Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers: Ein Beitrag zum Recht der Leistungsstörungen [1 ed.] 9783428489947, 9783428089949


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Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers: Ein Beitrag zum Recht der Leistungsstörungen [1 ed.]
 9783428489947, 9783428089949

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CHRISTIAN HARTMANN

Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 196

Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers Ein Beitrag zum Recht der Leistungsstörungen

Von Dr. Christian Hartmann

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hartmann, Christian: Die unterlassene Mitwirkung des Gläubigers : ein Beitrag zum Recht der Leistungsstörungen I von Christi an Hartmann. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 196) ISBN 3-428-08994-4

Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-08994-4

Für Christine

Vorwort Diese Abhandlung ist die sachlich erheblich erweiterte Fassung eines Vortrags, den ich im Rahmen des persona-grata-Verfahrens im Januar 1996 vor der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam gehalten habe. Der Beitrag ist hinsichtlich Rechtsprechung und Literatur auf dem Stand von November 1996. Mein Dank gilt zuvörderst meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. D. W. Belling, an dessen Lehrstuhl ich als Assistent tätig bin. Er hat mich durch anregende Hinweise und großzügige Freistellung von der Lehrstuhlarbeit bei der Ausarbeitung unterstützt. Weiter möchte ich an dieser Stelle Herrn Professor Dr. iur. h.c. N. Simon vom Verlag Duncker & Humblot dafür danken, daß er die vorliegende Arbeit in die Reihe "Schriften zum Bürgerlichen Recht" aufgenommen hat. Schließlich danke ich Frau Christine Büttner, die mir auch bei dieser Arbeit stets kritische Gesprächspartnerin gewesen ist.

Berlin, im Januar 1997

Christian Hartmann

Inhaltsverzeichnis J. Kapitel

Die Einleitung

15

2. Kapitel Die Regelungen über den Gläubigerverzug I. Abschnitt:

18

Die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs .................. 18

I. Allgemeines ....................................... . . 18 II. Ausschluß des Gläubigerverzugs bei Verantwortlichkeit des Schuldners für die Unterlassung der Mitwirkung? ......... 19 2. Abschnitt:

Überblick über die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs .... . ..... 22

3. Abschnitt:

Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners durch § 322 BGB ....................................... 23

I. Verträge mit Vorleistungspflicht des Schuldners .... . ........ 24 I. Die bisherigen Lösungsansätze .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Die Stellungnahme ............................... 26 a) Die Regelung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB ........ 27 b) Restriktive Auslegung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB? 29 c) Zwischenergebnis ............................ 34 II. Verträge ohne Vorleistungspflicht des Schuldners ........... 35

3. Kapitel Die Verschuldenshaftung 1. Abschnitt:

37

Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers ............. 38

I. Die historische Ausgangslage vor Inkrafttreten des BGB ....... 38 11. Die Rechtsprechung ..................... : ............. 41 III. Die Literatur ......... . ................... . .... . ..... 42

10

Inhaltsverzeichnis IV. Die Stellungnahme ................................... 43 I. Die "Offenheit" der gesetzlichen Regelung für die Frage einer Mitwirkungspflicht ............................ 43 2. Die Mitwirkungspflicht aus Treu und Glauben .......... 47 a) Die Mitwirkung als Gegenstand einer (Neben-)Leistungspflicht ................................ 48 b) Die Mitwirkung als Gegenstand einer Schutzpflicht . 52 c) Zwischenergebnis ............................ 54 3. Selbständige Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht .... 54 a) Die Durchsetzbarkeit als akzidentieller Rechtsbehelf 55 b) Die ausdrücklich geregelten Fälle der gesetzlichen Mitwirkungspflicht ........................... 57 c) Die Fälle der ungeschriebenen gesetzlichen Mitwirkungspflicht aus § 242 BGB .................... 58 aa) Die Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht als Nebenleistungspflicht ................. 60 bb) Die Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht als Schutzpflicht ........................ 63 cc) Zwischenergebnis ....................... 67

2. Abschnitt:

Die vertragliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers ..... . ...... 67 1. Die vertragliche Verpflichtung zur Mitwirkung .............. 68

H. Die selbständige Durchsetzbarkeit der vertraglichen Mitwirkungspflicht ......................................... 69

H1. Zwischenergebnis .................................... 70 3. Abschnitt:

Rechtsfolgen einer pflichtwidrigen Unterlassung der Mitwirkung . 70

1. Die Durchsetzung der erzwingbaren Mitwirkungspflicht ....... 71 H. Das Recht zur Ersatzvomahme der Mitwirkungshandlung ..... 71 I. Die Befugnis zur Ersatzvomahme .................... 72 2. Die Kostentragung ................................ 73 III. Die unterlassene Mitwirkung als Leistungsstörung .......... 73 IV. Die Rechtsfolgen der Leistungsstörung im Fall der erzwingbar ausgestalteten Mitwirkungspflicht ....................... 74 I. Nachträgliche Unmöglichkeit ......... . .. . .......... 74 2. Verzug ......................................... 75

11

Inhaltsverzeichnis 3. Positive Forderungsverletzung

... . ....... . ......... 77

4. Zwischenergebnis ................................ 78 V. Die Rechtsfolgen der Leistungsstörung im Fall der nicht erzwingbaren Mitwirkungspflicht .............................. 79

I. Nachträgliche Unmöglichkeit ....................... 80 2. Verzug ......................................... 80 a) Die Durchsetzbarkeit der Forderung als Voraussetzung des Verzugs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

aal Die einredegehemmten Ansprüche ..........

82

bb) Die nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflichten 84 b) Die Rechtsfolgen des Verzugs mit einer nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflicht ................... 85 3. Positive Forderungsverletzung ...................... 86 4. Zwischenergebnis ............ . .. . ................ 86

4. Kapitel

Die Rechtsfolgen für den Leistungsanspruch des Gläubigers

87

5. Kapitel

Die Zusammenfassung der Ergebnisse und Schlußbetrachtung

91

Literaturverzeichnis .................................................. 95

Abkürzungsverzeichnis ab!.

ablehnend

AcP

Archiv für civilistische Praxis

allg.M.

allgemeine Meinung

AP

Arbeitsrechtliche Praxis

AT

Allgemeiner Teil

BAG

Bundesarbeitsgericht

BauR

Baurecht

BB

Betriebsberater

BGB

Bürgerliches Gesetzbuch v. 18.8.1896 (RGB!. S. 195)

BGH

Bundesgerichtshof

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen, amtliche Sammlung

BundesAnz.

Bundesanzeiger

CR

Computerrecht

DB

Der Betrieb

Gruchots Beitr.

Gruchot, Beiträge zur Erläuterung des preußischen Rechts

h.M.

herrschende Meinung

HRR

Höchstrichterliche Rechtsprechung

JA

Juristische Arbeitsblätter

JheringsJb

Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts

JR

Juristische Rundschau

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

LG

Landgericht

LM

Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs

LZ

Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht

MüKo

Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch

Abkürzungsverzeichnis NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift, Rechtsprechungsreport

OLG

Oberlandesgericht

OLGE

13

Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts

pFV

positive Forderungsverletzung

RG

Reichsgericht

RGRK

Reichsgerichtsräte-Kommentar zum BGB

RGZ

Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen, amtliche

RGB\.

Reichsgesetzblatt

ROHG

Reichsoberhandelsgericht

ROHGE

Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts

SeuffA

Seuffert's Archiv flir Entscheidungen oberster Gerichte in

den

deutschen Staaten

st. Rspr.

ständige Rechtsprechung

VersR

Versicherungsrecht

WamR

Wameyers Rechtsprechung

WM

Wertpapierrnitteilungen

ZIP

Zeitschrift flir Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis

Sammlung

ZPO

Zivilprozeßordnung v. 30.1.1877 (RGB\. S. 83)

zust.

zustimmend

zutr.

zutreffend

ZZP

Zeitschrift flir Zivilprozeßrecht

1. Kapitel

Einleitung Das BGB regelt bei den gegenseitigen Verträgen in erster Linie den Austausch der im Synallagma stehenden Leistungen. Dabei wird die Vorstellung nahe gelegt, die Aufgaben der Vertragsparteien seinen strikt aufgeteilt und polar zugewiesen. Der Schuldner hat seine Leistung zu erbringen, etwa die gekaufte Sache zu übergeben und zu übereignen oder das in Auftrag gegebene Werk zu erstellen. Der Gläubiger dieser Leistungpflicht schuldet demgegenüber die dafiir vereinbarte Vergütung. Dieses Grundschema der Zuordnung des zur Leistung erforderlichen Verhaltens allein jeweils zu einer Sphäre, der des Schuldners oder der des Gläubigers, wird der realen Struktur vieler Leistungspflichten nicht gerecht: Oftmals, bei manchen Vertrags typen sogar regelmäßig, ist "zur Bewirkung der Leistung [des Schuldners] eine Handlung des Gläubigers erforderlich" (§ 295 S. 1 BGB). Diese Mitwirkung ist Voraussetzung fiir die Leistung des Schuldners. Sie kann je nach Ausgestaltung des Schuldinhalts in verschiedenen Handlungen liegen. Beim Kauf-, Miet- oder Werkvertrag liegt sie spätestens in der körperlichen Entgegennahme der gekauften, gemieteten oder in Auftrag gegebenen Sache, der "Annahme" im eigentlichen Sinne. Die erforderliche Mitwirkung kann jedoch auch zeitlich früher verlangt sein. Zuweilen ist schon die endgültige Festlegung des Leistungsgegenstandes durch den Gläubiger vertraglich vorbehalten und zur Möglichkeit der Leistung unverzichtbar (etwa bei der Wahl schuld, § 262 BGB, bei der Bestimmung der Leistung durch eine Partei, § 315 BGB, beim Spezifikationskauf, § 375 HGB). Man könnte hier von einer "Bestimmungshandlung" des Gläubigers sprechen. Der Arbeitgeber muß dem Arbeitnehmer, bevor dieser tätig werden kann, einen funktionsfähigen Arbeitsplatz zuweisen. Oft ist die Mitwirkung des Gläubigers bei der Anfertigung oder Beschaffung des Leitungsgegenstandes vonnöten. So muß der Besteller eines speziell anzufertigenden Computerprogramms oder der Mieter einer nach seinen Angaben erst noch zu beschaffenden Sache die nötigen Informationen über die gewünschten Qualitäten des Leistungsgegenstandes liefern. Diese Mitwirkungshandlungen lassen sich zur besseren Abgrenzung von der Annahme der Leistung mit Planck 1 als "Vorberei-

16

1. Kapitel: Einleitung

tungshandlungen" bezeichnen. Sie sind typischerweise beim Werkvertrag anzutreffen. Das gilt in besonderem Maße etwa fiir größere Bauvorhaben, bei dem Auftraggeber und Werkunternehmer zumeist in einem regelrechten Kooperationsverhältnis stehen2• Vorbereitungshandlungen des Gläubigers könnenjedocr. auch bei anderen Vertragstypen erforderlich sein. So hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, in dem der Beklagte sich verpflichtet hatte, dem Kläger von ihm zu programmierende Registrierkassen zu vermieten, fiir die der Kläger die Programmunterlagen liefern sollte 3 . Gemeinsam ist den Bestimrnungs-, Vorbereitungs- und Annahmehandlungen, daß sie Voraussetzung fiir die Leistungserbringung durch den Schuldner sind. Ihre Unterlassung oder nicht ordnungsgemäße Vornahme4 durch den Gläubiger blockiert die Leistung und damit auch den Vertragsvollzug im übrigen. Liefert etwa im genannten BGH-Fall der Mieter die zur Programmierung erforderlichen Daten nicht, kann der Vermieter der Registrierkassen diese nicht vertragsgemäß programmiert zur Nutzung überlassen. Da er aber nach dem Gesetz vorleistungspflichtig ist (§ 551 BGB), zumindest aber der Mieter die Eimede des nichterfiillten Vertrages erheben kann (§ 320 Abs. 1 BGB), ist auch die Realisierung seines Vergütungsanspruchs fragwürdig. Einer Säumigkeit des Gläubigers liegt dabei oft nicht die bewußte Vertragssabotage als Ziel zugrunde 5 . Zuweilen ist zwischen den Vertragsparteien bereits umstritten, ob eine Mitwirkung des Gläubigers erforderlich oder bereits erbracht ist. Nicht selten ist auch der Gläubiger zeitweise oder dauerhaft zu ihrer Vornahme außerstande, etwa weil ein von ihm mit der Mitwirkunghandlung betrauter Dritter seinerseits nicht leistungsbereit ist. . Durch diese Vertragsvollzugsstörung sind in der Person des Schuldners mehrere Interessen berührt: (1) das GeJahrtragungsinteresse: Der Übergang der Leistungs- und der Gegenleistungsgefahr wird zusammen mit der Leistungserbrin-

I Protokolle I, 1227, bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse I, S. 336. Klees, La demeure, S. 219, nennt sie "vorbereitende Mitwirkungshandlung", Rosenberg, JheringsJb 43 (1901), S. 141 [142], "vorbereitende Handlungen". 2

Eingehend Nicklisch, BB 1979,533 [538 f.].

J

BGH, LM NT. 46 zu § 305 BGB = NJW-RR 1988, 1396.

4 Beides ist in tatsächlicher Auswirkung und rechtlichen Folgerungen gleich zu bewerten, siehe schon Rosenberg, JheringsJb 43 (190\), S. 141 [197]. 5

Siehe aber auch Lachmann, BauR 1990,409 [410].

I. Kapitel: Einleitung

17

gung aufgeschoben. (2) Das VertragsdurchjUhrungsinteresse: Der Schuldner hat das Interesse, die Gegenleistung zu erhalten, zuweilen auch, die eigene Leistung tatsächlich zu erbringen. (3) Das Schadloshaltungsinteresse: Der Schuldner begehrt Ersatz der ihm durch die Verzögerung entstandenen Vermögenseinbußen. (4) Das Liquidationsinteresse: Je nach Konstellation kann es im Interesse des Schuldners sein, von der Vertragsdurchfiihrung Abstand zu nehmen und den Vertrag zu liquidieren. Auf Seiten des Gläubigers stellt sich demgegenüber die Frage nach dem Schicksal seines Leistungsanspruchs gegen den Schuldner. Hier ist vor allem zu entscheiden, ob er mit der blockierten Verpflichtung in Verzug geraten kann 6 .

6 Gerade in den Fällen, da die Erforderlichkeit einer Mitwirkung oder deren Vornahme streitig ist, geht der Gläubiger oftmals, auf Verzug gestützt, zum Angriff über und macht die Rechte aus § 326 BGB nach Nachfristsetzung geltend. So etwa in BGH, LM Nr. 46 zu § 305 BGB; BGH, NJW 1996, 1745 [1746].

2 Hartmann

2. Kapitel

Die Regelungen über den Gläubigerverzug 1. Abschnitt

Die Voraussetzungen des Gläubigerverzugs I. Allgemeines Eine ausdrückliche Regelung der unterlassenen Mitwirkung des Gläubigers enthalten die Vorschriften über den Gläubigerverzug (vor allem die §§ 293 ff. BGB). Die gesetzlichen Vorschriften sind zwar überwiegend auf den Fall der unterlassenen Annahme der Leistung als den spätest denkbaren Mitwirkungsakt zugeschnitteni. Das Gesetz verwendet bei Bezugnahmen auf die §§ 293 ff. BGB daher stets den Begriff "Verzug der Annahme" (etwa §§ 372 S. 1, § 324 Abs. 2 BGB). § 295 BGB ordnet demgegenüber die Gleichstellung aller Arten von Mitwirkungshandlungen für die Regeln der §§ 293 ff. BGB an 2 : § 295 S. 1 BGB spricht von Handlungen, die "zur Bewirkung der Leistung [... ] erforderlich" sind. S. 2 schließlich stellt die Aufforderung, "die erforderliche Handlung vorzunehmen" dem Angebot der Leistung i.S.d. §§ 293, 294 BGB gleich. Die Titelüberschrift bestätigt die damit vollzogene Gleichstellung: In ihr ist nicht von "Annahmeverzug", sondern allgemein vom "Verzug des Gläubigers" die Rede. Die Unterlassung jeder Art von Mitwirkungshandlung führt demnach zum Gläubigerverzug. Weitere Voraussetzung ist freilich, daß der Schuldner die

I

Vgl. Müller-Foell, Mitwirkung, S. 95 f.

2 Etwa Larenz, Schuldrecht I, § 25, S. 388. Schon die I. Kommission hatte alle Fälle der unterlassenen Mitwirkung als auf einer Stufe stehend behandelt: "[ ... ] Ein solches nicht obligationsmäßiges Verhalten des Gläubigers könne früher oder später die fernere Thätigkeit des Schuldners abschneiden, ja es könne nach der konkreten Obligation ein solches Verhalten vor dem Beginn der schulderischen Tätigkeit liegen und diesen Beginn ausschließen." (Protokolle I, 1233, bei Jakobs/Schubert, Beratung des BGB, S. 336 ff.)

1. Abschnitt: Voraussetzungen des Gläubigerverzugs

19

Leistung anbietet (§§ 294, 295 BGB) oder den Gläubiger auffordert, eine vor der eigentlichen Annahme liegende Mitwirkungshandlung vorzunehmen (§ 295 S. 2 BGB). Die berechtigte Unterlassung der Mitwirkung löst jedoch keinen Gläubigerverzug aus 3 . Die Unterlassung braucht dagegen nicht auf einem vom Gläubiger zu vertretenden Umstand beruhen: Der Eintritt des Gläubigerverzugs ist verschuldensunabhängig 4 .

11. Ausschluß des Gläubigerverzugs bei Verantwortlichkeit des Schuldners für die Unterlassung der Mitwirkung? Bislang nur wenig erörtert ist die Frage, ob Gläubigerverzug auch dann eintritt, wenn es der Schuldner selbst ist, der für die Unterlassung der Mitwirkung durch den Gläubiger (mit)verantwortlich ist. So kann im oben genannten Beispiel der Mieter der Registrierkassen bei der Erarbeitung der zur Programmierung erforderlichen Daten (Mitwirkungshandlung) wiederum auf die Mithilfe des Programmierers angewiesen sein. Dieser jedoch unterläßt die Hilfestellung. In einer solchen Konstellation kann zweifelhaft sein, ob die Erleichterungen, die der Gläubigerverzug dem Schuldner gewährt, im Ergebnis gerechtfertigt sind. Schon vor Inkrafttreten des BGB und unmittelbar danach herrschte Einigkeit darüber, daß Gläubigerverzug nur eintrete, wenn die Blockade des Vertragsvollzugs ausschließlich vom Gläubiger verursacht ist 5• Neuerdings mehren sich demgegenüber die Stimmen, wonach Gläubigerverzug auch dann eintrete, wenn der Schuldner kausal für die Unterlassung der Mitwirkung sd. Nur im Fall der vorsätzlichen Verursachung durch den Schuldner sei entsprechend dem Rechts-

3 BGH, LM § 293 Nr. 5 (mr den Fall, daß beim Werkvertrag die Abnahme "gestundet" ist); Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [402]; Rasenberg, JheringsJb 43 (190 I), S. 141 [199 f.]; Staudinger-Löwisch, § 293 Rn. 18; Soergel-Wiedemann, § 293 Rn. 12; ErmanBattes, § 293 Rn. 4. So auch bereits die Quellen des gemeinen Rechts: vgl. Marcellus D. 46, 3, 72 pr.; Paulus D. 13,5, 17. 4

Allg.M., BGHZ 2,117 [123]; Motive 11, S. 68 f.; Soergel-Wiedemann, § 293 Rn. 11.

5 ROHG, SeuffA 28, Nr. 116; Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [402 f.]; Rasenberg, JheringsJb 43 (1901), S. 141 [142 f.]. 6

2*

Wertheimer, JuS 1993,646 [650 f.]; ihm folgend Staudinger-Löwisch, § 293 Rn. 17.

20

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

gedanken des § 162 BGB der Gläubigerverzug als eingetreten zu erachten7 . Sofern das zur Unterlassung der Mitwirkung fiihrende Verhalten des Schuldners eine positive Forderungsverletzung (PFV) des Vertrags darstelle, sei dieser in den übrigen Fällen bloß fahrlässiger Verursachung gern. § 249 S. 1 BGB verpflichtet, den Gläubiger von den Folgen des Gläubigerverzugs freizustellen. Über § 254 Abs. 1 BGB ließen sich so Mitverursachungs- und Mitverschuldensanteile beider Seiten berücksichtigen8 • Auf den ersten Blick hat diese Differenzierungen zulassende Lösung einiges fiir sich. Insbesondere läßt sich so, haben beide Seiten die unterlassene Mitwirkung zu vertreten, das harte "Entweder-Oder" hinsichtlich der Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs vermeiden. Es ließe sich etwa bei gleichen Verantwortungsbeiträgen eine nach § 324 Abs. 2 BGB geschuldete Vergütung - vermeintlich gerecht halbieren. Gleichwohl paßt die Konstruktion über die pFV nicht recht in die Systematik der Gläubigerverzugsvorschriften. Den Eintritt oder Nichteintritt deren Rechtsfolgen letztlich generell von der schuldhaften Verletzung einer Vertragspflicht durch den Schuldner abhängig zu machen, überzeugt nicht. Die Lösung ist vorrangig den gegenüber der Verschuldenskategorie indifferenten Regelungen über den Gläubigerverzug zu entnehmen oder aus ihnen abzuleiten. Deren System wird insoweit von dem Gedanken geprägt, der § 297 BGB zugrunde liegt. Danach kommt der Gläubiger nicht in Verzug, wenn der Schuldner bei der Abgabe des Angebots oder der Aufforderung zur Mitwirkung seinerseits außerstande ist, die Leistung zu bewirken. Dem Gläubiger soll der Annahmeverzug erspart bleiben, wenn auch bei Vornahme der Mitwirkungshandlung der Schuldner die Leistung nicht erbringen könnte. In diesem Fall stammt nämlich ein zusätzliches Leistungshindernis aus der Sphäre des Schuldners. Hier ist es im Sinne einer konkurrierenden oder Doppelkausalität auch der Schuldner, an dem die Leistungserbringung scheitert. Dieser Normsituation spricht dafiir, § 297 BGB erst recht auch dann (analog) anzuwenden, wenn der Schuldner nicht nur neben dem Gläubiger kausal fiir die Blockade der Leistungserbringung ist, sondern er sogar die einzige Kausalreihe, die zur Blockade der Leistungserbringung fiihrt, (mit) in Gang gesetzt hat. So ist etwa der Schulfall zu entscheiden, daß der Gläubiger infolge eines vom Schuldner verursachten Verkehrsunfalls an

7 Staudinger-Löwisch, § 293 Rn. 17; Wertheimer, JuS 1993, 646 [650 f.], will § 242 BGB anwenden. 8

Wertheimer, JuS 1993,646 [650 f.]; Staudinger-Löwisch, § 293 Rn. 17.

1. Abschnitt: Voraussetzungen des Gläubigerverzugs

21

der Annahme der Leistung gehindert ist9 : Analog § 297 BGB tritt wegen der Kausalität des Schuldners für die Unterlassung der Mitwirkung Gläubigerverzug nicht ein. Allerdings bedarf die Analogie zu § 297 BGB einer Einschränkung für die Fälle, in denen der Kausalbeitrag des Schuldners in einem Unterlassen liegt. Man könnte hier von den Fällen der "unterlassenen Hilfeleistung" bei der Mitwirkung sprechen. Hier kann der Gläubigerverzug nicht allein aufgrund der schlichten Kausalität des Schuldners für das Ausbleiben der Mitwirkungshandlung zu dessen Lasten ausgeschlossen sein. Verdeutlicht sei das anband des eingangs abgewandelten Registrierkassenfalls: Wenn der Programmierer (Schuldner) tatsächlich in der Lage ist, den unkundigen Besteller bei der erforderlichen Mitwirkungshandlung zu unterstützen, das aber unterläßt, wird er zweifellos kausal dafür, daß die Mitwirkung unterbleibt. Es kann nun aber sein, daß es nach dem Vertrag gerade dem Besteller zugewiesen ist, sich den für die Vornahme der Mitwirkung nötigen Sachverstand zu beschaffen, z.B. eigene Spezialisten heranzuziehen JO • Sind Organisation und Durchführung der Mitwirkung allein Sache des Bestellers, kann die bloße Kausalität des Programmierers für das Ausbleiben der Mitwirkung nicht zu dessen Lasten den Gläubigerverzug ausschließen. Man wird daher die Analogie zu § 297 BGB im Fall der "unterlassenen Hilfeleistung" bei der Mitwirkung auf die Konstellationen beschränken müssen, in denen der Schuldner für die Hilfestellung rechtlich zuständig war. Während also bei positivem Tun des Schuldners allein dessen Kausalität für das Unterbleiben der Mitwirkung die Analogie zu § 297 BGB trägt, muß ein kausales Unterlassen hierfür zudem vertragswidrig sein.

9 Fall bei Wertheimer, JuS 1993, 646 [650 f.]. Er zieht zwar ebenfalls den Rechtsgedanken des § 297 BGB zur Lösung heran. Der Gläubigerverzug soll jedoch nur dann analog § 297 BGB ausgeschlossen sein, wenn das Schuldnerverhalten, das die Unterlassung der Mitwirkung durch den Gläubiger verursacht, im vertraglichen Kontext steht, d.h. eine Verletzung von vertraglichen Pflichten darstellt. Diese Differenzierung überzeugt nicht: Es kann für die Frage des Gläubigerverzugs keine Rolle spielen, ob der Schuldner, der den Gläubiger fahrlässig anfährt und ihn so an der rechtzeitigen Annahme der Leistung hindert, dies als beliebiger "Dritter" im Straßenverkehr tut (dann nach Wertheimer keine Analogie zu § 297 BGB und damit Gläubigerverzug) oder aber auf seinem Betriebsgelände (dann pFV unter dem Gesichtspunkt der Schutzpflichtverletzung mit der Folge der Anwendung des Rechtsgedankens aus § 297 BGB und Ausschluß des Gläubigerverzugs). 10 So waren die Verantwortungsbereiche in dem Vertragswerk verteilt, das der Entscheidung BGH, NJW 1996, 1745 [1746], zugrundelag.

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

22

Ist aber durch die Analogie zu § 297 BGB eine Lösung der Problematik bereits innerhalb der Gläubigerverzugsvorschriften vorgezeichnet, bestehen für den Umweg über die pFV und schadensersatzrechtliche Erwägungen weder Bedarf noch Grundlage.

2. Abschnitt

Überblick über die Rechtsfolgen des Gläubigerverzugs Die Regeln über den Gläubigerverzug treffen eine Reihe von Anordnungen, die den Schuldner entlasten und begünstigen. § 300 Abs. 2 BGB sieht den Übergang der Leistungsgefahr vor. §§ 324 Abs. 2, 644 Abs. 1 S. 2 BGB enthalten die wichtige Anordnung des Übergangs der Gegenleistungsgefahr. § 304 BGB gewährt lediglich einen Ersatzanspruch bezüglich der Mehraufwendungen. Dieser wird freilich für den Fall des Werkvertrags durch § 642 BGB ergänzt. Danach führt der Verzug mit einer bei der Herstellung des Werkes erforderlichen Mitwirkungshandlung zu einem Entschädigungsanspruch. Dieser ist seinem Wesen nach ein begrenzter Schadensersatzanspruch 11. § 615 BGB hält den Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten aufrecht, ohne daß dieser zur Nachleistung verpflichtet ist. Eine Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, wird nur für das Werkvertragsrecht in § 643 BGB gewährt. Im Fall der Vertrags auflösung im Wege der dort vorgesehenen Kündigung durch den Auftragnehmer erhält dieser einen Teilvergütungsanspruch nach § 645 Abs. 1 BGB. Nach der Lektüre dieser Vorschriften bleiben einige Fragen hinsichtlich der rechtlichen Bewertung der oben l2 genannten Interessen offen. So scheint einerseits unklar, (1) ob der Schuldner, obwohl er an der Erbringung seiner Leistung gehindert ist, gleichwohl seinerseits die Vergütung verlangen und (2) ob er, um seine Leistung erbringen zu können, die dazu erforderliche Mitwirkungshandlung des Gläubigers erzwingen kann (Vertragsdurchjührungsinteresse). Ferner fragt sich (3), ob im Fall einer schuldhaften Unterlassung der Mitwirkung der Schuldner Schadensersatz wegen der Verzögerung oder gar wegen Nichterfüllung

11

MüKo-Soergel, § 642 Rn. 9.

12

Siehe S. 16 f.

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

23

verlangen kann (Schadloshaltungsinteresse ). Schließlich bedarf einer Anwort (4), ob und unter welchen Voraussetzungen außerhalb des § 643 BGB für den Schuldner die Möglichkeit besteht, sich vom Vertrag zu lösen (Liquidationsinteresse). In den höchstrichterlichen Entscheidungen der letzten zehn Jahre stand das Begehren des Schuldners im Vordergrund, seinen Vergütungsanspruch durchzusetzenD. Die übrigen aufgeworfenen Fragen führen unmittelbar zum Kern der Mitwirkungsproblematik, ob nämlich der Gläubiger mit einer echten schuldrechtlichen Pflicht zur Vornahme der erforderlichen Mitwirkungshandlung belastet ist oder ob ihm diese nur "obliegt", ohne geschuldet zu sein. Nur wenn eine Pflicht vorliegt, kommt eine selbständige Erzwingung der Handlung durch den Schuldner in Betracht. Nur dann kann auch deren schuldhafte Nichterfüllung zu einem Schadensersatzanspruch führen oder den Schuldner zu einer Lösung vom Vertrag berechtigen. Im folgenden ist zunächst die Frage nach dem Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners zu klären (3. Abschnitt). Sodann ist die Problematik der rechtlichen Einordnung der Mitwirkungshandlung zu untersuchen (3. Kapitel, 1. Abschnitt). Schließlich gilt es, die aus der Beantwortung dieser maßgeblichen Vorfrage erwachsenden Konsequenzen für die Rechtsposition des "blockierten" Schuldners festzustellen (3. Kapitel, 2. Abschnitt). Abschließend bedürfen die Auswirkungen der Blockade der Leistung des Schuldners auf den Leistungsanspruch des Gläubigers näherer Betrachtung (4. Kapitel).

3. Abschnitt

Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners durch § 322 BGB In Sonderfällen mag die Vornahme der Mitwirkungshandlung nur in einem bestimmten Moment möglich sein, etwa wenn eine geschuldete Werkleistung ein

\3 Erstmals taucht das Erftillungsbegehren des Schuldners in BGHZ 50, 175, auf. Später dann BGH, NJW-RR 1986,211 = WM 1986,73; BGH, LM Nr. 46 zu § 305 BGB = NJWRR 1988, 1396; BGH, NJW 1990, 3008.

24

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

absolutes Fixgeschäft darstellt und die Mitwirkung daher diese Eigenschaft teilt. Hat der Gläubiger sie in diesem Fall unterlassen, ist sie nicht nachholbar. Die Unterlassung fuhrt damit bereits zur nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung. In diesem Fall steht dem Schuldner der Gegenleistungsanspruch nach Maßgabe des § 324 Abs. 1 und 2 BGB zu. Von größerer praktischer Bedeutung ist demgegenüber die Behandlung des Gegenleistungsinteresses in dem Regelfall, daß die Unterlassung der Mitwirkung die Leistungserbringung durch den Schuldner nur blockiert, also zwar vorübergehend, nicht aber dauerhaft unmöglich macht. Ein Rückgriff auf § 324 BGB scheidet hier aus. In diesem Fall ist danach zu differenzieren, ob der Schuldner mit seiner Leistung vorleistungspflichtig ist.

I. Verträge mit Vorleistungspflicht des Schuldners Ist der Schuldner in einem gegenseitigen Vertrag vorleistungspflichtig, wie etwa im Dienst- oder Werkvertrag (§§ 614, 641 Abs. 1 BGB), so wird sein Gegenanspruch erst nach Bewirken der ihm obliegenden Leistung fällig 14. Eine vorher erhobene Klage auf die Vergütung wäre daher als zur Zeit unbegründet abzuweisen l5 • Diese im Normalfall angemessene Konsequenz erscheint dann fragwürdig, wenn es gerade der Gläubiger der Leistung ist, der durch das Unterlassen der erforderlichen Mitwirkung ihre Erbringung und damit zugleich auch die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs verhindert. In Rechtsprechung und Literatur sind mehrere Versuche unternommen worden, zugunsten des Schuldners Abhilfe zu schaffen.

1. Die bisherigen Lösungsansätze

In der Grundsatzentscheidung BGHZ 50, 175 hat der BGH die Blockade des Vergütungsanspruchs eines Werkunternehmers durch die unterlassene Mitwir-

14

Soergel-Wiedemann, § 322 Rn. 24; MüKo-Emmerich, § 322 Rn. 20.

IS

BGHZ 61,42 [44], flir den Werkvertrag; Planck-Siber, § 320 Anm. I. b); Staudinger-

Olto, § 322 Rn. 17.

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

25

kung des Gläubigers mit Hilfe von § 242 BGB durchbrochen. Es sei "ein unerträgliches und mit Treu und Glauben nicht zu vereinbarendes Ergebnis, wenn es dem Besteller freistehen sollte, durch willkürliche Nichterfüllung seiner Gläubigerobliegenheiten den Unternehmer zur Kündigung des Vertrages zu zwingen"16. Mit dieser Begründung hat das Gericht dem Besteller sowohl die Berufung auf die infolge Vorleistungspflicht fehlende Fälligkeit wie auch auf die davon unabhängige Einrede des nichterfüllten Vertrages versagt. Es hat folglich den Gegenleistungsanspruch auf die volle Vergütung vorbehaltlos zuerkannt. Dieser sei nicht durch die speziellen Annahmeverzugsfolgen der §§ 642 ff. BGB ausgeschlossen 17 • Diese Linie hat der BGH in der Folge weitergeführt und die Berufung auf die mangelnde Fälligkeit der Vergütung mangels Abnahme unter Verweis auf den Rechtsmißbrauchsaspekt für unbeachtlich gehalten 18. Später hat der BGH dieses Ergebnis auf den Rechtsgedanken des § 162 BGB als konkrete Ausprägung des § 242 BGB gestützt: Eine Partei dürfe sich nicht auf das Fehlen einer Anspruchsvoraussetzung berufen, wenn sie deren Eintritt selbst wider Treu und Glauben verhindert habe l9 • Diese mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des BGH hat in der Literatur nur teilweise Zustimmung, überwiegend dagegen Ablehnung erfahren20 . Die Gegner führen insbesondere an, daß auch ein schuldhaft vertragswidriges Verhalten eine strafweise Vorleistungspflicht des Gläubigers nicht begründen könne 21 . Das gelte

16 BGHZ 50, 175 [179]. 17

BGHZ 50, 175 [179].

18

BGH, NJW-RR 1986,211 = WM 1986,73.

19 BGH, LM NT. 46 zu § 305 BGB [BI. 3] = NJW-RR 1988, 1396; BGH, NJW 1990, 3008 [3009]. Von den Obergerichten folgt dem etwa das OLG Köln, NJW-RR 1996,624. In BGH, NJW 1996, 1280 [1281], nimmt das Gericht wieder auf die Grundsatzentscheidung BGHZ 50, 175 Bezug.

20 Dem BGH folgen etwa Palandt-Thomas, § 641 Rn. 2, der jedoch unter § 642 Rn. 1 die dogmatische Herleitung eines vorbehaltlosen Erfullungsanspruches kritisiert ("eher pFV"); RGRK-Glanzmann, § 641 Rn. 5. Dagegen: Larenz, Schuldrecht II11, § 53 III, S. 371 Fn. 114; Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 29; Staudinger-Peters, § 641 Rn. 7; Kast, Einrede, S. 82 f; HüjJer, Leistungsstörungen, S. 206 ff; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 123. 21 Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 29; ähnlich auch HüjJer, Leistungsstörungen, S. 206 ff

26

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

umso mehr, als dadurch die ursprüngliche Verteilung der Vorleistungspflicht auf den Kopf gestellt würde 22 . Verbreitet wird gleichwohl im Ansatz für billigenswert gehalten, einen auch ohne vorherige eigene Leistungserbringung verfolgbaren Vergütungsanspruch zuzuerkennen. Es wird daher versucht, einen - allerdings um die ersparten Aufwendungen geminderten - Vergütungsanspruch zugunsten des Schuldners anderweitig zu konstruieren. Teilweise wird dabei im Fall des Werkvertrages auf § 649 BGB zurückgegriffen: Entweder sei in der Verweigerung der Mitwirkung u.v. bereits eine konkludente Kündigung des Bestellers zu sehen23 oder die Vorschrift sei unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 162 BGB analog anzuwenden 24 • Andere wollen unter der zusätzlichen Voraussetzung des Vertretenmüssens des Gläubigers § 324 Abs. 1 BGB entsprechend anwenden: Wenn durch zu vertretendes Unterlassen des Gläubigers die Kündigung des Werkunternehmers erzwungen werde, komme es infolge der Vertrags liquidation zu einer rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung. Diese habe der Gläubiger zu vertreten 25 .

2. Die Stellungnahme Der BGH nimmt zur Auflösung der mißlichen Blockade des Gegenleistungsanspruchs des Schuldners Zuflucht zu § 242 BGB. Teile der Literatur suchen die Lösung in Analogieschlüssen. Derjenige zu § 324 Abs. 1 BGB baut dabei auf einer bereits erfolgten Kündigung durch den Schuldner auf und setzt damit zu spät an. Die Analogie zu § 649 BGB bedeutet eine Konstruktionsmöglichkeit lediglich für das Werkvertragsrecht und vermag daher keine befriedigende Lösung des Gesamtproblems zu bieten. Die genannten Ansätze sind konstruktiv denkbar, sie werden jedoch in methodischer Hinsicht verfrüht ins Feld geflihrt. Der Rückgriff auf § 242 BGB sollte beim Fehlen anderer normativer Vorgaben

22

Staudinger-Peters, § 641 Rn. 7.

23

So Staudinger-Peters, § 641 Rn. 7.

24 Studienkommentar zum BGB-Beuthien, § 643 Rn. 2, § 645 Rn. I; EsserlWeyers, Schuldrecht II, § 33 II 3, S. 285; Lachmann, BauR 1990,409 [411 f.].

25 Nicklisch, BB 1979, 535 [543] im Anschluß an Schöller, Gruchots Beitr. 46 (1902), S. I, 34 ff. Zust. auch Lachmann, BauR 1990, 409 [412].

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

27

immer das letzte Korrektiv darstellen und jedwede Analogielösung setzt eine Regelungslücke voraus. Vor diesem Hintergrund überrascht, daß eine klar gefaßte Regelung aus dem Gläubigerverzugsrecht fast ausnahmslos zur Lösung der Problematik nicht einmal in Erwägung gezogen wird: § 322 Abs. 2 und 3 BGB.

a) Die Regelung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB

Die Situation, daß der Schuldner wegen der unterlassenen Mitwirkung des Gläubigers nicht leisten und angesichts seiner Vorleistungspflicht gerade deshalb nicht erfolgreich auf seine Vergütung klagen kann, hat bereits die erste Kommission zur Ausarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuches 26 als unbillig empfunden. Daher bestimmt der heutige § 322 Abs. 2 BGB, daß der vorleistungspflichtige Teil, "wenn der andere Teil im Verzuge der Annahme ist, auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung klagen" kann. Damit ist angeordnet, daß der mit seiner Mitwirkung säumige Gläubiger sofort in die Gegenleistung verurteilt werden kann. Freilich respektiert das Erkenntnisverfahren trotz der Leistungsvereitelung durch den Gläubiger noch die Leistungsreihenfolge im Vertrag und das Band zwischen den gegenseitigen Vertragspflichten: Die Verurteilung ist bedingt durch die vorherige Erbringung der eigenen Leistung 27 • Damit ist die Problemlösung allerdings noch nicht erreicht, hilft doch auch diese Verurteilung allein nicht weiter, da der Schuldner seine Leistung gerade nicht erbringen kann. Die Lösung bringt daher im Grunde erst § 322 Abs. 3 BGB, der auf § 274 Abs. 2 BGB verweist. Dort ist rur den Fall des Annahmeverzugs geregelt, daß der Kläger in der Zwangsvollstreckung den bedingt titulierten Anspruch unbedingt durchsetzen kann. Das Gleiche ordnet § 756 ZP0 28 a.E. an, der zusätzliche Verfahrensvorschriften enthält. Des sonst gern. § 756 ZPO erforderlichen Nachweises der eigenen vorherigen Leistungserbringung bedarf es also nicht. § 322 Abs. 3 BGB spricht den maßgeblichen Verweis auf § 274 Abs. 2 BGB nicht nur in Ansehung

26

Motive 11, S. 203.

27 Gabius, NJW 1971, 866, 870 f. m.w.N., will abweichend vom Gesetzeswortlaut sogar eine unbedingte Verurteilung zulassen.

28 Diese Norm regelt nach ihrem Wortlaut nur die Fälle der Zug-um-Zug-Verurteilung. Sie gilt jedoch infolge der Gleichstellung der Zug-um-Zug-Verurteilung mit derjenigen zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung, die § 322 Abs. 3 BGB vornimmt, auch für die Verurteilung zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung, Palandt-Heinrichs, § 322 Rn. 4.

28

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

der Zug-um-Zug-Verurteilung nach § 322 Abs. 1 BGB aus. Erfaßt ist auch der Fall der Verurteilung zur Leistung nach Empfang der Gegenleistung nach Absatz 229 • Das ist bereits unmißverständlich der Stellung des Verweises als Absatz 3 zu entnehmen30• Dieser bezieht sich damit auf heide vorangegangenen Absätze und ist gerade nicht als Absatz 1 Satz 231 gefaßt ist. Bestätigt wird das dadurch, daß die Gesetzesverfasser ausdrücklich beide Fälle gleich behandeln wollten 32 und in § 365 Abs. 1 des ersten Entwurfes zusammengefaßt hatten. Auf diesen einheitlichen Absatz bezogen, lautete § 365 Abs. 2: "Ist eine solche Verurteilung erfolgt, so kann der Kläger die ihm gebührende Leistung ohne vorherige oder gleichzeitige Bewirkung der ihm obliegenden Leistung im Wege der Zwangsvollstreckung fordern, wenn und solange der Beklagte sich im Verzuge der Annahme befindet. "33 Der Gesetzgeber hat somit die Problematik der Blockade des Gegenleistungsanspruchs im gegenseitigen Vertrag einheitlich, jedoch nach dem Erkenntnis- und dem Vollstreckungsverfahren differenzierend und damit zweistufig gelöst: Auch bei Vorleistungspflicht des Schuldners kann der Gegenleistungsanspruch tituliert werden, allerdings mit der Einschränkung, daß seine Abhängigkeit von der vorherigen Leistungserbringung erhalten bleibt. Die Entscheidung des Gesetzgebers, im Gläubigerverzug lediglich eine bedingte Titulierbarkeit des Gegenleistungsanspruchs zuzugestehen, dient dem Schutz der vertraglichen Position des Gläubigers. Er soll, obgleich er den Leistungsaustausch blockiert und im Gläubigerverzug ist, zunächst dennoch auf der Einhaltung der Leistungsreihenfolge im Vertrag beharren dürfen. Erst in der Zwangsvollstreckung verliert er diese Befugnis und wird im Ergebnis seinerseits vorleistungspflichtig, sofern er die Blockade weiterhin aufrecht erhält und sich daher noch im Gläubigerverzug befmdet. Wenn der Gläubiger dagegen bis zur Zwangsvollstreckung die Mitwirkung vornimmt und so den Verzug beseitigt, bleibt es bei der Vollstreckbarkeit entsprechend der im Titel festgeschriebenen vertraglichen Leistungsreihenfolge. Diese fein ausdifferenzierte Regelung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB erhält damit die Geltung der

29 OLG Karlsruhe, MDR 1975,938; OLG Köln, Das Juristische Büro 1989, 870 [874]; Schilken, AcP 181 (1981), S. 354 [381 f.].

30

So schon Planck-Siber, § 322 Anm. 3, Gabius, NJW 1971, 866 [867].

31

So aber Staudinger-Kaduk, 11. Auflage, § 322 Rn. 17 f.

32

Motive II, S. 203.

33

Amtliche Ausgabe, S. 81 .

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

29

vertraglichen Leistungsreihenfolge zugunsten des im Verzug befmdlichen Gläubigers so lange aufrecht, wie dies möglich ist, ohne das schutzwürdige Gegenleistungsinteresse des Schuldners zu verletzen. Der Gesetzgeber bricht hier bewußt mit der gemeinrechtlichen Tradition. Diese knüpfte an den Gläubigerverzug noch die generelle Folge, daß der blockierte Schuldner ohne weiteres einen bedingten Gegenleistungsanspruch so geltend machen kann, als wäre die Bedingung eingetreten34• Diese vom BGB verworfene gemeinrechtliche Linie verfolgt freilich die Rechtsprechung, wenn sie über § 242 BGB den Gegenleistungsanspruch vorbehaltlos zuerkennps. Angesichts der Ausgewogenheit dieser Regelung mag man sich fragen, ob bei unterlassener Mitwirkung des Gläubigers dessen im Ergebnis von §§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2 BGB angeordnete Vorleistungspflicht unabhängig davon eintritt, wer die im Bereich des Gläubigers liegende Leistungsstörung zu vertreten hat. Die Antwort ergibt sich aus den Tatbestandsvoraussetzungen des Gläubigerverzugs: Dieser tritt ein, ohne daß der Gläubiger die Unterlassung zu vertreten haben müßte. Im Rahmen der Gläubigerverzugsvorschriften hat der Gläubiger rur die in seiner Sphäre liegenden Leistungsvoraussetzungen einzustehen. Nur wenn der Schuldner seinerseits die Unterlassung der Mitwirkung durch den Gläubiger (vertragswidrig) verursacht, ist der Eintritt des Gläubigerverzugs analog § 297 BGB ausgeschlossen36 und damit auch die Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB.

b) Restriktive Auslegung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB? Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist damit die Lösung der Blockadeproblematikfiir alle Fälle der unterlassenen Mitwirkungshandlung geliefert. Gleichwohl wird in zweierlei Hinsicht eine einschränkende Interpretation der Regelung vertreten. In beiden Fällen wird die ratio der Regelung bemüht, "den renitenten Schuldner auf einfachem Wege zur Errullung seiner Obliegenheit zu zwingen'l37, und damit den Leistungsaustausch auch gegen den Willen des Gläubigers sicher-

34 Windscheid, Pandektenrecht II, § 346, S. 3\0 f.; Römer, Abhandlungen, S. 147; Wolffenstein, Mora accipiendi, S. 27.

35

Siehe oben, S. 24 f.

36

Siehe schon oben, S. 20 f.

37

Motive II, S. 203.

30

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

zustellen 36 . Vor diesem Hintergrund sei die Norm dann nicht anwendbar, wenn der Leistungsaustausch durch die ungehinderte Durchsetzung des Vergütungsanspruches gar nicht erzwungen werden könne. (1) Hierzu wird einmal der Fall gerechnet, daß die Vorleistung des Schuldners nur zeitlich beschränkt möglich ist und ihre Erfiillung mit Eintritt des Annahmeverzugs unmöglich wird39 . Das ist unproblematisch: Mit Eintritt der Unmöglichkeit erlischt nach allgemeiner Meinung der Gläubigerverzug 4o • Damit fehlt es bereits an dieser Voraussetzung im Tatbestand des § 322 Abs. 2 BGB. Dem Gegenleistungsinteresse des Schuldners wird durch § 324 Abs. 2 BGB, im Dienstvertragsrecht durch § 615 BGB Rechnung getragen. Der Gegenleistungsanspruch ist nach dem Untergang des Leistungsanspruchs infolge Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) sofort fällig. (2) Teilweise 41 wird die Anwendung des § 322 Abs. 2 BGB auf den Fall beschränkt, daß der Schuldner seine Leistung parat hat und lediglich die Mitwirkung des Gläubigers bei Abruf oder Entgegennahme der Leistung ausbleibt. "Annahmeverzug" i.S.d § 322 Abs. 2 BGB meine ausschließlich den Fall des Verzugs mit der eigentlichen Annahme der Leistung42 • Die unterlassene Mitwirkung schon bei der Vorbereitung der Leistung soll dagegen augeklammert sein. Kas~3 begründet diese Einschränkung damit, daß es in den letztgenannten Fällen gar nicht um die Erzwingung des Leistungsaustauschs gehe, da diejenige des Schuldners noch gar nicht austauschfähig sei. Der Austausch sei hier nicht durch die Annahmeverweigerung ausgeschlossen, sondern weil die Leistung des Schuldners noch gar nicht existiere. Dieses Argument greift zu kurz: Die Herstellung der Leistung ist gerade wegen einer zur Herstellung erforderlichen, aber vom Gläubiger unterlassenen Mitwirkung noch nicht austauschfähig. Im übrigen erfaßt die ratio des § 322 Abs. 2 und 3 BGB auch den Fall der nicht paraten Leistung. Denn die Norm ist auch dann geeignet, den Leistungsaustausch zu

38 Kast, Einrede, S. 83; HüjJer, Leistungsstörungen, S. 215; MüKo-Emmerich, § 322 Rn. 21; Soergel-Wiedemann, § 322 Rn. 3,4. 39

HüjJer, Leistungsstörungen, S. 214, 216; Soerge1- Wiedemann, § 322 Rn. 26.

40

Siehe nur Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 8.

41

Kast, Einrede, S. 83 f.; HüjJer, Leistungsstörungen, S. 215 f.

42

Kast, Einrede, S. 83; HüjJer, Leistungsstörungen, S. 215.

43

Einrede, S. 83.

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

31

fördern: Ein Gläubiger, von dem ohne weiteres die volle Gegenleistung verlangt werden kann, wird regelmäßig ein besonderes Interesse daran haben, entweder seine Mitwirkungshandlung vorzunehmen, um zumindest nachträglich in den Genuß der ihm geschuldeten Leistung zu kommen44, oder - im Werkvertragsrecht nach § 649 BGB zu kündigen. Auch im letztgenannten Fall steht dem Schuldner ein Vergütungsanspruch zu, der freilich um die ersparten Aufwendungen gekürzt ist (§ 649 S. 2 BGB). Hüffer45 führt rur seine einschränkende Auslegung systematische Erwägungen an: Die von § 322 Abs. 3 BGB vorgenommene Gleichbehandlung von Zug-umZug-Urteilen und solchen auf Leistung nach Empfang der Gegenleistung sei nur dann gerechtfertigt, wenn die tatsächliche Vertragssituation vergleichbar sei. Das sei aber nur der Fall, wenn etwa der Werkunternehmer das bestellte Werk bereits fertiggestellt habe und er jederzeit austauschbereit sei46 . Bei diesen Gleichbehandlungsüberlegungen scheint Hüffer davon auszugehen, daß in den Zug-umZug-Konstellationen die Leistung wesensmäßig bereits abrutbar vorhanden ist. Das ist jedoch nicht notwendig der Fall. Auch bei einem Kaufvertrag über einen vom Gläubiger noch zu spezifizierenden Gegenstand ist, unterläßt dieser die Mitwirkung, eine Zug-um-Zug-Klage auf Vergütung nach §§ 320 Abs. 1,322 Abs. 1 BGB und eine unbedingte Vollstreckung des bedingten Titels nach §§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2 BGB, § 756 ZPO möglich47 • Die Problematik des unbedingt durchsetzbaren Vergütungsanspruchs trotz nicht parater Leistung, die Kast und Hüffer mit Recht aufzeigen, stellt sich mithin sowohl in den Zug-um-Zug- wie auch den Vorleistungsfallen. Die von beiden vertretene Restriktion des § 322 Abs. 2 BGB ist nur zu erwägen, wenn, gemessen an der gesetzgeberischen Intention, ein dahingehendes Bedürfnis festzustellen wäre. Der einschränkenden Auslegung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB erscheint offenbar ein Unbehagen darüber zugrunde zu liegen, daß ein in seiner Leistung "blockierter" Schuldner auch dann die bedingte Titulierung seines Vergütungsanspruchs und dessen unbedingte Vollstreckung erreichen kön-

44

Vgl. HüjJer, Leistungsstörungen, S. 215.

45

Leistungsstörungen, S. 216.

46

HüjJer, Leistungsstörungen, S. 216.

47

Vgl. Soergel-Wiedemann, § 322 Rn. 26.

32

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

nen soll, wenn der Leistungsgegenstand noch nicht vorhanden ist. Das Unbehagen ist nicht berechtigt. Bereits der Wortlaut des § 322 Abs. 2 BGB erfaßt auch die Fälle des § 295 BGB, jene Fälle also, in denen die Mitwirkung bereits im Vorfeld der Annahme, etwa bei der Erstellung eines Computerprogramms, erforderlich ist. Das Gesetz spricht zwar nur von "Annahmeverzug", es meint jedoch damit im allgemeinen alle Fälle des Gläubigerverzugs gern. §§ 293-296 BGB. Dabei wird nicht danach differenziert, ob dem die Unterlassung einer Vorbereitungs- oder einer Annahmehandlung zugrunde liegt. In § 642 BGB ist mit "Verzug der Annahme" sogar nur der Fall der unterlassenen Mitwirkung "bei der Herstellung des Werkes" - und damit eine Vorbereitungshandlung i.S.d. § 295 BGB - gemeint. Anhaltspunkte, daß der Gesetzgeber mit der Bezeichnung "Verzug der Annahme" in § 322 Abs. 2 BGB ausnahmsweise die Fälle des § 295 BGB ausgenommen wissen wollte, sind weder der Gesetzesfassung noch den Materialien zu entnehmen48 • Im Gegenteil: Dort wird die Einräumung der sofortigen Klagemöglichkeit und der unbedingten Vollstreckung damit motiviert, daß gerade in den Vorleistungsfällen der andere denkbare Weg zur erfolgreichen Klage auf Vergütung, derjenige über die Hinterlegung als Erfiillungssurrogat, in vielen Fällen nicht zum Ziel fuhre. Diese Motivation scheint geradezu auf die Fälle des § 295 BGB abzuzielen. Ist der Leistungsgegenstand, etwa das Werk, bereits vorhanden und austauschfähig, ist die Möglichkeit des Schuldners, durch Hinterlegung des Gegenstands selbst die Erftillungswirkung herbeizufuhren, wegen der engen Bestimmung der Hinterlegungsfähigkeit zwar regelmäßig ausgeschlossen (vgl. § 372 S. 1 BGB). Bei beweglichen Sachen eröffnet jedoch § 383 Abs. 1 BGB den Weg zur Erfullungswirkung durch Hinterlegung; und zwar über den Umweg des Rechts zum Selbsthilfeverkauf des geschuldeten Gegenstands mit anschließender Hinterlegung des Erlöses. Der aufgezeigte Weg über die §§ 372 ff. BGB ist allein dann von vornherein ausgeschlossen, wenn der Gläubiger gerade eine Mitwirkungshandlung nach § 295 BGB unterlassen hat und das Werk daher nicht fertiggestellt ist: Mangels "geschuldeter beweglicher Sache", die § 383 Abs. 1 S. 1 BGB verlangt, scheidet dann nämlich auch der Selbsthilfeverkauf aus. Dieser aber wäre die einzige Möglichkeit, zur Erfullungswirkung hinsichtlich der eigenen Leistung

48

Vgl. Motive Il, S. 203.

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

33

und damit zur Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs zu gelangen49 • Gerade in den Fällen des § 295 BGB ist daher der Schutz, den der Gesetzgeber dem Vergütungsanspruch im Gläubigerverzug gewähren wollte, in besonderem Maße angezeigt. Freilich ist nicht zu verkennen, daß die Anwendung des § 322 Abs. 2 und 3 BGB auch auf diese Fälle für den vorleistungsberechtigten Gläubiger eine Härte bedeutet: Er wird nicht nur seinerseits im Ergebnis vorleistungspflichtig, sondern muß mangels austauschfähiger Gegenleistung auch noch U.u. einen längeren Zeitraum auf den Gegenwert der Vergütung warten. Unbillig ist das jedoch nicht. Es bleibt zu bedenken, daß der rechtlich vorgesehene Modus der Vertragsdurchführung gerade deshalb scheitert, weil der Schuldner durch ein dem Gläubiger zurechenbares Verhalten bereits im Stadium der Leistungsvorbereitung blockiert ist. Ferner kann nicht der Zeitpunkt der Blockade - im Vorbereitungs- oder im Annahmestadium - dafür maßgeblich sein, ob der Schuldner über § 322 Abs. 2 und 3 BGB seinen vollen Vergütungsanspruch durchsetzen kann oder ob der Vergütungsanspruch vom Grundsatz her blockiert bleibt50 • Überdies liegt es am Gläubiger, die genannte Härte zu vermeiden. Er muß lediglich den Gläubigerverzug aufheben, indem er bis zur Vollstreckung des titulierten Vergütungsanspruches die erforderliche Mitwirkungshandlung vornimmt. Im Werkvertragsrecht kann er alternativ von seinem voraussetzungslos gewährten Kündigungsrecht gern. § 649 BGB Gebrauch machen. Dann wäre er nur einem um die ersparten Aufwendungen gekürzten Vergütungsanspruch ausgesetzt. Schließlich ist auch nicht unbillig, daß dem Schuldner über § 322 Abs. 2 BGB ein ungekürzter Vergütungsanspruch erwächst, ohne daß er dazu selbst seine Leistung parat haben muß 51 • Das Gesetz sieht einen um ersparte Aufwendungen gekürzten Vergütungsanspruch immer nur dann vor, wenn der Schuldner seiner-

49 Vgl. Klees, La demeure, S. 207 [211]; auch Müller-Foell, Mitwirkung, S. 95, der jedoch auf § 322 BGB nicht eingeht, sondern den Schutz des Vergütungsanspruchs mittelbar über die teilweise Erzwingbarkeit der Mitwirkungshandlung durch den Schuldner gewährleisten will. Das ist zu umständlich. 50 Zwar gibt § 643 BGB dem Schuldner in einer solchen Situation ein Kündigungsrecht. Aus dem gekündigten Vertragsverhältnis fließt dann jedoch nur ein anteiliger Vergütungsanspruch gern. § 645 Abs. 1 BGB. Überdies besteht die Alternative der Kündigung nur im Werkvertrag. Bei allen anderen Vertragstypen bliebe es danach grundsätzlich bei der Blockade des Vergütungsanspruchs.

51

So aber offenbar Staudinger-Peters, § 642 Rn. 7.

3 Hartmann

34

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

seits von der Leistungspflicht befreit und daher auch ein späterer Leistungsaustausch ausgeschlossen ist (§§ 324, 649 BGB). Der volle Vergütungsanspruch ohne jede Gegenleistung für den Gläubiger wäre dann unbillig und widerspräche dem Gedanken der Vorteilsausgleichung S2 • Zu einer solchen Kürzung besteht aber bei einer infolge Gläubigerverzugs im Ergebnis lediglich vorgenommenen Umkehr der Vorleistungspflicht kein Anlaß. Da der Gläubiger seinen Anspruch auf die volle Leistung behält, ist auch die volle Vergütungpflicht angemessen.

c) Zwischenergebnis

Nach Abwägung der beteiligten Interessen ist kein Grund ersichtlich, den Begriff des "Verzuges der Annahme" in § 322 Abs. 2 BGB entgegen dem sonst üblichen Sprachgebrauch des Gesetzgebers lediglich auf die Fälle zu beschränken, in denen der Schuldner seine Leistung parat hat und der Gläubiger "nur" die Annahme oder den Abruf unterlassen hatS3 • Vielmehr kann der vorleistungsbelastete Schuldner in jedem Fall des Gläubigerverzugs einen Anspruch auf Vergütung nach Erhalt der Gegenleistung titulieren lassen. Dieser kann, wenn der Gläubigerverzug fortdauert, unbedingt in der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Da der Titel bereits das Bestehen des Gläubigerverzugs voraussetzt, ist mit dessen Vorlage der Gläubigerverzug i.S.d. § 756 ZPO i.d.R. mittels öffentlicher Urkunde nachgewiesens4 • Gläubigerverzug ist freilich analog § 297 BGB ausgeschlossen, wenn die Unterlassung der Mitwirkung auf einem Umstand beruht, den der Schuldner (mit)verursacht hat.

52

Soergel-Wiedemann, § 324 Rn. 30.

53 Für eine einschränkungslose Anwendung der Norm auf alle Fälle des Gläubigerverzugs bei Vorleistungspflicht schon Schöller, Gruchots Betr. 46 (1902), S. I [33], ausdrücklich auch Planck-Siber, § 322 Anrn. 2, 3, und Soerge\-Wiedemann, § 322 Rn. 26 (unter vor § 293 Rn. 29 lehnt er, nicht ganz widerspruchsfrei, einen Erfüllungsanspruch als Rechtsfolge ab); vgl. auch MüKo-Emmerich, vor § 275 Rn. 306. In der Rechtsprechung: OLG Düsse\dorf, NJW 1991,3040 [3041]; unklar OLG Hamburg, OLG-Rspr. 8, 38. 54 Das gilt freilich nur, wenn der Gläubigerverzug entweder im Wege der Zwischenfeststellungsklage gern. § 256 Abs. 2 ZPO festgestellt ist oder sich aus den Gründen des Urteils ergibt, BGH, NJW 1982, 1048 [1049]; SteinlJonas-Münzberg, § 756 Rn. 7a; MüKo-Emmerich, § 322 Rn. 29.

3. Abschnitt: Der Schutz des Gegenleistungsinteresses des Schuldners

35

Das Gesetz hält mithin eine "maßgeschneiderte" Lösung der Problematik des durch Unterlassen der Mitwirkung blockierten Vergütungsanspruches des vorleistungsbelasteten Schuldners bereit - und dies fiir alle Vertragtypen. Hat aber der Gesetzgeber bereits die Problematik in einer Spezialnorm bewertet, so fehlt es mangels Regelungslücke an der Basis fiir jedwede Analogie, sei es zu § 324 BGB, zu § 649 BGB oder zu § 162 BGB. Auch der Rückgriff auf das allgemeine Prinzip von Treu und Glauben zum Erzielen "billiger" Ergebnisse verbietet sich grundsätzlich, nachdem § 242 BGB durch § 322 Abs. 2 und 3 BGB gewissermaßen eine spezielle normative Ausformung erhalten hatSs • Indem der BGH in ständiger Rechtsprechung mit § 242 BGB zum bereits unbedingt titulierbaren Gegenleistungsanspruch verhilft, korrigiert er ohne zwingenden Grund den vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Weg: Der in seiner Leistungserbringung "blokkierte" Schuldner kann im Gläubigerverzug seinen Gegenleistungsanspruch gern. § 322 Abs. 2 BGB eben nur bedingt titulieren lassen. Erst in der Zwangsvollstreckung - bei fortdauerndem Gläubigerverzug - kann er ihn unbedingt durchsetzen, §§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2 BGB, § 756 ZPO. Die Abkehr des BGH vom gesetzlich vorgegebenen Modell hat durchaus praktische Konsequenzen: Dem in Verzug geratenen Gläubiger wird damit die Möglichkeit genommen, nach Titulierung des Gegenleistungsanspruchs durch bloße Beseitigung des Gläubigerverzugs die unbedingte Vollstreckung zu verhindern. Die Lösung des BGH verweist den Gläubiger demgegenüber auf die Einlegung der Berufung oder die Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO. Darin liegt - contra legern - eine Erschwerung des Rechtsschutzes.

11. Verträge ohne Vorleistungspflicht des Schuldners Ist der Schuldner nicht vorleistungspflichtig, so kann seiner Forderung der Gegenleistung die Einrede des § 320 BGB entgegengehalten werden. Die gerichtliche Geltendmachung des Vergütungsanspruches hat nach § 322 Abs. 1 BGB die Verurteilung des Gläubigers zur Erfiillung Zug-um-Zug gegen die Leistungserbringung durch den Schuldner zur Folge. Der Umstand, daß sich der Gläubiger

55 Das heißt freilich nicht, daß der universal geltende Grundsatz von Treu und Glauben nicht auch im Rahmen der Regelungen der §§ 322, 274 Abs. 2 BGB im Einzelfall Anwendung finden kann. So können natürlich anderweitige Umstände es in besonderen Fallgestaltungen als treuwidrig erscheinen lassen, daß der Schuldner seinen Vergütungsanspruch unbedingt durchsetzt.

36

2. Kapitel: Die Regelungen über den Gläubigerverzug

in Annahmeverzug befmdet, fmdet auch hier im Erkermtnisverfahren noch keine Berücksichtigung. Die Auflösung der verfahrensmäßigen Verknüpfung der gegenseitigen Hauptleistungspflichten findet nach §§ 322 Abs. 3, 274 Abs. 2 BGB, § 756 ZPO erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung statt: Als Konsequenz aus der unterlassenen Mitwirkung des Gläubigers darf der Schuldner seinen Gegenleistungsanspruch auch ohne vorherige Bewirkung der ihm obliegenden Leistung vollstrecken. Einschränkungen der Anwendbarkeit dieser Lösung auf die Fälle, in denen der Schuldner seine Leistung parat hat, werden in diesem Zusammenhang zurecht nicht vertretenS6 • Ein differenziertes Verständnis des Begriffs des "Verzugs der Armahme" - diesmal in den §§ 274 Abs. 2, 322 Abs. 3 BGB -, scheidet aus denselben Gründen aus wie im Falle der Vorleistungspflicht.

56

Dagegen auch Soergel-Wiedemann, § 322 Rn. 26.

3. Kapitel

Die Verschuldenshaftung Von jeher stand im Zentrum der Problematik der unterlassenen Mitwirkungshandlung die Frage nach dem rechtlichen Charakter dieses Verhaltens. Die gesetzlich geregelten Fälle der §§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 1 BGB und § 375 Abs. 1 HGB sind jeweils als Pflicht des Gläubigers ausgestaltet. Im übrigen ist zweifelhaft, ob die Mitwirkung ein vom Gläubiger geschuldetes Verhalten darstellt oder lediglich eine Obliegenheit ohne echten Pflichtcharakter. Danach bestimmt sich, ob die Leistungsblockade durch den Gläubiger Rechtsfolgen nach sich zieht, die über den Gläubigerverzug und die an ihn anknüpfenden Regelungen hinausgehen. Diese Vorschriften berücksichtigen - wie bereits dargestellt I - das Gefahrtragungs- (§§ 300 Abs. 2, 324 Abs. 2, 644 Abs. I S. 2 BGB) sowie das Gegenleistungsinteresse (§ 322 Abs. 2 und 3 BGB). Sie schweigen demgegenüber hinsichtlich des Interesses des Schuldners, seine eigene Leistung zu erbringen (Leistungsinteresse). Das Schadloshaltungs- sowie das Liquidationsinteresse werden entweder lediglich in seinen Randbereichen (§ 304 BGB) oder aber nur für das Werkvertragsrecht (§§ 642, 643 BGB) und damit bruchstückhaft bewertet. Ob es bei den danach offen bleibenden Lücken bleibt, hängt entscheidend davon ab, ob und wann eine echte schuldrechtliche Pflicht zur Mitwirkung anzunehmen ist. Eine allgemeine Bewertung des Leistungs-, des Schadloshaltungsund des Liquidationsinteresses des blockierten Schuldners kann es nur im Fall einer Mitwirkungspflicht und im Rahmen einer darauf aufbauende (Verschuldens-)Haftung geben.

I

Siehe oben, S. 22.

38

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

1. Abschnitt

Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers I. Die historische Ausgangslage vor Inkrafttreten des BGB Als das BGB am 1. 1. 1900 in Kraft trat, hatte die Rechtswissenschaft bereits eine etwa ein Jahrhundert währende Kontroverse darüber hinter sich, ob der Gläubiger zur Mitwirkung an der Leistungserbringung durch den Schuldner, insbesondere zur Leistungsannahme, verpflichtet sei. Dem positiven Recht des 19. Jahrhundert waren insoweit keine einheitlichen und klaren Aussagen zu entnehmen. Zwar bestimmte das allgemeine Landrecht für die preußischen Staaten (1796) in § 215 I 11 die Verpflichtung des Käufers zur Abnahme der Kaufsache. Demgegenüber enthalten die gemeinrechtlichen Quellen jedoch nur ein die Problematik berührendes Fragmentl, dessen Bedeutung heftig umstritten war: Jemand, der "Steine von einem Landgut" gekauft hatte, war für verpflichtet gehalten worden, nicht nur den Kaufpreis zu entrichten, sondern auch das Grundstück vom Gestein zu befreien. Zwischen den Interpreten gingen die Meinungen darüber auseinander, ob es sich dabei um eine verallgemeinerungsfahige Ausage über das Pflichtenprogramm des Käufers oder nur um eine spezielle Fallgestaltung handelte, in der der Käufer wegen der besonderen Interessenlage des Verkäufers den Abtransport der Steine als zusätzliche Vertragspflicht (mit Werkvertragselement) übernommen hatte 3. Vor dem Hintergrund der unklaren Quellenlage bildeten sich zwei Lager. Die Vertreter des ersten stritten für eine Gleichbehandlung des Interesses des Gläubigers an der Erfüllung der Obligation und desjenigen des Schuldners, "daß er durch Beendigung des obligatorischen Verhältnisses seine frühere Freiheit wiedergewinne"4: Es sei nicht allein des Gläubi-

2 Pomponius D. 19, 1,9: "Si is, qui lapides ex fundo emerit, tollere eos noht, ex vendito agi cum eo potest, ut tollat."

3 Für eine Verallgemeinerungsfähigkeit etwa Oertmann, AcP 85 (1896], S. 202 [225]; Dernburg, Obligationenrecht, S. 169 Fußn. 2; dagegen die wohl überwiegende Meinung, etwa F. Mammsen, Mora, S. 134 Fußn. 3; Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [274], und Archiv f. Bürgerliches Recht 13 (1897), S. 149 [276]; Rosenberg, JheringsJb 43 (190 I), S. 141 [201]; Ulrich, Deposition, S. 3. 4 v. Madai, Mora, S. 227, der konsequenterweise eine parallele Sicht von mora debitoris und mora creditoris vertritt.

\. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

39

gers Recht, die Leistung in Empfang zu nehmen, sondern auch seine Pflichts. Dem trat Friedrich Mommsen mit der Bemerkung entgegen, dem Gläubiger stehe es frei, ob er die Herrschaft, die ihm die Obligation eimäumt, ausüben wolle oder nicht. Folglich könne dem Schuldner keine allgemeine Klage zur Erzwingung seiner Leistungserbringung zugegeben werden6 • Zum Durchbruch verhalf der damit begründeten Gegenmeinung die ausgedehnte Polemik Kohlers, der zweimal - 1879 und 1897 - scharfzüngig gegen die Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung strite:"Jene Ansicht von der Mitwirkungspflicht des Gläubigers ist einer der fundamentalsten Irrthümer in der Lehre des Obligationemechts. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, die Leistung anzunehmen; es ist die Annahme ein Recht und nur ein Recht, keine Pflicht; sie steht auf gleicher Stufe wie jede anderwärtige Benutzung eines Vermögensgutes. 118 Kohler erkennt zwar ein Interesse des Schuldners an seiner Leistung an, meint jedoch: "Nicht jedes Interesse des einen Kontrahenten involvirt auch eine Pflicht des anderen, diesem Interesse zu willfahren. "9 Mit einer Fülle von Beispielen suchte er schließlich, von der Interessewidrigkeit einer Mitwirkungspflicht zu überzeugen. Etwa: "... und ich wäre verpflichtet, dem [mit einem Portrait beauftragten] Maler zu sitzen, obgleich mir dies über alle Maßen lästig und zeitraubend ist und obgleich ich allen Glauben an diesen Maler verloren habe." Die von starkem Individualismus, der besonderen Betonung der Freiheit und dem Horror vor der Bevormundung Geweils des Gläubigers!) geprägten Ausführungen Kohlers gipfeln in der Frage "Wo macht

5 Etwa v. Madai, Mora, S. 227 f.; Demelius, JheringsJb 3 (\859), S. 399 [402,409]; Voigt, ius naturale III, S. 538, 6\6 f., 62\; differenzierend Dernburg, Obligationenrecht, S. 169 Fußn. 2, der eine Annahmepflicht in Anlehnung an D. \9, 1,9 bei allen Fällen einer Sachleistung annehmen will. Eine zum annäherend gleichen Ergebnis gelangende Auffassung will zwar kein Recht auf Annahme der Leistung, wohl aber ein solches auf rechtzeitige Befreiung von der Verbindlichkeit annehmen, z.B. Ulrich, Deposition, S. 2 f. Die Vertreter der Mitwirkungspflicht des Gläubigers propagieren auch sämtlich die sog. culpa-Theorie, nach der die mora creditoris wie die mora debitoris nur bei Verschulden eintritt. Diese Koinzidenz verwundert nicht, da fiir die Kategorie "Verschulden" mit Recht eine Pflichtverletzung vorausgesetzt wurde. 6

F. Mommsen, Mora, S. \34.

7 JheringsJb \7, S. 26\ [265-28\], und Archiv f. Bürgerliches Recht \3, S. \49 [bes. \62-170]. 8 JheringsJb \7 (1879), S. 26\ [267]. Ähnlich bereits schon das ROHG, Seuff.Archiv Bd. 29 Nr. \20. 9

Archiv f. Bürgerliches Recht \3 (1897), S. 149 [\65].

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

40

sich jemand zum Sklaven seines Spenglers, seines Schneiders, seines Zimmermanns, seines Stiefelputzers, seines Bodenwichsers?" In einer Zeit, die von einer formalen Freiheitsethik geprägt war lO , verfehlte die Polemik ihre Wirkung nicht. Gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts war die überwiegende Meinung Kohler gefolgt!!. Nachweislich hat er auch die Vorarbeiten zum BGB maßgeblich beeinflußt!2. Auch v. Kübel, der Redaktor des Obligationenrechts fiir den ersten Entwurf, verwarf den Gedanken einer allgemeinen Annahmepflicht des Gläubigers als "unzulässige Bevormundung desselben"!3. Bezeichnend ist freilich, daß er zugleich Anstoß daran nimmt, daß der Schuldner durch die Unterlassung der Mitwirkung über Gebühr im Schuldverhältnis festgehalten wird: "Insoweit begeht aber der Gläubiger ein Unrecht gegen den Schuldner, er verstößt gegen den Inhalt des Schuldverhältnisses (!), gegen die auch von ihm in demselben zu beobachtende bona fides (!) und mißbraucht seine Herrschaft über das Ziel und Maß hinaus, zu welchem sie ihm eingeräumt ist."14 Diese Ausfiihrungen zeigen plastisch das Nebeneinander von zwei Strömungen: Zwar war zum Ende des 19. Jahrhunderts der Geist überwiegend geprägt von dem Kohlerschen Unverständnis gegenüber der Vorstellung, der Gläubiger könne in seiner Eigenschaft als "Herr" in der Freiheit seiner Vermögensdisposition durch eine Pflicht zur Mitwirkung an der Leistung des Schuldners eingeschränkt und solchermaßen "bevormundet" sein!5. Andererseits aber existierten - unterschwellig - die Wertungen durchaus fort, die der Gegenmeinung zugrunde lagen.

10 Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 30 f., stellt der Freiheitsethik des 19. Jahrhunderts die "Verantworungsethik" unserer Zeit gegenüber, die durch Kooperation gekennzeichent ist. 11 So das RG in RGZ 14,243 [247]; 26, 213 [215 f.]; Rosenberg, JheringsJb 43, S. 141 [201 f.], meinte gar 1901, es gebe wohl keinen Juristen mehr, der eine Annahmepflicht des Gläubigers als Regel aufstelle.

12 So - auf nicht ganz bescheidene Weise - Kohler selbst, Archiv f. Bürgerliches Recht 13 (1897), S. 149 [165]; ferner aber auch Planck-Siber, vor § 293 Anm. 1; Klees, La demeure, S. 203; Nicklisch, BB 1979,533 [537].

13

v. Kübel, Vorlagen ,S. 908.

14 v. Kübel,Vorlagen, S. 908., unter Verweis auf Windscheid und Dernburg, die beide freilich eher eine Annahmepflicht befürworten. 15 Das findet seinen Ausdruck etwa bei Fleck, Archiv f. Bürgerliches Recht 12 (1897), S. 252 [257]; Laband, AcP 74 (1889), S. 299 [303]; WolfJenstein, Mora accipiendi, S. 14.

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

41

11. Die Rechtsprechung In der Rechtsprechung des RG seit Inkrafttreten des BGB fehlt eine klare Linie. Insoweit setzt sich das Nebeneinander von sich widersprechenden Wertungen, das das 19. Jahrhundert geprägt hatte, in gerichtlichen Einzelfallentscheidungen fort. Teilweise hat das Gericht die Auffassung vertreten, die Mitwirkung des Bestellers beim Werkvertrag sei keine eigentliche Schuldnerpflicht l6 . In einer anderen Entscheidung geht das Gericht ohne weiteres von einer Verpflichtung zur Mitwirkung aus l7 • Immer wieder betonte das RG nach der "Entdeckung" der pFV durch Staub auch, daß ein Gläubigerverhalten nicht nur Gläubigerverzug begründen, sondern auch eine pFV der allgemeinen aus § 242 BGB abgeleiteten Treuepflicht bedeuten könne l8 . Mit dem Schritt zur Betonung der Treuepflicht ist damit jene Wertung aufgegriffen und dogmatisch eingeordnet, die v. Kübel zu dem - bei ihm noch recht beziehungslos im Raum stehenden - Hinweis veranlaßte, daß die unterlassene Mitwirkung einen Verstoß "gegen den Inhalt des Schuldverhältnisses" und die "bona fides" beinhalte. In seiner ersten grundlegenden Entscheidung teilte der BGH die Einschätzung, daß die Mitwirkung des Gläubigers nach der Gesetzeskonzeption nur eine Obliegenheit und keine echte Schuldnerpflicht darstelle l9 . Das Gericht ordnet jedoch überraschenderweise die Gläubigerobliegenheit den "im weitesten Sinne aufzufassenden 'Vertragspflichten'" zu, deren schuldhafte Verletzung zum Schadensersatz verpflichte. Diese dogmatisch nicht haltbare 20 Vermengung von Obliegenheit und Pflicht fuhrt zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Die Mitwirkung ist zwar nicht geschuldet und damit auch nicht gesondert durchsetzbar sei, gleichwohl aber kann ihre Unterlassung bei Verschulden zum Schadensersatz fuhren. Auf diese Einordnung der Mitwirkung des Gläubigers hat der BGH auch später

16 RG, JW 1921, 460; RGZ 168, 312 [327]; mittelbar ergibt sich dies Einordnung auch aus RGZ 53, 221 [224]; RG, WamRspr. 1908, Nr. 625, wo die Gläubigerverzugsvorschriften als gegenüber den Verzugsvorschrften spezieller bezeichnet werden.

17 18

19

RGZ 152, 119 [122]. RG, WamR 1918, Nr. 137; RGZ 129,357 [376]. BGHZ 11, 80 [83].

Zurecht sind die dogmatischen Ausführungen des BGH ganz überwiegend auf Ablehung gestoßen, siehe nur Lehmann, JZ 1954, 240; Staudinger-Löwisch, vor § 293 Rn. 10. Anders freilich Klees, La demeure, S. 214 ff., 220, der eine Lücke bei den Sanktionen der Obliegenheitsverletzung konstatiert und diese - allerdings nicht stets - durch die pFV schließen will. Dem BGH folgend auch LG Freiburg, eR 1988, 382. 20

42

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

wieder Bezug genommen21 • Zwischenzeitlich hatte er jedoch unter dem Eindruck ihrer einhelligen Ablehnung von dieser Konstruktion Abstand genommen22 • Das Gericht vertrat stattdessen vorübergehend die Ansicht des RG, in der Obliegenheitsverletzung könne zugleich eine pFV der gewissermaßen überlagernden allgemeinen Treuepflicht gegenüber dem anderen Teilliegen23 • In der neueren Rechtsprechung des BGH und der Oberlandesgerichte findet sich keine Auseinandersetzung mit der Problematik. Vielmehr wird ohne weitere Begründung eine Mitwirkungspflicht des Gläubigers im Sinne einer echten Schuld zugrunde gelege 4 •

111. Die Literatur Die Literatur spiegelt nach wie vor in etwa das Meinungsbild wider, wie es sich unter dem Einfluß Kohlers schon Ende des vergangenen Jahrhunderts gebildet hatte. Ganz überwiegend wird davon ausgegangen, daß das Gesetz die Mitwirkung nicht als Pflicht, sondern als Obliegenheit ansehe 25 . Daraus ziehen freilich nur wenige die Kohlersche Konsequenz, den blockierten Schuldner ausschließlich auf die Vorschriften über den Gläubigerverzug zu verweisen 26 . Größtenteils wird vielmehr der von RG und BGH phasenweise vertretenen Auffassung gefolgt, daß in der Unterlassung der Mitwirkung nicht nur eine Obliegenheitsverletzung, sondern im Einzelfall (auch) die Verletzung der all-

22

BGHZ 50, 175 [178 f]; siehe auch LG Freiburg, eR 1988,382. BGH, VersR 1960,693 [694).

23

BGH, VersR 1960,693 [694]; BGH, BB 1963, 160.

21

24 Für BGH, LM NT. 46 zu § 305 BGB = NJW-RR 1988, 1396, folgt die Annahme einer Rechtspflicht zur Mitwirkung aus der Natur der Sache (I). Ferner OLG Düsseldorf, NJW 1991,3040 [3041]; OLG Köln, BB 1993 Beil. 3, S. 8 und S. 9; OLG Köln, NJW 1996, \067 [1068).

25 Z.B. Planck-Oegg, § 642 Anm. 2. c); Planck-Siber, Vorbem. zu § 293 Anm. 1; Kreß, Besonderes Schuldrechts, 1934, S. 195; R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 146 ff; Lehmann, JZ 1954, 240; Götz, Jus 1961, 56 [58]; Klees, La demeure, S. 214; Larenz, Schuldrecht 11/1, § 53 III, S. 370; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 380; Palandt-Thomas, § 642 Rn. I; Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 17; Staudinger-Peters, § 642 Rn. 17. 26 Esser/Schmidt, Schuldrecht 1/1, S. 22, 24; Staudinger-Peters, § 642 Rn. 18 f; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 352; wohl auch H.H. Jakobs, Nichterfüllung und Unmöglichkeit, S. 64.

1. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

43

gemeinen Treuepflicht liegen kann27 . Teilweise wird demgegenüber die Mitwirkungshandlung generell als Gegenstand einer Pflicht angesehen28 . Schließlich wollen einige die Einordnung als Pflicht davon abhängig machen, wie groß das Gewicht des Interesses des Schuldners ist, seine Leistung tatsächlich zu erbringen29 . Zu bejahen sei eine Pflicht demnach regelmäßig bei Großvorhaben, etwa im Anlagenbau, sowie bei Werkleistungen mit künstlerischem Charaktero.

IV. Die Stellungnahme Eine Pflicht, bei der Leistungserbringung des Schuldners mitzuwirken, kann vertraglichen oder gesetzlichen Ursprungs sein. Von vorrangiger Bedeutung ist, ob eine solche Pflicht bereits unabhängig von der konkreten Vertragsgestaltung sich auf der normativen Ebene ergibt.

1. Die "Offenheit" der gesetzlichen Regelung für die Frage einer Mitwirkungspflicht Zunächst gilt es, sich mit der seit Inkrafttreten des BGB stereotyp wiederholten Aussage auseinanderzusetzen, das Gesetz gehe bei der Mitwirkungshandlung des

27 Lehmann, JZ 1954,240; Götz, Jus 1961,56 [58]; Kreuzer/Stehle, JA 1984,69 [75 f.]; Wertheimer, JuS 1993,646 [650]; Staudinger-Löwisch, Vorbem. zu §§ 293-304 Rn. 10.

28 Köpcke,Typen der pV, S. 70; RGRK-Glanzmann, § 631 Rn. 46; Erman-Seiler, § 642 Rn. 2; Soergel- Wiedemann, vor § 293 R. 17, 21; MüKo-Soergel, § 631 Rn. 178; v. Craus-

haar, BauR 1987, 14. Eine eigentümliche und schwer nachvollziehbare Differenzierung findet sich verbreitet im baurechtlichen Schrifttum: Es handele sich nicht um eine Schuldnerpflicht, sondern um eine Nebenpflicht des Gläubigers. Etwa Locher, Baurecht, Rn. 128; IngenstauiKorbion, VOB, § 9 Rn. 15 f. 29 Nicklisch, BB 1979,533[537 ff.]; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 102 ff., 111; Larenz, Schuldrecht II11, S. 372; Lachmann, BauR 1990, 409 [411]. Müller-Foell will diese Pflicht "kraft Gesetzes" (S. 69, 111) annehmen, während die anderen ggfs. eine Vertragspflicht im Wege einfacher oder ergänzender Vertragsauslegung herleiten wollen. Vgl. auch R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 147 Fußn. 733 b), c). . 30 Vgl. die Nachweise in der vorangegangenen Fußnote.

44

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Gläubigers nicht vom Vorliegen einer Pflicht aus 31 • Diese Prämisse versperrt der h.M. bereits im Ansatz die Annahme einer generellen gesetzlichen Mitwirkungspflicht des Gläubigers. Der Richtigkeit dieses interpretatorischen Befundes der h.M. kommt damit rur die Frage der Mitwirkungspflicht vorentscheidende Bedeutung zu. Allgemein wird die bezeichnete Folgerung darauf gestützt, daß der Gläubigerverzug gern. §§ 293 ff. BGB verschuldensunabhängig eintritt. Daraus wird geschlossen, daß der Gläubiger zur Mitwirkung nicht verpflichtet sein könne 32 . Zutreffend ist zunächst, daß das Vorhandensein eines Verschuldenserfordernisses das Bestehen einer Pflicht voraussetzt und daher den Rückschluß auf ihre Existenz zuläßt3 3 • Der hier infrage stehende umgekehrte Schluß vom Fehlen des Verschuldenserfordernisses auf den Ausschluß einer Pflicht ist jedoch keineswegs zwingend34 • Der Gesetzgeber hat ausweis lieh der Gesetzesfassung der im vergangenen Jahrhundert verbreiteten culpa-Theorie eine Absage erteilt35 und den Gläubigerverzug bereits ohne Vorliegen eines Verschuldens eintreten lassen. Grund darur war, daß man es als "unbillig" ansah, "dem Schuldner als Folge eines in der Person des Gläubigers eingetretenen Zufalles eine Erschwerung seiner Verbindlichkeit aufzuerlegen". Es ging also darum, dem Schuldner Erleichterungen zu gewähren, ohne dies von der zusätzlichen Voraussetzung des Vetretenmüssens des Gläubigers abhängig zu machen. Konsequenz von dem mithin an die "nackte Thatsache der Nichtannahme der angebotenen Leistung" anknüpfenden Gläubigerverzug ist ein "dementsprechend" restriktiver Rechtsfolgenkatalog, der mangels Verschuldenserfordernisses insbesondere generell

31 Statt vieler etwa Planck-Siber, Vorbem. zu § 293 Anm. I; Kreß, Besonderes Schuldrecht, S. 195; EnnecceruslLehmann, Schuldrecht, § 57 Il 4, S. 245 f.; Larenz, Schuldrecht 1111, § 53 Il c), S. 370; Palandt-Heinrichs, § 293 Rn. I. 32 R.Schmidt, Obliegenheiten,S. 146 ff; EnnecceruslLehmann, Schuldrecht, S. 245 f.; Wertheimer, JuS 1993, 646 [650]. 33 Zutreffend bereits F. Mammsen, Mora, S. 134; Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [409], a.A. Rasenberg, JheringsJb 43 (1901), S. 141 [204]. 34 Die Motive (Il, S. 68) stellen die Ansicht, die auf das Verschulden als Voraussetzung ftir die mora accipiendi verzichtet, als zweite der drei zu dieser Frage im gemeinen Recht vertretenen Ansätze dar. Sodann heißt es: "Die ersterwähnten Anschauungen beruhen mehr oder weniger auf der Unterstellung einer allgemeinen obligationsmäßigen Verpflichtung des Gläubigers zur Annahme der Leistung oder zur Liberirung des Schuldners." 35 Motive II, S. 68 f.

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

45

keinen Schadensersatz auf das volle Interesse vorsehen konnte 36 : Das Gesetz stellt für den Fall der unterlassenen Mitwirkung unter geringen Voraussetzungen entsprechend begrenzte Rechtsfolgen zur Verfügung. Damit ist aber entgegen verbreiteter Ansicht nichts darüber ausgesagt, ob die Mitwirkung als geschuldet angesehen wird oder dem Gläubiger nur zur Vermeidung der begrenzten Rechtsfolgen im eigenen Interesse nahegelegt ist (Obliegenheit). Vielmehr kann man durchaus auch einen verpflichtenden Charakter der Mitwirkung annehmen, ohne in Widerspruch zur Gesetzesfassung zu geraten. In diesem Fall bieten die §§ 293 ff. BGB ein nur begrenztes Sanktionensystem für den Fall der unterlassenen Mitwirkung: Verletzt der Gläubiger die Pflicht - und sei es auch ohne sein Verschulden - kommt der Schuldner allein schon deshalb in den Genuß von (begrenzten) Erleichterungen. Verletzt er sie zudem schuldhaft, treten - daneben die allgemeinen Folgen des Leistungsstörungsrechts ein. Die Vorschriften über den Gläubigerverzug stellten danach eine Vorverlagerung des Schutzes des Schuldners dar 7 , nicht aber monopolisierten sie diesen Schutts. Auf einen in diesem Sinne fragmentarischen Charakter der gesetzlichen Regelung deuten die Protokolle der ersten Kommission zu §§ 642, 643 BGB hin: "Es brauche [... ] nur auf den ein Verschulden des Gläubigers keineswegs erfordernden Fall des Annahmeverzuges eingegangen zu werden; zugleich könne der verschuldete Annahmeverzug auf sich beruhen, da, wenn ein solcher vorliege, die allgemeinen Grundsätze über Verschulden und dessen Folgen eintreten würden."39 Ferner zeigt die Ausgestaltung der §§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 1 BGB als echte Pflicht, daß dem Gesetzgeber die Kumulierung von Gläubigerverzug und Verschuldenshaftung in das normative Programm des BGB einbezogen hat. So erscheint es nach der Gesetzesfassung zumindest als nicht ausgeschlossen, daß die Sanktion des Gläubigerverzugs lediglich die erste, nicht abschließende Stufe des gesetzlichen Sanktionensystems darstellt, das für den Fall der unterlassenen Mitwirkung existiert"°.

36

Motive II, S. 68, 76; dazu treffend Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 2.

In diese Richtung deutet die Motivation der Verfasser des ersten Entwurfs für den Verzicht auf das Verschuldenserfordernis, Motive II, S. 68 f. 37

38

So im Ergebnis auch Klees, La demeure, S. 214 f.

39 Protokolle I, 2332, bei Jakobs/Schubert, Die Beratung des BGB, Recht der Schuldverhältnisse II, S. 889.

40 So auch Müller-Foell, Mitwirkung, S. 66; Nicklisch, BB 1979,533 [537]; SoergelWiedemann, vor § 293 Rn. 17.

46

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Freilich soll nicht geleugnet werden, daß sich in den Materialien auch Stellen finden lassen, die mehr oder minder eindeutig die Vorstellung offenlegen, "daß der Gläubiger als solcher [außerhalb der abweichend geregelten Fälle] zur Annahme nicht verpflichtet ist"41. Zum einen aber stehen diese Stellen in einem gewissen Widerspruch zu anderen bereits zitierten Äußerungen in den Motiven und Protokollen und haben von daher nur begrenzte Aussagekraft. Vor allem jedoch hat diese Vorstellung - wie dargestellt - zumindest keinen eindeutigen Niederschlag im Gesetz gefunden. Die subjektiven Vorstellungen der Gesetzesverfasser allein aber vermögen - zumindest im hier gegebenen Zusammenhang den heutigen Gesetzesinterpreten nicht zu binden. Zwar bieten auch Vorstellungen der Gesetzesverfasser, die keinen unmittelbaren Eingang in das Gesetz gefunden haben, einen wichtigen Weg zum Verständnis dessen "objektiven Sinnes". Voraussetzung dafür ist aber, daß die gesellschaftlichen Hintergründe und die daraus entwickelten rechtlichen Denkansätze, die diesen subjektiven Vorstellungen zugrunde liegen, im Wandel der Zeiten nicht überholt sind42 . Je mehr sich der gedankliche Hintergrund der subjektiven Vorstellungen der Gesetzesverfasser verändert hat, desto weniger maßgeblich sind sie für die heutige Rechtsanwendung. Gerade aber die Sicht des Schuldverhältnisses, die für die Frage einer Verpflichtung des Gläubigers seinem Schuldner gegenüber entscheidend ist, hat sich seit Inkrafttreten des BGB grundlegend gewandelt. Die Gesetzesverfasser standen bei der Frage der Mitwirkungspflicht unter dem prägenden Einfluß Kohlers 43 , der die Obligation ausschließlich als Vermögensbestandteil des Gläubigers verstand, über den dieser nach seinem freien Belieben entscheiden könne. Dieser freiheitsbetonten Sicht entspringt die Skepsis gegenüber einer Mitwirkungspflicht an manchen Stellen der Materialien. Dieses zugrunde liegende Verständnis des Schuldverhältnisses hat sich jedoch schon bald nach Inkrafttreten des BGB grundlegend gewandelt. Es entwickelte sich schnell eine klarere Differenzierung zwischen dem Schuldverhältnis im engeren und dem im weiteren Sinne heraus. An die Stelle der formalen Freiheitsethik trat dabei eine stärker sozial orientierte

41 So Motive II, S. 76 (zu § 304); vgl. dort auch S. 69, wo von der Ansicht, die eine allgemeine Annahmepflicht des Gläubigers vertrat, als von einer "bedenklichen Anschauung" gesprochen wird. 42 43

Bydlinski, Methodenlehre, S. 453; vgl. auch Larenz, Methodenlehre, S. 318. Siehe bereits oben, Fußnote 12.

1. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

47

und auf Kooperation angelegte Verantwortungsethik44 • Seinen wohl deutlichsten Ausdruck hat dieser Wandel in der neuen Sicht des Schuldverhältnisses im weiteren Sinne gefunden. Es wurde als "Organismus" begriffen, aus dem vielschichtige gegenseitige Bindungen der Vertragsparteien erwachsen45 • Auf diese Weise hat sich das heutige Verständnis des Schuldverhältnisses als über die vertragsspezifischen Hauptpflichten weit hinausreichende komplexe Struktur von gegenseitigen Nebenleistungs- und Schutzpflichten entwickelf'6, als deren Grundlage allgemein § 242 BGB angesehen wird. Diese im Hinblick auf die Einteilung Gläubiger-Schuldner wesentlich differenziertere Sicht hat mit der harten Polarität von "Herr" und "Knecht" im Sinne Kohlers nichts mehr gemein. Aus dieser Sichtweise erwachsene Vorstellungen der Gesetzesverfasser haben daher heute jegliche Bindungswirkung verloren. Danach ist das Gesetz hinsichtlich der rechtlichen Einordnung der Mitwirkungshandlung des Gläubigers als "offen" anzusehen 47 .

2. Die Mitwirkungspflicht aus Treu und Glauben Allgemein ist anerkannt, daß es zu den Funktionskreisen des § 242 BGB mit seinem Maßstab von Treu und Glauben gehört, den Pflichtenkanon im Schuldverhältnis zu präzisieren und auszuweiten48 . Aus § 242 BGB werden sowohl Nebenleistungspflichten als auch sog. weitere Verhaltenspflichten abgeleitet. Erstere sind den Hauptleistungspflichten, die dem Vertrag das typische Gepräge geben49 (z.B. Überlassungspflicht bei der Miete), in dienender Funktion zu-

44 Wieacker, IndustriegeselJschaft und Privatrechtsordnung, S. 31 ff.; Schmoeckel, NJW 1996, 1697 [1700].

4S SO schon Planck-Siber, Vorbem. 1. 1. a) vor § 241; Esser, Schuldrecht AT, § 311 S. 13 f. Ausführlich dazu Müller-Foell, Mitwirkung, S. 34 ff.; auch HüfJer, Leistungsstörungen, S. 220 f. 46

Wieacker, IndustriegeselJschaft und Privatrechtsordnung, S. 24.

47

So auch Nicklisch, BB 1979,533 [537]; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 67.

48 Enneccerns/Lehmann, Schuldrecht, § 411 2, S. 20; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 59; MüKo-Emmerich, § 242 Rn. 109.

49 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 11; Stürner, JZ 1976,384; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208.

48

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

geordnet. Sie verfolgen das Ziel, den Leistungsaustausch zu sichernso. Gesetzlich ausdrücklich geregelte Fälle fmden sich etwa in den §§ 402, 444, 666 BGB. Während die (Haupt- und Neben-)Leistungspflichten der Realisierung des vertraglichen Leistungs- und Erfüllungsinteresses dienen, beziehen sich die weiteren Verhaltenspflichten, auch unscharf pauschal "Nebenpflichten" genannt, auf die Beachtung der über das unmittelbare Erfiillungsinteresse hinausgehenden Interessen des anderen TeilssI. Deren wichtigste Gruppe sind die sog. Schutzpflichten, die der Vermeidung von Schäden an anderen Rechtsgütern des Vertragspartners dienen.

a) Die Mitwirkung als Gegenstand einer (Neben-)Leistungspjlicht Zu den Vertragspflichten, die ihre normative Wurzel in § 242 BGB haben, gehört die Pflicht, - negativ formuliert - von einer Gefährdung des Vertragszwecks abzusehen s2 oder - positiv gewendet - die versprochene Vertragsdurchfiihrung zu sicherns3 . Da diese Pflicht unmittelbar auf die Vertragsdurchfiihrung und das Leistungsinteresse bezogen ist, kann man in ihr die grundlegendste der Nebenleistungspflichten sehen. Aus ihr können vielgestaltige konkretere Pflichten zur Vorbereitung, Förderung und Sicherung der Leistung entspringenS4 . Aus der Überwindung des strikt polaren Verständnisses der Schuldner- und Gläubigerpositionen folgt, daß prinzipiell auch der Gläubiger einer Leistung mit einer auf diese bezogenen Nebenpflicht belastet sein kannss . Ob ein Verhalten nicht nur

50 Heinrich StolI, AcP 136 (1932), 257 [287 f.]; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 III 4, S. 18 f.; Esser-Schmidt, Schuldrecht III § 5 11, S. 91. 51 Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 11; Gernuber, Schuldverhältnis, § 2 IV 2, S. 22; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208.

52

Etwa BGH, NJW-RR 1995; 1241 [1242]; Soerge1-Teichmann, § 242 Rn. 155.

53

RGZ 101,47 [49]; BGH, WM 1968, 1299 [1301]; RGRK-A(ff, § 242 Rn. 22 ff.

54

Z.B. BGH, NJW-RR 1995, 1241 [1242].

55 Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 257 [289]; Wieacker, Industriegesellschaft und Privatrechtsordnung, S. 24; Errnan-Werner, § 242 Rn. 55; Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 10; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 III 4, S. 18.

1. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungsptlicht des Gläubigers

49

Gegenstand des schlichten Interesses einer Partei 56 , sondern einer gesetzlichen Nebenleistungspflicht ist, bemißt sich nach einer Wertung. Kriterium und Gradmesser dafür, ob aus § 242 BGB gerade eine Pflicht folgt, ist die Funktion des fraglichen Verhaltens für das Erreichen des Vertragszwecks 57 . Je intensiver der Bezug des Verhaltens zum Ziel des Vertrages und seiner Durchführung ist, desto eher erscheint es als letztlich aus dem Vertragsschluß selbst heraus geschuldetSB. Denn ein Vertragspartner verspricht in der vertraglichen Einigung nicht allein die Erfüllung seiner Hauptleistungspflicht. § 242 BGB bestimmt vielmehr von Gesetzes wegen, welchen Inhalt das Versprechen unter Berücksichtigung der Gläubiger- und Schuldnerinteressen gerechterweise haf9 . Danach verpflichtet sich der Vertragschließende zugleich zur Einhaltung des Handlungsprogramms, durch das der Vertragszweck - der Leistungsaustausch - erreicht werden soll60. Eine weitere Voraussetzung speziell für eine Nebenleistungspflicht des Gläubigers bezogen auf die Hauptleistungspflicht des Schuldners ist, daß sich das infrage stehende Verhalten wertend (auch) der Gläubigersphäre zuordnen läßt. Zurecht wird daher eine Pflicht des Verkäufers, dem Käufer die Beschaffung des Kaufpreises zu ermöglichen, allgemein abgelehnt61 • Das Typische an der Mitwirkungshandlung des Gläubigers ist, daß sie unabdingbare 62 , vom Gläubiger zu schaffende Voraussetzung für die Erbringung der

56 Kahler, Archiv f. Bürgerliches Recht 13 (1897), S. 149 [165], betont zurecht: "Nicht jedes Interesse des einen Kontrahenten involvirt auch eine Ptlicht des anderen, diesem Interesse zu willfahren." 57

Vgl. Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 164; Köpcke, Typen der pV, S. 118.

58

Ähnlich Müller-Hengstenberg/Wild, eR 1991, 327 [332).

59

Siehe nur Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 257 [287]; Erman-Werner, § 242 Rn. 43.

60 Heinrich StolI, AcP 136 (1932), S. 257 [264]; Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 399, vor § 293 Rn. 24. Ebenso im Ergebnis bereits v. Kübel, Vorlagen, S. 910: Der Redaktor des Schuldrechts im ersten Entwurf, sieht - trotz seiner Ablehung einer Mitwirkungsptlicht des Gläubigers - die Verzögerung der Vertragsdurchführung durch den Gläubiger als Verstoß gegen "den Inhalt des Schuldverhältnisses" und gegen die "bona fides" an. 61

RG, LZ 1927, 1124; Staudinger-Schmidt, § 242 Rn. 869; MüKo-Rath, § 242 Rn. 177.

Das gilt auch für die Fälle der Wahlschuld, § 262 BGB, des § 315 BGB und des § 375 HGB. Auch hier ist die Mitwirkung Voraussetzung für die Leistungserbringung. Das Gesetz sieht als Sanktion für die Nichterfüllung dieser Voraussetzung lediglich ihre Ersetzbarkeit vor. 62

4 Hanmann

50

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Leistung des Schuldners ist. Damit ist das erforderliche Verhalten qua definitione der Gläubigersphäre zuzuordnen. Ferner steht die Handlung, da ihre Unterlassung eine Blockade des vertraglich intendierten Leistungsaustauschs bewirkt, in engstmöglichem Bezug zur Erreichung des Vertragszwecks. Daher ist aus der immer gegebenen Pflicht zur Vertragsdurchfiihrung stets und unmittelbar eine NebenleistungspflichF3 zur Vornahme einer unverzichtbaren Mitwirkungshandlung abzuleiten64 • Eine solche allgemeine Pflicht zur Mitwirkung aus § 242 BGB steht freilich im Widerspruch zur Annahme der herrschenden Literaturrneinung, die Obliegenheit der Mitwirkung werde nur im Einzelfall65 oder gar nur im Ausnahmefa1l 66 durch § 242 BGB zu einer echten Verpflichtung aufgewertet. Da aber jede Unterlassung einer Mitwirkung in äquivalenter Weise die Erreichung des Vertragszwecks blockiert - es fehlt stets an einer conditio sine qua non der Leistungserbringung -, ist diese Einschränkung nicht recht verständlich. Ein Erklärungsansatz für die Differenzierung der h.M. liegt einerseits in ihrer unzutreffenden Prämisse, "das Gesetz" gehe "für den Regelfall" von der bloßen Mitwirkungsobliegenheit aus. Andererseits mag die Differenzierung der h.M. Folge einer verbreitet anzutreffenden methodischen Unsauberkeit sein: Die Problematik der unterlassenen Mitwirkung wird nämlich regelmäßig von der angenommenen Folge (PFV) und nicht von der Tatbestandsseite (insbesondere Pflichtentatbestand) her betrachtet. So wird nicht zunächst unabhängig von der Rechtsfolgenfrage herausgearbeitet, wann eine Pflicht anzunehmen sei67 • Vielmehr wird als Ausgangspunkt die Fragestellung gewählt, wann die Unterlassung eine pFV darstellt. Da man mit dieser aber seit der späten Rechtsprechung des RG die Rechtsfolgen des Scha-

63 Die Einordnung der Mitwirkungspflicht als Nebenleistungspflicht nehmen etwa Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 256 [288]; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 II 4, S. 18 (für den unstreitigen Fall des § 433 Abs. 2 BGB), und Köpcke, Typen der pV, S. 118 f., vor. 64 So Köpcke, Typen der pV, S. 70; RGRK-Glanzmann, § 631 Rn .. 46. Kritisch: MüllerFoeIl, Mitwirkung, S. 68. 65 Planck-Siber, Vorbeb. zu § 293 Anm. 2. b); Lehmann, JZ 1954,240; Schlechtriern, Schuldrecht AT, Rn. 353; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 32. 66

Kreuzer/Stehle, JA 1984, 69 [76].

67

Kritisch auch HüjJer, Leistungsstörungen, S. 222.

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

51

densersatzes wegen Nichterfüllung und des Rücktritts 68 verbindet69 , wird offenbar versucht, das Prädikat "pFV" jenen Fällen vorzubehalten, die man als besonders gravierend empfindet und daher der genannten weitgehenden Rechtsfolgen für "würdig" erachtet. Entsprechend behält die h.M. die Diagnose "pFV" den besonders gravierenden Verstößen vor: den Fällen grundloser Erfüllungsverweigerung und der Vertragszweckvereitelung. Einer restriktiven Linie bei der Annahme einer Mitwirkungspflicht bedarf es zur sachgerechten Eingrenzung der Rechtsfolgen jedoch nicht. Denn die pFV bietet ein differenziertes Sanktionensystem auf der Rechtsfolgenseite 70 • Dieses ermöglicht eine abgestufte Reaktion, je nachdem, ob eine schlichte Verzögerung der Mitwirkung (dann § 286 BGB analog) oder darüber hinaus eine gravierende Erschütterung der Vertragsgrundlage (dann § 326 Abs. 1 BGB analog) vorliegei. Die Vertreter der h.M. halten ihre differenzierende Linie im übrigen selbst nicht konsequent durch. Liegt die Mitwirkungshandlung in dem Bemühen um eine behördliche Genehmigung als Voraussetzung für die Leistungserbringung, nehmen sie ohne Unterscheidung eine Pflicht zur Mitwirkung aus § 242 BGB anno Eine differenzierende Behandlung der Mitwirkung danach, ob sie der Beseitigung eines rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisses liegt, ist jedoch nicht gerechtfertigt. Eine Differenzierung bei der Annahme einer aus § 242 BGB folgenden Mitwirkungspflicht ist auch nicht im Hinblick auf die verschiedenen Vertragstypen gerechtfertigt oder gar verlange3 . Die Wurzel der Mitwirkungspflicht liegt im Akt des Vertragsschlusses, in dem Versprechen der Vertragsdurchführung selbst begründet. Auf den Inhalt der eingegangenen Hauptpflichten kann es demnach

68

Seit RGZ 152,115.

69 Praktisch wird in der Regel das Vorliegen einer pFV auf diese Fälle beschränkt: BGHZ 11, 80 [84]; BGH, VersR 1960, 693 [694]; Lehmann, JZ 1954, 240; PalandtThomas, § 642 Rn. I; Kreuzer/Stehle, JA 1984,69 [76]; Wertheimer, JuS 1993, 646 [650]; kritisch Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 399, vor § 293 Rn. 21. 70

Siehe nur Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 492 ff.

71 Diese zutreffende Differenzierung nehmen Erman-Seiler, § 642 Rn. 10, und SoergelWiedemann, vor § 293 Rn. 24-27, vor. Das verkennt Staudinger-Läwisch, vor § 293 Rn. 10. 12 RG, HRR 1936, \021; BGH, BB 1956, 869; Staudinger-Schmidt, § 242 Rn. 868; Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 33; MüKo-Roth, § 242 Rn. 176. 73

4*

So allerdings Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 399 und vor § 293 Rn. 21.

52

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

nicht ankommen. Unerheblich ist ebenfalls, daß das Gesetz den Bestand des Vertrags und damit des Versprechens der Vertragsdurchführung unterschiedlich schützt. Zwar haben z.B. der Besteller im Werkvertragsrecht (§ 649 BGB) und der Dienstberechtigte (§§ 620 Abs. 2, 621 Abs. 1 BGB) die Möglichkeit, sich ohne weiteres vom Vertrag durch Kündigung zu lösen. Diese Regelungen betreffen jedoch nur die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die Vertragspartner von dem Versprechen der Vertragsdurchführung und damit der Basis für die Mitwirkungspflicht lösen können74 • Solange sie gebunden sind, unterliegen sie dagegen der Ausweitung des Obligationenprogrammes, die § 242 BGB bewirke 5 . Es bleibt mithin dabei, daß der Gläubiger gern. § 242 BGB verpflichtet ist, diejenigen Handlungen vorzunehmen, ohne die der Schuldner seine Leistung nicht erbringen kann. Diese Einordnung braucht nicht unter den Vorbehalt der Zumutbarkeit gestellt zu werden. Erscheint die Mitwirkung unzumutbar, so ist in Wahrheit, da die Pflicht aus dem Vertragsschluß folgt, regelmäßig das Festhalten am Vertrag als ganzem unzumutbar. In diesem Fall kann der Gläubiger die dafür zur Verfügung gestellten Rechtsbehelfe geltend machen.

b) Die Mitwirkung als Gegenstand einer Schutzpflicht Bislang ist die aus § 242 BGB folgende Mitwirkungspflicht auf die zentrale Bedeutung der Mitwirkung für die plangemäße Durchführung des Vertrags, des beiderseitigen Leistungsinteresses, gestützt worden. Entstehungstatbestand ist dabei der Vertrags schluß als Vertragsdurchführungsversprechen selbst. Damit ist die wesentlichste Funktion der Mitwirkung erfaßt. Sie erschöpft sich jedoch nicht darin. Die zeit- und situationsgerechte Mitwirkung des Gläubigers entscheidet nicht nur über den Leistungsaustausch, sondern zugleich oftmals über Koordinierung und Ablauf der beruflichen und unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners im übrigen: Ein Unterlassen kann, vor allem, aber nicht nur bei Groß aufträgen mit ausgeprägtem Kooperationscharakter, zur Behinderung auch der anderweiti-

74 Das verkennt auch Kahler, Archiv f. Bürgerliches Recht 13 (1897), S. 149 [253], wenn er gegen die Annahme einer Mitwirkungspflicht des Bestellers anführt, dieser könne sich jederzeit vom Vertrage lösen. 75 Das verkennt auch BGH, NJW 1972, 99 [100]; im Ergebnis wie hier: Nicklisch, BB 1979, 533 [540 f.]; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 68.

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

53

gen Tätigkeit des Schuldners ftihren. So kann etwa ein "blockierter" Bauunternehmer daran gehindert sein, eine spezielle Maschine zur Erledigung eines anderen Auftrags zu verwenden, weswegen er aus diesem Verhältnis auf Schadensersatz oder Zahlung einer Vertragsstrafe in Anspruch genommen wird. In solchen Fällen sieht Wiedemann 76 daher zutreffend in der Unterlassung einer Mitwirkung einen "eigenständigen Verletzungs tatbestand [... ], der durch den Stillstand der Vertragsdurchführung und die damit verbundene Brachlegung der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit des Schuldners charakterisiert wird". Diese Auswirkungen des Stillstands lassen sich nicht mit dem Leistungsund Erfüllungsinteresse erfassen. Sie sind vielmehr anderweitige Einbußen des Schuldners durch eine Fehlentwicklung bei der Vertragsdurchfiihrung. Sie betreffen damit das Erhaltungsinteresse. Wo dessen Beeinträchtigung droht, ist es Schutzpflicht des Vertragspartners, die drohenden Gefahren zu beseitigen, sofern sie aus seiner Sphäre stammen77 . Rechtfertigung dafür ist, daß einerseits die unternehmerische Disposition des Schuldners auf Grundlage des vertraglichen Programms erfolgt und damit schutzwürdig ist und andererseits die Gefährdung (oft nur) für den Gläubiger vermeidbar ises . Grundlage dieser Pflicht ist der aufgrund des Vertragsschlusses gesteigerte soziale Kontakt der Vertragspartner und die damit zugleich erhöhte Einwirkungsmöglichkeit auf die Rechtsgüter des jeweils anderen 79 • Die Konkretisierung zur Mitwirkungspflicht als S~hutzpflicht erfolgt dann jedoch situationsgebundenso: Nur wenn im Einzelfall die Unterlassung der Mitwirkung die berufliche oder unternehmerische Tätigkeit des Schuldners im übrigen und damit das Erhaltungsinteresse beeinträchtigt, ist die Mitwirkung auch unter dem Aspekt der Schutzpflicht geschuldet. Das ist keineswegs immer oder regelmäßig der Fall. Zumeist

76

in: Soergel, vor § 275 Rn. 399.

77 Siehe nur Heinrich StolI, AcP 136 (1932), S. 257 [288 f.]; Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 178; Köpcke, Typen der pV, S. 79. Darauf, daß Schutzobjekt dieser Verpflichtung die Rechtsgüter des Vertragpartners unter Einschluß des Vermögens im allgemeinen ist, hat Canaris, JZ 1965,475 [477], hingewiesen.

78 Zu den Kriterien der Schutzwürdigkeit und Venneidbarkeit siehe Soergel-Teichmann, § 242 Rn. 183 ff. 79 Grundlegend Heinrich StolI, AcP 136 (1932), S. 257 [287 ff., 298 ff.]; ferner etwa Canaris,JZ 1965,475 [476]. 80 Auf die Entstehung von konkreten Schutzpflichten aus der Situation heraus weisen Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. 12, und Stürner, JZ 1976,384 [386], hin.

54

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

wird sich die Blockade und das Brachliegen der Tätigkeit des Schuldners auf seine Vertragsbeziehung mit dem Gläubiger beschränken. Hält etwa der zu Porträitierende den Fototermin nicht ein, so wird sich die Beeinträchtigung des Fotographen hierdurch wohl auf den betreffenden Vertrag und damit auf das Leistungsinteresse beschränken.

c) Zwischenergebnis Der Gläubiger ist aus § 242 BGB zur Mitwirkung bei der Leistungserbringung des Schuldners verpflichtet. Aufgrund des stets gegebenen primären Geltungsgrundes dieser Pflicht, des Vertragsdurchfiihrungsversprechens, ist diese immer (Neben-)Leistungspflicht. Wenn durch die Unterlassung der Mitwirkung im Einzelfall zusätzlich das Erhaltungsinteresse des Schuldners in Gestalt des koordinierten Ablaufs seiner beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit im übrigen betroffen ist, stellt sich die Mitwirkungspflicht zugleich 81 als Schutzpflicht82 dar.

3. Selbständige Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht Der Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung entspricht stets ein Anspruch des Schuldners 83 • Damit ist indes noch nicht notwendig eine Aussage darüber getroffen, ob der Anspruch notfalls auch gegen den Willen des Gläubigers selbständig durchgesetzrs 4 werden kann.

81 Es ist anerkannt, daß ein Verhalten zugleich Leistungs- und Schutzinteresse verletzen und daher sowohl unter dem Gesichtspunkt der Leistungs- wie dem der Schutzpflicht geschuldet sein kann: Canaris, JZ 1965,475 [477]; MüKo-Rolh, § 242 Rn. 184; Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 322; vgl. auch BGH, zrp 1992, 1464.

82 Kreß, Besonderes Schuldrecht, S. 195, und Klees, La demeure, S. 209 [218], sehen die Mitwirkungspflicht stets als Schutzpflicht. 83 "Pflicht" und "Anspruch" sind korrespondierende Begriffe, dazu etwa Reichei, JheringsJb 59 (1911), S. 409; SIech, ZZP 77 (1964), S. 161 [163]; E. Wolf, Schuldrecht AT, § 1 C II b), S. 19; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 3 r 1, S. 30. 84 Teilweise wird demgegenüber die Frage dahin formuliert, ob der Pflicht überhaupt ein Anspruch des Berechtigten korrespondiert. So Slürner, JZ 1976,384 f. Das verkennt die Komplementarität beider Begriffe, siehe soeben Fußn. 83.

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

55

a) Die Durchsetzbarkeit als akzidentieller Rechtsbehelf Wie Rimmelspacher 8s dargelegt hat, ist der als Einheit formulierte materiellrechtliche "Anspruch" i.S.d. § 194 BGB gedanklich in "Rechtsposition" und zu deren Schutz und Durchsetzung erforderliche "Rechtsbehelfe" zu zerlegen. Die Rechtsposition 86 wird dabei als zunächst verpflichtungslose Wertanwartschaft gesehen 87 • Sie ist Bezugspunkt der Erftillung, eigentlicher Gegenstand'der Übertragung und causa ftir das Behaltendürfen einer erbrachten Leistung 88 . Zum Schutz und zur Realisierung der Rechtsposition werden verschiedene aktive Rechtsbehelfe 89 bereitgestellt: Der grundlegendste Rechtsbehelf ist die dem Schuldner gegenüber bestehende Befugnis, die Leistung verlangen zu dürfen ("Einziehungsbefugnis"- mit einer Verhaltenspflicht als entsprechender Kehrseite). Sie beruht auf dem staatlichen Leistungsbefehl an den Schuldner. Gesonderte Rechtsbehelfe sind in der Rechtsmacht zu erblicken, die Erfüllung des Anspruchs einseitig außergerichtlich - mittels Aufrechnung - zu erzwingen oder ihn im staatlichen Rechtsschutzverfahren zwangsweise durchzusetzen ("Klage-" und "Vollstreckungsbefugnis"to. Begrifflich ist für die Existenz eines Anspruchs bzw. einer Pflicht lediglich die bindende und verpflichtende Dimension der Rechtsbehelfe unverzichtbar: das

85

Anspruch, S. 107 ff., 168 ff. Ihm folgend Roth, Einrede, S. 44 ff.

86 Sachlich gleichbedeutend sprechen E. Wolf, Schuldrecht AT, § I C II b), S. 26 ff., und Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 III I, S. 77, von "Erwerbsgrund". 87

Rimmelspacher, Anspruch, S. 56, 103.

88

Rimmelspacher, Anspruch, S. 56 ff.; 103; Roth, Einrede, S. 45 f.

89 Staudinger-Schmidt, Einleitung zu §§ 241 ff. Rn. 118, spricht von "EinzeIbefugnissen" , die in ihrer Gesamtheit das Schuldverhältnis i.e.S. charakterisieren.

90 Reichel, JheringsJb 59 (1911), S. 409 [410 f., 423 f.]; Rimmelspacher, Anspruch, S. 113 ff. Roth, Einrede, S. 45 f. Richtigerweise wird man nicht nur der Einziehungsbefugnis sowie der Macht, die Rechtsposition außergerichtlich zu realisieren, materiellrechtlichen Charakter zubilligen können. Klage- und Vollstreckungsbefugnis sind zwar auf Durchsetzung der Rechtsposition durch den Staat als Garanten gerichtet. Gleichwohl haften diese Befugnisse dem Anspruch als materiellrechtliche Eigenschaft an. So auch Reichel, JheringsJb 59 (1911), S. 409 [417 f.], und Hübner, BGB AT, Rn. 427. Konsequenterweise muß daher die gerichtliche Geitendmachung eines nicht klagbaren Anspruchs zur Abweisung der Klage als unbegründet fUhren. E. Wolf, Schuldrecht AT, § I C II b), S. 20; Rimmelspacher, Anspruch, S. 113, dagegen gehen von einem subjektiv-prozessualen Recht aus.

56

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

v erlangen-Dürfen, die "Einziehungsbefugnis "91. Davon geht auch die Legaldefinition des § 194 Abs. 1 BGB aus ("Recht, ". ein Tun oder Unterlassen zu verlangen ,,"). Weder die Möglichkeit der außergerichtlichen oder klageweisen Durchsetzung noch die Vollstreckungsbefugnis sind dagegen begriffsnotwendige Elemente des Anspruchs 92 • Diese Rechtsbehelfe stehen gleichsam außerhalb des Anspruchs 93 und sichern lediglich seine tatsächliche Durchsetzung. Das bloße rechtliche Sollen ist dabei durchaus ohne Sanktion rur den Fall der Mißachtung denkbar, es ist dann lediglich in seiner Verwirklichung gefahrdee4 • Es begründet dann eine rechtlich fundierte, jedoch von der Rechtstreue des Schuldners abhängige Exspektanz. Wegen der damit verbundenen Schwäche der Gläubigerposition ist daher im Wesen des Rechts das Streben nach Erzingbarkeit angelegt - wiewohl rur das Recht nicht konstitutiv 95 • In einem Staatswesen, das sich rur das Institut des Errullungsanspruchs96 und rur den Rechtsschutz entschieden hat, ist deshalb rur den Nonnalfall des Anspruchs davon auszugehen, daß der Gesetzgeber der Rechtsposition das komplette Rechtsbehelfsprogramm einschließlich der "Klage- und Vollstreckungsbefugnis" zur Seite gestellt hat97 • Gleichwohl

91 Klingmüller, Natürliche Verbindlichkeiten, S. 267 f.; Enneccerus/Nipperdey, AT I, § 32 II, S. 204; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 53; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 I 5, S. 68 f.

92 Klingmüller, Natürliche Verbindlichkeiten, S. 267 f.; Isay, JheringsJb 48 (1904), S. 187 [191 f.]; Reuss, AcP 154 (1955), S. 485 [514 f.]; Wieser, JR 1967,321 [323 f.]; E Wolf, Schuldrecht AT, § 1 C b), S. 15,20,27; Larenz, Schuldrecht AT, § 2 III, S. 20. A.A. Enneccerus/Nipperdey, AT 11, § 222 11 5, S. 1367; differenzierend Reichei, JheringsJb 59 ( 1911), S. 409 [410 f., 423 f.], und Stech, ZZP 77 (1964), S. 161 [163], die die außergerichtliche Durchsetzbarkeit als Wesensmerkmal des Anspruchs verstehen. 93

Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 I 5, S. 69. Siehe auch v. Gierke, Recht und Sittlich-

keit, S. 12. 94

So zutreffend Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 1 5, S. 67 f.

95

v. Gierke, Recht und Sittlichkeit, S. 12 f.

Dessen Gewährung ist keineswegs selbstverständlich. Das klassissche römische Recht kannte den Erftillungszwang nur ftir Geldleistungen, das germanische Recht kannte ihn gar nicht. Noch heute ist der Erftillungsanspruch im englischen Recht nicht der Regelfal\. Es kannte ursprünglich nur die Klage auf Schadensersatz, vg\. Larenz, Schuldrecht I, § 2 III, S. 20; Stürner, JZ 1976,384 [389]. 96

97 Rimmelspacher, Anspruch, S. 107, 173; Staudinger-Schmidt, Ein\. zu §§ 241 ff. Rn. 319; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, § 92 III 2, S. 514; Gernhuber,

Schuldverhältnis, § 2 IV 3, S. 25. Das gilt auch ftir §§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 2 BGB.

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

57

können im Einzelfall Rechtsbehelfe eingeschränkt oder ganz vorenthalten sein. In den Fällen der §§ 656, 762, 764 BGB etwa ist letzteres der Fall98 . Hier hat der Gesetzgeber ausdrücklich den jeweiligen Rechtspositionen jede Bewehrung mit Rechtsbehelfen - auch das elementare Verlangen-Dürfen, die Einziehungsbefugnis - versagt. Was bleibt, ist die schlichte Rechtsposition, die insbesondere als Rechtsgrund des Behaltendürfens fungiert. Eine Stufe weiter geht der Gesetzgeber etwa bei § 1297 BGB und bei § 75 f HGB, wo er durch den staatlichen Leistungsbefehl eine Verbindlichkeit schafft, dieser jedoch die zwangsweise Durchsetzung versage 9 . Zur Kategorie der nicht durchsetzbaren Verbindlichkeiten gehören nach ganz h.M. auch diejenigen, die durch die Berufung auf eine Einrede - etwa die der Verjährung (§ 222 Abs. 1 BGB) - "gehemmt" sind lOo •

b) Die ausdrücklich geregelten Fälle der gesetzlichen Mitwirkungspflicht V om Gesetzgeber ausdrücklich normierte Pflichten sind stets als selbständig durchsetzbar anzusehen, sofern nicht Anderes aus dem gesetzlichen Kontext ersichtlich ist. Daß alle im BGB speziell geregelten Mitwirkungspflichten des Gläubigers (§§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 1) im Klagewege durchsetzbare Pflichten

98 In all diesen Fällen fehlt nach h.M. bereits die Einziehungsbefugnis, R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 43; EnnecceruslLehmann, Schuldrecht, § 14 II, S. 16; Stech, ZZP 77 (1964), 161 [177 ff.]; Esser, Schuldrecht AT, § 7 I, S. 46; Larenz, Schuldrecht AT, § 2 III, S. 20. Staudinger-Schmidt, Ein\. zu §§ 241 ff., Rn. 151 f.; Klingmüller, Natürliche Verbindlichkeiten, S. 224 f.; Schlechtriem, Schuldrecht AT Rn. 11, wollen dagegen lediglich die Klagebefugnis absprechen. Dem widerspricht die klare Gesetzesfassung, nach der eine Verbindlichkeit nicht begründet wird. 99 Zu § 1297 BGB RG, JW 1917, 848; v. Thur, AT I, § 15 V, S. 258; EnnecceruslLehmann, Schuldrecht, § 14 II, S. 16; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 54; Köksal, Verlöbnis, S. 94. A.A. (schon keine Verbindlichkeit): Reichel, JheringsJb 59 (1911), S. 409 [425 f.]; Stech, ZZP 77 (1964), S. 161 [178 f.]. Zu § 75 fHGB Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 III 3, S. 78. 100 v. Thur, AT I, § 17 III 3, S. 294; Larenz, AT, § 14 I, S. 248,250; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 4 IV I, S. 82; speziell für die Verjährung: R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 41; Larenz, Schuldrecht AT, § 2 III, S. 20; Stech, ZZP 77 (1964), S. 161 [219]. A.A. - es fehlt schon die Einziehungsbefugnis - Rimmelspacher, Anspruch, S. 54.

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3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

darstellen, stand daher bereits bei Inkrafttreten des BGB mit Recht außer Zweifel 1ol . An sich müßte dasselbe auch für die SpezifIkationspflicht des § 375 HGB gelten. Bedenken an der selbständigen Durchsetzbarkeit der SpezifIkationspflicht des Käufers weckt jedoch die Spezialregelung des § 375 Abs. 2 S. 1 HGB. Danach ist der Verkäufer, wenn der Käufer mit der Bestimmung im Verzug ist, befugt, die Bestimmung statt seiner vorzunehmen. Teilweise spricht man wegen der Existenz dieses "Ersatzvomahmebefugnis" ein Bedürfnis für eine gesonderte Klagbarkeit ab und hält daher die Durchsetzbarkeit für ausgeschlossen10 2 . Weshalb angesichts einer solchen Regelung der Verkäufer den Käufer erfolgreich auf SpezifIkation sollte verklagen können, ist in der Tat nicht ersichtlich. Die Lösung ist jedoch über das Prozeßrecht zu suchen: Einer Klage auf SpezifIkation fehlt regelmäßig das Rechtsschutzbedürfnis lO3 •

c) Die Fälle der ungeschriebenen gesetzlichen Mitwirkungspflicht aus § 242 BGB

Soweit in Literatur und Rechtsprechung eine ungeschriebene allgemeine Pflicht zur Mitwirkung angenommen wird, bleibt die Frage der selbständigen Durchsetzbarkeit der Pflicht ungestellt. Alles deutet darauf hin, daß man offenbar ganz überwiegend von deren Klagbarkeit ausgeht lO4 . Andere, die die Lehre von der all-

101 Etwa Laband, AcP 74 (1889), S. 299 [306]; Fleck, Archiv f. Bürgerliches Recht 12 (1897), S. 252 [254]. Eindeutig auch die Motive 11, S. 318. BGH, NJW 1996, 1749, stellt klar, daß auch eine "isolierte" Klage auf Abnahme zulässig ist.

102 OLG Dresden, OLGE 4,224 [225]; OLG Jena, LZ 1914, Sp. 964 f., Nr. 4; Rosenberg, JheringsJb 43 (1901), S. 141 [270 f.]; R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 152 f.; Stech, ZZP 77 (1964), S. 161 [207 f.]. Vor der Einfügung des Wechsels des Spezifikationsrechts in das Gesetz sprach sich die h.M. für die klageweise Durchsetzbarkeit der Spezifikationspflicht aus, etwa Dertmann, AcP 85 (1896), S. 202 [224 ff.]. 103 So die ganz h.M., Canaris, Handelsrecht, § 29 VI 3 a, S. 422; Staub-Koller, § 375 Rn. 14; Schlegelberger-Her[ermehl, § 375 Rn. 12. 104 BGH, NJW 1972,99 [100]; RGRK-Glanzmann, §631 Rn. 46; Schlechtriem, Schuldrecht AT, Rn. 353; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 114; Müller-Hengsten berg/Wild, eR 1991, 327 [332].

1. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

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gemeinen Mitwirkungspflicht vertreten, ordnen diese Pflicht demgegenüber ausdrücklich, aber ebenso ohne Begründung als nicht klagbar ein 105 . Bei den vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich normierten, sondern aus § 242 BGB abzuleitenden Pflichten!Ansprüchen kommt der Grundsatz, daß Rechtspositionen prinzipiell auch mit dem Rechtsbehelf der Klagebefugnis ausgestattet sind, nur eingeschränkt zum Tragen. Die Mitwirkungspflicht aus § 242 BGB basiert, soweit es um die stets gegebene Nebenleistungspflicht geht, auf dem Vertragsschluß. Als Schutzpflicht beruht sie auf dem gesteigerten sozialen Kontakt. Die Herleitung dieser Pflichten ist das Ergebnis einer Wertung. Begriffsnotwendig ist mit der Schöpfung einer Mitwirkungspflicht zunächst nur die Zuerkennung der Einziehungsbefugnis verbunden, also das Recht des Gläubigers, die Mitwirkung des Schuldners verlangen zu dürfen. Im übrigen ist die Ausgestaltung der Rechtsbehelfe der geschöpften Rechtsposition nicht im Sinne der vollständigen "Regelausstattung" determiniert, sondern - wie die Ableitung der Verpflichtung selbst - das Ergebnis einer Wertung, einer Interessenabwägung lO6 • Diese hat freilich einerseits auf der Basis der Grundentscheidung unserer Rechtsordnung für die Durchsetzbarkeit gewährter Rechtspositionen zu erfolgen. Andererseits ist zu bedenken, daß im Rahmen des § 242 BGB den zu schützenden Interessen nur insofern Rechnung zu tragen ist und die entgegenstehenden nur so weit beeinträchtigt werden dürfen, wie dies nach Treu und Glauben erforderlich und verhältnismäßig ist lO7 • Den Gegenpol im Rahmen der Abwägung bildet damit das Freiheitsinteresse des Gläubigers. Kohler hatte diesen Aspekt noch verabsolutiert und damit notwendig überbetont. Hier fmdet er dagegen seine adäquate Funktion: als Rechtfertigung für die Ausrichtung des Rechtsbehelfskanons der Mitwirkungspflicht nach Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten . Die Klage- und Vollstreckungsbefugnis sind danach zuzuerkennen, sofern nicht ein Interesse des Schuldners an der Durchsetzung fehlt oder aber diesem bereits

105 Kreß, Besonderes Schuldrecht, S. 195; Köpcke, Typen der pV, S. 72; SoergelWiedemann, vor § 275 Rn. 400, nicht eindeutig dagegen vor § 293 Rn. 28, wo er in Anlehung an die Beschäftigungspflicht im Arbeitsrecht eine Rechtsfortbildung auch im Werk- und Dienstvertragsrecht erwägt.

106 Eingehend Stürner, 1Z 1976, 384 [386 ff.]; ebenso Köhler, AcP 190 (1990), S. 496 [506]; MüKo-Roth, § 242 Rn. 48; vgl. auch Palandt-Heinrichs, § 242 Rn. 25; MüKoKramer, § 241 Rn. 216. 107

Dazu MüKo-Roth, § 242 Rn. 48, 544; Stürner, JZ 1976,384 [386 f.].

60

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

anderweitig hinreichend Rechnung getragen ist lO8 • Von Fall zu Fall stellt sich die Interessenlage unterschiedlich dar. Zu unterscheiden ist zunächst danach, ob die Mitwirkungspflicht nur den Charakter einer der Sicherung des Leistungsaustauschs dienenden Leistungspflicht hat oder im Einzelfall auch Schutzpflicht ist.

aa) Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht als Nebenleistungspflicht Zu betrachten ist zunächst die Mitwirkungspflicht in ihrer essentiellen Funktion, den programmgemäßen Vertragsvollzug sicherzustellen. Die eigenständige Durchsetzbarkeit der (Neben-)Leistungspflicht böte dem Schuldner die Möglichkeit, die Vertrags durchführung zu erzwingen. Sein Interesse hieran gliedert sich in dasjenige, die Gegenleistung zu erhalten (Gegenleistungsinteresse) sowie das Interesse, die eigene Leistung zu erbringen (Leistungsinteresse). Dem Gegenleistungsinteresse ist - wie oben dargelegt lO9 - durch die einschränkungslose Anwendbarkeit der §§ 322, 274 Abs. 2 BGB Rechnung getragen. Das Vertragsdurchführungsinteresse erschöpft sich jedoch in der Mehrzahl der Verträge mit Mitwirkungsproblematik in eben diesem Gegenleistungsinteresse 110. Hierher gehört etwa der Fall des Vermieters von Registrierkassen, die von ihm nach den Angaben des Gläubigers zu programmieren sind 111. Ihm ist gleichgültig, ob er diese tatsächlich zur Verfügung stellen muß, solange er nur im Ergebnis den Mietzinsanspruch durchsetzen kann. In diesen Fällen ist bereits ein schützenswertes Bedürfnis für die Erzwingbarkeit der Mitwirkungshandlung nicht erkennbar. Eine Klagbarkeit ist als nicht gerechtfertigte Belastung des Gläubigers mithin nicht zuzugestehen. Es gibt jedoch durchaus spezielle Gestaltungen, in denen der Schuldner Interesse an der Erbringung der eigenen Leistung hat. So kann, da die Berufstätigkeit einen beträchtlichen Teil seiner Selbstverwirklichungsmöglichkeiten ausmacht, der Arbeitnehmer ein Interesse an der tatsächlichen Beschäftigung haben. Der Werkunternehmer etwa ist zuweilen in hohem Maße an der

108 Stürner, JZ 1976,384 [386 f., 389 f.]. Dieses methodische Vorgehen ist von den sog. unselbständigen Nebenpflichten (insbesondere Schutzpflichten) bekannt, deren Klagbarkeit umstritten ist, jedoch zunehmend mit Differenzierungen bejaht wird. Vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208; Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 IV 3, S. 25. 109

S. 26-34.

110

Zutr. 8GH, NJW 1972,99 [100].

111

So die Konstellation in BGH, LM Nr. 46 zu § 3058GB.

1. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

61

Realisierung seines Werks interessiert, sei es aus ideell-künstlerischen Gründen, sei es um Z.B. auf dem Markt Anreiz für Folgeaufträge zu schaffen Jl2 . In solchen Fällen ist weiter durch Wertung zu entscheiden, ob die Absicherung des Leistungsinteresses über die erzwingbare Ausgestaltung der Mitwirkungspflicht erforderlich und angemessen ist. Das ist einmal von vornherein zu verneinen, wenn die Leistung über den Umweg eines Erfüllungssurrogats möglich ist ll3 . In Betracht kommen insoweit die Hinterlegung gern. §§ 372 ff. BGB sowie - bei hinterlegungsunfahigen Sachen und damit den meisten Fällen - der Selbshilfeverkaufnach §§ 383 ff. BGB. Doch ist dieser Weg keineswegs in allen Fällen der unterlassenen Mitwirkung eröffnet l14 • Er kommt nur für Sachleistungen in Betracht, zudem nur, wenn der Gläubiger bloß die Annahme im eigentlichen Sinne versäumt. In den Fällen, in denen er bereits eine Bestimmungs- oder Vorbereitungshandlung unterläßt, kann der Leistungsgegenstand überhaupt nicht hergestellt werden und somit auch keine "Hinterlegungs- oder Verkaufsreife" erlangen. Scheiden Hinterlegung und Selbsthilfeverkauf aus, sind für die Erforderlichkeit und Angemessenheit einer selbständig durchsetzbaren Mitwirkungspflicht zwei Kriterien maßgeblich: ob anderweitige Sanktionen im Falle der unterlassenen Mitwirkung einen hinreichenden mittelbaren Erfüllungsdruck entfalten 115 und ob im übrigen die Möglichkeit einer vertraglichen Absicherung seines Interesses als ausreichend anzusehen ist. Im einzelnen: Für den Bereich des Arbeitsrechts ist die Beantwortung der Frage einfach. Mangels Vermögensschadens, kommt ein Schadensersatzanspruch gegen den Arbeitgeber nicht in Betracht. Die Aufrechterhaltung des Lohnanspruchs (§ 615 BGB) übt in den zum Streit führenden Fällen auf den Arbeitgeber keinen hinreichenden Erfüllungszwang aus. Eine reale Möglichkeit zur vertraglichen Verankerung eines durchsetzbaren und gegebenfalls mit Vertragsstrafe zu sichernden

112 Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [278]; Nicklisch, BB 1979,533 [540]. MüllerHengstenberg/Wild, eR 1991, 327 [332] für Software-Herstellungsverträge. 113 Zutreffend weist schon Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [282 ff.], darauf hin, daß dem Leistungsinteresse des Schuldners gegebenfalls durch die Erfüllungssurrogate entsprochen werden kann. 114

Das freilich verkennt Kahler, JheringsJb 17 (1879), S. 261 [282 ff.].

115

Vgl. Stürner, JZ 1976,384 [386 f., 389].

62

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Beschäftigungsanspruches besteht infolge gestörter Vertragsparität für den Arbeitnehmer nicht. Daher gewährt die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zurecht einen selbständig durchsetzbaren allgemeinen Beschäftigungsanspruch, der freilich unter dem Vorbehalt der Zumutbarkeit für den Arbeitgeber steht l16 • Im Werkvertragsrecht ist bei den Fällen, in denen ein Leistungsinteresse des Schuldners anzuerkennen ist, ein wirtschaftlich meßbarer Schaden durch die Unterlassung der Mitwirkung entweder - in den Fällen des ideellen Interesses ausgeschlossen oder aber - im Fall z.B. einer erwünschten Werbewirkung praktisch oft schwer nachweisbar. Daher wird von der Gefahr eines bestenfalls dem Grunde nach gegebenen Schadensersatzanspruchs kein nennenswerter Erfüllungsanreiz ausgehen. Zu beachten aber ist andererseits, daß der Werkunternehmer mit der unbedingten Durchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs ein überaus starkes, faktisch wirkendes Druckmittel in der Hand hat, den Gläubiger zur Mitwirkung anzuhalten 1l7 . Dadurch wird das Bedürfnis für eine unmittelbare Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht erheblich gemindert. Freilich steht das Druckmittel unter dem Vorbehalt, daß sich der Besteller nicht durch Kündigung gern. § 649 BGB der vollen Vergütungspflicht entzieht. Darin äußert sich indes die Entscheidung des Gesetzgebers, den Schutz des Leistungsinteresses des Werkunternehmers allgemein zur Disposition des Bestellers zu stellen. Auch von einer durchsetzbar gestalteten Pflicht könnte sich der Besteller durch Kündigung jederzeit befreien. Diese Wertung des Gesetzes ist bei der Interessenabwägung zu respektieren. Soweit das Interesse des Werkunternehmers an der Erbringung der eigenen Leistung hiernach lückenhaft geschützt sein sollte, ist er auf die Möglichkeit zu verweisen, sich durch die Abbedingen der von § 649 BGB eröffneten freien Kündbarkeit und die ausdrückliche Vereinbarung einer durchsetzbar ausgestalteten Mitwirkungspflicht zu sichern ll8 . Anders als beim Arbeitnehmer mit seiner strukturell unterlegenen Verhandlungsposition, besteht diese Möglichkeit, wie die Kautelarpraxis zeigt ll9 , auch real.

116

Siehe nur BAG, AP Nr. 2, 3, 4, 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht.

117

Rietschei, Anmerkung zu BGH, LM Nr. 2 zu § 645 BGB.

118

So auch Hüffer, Leistungsstörungen, S. 252.

119 Vgl. Nicklisch, BB 1979, 533 [540] (zu § 649 bei Werkverträgen größeren Umfangs).

1. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungsptlicht des Gläubigers

63

Bei anderen Vertragstypen wird sich l':in Leistungsinteresse des Schuldners selten feststellen lassen. Sollte das jedoch im Einzelfall so sein, ist die Interessenlage wie beim Werkvertrag zu bewerten.

bb) Die Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht als Schutzpflicht Soweit die ungeschriebene gesetzliche Mitwirkungspflicht ihre Grundlage nur im Vertragsdurchführungsversprechen hat, ist sie regelmäßig nicht durchsetzbar. Das ändert sich, wenn sie im Einzelfall zugleich den Charakter einer Schutzpflicht aufweist. Die Frage führt in den alten Streit um die Einklagbarkeit einer Schutzpflicht. Einklagbar kann nur sein, was erfüllbar ist. Daher halten jene, die der Schutzpflicht die Erfiillbarkeit im Wege einer Leistung i.S.d. § 241 BGB 120 absprechen, die Schutzpflicht konsequenterweise bereits aus diesem Grunde für nicht einklagbar 121 • Diese Auffassung entbehrt schon deshalb der Überzeugungskraft, weil das zugrunde liegende Verständnis des Leistungs- und Erfüllungsbegriffs und der Schutzpflicht als schuldrechtlicher Verpflichtung fehlgeht. Nach der Terminologie des BGB ist Gegenstand des Schuldverhältnisses ein Tun oder Unterlassen des Schuldners, als deren Oberbegriff das Gesetz die Bezeichnung "Leistung" wählt l22 ; "Leistung" korrespondiert damit "Verbindlichkeit", "Schuld"123. Wenn demnach aber die Leistung das Synonym für das im Rahmen des Schuldverhältnisses Geschuldete ist l24, so muß dies allgemein und unabhängig davon gelten, ob ein Verhalten als Gegenstand einer vertraglichen Hauptpflicht oder aber einer gesetzlichen Schutzpflicht geschuldet ist. Die Kategorisierung der Pflicht dient der Einordnung in die Begrifflichkeit des Schuldrechts und hat durchaus - wie

120 Zum korrespondierenden Charakter von "Leistung" und "Erfüllung" etwa Evansv.Krbek, AcP 179 (1979), 85 [102, dort auch Fußn. 90). \2\ v. Thur, AT I, § 4 III, S. 98 f., dort auch Fußn. 22; Kreß, Allgemeines Schuldrecht, S. 6,585; Evans-v.Krbek, AcP 179 (1979), 84 [102 Fußn. 90). Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 IV 3, S. 25, hält zwar eine Erfüllung i.S.d. § 362 BGB für ausgeschlossen, nicht aber eine Einklagbarkeit. Das leuchtet nicht recht ein.

\22

Motive 11, S. 5; Motzer, JZ 1983, 884 [888).

\23

Motive 11, S. 5; Weyl, Verschuldensbegriffe, S. 14.

\24 So auch Heinrich Stoll, AcP 136 (1932), S. 257 [287]; Beuthien, Zweckerreichung und Zweckstörung, S. 15; Belling, Haftung des Betriebsrats, S. 323.

64

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

etwa in § 326 Abs. 1 BGB - eine praktische Bedeutung. Bei der Frage aber, ob eine Pflicht durch Leistung zu erfüllen ist, kann aus ihr keine Differenzierung folgen 125: Wie die vertragliche Hauptpflicht so ist auch die Schutzpflicht ein Schuldverhältnis i.S.d. § 241 BGB 126 • Beide können daher durch Leistung erfüllt werden 127 . Auch die Schutzpflicht ist unter diesem Gesichtspunkt Leistungspflicht l28 . Die Ausgrenzung von im Rahmen einer Schutzpflicht geschuldetem Verhalten aus dem Leistungsbegriff des § 241 BGB ist vor diesem Hintergrund nicht recht verständlich. Vermutlich beruht sie auf einer nicht genügend reflektierten Verabsolutierung der Differenzierung l29 zwischen vertraglichem "Leistungs-" bzw. "Erfüllungsinteresse" einerseits und dem außervertraglichen "Schutz-" bzw. "Erhaltungsinteresse" andererseits. Diese Differenzierung ist nützlich, soweit damit die Unterscheidung zwischem dem auf den Vertrag selbst gerichteten Interesse und dem außervertraglichen Interesse am schadlosen Bestand der Gütersphäre der Vertragspartner verdeutlicht wird 13 0. Sie führt jedoch auf Abwege, wenn man damit das Leistungs- und Erfüllungsinteresse ausschließlich dem Vertragsinteresse zuordnet und es bei den Pflichten leugnet, die der Erhaltung der Integrität der Rechtsgüter im übrigen dienen: Erhaltungs- und Leistung- bzw. Erfüllungsinteresse sind - worauf Motzer 131 zutreffend hinweist nicht per se Gegensätze.

125 Es kann nicht sein, daß ein konkretes, dem Schutz der Rechtsgüter des Vertragspartners dienendes Verhalten keine Leistung darstellt, wenn es "nur" Gegenstand einer Schutzpflicht ist, während an diesem Charakter schwerlich Zweifel bestehen können, wenn dasselbe Verhalten in einem gesonderten Vertrag - als Hauptleistung - versprochen wird. Ähnlich Motzer, JZ 1983, 884 [887]. 126 In den Motiven II, S. I, wird das Schuldverhältnis definiert als "das gesammte obligatorische Verhältnis, Forderungsrecht, und entsprechende Verbindlichkeit". Damit ist klargestellt, daß der Begriff des Schuldverhältnisses sowohl das im weiteren wie das im engeren Sinne umfaßt. 127 Davon gehen auch Larenz, Schuldrecht I, § 2 I, S. ; Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 424, aus. Vgl. auch Motzer, JZ 1983, 884 [886 f.]. 128

So auch Motzer, JZ 1983, 884 [887].

129

Grundlegend Heinrich Stoll, AcP 136 [1932], S. 257 [288 f.].

130 In diesen Kontext stellen auch Heinrich Stoll, AcP 136 (1932), S. 257 [288 f.], und Canaris, JZ 1965, 475, den von ihnen betonten Gegensatz zwischen Leistungs- und Schutzpflichten. 1Jl JZ 1983,884 [886]; in diese Richtung auch Evans-v.Krbek, AcP 179 (1979), 84 [102 Fußn.90].

I. Abschnitt: Die gesetzliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

65

Eine Schutzpflicht ist nach allem nicht allein deshalb unklagbar, weil ihr etwa die Erfüllbarkeit durch eine Leistung apriori fehlte. Vielfach wird zur Begriindung der fehlenden Klagbarkeit der Schutzpflicht auf die strukturellen Eigenarten der Schutzpflicht hingewiesen. Diese werfen in der Tat Probleme auf. Charakteristischerweise besteht die Schutzpflicht einerseits zunächst nur in Form des allgemeinen und unkonkreten Gebots, die Verletzung von Rechtsgütern und sonstigen wirtschaftlichen Interessen des Vertragspartners durch in der eigenen Sphäre liegenden Umstände zu vermeiden. In diesem Stadium steht der gerichtlichen Geltendmachung im Wege, daß ein i.S.d. § 253 Abs. 2 ZPO bestimmter Klageantrag nicht formuliert werden kann. Andererseits scheitert die Klagbarkeit in tatsächlicher Hinsicht, wenn die Präzisierung zu einer konkreten Pflicht so spontan erfolgt, daß der Rechtsschutz zur Durchsetzung und Erfüllung der Schutzpflicht - etwa durch die bereits eingetretene Integritätsverletzung - faktisch überholt ist 132 • Das konkrete Gebot, den Farbeimer nicht vom Gerüst auf den Bauherrn fallen zu lassen, ist zweifellos bestimmt genug, um einen entsprechenden Klageantrag formulieren zu können. Das hilft jedoch nicht, wenn der Eimer schon unterwegs ist: Zwar bewirkt die spontane Gefahrensituation die Konkretisierung der Schutzpflicht, zugleich aber steht die Neigung der Gefahr zu ihrer sofortigen Realisierung (oder aber auch Beseitigung: der Bauherr hat die Gefahrenstelle passiert) einer Einklagbarkeit entgegen. Eine solche Überholung einer Rechtsschutzmöglichkeit kommt zwar bei den Schutzpflichten oft vor; aus tatsächlichen Gründen scheidet dann in der Tat eine gesonderte Durchsetzbarkeit der Schutzpflicht aus. Von diesen Fällen allgemein darauf zu schließen, Schutzpflichten seien von ihrer Struktur her nie durchsetzbar, ist jedoch unrichtig. Denn die Überholung der faktischen Rechtsschutzmöglichkeit ist kein allgemeines Strukturelement der Schutzpflicht. Ebenso ist nämlich möglich, daß ein Rechtsgut oder rechtliches Vermögensinteresse des Vertragspartners über einen gewissen Zeitraum kontinuierlich gefahrdet oder verletzt wird. Der Vermieter etwa verweigert dem Arzt oder Rechtsanwalt das Anbringen eines Urnzugsschildes 133 • In solchen Fallgestaltungen ist die Gewährung von Rechtsschutz möglich. Zu dieser Gruppe gehören regelmäßig auch die hier interessierenden Fälle, in denen der Gläubiger durch die Nichtvornahme

132 Siehe etwa Medicus, Schuldrecht AT, Rn. 424; das wird von Motzer, 1Z 1983, 884 [886] nicht hinreichend berücksichtigt. 133

Beispiel von Gernhuber, Schuldverhältnis, § 2 IV 3, S. 25.

5 Hartmann

66

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

einer nachholbaren Mitwirkungshandlung die übrigen Vermögensinteressen des Schuldners gefährdet oder verletzt. Nun muß wiederum die Klagbarkeit einer Schutzpflicht nicht immer, wenn sie tatsächlich möglich ist, auch rechtlich indiziert sein. Das folgt daraus, daß im Rahmen von aus § 242 BGB hergeleiteten Pflichten bei der Ausgestaltung des Rechtsbehelfskanons stets eine Interessenabwägung in Gestalt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung gefordert ist 134 • Diesen Gedanken hat Stürner 135 aufgegriffen und speziell flir die Schutzpflicht präzisiert: Deren Einklagbarkeit sei dort nicht zuzugestehen, wo die Umgestaltung, gegebenfalls der Abbruch des gefahrbringenden sozialen Kontakts als milderes Mittel zum Schutz der eigenen Sphäre möglich und zumutbar sei 136 • Dem ist prinzipiell zuzustimmen. Die Einklagbarkeit einer Schutzpflicht kann jedoch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig nur versagt werden, wenn dem in seinen Interessen Gefährdeten billigerweise angesonnen werden kann, daß er von einem gewährten Lösungsrecht Gebrauch macht. Das aber ist nur anzunehmen, wenn dann zum Ausgleich wie auch Stürner betont l )7 - seinem Vertragsinteresse hinreichend durch einen Schadensersatzanspruch wegen Nichterflillung Rechnung getragen ist. Das aber setzt einerseits voraus, daß sich neben dem Lösungsrecht im Einzelfall aus der Schutzpflichtverletzung zusätzlich ein Anspruch auf Ersatz des N ichterflillungsschadens ergibt. Andererseits ist die Lösung nur zumutbar, wenn ein Interesse an der eigenen Leistungserbringung fehlt, das Vertragsdurchflihrungsinteresse also ohnehin auf das Gegenleistungsinteresse reduziert ist. Schon die erste Voraussetzung läßt sich konstruktiv schwer denken. Denn die dazu erforderliche Kumulierung von Rücktritts-/ KÜlldigungsrecht und Ersatz des Erflillungsinteresses ist als Folge einer Pflichtverletzung gesetzlich nicht vorgesehen; gewährt wird lediglich die Wahl zwischen beiden Alternativen 138.

134

Dazu bereits oben, S. 60.

lJS

JZ 1976, 389 [386 f.]; ihm zustimmend MüKo-Roth, § 242 Rn. 209.

136 Heinrich Stall, AcP 136 (1932), S. 257 [301], will bei einer bloßen Gefährdung der Schutzinteressen nur eine Lösung vom Vertrag nach den dafür vorgesehenen Instituten, bei einer Verletzung Schadensersatz zugestehen. Ebenso vor ihm schon Kreß, AllgemeinesSchuldrecht, § 23,2b, S. 591. 137

Stürner, JZ 1976,384 [386 f.].

138 Das folgt aus der Fassung der §§ 280, 286, 325, 326 BGB, sofern man diese unmittelbar als Anspruchsgrundlage in Betracht zieht. Gleiches gilt, wenn man als Grundlage der Ansprüche die pFV heranzieht, da dieses Institut als Ergebnis einer Rechtsanalogie zu

2. Abschnitt: Die vertragliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

67

Regelmäßig läßt sich die Klagbarkeit der Mitwirkungspflicht als Schutzpflicht daher nicht mit dem Hinweis verneinen, dem Schuldner sei der Abbruch des sozialen Kontakts mit dem Gläubiger als milderes Mittel möglich und zumutbar.

cc) Zwischenergebnis Die immer kraft Gesetzes bestehende Mitwirkungspflicht ist nur im Fall des Arbeitsvertrags und in den ausdriicklich normierten Fällen der §§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 1 BGB stets einklagbar. Durchsetzbar ist sie im Einzelfall ferner grundsätzlich dann, wenn sie zugleich den Charakter Schutzpflicht aufweist. Soll die Mitwirkungspflicht in anderen Fällen selbständig einklagbar und durchsetzbar sein, muß der Schuldner dies auf vertraglichem Wege absichern 139 •

2. Abschnitt

Die vertragliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers Ungeachtet des Streits über das Bestehen einer gesetzlichen Mitwirkungspflicht herrschte immer schon Einigkeit darüber, daß sich der Gläubiger auf vertraglichem Wege zur Mitwirkung verpflichten kann l40 • Folgt diese Pflichtenbindung

den genannten Vorschriften keine weitergehenden Rechtsfolgen gewähren kann. Siehe etwa Soerge\-Wiedemann, vor § 275 Rn. 497; MüKo-Emmerich, vor § 275 Rn. 331. Auch der - ohnehin nur hinsichtlich des Werkvertragsrechts taugliche - Hinweis von Stürner, JZ 1976,384 [387 Fußn. 18], auf die Rechtfolgenkumulierung in §§ 642, 643, 645 BGB hilft nicht weiter. Auch nach diesen Vorschriften ergibt sich neben dem Kündigungsrecht kein Schadensersatz wegen Nichterfollung, der das Vertragsinteresse des Vertragspartners vollständig abdecken könnte. 139 Auch nach R. Schmidt, Obliegenheiten, S. 147, entspricht es nicht der Interessenlage, "allgemein einen klagbaren Anspruch gegen den Gläubiger" zuzugestehen. Der richtige Schluß hieraus ist jedoch nicht, wie R.Schmidt meint, die Annahme einer Obliegenheit, sondern der Ausschluß der Klagbarkeit der Pflicht.

140 Das stand auch schon vor Inkrafttreten des BGB außer Streit, etwa ROHGE 11, 155; 16,203 [205 f.]; Kohler, Archiv f. Bürgerliches Recht 13 (1897), S. 149 [276 ff.). Für die

S*

68

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

jedoch bereits aus dem Gesetz, scheint die Frage nach einem zusätzlichen vertraglichen Ursprung der Mitwirkungspflicht praktisch bedeutungslos zu sein. Das trifft jedoch nicht zu. Eine Mitwirkungspflicht, die im Vertrag ausdrücklich vereinbart wird, kann im konkreten Fall als gesondert durchsetzbar ausgestaltet sein, während es ihr gesetzliches Pendant nicht ist. Insoweit kann die privatautonome Regelung der Parteien von der stets typisierenden Interessenabwägung auf der gesetzlichen Ebene abweichen und hinsichtlich einer selbständigen Durchsetzbarkeit über sie hinausgehen.

I. Die vertragliche Verpflichtung zur Mitwirkung Nicht selten findet sich in Verträgen eine ausdrückliche Regelung der Gläubigermitwirkung. Manche Formularbedingungen wie die VOB/B (z.B. §§ 3 Nr. I und 2, 4 Nr. lAbs. 1 S. 2) oder die "Besonderen Vertragsbedingungen für die Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen" 141 (§ 10) widmen sich zum Teil akribisch der Problematik. Die Formulierungen sind dabei unterschiedlich. Teils fmden sich pronociert imperativische Formulierungen, teils wird vom Handlungsprogramm des Gläubigers im bloßen Indikativ gesprochen ("Der Gläubiger wirkt ... mit."). Unabhängig von der gewählten Stärke der Formulierung ist jedwede Regelung der Gläubigermitwirkung nach §§ 133, 157 BGB I42 als Vereinbarung einer schuldrechtlichen Pflicht zur Mitwirkung auszulegen. Das ist der Interessenlage geschuldet, wie sie oben '43 im Rahmen der Ableitung einer generellen (Neben-)Leistungspflicht des Gläubigers zur Mitwirkung aus § 242 BGB herausgearbeitet wurde: Die Vornahme der Mitwirkung ist Bedingung des Vertragsvollzugs 144. Es wäre ein Wertungswiderspruch, zwar den Gläubiger aus diesem Grunde nach Treu und Glauben als zur Mitwirkung verpflichtet anzusehen, einer

Zeit danach z.B. Planck-Siber, Vorbem. zu § 293 Anm. 2 a; Larenz, Schuldrecht Il/1, § 53 III, S. 371 f. 141 Vom 4.11.1977, Beil. NI. 26/77 zum BundesAnz. NI. 216 v. 19.11.1977, S. 3-13 (Musterverträge der öffentlichen Hand). 142

Nicklisch, BB 1979,535 [541].

143

S. 49 f.

144 Aus diesem Abhängigkeitsverhältnis schließt auch Nicklisch, BB 1979,535 [541], den verpflichten Charakter einer vertraglichen Reglung der Mitwirkungsproblematik.

2. Abschnitt: Die vertragliche Mitwirkungspflicht des Gläubigers

69

ausdrücklichen vertraglichen Aufforderung zur Vornahme der Mitwirkung dagegen den verpflichtenden Charakter zu versagen. Fehlt demgegenüber bereits eine Regelung der Mitwirkungsproblematik, sind zwar grundsätzlich weder die schlüssige Vereinbarung einer Mitwirkungspflicht noch eine ergänzende Vertragsauslegung ausgeschlossen l45 • Für sie wird sich jedoch regelmäßig auch dann wenig Raum ergeben, wenn bei objektivierender Betrachtung ein Leistungsinteresse des Schuldners nahe liegt. Im Fehlen einer Regelung kann sich nämlich - zumindest bei in etwa bestehender Verhandlungsparität - eine abweichende Bewertung durch die Parteien andeuten. Dies ist bei der Frage einer "Lücke" zu beachten.

11. Die selbständige Durchsetzbarkeit der vertraglichen Mitwirkungspflicht Die Mitwirkungsproblematik spitzt sich auf vertraglicher Ebene praktisch auf die Frage zu, ob nach dem Vertrag gerade eine durchsetzbare Verpflichtung des Gläubigers gewollt ist. Die entsprechend geforderte Auslegung des Vertrags erfolgt wiederum nach allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB). Die Mitwirkungsgebote sind oft imperativisch formuliert (z.B. "hat [ ... ] zu erstellen"). Ist zudem - wohl eher selten - die Durchsetzbarkeit ausdrücklich angesprochen, bleibt fUr den Interpreten wenig zu tun. Gleiches gilt, wenn der Imperativ durch ein Vertragsstrafeversprechen abgesichert ist. Auch in diesem Fall ist auf eine durchsetzbare Ausgestaltung der Pflicht rückzuschließen. Denn das Strafversprechen dient zumindest auch der Absicherung der Durchsetzung der Vertragspflicht l46 . Beschränkt der Vertrag sich indes auf die imperativische Formulierung oder findet sich lediglich ein schlichter Indikativ ("Der Gläubiger wirkt ... mit. "), ist nach der Interessenlage der Parteien zu bemessen, ob eine durchsetzbare Pflicht gewollt ist. Es schlägt hier die oben 147 zur gesetzlichen Ebene vorgenommene Interessenbewertung durch: Besteht ausnahmsweise ein Interesse des Schuldners an der eigenen Leistungserbringung, ist im Zweifel eine

145

Nicklisch, BB 1979,535 [540 f.].

146

Vgl. BGHZ 49,84 [89]; 105,24 [27].

147

S. 62 f.

70

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

durchsetzbare Verpflichtung anzunehmen l48 . Insbesondere gilt das für Werkverträge, in denen § 649 BGB eingeschränkt oder abbedungen ist. Darin zeigt sich eine erhöhte Bewertung des Leistungsinteresses des Schuldners durch die parteien. Besteht dieses Interesse nicht, wie in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle, kann nicht von einer durchsetzbar ausgestalteten Pflicht ausgegangen werden.

111. Zwischenergebnis Wird die Frage der Gläubigermitwirkung im Vertrag ausdrücklich geregelt, so ist dies stets als Vereinbarung einer entsprechenden schuldrechtlichen Pflicht zu interpretieren. Deren selbständige Durchsetzbarkeit ist anzunehmen, wenn sie ausdrücklich angesprochen oder aus dem Regelungskontext heraus (z.B. Vertragsstrafeversprechen) erkennbar ist. Im übrigen ist auf die selbständige Durchsetzbarkeit der Pflicht nur zu schließen, wenn der Schuldner ausnahmsweise ein Interesse an der eigenen Leistungserbringung hat. Bei Werkverträgen kann Indiz hierfür sein, daß die Vorschrift des § 649 BGB abbedungen ist.

3. Abschnitt

Rechtsfolgen einer pflichtwidrigen Unterlassung der Mitwirkung Die Folgen der unterlassenen Mitwirkung sind bereits dargestellt worden, soweit sie sich auf das Gegenleistungsinteresse beziehen (oben 2. Kapitel, 3. Abschnitt). Übrig bleibt, aus den Ergebnissen über die Mitwirkungspflicht des Gläubigers die Folgerungen für die rechtliche Bewertung des Leistungs-, Schadloshaltungs- und Liquidationsinteresses zu ziehen.

148 So auch Müller-Hengstenberg/Wild, in Software-Herstellungsverträgen.

eR 1991,327 [332], flir "Mitwirkungspflichten"

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

71

I. Die Durchsetzung der erzwingbaren Mitwirkungspflicht Im Fall der erzwingbar ausgestalteten Mitwirkungspflicht kann der Schuldner auf die Vornahme der gebotenen Handlung klagen und den Titel nach §§ 887 oder 888 ZPO vollstrecken, je nachdem, ob die Mitwirkung eine vertretbare oder unvertretbare Handlung ist l49 • Von größerem praktischen Interesse wird jedoch regelmäßig die kurzfristige Durchsetzung der Mitwirkungspflicht sein. Hierzu steht dem Schuldner der einstweilige Rechtsschutz zur Verfügung. Da jedoch der Antrag dabei auf eine endgültige Erfüllung des Mitwirkungsanspruchs gerichtet ist, stellt sich stets das Problem der Vorwegnahme der Hauptsache. Obwohl eine solche über den sichernden Charakter des einstweiligen Rechtsschutzes hinausgeht, ist allgemein die Möglichkeit einer sog. Leistungsverfügung entsprechend §§ 935, 940 ZPO anerkannt 1S0. Freilich gilt rur die Durchsetzung der erforderlichen Handlung auf diesem Wege die allgemeine Voraussetzung, daß der Schuldner der sofortigen Vornahme der Mitwirkungshandlung dringend bedarf' SI. Davon ist fiir die Fälle, in denen eine ausnahmsweise durchsetzbare Mitwirkungspflicht anzunehmen ist, regelmäßig auszugehen. Ganz abzusehen von diesem einschränkenden Erfordernis ist im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), wenn die Mitwirkungshandlung einem Fixgeschäft gleichkommt.

11. Das Recht zur Ersatzvornahme der Mitwirkungshandlung Das RG 152 hat 1912 in einem vereinzelt gebliebenen Judikat apodiktisch erklärt, der Gläubiger könne, wenn der Schuldner die rur die Leistungserbringung erforderliche Mitwirkung unterlasse, kurzerhand die Handlung auf Kosten des Gläubigers selbst vornehmen (lassen). Zugrunde lag der Entscheidung die Klage eines Anstreichers, der das Streichen einer alten Eisenkonstruktion übernommen hatte. Als der Besteller die erforderlichen Vorarbeiten (das Befreien vom Rost) unterließ, sprang der Unternehmer selbst ein und machte sodann hierrur eine

149

Eingehend Müller-Foel/, Mitwirkung, S. 114 ff.; Nicklisch, BB 1979,535 [542].

150

Siehe nur Stein/Jonas-Grunsky, vor § 935 Rn. 31 ff.

151

SteiniJonas-Grunsky, vor § 935 Rn. 54 ff.; Mül/er-Foel/, Miwirkung, S. 116.

152

Recht 1912, Nr. 1292.

72

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Vergütung geltend. Die Entscheidung hat in der Literatur zwiespältige Aufnahme gefunden, jedoch überwiegend Ablehnung erfahren i53 . Bei der Behandlung der Problematik sind zwei Fragen zu trennen: die nach der Befugnis zur Ersatzvornahme der unverzichtbaren Mitwirkung und diejenige nach der Tragung der damit verbundenen Kosteni 54 .

1. Die Befugnis zur Ersatzvornahme

Das Gesetz hat die Frage einer Befugnis des Schuldners zur Ersatzvornahme der Mitwirkungshandlung nur für die Bestirnmungshandlungen und damit äußerst fragmentarisch geregelt: § 264 BGB und § 375 Abs. 2 S. 1 HGB sehen für den Fall des (Gläubiger- bzw. Schuldner-)Verzugs mit der Bestimmung einen Übergang des Bestimmungsrechts auf den Schuldner vor. Das damit im Ergebnis gewährte Ersatzvornahmerecht ist jedoch so singulär, daß die genannten Regelungen als Basis für eine Rechtsanalogie nicht in Betracht kommen 155 • Die Frage der Ersatzvornahme stellt sich nur, wenn die Mitwirkung auch von einer anderen Person als dem Gläubiger tatsächlich vorgenommen werden kann, es also um eine vertretbare Handlung geht. In diesen Fällen begründet jedoch die tatsächliche Möglichkeit der Ersatzvornahme nicht stets auch eine dahingehende rechtliche Befugnis des Schuldners. Das gilt selbst dann, wenn man, anders als das RG in seiner Entscheidung, von einer allgemeinen gesetzlichen Pflicht des Gläubigers zur Mitwirkung ausgeht. Hinzu muß vielmehr im Einzelfall treten, daß der Schuldner die Mitwirkung ersetzen kann, ohne mit den dazu erforderlichen Handlungen gegen den Inhalt des Vertrags zu verstoßen l56 oder Rechtsgüter

153 Zustimmend Soergel-Mühl, § 642 Rn. 4; wohl auch Müller-HengstenbergIWild, eR 1991, 327 [332]; ablehnend RGRK-Glanzmann, § 642 Rn. 14; Nick/isch, BB 1979,535 [542]; Ennan-Seiler, § 642 Rn. 8. 154

So zutr. Staudinger-Peters, § 642 Rn. 15.

155 Die gemein- und deutschrechtlichen Quellen kennen zwar bei einzelnen Mitwirkungshandlungen die Ersatzvomahmebefugnis. So geht etwa in D. 18, 6, I, 3 das Meßrecht auf den Schuldner über, wenn der an sich meßberechtigte Gläubiger säumig ist. Ähnlich der Sachsenspiegel I, 48, § 7. Eingehend dazu Rosenberg, JheringsJb 43 (1901), S. 141 [266 ff.]. Ein allgemeiner Rechtsgedanke für das geltende Recht läßt sich daraus aber ebenfalls nicht ableiten. 156

Staudinger-Peters, § 642 Rn. 15.

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

73

des Gläubigers zu verletzen: Keinesfalls kann die Mitwirkungspflicht oder ihre Verletzung die Rechtfertigung für irgendwelche Zwangs- und Eingriffsmaßnahmen des Schuldners sein. Wenn dieser jedoch die Mitwirkung durch rechtmäßiges Handeln ersetzen kann, besteht angesichts der Pflichtverletzung des Gläubigers nach Treu und Glauben kein Grund, ihm das zu verwehren. So konnte der Anstreicher im RG-Fall sich bei der substanzverändernden "Eingriffshandlung" der Rostentfernung durchaus auf seine vertragliche Aufgabe berufen, der Konstruktion einen (ordnungsgemäßen) neuen Anstrich zu verpassen. Solchermaßen rechtmäßigem Handeln darf sich der Gläubiger nicht widersetzen.

2. Die Kostentragung Gesteht man im Einzelfall ein (gesetzliches) Ersatzvornahmerecht zu, so ist damit entgegen dem RG noch nichts über die Kostentragung ausgesagt. Dem Gläubiger kann sie nur aufgebürdet werden, wenn sich dafür konkret eine vertragliche oder gesetzliche Grundlage finden läßt. In Betracht kommt insbesondere die Geschäftsführung ohne Auftrag l57 • Da die Mitwirkung Pflicht des Gläubigers ist, wirft das Merkmal des "fremden Geschäfts" keine Schwierigkeiten auf. Unter die Voraussetzungen des § 683 S. 1 BGB (Interesse- und Willensgemäßheit) aber ist mit Vorsicht zu subsumieren. Im übrigen ist an die §§ 684, 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB zu denken.

III. Die unterlassene Mitwirkung als Leistungsstörung Die Mitwirkung ist, gleich ob auf gesetzlicher oder vertraglicher Basis, ob auf Grundlage der §§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 1 BGB oder des § 242 BGB, geschuldet. Sie ist damit im Sinne der Terminologie des BGB Leistungspflicht l58 . Es besteht folglich kein Anlaß, Pflichtverletzungen nicht prinzipiell mit den allgemeinen Regelungen über die Leistungsstörungen zu erfassen i59 . Das heißt zunächst nur, daß es Unmöglichkeits- und Verzugsregeln zu prüfen gilt. Ob sie dagegen stets

157

So auch Staudinger-Peters, § 642 Rn. 15.

158

Siehe schon oben, S. 64.

159

Zutreffend Motzer, JZ 1983, 884 [888 f.].

74

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

tatbestandlich und von ihrem Regelungsbereich her einschlägig sind, ist eine andere, im folgenden zu betrachtende Fragestellung. Freilich wird entgegengehalten, damit überhaupt die allgemeinen Leistungsstörungsregeln anwendbar sind, müsse das verletzte Interesse das Leistungs-, nicht allein des Mitwirkungsinteresse sein l60 . Diese Differenzierung beruht offenbar auf dem oben beleuchteten l61 Fehlverständnis des Leistungsbegriffs: Sie verkennt, daß nicht nur die Gegenstände der Hauptpflichten geschuldete "Leistungen" sind, sondern ebenso die Mitwirkung, gleich, ob sie - wie stets - Gegenstand einer (Neben-)Leistungsoder im Einzelfall auch einer Schutzpflicht ist. Auch das Mitwirkungsinteresse ist, schon allein da die Mitwirkung geschuldet ist, Leistungsinteresse.

IV. Die Rechtsfolgen der Leistungsstörung im Fall der erzwingbar ausgestalteten Mitwirkungspflicht 1. Nachträgliche Unmöglichkeit

Denkbar ist zunächst, daß die vom Gläubiger geschuldete Mitwirkungshandlung nachträglich unmöglich wird: Eine Sache etwa ist als Substrat der Leistung des Schuldners unverzichtbar und vom Gläubiger zur Verfügung zu stellen. Sie geht nach dem Vertragsschluß unter. Weiter ist an den Fall der nicht nachholbaren Arbeitsleistung zu denken, die deshalb nicht erbracht worden ist, weil der Arbeitgeber keinen funktionsfähigen Arbeitsplatz zu gewiesen hatte. Unter der Voraussetzung des Vertretenmüssens ist der Gläubiger zum Schadensersatz wegen Nichterfüllung verpflichtet, § 280 Abs. 1 BGßI62. Der Anspruch ist auf das sog. positive Interesse gerichtet l63 , d.h. der Schuldner ist so zu stellen, wie er stünde, wenn der Gläubiger seine Mitwirkungshandlung ordnungsgemäß erbracht hätte. In den hierher gehörenden Fällen wird in aller Regel nicht allein die Mitwirkungshandlung des Gläubigers, sondern zugleich auch die vom Schuldner geschuldete Leistung nachträglich auf eine vom Gläubiger zu vertretende Weise

160 Für den Verzug: Hüjfer, Leistungsstörungen, S. 223; auch Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 24, der jedoch die Leistungsstörungsregeln analog anwenden will. 161

Siehe oben, S. 64.

162

So auch Müller-Foell, Mitwirkung, S. 128.

163

BGH, NJW 1983,442 [443].

3. Abschnitt: Rechtsfolgen ptlichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

75

unmöglich geworden sein. Bei der zur Ennittlung des Schadens anzustellenden Differenzhypothese ist dann der gern. §§ 324 Abs. 1,2 oder 615 BGB aufrechterhaltene (geminderte) Vergütungsanspruch einzubeziehen. Das wird einen Schaden oft genug ausschließen. Über § 280 BGB ersatzfähig sind dann allenfalls sonstige Vennögens-, d.h. Begleitschäden. Die Funktion des § 280 BGB dürfte mithin im Rahmen der Mitwirkungsproblematik eine sehr begrenzte sein.

2. Verzug Durch die Verzögerung der erzwingbaren Mitwirkung kommt der Gläubiger in Schuldnerverzug. § 286 BGB ist daher anwendbar l64 • Fälligkeit, Mahnung und Verschulden (§ 285 BGB) vorausgesetzt, ist auf diesem Wege der Verzögerungsschaden zu ersetzen. Da sich dieser nach §§ 249 ff. BGB bemißt, ist auch der entgangene Gewinn aus anderen, verzögerungsbedingt nicht durchführbaren Verträgen erfaßt l65 • Diese Rechtsfolge geht insoweit erheblich über diejenige der gläubigerverzugsrechtlichen und daher verschuldensunabhängigen Entschädigungsregelung des § 642 BGB hinaus, die den Ersatz des Verzögerungsschadens nicht urnfaßt. Demgegenüber wird § 286 Abs. 2 BGB selten einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung gewähren, da der dafür verlangte Interessefortfall schwer denkbar ist. Auch § 326 Abs. 1 BGB wird dem Schuldner regelmäßig das Erfüllungsinteresse und das Rücktrittsrecht versagen, da sich die Mitwirkungspflicht dafür im Gefüge des gegenseitigen Vertrags als Hauptleistungspjlicht darstellen müßte. Dafür ist verlangt, daß der fraglichen Verpflichtung nach dem Willen der Parteien im Zeitpunkt des Vertrags schlusses eine ganz besondere Bedeutung zukommt l66 . Ein Indiz hierfür wird in der objektiven Gewichtigkeit des berührten Interesses 167 und darin gesehen, ob im Fall der Nichterfüllung der Pflicht nicht nur der Erfiil-

164 BGH, NJW 1972,99 [100]; Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 24; Nicklisch, BB 1979,533 [542]; RGRK-Glanzmann, § 642 Rn. 12; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 119; Klees, La demeure, S. 199,219; a.A. Larenz, Schuldrecht I, § 24 I, S. 365: pFV. 165

BGH, DB 1956, 110; Palandt-Heinrichs, § 286 Rn. 11; Müller-Foell, Mitwirkung, S.

119. 166

RGZ 101,429 [431]; BGH, NJW 1972,99; RGRK-Ballhaus, § 326 Rn. 17.

167

Erman-Battes, § 326 Rn. 10.

76

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

lungsanspruch, sondern auch ein Rücktrittsrecht gegeben sein sollte l68 . Selbst in den Fällen, in denen eine erzwingbare Mitwirkungspflicht ausdrücklich vertraglich vereinbart ist, wird das nicht ohne weiteres der Fall sein l69 . Immer ist bei einer Gewichtung der objektiven Interessen zu bedenken, ob den Interessen des Schuldners nicht schon durch die erzwingbare Ausgestaltung der Mitwirkungspflicht und die Durchsetzbarkeit des eigenen Vergütungsanspruchs genügend Rechnung getragen ist. Regelmäßig wird man daher von einer bloßen Nebenleistungspflicht ausgehen müssen 170. Von den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Mitwirkungspflichtem (§§ 433 Abs. 2, 640 Abs. 1 BGB, § 375 Abs. 1 HGB) ist nur diejenige in § 375 Abs. 1 HGB von Gesetzes wegen als Hauptpflicht ausgestaltet. Zumindest ist sie einer solchen gleichgestellt: Absatz 2 enthält einen ansonsten sinnlosen Rechtsgrundverweis auf § 326 BGB. Diese Rechtslage überträgt die h.M. allerdings der Sache nach auf § 640 Abs. 1 BGB, indem sie die Abnahmepflicht pauschal unter Hinweis auf deren Bedeutung fiir die Rechtsposition beider Seiten (Ende der Vorleistungspflicht, Fälligkeit des Werklohns, Beginn der Gewährleistung, Gefahrtragung) als Hauptleistungspflicht einordnd 71 • Da jedoch die Abnahmepflicht allein den Interessen des Werkunternehmers dient 172, kann es fiir die Einordnung als Hauptpflicht nur darauf ankommen, ob dies durch seine Interessen geboten ist. Eine allgemeine Einordnung als Hauptpflicht wäre nur sachlich gerechtfertigt, wenn die Abnahme unersetzbare Voraussetzung fiir die Verbesserung der Rechtsposition des Werkunternehmers wäre. Das aber ist - wie gezeigt 173 - nicht der Fall: Der Annahmeverzug allein löst alternativ zur Abnahme das Ende der Vorleistungspflicht, die Einklagbarkeit des Werklohns und den Gefahrübergang aus (§§ 322 Abs. 2, 3, 644 Abs. 1 S. 2, 324

168

RG, JW 1927, 1416.

169

So auch Nicklisch, BB 1979,533 [544].

170 Vgl. BGH, NJW 1972, 99 [100], für eine Abrufpflicht im Kaufrecht. Der ggf. zusätzliche Charakter als Schutzpflicht kann hier unberücksichtigt bleiben, da gesetzliche Schutzpflichten jedenfalls keine synallagmatischen Hauptpflichten sein können. 171 BGHZ 107,75 [77]; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 894; Soergel-Mühl, § 640 Rn. 2; Palandt- Thomas, § 640 Rn. 2; RGRK-Glanzmann, § 640 Rn. 18.

172 Der Besteller hat es in der Hand, die ihm günstigen Rechtsfolgen der Abnahme (Entstehung der Gewährleistungsrechte) durch ebendiese herbeizuführen. l7l

Siehe dazu bereits oben, S. 26-34.

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

77

BGB)174. Daher ist auch bei § 640 Abs. 1 BGB nach den oben benannten allgemeinen Grundsätzen unter Rückgriff auf die Interessenlage zu bestimmen, ob es sich im Einzel- und Ausnahmefall um eine Hauptleistungspflicht handelt. Bei § 433 Abs. 2 BGB entspricht dies zurecht ganz herrschender Meinung 175 •

3. Positive Forderungsverletzung Aus der unbeschränkten Anwendbarkeit von Unmöglichkeits- und Verzugsregeln ergibt sich als Konsequenz eine andere Funktion der pFV, als die h.M. diesem Institut zuerkennt. Diese erblickt in der unterlassenen Mitwirkung zunächst (nur) eine Obliegenheitsverletzung. Nur unter der - weiteren - Voraussetzung der Gefährdung des Vertragszwecks oder der "grundlosen Erfiillungsverweigerung" stellt sie danach zugleich eine Verletzung der allgemeinen Treuepflicht dar 176. Damit billigt die h.M. der pFV als Lückenfiiller eine MonopolsteIlung bei der Erfassung des Schadloshaltungs- und Liquidationsinteresses zu. Nach hier vertretener Ansicht ist der Anwendungsbereich der pFV bei der vorliegenden Problematik erheblich schmaler. Gleichwohl erfiillt sie eine wichtige Funktion, da sie das Rechtsfolgensystem bei unterlassener Mitwirkung des Gläubigers komplettiert. § 280 BGB erfaßt die Unmöglichkeit der Mitwirkung. § 286 BGB sanktioniert die vorwerfbare Verzögerung. Damit lassen sich nicht auch jene Fälle erfassen, in denen - was keineswegs immer gegeben ist 177 - die

174 In der Sache ebenso Staudinger-Peters, § 640 Rn. 52; ablehnend gegenüber der h.M. auch Erman-Seiler, § 640 Rn. 16; EsserlWeyers, Schuldrecht 11, § 33 11 2, S. 284. Auf Rechtsfolgen, die sich prinzipiell zu seinen Gunsten aus der Verzögerung der Werkerstellung ergeben (z.B. § 636 Abs. 1 BGB), kann sich der mit der Mitwirklung säumige Besteller nicht berufen (§ 242 BGB). Solange der Besteller wegen der unterlassenen Mitwirkung in Gläubigerverzug ist, tritt kein Verzug des Werkunternehmers ein (siehe dazu unten, S. ). 175 Grundlegend RGZ 53,161 [163 f.]; Erman-Grnnewald, § 433 Rn. 35; Palandt-Putzo, § 433 Rn. 36; kritisch Soergel-Huber, § 433 Rn. 275. 176 Siehe die Rechtsprechungs- und Literatumachweise in den Fußnoten 18, 23 und 27 (3. Kap.).

177 Zutr. BGH, NJW 1972,99 [100]; Soerge\-Wiedemann, vor § 293 Rn. 21 sowie vor § 275 Rn. 395, der darauf hinweist, daß mangelnde Mitwirkungsbereitschaft keineswegs immer auf einen Vertragszweckgefährdung schließen läßt und daß das Abstellen auf eine Vertragszweckgefährdung zur Erreichung einer Schadensersatzfolg~ ein "unnötiger und oftmals fiktiver Umweg" ist. Siehe auch RGRK-Glanzmann, § 642 Rn. 16.

78

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Verzögerung zugleich als Zeichen mangelnder Zahlungsbereitschaft (Vertragszweckgefährdung) oder als Erfüllungsverweigerung zu werten ist. Hier steckt in der Unterlassung der Mitwirkung einer Vertragsaufsage, ein Angriff auf den gesamten Vertrag 178• Diese über die bloße Unterlassung hinausgehende Dimension läßt sich in der Tat nur als pFV der allgemeinen vertraglichen Treuepflicht erfassen. Deren Rechtsfolge ist, da Zielrichtung der Pflichtverletzung das gesamte Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist, auch auf dieses zu beziehen: Sofern es sich um eine so schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, daß dem Schuldner die weitere Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar ist, sind die Rechte analog § 326 Abs. 1 BGB zu gewähren l79 : der auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Schadensersatzanspruch und das Rücktrittsrecht, an dessen Stelle bei Dauerschuldverhältnissen ein Kündigungsrecht tritt. Wie bei § 326 Abs. 1 BGB ist das den Bestand des Vertrags bedrohende ius variandi grundsätzlich erst nach vorangegangener Ablehnungsandrohung und verstrichener Nachfrist zuzugestehen l80 • Beides wird freilich oft nach den allgemeinen Grundsätzen entbehrlich sein l81 . Die Alternative des Rücktrittsrechts aus § 326 Abs. 1 BGB wird durch das KÜDdigungsrecht aus § 643 nicht verdrängt l82 : Diese Norm ist den Gläubigerverzugsvorschriften zugeordnet und kann als solche keine Regelungen der darüber hinausgehenden Verschuldenshaftung verdrängen.

4. Zwischenergebnis Damit ergibt sich bei der Verletzung einer durchsetzbaren Mitwirkungspflicht ein abgestuftes Sanktionensystem: Die schlichte Unterlassung der Mitwirkung berechtigt i.d.R. nach Verzugsregeln nur zur Ge1tendmachung des Verzögerungsschadens. Ein Schadensersatz wegen Nichterfüllung aus § 326 Abs. 1 BGB scheitert daran, daß die Mitwirkung grundsätzlich als Gegenstand einer Nebenlei-

178

Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 395.

179 RGZ 152, 119 [122]; eingehend BGHZ 11,80 [84 ff.]; BGH, VersR 1960,693 [694]; BGH, NJW 1972,99 [100 f.]; RGRK-Glanzmann, § 642 Rn. 16; Soergel-Wiedemann, vor § 293 Rn. 25. 180

So auch Köpcke, Typen der pV, S. 148; vgl. auch § 643 S. 1.

181

BGHZ 11, 80 [86).

182 A.A. BGH, BB 1963, 160; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 126; wie hier RGRKGlanzmann, § 643 Rn. 3.

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

79

stungspflicht einzustufen ist. Wenn über die bloße Verzögerung hinaus die Unterlassung der Mitwirkung als Angriff auf den ganzen Vertrag zu werten ist (Vertragsaufsage ) und die Vertrags fortsetzung daher unzumutbar ist, kann der Schuldner zwischen Erfiillungsinteresse und Rücktritt bzw. Kündigung wählen. Wird die Vornahme der Mitwirkung nachträglich unmöglich, greift § 280 BGB ein.

V. Die Rechtsfolgen der Leistungsstörung im Fall der nicht erzwingbaren Mitwirkungspflicht Oftmals wird die stets gegebene Mitwirkungspflicht des Gläubigers nicht selbständig einklagbar ausgestaltet sein. In der bei der Analyse der Anspruchsstruktur verwandten Terminologie bedeutet das: Die dem Schuldner zugewiesene "Rechtsposition" ist dieselbe wie beim erzwingbar ausgestalteten Anspruch: Auch sie ist auf eine "Leistung" im Sinne des BGB gerichtet. Lediglich das zur Realisierung dieser Position bereitgestellte Rechtsbehelfsarsenal ist auf die "Einziehungsbefugnis" - das Recht, fordern zu dürfen - beschränkt. Es fehlt die "Klagebefugnis", die Rechtsmacht, die Position gegen den Willen des Verpflichteten mit staatlicher Hilfe durchsetzen zu können. Damit aber ist die Problematik aufgeworfen, welche Sekundäransprüche die Verletzung einer nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflicht auslöst. Allgemeine Regeln, die bestimmten, welchen Regeln nicht durchsetzbare Ansprüche insoweit unterliegen, ob und inwieweit eine Gleichbehandlung mit den "normalen" durchsetzbaren Ansprüchen vorzunehmen ist, fmden sich nirgends. Zunächst ist klarzustellen, daß auch Sekundäransprüche zum Rechtsbehelfsprogramm zu zählen sind, das einer Rechtsposition zugeordnet ist IB3 : Diese Ansprüche kompensieren Einbußen, die die Rechtsposition selbst betreffen. Ist aber (jenseits der ausdrücklichen Regelungen) die Reichweite des Rechtsbehelfsprogramms allgemein anhand der Gewichtung von Schutzinteressen zu bestimmen l84 , so ist auch die An-

183 Stürner, JZ 1976,384 [388 f.]; Müller-Foell, Mitwirkung, S. 114, spricht insoweit von "repressivem Rechtsschutz". 184 Rimmelspacher, Anspruch, S. 107 f., 168; Stürner, JZ 1976,384 [389]; Medicus, Bürgerliches Recht, Rn. 208.

80

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

wendbarkeit von Sekundäransprüchen nicht allein anhand begrifflicher Argumentation, sondern auch wertend zu bestimmen.

1. Nachträgliche Unmöglichkeit Der Untergang eines Anspruchs durch Unmöglichwerden der geschuldeten Leistung bedeutet die Eliminierung von Rechtsposition und allen auf deren Realisierung gerichteter Rechtsbehelfe. Der Schadensersatzanspruch nach § 280 BGB dient dabei - als sekundärer Rechtsbehelf - der Kompensation der Rechtsposition I85 • Da das Ausgleichsbedürfnis im Ansatz unabhängig ist von der Reichweite des übrigen Rechtsbehelfsarsenals, ist § 280 BGB auf Leistungsansprüche ohne Rücksicht darauf anwendbar, ob sie erzwingbar ausgestaltet sind. Allerdings ist dem Surrogatcharakter dieses Schadensersatzanspruchs Rechnung zu tragen: Durch den Eintritt der Unmöglichkeit bleibt das ursprüngliche Schuldverhältnis bestehen, lediglich der Anspruch nach § 280 BGB rückt in die Position des Primäranspruchs ein 186 • Bei dieser Surrogation muß sich eine Einschränkung, die dem Rechtsbehelfsprogramm des Primäranspruchs anhaftete, in dem des Sekundäranspruchs fortsetzen: War der Mitwirkungsanspruch nicht einklagbar, gilt das auch für den unmittelbar an seine Stelle getretenen Anspruch aus § 280 BGB 187 • Wer die Erfiillung nicht erzwingen kann, dem kann schwerlich zugebilligt werden, das Erfiillungsinteresse im Schadensersatzwege gegen den Willen des Verpflichteten durchzusetzen 188 •

2. Verzug Große praktische Bedeutung kommt der Frage zu, ob der Gläubiger, der pflichtwidrig der nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflicht nachzukommen unter-

185

VgJ. Rimmelspacher, Anspruch, S. 168.

186

RGZ 54, 28 [32]; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 337; RGRK-A?ff, § 280 Rn. 1.

187 Für die Parallele der nachträglichen Unmöglichkeit im Fall der Naturalobligationen §§ 656, 762 BGB ist das anerkannt: RGZ 40,256 [259]; BGHZ 25,124 [126]. Der BGH wendet § 656 Abs. 1 BGB analog auf den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung an. Dessen bedarf es nicht. Siehe ferner etwa Erman-Werner, § 656 Rn. 8. 188

RGZ 40, 256 [259].

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

81

läßt, in Schuldnerverzug geraten kann. Konkret geht es hier vorrangig um die Behandlung eines durch die Verzögerung entstandenen und über das Erfiillungsinteresse hinausgehenden Schadens: Der Bauunternehmer etwa kann infolge der Verzögerung seine Maschinen entgegen seiner ursprünglich berechtigten Disposition nicht auf einer anderen Baustelle einsetzen, was ihm seinerseits einen Schadensersatzverpflichtung oder eine Vertragsstrafe einbringt.

a) Die Durchsetzbarkeit der Forderung als Voraussetzung des Verzugs?

Anders als bei der erzwingbaren Mitwirkung ist die Verzugsfähigkeit einer nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflicht zweifelhaft. Als ungeschriebene Voraussetzung des Verzugs wird nämlich allgemein angesehen, daß die betroffene Forderung vollwirksam ist, d.h. rechtswirksam besteht und durchsetzbar ist l89 • Daß Verzug nur eintreten kann, wenn die Forderung begrifflich existiert, die Rechtsposition also durch das "Verlangendürfen" zum Anspruch qualifiziert wird, ist evident: Wo die Leistung tatsächlich nicht geschuldet wird, kann ihre Verzögerung keine vorwerfbare Pflichtverletzung begründen 190. Ob es dabei wegen schwebender Unwirksamkeit des zugrunde liegenden Schuldverhältnisses schon an der Rechtsposition oder wie bei §§ 656, 762, 764 BGB am essentiale der Einziehungsbefugnis gebricht, ist gleichgültig. Stets fehlt es am Anspruch, an der Verpflichtung im Rechtssinne. Nicht so eindeutig ist demgegenüber, daß eine Forderung, soll ihre zeitliche Schlechterfullung durch den Schuldner Verzug begründen, durchsetzbar sein muß. Denn die fehlende Klagebefugnis berührt nicht den Bestand des Anspruchs; das Recht, die Leistung vom Schuldner einfordern zu dürfen, ist unabhängig von einer etwaigen Versagung darüber hinausgehender Rechtsbehelfe 191. Auf den ersten Blick aber scheint das Wesen des Verzugs allein darin zu bestehen, daß der

189 RGZ 168,261 [266]; Soergel-Wiedemann, § 284 Rn. 4; Diederichsen, JuS 1985, 825 [828]; Schreiber, Jura 1990, 193; MüKo-Thode, § 284 Rn. 11- 14; Palandt-Heinrichs, § 284 Rn. 11; Errnan-Battes, § 284 Rn. 14. 190 So schon D. 50, 17,88: "Nulla intellegitur mora ibi fieri, ubi nulla petitio". Fr. Mommsen, Mora, S. 25; Esser/Schmidt, Schuldrecht AT II, § 28 I, S. 107; Schreiber, Jura 1990,193. 191

Siehe oben. S. 55 f.

6 Hartmann

82

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

Schuldner nicht leistet, obgleich er dazu verpflichtet ist l92 • In der Obligationswidrigkeit liegt der Vorwurf. Ob dieser zudem davon abhängig zu machen ist, daß der Gläubiger die Verpflichtung notfalls auch gegen den Willen des Schuldners durchsetzen kann, ist demgegenüber durchaus fraglich. Die Antwort ist nicht zwingend vorgegeben, sondern wertend zu ermitteln. Dabei kommt dem Grund, aus dem im Einzelfall dem Anspruch die Durchsetzbarkeit versagt wird, maßgebliche Bedeutung zu.

aa) Die einredegehemmten Ansprüche Der Hauptfall fehlender Durchsetzbarkeit ist nach h.M. der durch eine Einrede "gehemmte" Anspruch l93 . Dabei ist man sich einig, daß der Anspruch nur dann nicht mit Erfolg eingeklagt werden kann, wenn sich der Schuldner auf die Einrede berufen hat l94 • Die Eigenschaft seiner gerichtlichen Durchsetzbarkeit verliert der Anspruch also erst mit Geltendmachung der Einrede - die der außergerichtlichen freilich bereits mit deren Entstehen (§ 390 S. 1 BGB).

192 So stellen Fr. Mommsen, Mora, S. 25; Schreiber, Jura 1990, 193; EsseriSchmidt, Schuldrecht AT 11, § 28 I, S. 107, die (schuldhafte) Nichtbeachtung der Verpflichtung durch den Schuldner als Wesen des Verzugs heraus. 193 Siehe die Nachweise in Fußnote 100. Demgegenüber will die Gegenauffassung mit der Geltendmachung der Einrede bereits eine Neutralisierung des Verlangendürfens, der Einziehungsbefugnis, annehmen (insbesondere Rimmelspacher, Anspruch, S. 53 f.; widersprüchlich Roth, Einrede, S. 54 f., der sich einerseits zur Position Rimmelspachers bekennt, andererseits aber meint, dem verjährten Anspruch sei die Durchsetzbarkeit, nicht aber die übrigen Anspruchsfunktionen genommen). Das Gesetz scheint demgegenüber zumindest im Fall des Verjährung davon auszugehen, daß der Bestand des Anspruchs mit dem Element des Verlangendürfens - unberührt bleibt. Nach § 223 BGB bleibt dem Gläubiger einer veIjährten Forderung nämlich die Möglichkeit erhalten, die Befriedigung aus einer für die Forderung bestellten Sicherheit zu suchen. Es ist aber schwer denkbar, daß der Gläubiger letztlich Befriedigung der Forderung erlangen kann, ohne zumindest ihre Erfüllung verlangen zu dürfen. Der Schluß bestätigt sich anhand des Sonderfalls des § 390 S. 2 BGB, wo die außergerichtliche Durchsetzbarkeit der verjährten Forderung im Wege der Aufrechung logisch den Fortbestand der Einziehungsbefugnis voraussetzt: Haftung ohne Schuld ist hier nicht denkbar. 194

Siehe nur Larenz, Schuldrecht AT, § 23 I, S. 351; Staudinger-Löwisch, § 284 Rn. 10.

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

83

Der äußerst umstrittene Zusammenhang zwischen Einrede und Verzugsfahigkeit l9S erschließt sich, wenn man sich die dogmatische Konstruktion der Einrede vergegenwärtigt. Das Gesetz spricht im Zusammenhang mit einer Einrede regelmäßig von der Befugnis des Schuldners, die "Leistung zu verweigern" (exemplarisch: § 222 Abs. 1 BGB, in der Sache gleichbedeutend §§ 478 Abs. 1,821 BGB). Die Einrede wird mit Recht als Gegenrecht des Schuldners gegen das Leistungsrecht des Gläubigers gedeutetl 96 • Der Gesetzgeber hat dabei bewußt nicht die mögliche Konstruktion eines auf das Erlöschen des Anspruchs angelegten Gestaltungsrechts gewählt l97 . Vielmehr stellt der Gesetzgeber neben das kategorische "du mußt" des Leistungsbefehls ein "wenn du nicht will, brauchst du nicht"198. Bereits mit der Gewährung dieser Leistungsverweigerungsbefugnis provoziert der Gesetzgeber eine Kollisionslage zwischen gleichzeitigem Fordernund Verweigerndürfen her. Schon die Konzession des "wenn du nicht willst, brauchst du nicht" stellt es dem Belieben des Schuldners anheim, ob er leistet oder nicht. Diese Einräumung prinzipiell willkürlich ausübbarer Rechtsmacht aber schließt aus, daß zugleich aus dem bloßen Unterlassen der Leistung der Vorwurf der rechtswidrigen Verletzung des Anspruchs des Gläubigers erwächst l99 . Im Fall des Anspruchs, dem eine Einrede entgegensteht, ist es also die Existenz eines selbständigen Gegenrechts des Schuldners, welche die Durchsetzbarkeit einschränktloo und den Eintritt des Schuldnerverzugs trotz fortbestehender Verpflichtung bei wertender Betrachtung als nicht gerechtfertigt erscheinen läßt.

195 Nachweise zum Meinungsstand bei Larenz, Schuldrecht AT, § 23 I, S. 35f., und Staudinger-Löwisch, § 284 Rn. 10.

196 v. Thur, AT I, § 17 V, S. 298; Larenz, AT, § 14 II, S. 248; Gernhuber, Schuldverhältis, § 4 IV 1, S. 82; Hübner, AT, Rn. 438. 197

So aber die Deutung von E. Wolf, AT, § 6 EIl, S. 293.

198

Hübner, AT, Rn. 439.

199 Daraus erhellt, daß - zumindest im Ansatz - der Verzug bereits mit dem Bestehen einer Einrade ausgeschlossen ist. Der Gestaltungscharakter der Einrede verlangt freilich die Konzession ab, daß die Einrede später im Prozeß geltend gemacht wird. Näher zu diesem Ansatz Larenz, Schuldrecht AT, § 23 I, S. 350 f.; Fikentscher, Schuldrecht, Rn. 362; BGHZ 34, 191 [197]; 48, 249 [250]; 104,6 [11]. Zum Streitstand ausführlich Staudinger-Löwisch, § 284 Rn. 9-19. 200 Die gerichtliche Durchsetzbarkeit wird freilich erst mit Geltendmachung des Gegenrechts ausgeschlossen.

6*

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

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bb) Die nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflichten Anders stellt sich die Bewertung dagegen bei den nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflichten dar. Diese entbehren nicht etwa deswegen der Durchsetzbarkeit, weil ein von der Rechtsordnung unter besonderen Voraussetzungen gewährtes selbständiges Gegemecht besteht. Sie sind vielmehr aus anderen Gründen anfänglich und stets nicht erzwingbar. Die Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht ist allein deshalb ausgeschlossen, weil eine den Gläubiger in besonderem Maße belastende Erzwingbarkeit nicht im erforderlichen Maße von einem berücksichtigungsbedürftigem Interesse des Schuldners getragen isfo l . Dieser Hintergrund rechtfertigt oder verlangt keineswegs auch den Ausschluß anders gearteter Rechtsbehelfe in Form von Sekundäransprüchen, hier wegen Verzugs. Im Gegenteil: Um die nicht zwangsweise durchsetzbare Rechtsposition nicht völlig schutzlos zu stellen, bedarf es der Bewehrung mit einem Schadensersatzanspruch 202 . Fehlende Erzwingbarkeit und der fiir den Verzug wesensmäßige Vorwurf der pflichtwidrigen Unterlassung der Leistung bilden daher hier - anders als beim Bestehen eines selbständigen Gegemechts des Schuldners - keinen Widerspruch. Oder, mit Wiedemann203 gesprochen: Das Fehlen eines durchsetzbaren Erfiillungsanspruchs hindert hier "weder gedanklich noch sachlich das Bestehen von sekundären Rechtsbehelfen wegen schuldhafter Unterlassung der gebotenen Mitwirkung". Wegen der spezifischen Gründe fiir das Fehlen der Durchsetzbarkeit einer Mitwirkungspflicht steht diese Unvollständigkeit des Rechtsbehelfsarsenals der Verzugsfahigkeit nicht entgegen. Die Durchsetzbarkeit ist daher hier - anders als etwa in dem Fall, in dem diese aufgrund eines Gegenrechts des Schuldners ausgeschlossen ist - keine ungeschriebene Voraussetzung des Verzugs 204 •

201

Eingehend dazu oben, S. 60-63.

202 Stürner, JZ 1976, 384 [388 f.], will vom durchsetzbaren Erfüllungsanspruch nur absehen, wenn dem Schutzinteresse durch einen Schadensersatzanspruch entsprochen ist. 203 Soergel-Wiedemann, vor § 275 Rn. 400, der freilich die Verzugsfähigkeit nicht erzwingbarer Mitwirkungspflichten verneint und statt dessen die pFV zur Anwendung bringen will. 204 Genauso ist die Problematik derjenigen Schutzpflichten zu behandeln, die nur deshalb nicht einklagbar sind, weil in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Rechtsschutzes überholt ist (siehe dazu oben, S. 65 f.). Auch diese sind prinzipiell durchaus verzugsfähig. Das gilt auch für die Schutzpflichten,die vom Schuldner ein Unterlassen verlangen. Zwar ist streitig, ob der Verzug mit einer Unterlassungspflicht begrifflich

3. Abschnitt: Rechtsfolgen pflichtwidriger Unterlassung der Mitwirkung

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b) Die Rechtsfalgen des Verzugs mit einer nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflicht Steht aber die versagte Erzwingbarkeit einer Mitwirkungspflicht im Hinblick auf den Verzug einer Gleichbehandlung mit der durchsetzbaren Ausprägung nicht entgegen, ergibt sich insoweit auch ein einheitliches Rechtsfolgensystem: Hier wie dorfes ist aus § 286 Abs. 1 BGB der Verzögerungsschaden zu ersetzen. Dagegen führt der Verzug mit einer nicht durchsetzbaren Mitwirkungspflicht in aller Regel nicht zum Schdensersatz wegen Nichterfüllung: Im Rahmen des § 286 Abs. 2 BGB wird es regelmäßig am Interessefortfall fehlen; daß eine wegen der Interessenlage bereits nicht durchsetzbare Mitwirkungspflicht danach gleichwohl als Hauptpflicht i.S.d. § 326 Abs. 1 BGB einzuordnen wäre, ist ausgeschlossen. Ein Schadensersatzanspruch auf das Interesse wäre im übrigen ebensowenig durchsetzbar wie der primäre Anspruch auf Leistung 206 .

überhaupt denkbar ist (dag. die h.M., etwa Fr. Mommsen, Mora, S. 32; E. Wolf, Schuldrecht AT, § 9 G I c, S. 490; RGRK-Aiff, § 284 Rn. 3; Erman-Battes, § 284 Rn. 7; Staudinger-Löwisch, Vorbem. zu §§ 284 ff. Rn. 8, die stets von Unmöglichkeit augeht). Wie auch sonst beim Verzug, so ist jedoch auch hier maßgeblich, ob die Leistung - die geschuldete Unterlassung eines Verhaltens - noch "nachgeholt", das rechtswidrige positive Tun also noch aufgegeben werden und damit das Gläubigerinteresse auch noch befriedigt werden kann. In Betracht kommt das immer dann, wenn die Unterlassung über eine gewisse Dauer geschuldet ist (so zutr. MüKo-Thode, § 284 Rn. 27). War die Unterlassung dagegen zu einem bestimmten Zeitpunkt gefordert, also gewissermaßen ein "Fixgeschäft", kann das Gläubigerinteresse durch ein Unterlassen zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr befriedigt werden (Bsp.: Der einmal vom Gerüst gefallene Farbeimer hat den Bauherm bereits besudelt.). Es liegt Unmöglichkeit vor (vgl. RGZ 70, 439 [441]; BGHZ 37, 147 [151]). Greifen aber auch bei Schutzpflichten die üblichen Kriterien, mit denen Verzug von der Unmöglichkeit abgegrenzt wird, ist kein Grund ersichtlich, die Verletzung der Schutzpflicht nicht entweder nach Verzugs- oder Unmöglichkeitsregeln zu behandeln. Auch auf die Schutzpflicht, auch die nicht durchsetzbare, sind mithin §§ 286, 280 BGB anwendbar (vgl. Motzer, JZ 1983, 884 [888 f.], flir § 280 BGB). Für die pFV bleibt insoweit entgegen h.M. kein Raum. 205

Siehe flir die durchsetzbare Mitwirkungspflichten eingehend oben, S. 76-78.

206

Es gilt insoweit das zum Anspruch aus § 280 BGB Ausgeflihrte, siehe oben, S. 81.

3. Kapitel: Die Verschuldenshaftung

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3. Positive Forderungsverletzung Wird somit die unterlassene, aber nachholbare Mitwirkung unabhängig von ihrer Durchsetzbarkeit von den Verzugsregeln erfaßt, stellt sich auch die Funktion der pFV in gleicher Weise dar wie bei der erzwingbaren Mitwirkungspflichtz°7 • Ihr Anwendungsbereich ist auch hier auf den qualifIzierten Fall beschränkt, in dem in der Unterlassung der Mitwirkung zugleich ein Angriff auf den gesamten Vertrag, eine Vertragsaufsage liegt. Darin liegt eine Verletzung der allgemeinen Treuepflicht, die als pFV bei Unzumutbarkeit der Vertragsfortführung die Rechte aus § 326 BGB auslöst. Da diese Verletzung die der speziellen Mitwirkungspflicht überlagert, kommt es fur einen solchen Anspruch auf die Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht nicht an.

4. Zwischenergebnis Auch im Fall der nicht erzwingbar ausgestalteten Mitwirkungspflicht des Gläubigers führt die zu vertretende Unterlassung der Mitwirkung im Ergebnis zu einem Schadensersatzanspruch nach § 286 Abs. 1 BGB. Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung sind im Fall der nachträglichen Unmöglichkeit (§ 280 BGB) und bei Interessefortfall (§ 286 Abs. 2 BGB analog), denkbar, wären jedoch wie der Prirnäranspruch nicht erzwingbar. Ein Anspruch aus § 326 Abs. 1 BGB scheitert am Erfordernis einer Hauptleistungspflicht. Liegt in der Unterlassung der Mitwirkung im Einzelfall zugleich eine Vertragsaufsage oder schwerwiegende Vertragszweckgefahrdung, so eröffnet das als pFV der allgemeinen Treuepflicht darüber hinaus die Rechte analog § 326 BGB.

207

Dazu oben, S. 78 f.

4. Kapitel

Die Rechtsfolgen für den Leistungsanspruch des Gläubigers Nachdem das Augenmerk bislang den Auswirkungen der unterlassenen Mitwirkung auf die Rechtposition des Schuldners galt, ist abschließend zu untersuchen, welche Folgen sich für die des Gläubigers ergeben. Klar ist dabei, daß der Gläubiger aus der von ihm verursachten Blockade der Leistungserbringung durch den Schuldner keine für ihn positiven Rechtsfolgen herleiten kann. Läßt sich im Einzelfall diese Ergebnis nicht konstruktiv herleiten, ist auf § 242 BGB Rückgriff zu nehmen. So wäre es offensichtlich treuwidrig, wenn ein Werkbesteller die von ihm verursachte Verzögerung der Werkerstellung dazu nutzen wollte, sich über eine auf die Verzögerung gestütze Wandlung nach § 634 Abs. 1,636 Abs. 1 BGB aus dem Vertrag zu stehlen und damit mit der Kündigung nach § 649 BGB verbundene Vergütungspflicht zu umgehen. Im Zentrum aber steht die immer wieder die Gerichte beschäftigende Frage nach der Verzugsfähigkeit des Erfüllungsanspruchs des Gläubiger, den dieser selbst blockiert. Die typische Einkleidung ist, daß der Gläubiger die Erforderlichkeit einer Mitwirkung in Abrede stellt und erst Leistung verlangt, schließlich nach Ablauf der Nachfrist die Rechte aus § 326 Abs. 1 BGB geltend macht'. Die Erforderlichkeit einer Mitwirkung unterstellt, fragt sich dann, ob der Schuldner mit seiner Leistung in Verzug ist, oder vielmehr, da der Ausschluß des Verzugs dem allgemeinem Rechtsempfmden 2 und einhelliger Ansicht entspricht: weshalb nicht. Die fehlende Verzugsfähigkeit der vom Gläubiger selbst blockierten Leistung wird ganz überwiegend darauf gestützt, eine Mahnung des Gläubigers sei im

I Siehe etwa die Sachverhalte in BGH, NJW -RR 1988, 1396, und BGH, NJW -RR 1994, 1469.

2 Schon für die Verfasser des BGB stand fest, daß "solange der Gläubiger die entsprechende Thätigkeit nicht vornimmt und der Schuldner aus diesem Grunde zu erfüllen außerstande ist, von Verzug des Schuldners keine Rede sein kann" (Motive II, S. 59).

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4. Kapitel: Die Rechtsfolgen für den Leistungsanspruch des Gläubigers

Falle einer erforderlichen Mitwirkung nur wirksam, sofern dieser vor oder mit der Leistungsaufforderung die ihm obliegende Handlung vornimmt3. Dies gelte für alle Konstellationen, in denen vom Gläubiger mehr verlangt ist als die bloße Annahme der Leistung, also auch für den Fall der Holschuld4 . Eine konstruktive Begründung hierfür wird zumeist nicht gegeben. Sie dürfte aber im Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) zu finden seinS. Demgegenüber wird vereinzelt und ohne weitere Begründung vertreten, die Leistungsblockade durch den Gläubiger schiebe bereits die Fälligkeit der Leistung auF. Die spezielle Konstellation der fehlenden Fähigkeit oder Bereitschaft zur Annahme selbst will Gurski über eine spiegelbildliche analoge Anwendung des § 297 BGB erfassen: Danach kommt der Schuldner nicht in Verzug, wenn der Gläubiger nicht annahmefahig oder -willig ist. Überwiegend wird schließlich als sedes materiae der Problematik das Verschulden (§ 285 BGB) angesehen8• Welchem der vorgeschlagenen Wege man folgt, ist nicht allein eine Frage der bloßen Konstruktion, sondern ist von nicht zu unterschätzender praktischer Bedeutung: Hinsichtlich der oft streitigen Schlüsselfrage, ob eine Mitwirkungshandlung überhaupt geschuldet ist und ob sie der Gläubiger bereits vorgenommen hat, ist nämlich bei allen Ansätzen der Schuldner darlegungs- und beweisbelastet9 . Eine Ausnahme gilt nur für den Fälligkeitsansatz: Die Voraussetzung der Fälligkeit hat nach allgemeinen beweisrechtlichen Grundsätzen der Gläubiger darzulegen und zu beweisen.

3 BGH, WM 1971, 1268 [1270]; Ennecceros/Lehmann, Schuldrecht, § 51 II 2 b, S. 219; MüKo-Thode, § 284 Rn. 36; Staudinger-Löwisch, § 284 Rn. 42; Erman-Battes, § 284 Rn. 25; Soergel-Wiedemann, § 284 Rn. 30. 4

BGH, NJW -RR 1990, 442 [444], sowie die Nachweise in der vorhergehenden Fußn.

5

So wohl MüKo-Thode, § 284 Rn. 36.

6 So offenbar RG, JW 1908, 194; aLG Stuttgart, eR 1995, 222 (LS); Marly, Softwareüberlassungsverträge, Rn. 534. 7

AcP 173 (1973), S. 451 [455]; ihm folgend z.B. Soergel-Wiedemann, § 284 Rn. 30.

8 BGH, NJW-RR 1994, 1469 [1470 f.]; Planck-Siber, § 284 Anm. 7 b; Larenz, Schuldrecht I, § 25, S. 388. 9 Für die Ansätze, die auf § 285 oder § 297 BGB analog zurückgreifen wollen, ist das klar, vgl. Gursky, AcP 173 (1973), S. 458. Aber auch bei der Neutralisierung der Mahnung über § 242 BGB obliegt dem, der sich auf diese Norm beruft, die Darlegung und der Beweis ihrer Voraussetzungen.

4. Kapitel: Die Rechtsfolgen für den Leistungsanspruch des Gläubigers

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Erhellend für diese Fragestellung ist die Registrierkassen-Entscheidung des BGH IO • Der Beklagte hatte sich verpflichtet, dem Kläger von ihm zu programierende Registrierkassen zu vermieten, und zwar 14 Tage nach Übergabe der vom Kläger zu liefernden Programmunterlagen. Der Kläger unterließ die Mitwirkung, ging jedoch nach § 326 Abs. 1 BGB vor. Der BGH verneinte zurecht den Verzugseintritt, weil die Leistung des Beklagten (die Nutzungseimäumung an den Kassen) angesichts der ausdrücklichen vertraglichen Fälligkeitsbestimmung - 14 Tage nach Vornahme der Mitwirkungshandlung - nicht j{illig war. Wenn die Fälligkeit kraft ausdrücklicher Regelung an die vorherige Mitwirkung gekoppelt ist, wird damit also die Einordnung vorgezeichnet: Der Verzug scheitert schon an der Fälligkeit der Leistung. Nichts anderes kann aber gelten, wenn es an einer ausdrücklichen vertraglichen Erfassung des faktischen Abhängigkeitsverhältisses zwischen Vornahme der Mitwirkung und Leistung fehlt. Die Fälligkeit einer Leistung, d.h. der Zeitpunkt des rechtlichen Verlangendürfens, ergibt sich, wie § 271 Abs. 1 BGB klarstellt, primär aus dem Schuldverhältnis und den dieses prägenden Umständen, erst dann aus der Zweifelsregelung des Gesetzes. Ist aber die Leistung ohne vorbereitende Mitwirkung nicht möglich, so kann dem hierfür verantwortlichen Gläubiger schwerlich von Rechts wegen die Befugnis zuerkannt werden, die Leistung verlangen zu dürfen: impossibilium nulla obligatio. Gewissermaßen aus der Natur der Sache heraus ist daher die Fälligkeit der Leistung hinausgeschoben, bis der Gläubiger die ihm abverlangte Mitwirkungshandlung vorgenommen hat. Anderes gilt freilich, wenn die Mitwirkung des Gläubigers allein in der Entgegennahme der Leistung besteht. Denn die bisherige Nichtannahme schließt ersichtlich nicht die Befugnis aus, die Leistung gleichwohl sofort (erneut) verlangen zu dürfen. In diesen Fällen der bloßen Annahmebedürftigkeit einer Leistung läßt sich folglich nicht mit dem Fälligkeitsaspekt operieren. Hier ist jedoch, wie Grunsky überzeugend dargelegt hat, in der Tat die Analogie zu § 297 BGB geboten!!: Der Verzugseintritt ist ausgeschlossen, wenn der Gläubiger nicht annahmebereit oder -willig ist 12 • Eines Rekurses auf das Verschuldenserfordernis

10

LM Nr. 46 zu § 305 BGB = NJW-RR 1988, 1396.

II Daß Schuldnerverzug nicht eintritt, wenn der Gläubiger zur Empfangnahme nicht bereit ist, war schon im gemeinen Recht anerkannt. Siehe v. Madai, Mora, S. 513 f.

12 Wenn in den Fällen bloßer Annahmebedürftigkeit sich der Gläubiger bereits im Gläubigerverzug befindet, ist, solange dieser besteht, der gleichzeitige Eintritt des Schuldnerverzuges bereits begrifflich ausgeschlossen. Zu Letzterem bedarf es der Beendigung

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4. Kapitel: Die Rechtsfolgen für den Leistungsanspruch des Gläubigers

bedarf es auch hier ebensowenig wie der Neutralisierung einer Mahnung mittels § 242 BGB. Letzterer Ansatz der h.M. hilft ohnehin nicht in den Fällen des Verzugs ohne Mahnung (§ 284 Abs. 2 BGB).

des Gläubigerverzugs durch unmißverständliche Erklärung der Bereitschaft zur obligationsmäßigen Annahme durch den Gläubiger sowie der zugleich tatsächlich vorliegenden Annahmebereitschaft (§ 297 BGB analog).

5. Kapitel

Die Zusammenfassung der Ergebnisse und Schluß betrachtung I. Die vorherrschende Konzeption. Die ganz überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur ordnet die zur Leistungserbringung durch den Schuldner erforderliche Mitwirkung des Gläubigers grundsätzlich als Gegenstand einer bloßen Obliegenheit ein. Die Rechtsfolgen einer unterlassenen Mitwirkung werden folgerichtig im Ansatz auf die im Recht des Gläubigerverzugs geregelten begrenzt. Dennoch besteht offenbar ein überwiegend empfundenes, gleichwohl selten offen ausgesprochenes Bedürfnis, der solchermaßen beschränkten Sekundärebene auch Elemente der Verschuldenshaftung beizuordnen. Um das in konstruktiv angängiger Weise zu erreichen, muß die h.M. die Ebene der nicht "pFV-fähigen" Obliegenheit verlassen und auf die allgemeine Treuepflicht Rekurs nehmen. Diese ist aber nur verletzt, wenn ein Angriff auf das gesamte Vertragsgeflige vorliegt. Dieser Weg bietet folglich nur flir jene Fälle eine Lösung, in denen in der Unterlassung der Mitwirkung zugleich eine Vertragszweckgefährdung oder Vertragsaufsage liegt, die zudem das Festhalten am Vertrag unzumutbar macht. Nur flir diese Fälle eröffnet sich die Verschuldenshaftung, und zwar auf Basis einer pFV analog § 326 Abs. 1 BGB (Schadensersatz wegen Nichterflillung und Rücktritt). In all den anderen Fällen der bloßen Verzögerung oder der Unmöglichkeit bleibt die Anwendbarkeit der Verschuldenshaftungsregeln damit zwangsläufig versagt. Das bedeutet praktisch vor allem: Der Ersatz des schlichten Verzögerungsschadens bleibt grundsätzlich ausgeschlossen, sofern er nicht als Posten im Rahmen des unter erheblichen zusätzlichen Voraussetzungen gewährten Nichterflillungsschadensersatzes analog § 326 Abs. 1 BGB erscheint.

11. 1. Gesetzliche Mitwirkungspflicht. Nach hier vertretener Ansicht ist der Gläubiger einer Leistung stets gern. § 242 BGB zur Vornahme der Mitwirkungshandlungen verpflichtet, die flir die Leistungserbringung durch den Schuldner unverzichtbar sind.

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5. Kapitel: Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

a) Dogmatische Herleitung. Die Mitwirkung ist Gegenstand einer Nebenleistungspflicht des Gläubigers. Die Parteien versprechen einander im Vertragsschluß die Einhaltung und Förderung des Handlungsprogramms, das zum Erreichen des Vertragszwecks erforderlich ist. Die Mitwirkung als Voraussetzung für den Leistungsaustausch ist daher gewissermaßen aus dem Vertragsschluß selbst heraus geschuldet. Daneben kann der Gläubiger im Einzelfall unter dem Aspekt der Schutzpflicht (§ 242 BGB) zur Mitwirkung verpflichtet sein. Das ist der Fall, wenn ohne die Vornahme der Mitwirkungshandlung anderweitige Rechtsgüter oder Vermögens interessen des Schuldners gefährdet oder verletzt werden. b) Durchsetzbarkeit. Selbständig durchsetzbar ist die gesetzliche Mitwirkungspflichtjedoch nur in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen (§§ 433 Abs. 2,640 Abs. 1 BGB, § 375 HGB) sowie dort, wo die Interessenlage dies verlangt: im Arbeitsrecht und grundsätzlich dann, wenn die Mitwirkung im Einzelfall auch Gegenstand einer Schutzpflicht ist.

2. Vertragliche Mitwirkungspflicht - Durchsetzbarkeit. Die Mitwirkungspflicht weist zudem eine vertragliche Grundlage auf, wenn die Vertragsparteien die Frage der Mitwirkung des Gläubigers im Vertrag geregelt haben. Einer solchen Regelung ist gern. §§ 133, 157 BGB stets verpflichtender Charakter beizumessen. Die vertragliche Mitwirkungspflicht ist selbständig durchsetzbar, wenn dies ausdrücklich bezeichnet oder dem Vertragskontext zu entnehmen ist (z.B. Vorhandensein eines Vertragsstrafeversprechens), im übrigen nur, wenn ausnahmsweise ein Interesse des Schuldners ersichtlich ist, seine Leistung tatsächlich zu erbringen. 3. Grundlagen des Rechtsfolgensystems. Es mag zunächst widersprüchlich erscheinen, durch Ableitung aus § 242 BGB oder Vertragsauslegung schuldrechtliche Mitwirkungspflichten zu konstituieren, ihnen sodann jedoch in weitem Umfang die gesonderte Durchsetzbarkeit zu versagen. Die Bedenken sind unberechtigt. Denn bei der Ableitung von Pflichten aus § 242 BGB ebenso wie bei der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB darf den zu schützenden Interessen nur soweit Rechung getragen und die entgegenstehenden dürfen nur so weit beeinträchtigt werden, wie das zum Interessenausgleich nach Treu und Glauben erforderlich und verhältnismäßig ist. Dann aber ist die selbständige Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht als Belastung des Gläubigers zu versagen, wenn den Schuldnerinteressen anderweitig hinreichend Rechnung getragen ist. In diesem Kontext hat sich gezeigt, daß dies in weitestem Umfang auch ohne Durchsetzbarkeit der

5. Kapitel: Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

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Mitwirkungspflicht gewährleistet ist. Denn schon der stets kraft Gesetzes gegebene Tatbestand der Verpjlichtung allein eröffnet bereits den Weg zu einem differenzierten System der Verschuldenshaftung unabhängig davon, ob die Pflicht selbständig durchsetzbar ist oder nicht. Von einem anderen dogmatischen Ausgangspunkt aus nähert sich der hier vertretene Ansatz - im Ergebnis - dem aus konstruktiven Gründen zurecht abgelehnten Ausgangspunkt der BGH-Rechtsprechung nach dem Krieg: Das Gericht sah in BGHZ 11,80 - vom Ergebnis her durchaus sachgerecht - die nicht einklagbare Obliegenheit der Mitwirkung als Anknüpfung für eine Verschuldenshaftung auf Basis der pFV. Der hier vertretenen Auffassung zufolge liegt die Anknüpfung für die Verschuldenshaftung systemgerechter in der oft ebenfalls nicht einklagbaren Mitwirkungspjlicht - mit im Ergebnis vergleichbaren Konsequenzen.

III. Rechts/algen fiir die Position des Schuldners bei unterlassener Mitwirkung des Gläubigers. Zusammenfassend ergeben sich bei einer unterlassenen Mitwirkung des Gläubigers in Kumulation der Folgen von Gläubigerverzug und Verschuldenshaftung umfassende Rechtsfolgen zugunsten des Schuldners: 1. Primärebene. Neben dem Übergang der Gegenleistungsgefahr (§ 324 Abs. 2 BGB) bewirken die Regeln über den Gläubigerverzug, daß der Schuldner ohne vorherige Erbringung der Leistung seine Vergütung bedingt einklagen und solange der Gläubigerverzug fortdauert - unbedingt vollstrecken kann (§§ 322 Abs. 2, 3, 274 Abs. 2 BGB). Demgegenüber kann der Schuldner die eigene Leistungserbringung außerhalb des Arbeitsrechts unmittelbar nur erzwingen, wenn die erforderliche Mitwirkung des Gläubigers entweder gesetzlich ausdrücklich geregelt oder Gegenstand einer Schutzpflicht oder auf vertraglicher Grundlage selbständig durchsetzbar ausgestaltet ist. Die Durchsetzung erfolgt gegebenfalls im Wege der Klage und der Vollstrekkung nach §§ 887, 888 ZPO oder des einstweiligen Rechtsschutzes (Leistungsverfügung). Vertretbaren Mitwirkungshandlungen kann der Schuldner, soweit ihm Vertrag und Gesetz das im Einzelfall gestatten, ersatzweise vornehmen. Ob der Schuldner die dazu aufgewendeten Kosten erstattet verlangen kann, richtet sich nach dem Vertrag und dem Gesetz. In Betracht kommt insbesondere ein Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag.

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5. Kapitel: Zusammenfassung und Schlußbetrachtung

2. Sekundärebene. Außer den begrenzten Sekundäransprüchen auf Grundlage des Gläubigerverzugs eröffnet sich zusätzlich ftir durchsetzbare wie nicht durchsetzbare Pflichten ein einheitliches Spektrum der Verschuldenshaftung. Im Fall der bloßen Verzögerung ist der durch diese entstandene Schaden des Schuldners ersatzfähig: Unabhängig von der Durchsetzbarkeit der Mitwirkungspflicht im Einzelfall folgt das aus § 286 Abs. 1 BGB. Dagegen scheidet ein Ersatz des Nichterftillungsschaden (§§ 286 Abs. 2, 326 Abs. 1 BGB) regelmäßig aus. Liegt in der Verzögerung zugleich ein Angriff auf den gesamten Vertrag, ist darin - zusätzlich zur Verletzung der Mitwirkungspflicht - eine pFV der allgemeinen Treuepflicht zu erblicken. Es werden die Rechte aus § 326 Abs. 1 BGB analog gewährt, gleich, ob die Mitwirkungspflicht erzwingbar ausgestaltet ist. Praktisch weniger bedeutsam ist, daß bei nachträglicher Unmöglichkeit der Mitwirkungshandlung der Nichterftillungsschaden gern. § 280 BGB ersatzfähig ist. Dieser Anspruch ist allerdings im Fall der nicht erzwingbaren Mitwirkungspflicht als deren Surrogat ebenfalls nicht durchsetzbar. IV. Rechtsfolgen für die Position des Gläubigers bei von ihm unterlassener Mitwirkung. Aus der von ihm verursachten Blockades des Leistungserbringung durch den Schuldner kann der Gläubiger keine ihm günstigen Rechtsfolgen herleiten. Dem steht, fehlt es im Einzelfall an einer anderen konstruktiven Begründung, jedenfalls § 242 BGB entgegen. Kann der Schuldner infolge der Unterlassung seine Leistung nicht erbringen, so gerät er mit seiner Verpflichtung nicht in Verzug. Entgegen der h.M. scheitert der Verzug nicht erst am mangelnden Verschulden oder an der Anwendung des § 242 BGB: Liegt die unterlassene Mitwirkung in der Annahme selbst, so scheitert der Verzug bereits an § 297 BGB in analoger Anwendung (fehlende Annahmefähigkeit bzw. -bereitschaft). Unterläßt der Gläubiger eine Vorbereitungshandlung, so ist dadurch bereits der Fälligkeitseintritt gehemmt. Rechte des Gläubigers aus §§ 286, 326 BGB scheiden daher aus.

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