen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. 306 Von dem Auskunftsverweigerungsrecht haben dann insgesamt 24 Zeugen Gebrauch gemacht. 307 Abgesehen von den Fällen, in denen zum UA parallele Ermittlungsverfahren einer Staatsanwaltschaft laufen, gibt es aus der Sicht eines Zeugen immer wieder Fragen, bei deren wahrheitsgemäßer Beantwortung sich der Zeuge der Verfolgung in einem gesetzlich geordneten Verfahren aussetzen kann, wozu neben dem Ermittlungsverfahren wegen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten auch beamtenrechtliche Disziplinarverfahren zählen. 308 Dies kann bedeuten, dass der Zeuge, vielleicht beraten von seinem Rechtsbeistand, ein Auskunftsverweigerungsrecht geltend macht, während die Mehrheit im 305 306 307 308

Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 87. BT-Drs. 14/9300, S. 87. Vgl. im Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 87, 89 f. BT-Drs. 14/5790, S. 18; vgl. Ausführungen zu G. I. 4.

11. Die tatsächliche Vernehmungssituation

179

UA dies ablehnt und deshalb in der Konsequenz Ordnungsmaßnahmen gemäß § 27 PUAG ergreift, gegen die sich der Zeuge dann im gerichtlichen Verfahren zur Wehr setzen muss. Typische Beispiele dafür sind die Verhängung von Ordnungsgeld gegen die Zeugen Terlinden und Weyrauch im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP?09

ff) Die Vernehmungstechnik

Mangelnde forensische Erfahrung macht sich im UA in besonderem Maße bei vielen Mitgliedern des Untersuchungsausschusses bemerkbar. Dies beginnt damit, dass Zeugen nach ihren Meinungen, Gefühlen oder Vermutungen gefragt werden. Es setzt sich dadurch fort, dass keine konkreten Fragesätze formuliert werden. Man ergeht sich vielmehr in Suggestivfragen. Sehr häufig werden umfangreiche Feststellungen von fragenden Abgeordneten getroffen, um anschließend zu diesen Feststellungen, die sich möglicherweise aus umfangreichen Akten ergeben, die dem Zeugen nicht vorliegen und auch nicht bekannt sind, eine Frage zu stellen, die dieser nicht zuordnen und damit auch nicht konkret beantworten kann, was wiederum auf Unverständnis bei dem Fragenden stößt. Der Vorspann mit umfangreichen Feststellungen birgt auch die Gefahr in sich, dass bei den Feststellungen Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden, die nicht der Wahrheit entsprechen und daher vor der Beantwortung der Frage durch den Zeugen von diesem gelegentlich zunächst einmal korrigiert werden müssen. Die Probleme auf der Seite der Fragesteller beruhen darauf, dass ein Teil der Mitglieder des Untersuchungsausschusses zwar Juristen sind, aber lange nicht mehr in der Praxis als Richter, Staatsanwalt oder Rechtsanwalt tätig waren, ein anderer Teil der Abgeordneten Berufe hat, die mit juristischen Fragen nichts oder wenig zu tun haben, weil sie z. B. Psychologen oder Lehrer sind. So hat der Zeuge Henke bei der 66. Sitzung des 1. UA der 14. WP am 8. 3. 2001 einen Abgeordneten gefragt, ob er Jurist sei. Als dieser ihm zur Antwort gab, er sei Psychologe, wenn ihn das beruhige, antwortete der Zeuge Henke, dass ihn dies nicht beruhige, aber er ihm dann eben die Frage beantworte. Im Folgenden erläuterte deshalb der Zeuge dem Abgeordneten den Unterschied zwischen Personengesellschaften und Aktiengesellschaften. 310 Hier wäre es wiederum Aufgabe des Ausschussvorsitzenden gewesen, darauf zu achten, dass nur solche Fragen gestellt werden, die zum Inhalt haben, was Gegenstand des Zeugenbeweises ist, nämlich nur Fragen nach Tatsachen, nicht aber 309 Vgl. Urteile des VG Berlin v. 25.9.2001, Az.: VG 2 A 42.00 und VG 2 A 55.00, mit denen Ordnungsgeldbeschlüsse des 1. UA des Deutschen Bundestages der 14. WP v. 28. 3. 2000 (Weyrauch) und 29. 3. 2000 (Terlinden) jeweils aufgehoben wurden, weil das VG Berlin der Ansicht war, dass die Zeugen entsprechend § 55 StPO zu einer umfassenden Auskunftsverweigerung berechtigt waren. Vgl. auch Abschlussbericht des 1. UA der 14. WP, BTDrs. 14/9300, S. 90 ff., 93 ff. 310 Stenographisches Protokoll der 66. Sitzung des 1. UA der 14. WP v. 8. 3. 2001, Nr. 66, S.109.

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G. Die Vernehmung der Zeugen

Rechtsfragen, Fragen nach Meinungen, Erfahrungssätzen, allgemeinen Eindrücken, Schlussfolgerungen, Mutmaßungen oder reinen Werturteilen. So blieb folgende Frage eines Abgeordneten, eines ehemaligen Vorsitzenden Richters, an den Zeugen Wissmann unbeanstandet: "Wenn der Baudezernent in der Bauverwaltung einen ordnungsgemäßen Bauantrag prüft, ordnungsgemäß eine Baugenehmigung erteilt und hinterher feststellt, in dieser Phase ist von dem Antragsteller Geld an ihn gezahlt worden, was würden sie als Jurist dazu sagen?"311 gg) Vorhalte aus Urkunden Die mangelnde forensische Erfahrung zeigt sich auch bei Vorhalten aus Urkunden an Zeugen. Während Praktiker sehr wohl wissen, dass bei einem Vorhalt aus einem Schriftstück an den Zeugen gleichzeitig den anderen Verfahrensbeteiligten mitgeteilt wird, aus welcher Urkunde mit Angabe der Seitenzahl dieser Vorhalt gemacht wird, geschieht dies im UA nicht. Dies hat zur Folge, dass die anderen Ausschussmitglieder, soweit ihnen das Schriftstück nicht sofort bekannt ist, fragen, wo sich dieses Schriftstück befindet, aus dem der Vorhalt gemacht wird. Die Fragen werden von dem Abgeordneten an die Mitarbeiter weitergegeben. Wenn es gelingt, das Schriftstück zu finden, kann sich herausstellen, dass der Vorhalt nicht korrekt war, aber die Antwort des Zeugen zu dem Vorhalt bereits gegeben wurde. Dies hat wiederum zur Folge, dass der Vorhalt von einem anderen Abgeordneten der Gegenseite erneut an den Zeugen gemacht wird, vielleicht mit einem anderen Inhalt, was es dem Zeugen nicht erleichtert, die Frage korrekt zu beantworten? 12 Noch schwieriger ist es, wenn ein Vorhalt aus Akten gemacht werden soll, die VS-vertraulich eingestuft sind. In diesem Fall kann die Befragung des Zeugen nur in einer VS-vertraulichen Sitzung, d. h. in einer nicht öffentlichen Sitzung, fortgesetzt werden. Der Ausschussvorsitzende steht dann vor der Frage, ob er die öffentliche Sitzung unterbricht und die Befragung des Zeugen in einer nicht öffentlichen Sitzung fortsetzt oder ob die Befragung des Zeugen in öffentlicher Sitzung zu Ende geführt wird, um anschließend in nichtöffentlicher Sitzung den Vorhalt aus VS-vertraulich eingestuften Akten machen zu lassen, was den Zusammenhang der Befragung eines Zeugen durcheinander bringen kann. Die Versuchung ist groß, diese Schwierigkeiten in der Weise zu umgehen, dass aus VS-vertraulich eingestuften Akten nicht wörtlich, sondern nur sinngemäß zitiert wird. Noch einfacher ist es, wenn die VS-vertraulichen Aktenteile vorher der Presse zugespielt wurden, die dann über den Vorgang berichtet hat. Dann kann der Vorhalt in öffentlicher Sitzung entsprechend dem Pressebericht gemacht werden. So werden die Geheimhaltungsvorschriften auf einfachem Wege ausgehebelt. 311

S.68.

Stenographisches Protokoll der 66. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 8. 3. 2001, Nr. 66,

312 Vgl. stenographisches Protokoll der 70. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 29. 3 2001, Nr. 70, S. 85, 86.

11. Die tatsächliche Vernehmungssituation

181

hh) Beschimpfungen von Zeugen Im Rahmen der Vernehmung von Bundeskanzler a.D. Kohl hat ein Abgeordneter gegen Ende der Vernehmung am 25. 1. 2001 zu einem Rundumschlag gegen den Zeugen ausgeholt. Zunächst hat er dem Zeugen vorgehalten, dass dieser mehrfach pauschal und auch dreist und ungefragt gesagt hat, was er von den gewählten Abgeordneten der Rot-Grünen-Mehrheitsfraktionen hält. Da er nicht warten möchte, bis das Protokoll vorliegt und er sich noch mehr anhören muss, wolle er ihm heute mit auf den Weg geben, was er von dem Zeugen hält: "Sie sind aufgrund Ihrer Einlassungen nach wie vor ein völlig uneinsichtiger Wiederholungstäter, der uns weismachen will, dass ihm der Untreuegehalt seiner Veruntreuungen nicht bewusst ist. Fast 6 Stunden lang haben sie uns ihre verqueren Geschichtsbilder zugemutet. Wir haben zwar die ganze Zeit dazu geschwiegen. Aber sie sollen einfach wissen, dass es ihnen trotz ihrer Ablenkungen nicht gelungen ist, von dem Wesentlichen abzulenken, nämlich dass sie einfach über 20 Mio. DM eigenmächtig verfügt haben, dass die Herkunft von 10 Mio. DM noch ungewiss ist und zu dem entscheidenden Punkt, 226 Mio. DM an Bestechungsgeldern, nichts, aber auch gar nichts beigetragen haben, außer zu der erwiesenen Tatsache das wissen wir alle - 1 Mio. DM an die CDU und 3,8 Mio. DM an den geflohenen CSU-Staatssekretär, der außer Landes ist. Deshalb frage ich Sie: Wollen Sie uns das wirklich weismachen ?,,313 Diese Beschimpfungen durch ein Mitglied des Untersuchungsausschusses blieben durch den Ausschussvorsitzenden unbeanstandet. Ein Staatsbürger, der seiner Zeugenpflicht in einem UA nachkommt, muss sich dies nicht bieten lassen. Wenn auch gelegentlich angeführt wird, dass es sich bei einem UA um ein "politisches Kampfinstrument handelt,,314, wird diese Art der Befragung von Zeugen durch die Verfassung, nämlich durch Art. 44 GG, nicht gedeckt. Der Zeuge wird zum Objekt von Beschimpfungen erniedrigt. ii) Gezielte Informationen an Journalisten vor der Vernehmung Gelegentlich ist das Zusammenspiel zwischen Mitgliedern im UA und der Presse bedenklich. Journalisten sind einerseits auf Informationen angewiesen. Sie halten daher engen Kontakt zu den Abgeordneten bzw. zu den Pressesprechern der einzelnen Fraktionen, um an Informationen zu gelangen und diese in ihren Zeitungs-, Rundfunk- und Fernsehberichten verarbeiten zu können. Gelegentlich konnte man den Eindruck gewinnen, dass Schriftstücke des Ausschusses schneller bei der Süddeutschen Zeitung ankamen als in den Arbeitsgruppen des Untersu3I3 Stenographisches Protokoll der 57. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 25. 1. 2001, Nr. 57, S. 126. 314 Vgl. Ausführungen zu C. 11.

182

G. Die Vernehmung der Zeugen

chungsausschusses. 315 Bei manchem Zeitungsbericht wurde deutlich, dass dieser aus Schriftstücken des Untersuchungsausschusses erstellt war?16 Man muss sich aber darüber im klaren sein, dass umgekehrt Zeitungsredakteure auch von Abgeordneten benutzt werden, wenn diese ein Interesse daran haben, dass ein bestimmter Bericht mit einem Thema aus dem UA zu einem bestimmten Zeitpunkt, nämlich am besten einen Tag vor der Sitzung des Untersuchungsausschusses und noch besser des Überraschungsmoments wegen am Tag der Sitzung des Untersuchungsausschusses in einer Zeitung erscheint. Die Zeitungsredakteure gehen auf ein solches Ansinnen dann ein, wenn sie gelegentlich auch eine Exklusivinformation erhalten, um sie als erste und einzige in ihrer Zeitung bringen zu können, so dass die Konkurrenzunternehmen erst am folgenden Tag mit der Floskel "Wie die ... Zeitung gestern berichtete" eine entsprechende Meldung abdrucken können. Diese Vorgehensweise wird von Abgeordneten gezielt eingesetzt, um dann die eigenen Quellen bei der Befragung von Zeugen nicht offen legen zu müssen, weil man sich bei einem Vorhalt an einen Zeugen auf den aktuellen Zeitungsbericht beziehen und dem Zeugen konkrete Fragen zu Informationen, die der Abgeordnete von "dritter" Seite erhalten hat, stellen kann. Der Wahrheitsgehalt der Informationen, die von Abgeordneten an Pressevertreter weitergegeben werden, muss natürlich nicht immer stimmen. Man kann sich genau so im Bereich der Spekulation bewegen. Für den Zeugen ist es dann oft schwierig, die Vorgänge richtig zu stellen. Ein Paradebeispiel von gezielter Fehlinformation der Presse war eine DPA-Meldung, in Hessen sei ein neues Schwarzgeldkonto der CDU Hessen mit DM 700.000,00 aufgetaucht, was sich letztendlich als Falschmeldung herausgestellt hat. 317 Dieser Bericht war vor der Vernehmung des hessischen Ministerpräsidenten Koch am 15.02.2001 in die Öffentlichkeit lanciert worden. jj) Die Dauer der Vernehmung der Zeugen Im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP wurde nach zweieinhalb Jahren, 125 Sitzungen, davon 60 Sitzungen zur Beweisaufnahme, nach 540 Beweisbeschlüssen, der Vernehmung von 134 Zeugen, Sachverständigen und Anhörpersonen, der Sichtung von ca. 1800 Beweismittelordner sowie weiteren ca. 5000 Ordnern beim BMF der Abschlussbericht318 am 2.7.2002 vorgelegt. 315 Vgl. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 45 f.; Titelseite der SZ v. 5. 5. 2000. 316 Z. B. SZ v. 20./21. 4. 2002, S. 10: Dem 1. VA der 14. WP war am 15.4.2002 der geschilderte Schriftwechsel (1995/ 1996) der Verwaltung des Deutschen Bundestages, Referat PD 2, Parteienfinanzierung / Landesparlamente, mit der CSV zugegangen. 317 Stenographisches Protokoll der 65. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 15. 2. 2001, Nr. 65, S. 95. 318 BT-Drs. 14/9300.

11. Die tatsächliche Vernehmungs situation

183

Die Vernehmungen und Anhörungen des Untersuchungsausschusses erstreckten sich über insgesamt mehr als 284 Stunden. Die stenographisch gefertigten Wortprotokolle umfassen 4387 Seiten. 319 In den Sitzungen wurden Zeugen oft stundenlang vom UA vernommen, wobei diese Vernehmungen nicht immer in einem sachlichen, ruhigen Ton abliefen, sondern von Zwischenrufen, Diskussionen zwischen den Abgeordneten oder mit dem Ausschussvorsitzenden begleitet waren. Die Zeugen unterliegen über Stunden hinweg bei ihrer Aussage der Wahrheitspflicht und müssen damit rechnen, dass der UA die Akten bei Zweifeln am Wahrheitsgehalt ihrer Aussage der zuständigen Staatsanwaltschaft zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen uneidlicher Falschaussage oder sogar wegen Meineids zuleitet. Teilweise grenzt die Vernehmungsdauer aufgrund der Belastung für die Zeugen an unerlaubte Vernehmungsmethoden im Sinne von § 136a StPO?20 Es ist nachvollziehbar, dass Zeugen nach einer Vernehmungsdauer von mehreren Stunden unter diesen Begleitumständen in einem UA müde und erschöpft sind. Die Ursachen für die Dauer der Vernehmungen sind unterschiedlich. Eine Ursache ist in der Zusammensetzung des Untersuchungsausschusses zu finden. Je größer die Anzahl der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses ist, desto länger ziehen sich die Vernehmungen hin, da immer wieder die gleichen Fragen gestellt werden. 321 Die Zusammensetzung der Ausschüsse orientiert sich am Fraktionsproporz, was bei einem Mehrfraktionenparlament eine die Arbeitsfähigkeit gewährleistende Größenordung ausschließt und die Zeugenvernehmung häufig zur Tortur macht. Eine weitere Ursache für die Dauer von Zeugenvernehmungen ist, dass der Ausschussvorsitzende seine Aufgabe bei der Verhandlungsleitung nicht rigide wahrnimmt. Es läge in seiner Hand, gleiche Fragen, die bereits beantwortet sind, nicht zuzulassen. Weiter wird die Dauer der Vernehmungen dadurch bestimmt, dass die Mitglieder von Untersuchungsausschüssen keine Präsenzpflicht bei der Beweisaufnahme und Beratung haben. Sie kommen und gehen "nach Lust und Laune, an den zu treffenden Entscheidungen nehmen sie aber wie selbstverständlich teil".322 Es kommt immer wieder vor, dass eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter einen Teil der Zeugen vernehmung versäumt hat, dann aber wiederholt Fragen stellt, die von anderen Ausschussmitgliedern bereits gestellt wurden und der Zeuge vor dem Problem steht, ob er die gleiche Antwort noch einmal geben muss. Hier wäre erforderlich, dass der Vorsitzende die Zeugenvernehmung strikt leitet, gleiche Fragen nicht zulässt, und dass die Ausschussmitglieder während der Beweisaufnahme anwesend sein müssen. Wer einen Sachverhalt feststellen und Be319 BT-Drs. 14/9300, S. 101. Vgl. OLG Köln, NJW 1988, S. 2485 ff.; vgl. Ausführungen zu G. 1. 6. e) bb). Klein, FAZ v. 28. 5. 2001, S. 10, beklagt, dass die Untersuchungsausschüsse viel zu groß sind. 322 Klein, FAZ v. 28. 5. 2001, S. 10. 320 321

184

G. Die Vernehmung der Zeugen

wertungen vornehmen will, kann dies sachlich nur tun, wenn er die Erarbeitung der festzustellenden Tatsachen mitgestaltet, aber zumindest miterlebt hat. kk) Presseerklärungen von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses während der Vernehmung Augstein 323 beklagt den "Medienrummel", der sich vor den Saaltüren des Untersuchungsausschusses abspielte. Sie befürchtete, dass Untersuchungsausschüsse künftig noch mehr für gewöhnliche Parteipropaganda missbraucht werden als bisher. Klein 324 fordert daher, dass die Mitglieder eines Untersuchungsausschusses vor der Abgabe des Schlussberichts keine öffentlichen Erklärungen abgeben sollten. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses, insbesondere der Ausschussvorsitzende und die Obleute der Fraktionen im UA, begleiteten die Vernehmung der Zeugen mit Interviews, nicht nur vor der Vernehmung von Zeugen und nach der Vernehmung, sondern gelegentlich schon während der Zeugen vernehmung, wo ungeniert die Glaubwürdigkeit von Zeugen in Frage gestellt wurde, obwohl deren Vernehmung noch überhaupt nicht abgeschlossen war. Gerade bei prominenten Zeugen kam es während der Zeugen vernehmungen vor, dass die Obleute der Fraktionen im UA den Sitzungssaal verließen, um vor den Fernsehkameras im Foyer des Tagungsortes Kommentare abzugeben. Niemand kümmerte sich darum, dass auch ein UA seine Bewertungen auf der Grundlage der Beweisaufnahme insgesamt, zumindest erst nach der Vernehmung eines Zeugen, vornehmen kann. Maßgebend für den Zeitpunkt von Presseerklärungen sind die besten Sendezeiten der Fernsehsender. Wenn man berücksichtigt, welche Bedeutung die Medienberichterstattung hat, ist die Erfüllung der Forderung von Klein, den Ausschussmitgliedern ein Verbot aufzuerlegen, öffentliche Erklärungen während der Beweisaufnahme abzugeben, aussichtslos. Ein Abgeordneter hat sich bei der Vernehmung der Schatzmeisterin der SPD darüber beklagt, dass der Obmann der CDU / CSU-Fraktion nach seiner Befragung der Zeugin den Sitzungssaal verließ und gegenüber der Presse zur Vernehmung der Zeugin Erklärungen abgegeben hat, obwohl die Vernehmung noch nicht abgeschlossen war. 325 Als der Obmann der SPD mitbekam, dass der Obmann der CDU / CSU vor dem Sitzungssaal Presseerklärungen zu der Aussage der Zeugin abgab, verließ Augstein, Merkur 2002, S. 634 ff., 636, 638. Klein, FAZ v. 28. 5. 2001, S. 10. 325 Stenographisches Protokoll der 51. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 30. 11. 2000, Nr. 51, S. 28. 323

324

11. Die tatsächliche Vernehmungs situation

185

auch der Obmann der SPD den Sitzungssaal, um sich ebenfalls vor der Presse zu äußern. Dazu gab er sein Fragerecht weiter an einen Abgeordneten der FD.P., der dieses Geschehen damit kommentierte, dass man ja die Spielregeln kenne, was einen Abgeordneten der CDU dazu veranlasste, einen Zwischenruf zu machen, dass der Obmann der SPD an der Vernehmung der Zeugin auch nicht interessiert zu sein scheine?26

11) Die Vereidigung von Zeugen Unter Berücksichtigung des Verzichts auf die Vereidigung von Zeugen in Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages verwundert es, dass nach der Verabschiedung des PUAG, das nach Art. 3 S. 2 PUAG auf einen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits eingesetzten UA keine Anwendung findet, die Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90 1DIE GRÜNEN im 1. UA der 14. WP dennoch die Vereidigung der Zeugen Leisler-Kiep, Koch und Kohl beschlossen haben. Dies verwundert um so mehr, als damit der UA von einer mehr als 30-jährigen in Untersuchungsausschüssen des Deutschen Bundestages geltenden Praxis abgewichen ist. Dazu kommt, dass die Ausschussmehrheit insbesondere bei der Beeidigung des Zeugen Leisler-Kiep nicht nJlr objektiv, sondern auch subjektiv gegen § 60 Nr. 2 StPO verstoßen hat, was selbst von dem innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion Wiefelspütz eingeräumt wird. 327 Bei dem Zeugen Leisler-Kiep bestand ein Vereidigungs verbot gemäß § 60 Nr. 2 StPO, da im Zeitpunkt der Beschlussfassung im UA gegen Leisler-Kiep ein Strafverfahren vor dem Landgericht Wiesbaden anhängig war, das den gleichen Sachverhalt betraf, der Gegenstand seiner Vernehmung vor dem UA war. Dies war der Ausschussmehrheit auch bekannt, da von dem UA die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Wiesbaden vom 11. 5. 2001 im Verfahren 6 Js 3204/00 beigezogen und mit Schreiben des Vorsitzenden der 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 6. 7. 2001 dem UA zugeleitet worden war. Insoweit hat der Obmann der CDU 1CSU-Fraktion im UA berechtigterweise auf einen Rechtsbruch durch die Ausschussmehrheit hingewiesen?28 Man könnte noch weiter gehen und die Frage aufwerfen, ob der Ausschussvorsitzende und die Mitglieder der Koalitionsfraktionen nicht ein Verbrechen der Rechtsbeugung gemäß § 336 StGB begangen haben, wobei die interessante Rechtsfrage zu klären wäre, ob Mitglieder des Untersuchungsausschusses Amtsträger im Sinne von § 11 StGB sind. Die dem Legalitätsprinzip unterliegende Staatsanwaltschaft Berlin hat sich für den Vorgang aber nicht interessiert. Dass die getroffene Entscheidung nicht einmal vertretbar war, ist evident und ergibt sich auch daraus, dass der UA eine Ordnungsmaßnahme gegen den den Eid verweigernden 326 Stenographisches Protokoll der 51. Sitzung des 1. VA der 14. WP v. 30. I!. 2000, Nr. 51, S. 28. 327 WieJelspütz, ZRP 2002, S. 14 ff., 18. 328 Vgl. FAZ v. 17. 10.2001, S. 16.

186

G. Die Vernehmung der Zeugen

Zeugen Leisler-Kiep nicht getroffen hat. Damit wurde dem Zeugen der Rechtsweg abgeschnitten. Diese Ausführungen zeigen, dass die Ausschussmehrheit die Frage der Verhängung von Ordnungsmaßnahmen nicht nach rechtlichen Kategorien, sondern allein politisch bewertet hat. Daher verwundert es auch nicht, dass die im 1. UA der 14. WP von der Ausschussmehrheit verhängten Ordnungsmaßnahmen, z. B. gegen die Zeugen Terlinden und Weyrauch, von den Gerichten aufgehoben worden sind, da die jeweiligen Sachverhalte rechtlich und nicht allein politisch zu beurteilen waren?29

329

Vgl. FR v. 19. 10.01, S. 4.

H. Gesamtbetrachtung Bei der Zeugenvernehmung durch einen UA geht es um die Ausübung öffentlicher Gewalt des Untersuchungsausschusses gegenüber Zeugen. Der Gesetzgeber wollte durch die Verweisung auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess eine effektive Beweiserhebung mit den Mitteln des Strafprozesses sichern. Das Gewicht hat sich in den Untersuchungsausschüssen aber verlagert. Im Vordergrund steht die politische Kontroverse durch die Bewertung der Zeugenaussagen. Für die Feststellung der Tatsachen hat der Gesetzgeber durch das PUAG zwar gewisse Fortschritte erzielt, befriedigend ist die Lösung der Probleme aber nicht gelungen.

I. Die Fortschritte 1. Die Stärkung der Minderheitenrechte Durch das PUAG wurden die Minderheitsrechte hinsichtlich der Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugen gestärkt. Bisher wurde die Reihenfolge der Zeugen, bei Untersuchungsausschüssen meist ein Politikum, von der Ausschussmehrheit bestimmt. Teilweise wurde die Vernehmung von Zeugen als unzulässig abgelehnt oder es wurde die Vernehmung von bestimmten Zeugen zwar beschlossen, aber nicht terminiert, z. B. die Vernehmung von Bundeskanzler a. D. Kohl, der nach der Einsetzung des 1. UA der 14. WP seine baldige Vernehmung durch den UA gefordert hatte. Die Probleme in diesem Zusammenhang waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem BVerfG in dem Organstreitverfahren der CDU / CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag und der Ausschussmitglieder der CDU / CSU-Fraktion gegen den 1. UA des 14. Deutschen Bundestages. l Nach § 17 Abs. 3 S. 1 PUAG soll nunmehr die Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen im UA möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Bei Widerspruch eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses gelten die Vorschriften der GOBT zur Reihenfolge der Reden entsprechend (§ 17 Abs. 3 S. 2 PUAG). Dadurch wurde das Minderheitenrecht wesentlich gestärkt, womit aber nicht alle Probleme hinsichtlich der Reihenfolge der Vernehmung der Zeugen gelöst wurden. 2 Die Bestimmung dient der Rechtssicherheit.

I

2

BVerfGE 105, 197 ff. V gl. Ausführungen zu F. H. 8. d).

188

H. Gesamtbetrachtung

2. Der einheitliche Rechtsweg

Positiv zu bewerten ist, dass durch das PUAG die bisherige Aufspaltung des Rechtsweges aufgegeben wurde. Nach bisheriger Rechtslage waren bei Streitigkeiten über Verfahrensfragen unterschiedliche Rechtswege zu beschreiten. Unter Umständen führte der Weg durch mehrere Instanzen. Soweit der UA Zwangsmittel nicht selbst verhängen kann, z. B. bei Erzwingungshaft gegen einen Zeugen bei grundloser Zeugnisverweigerung, sondern ihre Anordnung bisher bei dem zuständigen Richter beantragen musste, hatten die Zeugen und sonstige Dritte, die durch die stattgebende Entscheidung des Amtsgerichts betroffen waren, die Möglichkeit der Beschwerde (§ 304 StPO) zum Landgericht. 3 Gegen Beschlüsse des Untersuchungsausschusses, durch die Dritte betroffen waren, war der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Dies hat die Rechtsprechung bejaht im Hinblick auf - die Ladung eines Zeugen4 , - die Auferlegung der Kosten gemäß § 51 Abs. 1 S. 1 StPO und die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 51 Abs. 1 S. 2 StPO,5 - die zwangsweise Vorführung eines Zeugen gemäß § 51 Abs. 1 S. 3 StPO,6 - die Verhängung eines Ordnungsgeldes gemäß § 70 Abs. 1 StPO zur Erzwingung eines Zeugnisses,7 - die Aufforderung, Beweismittel vorzulegen,8 - den Beschluss, bei dem zuständigen Amtsrichter die Anordnung der Beschlagnahme zu beantragen. 9 Gemäß § 36 Abs. 1 PUAG ist nunmehr für Streitigkeiten nach dem PUAG der BGH zuständig, soweit Art. 93 GG sowie § 13 des BVerfGG und die Vorschriften des PUAG nichts Abweichendes bestimmen. Dies gilt auch für die Ordnungsmaßnahmen gemäß § 21 Abs. 1 PUAG. lO Die Konzentration der Verfahren beim BGH dient der Rechtsklarheit, der Rechtssicherheit durch eine einheitliche Rechtsprechung und der Beschleunigung des Verfahrens.

3 V gl. Engels, in: Thaysen / Schüttemeyer, Bedarf das Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse einer Reform?, 1. Aufl. 1988, S. 205 ff., 235. 4 BVerwG, DÖV 1980, S. 300; BayVGH, BayVBl. 1981, S. 209, 210. 5 OVG Lüneburg, DÖV 1986, S. 210. 6 OVG Lüneburg, DÖV 1986, S. 210; OVG Lüneburg, DVBl. 1986, S. 476. 7 VG Berlin, Az.: VG 2 A 55.00, Verwaltungs streitsache Weyhrauch . /. Bundesrepublik Deutschland. 8 OVG Münster, NVwZ 1987, S. 608. 9 OVG Münster, NVwZ 1987, S. 608. 10 BT-Drs. 14/5790, S. 18.

11. Die Regelungsdefizite

189

11. Die Regelungsdefizite Diesen positiven Ansätzen des PUAG stehen aber viele Defizite gegenüber, weil eine Vielzahl der im Rahmen der Reformdiskussionen erhobenen Forderungen zum Untersuchungsausschussrecht keine Berücksichtigung fand.

1. Keine Verfassungsänderung

Trotz des Konsenses, der bei der Verabschiedung des PUAG zwischen den Parteien geherrscht hatte, ist es nicht gelungen, Art. 44 GG dahingehend zu ändern, dass die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 S. I GG auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess entfällt. Damit wurde die Chance vertan, ein eigenständiges Verfahrensrecht für Untersuchungsausschüsse des Bundestages zu schaffen, in dem die Beteiligungsrechte der "Betroffenen" positiv geregelt werden. Insoweit hat das PUAG lediglich interpretierenden Charakter. Eine wesentliche Forderung im Rahmen der Reformdiskussion ist damit nicht erfüllt worden. Das PUAG weist aber auch Reglungslücken auf, die die im Rahmen eines Untersuchungsausschusses beteiligten Personen betreffen.

2. Der Vorsitzende I stellvertretende Vorsitzende a) Keine Neutralität

Der Ausschussvorsitzende ist nicht der neutrale Verhandlungsleiter im UA. Er ist nicht ein objektiver, der Wahrheitsfindung verpflichteter Dritter, der in fremder Sache entscheidet. Der Ausschussvorsitzende ist vielmehr Mitglied einer Fraktion der im UA vertretenen Fraktionen (§ 6 Abs. I PUAG). Er ist daher nicht in der Lage, eine Beweisaufnahme unparteiisch zu gestalten. Zwar hat der Ausschussvorsitzende nach § 25 Abs. 1 S. 1 PUAG die Pflicht, "ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen zurückzuweisen". Damit ist der Vorsitzende aber überfordert, weil er als Mitglied einer Fraktion des Bundestages immer auch selbst Partei ist. Dies zeigte sich im 1. UA der 14. WP gerade beim Absehen von Ordnungsmaßnahmen gegen Bundeskanzler a. D. Kohl und bei der Bewertung der Aussagen des Zeugen Leisler-Kiep vor dem UA. 1I Hätte das PUAG "einen überparteilichen Vorsitzenden vorgesehen, wäre es um die künftigen Untersuchungsausschüsse besser bestellt" 12.

11 l2

Dazu näher bei F. 11. 5.

Augstein, Merkur 2002, S. 634 ff., 636.

190

H. Gesamtbetrachtung

b) Keine Stärkung der Stellung des Vorsitzenden durch das PUAG

Durch das PUAG wurde die Stellung des Vorsitzenden nicht gestärkt. Er hat es nicht in der Hand, den Ablauf der Beweisaufnahme zu bestimmen, z. B. eine sachdienliche Abhandlung der verschiedenen Untersuchungskomplexe und anschließend eine entsprechende Reihenfolge der Zeugeneinvernahme festzulegen, die Befragung der Zeugen zunächst selbst durchzuführen und weitere Fragen der Ausschussmitglieder nur zuzulassen, wenn sie sachdienlich für die Beweiserhebung sind. Der Ausschussvorsitzende ist hinsichtlich der Gestaltung der Beweisaufnahme nicht frei, sondern von den Beschlüssen der Mehrheitsfraktion abhängig. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass der Ausschussvorsitzende z. B. hinsichtlich der Reihenfolge von Zeugenvernehmungen keine abschließende Auskunft gegenüber Rechtsbeiständen der Zeugen geben kann, wie sich im 1. UA "Parteispenden" der 14. WP bei der Vernehmung der Eheleute Ehlerding gezeigt hat. 13 c) Keine Regelung im PUAG bezüglich der Qualifikation des Vorsitzenden

Das PUAG enthält auch keine Regelung hinsichtlich der Qualifikation des Ausschussvorsitzenden bzw. dessen Stellvertreter. Eine Befähigung zum Richteramt wird nicht verlangt (§ 6 Abs. 1 S. 2 PUAG). Es wird einfach unterstellt, dass jeder Parlamentarier dafür geeignet ist. Die fehlende Erfahrung bei der Leitung von Verhandlungen und mangelnde Moderationstechnik erschweren die Erhebung der Beweise durch Zeugenvernehmungen im UA. 14 Die Verhandlungsleitung durch die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts in dem Organstreitverfahren der CDU / CSU-Fraktion und der Mitglieder der CDU / CSU-Fraktion im UA gegen den 1. UA hob sich wohlwollend von der Sitzungsführung des Ausschussvorsitzenden des 1. UA "Parteispenden" der 14. WP ab. 3. Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses a) Keine Begrenzung der Zahl der Mitglieder

Das PUAG hat darauf verzichtet, die Zahl der Mitglieder und ihrer Stellvertreter zu begrenzen. Vielmehr bestimmt gemäß § 4 PUAG der Bundestag bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses die Zahl der ordentlichen und die gleiche Zahl der stellvertretenden Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach dem Fraktionsproporz. Dies führt bei einer großen Anzahl von Fraktionen zu einer Zahl von Mitgliedern im UA, die die Arbeitsfähigkeit des Untersuchungsausschusses erheblich beeinträchtigen kann. 13 14

Dazu näher bei G. 11. 4. b) ce). Dazu näher bei F. 11. 5.

H. Die Regelungsdefizite

191

b) Keine Präsenzpflicht

Die Mitglieder des Untersuchungsausschusses unterliegen keiner Präsenzpflicht bei der Beweisaufnahme und den Beratungssitzungen. Dennoch fassen die gleichen Mitglieder Beschlüsse zu Verfahrensfragen und zu Tatsachenfeststellungen im Abschlussbericht und nehmen die politische Bewertung dieser Tatsachen vor, obwohl sie vielleicht bei wesentlichen Teilen der Beweisaufnahme gar nicht anwesend waren. Dies zeigt, dass es im UA weniger um die Wahrheitsfindung als um die politische Auseinandersetzung geht. Vom Ausgangspunkt her sollte ein UA ein Aufklärungsinstrument sein, um die Regierung effektiv zu kontrollieren. Durch die Verweisung in Art. 44 Abs. 2 GG auf die sinngemäße Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess erhält ein UA umfangreiche Befugnisse zur Erfüllung seiner Aufgaben. Entsprechend sind die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses. Da aber in Wirklichkeit die politisch-propagandistische Auseinandersetzung mit dem parteipolitischen Gegner im Vordergrund steht, kommt es zu Enttäuschungen, die die Arbeit von Untersuchungsausschüssen regelmäßig bewirkt. 15 Die Beurteilung des Sachverhalts bleibt häufig kontrovers, Untersuchungsausschüsse enden sehr häufig wie das "Hornberger Schießen". Man spricht daher auch von "Proporzwahrheit", die sich im Mehrheits- und im Minderheitsbericht niederschlägt. Dies hat zur Folge, dass das Interesse der Öffentlichkeit an den Untersuchungsausschüssen abnimmt und damit das Ziel der parlamentarischen Untersuchung, die Regierung und damit zugleich die übrige Exekutive einer effektiven parlamentarischen Kontrolle zu unterwerfen, um Missstände aufzuklären, nicht erreicht wird. c) Keine Regelung im PUAG über das Verhältnis zur Presse

Das PUAG enthält auch keine Regelungen zum Verhältnis des Untersuchungsausschusses und seiner Mitglieder zur Presse. Die Beweisaufnahme und die Beratungssitzungen im UA werden ständig von Erklärungen und Kommentaren, die vom Ausschussvorsitzenden, den Obleuten der Fraktionen und einzelnen Mitgliedern der Fraktionen im UA gegenüber der Presse abgegeben werden, begleitet. Während noch die Vernehmung eines Zeugen im UA im Gange ist, kann es passieren, dass vor dem Sitzungssaal gegenüber der versammelten Presse die Glaubwürdigkeit des Zeugen bereits in Zweifel gezogen wird. Es finden Vorverurteilungen statt, gegen die sich der Zeuge nicht wehren kann, da er im UA anwesend sein muss und der Wahrheitspflicht unterliegt. Es war nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber öffentliche Erklärungen von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses verbietet. Dadurch hätte sich das Parlament selbst beschränken müssen, was in Widerspruch zu dem politischen Agieren in Untersuchungsausschüssen stünde. Andererseits hätten sicherlich Vorschriften über die Ablehnung von Mitgliedern des Untersuchungsausschusses wegen Befangenheit zu einer Mäßigung bei öffentlichen Erklärungen geführt. 15

Augstein, Merkur 2002, S. 634 ff., 636.

192

H. Gesamtbetrachtung

4. Die Zeugen

a) Die Behandlung der Zeugen im VA

Die Zeugen haben vor dem UA aufgrund ihrer staatsbürgerlichen Pflicht zu erscheinen und die Wahrheit zu sagen. Dann dürfen sie auch erwarten, entsprechend dieser Verpflichtung von den Mitglieder der Fraktionen im UA behandelt und nicht bloßgestellt zu werden. "Die Menschenwürde", die auch die eigentliche Grundlage des Rechts auf rechtliches Gehör beinhaltet, "erfordert es, dass der Einzelne stets als Person gesehen und behandelt und nicht zum bloßen Objekt einer staatlichen Maßnahme oder Entscheidung degradiert wird,,16. Die Behandlung von Zeugen ist mit der Menschenwürde und der Würde des Parlaments oft nicht vereinbar, weil mit ihnen nicht so fürsorglich umgegangen wird, wie sie dies nach rechtsstaatlichen Grundsätzen selbst dann verdienen würden, wenn sie als Angeklagte vor Gericht stehen würden. Im UA ist man sich oft nicht bewusst, dass die Bedeutung und die Würde einer politischen Institution wie der des Untersuchungsausschusses zu einem wesentlichen Teil nicht nur durch Normen, sondern auch durch den politischen Stil und den Geist geprägt werden, in welchem diese gehandhabt werden. Bestimmend ist die politische Kultur eines Gemeinwesens. Das Parlament und damit auch der UA darf nicht alles tun, was im politischen Kampf als opportun erscheint. Im Vordergrund muss die Fürsorge für den Zeugen und damit für den Bürger stehen. Daher wäre eine Aufnahme von Ausschluss- und Befangenheitsregeln in das PUAG geboten gewesen. Durch entsprechende Bestimmungen wären Zeugen vor Beleidigungen und Vorverurteilungen durch Ausschussmitglieder geschütztP Die Besetzung des Untersuchungsausschusses wäre dann auch einer. richterlichen Kontrolle unterworfen, wobei das Besetzungsrecht aber beim Parlament bliebe. b) Keine Regelung im PVAG zum "BetrofJenenstatus"

Der Gesetzgeber war aufgerufen, im Rahmen der Bestrebungen zur Reform des parlamentarischen Untersuchungsrechts für eine sachgerechte Auflösung des Spannungsverhältnisses zwischen Betroffenenschutz einerseits und parlamentarischem Aufklärungsinteresse andererseits Sorge zu tragen. Er hat es dennoch unterlassen, eine gesetzliche Regelung, die zwischen Zeugen und "Betroffenen" unterscheidet, einzuführen, obwohl es durchaus gewichtige Gründe für die Unterscheidung gibt. 18 Es hätte der KlarsteIlung bei den Zeugenpflichten für den Bürger gedient, wenn der Gesetzgeber eine Regelung über die Stellung eines betroffenen Zeugen bzw. Betroffenen in das Gesetz aufgenommen hätte. Dadurch wäre die Rechtsposition 16 17

18

Buchholz. Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 113. Dazu oben bei G. I. 5. Vgl. Schräder. NJW 2000, S. 1455 ff., 1457.

H. Die Regelungsdefizite

193

des Zeugen gestärkt worden. Der Gesetzgeber hat davon aber bewusst abgesehen und die Betroffenen bzw. betroffenen Zeugen im Unklaren gelassen. Damit wurde die Lösung der Rechtsfrage, ob ein betroffener Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht hat, auf die gerichtliche Ebene verlagert. Vorher ist der Zeuge bei seiner Vernehmung Vorhalten, gelegentlich auch massivem Druck und Beleidigungen, möglicherweise Maßnahmen des Untersuchungsausschusses in Form der Auferlegung der Kosten bei nach Ansicht des Untersuchungsausschusses unberechtigter Zeugnisverweigerung und der Verhängung von Ordnungsgeld oder auch Erzwingungshaft ausgesetzt. Damit ist der Rechtsstatus von Auskunftspersonen vor Untersuchungsausschüssen unklarer als der von Zeugen vor Gericht. 19 c) Kein Rechtsschutz für Zeugen

Träger subjektiver Rechte können in vielfältiger Art und Weise von den Ermittlungstätigkeiten eines Untersuchungsausschusses betroffen sein und dürfen in dieser Konfrontation mit der Sphäre des Politischen vom Rechtsstaat wirkungsvollen Rechtsschutz erwarten. Das Schutzbedürfnis von Zeugen wird durch die Tatsache intensiviert, dass der mit der Inszenierung von Untersuchungsausschussverfahren als Folge ihres politischen Charakters erzielte Effekt die Gefahr von Missbrauch steigert. Untersuchungsausschüsse agieren nicht selten auf Kosten des Ansehens Außenstehender, die sehr schnell an den Pranger gestellt und verurteilt werden, nicht nur im UA selbst, sondern gerade auch durch die darüber erfolgende Berichterstattung in den Medien. Auch die Feststellungen und Bewertungen im Abschlussbericht eines Untersuchungsausschusses können zu Ansehensverlusten einer Person in der Öffentlichkeit, aber auch zur fast vollständigen Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder des gesellschaftlichen Achtungsanspruchs führen. Die Art des Umgangs mit Auskunftspersonen hat aber für die Mitglieder des Untersuchungsausschusses bzw. für den UA selbst keine Folgen. Denn das PUAG versagt den Zeugen Abwehrrechte in Form eines Berichtigungs- oder Gegendarstellungsrechts. Gemäß § 32 Abs. 1 PUAG ist der Person, die durch die Veröffentlichung des Abschlussberichts in ihren Rechten erheblich beeinträchtigt werden kann, vor Abschluss des Untersuchungsverfahrens lediglich Gelegenheit zu geben, zu den sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Abschlussberichts innerhalb von 2 Wochen Stellung zu nehmen, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in der Sitzung zur Beweisaufnahme erörtert worden sind. Der wesentliche Inhalt der Stellungnahme ist in dem Bericht wiederzugeben. Diese Regelung enthält kein echtes Gegendarstellungsrecht, sondern steht unter der Überschrift "rechtliches Gehör". Sie entspricht aber nicht einmal rechtsstaatlichen Mindestanforderungen für die Gewährung des rechtlichen Gehörs, da dieses Recht durch den unbestimm19

Dazu oben bei G. 1. 4.

13 Plöd

194

H. Gesamtbetrachtung

ten Rechtsbegriff "erhebliche Beeinträchtigung von Rechten" eingeschränkt wird. Bereits die "einfache" Beeinträchtigung muss Grund für die Gewährung des rechtlichen Gehörs sein, wenn man berücksichtigt, dass eine gerichtliche Anfechtung des Schlussberichts durch Art. 44 Abs. 4 GG ausgeschlossen ist. Soweit das rechtliche Gehör quasi als gewährt gilt, wenn im Rahmen einer Sitzung zur Beweisaufnahme dies mit den betroffenen Zeugen erörtert worden ist, ist dies bereits deshalb nicht akzeptabel, weil es dabei um die Zeugenvernehmung geht. Die Zeugenvernehmung ist Beweiserhebung, nicht Gewährung rechtlichen Gehörs. Im Übrigen ist zu diesem Zeitpunkt auch nicht absehbar, welche Feststellungen und Bewertungen hinsichtlich der Angaben des Zeugen in dem Schlussbericht getroffen werden. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs und die Möglichkeit der Gegendarstellung wird zusätzlich durch § 32 Abs. 2 PUAG eingeschränkt, wonach nur der "wesentliehe" Inhalt der Stellungnahme in dem Bericht wiederzugeben ist. Damit hat der UA wieder die Möglichkeit, den Inhalt der "Gegendarstellung" des Zeugen zu beschränken. Das Grundgesetz garantiert aber dem Verfahrens betroffenen ein Recht auf Verfahrensbeteiligung. Der UA muss, um dem Anspruch auf rechtliches Gehör gerecht zu werden, die Äußerung des Betroffenen zur Kenntnis nehmen und bei seiner Entscheidung ernsthaft in Erwägung ziehen. Daraus ergibt sich, dass sich der UA zu den entscheidungsrelevanten Argumenten des Zeugen im Abschlussbericht auch äußern muss. 20 Das Schweigen des PUAG zu Verfahrensbeteiligungsrechten mit Ausnahme der Regelungen zur Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes und zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, das allerdings auf einen minimalen Inhalt reduziert wurde, lässt sich auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens im Hinblick auf die Gewährleistung eines rechtsstaatlieh fairen Verfahrens nicht rechtfertigen. Es hätte der Klarstellung im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften über den Strafprozess gedient, wenn der Gesetzgeber ein Anwesenheitsrecht für Betroffene bei den Beweiserhebungen, ein Akteneinsichtsrecht und ein Recht auf Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme für Betroffene in das Gesetz aufgenommen hätte, wie dies in den Richtlinien zur Überprüfung auf eine Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatsicherheitl Amt für Nationale Sicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geschehen ist?! Das UA-Verfahren wäre dadurch nicht beeinträchtigt worden. Gerade der inquisitorische Charakter des UA-Verfahrens und der fehlende Rechtsschutz gegen Wertungen im Abschlussbericht bedingen ein Mindestmaß an Beteiligungsrechten der betroffenen Auskunftspersonen. Eine Einführung von Berichtigungs-, Schadensersatz- und Gegendarstellungsan20 BVerfGE 21, 132, 137; OVG Münster, NVwZ 1987, S. 606, 607, das im übrigen Mitwirkungsrechte des Betroffenen, z. B. das Recht auf Anwesenheit, Recht auf Befragung von Zeugen, verfassungsrechtJich für geboten erachtet; noch weitergehend Richter, Pri vatpersonen im parlamentarischen UA, S. 53; Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, S. 123, 124, 144 ff.; vgl. auch Masing, ZRP 2001, S. 36 ff., 39. 21 Vgl. Ausführungen zu G. I. 4. d).

111. Schlussbemerkung

195

sprüchen 22 wie im Presserecht hätte zusätzlich erzieherisch gewirkt, wenn sie in unmittelbarem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Beschädigung zu einer sofortigen Entschuldigung durch den einzelnen Abgeordneten, die betreffende Fraktion im UA bzw. den gesamten UA führen würde.

III. Schlussbemerkung Im Spannungsfeld zwischen der Kontrolle der Regierung durch das Parlament und den Mitwirkungspflichten der Zeugen bei der Beweiserhebung in Untersuchungsausschüssen sind die Mitwirkungsrechte und damit die Grundrechte des Bürgers im PUAG nur unzureichend berücksichtigt worden. Bei dem Gesetz handelt es sich um ein "Insider-Geschäft", um ein Gesetz, bei dem sich die Parteien selbst gefällig waren. Die Parteien hatten nur ihre eigenen Positionen in einem UA im Auge. Das PUAG stellt nicht den Ausgleich zwischen den legitimen Belangen des Untersuchungsausschusses und den kollidierenden Rechten der Zeugen und betroffener Dritter her, wie dies Isensee23 gefordert hatte. Eine Verstärkung der Beteiligungsrechte des Bürgers an einem parlamentarischen Untersuchungsverfahren erschien als Hindernis, über das sich der Gesetzgeber unter Verstoß gegen die Grundrechte des Bürger und gegen das Rechtsstaatsprinzip bewusst hinweggesetzt hat, um die Lösung dieser Fragen der Justiz zu überlassen. Daraus wird zu Recht gefolgt: "Politiker eignen sich nur schlecht als Richter in eigener Sache,,24. Die Rechtsunsicherheit bleibt bestehen. Viele Fragen werden Anlass für weitere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen des Untersuchungsausschussrechts sein. 25 Einmalig ist, dass die Regelungslücken, z. B. beim Auskunftsverweigerungsrecht bzw. bei der fehlenden Regelung des Betroffenenstatus26 , bereits zu einem frühen Zeitpunkt evident wurden, nämlich während und nach Abschluss der Beweisaufnahme im 1. UA der 14. WP, auf den das PUAG nach Art. 3 S. 2 PUAG zwar keine Anwendung fand, aber bereits tatsächlich Wirkungen im Voraus entfaltete. Es ist bezeichnend, dass bereits im Abschlussbericht des 1. Untersuchungsausschusses der 14. WP eine Novellierung des PUAG hinsichtlich des Aussageverweigerungsrechts gefordert wird, obwohl das PUAG noch bei keinem UA unmittelbar Anwendung fand. 27

22 23

24

25 26 27

13*

V gl. Achterberg / Schulte, in: v. Mangoldt / Klein / Starck, Art. 44, Rn. 127. Isensee, in: FS für Schiedermair, S. 181 ff., 204. Detjen, ZRP 2001, S. 187 f.; vgl. auch Isensee, in: FS für Schiedermair, S. 181 ff. Ebenso Seidel, BayVBI. 2002, S. 97 ff., 107. Vgl. BT-Drs. 14/9300, S. 85,414. Abschlussbericht des 1. VA der 14. WP, BT-Drs. 14/9300, S. 414

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Personenregister Baumeister Brigitte S. 95, 125, 126, 157, 171 Danckert Peter S. 114, 169 Diller Kar1 S. 20, 93 Eh1erding Ingrid S. 163, 164, 165, 169, 171, 175, 190 Eh1erding Kar! S. 163, 164, 165, 171, 175, 176,190 Eichel Hans S. 93, 94 Friedrich Hans Peter S. 93 Glos Michael S. 93 Gysi Gregor S. 117 Haastert Winfried S. 20 Halstenberg Friedrich S. 93 Hauser Norbert S. 86, 93 Henke Hans Jochen S. 169, 170, 179 Himstedt Günter S. 93 Hirsch Burkhardt S. 20, 81 Holzer Dieter S. 19, 102, 163, 164 Kapp Dieter S. 86 Kirch Leo S. 101, 162, 174, 175 Klose Hans-Ulrich S. 93 Koch Roland S. 22, 147, 148, 158, 168, 182, 185 Kohl Helmut S. 102, 113, 114, 139, 147, 158,167,173,181,185,187,189 Leisler-Kiep Walter S. 20, 22, 95, 102, 147, 151,157,158,171,173,185,186,189 Lüthje Uwe S. 171 Maßmann Jürgen S. 20,102,177

Matthöfer Hans S. 93 Merkel Angela S. 170, 171 Merz Friedrich S. 93 Müntefering Franz S. 139, 146, 166 Neumann Volker S. 93, 155, 173, 174, 175, 176 Nitz Jürgen S. 95 Pfahls Holger S. 19, 89 Riedl Erich S. 20 Rohkamm Eckard S. 177 Roth Wolfgang S. 93 Sayn Wittgenstein-Ber!eburg S. 178 Schalck-Go1odkowski Alexander S. 67, 120 Schäuble Wolfgang S. 35, 125, 126, 157, 171 Schmidt Andreas S. 93, 157, 159 Schreiber Karlheinz S. 19, 92, 125, 163, 164, 175 Schroeder Gerhard S. 93, 146 Stoiber Edmund S. 33, 98, 166, 175 Störr-Ritter Dorothea S. 93 Strauß Max S. 19, 102, 177 Ströbele Hans-Christian S. 169, 170 Teltschik Horst S. 169, 179, 186 Vosshof Andrea S. 93 Waigel Theodor S. 167 Weyrauch Horst S. 102, 119, 171, 179, 186, 189 Wissmann Matthias S. 170, 180

Sachregister Abgeordnetenanklage S. 109 Ablehnung der Beweiserhebung S. 96 Abschlussbericht S. 117 Aids-VA S. 27 Ältestenrat S. 56, 83, 84 Amtsaufklärungspflicht S. 58 Antrag auf Beweiserhebung S. 92 Anwesenheitsrecht s. 65, 111, 118, 194 Ausbleiben des Zeugen S. 43, 97, 99, 100, 121 Auskunftsverweigerungsrechte S. 25, 43, 44, 65, 66, 84, 102 - 104, 106 ff., 114, 119,179 Aussagepflicht S.44, 114 Ausschluss eines Mitglieds S. 46, 56, 77, 105, 119 ff., 141 ff., 192 Ausschussvorsitzender S. 77, 78, 133 Befähigung zum Richteramt S. 55, 64, 81-84,91,190 Befangenheit S. 23, 56, 119 ff., 172, 192 Bericht des Ermittlungsbeauftragten S. 87 ff. Bericht des Zeugen S. 129 Berufsgerichtsverfahren S. 108 Beschlussfähigkeit S. 86 Beschlussunfähigkeit S. 86, 87 Beschränkung der Öffentlichkeit S. 105, 141 Beschuldigter S. 25, 109, 173 Beschwerde S. 39, 100, 188 Besetzung des VA S. 77 ff. Bestimmtheitsgebot S. 54, 74, 75 Beteiligungsrechte S. 26,189,194,195 Betriebsgeheimnisse S. 53, 105, 141 Betroffenenstatus S. 45, 46, 108, 110, 111, 113 - 116, 118, 119, 123, 192 Betroffener S. 25, 26, 46, 59,111, 114, 115, 118,119,193,195 Beweisbeschluss S. 43, 89, 91, 93, 95, 98, 99, 156, 159

Beweiserhebung S. 42, 45, 49, 51-54, 58, 60, 62, 69, 70, 77, 87, 88, 91-93, 96 98, 109, 119, 121, 123, 124, 133, 137, 140, 142, 143, 148, 153, 159, 160, 162, 187, 190, 194, 195 Beweiserhebungsrecht S. 23, 24, 41, 42, 53, 59,91,96,104,133,137 Beweismittel S. 43, 53, 58, 89, 92, 93, 96, 110, 123, 127, 128, 133, 142, 149, 152, 188 Cappenberger-Gespräche S. 35 Catering S. 168 Deutscher Juristentag 34. S.61 Deutscher Juristentag 57. S. 17, 69, 70, 80, 85,88, 112, 113, 154, 161 Diskontinuitätsgrundsatz S. 51, 95 Disziplinarverfahren S. 105, 108, 178 Doppeluntersuchung S.51 Ehrengerichtsverfahren S. 108 Eidesverweigerungsrecht S. 25, 115 Eigentumsrecht S. 53 Einsetzungsantrag S. 54, 71, 72, 74 Einsetzungsbeschluss S. 28, 32, 45, 48, 54, 66,72,75,77,83,99,103,133,156 Enquetekommission Verfassungsreform S.64, 78, 81, 83, 110, 149, 172 Erfindungsgeheimnis S. 105, 141 Ermittlungsbeauftragter S. 87 ff., 89, 91 Ermittlungsrichter S. 59, 96, 100, 136, 140 Ermittlungsverfahren S. 88, 102, 104-106, 108, 118, 157, 178 Exekutive S.48,50,51, 75,122,151 Fair-trial-Grundsatz S. 123 Fall "Orgaß" S. 22 Fall "Tiedge" S. 27

Sachregister Falschaussage S. 103, 146, 155 -157, 159, 163, 171, 183 Flick-Entscheidung S.23 Form der Einsetzung eines VA S. 72 Frist für die Einsetzung eines VA S. 71 Gegendarstellung S. 117, 194 Geheimschutz S. 142 Geschäftsgeheimnisse S. 105, 141 Gesetzesvorbehalt S. 69 Gesetzgebungsenquete S. 28, 78 Gewaltenteilungsprinzip S. 50, 75 Hausrecht S. 78 Herrenchiemseer Verfassungskonvent S. 36 Hilfsorgan S. 39, 41, 74, 76, 121

In dubio pro reD S.55 Informationelles Selbstbestimmungsrecht S.53,142 Informationsrecht S. 25, 118 Inhalt des Einsetzungsbeschlusses S. 73 IPA-Gesetzentwurf S. 63 IPA-Regeln S. 66, 67 ff., 76, 86, 93, 99, 113 - 115, 118, 130, 142, 148, 150, 151, 162 Judikative S. 50, 82, 83, 152 Kampfinstrument S. 32, 33, 35, 60, 181 Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung S. 74-76, 128 Kollegialenqueten S. 32 Kommunale Selbstverwaltung S. 49 Konferenz der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente S. 61-63, 82,108 Kontrollenqueten S. 29, 32 Korollartheorie S. 48, 73 Ladung S. 77,97,99,101,103,121,155, 175,177,178,188 Lappas-Entscheidung S. 23, 43, 44, 114, 134, 135, 155 Legislative Enqueten S. 28, 83, 152 Mehrheitsenquete S. 23, 34, 152 Minderheitenschutz S. 34, 69 Minderheitsenquete S. 34, 52 Ministeranklage S. 65, 108, 109, 112

205

Mitglieder des VA S. 84, 85 Mitwirkungsrechte S. 24-26, 42, 47, 194, 195 Öffentliche Gewalt S. 24, 38, 52, 140, 160, 187 Öffentliche Klage S. 57 Öffentliches Interesse S. 76, 137 Öffentlichkeit S. 136 ff., 141 Ordnungsgeld S. 96, 99,100, 119, 132, 135, 136,140,179,193 Ordnungshaft S. 23,43,100,132,139,140, 174 Organtreue S.50 Parteischiedsverfahren S. 104 Plutonium-VA S. 27,151,158 Privatgeheimnisse S. 128 Protokoll S. 105, 127, 144, 146, 147, 181 Rechtliches Gehör S. 116 ff. Rechtsbeistand S. 47, 62, 63, 65, 95, 101, 104 - 106, 109, 111, 121, 127, 147, 165, 169,171,173,175-178 Rechtskraft S. 55 Rechtsschutz S. 59, 70, 107, 113, 159-162, 193, 194 Rechtsstaatsprinzip S. 46, 47, 53, 55, 76, 101,117, 149,195 Reihenfolge der Vernehmung S. 93, 94, 172, 175,176,187,190 Reißverschlussverfahren S. 94 Richteranklage S. 62,109, 111, 112, 116 Sitzungspolizei S. 78 Skandal-Enqueten S. 28, 31, 32,46,51-53, 76,87, 116, 149 Sondervoten S. 55 Ständiger VA S.73 Steuergeheimnis S. 105, 141, 145 Teilorgan S. 40 Terminplanung S. 59, 97, 137 Treuhand-VA S. 27

VA "Neue Heimat" S. 22, 23, 27, 31, 56 VA "DDR-Vermögen" S.27 VA "Kommerzielle Koordinierung" S. 27

206

Sachregister

U-Boot-Affäre S. 27 Unerreichbarkeit des Zeugen S. 92, 133 Unterausschuss S. 58, 88, 89 Unterorgan s. 39, 48 Untersuchungsausschussgesetz S. 64, 68, 69,90,98,112,113,150 Untersuchungsgegenstand S. 26, 28, 45, 49, 52,54,72-75,95 Vereidigung S. 22, 23, 26, 63 - 65, 79, 106, 109, 110, 115, 134, 135, 147 - 155, 158, 159, 173, 185 Vereinigung für Parlamentsfragen S. 17, 80, 83

Verhältnismäßigkeit S. 43, 53, 74, 76, 135 Vernehmungsort S.98 Verweigerung der Herausgabe von Beweismitteln S. 96 Vorführung des Zeugen S. 99, 100 Wienand- UA S. 32 Zeugenbeistand S.47, 101-106, 169, 177 Zeugnisverweigerungsrecht S. 43, 44, 64, 66, 106 ff., 128 Zulässigkeit von Fragen S. 103 Zwangsmittel S. 43, 59, 89,92,96, 188