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German Pages 240 Year 2000
JÖRG WAIBLINGER
Die „Aufgabe" im Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 823
Die „Aufgabe" im Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes Zugleich ein Beitrag zum Handwerk der Verfassungsauslegung
Von
Jörg Waiblinger
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Waiblingen Jörg: Die „Aufgabe im Finanzverfassungsrecht des Grundgesetzes : zugleich ein Beitrag zum Handwerk der Verfassungsauslegung / Jörg Waiblingen - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 823) Zugl.: Augsburg, Univ., Diss., 1998 ISBN 3-428-09880-3
Alle Rechte vorbehalten © 2000 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-09880-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Vorwort
„Wir dürfen ja nicht naturwissenschaftliche Untersuchungen anstellen aufgrund leerer Behauptungen oder gar Anordnungen, sondern so wie es die Erscheinungen verlangen; denn nicht Unvernunft und leerer Wahn bringen unserem Leben Nutzen, wichtig ist nur, daß es ohne Beunruhigung dahingehe. Alles vollzieht sich ohne Erschütterungen und im Einklang mit den Erscheinungen, wenn alles auf mehrfache Weise erklärt werden kann. Wir müssen nur bei dem bleiben, was ein Forscher mit einleuchtenden Gründen darüber vorgebracht hat. Wenn jemand das eine bestehen läßt, das andere aber verwirft, obwohl es in gleicher Weise mit den Erscheinungen übereinstimmt, dann verläßt er ganz offenkundig den Bereich der naturwissenschaftlichen Forschung und gleitet in den Mythos ab." (Epikur,
Brief an Pythokles)
Die Weltanschauungslehre, auf der diese Gedanken beruhen, ist nicht tauglicher Gegenstand juristischer Überlegungen. Hier soll allein die beschriebene traditionelle Methodik der Naturwissenschaften interessieren. Diese Methodik ist nicht ohne weiteres auf die Rechtswissenschaft übertragbar. Der juristische Diskurs befaßt sich in weiten Bereichen mit Wertungen. Wenn über diese Wertungen zwischen den maßgeblichen Diskursteilnehmern Konsens besteht, wird nicht selten die von Epikur so sehr betonte Unterscheidung zwischen den „einleuchtenden Gründen" einerseits und dem „Mythos" andererseits beim juristischen Argumentieren für ohne praktische Bedeutung und daher fur unwesentlich gehalten. Gerade im Finanzverfassungsrecht, bei dem juristische Überlegungen oft ganz erhebliche finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen, wird nicht selten allein mit Blick auf das praktische Ergebnis argumentiert. Das Vertrauen auf „einleuchtende Gründe", auf die Überzeugungskraft rechtstechnischer und ohne Ansehen der Person entwickelter, gewissermaßen „handwerklicher" Argumente, ist gerade auf diesem Rechtsgebiet nicht immer sehr ausgeprägt. Die vorliegende Untersuchung versucht, die Grundlagen „handwerklichen" Argumentierens im Finanzverfassungsrecht zu festigen und dadurch die
6
Vorwort
Grenzen, jenseits derer sich die letztlich unausweichlichen Wertungsfragen stellen, zu überprüfen. Sie wurde im Sommer 1998 abgeschlossen und im Wintersemester 1998/99 von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Herrn Professor Reiner Schmidt, der diese Arbeit mit großer Umsicht betreut hat, und Herrn Professor Wolfgang Jakob, der die Mühe des Zweitgutachtens auf sich genommen hat, danke ich vor allem für die äußerst zügige und unkomplizierte Abwicklung im Promotionsverfahren.
Hamburg/Ulm, 17. Februar 1999 Jörg Waiblinger
Inhaltsverzeichnis Einleitung
11
( 1 ) Die „Aufgabe" im öffentlichen Recht (2) Der sogenannte finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff
27 30
Erster Teil
Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" ( 1 ) Ausnahmen vom Konnexitätssatz (2) Von der Konnexität im Bund-Länder-Verhältnis
A. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich 1. Finanzierung als kompetenzrechtlich relevantes Staatshandeln
34 38 40
43 46
a) Die „Aufgabe" als Verteilungsmaßstab
47
b) Umgehungsversuche
50
( 1 ) Ungeschriebene Kompetenzen (2) Ungeschriebene „Finanzierungskompetenzen" 2. Der Schluß von der „Aufgabe" auf die Finanzierungslast a) Materielle Theorien ( 1 ) Die Theorie der Deckungsverantwortung (2) Ein Gegenmodell: Australien b) Die formaljuristische Lösung ( 1 ) Pragmatische Lösung (2) Dogmatische Begründung
51 54 57 58 58 61 62 66 70
8
Inhaltsverzeichnis
Β. Konnexität als Lastentragungsregel 1. Der Schluß von der Kompetenz auf die „Aufgabe" a) Der Letztvollzug als grundsätzlich rechtserhebliche Kostenursache ( 1 ) Das Kriterium der unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit (2) „Unmittelbarkeit"
75 79 81 84 86
b) Indifferenz gegen Mittelbarkeit ( 1 ) „Unmittelbarkeit" in der Rechtsprechung der Fachgerichte (2) Tendenzen und Perspektiven 2. Das Prinzip der Vollzugskausalität
89 90 92 98
a) Von Rechtsprinzipien und Rechtsbegriffen
99
b) Zur Einordnung des Art. 104a Abs. 1 GG
102
Zweiter Teil
Das Fremdfinanzierungsverbot (Art. 104a Abs. 1 GG) ( 1 ) Das „Gemengelage"-Argument (2) Begrenzte Tragweite
A. Die „Bestellungsfölle" ( 1 ) „Selbständiger" und „Funktionär" (2) Konsequenzen im Finanzverfassungsrecht 1. „Bestellungsfölle" als Prüfstein für Rechtsdogmatik
107 114 116
118 120 123 130
a) Indirekte Bestimmung der Kostenlast
133
b) Kompetenzprobleme
135
2. Von der Zulässigkeit einer Bestellung kostenpflichtiger Fremdleistungen .. 139 a) Der Grundsatz der Ausgabentrennung
143
b) Die Ausnahmen (Art. 104a Abs. 1, 2. HS GG)
148
Inhaltsverzeichnis Β. Aufgabenzuweisung aus Einzelermächtigungen
9 151
(1) Die Trennung zwischen Kompetenzrecht und Finanzverfassungsrecht
158
(2) Die „Aufgabe" - ein Begriff des Kompetenzrechts
163
1. Einzelermächtigungen zur Bund-Länder-Finanzierung a) Gemeinschaftsaufgaben, Art. 91 a, 91 b GG
166 168
b) Auftragsverwaltung, Art. 104a Abs. 2 GG
172
c) Geldleistungsgesetze, Art. 104a Abs. 3 GG
178
d) Finanzhilfen, Art. 104a Abs. 4 GG
185
e) Mehrbelastungsausgleich, Art. 106 Abs. 4 Sätze 2, 3 GG
187
f) Sonderlastenausgleich, Art. 106 Abs. 8 GG
188
g) Öffentlicher Personennahverkehr, Art. 106a GG
188
h) Ergänzungszuweisungen, Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG
190
i) Kriegsfolgelasten, Art. 120 GG
198
j) „Gemeinsamer Nenner"
199
2. Die kompetenzrechtliche Generalklausel des Art. 35 Abs. 1 GG a) Amtshilfe im Verwaltungsrecht ( 1 ) Keine eigene Aufgabe (2) Ergänzende Hilfe b) Amtshilfe im Verfassungsrecht
202 209 211 212 213
Zusammenfassung in Thesen
219
Literaturverzeichnis
223
Sachverzeichnis
235
Einleitung Knappe Kassen verschärfen bundesstaatliche Verteilungskonflikte. Praktisch alle Gebietskörperschaften weisen Haushaltsdefizite auf. Prof. Gerhard Seiler, Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe und seinerzeit Präsident des Deutschen Städtetages, formulierte das in seinem Semestereröffhungsvortrag an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer so 1 : ,„Spieglein, Spieglein an der Wand - wer ist der Ärmste in unserem Land?' Was sagt hierzu der Bundesfinanzminister? »Natürlich wir. Das Verhältnis zwischen Zinsausgaben und Gesamtausgaben, also die berühmte Zinslastquote, ist bei uns am höchsten, also sind wir die Ärmsten.4 Die Länderfinanzminister sagen etwas anderes: ,Uns drücken die Personalausgaben für die Lehrer und die Polizisten. Und die sind gestiegen. Es gibt immer mehr Kriminalität und es gibt immer mehr Kinder, und daher drückt uns das Verhältnis Personalausgaben zu Gesamtausgaben.4 Und wir Kommunen sagen: ,Sozialhilfe, dramatisch ansteigende soziale Lasten - bei stagnierenden Einnahmen können wir diese Leistungen nicht auf Dauer erbringen. 4 Tja, meine sehr geehrten Damen und Herren, wer hat nun recht? Dies ist schwierig, und ich übergebe diese Frage daher der Wissenschaft. 44 Die Wissenschaft beschäftigt sich in den letzten Jahren immer mehr mit Finanzverfassungsrecht. Bereits auf der 52. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Bayreuth (1992) standen die „Grundsätze der Finanzverfassung des vereinten Deutschlands" auf der Tagesordnung. Die verfassungsrechtlichen Grundlagen finden sich in den Referaten von Peter Selmer 2 und Ferdinand Kirchhof und in zahlreichen Diskussionsbeiträgen 4.
1
Gerhard Seiler, Kommunale Finanzen in schwieriger Lage, Speyrer Vorträge, Heft 34 (1996), S. 21 ff. 2
Peter Selmer, VVDStRL 52 (1993), S. 10 ff.
3
VVDStRL 52 (1993), S. 71 ff.
4
Vor allem Joachim Wieland, Einen und Teilen, DVB1. 1992, S. 1181 ff. und Zusammenfassung der Aussprache im Rahmen der Staatsrechtslehrertagung bei Martin Morlok, NJW 1993, S, 906 ff.; Georg Trapp, Reform der grundgesetzlichen Lastenverteilung durch das Veranlassungsprinzip, ZRP 1996, 339; Werner Heun, Die
12
Einleitung
Damals ging es vor allem um die Einbeziehung der neuen Bundesländer in den gesamtdeutschen Finanzausgleich ab 1.1.19955. Viele Stimmen machten grundlegenden Reformbedarf geltend6. Dennoch kam es im Zusammenhang mit der Schaffung der Deutschen Einheit nicht zu Änderungen im Finanzverfassungsrecht; hier wurde das Grundgesetz lediglich bei der Umsatzsteueraufteilung 7 und wegen der Regionalisierung der Bundesbahn8 modifiziert. Fragen der Verteilung der Finanzverantwortung blieben auf der Tagesordnung aktueller verfassungspolitischer und verfassungsrechtlicher Diskussionen. Rücksichtnahme auf die Staatsfinanzen ist dem deutschen Recht nicht Zusammenfuhrung der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden als Aufgabe einer Reform der Finanzverfassung - Probleme und Risiken, DVB1. 1996, 1020; Rainer Grote , Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, JZ 1996, 832. 5
Art. 7 Abs. 2, 3 EinigungsV. Zur Rechtslage in der Übergangszeit: Hartmut Bauer, Die finanzverfassungsrechtliche Integration der neuen Länder, HStR IX, S. 259 ff., Hans-Günter Henneke, Finanzverfassung im geeinten Deutschland, Jura 1991, S. 230 sowie das gesamte Heft 1/1993 der Zeitschrift Staatswissenschaften und Staatspraxis mit Beiträgen von Hans-Peter Schneider, Klaus-Dirk Henke, Gunnar Folke Schuppert, Helmut Hesse, Rudolf Wendt, Volker Arnold, Dieter Birk, Hein Grossekettler, Joachim Wieland, Christian Starck und Reimut Joachimsen. Problematisch war seinerzeit vor allem die Kulturfinanzierung nach Art. 35 EinigungsV; hierzu Helmuth Schulze-Fielitz, Art. 35 EinigungsV - Freibrief für eine Bundeskulturpolitik, NJW 1991, S. 2456. 6
Im Beitrag von Selmer sind gleich zwei Abschnitte mit der Überschrift „Die Reform des ..." versehen. Ein Überblick findet sich bei Vogel/Waldhoff in: Bonner Kommentar (81. Lieferung 1997), Vorbemerkungen zu Art. 104a - 115 GG, Rdnr. 263 ff. und bei Bauer, HStR IX (1997), S. 259 ff. (292). Grundlegend zur Reformdiskussion: Rolf Peffekoven, Der Finanzausgleich - eine vertane Chance, FinArch n.F. 51 (1994), S. 281 (290); Gunnar Folke Schuppert, Maßstäbe für einen künftigen Länderfinanzausgleich, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), S. 26 ff. (39); Peter Selmer, Die gesetzliche Neuordnung der bundesstaatlichen Finanzbeziehungen, FinArch n.F. 51 (1994), S 331 (336); Joachim Wieland, Maßstäbe fur einen künftigen Länderfinanzausgleich, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), S. 110; umfassend Konrad Littmann, Kritisches zur Krise der öffentlichen Finanzen, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1996, S. 457 ff. 7
Änderungen des Art. 106 GG, Gesetze zur Änderung des Grundgesetzes vom 3.11.1995 (BGBl. I S. 1492) und vom 20.10.1997 (BGBl. I S. 2470). 8
Neuer Art. 106a GG, Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 20.12.1993 (BGBl. I S. 2089).
Einleitung fremd 9. Der 61. Deutsche Juristentag in Karlsruhe (1996) 10 beschäftigte sich intensiv mit dem Zusammenhang zwischen „Aufgaben" und „Ausgaben". Die Abteilung Verfassungsrecht verhandelte über die Frage „Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzufuhren?", die in einem sorgfältigen und fundierten Gutachten von Ferdinand Kirchhof umfassend aufbereitet worden war. Anlaß für die Diskussion war das Problem der Sozialhilfelasten 11. Der Rechtsanspruch auf Sozialhilfe beruht auf Bundesrecht, er ergibt sich aus dem Bundessozialhilfegesetz. Die Kostenlast trifft jedoch kreisfreie Städte und Landkreise, die kraft bundesgesetzlicher Regelung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG) 1 2 örtliche Träger der Sozialhilfe sind. Vor allem die Großstädte, in denen wegen der Wirtschaftsstruktur die Finanzlage ohnehin problematisch ist, sind von den Sozialhilfelasten besonders betroffen 13 . Trotz der Entlastung durch das Gesetz über die Pflegeversicherung 14, das im Ergebnis die Kostenbelastung der kommunalen Ebene nicht durch eine Korrektur der Verteilung der bereits vorhandenen öffentlichen Mittel, sondern stattdessen durch eine „Versicherungslösung" zu verringern versuchte, sind die Finanznöte der Gemeinden nur wenig gemildert worden. Abwehransprüche der Kommunen bestehen allenfalls gegen die rechtswidrige Übertragung von Aufgaben. Gemeinden steht ein Abwehrrecht gegen bundesgesetzliche Aufgabenzuweisungen zu, wenn diese unverhältnismäßig in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen. Schoch und Wieland haben im Zusammenhang mit den einschlägigen Regelungen des Rechts der Sozial-
9
Ferdinand Kirchhof S. 749 (756).
Das Haushaltsrecht als Steuerungsressource, DÖV 1997,
10
Ständige Deputation des Deutschen Juristentages, Verhandlungen des Einundsechzigsten Deutschen Juristentages in Karlsruhe am 18. und 19. September 1996. 11
Stefan Korioth, Beteiligung des Bundes an den Sozialhilfekosten, DVB1. 1993, S. 356 ff.; grundlegend Wolfgang Kitterer (Hrsg.), Sozialhilfe und Finanzausgleich, 1990. 12
Bundessozialhilfegesetz i.d.F.d.B. v. 23.3.1994; BGBl. I S. 646, 2975; z.g.d. G. v. 16.12.1997, BGBl. I S. 2970. 13 14
Hierzu z.B. Seiler, Speyrer Vorträge 34 (1996), S. 21 ff. (29).
Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit (PflegeVersicherungsgesetz) vom 26.5.1994; BGBl. I S. 1014, 2097.
14
Einleitung
hilfe ein solches Abwehrrecht herausgearbeitet 15. Dabei komme der Tatsache, daß der Bund auf diese Weise direkt und unter Umgehung der Ebene der Länder die Wahrnehmung kommunaler Kompetenzen regele, während ein Finanzausgleich nur zwischen Bund und Ländern stattfinde, bei der Abwägung besonderes Gewicht zu. In der Praxis hat das erhebliche Konsequenzen. Vertreter der kommunalen Ebene stimmen immer wieder das Lied 1 6 von den „klebrigen Fingern" der Länderfinanzminister an, in dem beklagt wird, daß Ausgleichsleistungen des Bundes an die Länder wegen kommunaler Aufgaben oft nicht bei den Gemeinden ankommen. In den Wirtschaftswissenschaften ist dieses Phänomen unter dem Begriff „Fliegenpapier-Effekt" umfassend diskutiert worden 17 . Nach diesen Kriterien sind die „Ärmsten" im Land die Gemeinden. Dennoch lassen sich Abwehransprüche allein gegen die Finanzierungslast verfassungsrechtlich nur schwer begründen. Wenn die Gemeinden Aufgabenzuweisungen dulden müssen, können sie nicht beim Bund liquidieren. Waechter kommt in seiner umfassenden Untersuchung bundesverfassungsrechtlicher Finanzansprüche der Kommunen 18 zum Ergebnis, daß spezielle Ausgleichsansprüche gegen den Bund nicht bestehen19. Bei den einschlägigen Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung habe der Bund Ermessensspielräume. Die Ausgleichsverpflichtung des Art. 28 Abs. 2 GG (Gewährleistung der finanziellen Eigenverantwortung der Gemeinden) sei keine eigenständige Anspruchsgrundlage. Die Kostenlast richte sich vielmehr nach allgemeinen Regeln. Grundnorm der Lastentragung ist Art. 104a Abs. 1 GG. Diese Norm bestimmt, daß die Ausgabenverantwortung grundsätzlich der Aufgabenverant-
15
Friedrich Schock/Joachim Wieland, Finanzierungsverantwortung für gesetzgeberisch veranlaßte kommunale Aufgaben, 1995; diesDie Verfassungswidrigkeit des § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG, in: JZ 1995, S. 982 ff. 16
Ζ. B. Seiler, Speyrer Vorträge, Heft 34 (1996), S. 12.
17
Hierzu z.B. Wolfgang Benkert, Die Theorie der Zuweisungen, Das Wirtschaftsstudium (wisu) 1984, S. 43 (48). 18
Kay Waechter, Bundesverfassungsrechtliche Finanzansprüche der Kommunen bei Auferlegung neuer Selbstverwaltungsaufgaben durch Bundesgesetz, VerwArch 85 (1994), S. 208 ff. 19
Waechter,
VerwArch 85 (1994), S. 224.
Einleitung wortung folgt 2 0 . Man spricht vom „Konnexitätssatz" 21 . Die Verknüpfung der Finanzierungslast mit der Kompetenzordnung wird als Grundentscheidung des Grundgesetzes angesehen. In der Finanzreform 1969 wurde sie zum Grundsatz von allgemeiner Bedeutung 22 erklärt und in Art. 104a Abs. 1 GG gewissermaßen als Leitbild des Finanzverfassungsrechts - an die Spitze des X. Abschnitts („Das Finanzwesen") des Grundgesetzes gestellt. Der Kerngehalt dieser Regelung ist nach v. Arnim folgender: „Der Konnexitätssatz verbietet es jeder staatlichen Ebene, der anderen Ebene die Finanzierung ihrer Aufgaben aufzuerlegen. So darf zum Beispiel der Bund nicht die Länder (einschließlich der Kommunen) zur Mitfinanzierung von Bundesaufgaben heranziehen." 23 Der Vorrang der Kompetenzen vor den Finanzen wird als „unbestrittener Grundsatz" 24 angesehen. Der im Rahmen der Finanzverfassungsreform von 1969 ins Grundgesetz eingegangene Art. 104a Abs. 1 GG wird üblicherweise so ausgelegt, daß die Finanzierungskompetenz an die Verwaltungskompetenz „angeseilt" 25 ist. Das folge schon im Umkehrschluß aus Absatz 2 des Art. 104a GG, der im Sonderfall der Bundesauftragsverwaltung die Kostenlast dem Bund zuweist. Auch die Gesetzgebungsmaterialien werden zur Begründung herangezogen. Dort heißt es: „ I n der Vergangenheit ist es häufiger zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern über die Anwendung des Lastenverteilungsgrundsatzes bei der Ausführung von Bundesgesetzen durch die Länder gekommen. Es ist nicht ganz zweifelsfrei geblieben, ob die Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen eigene Aufgaben wahrnehmen oder ob der Bund, der die Aufgaben geschaffen hat, die Aufgabenverantwortung und damit die Ausgabenverantwortung trägt. Auch in der juristischen Literatur
20
Hans Herbert v. Arnim, Finanzzuständigkeit, in: HStR IV, S. 987 ff. (993).
21
Der von Christian Starck (Die Bundesstaatlichkeit im Spiegel der Finanzverfassung, StuW 1974, S. 271 [272]) vorgeschlagene, an sich sprachlich überzeugendere (hierzu unten S. 140 f.) Begriff „Annexität" hat sich bislang nicht allgemein durchsetzen können. Deshalb soll hier der übliche Sprachgebrauch „Konnexität" beibehalten werden. 22
BT-Drucks. V/2861, Tz. 113.
23
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (993).
24
F. Kirchhof, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben» und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen, Gutachten für den 61. DJT, S. D 12; differenzierend Heun, DVB1. 1996, S. 1020 (1021) und Vogel/Waldhoff in BK, Vorb. zu Art. 104a-115 (1997), die Interdependenzen sehen. 25
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (998).
16
Einleitung
wird diese Frage nicht einheitlich beantwortet. An die Gesetzgebung wird die Aufgaben- und dementsprechend die Ausgabenverantwortung allerdings nur vereinzelt angeknüpft. Öfter wird für die Lastentragung darauf abgestellt, wer die Entscheidung über das Anfallen der Kosten getroffen oder wer die Ausgaben veranlaßt hat. Zutreffender Ansicht nach hat jedoch derjenige die Kosten für durch Bundesgesetze entstehende staatliche Aufgaben zu tragen, der die Verwaltungszuständigkeit für die Ausführung der Gesetze besitzt, weil erst durch die Erfüllung der Aufgaben Kosten entstehen. In der Regel führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten aus (Artikel 83 GG). Als Folge der bundesstaatlichen Verfassung ergibt sich daher aus der vollen Verwaltungszuständigkeit der Länder auch die volle Finanzverantwortung für die Ausführung dieser Bundesgesetze. Die Länder sind allerdings im Finanzausgleich so zu stellen, daß sie ihre Aufgaben erfüllen und ihre finanziellen Lasten tragen können." 26 Die Formulierung des Art. 104a Abs. 1 GG wird daher als eindeutige Entscheidung des Verfassunggebers angesehen, die Finanzierungslast mit der Verwaltungskompetenz zu verknüpfen. In der wissenschaftlichen Diskussion hat sich hierzu ein breiter Konsens herausgebildet 27 . Unter einer „Aufgabe"
26
BT-Drucks. V/2861, Tz. 114 f.
27
Hans-Wolfgang Arndt, Koordinierung und Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs, 1990, S. 11; Hans Herbert v. Arnim, HStR IV, S. 987 (998); Dieter Birk, in: Alternativkommentar GG, 2. Aufl. 1989, Art. 104a, Rdnr. 7 f., HansUwe Erichsen, Die Konnexität von Aufgabe und Finanzierungskompetenz im BundLänderverhältnis, 1969, S. 26 ff., 35; Herbert Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4; Dieter Frey, Die Finanzverfassung des Grundgesetzes, in: BMF, Die Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aus finanzverfassungsrechtlicher und finanzwirtschaftlicher Sicht, 1982, S. 13 (25); Karl Heinrich Friauf Die Finanzverfassung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, FG BVerfG II, 1976, S. 301 (324); Werner Häge, Stillschweigende Finanzierungskompetenzen des Bundes anhand konkreter Ableitung, Diss. Augsburg 1987, S. 6; Hans-Günter Henneke, Öffentliches Finanzwesen. Finanzverfassung, 1990, S. 45; Wolf gang Jakob, Forschungsfinanzierung durch den Bund, Der Staat 24 (1985), S. 527 (530, 536 f.); Franz Klein, HbVerfR, S. 1103 (1109); Jörg Lücke, Zur
Finanzierungskompetenz des Bundes nach Art. 104a GG, DÖV 1977, 495 (497); Siegfried Luther, Die Lasten Verteilung zwischen Bund und Ländern nach der Finanzreform, Diss. Münster 1974; Theodor Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 15; Jörg Müller-Volbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz des Bundes, 1975, S. 99 ff. Erhard Pauker, Wirtschaftssubventionen des Bundes, DÖV 1988, S. 64 (65); Helmut Siekmann, in: Michael Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 104a, Rdnr. 4; Bodo Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetz, Art. 104a, Rdnr. 2; Franz Klein in:
Einleitung im Sinne dieser Vorschrift, dem Tatbestandsmerkmal für die Rechtsfolge der Lastentragung, wird daher regelmäßig eine Verwaltungskompetenz verstanden. Ferdinand Kirchhof konnte in seinem Gutachten zum 61. Deutschen Juristentag den aktuellen Meinungsstand so zusammenfassen: „Infolge eine langjährigen Staatspraxis und einer ebenso lang andauernden, kontinuierlichen Rechtsprechung ist heute nicht mehr zu bezweifeln, daß Art. 104a Abs. 1 GG mit dem Begriff , Wahrnehmung ihrer Aufgaben' die Verwaltung erfaßt, d.h. das Prinzip der Vollzugskausalität durchführt. Eine nach dem Wortlaut denkbare Uminterpretation in eine Anknüpfung an die Rechtsetzung ist angesichts der historischen Grundlagen der Norm und ihrer langjährigen Anwendungspraxis nicht möglich. Er knüpft an den tatsächlichen Vollzug an, d.h. gilt nicht nur bei geschriebenen, sondern auch bei ungeschriebenen Verwaltungskompetenzen als auch für die gesetzesfreie Verwaltung." 28 Die Sicherung der kommunalen Finanzen ist dann vorrangig über den Finanzausgleich sicherzustellen. Der Bund verhandelt allein mit den Ländern über den Finanzausgleich. Die Gemeinden werden als Bestandteil der Länder angesehen. Die Aufteilung der Finanzen zwischen Ländern und Gemeinden ist nicht im Grundgesetz, sondern allein landesrechtlich geregelt. Angesichts dieser Rechtslage sind die Gemeinden vor allem auf Normen des Landesrechts angewiesen, wenn sie ihre Finanzausstattung im Hinblick auf die Sozialhilfelasten rechtlich überprüfen lassen wollen. Einige Landesverfassungen normieren Ausgleichsansprüche der Gemeinden. Daher sind bereits verschiedene Landesverfassungsgerichte mit Fragen der kommunalen Finanzausstattung befaßt worden 29 . Der niedersächsische Staatsgerichtshof hat in einer bemerkenswerten Entscheidung sogar das Finanzausgleichsgesetz des Landes für nichtig erklärt, weil es keine Zuweisung zur Deckung der Kosten der Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises vorsehe 30 .
Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 104a, Rdnr. 3; Schoch/Wieland, Finanzierungsverantwortung fur gesetzgeberisch veranlaßte kommunale Aufgaben, 1995, S. 139; Klaus Stern, Staatsrecht II, S. 1138; Klaus Vogel/Paul Kirchhof in: Bonner Kommentar, Art. 104a, Rdnr. 19, 37, 54 ff.; Klaus Vogel, Grundzüge des Finanzrechts des Grundgesetzes, HStR IV, S. 16; Rudolf Wendt, Neuorientierung der Aufgaben- und Lastenverteilung im „sozialen Bundesstaat", Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), S. 56 ff. (68); aA noch Volkmar Götz, Die Staatsausgaben in der Verfassungsordnung, JZ 1969, S. 89 (93). 28
F. Kirchhof
29
Hierzu StGH Bad-Württ DVB1. 1994, S. 206; nds. StGH DVB1. 1995, S. 1175
Gutachten für den 61. DJT, S. D 28.
mit Anm. Henneke S. 1179. 30
DVB1. 1995, S. 1175 (1179).
2 Waiblinger
18
Einleitung
Die Abhängigkeit der Gemeinden von landesrechtlichen Regelungen ist rechtspolitisch heftig kritisiert worden. Die Leitidee des grundgesetzlichen Konnexitätsgedanken sei, daß der Verursacher der Aufgaben auch die Ausgaben zu tragen habe („Wer anschafft, zahlt"). Die gesamte Dogmatik zu Art. 104a Abs. 1 GG beruhe darauf, daß die Entscheidung darüber, ob und in welchem Maß Kosten entstehen, bei der Verwaltung fällt. Diese Grundannahmen seien heute überholt 31 . Aus dem Gutachten von Ferdinand Kirchhof: „Mittlerweile setzt der Bund die Möglichkeiten, die Art. 104a Abs. 1 GG ihm bietet, gezielt als Technik zur Entlastung des Bundeshaushalts ein. Er ist mittlerweile unverdrossen dabei, durch Gesetze, Normierung individueller Anspruchsgrundlagen, Erhöhung von Leistungsstandards, Verwaltungsvorschriften, detaillierende Durchnormierung von Gesetzen oder Übertragung von Pflichtaufgaben an die Kommunen Aufgaben zu begründen oder zu erweitern, deren Kosten von den Ländern zu tragen sind. Der Bund hat sich die Technik zueigen gemacht, politische Erfolge durch Bundesgesetzgebung auszuweisen, die aus fremder Tasche bezahlt werden müssen. Dadurch entstehen Haushaltsprobleme großen Ausmaßes. Die Kosten der Sozialhilfe sind in den letzten dreißig Jahren geradezu explodiert [...]. In eine ähnliche Zwangslage bringt der Bund die Länder mit einem Anspruch auf einen Kindergartenplatz nach § 24 SGB VIII [...]; die soziale Wohltat des Bundesgesetzes geht allein zu Lasten der Länder. [...] Die Beispiele zeigen das von Art. 104a Abs. 1 GG heraufbeschworene Problem in Struktur und Volumen. Sie stellen die Frage, ob der Grundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG noch gerechtfertigt ist" 32 . Die Diskussion wurde überwiegend politisch geführt. Bereits die 1973 eingesetzte Enquête-Kommission Verfassungsreform hatte wegen der Vorschriften über Geldleistungsgesetze eine Verfassungsänderung vorgeschlagen, in der sogar eine Regelung über Geldleistungen „einer zwischenstaatlichen Einrichtung" enthalten war 3 3 . Zu Verfassungsänderungen kam es nicht. Allerdings kam die Problematik nach Schaffung der Deutschen Einheit 3 4
31
Hans-Günter Henne ke, Kommunale Eigenverantwortung bei zunehmender Normierungsdichte, ZG 1994, S. 212 ff. (mit zahlreichen Beispielen), Schoch/Wieland, JZ 1995, S. 988. 32
Gutachten für den 61. DJT, S. D 58 f.
33
Schlußbericht: BT-Drucks. 7/5924, insb. S. 151 (vorgeschlagener Verfassungstext), S. 178 f. (Erläuterungen), zusammenfassend: Klaus Stern, Der Schlußbericht der Enquête-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages, ZRP 1977, S. 12(16). 34
Vorher war bereits ein Normenkontrollantrag gegen das Strukturhilfegesetz, anhängig, der sich dann durch die Schaffung der Deutschen Einheit erledigt hatte. Hierzu z.B. Werner Patzig, Regionale Ungleichgewichte und bundesstaatliche
Einleitung erneut auf die Tagesordnung. Die Konferenz der Finanzminister und Finanzsenatoren setzte 1991 eine Arbeitsgruppe „Finanzreform 1995" ein 3 5 . Die Arbeiten dieser Kommission fanden Eingang in das Föderale Konsolidierungsprogramm 36 , in dem nicht nur das Finanzausgleichsgesetz neu gefaßt wurde, sondern vor allem die Bundesergänzungszuweisungen und die Finanzhilfen an die neuen Bundesländer und an die von einer „extremen Haushaltsnotlage" 37 betroffenen Länder Bremen und Saarland umfassend geregelt wurden. Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat 38 ließ sich dagegen nicht vertieft auf Fragen des Finanzverfassungsrechts ein 3 9 . Das ist oft kritisiert worden 40 . Notwendige Weichenstellungen für die finanzpolitische Zukunft des Bundesstaates seien unterblieben.
Finanzverfassung, DÖV 1989, S. 330 ff., Rainer Eckertz, Der gesamtdeutsche Finanzausgleich im System des geltenden Verfassungsrechts, DÖV 1993, S. 281; Hanns Karrenberg, Vorzeitige Aufhebung des Strukturhilfegesetzes, Der Gemeindehaushalt 1992, S. 97 ff. 35
Das Arbeitsprogramm ist zusammengefaßt bei Wolfgang Renzsch, Föderative Problembewältigung: Zur Einbeziehung der neuen Länder in einen gesamtdeutschen Länderfinanzausgleich ab 1995, ZParl. 1994, 116 (122) und bei Rupert Scholz, Die Gemeinsame Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat - Auftrag, Verfahrensgang und Ergebnisse, ZG 94, S. 1 ff. 36
„Gesetz über Maßnahmen zur Bewältigung der finanziellen Erblasten im Zusammenhang mit der Herstellung der Einheit Deutschlands, zur langfristigen Sicherung des Aufbaus in den neuen Ländern, zur Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs und zur Entlastung der öffentlichen Haushalte (Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms - FKPG)" vom 23.6.1993, BGBl. I S. 944. Ein Überblick findet sich etwa bei Bauer, HStR IX, S. 296 ff. 37
BVerfGE 86, 148 (258 ff.) - Finanzausgleich III / extreme Haushaltsnotlage.
38
Bericht: BT-Drucks. 12/6000.
39
Rupert Scholz, ZG 94, S. 1 ff (17).
40
Lotte Inescu, Verspielte Chance. Die Arbeit der Gemeinsamen Verfassungskommission, KritJustiz 1993, 475 (484 ff.); Rolf Peffekoven, FinArch n.F. 51 (1994), S. 281 (309); Rüdiger Rubel, Das neue Grundgesetz, JA 1993, S. 296 (303); Georg Trapp, Das Veranlassungsprinzip im Finanzverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1997 (= Diss. Bochum 1996), S. 29; Hans-Peter Schneider, Das Grundgesetz - auf Grund gesetzt? NJW 1994, 558 (561); Friedrich Schoch, Die Reformbedürftigkeit des Art. 104a GG, ZRP 1995, S. 387; Peter Selmer, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 52 (1993), S. 187 (189); ders., FinArch n.F. 51 (1994), S. 331 (352).
20
Einleitung
Auch der 61. Deutsche Juristentag beschäftigte sich vor allem mit der Frage, ob eine Reform der Finanzverfassung politisch wünschenswert sei. Vor allem Ferdinand Kirchhof, der als Gutachter berufen war, setzte sich für eine große verfassungspolitische Lösung ein. Der Anknüpfungspunkt für die Finanzierungslast solle schon im Grundsatz geändert werden. Nicht die Verwaltungskompetenz, sondern die Ausübung von Gesetzgebungskompetenzen solle für die Kostenlast maßgeblich sein. In seinem Gutachten schlägt er vor, Art. 104a Abs. 1 GG wie folgt neu zu fassen 41: „Der Bund und die Länder tragen im Verhältnis zueinander gesondert die Ausgaben für Aufgaben, die sie durch Gesetz oder in anderer Weise begründen oder erweitern. Begründet oder erweitert der Bund Aufgaben, die von den Ländern auszufuhren sind, so ist er ihnen zur vollständigen Erstattung der erforderlichen Ausgaben verpflichtet. Soweit den Ländern bei der Ausführung von Aufgaben, die der Bund begründet oder erweitert, ein Entscheidungsspielraum zusteht, tragen sie die Ausgaben selbst." Daneben schlägt er vor, in Art. 104a GG einen neuen Absatz 2 einzufügen, nach dem der Erstattungsanspruch der Länder nach Aufgaben und Ausgaben getrennt in einem jährlich neu zu erlassenden Zustimmungsgesetz, einem „Transfergesetz" festgestellt werden soll. Dieser Vorschlag ist vor allem von Selmer heftig kritisiert worden 42 . Wenn auch die Regelungsdichte der Gesetzgebung deutlich gewachsen sei, so erscheine dennoch die generalisierende Schlußfolgerung, von einer materiellen Verwaltungsverantwortung im Sinne behördlicher Gestaltungsmöglichkeiten bei der Ausführung der Gesetze könne heute nicht mehr gesprochen werden, unzutreffend 43. Die Exekutive habe nach wie vor erhebliche Auslegungs-, Ermessens- und Gestaltungsspielräume. Vor allem die für die materielle Vollzugskompetenz wesentliche „Herrschaft über die Alternative" belasse der Verwaltung weite Bereiche eigener - auch ausgabenwirksamer Verantwortung. Nicht zuletzt habe die Lastentragung durch die Länder eine „gewichtige bundesstaatliche Garantiefunktion zugunsten der Länderstaatlichkeit" 44 . Sie mache es notwendig, den Ländern wesentliche Teile des staatlichen Finanzaufkommens zukommen zu lassen. Wenn der Bund bezahle, führe dies langfristig zu weitergehendem Einfluß auf die Gesetzesausführung. 41
Gutachten für den 61. DJT, S. D 98.
42
Peter Selmer, Empfehlen sich Maßnahmen, um in der Finanzverfassung Aufgaben- und Ausgabenverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden stärker zusammenzuführen?, NJW 1996, S. 2062 ff. 43
Selmer, NJW 1996, S. 2065.
44
Selmer, NJW 1996, S. 2065.
Einleitung Es sei ausreichend, daß der Bund im Rahmen der Quotenberechnungen im vertikalen Finanzausgleich die finanzielle Belastung der Länder durch ausgabenveranlassende gesetzgeberische Entscheidungen des Bundes mittelbar zu spüren bekomme. Auf diese Weise sei dem Postulat demokratischer Finanzverantwortung des aufgabenveranlassenden Bundes im Grundgesetz hinreichend Rechnung getragen. „Die Lasten Verteilungsregel des Art. 104a 1 GG knüpft mit der Bezugnahme auf die , Wahrnehmung ihrer Aufgaben 4 an die Verwaltungsverantwortung von Bund und Ländern an" 45 . Die von Selmer betonten bundesstaatlichen Gesichtspunkte werden auch in den verschiedenen anderen Darstellungen zu Art. 104a GG herausgehoben. Aus der Kommentierung von Vogel und Paul Kirchhof: „Durch die Garantie eines selbstzufinanzierenden Eigenbereichs [...] setzt der Konnexitätsgrundsatz [...] Vereinheitlichungstendenzen eine äußerste Grenze: er ,verlängert' die Bestandsgarantie für einen ,Kernbereich' von Länderaufgaben in das Gebiet des Finanzwesens hinein, so daß den Ländern [...] nicht nur ein hinreichender Rest von Aufgabenkompetenzen, sondern auch ein entsprechender Finanzierungsspielraum verbleiben muß" 46 . So soll verhindert werden, daß „auf Grund unterschiedlicher Leistungsfähigkeit und -bereitschaft sich die verfassungsrechtliche Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern in der Verfassungswirklichkeit abweichend von den Vorschriften des GG bestimmt, d.h. daß sie sich vom finanzschwächeren zum finanzstärkeren Partner verlagert" 47 . Auf dem 61. Deutschen Juristentag wurde die „große Lösung" im Reformentwurf von Ferdinand Kirchhof die einen Übergang zum Prinzip der Gesetzeskausalität formulierte und damit den Anknüpfungspunkt für die Lastentragung schon im Grundsatz verändern wollte, kontrovers diskutiert. Besonders am Modell des jährlichen Transfergesetzes entzündete sich heftige Kritik, weil das in der Praxis nicht auf Verrechtlichung und Transparenz bei der Abgrenzung und Abrechnung, sondern stattdessen auf eine „nach Basarmanier ausgehandelte Regelung" 48 hinauslaufe. Dies lehnte die Abteilung Verfassungsrecht des 61. Deutschen Juristentages mehrheitlich ab. Grundsätzlich sei die Anknüpfung an Verwaltungskompetenzen beizubehalten. Nur im Sonderfall der Geldleistungsgesetze müsse der Bund die finanziellen
45
Selmer NJW 1996, S. 2067.
46
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 25.
47
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 11.
48
Georg Milbradt, Referat vor der Abteilung Verfassungsrecht, Verhandlungen des 61. DJT, Band II/l, S. M 43.
22
Einleitung
Konsequenzen seiner Gesetzgebung stärker im eigenen Haushalt zu spüren bekommen. Daher wurde eine „kleine Lösung" befürwortet, die ein eingeschränktes Prinzip der Gesetzeskausalität vorsieht. Art. 104a Abs. 3 GG, der die Lastentragung bei Geldleistungsgesetzen regelt, solle dahingehend abgeändert werden, daß der Bund die Ausgaben für Leistungen zu tragen hat, wenn Länder oder unmittelbar vom Bund bestimmte Gemeinden Maßnahmen des Bundes ausführen, die Zahlungen, Sachleistungen oder die Herstellung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen vorsehen 49 . Soweit die Leistungen im Ermessen der Länder stünden, sei eine abweichende gesetzliche Regelung zulässig 50 . Auch in der übrigen wissenschaftlichen Diskussion wird eine verfassungspolitische Lösung der Fragen der Lastentragung favorisiert 51 . In der im Jahre 1997 erschienenen Bochumer Dissertation vom Georg Trapp 52 sind die politischen Argumente für eine Reform der grundgesetzlichen Regeln über die Lastentragung mit großer Sorgfalt zusammengestellt. Selbst wenn der Anknüpfungspunkt für die Lastentragung nach dem geltenden Grundgesetz eindeutig entschieden 53 sei, gelte das nicht de lege ferenda. „Ob das Grundgesetz ... die bestmögliche Lösung gefunden hat, kann bezweifelt werden" 54 . Daher setzt sich Trapp für eine verfassungspolitische Lösung ein. Die Kostenlast sei nicht formal in Anknüpfung an einzelne Arten von Kompetenzen einer einzigen Ebene im Bundesstaat zuzuweisen; sie müsse stattdessen nach Veranlassung - also nach materiellen Kriterien - auf die verschiedenen Ebenen aufgeteilt werden. „Veranlassung" definiert Trapp als „zurechenbare und zu verantwortende Einflußnahme auf das ,Ob 4 und ,Wie' einer ausgabenrelevanten Staatstätigkeit" 55 ; Einflußnahme sei zurechenbar und zu verantworten, „wenn eine Körperschaft aufgrund und im Rahmen ihrer materiellen Regelungskompetenz bewußt und zielgerichtet den mit Kostenfolgen verbun-
49
Ähnlich bereits Schock,, ZRP 1995, S. 387 (390 f.).
50
Vorschlag von Henneke, Verhandlungen des 61. DJT, Band II/l, S. M 76, Band 11/2, S. M 192. 51
So insbesondere Schock, ZRP 1995, S. 387.
52
Georg Trapp, Das Veranlassungsprinzip im Finanzverfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 1997. 53 54
Dies hält Trapp allerdings fur zweifelhaft, Veranlassungsprinzip, S. 181.
Trapp, S. 987 (997). 55
Veranlassungsprinzip, S. 181 unter Hinweis auf v. Arnim HStR IV,
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 242.
Einleitung denen Ablauf in Gang setzt oder aufrechterhält, um ein Sachanliegen zu realisieren" 56 . Die „Kosten der Gesetze" 57 seien auf der Grundlage empirischer Erhebungen 58 zu ermitteln. Dabei seien wegen der unterschiedlichen Kostenfolgen unterschiedliche „Normentypen" in einer Fallgruppenbetrachtung herauszuarbeiten 59. Die Kosten seien dann nach „Veranlassungsfaktoren" 6 0 anteilig zuzuordnen. Die Schlußbemerkung bei Trapp: „Wegen der strukturellen Mängel in den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) sollte das derzeitige System nur als , Übergangsfinanzverfassung* für eine Dauer von ca. 10-15 Jahren verstanden werden. [...] Die unerläßliche wissenschaftliche Vorbereitung eines umfassenden Reformwerkes ist bislang durch die verschiedenen spezifischen Länder- und Kommunalinteressen verpflichteten Gutachten und Stellungnahmen nicht geleistet worden. Deshalb wird vorgeschlagen, in einer neu zu bildenden Kommission mit wirtschaftlichem Sachverstand, Rechenstiften der Finanzpolitiker und verfassungsgeschulten Juristen über eine neue ,föderative Finanzverfassung der absehbaren Zukunft 4 nachzudenken. [...] Die vorliegende Untersuchung trägt dazu bei, das Veranlassungsprinzip in der Diskussion um die Verteilung der Finanzverantwortung angemessen zu berücksichtigen." 61 Bei verfassungspolitischen Argumenten ist es oft nicht einfach, zwischen politischen Wertungen, über die man unterschiedlicher Auffassung sein kann, und juristischen Argumenten, die den objektiven Geltungsanspruch des Rechts für sich in Anspruch nehmen können, zu unterscheiden. Finanzverfassungsrecht ist eine hochsensible Materie. Finanzen prägen die politischen Gestaltungsspielräume. Sie haben wesentliche Auswirkungen darauf, wessen politische Vorstellungen verwirklicht werden können. Das führt zu erheblichen Interessengegensätzen. Juristisches Argumentieren stößt im Finanzverfassungsrecht auf grundlegende methodische Schwierigkeiten. Bei der Diskussion um die Finanzierungslast geht es um die Aufteilung der Gestaltungs- und Entscheidungsspielräume zwischen Gesetzgebung und Verwaltung und um die Folgen für die Finanzen und die politischen Strukturen im Bundesstaat. In beiden Fragen sind die tragenden Wertungen nicht unumstritten. Daher gilt Finanzverfas-
56
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 242.
57
So der Titel des 9. Teils der Arbeit von Trapp, S. 254 ff.
58
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 263 ff.
59
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 266.
60
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 274.
61
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 291.
24
Einleitung
sungsrecht als „Hochspannungsfeld bundesstaatlichen Seins" (Erichsen). 62 Streitfragen werden im Finanzverfassungsrecht in vielen Fällen nicht nach der juristischen Überzeugungskraft der Argumente entschieden; man schielt eher auf die finanziellen Konsequenzen. Das macht es schwer, die eine oder andere der verschiedenen Auffassungen zum richtigen Verständnis der Konnexitätsgedanken des Art. 104a Abs. 1 GG mit den Mitteln der Rechtswissenschaft zur allgemeinen Konsensfähigkeit zu entwickeln. Der Ruf nach dem verfassungsändernden Gesetzgeber, der Ruf nach einer politischen Lösung scheint der einfachere Weg zu sein. Wo allein die inhaltliche Überzeugungskraft der Argumente zählt, läßt sich bei Wertungen, die erhebliche finanzielle Konsequenzen haben, nur schwer der Vorwurf entkräften, man betreibe hier bloße rechtsbegriffliche Bemäntelung politischer Ergebniswünsche 63 . Sobald in finanzverfassungsrechtlichen Fragen zwischen Bund und nur einzelnen Ländern politische Spannungen über Gestaltungsinhalte auftreten, ist die Gefahr sehr groß, daß die Überzeugungskraft wertender juristischer Begründungen nicht ausreicht, um die tagespolitischen Gegensätze aufzuheben. Der Rechtsprechung bliebe dann noch die Möglichkeit, im Streitfall die „richtige" der verschiedenen vorgeschlagenen Auslegungen des Art. 104a Abs. 1 GG durch Gerichtsurteil als verbindlich zu bestimmen und diese dann im Wege autoritativer Verfestigung durch ständige Spruchpraxis durchzusetzen. Das ist wegen der funktionell-rechtlichen Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit 64 grundsätzlich problematisch. Daneben stellt sich im Finanzverfassungsrecht ein schlichtes praktisches Problem. Wegen vieler rechtlicher Unsicherheiten bildet sich ein Wertkonsens in der Praxis oft auf politischem statt auf juristischem Wege heraus. Dieses Phänomen ist bereits ausführlich beschrieben worden. Verschiedene politikwissenschaftliche Arbeiten 65 haben nachgewiesen, daß es in finanzverfassungsrechtlichen Streitfragen oft zu einer Art Kartellbildung zwischen den verschiedenen Bundesländern kommt. 62
Erichsen, Konnexität, S. 12.
63
Roman Herzog, Zwischenbilanz im Streit um die bundesstaatliche Ordnung, JuS 1967, 193 (194). Grundlegend zur Form ders., Zwischenwort, in: FS Nagelmann, 1984, S. 299 ff. 64
Grundlegend Gunnar Folke Schuppert, Funktionell-rechtliche Grenzen der Verfassungsinterpretation, 1980, insbesondere S. 29 ff. „Konsensgefährdung durch Verfassungsrechtsprechung 44. 65
Ein aktueller Überblick findet sich bei Hubert Treiber, Politikverflechtung im deutschen Föderalismus. Eine problemorientierte Literaturübersicht, in: Johannes Ch. Traut (Hrsg.), Verfassung und Föderalismus Rußlands im internationalen Vergleich, 1995, S. 143 ff.
Einleitung Im Ergebnis werden oft formale, politisch indifferente Kriterien wie etwa die Einwohnerzahl zum rechtliche Maßstab für Finanzierung bestimmt 66 . Streitigkeiten werden dann nicht vor Gericht getragen. Das führt dazu, daß Normen des Finanzverfassungsrechts, die bei strenger juristischer Betrachtungsweise kein „soft law" sind 67 , in der Praxis in durchaus nicht unerheblichem Maß als politische Verfügungsmasse im Rahmen der politischen Verhandlungen um die Verteilung der Staatsfinanzen behandelt werden. Die Rechtsprechung hat im Finanzverfassungsrecht deutlich seltener als auf anderen Rechtsgebieten Gelegenheit, die von ihr vertretenen Wertvorstellungen durch ständig sich wiederholende Spruchpraxis autoritativ zu verfestigen 68 . Schon aus diesem praktischen Grund ist das Bundesverfassungsgericht im Finanzverfassungsrecht auch bei wertender Argumentation in besonderem Maße auf die juristische Überzeugungskraft seiner Argumente angewiesen. Bei vielen finanzverfassungsrechtlichen Arbeiten fällt auf, daß sehr schnell „vom Ergebnis her" gedacht wird. Oft wird weniger nach Kriterien zur „Herstellung" einer richtigen Entscheidung gesucht. Stattdessen geht es in vielen Fällen 69 darum, die eigene politische Position mit juristischen Argumenten zu stützen und zu stärken. Sind die Ergebnisse dann uneindeutig oder umstritten, erschallt regelmäßig sogleich der Ruf nach dem verfassungsändernden Gesetzgeber. Versuche, finanzverfassungsrechtliche Grundsatzfragen wenigstens bis zu einem gewissen Grad durch Auslegung geltenden Rechts statt durch eine verfassungspolitische Lösung zu beantworten, finden sich eher selten. Vor allem Schmidt-Jortzig spricht sich dafür aus, Art. 104a Abs. 1 GG in der geltenden Fassung neu zu interpretieren. Er betont, beim Konnexi-
66
Fritz W. Scharpf/Bernd
Reissert/Fritz
Schnabel, Politikverflechtung I, S. 62 ff.
und passim, 1976; aus der aktuellen Literatur etwa Hubert Treiber in: Traut (Hrsg.), Verfassung und Föderalismus Rußlands im internationalen Vergleich, 1995, S. 143 (150). 67
Grundlegend Rainer Prokisch, S. 82 f.
Die Justiziabilität der Finanzverfassung, 1993,
68
Das erklärt auch, daß das Bundesverfassungsgericht in den wenigen zum Finanzausgleich ergangenen Entscheidungen immer wieder sehr ausfuhrlich und detailliert zur Verrechtlichung beigetragen hat. Der Umfang in der amtlichen Sammlung. BVerfGE 1, 117: 27 Seiten; BVerfGE 72, 330: 94 Seiten (ohne Sondervotum); BVerfGE 86, 148: 131 Seiten. 69
Instruktiv Dieter Carl, Kompetenz und Pflicht des Bundes zur Unterstützung strukturschwacher Regionen. Eine Untersuchung am Beispiel der saarländischen Stahlregionen; AöR 114 (1989), S. 450 ff.
26
Einleitung
tätsprinzip handele es sich nicht um ein Spezialproblem auf der vierten Stufe des vertikalen Finanzausgleichs, sondern um ein „elementares Grundprinzip im Finanzausgleich des gegliederten Staates"70. Bei dem Prinzip des Art. 104a Abs. 1 GG „die Ausgabenlast folgt der Aufgabe" müsse man sich von der überkommenen Interpretation lösen, „Aufgabe" sei im Sinne von „Verwaltungszuständigkeit" zu verstehen. Es komme „auf die Aufgabenverursachung und Aufgabenverantwortung an, d.h. nicht so sehr auf statische, exogene, formale Kriterien wie die Verwaltungszuständigkeit, sondern auf die realen Steuerungspotentiale, wie sie sich in einer Aufgabenverwirklichung und den dabei in Gang gesetzten Verteuerungs- und Verbilligungseffekten ausdrücken" 71. Man brauche „für diese Sicht keine Verfassungsänderung, sondern nur eine gewandelte und problembewußte Interpretation bei Art. 104a Abs. 1 GG" 7 2 . Bei der beschriebenen Diskussion um eine Reform oder eine Neuinterpretation des Art. 104a Abs. 1 GG fällt auf, daß die begrifflichen Anknüpfungspunkte der Argumentation häufig ungeklärt bleiben. Stattdessen wird sogleich mit Prinzipien oder Rechtsgrundsätzen des Finanzverfassungsrechts oder des Bundesstaatsrechts argumentiert. Das verwundert. Nach den klassischen Regeln der juristischen Wissenschaft hat die Auslegung der Norm nach Wortlaut, System, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck Vorrang vor einer Argumentation mit allgemeinen Prinzipien und Grundsätzen. Bevor über Änderungen der Verfassung oder grundlegende dogmatische Neuorientierung nachgedacht wird, sollte die Norm nach klassischen Regeln der juristischen Wissenschaft ausgelegt werden. Vor allem im Finanzverfassungsrecht hat Rechtsdogmatik die Aufgabe, die juristischen Argumentationsgrundlagen herauszuarbeiten und zu ordnen. In einem solchen politischen „Hochspannungsfeld" vermag es eine Arbeit aus wissenschaftlicher Perspektive nicht, Definitionsmacht über Verfassungsnormen für sich in Anspruch zu nehmen. Vielmehr muß „handwerklich" und mit großer methodischer Sorgfalt vorgegangen werden. Je anerkannter die angewandten Methoden sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, mit wissenschaftlichen Argumenten Konsens zu erzielen. Möglicherweise gelingt es, die verschiedenen von Art. 104a Abs. 1 GG aufgeworfenen Rechtsfragen voneinander trennen. Das könnte jedenfalls zu einer gewissen Versachlichung der Debatte beitragen. Mit den Worten eines der Großen unter den Gelehrten der juristischen Disziplin:
70
Diskussionsbeitrag, VVDStRL 52 (1993), S. 163.
71
VVDStRL 52 (1993), S. 164.
72
A.a.O.
Einleitung „Denn die berechtigte Abneigung gegen die Methode, die wir Begriffsjurisprudenz zu nennen pflegen, entbindet uns selbstverständlich nicht von der ersten Pflicht unserer, wie jeder Wissenschaft, durch eine möglichst scharfe Sonderung der Begriffe Ordnung in die sonst unübersehbare Masse der Erscheinungen zu bringen. Ob man dann nach getaner Arbeit befugt ist, die gewonnenen Begriffe ohne zusätzliche Erwägungen bei der Auslegung von Rechtssätzen zu verwenden, ob man insbesondere die begrifflichen Konstruktionen unbesehen zur Ausfüllung von Lücken des geschriebenen Rechts gebrauchen darf, ist eine Frage für sich. Auch wer sie, wie ich selbst es tue, verneint und wer weiss, dass der Begriff für sich allein ohne Heranziehung von Urteilen wertenden Charakters fast niemals einen Schlüssel zum Tore der Rechtsauslegung und -Anwendung bietet, der wird doch schon um der systematischen Bedeutung der Rechtsbegriffe willen auf ihre klare Herausarbeitung Bedacht nehmen und auf ihr bestehen müssen."73 Dies hat sich die vorliegende Untersuchung zum Anliegen gemacht. Über die Finanzierungslast entscheidet nach der üblichen Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG der Begriff der „Aufgabe". Vom Verständnis dieses Begriffs hängt es ab, wie umfassend die Verknüpfung von Kompetenzen und Finanzen nach dem Grundgesetz zu sein hat. Der allgemeine Sprachgebrauch im Zusammenhang mit dem Begriff „Aufgabe" (1) unterscheidet sich deutlich vom „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' (2). (1) Die „Aufgabe" im öffentlichen
Recht
Im Grundgesetz kommt der Begriff „Aufgabe" mehrfach vor 7 4 . Allerdings ist der verfassungsrechtliche Aufgabenbegriff in weiten Bereichen ungeklärt. Daher ist durchaus nicht offensichtlich, was unter einer „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG zu verstehen sein soll. Oft begnügt man sich mit der Feststellung, dieser Begriff werde im Grundgesetz uneinheitlich verwendet 75 . Es gehe zwar regelmäßig um ein Tätigwerden in eigener Zuständigkeit. Das wird aber in manchen Fällen eingeschränkt. Der Begriff sei ausfüllungsbe-
73
Heinrich Triepel, Delegation und Mandat im öffentlichen Recht. Eine kritische Studie. Stuttgart und Berlin 1942. 74
Art. 28 Abs. 2 Satz 2; 29 Abs. 1; 30; 33 Abs. 4; 87 b Abs. 1; 87d Abs. 2; 87e Abs. 1 Satz 2; 87f Abs. 3; 88 S. 2; 89 Abs. 2; 91a Abs. 1,2,5; 104a Abs. 1; 134 Abs. 2, 3; 135 Abs. 2; 135a Nr. 3. Gelegentlich finden sich im Wortlaut der Verfassung eingrenzende Zusätze („Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung" in Art. 87d Abs. 2 GG). Diese gehören aber nicht zum Aufgabenbegriff selbst, sondern sind differentia 75
specifica.
Erichsen, Konnexität, S. 20 f.; Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 47 ff.
28
Einleitung
dürftig, weil sich seine Grenzen nicht direkt herleiten ließen, sondern Jeweils anderweitig bestimmt sind" 7 6 . Wie die Konkretisierung zu erfolgen hat, ist aber äußerst streitig. Viele Autoren lehnen ein einheitliches Begriffsverständnis überhaupt ab 7 7 . Im Verfassungsrecht wird der Begriff „Aufgabe" meist im Zusammenhang mit Art. 30 GG erörtert. Der Begriff ist nicht sonderlich bestimmt 78 . Dennoch läßt sich eine gewisse Tendenz ausmachen. „Aufgabe" beschreibt in diesem Zusammenhang als abstrakter Begriff einen sachlichen Bereich staatlichen Tätigwerdens 79 . Die Staatsaufgabenlehre 80 versucht dann, diesen weit gefaßten Aufgabenbegriff auszufüllen und inhaltlich zu bestimmen, mit welchen Sachfragen sich der Staat befassen soll. Meist werden dabei bestimmte Kernaufgaben des Staates als rechtlich verpflichtend angesehen. Viele Fragen nach dem Betätigungsfeld des Staates müssen aber überwiegend oder sogar ausschließlich politisch entschieden werden 81 . Der Aufgabenbegriff hat in diesem Zusammenhang die Funktion, Betätigungsmöglichkeiten der Staatsorgane an die Kompetenzordnung zu binden und sie auf diese Weise freier politischer Disposition zu entziehen. So ist der Aufgabenbegriff im Zusammenhang mit Art. 30 GG mit der Zeit immer mehr ausgeweitet worden. Sehr früh schon war geklärt, daß zur „Erfüllung der staatlichen Aufgaben" Gesetzgebung und Rechtsprechung insgesamt gehören 82 . Bei der Verwaltungstätigkeit war man anfangs zurückhaltender und wollte nur spezifisch „staatliche" hoheitliche Tätigkeiten als Erfüllung staatlicher Aufgaben ansehen. M i t den Tendenzen zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in Rechtsformen des Privatrechts wird dieses Erfordernis aber
76
Vogel/P.
77
Insbesondere Hartmut Bauer, Die Bundestreue, 1992, S. 270.
78
Werner S. 205 (209). 79
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr, 47 ff. m. weit. Nachw. Heun, Strukturprobleme des Finanzausgleichs, Der Staat 31 (1992),
Bodo Pieroth in: Jarass/ders., GG, Art. 30, Rdnr. 3.
80
Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1973; Rupert Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, 1983, S. 156 ff. 81
Reiner Schmidt, Der geforderte Staat, NJW 1980, S. 160 (161); ders., Der Übergang öffentlicher Aufgabenerfiillung in privaten Rechtsformen, ZGR 25 (1996), S. 345 ff. 82
So selbst Josef Kölble, Zur Lehre von den - stillschweigend - zugelassenen Verwaltungszuständigkeiten des Bundes, DÖV 1963, S. 660 (661).
Einleitung immer weiter eingeschränkt 83 . Heute läßt man daher meist die Tätigkeiten aller Staatsfunktionen 84 , also Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung 85 , unter den Begriff der „Aufgabe" fallen. Trotz aller Unsicherheiten - der verfassungsrechtliche „Trend" geht dahin, „generell jede dem Bund oder den Ländern durch das GG erkennbar zugewiesene Betätigung" 86 zu erfassen. Anders als in der verfassungsrechtlichen Diskussion, in der das Vertrauen in eine fest gefügte Begrifflichkeit eher gering ausgeprägt ist 8 7 , findet sich in der klassischen begrifflichen Tradition des Verwaltungsrechts etwa bei Hans J. Wolff zum Begriff der Aufgabe ein zwar nicht unumstrittener, aber dennoch recht gesicherter juristischer Sprachgebrauch: „Ein Inbegriff von sachlich zusammenhängenden Kompetenzen (Kompetenzbereich), also ein Sachgebiet (Sachbereich), auf dem die Zwecke der organisatorischen Einheit (zB die Staatszwecke) verwirklicht werden sollen, ist eine Aufgabe" 88 . Hiervon zu unterscheiden ist der Begriff der Kompetenz: Kompetenzen sind formale Ermächtigungen, in einer bestimmten Art und Weise tätig zu werden - etwa als Gesetzgeber. Dagegen geht es bei der Aufgabe in diesem Sinne nicht um die Handlungsform, sondern um einen materiellen Aspekt: Nach dieser klassischen Begrifflichkeit des Verwaltungsrechts beschreibt der Begriff der Aufgabe „das, was aufgegeben worden ist" 8 9 , also ein Sachgebiet
83
Zum Kriterium der „Staatlichkeit" der Aufgabenerfilllung bei Art. 30 GG Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, S. 527. 84
Gubelt in: v. Münch/Kunig, GGK II, Art. 30, Rdnr. 7.
85
So ausdrücklich Manfred Gubelt in: v. Münch/Kunig, GGK, Art. 30, Rdnr. 8; enger Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 30, Rdnr. 7: Die einzelnen „Gewalten" seien, soweit sie zu Eingriffen berechtigt seien, unter den Begriff der „Befugnisse" in Art. 30 GG zu fassen; „Aufgaben" seien alle anderen staatlichen Tätigkeitsbereiche. Diese Ansicht ändert nur das Verhältnis der beiden Alternativen des Art. 30 GG zueinander, nicht aber die Kompetenzgebundenheit solcher Maßnahmen. 86
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 56.
87
Repräsentativ hierfür ist die Darstellung bei Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 67. Die umfassende Untersuchung des Konnexitätsgedanken widmet der Wortlautauslegung des Art. 104a Abs. 1 GG ganze 9 Zeilen. 88 89
HansJ. Wolff in: Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht II (4. Aufl. 1976), S. 15.
Walter Pauly, Anfechtbarkeit und Verbindlichkeit der Weisungen in der Bundesauftragsverwaltung, 1989, S. 99. Das ist plastisch formuliert, aber dennoch
30
Einleitung
staatlicher Tätigkeit, bildhafter gesprochen ein Bündel einzelner Kompetenznormen, das geschnürt worden ist mit Blick auf die Inhalte der Staatstätigkeit und ihre Ausrichtung auf Zielvorgaben. Es kommt danach nicht auf die verschiedenen Arten von Kompetenzen an, sondern allein auf Sachinhalte. In den Verwaltungswissenschaften hat sich hierfür der Begriff „Politikfeld" etabliert 90 . Könnte man auch im Zusammenhang mit Art. 104a Abs. 1 GG den Begriff der „Aufgabe" in der Tradition klassischer verwaltungsrechtlicher Begrifflichkeit interpretieren, so hätte eine Diskussion über verschiedene Arten von Kompetenzen zunächst nichts mit dem Begriff der „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes zu tun. Vielmehr wäre als conditio sine qua non jeder Bundesfinanzierung im Rahmen des verfassungsrechtlichen Konnexitätssatzes zunächst nur zu prüfen, ob der Bund für die Sachinhalte irgendeine Art von Sachkompetenz hat; es muß also aus praktischer Sicht 91 zumindest eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorliegen. (2) Der sogenannte finanzverfassungsrechtliche
Aufgabenbegriff
Allerdings hat sich in der derzeitigen wissenschaftlichen Diskussion der Aufgabenbegriff im Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Konnexitätssatz völlig anders entwickelt. Der Begriff „Aufgabe" in Art. 104a Abs. 1 GG soll eine Doppelfunktion haben. Es gehe zwar auch darum, staatliche Betätigungsmöglichkeiten an die Kompetenzordnung zu binden und die Staatsfinanzen freier politischer Disposition zu entziehen. Daneben wird Art. 104a Abs. 1 GG aber auch als generelle und unmittelbar verbindliche Lastenverteilungsregel 92 verstanden. Die Kostenlast soll nach der „Aufgabe" bestimmt werden. Versteht man hierunter - wie sonst üblich - ein bestimmtes Sachgebiet (Politikfeld), so macht die Zuordnung der Ausgabenlasten erhebliche Schwierigkeiten. Im Bundesstaat sind die Kompetenzen in einzelnen Sachfragen sehr häufig auf verschiedene Ebenen verteilt; regelmäßig liegen die
ungenau: auch: was aufgegeben sein kann (auch z.B. kommunale Aufgaben, die keine Pflichtaufgaben sind, fallen unter den Aufgabenbegriff). 90
Ζ. B. Bernd Becker, Öffentliche Verwaltung, 1989, S. 389 ff.
91
BVerfGE 12, 205 (229) - 1. Fernsehurteil; BVerfGE 15, 1 (16) - Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen; ebenso z.B. Philip Kunig in: v. Münch/ders., GGK III, Art. 70, Rdnr. 30 mit weit. Nachw.; zu dogmatischen Grundstrukturen Friedrich Klein, Das Verhältnis zwischen Gesetzgebungszuständigkeit und Verwaltungszuständigkeit nach dem Grundgesetz, AöR 88 (1963), S. 383 ff. 92
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 50.
Einleitung Verwaltungskompetenzen bei den Ländern, der Bund hat aber weitreichende Gesetzgebungskompetenzen. Die Finanzierungslasten müssen aber auch in diesen Fällen geklärt sein. Die derzeitige Praxis arbeitet daher mit einem finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff, der so konstruiert worden ist, daß Aufgabenüberlagerungen zwischen Bund und Ländern praktisch nicht vorkommen. Der Begriff „Aufgabe" müsse stärker als bei Art. 30 GG an den Problemen der Kostenaufteilung orientiert und so ausgelegt werden, daß er die Ausgabenlast eindeutig einer bestimmten Ebene zuordnen könne 93 . Dieser finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff ist enger gefaßt als die beschriebene Formel von den primären Kompetenzen. Durch interpretatorische Verengung wird versucht, die Finanzierungslast nach juristischen Kriterien eindeutig dem Bund oder den Ländern bzw. Gemeinden zuzuordnen. Wie dies im einzelnen geschehen soll, ist in letzter Zeit sehr in die Diskussion geraten. Lange Zeit war man sich im Anschluß an die Finanzverfassungsreform von 1969 weitgehend einig, daß unter „Aufgaben" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG nur Verwaltungskompetenzen zu verstehen seien („Prinzip der Vollzugskausalität") 94 . Seit dem 61. Deutschen Juristentag wird vor allem wegen der hohen Sozialhilfelasten immer wieder für eine verstärkte Anknüpfung an Gesetzgebungskompetenzen plädiert („Prinzip der Gesetzeskausalität") 9 5 . Diese Diskussion wurde vor 1969 als Problem der Auslegung geltenden Verfassungsrechts angesehen. Heute hat sie vor allem verfassungspolitischen Charakter. Dennoch ist vor allem in Grenzfällen auch nach geltendem Verfassungsrecht immer wieder unklar, wie durch Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG die Finanzierungslasten richtig bestimmt werden. Bei der Diskussion um die richtige Lastenverteilung geraten allerdings die „Nebenwirkungen" des beschriebenen „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" weitgehend aus dem Blick. Dabei liegt das Problem offen auf den Hand: Wenn der Begriff „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1 GG) für eine Verknüpfung der Finanzierungsmöglichkeiten mit der Kompetenzordnung sorgt, dann hat jede Einengung dieses Aufgabenbegriffs automatisch zur Folge, daß auch die Reichweite des grundgesetzlichen Fremdfinanzierungsverbots und damit der Anwendungsbereich des grundgesetzlichen Konnexitätsprinzips eingeengt wird. Praktische Konsequenzen hat das vor allem für die Finanzströme innerhalb des öffentlichen Sektors. Bund-LänderFinanzierung ist typischerweise Finanzierung ohne Verwaltungskompetenzen. 93
Vogel/P.
94
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 40.
95
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 15, D 27, D 40.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 50.
32
Einleitung
Nur in Sonderfällen kann sich der Bund gegenüber den Ländern auf „Verwaltungs-Finanzierungskompetenzen berufen 96 . Wenn nur Verwaltungskompetenzen als „Aufgabe" im Sinne des Finanzverfassungsrechts anerkannt werden, gilt im Ergebnis der Konnexitätssatz des Art. 104a Abs. 1 GG, wonach Finanzierung nur unter Nachweis einer „Aufgabe" zulässig ist, für die meisten Bund-Länder-Finanzierungen nicht. An dieser Stelle sei allerdings in Erinnerung gerufen, daß Art. 104a Abs. 1 GG als „Leitbild" des Finanzverfassungsrechts die bundesstaatliche Ordnung des Grundgesetzes bestätigen und verbessern 97 sollte. Die Lastentragung muß auch in problematischen Fällen durch Auslegung von Art. 104a Abs. 1 GG bestimmt werden können 98 . Zusätzlich hat diese Vorschrift zumindest auch die Funktion, eine Unterwanderung der formellen Kompetenzschranken auf dem Weg über die Finanzierung gerade im Verhältnis zwischen Bund und Ländern verfassungsrechtlich zu unterbinden 99. Die Konsequenz des finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs, daß ausgerechnet im kompetenzrechtlich sensiblen Bereich der Bund-Länder-Finanzierungen der Konnexitätssatz des Art. 104a Abs. 1 GG ohne praktische Bedeutung sein soll, scheint dazu nicht so recht passen zu wollen. Der „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff ; hat in der Praxis des bundesdeutschen Finanzverfassungsrechts eine lange Tradition (1. Teil). Dennoch muß diese über Jahre gewachsene Vorstellung rechtlich überprüft werden. „Die richtige Lösung, die einzig richtige Lösung eines Rechtsproblems ist immer nur diejenige, die durch nachvollziehbare Argumentation gewonnen wird; die ,auf rationale Gründe gestützt wird, die andere Lösungen als auf weniger tragfähigen Gründen beruhend und insofern ,unrichtig' erscheinen lassen'" 100 . Daher ist präzise Rechtsdogmatik gefordert. Der gegenüber der klassischen Begrifflichkeit eingeengte „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff', der nur einzelne Arten von Kompetenzen erfaßt, führt zwar in weiten Bereichen zu plausiblen praktischen Ergebnissen. Eine genauere Untersuchung von Grenzfällen aus der Rechtsprechung 101 wird allerdings zeigen, daß die nach diesem dogmatischen Ansatz in der Praxis hergeleiteten Kriterien für die Lastentragung nur wenig mit einem wie auch immer verstandenen Begriff der „Aufgabe" zu tun
96
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537).
97
Vogel/P.
98
Hierzu unten S. 66 ff.
99
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 37.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 66.
100
Reiner Schmidt, Rechtsfragen der regionalen Strukturpolitik, AöR 99 (1974), S. 529 (553); weitere Nachw. nicht mitzitiert. 101
S. unten, insbesondere S. 108 ff.
Einleitung haben. Daher ist ernstlich zweifelhaft, ob der Begriff der „Aufgabe" in Art. 104a Abs. 1 GG überhaupt sedes materiae der grundgesetzlichen Regelung über die Lastentragung ist (2. Teil).
3 Waiblinger
Erster Teil
Die Tradition eines „linanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs 44 In der derzeitigen Diskussion hat sich der eigenständige finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff praktisch vollständig durchgesetzt. Mit „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG könne nur ein „im GG vorgegebener übersichtlicher Kompetenzbereich gemeint sein" 1 . Sonst sei die vom Grundgesetz geforderte generelle ex-ante-Abgrenzung der finanziellen Lasten nicht möglich. Daher wird die „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG so definiert, daß die Finanzierungslast selbst dann eindeutig einer der beteiligten Ebenen zugewiesen werden kann, wenn in der betreffenden Sachmaterie die Gesetzgebungskompetenz beim Bund, die Verwaltungskompetenz aber bei den Ländern und Gemeinden liegt. „Eine eindeutige Zuordnung der Finanzierungslast kann daher nicht an die Aufgabenverteilung innerhalb der drei formellen ,Gewalten' insgesamt anknüpfen; sie muß die Verteilung innerhalb eines der drei Bereiche zum Maßstab und Ausgangspunkt nehmen"2. Dabei soll es auch bei Veranlassung der Kosten durch andere Kompetenzträger auf die Letztentscheidung ankommen, die „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" 3 . Diese entspricht regelmäßig der Verwaltungskompetenz 4; nur ausnahmsweise verschieben sich die Anknüpfungspunkte zu anderen Letztentscheidungskompetenzen5. Eine Dogmatik, nach der nur eine Wahrnehmung von Letztentscheidungskompetenzen als „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG angesehen wird, die Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet, führt im Ergebnis dazu, daß sämtliche Einflüsse im Vorfeld der Letztentscheidung - etwa durch gesetzgeberische Vorgaben oder Ausübung von Ingerenzrechten - nicht mehr zur
1
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 51.
2
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 53.
3
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 56.
4
Nachw. s.o. Fußn. 27 der Einleitung.
5
Etwa für den Vorgang der Gesetzgebung als solcher; Vogel/P. Art. 104a, Rdnr. 56 f., ausführliche Darstellung unten S. 84.
Kirchhof in: BK,
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs 44
35
Wahrnehmung der „Aufgabe" rechnen. Dadurch wird praktisch die gesamte Bund-Länder-Finanzierung aus dem Anwendungsbereich des in Abs. 1 des Art. 104a GG normierten allgemeinen Konnexitätssatzes herausdefiniert. Denn Einflußnahme durch finanzielle Steuerungsinstrumente beschränkt sich regelmäßig auf einzelne Faktoren im Vorfeld der Letztentscheidung. Wenn nach einem finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff nur die Letztentscheidung als „Aufgabe" kompetenzgebunden sein soll, hat die Kompetenzordnung für finanzielle Einflüsse des Bundes auf die Länder praktisch keine Bedeutung. Denn die Letztentscheidungskompetenz liegt formal auch dann beim Land, wenn der Bund durch detaillierte Vorgaben, etwa durch Gesetzgebung mit hoher Regelungsdichte oder sogar durch aufsichtliche Einzelweisungen ganz massiv in Entscheidungen der Länder eingreift. Solange Bundesfinanzierung bloße Einflußnahme im Vorfeld der Letztentscheidung bleibt, handelt es sich nach dem so verstandenen allgemeinen Konnexitätssatz nicht um Wahrnehmung von „Aufgaben" des Bundes im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG. Die praktische Bedeutung dieser Argumentation sei an einem zunächst vielleicht etwas naiv wirkenden, aber hoffentlich aussagekräftigen Modell erläutert: Man versuche, sich vorzustellen, wie der Weg eines einzelnen Markstücks aus dem „großen Finanztopf 4 des Bundeshaushalts in die - als Beispiel - Geldbörse eines Sozialhilfeempfängers aussieht und zu welchen Zwecken dieses einzelne Markstück auf den verschiedenen Etappen eingesetzt wird. Die erste Etappe beginnt im Bundeshaushalt und endet im Haushalt eines Landes. Der Bund beteiligt sich nicht unmittelbar an den Sozialhilfelasten; deshalb kann das Markstück nur im Rahmen von Bund-LänderFinanzierungen den Bundeshaushalt verlassen. Auf dieser Etappe muß das einzelne Markstück für einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Finanzkraft der Länder oder für die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums sorgen. Die zweite Etappe dieses Markstücks beginnt im Landeshaushalt und endet im Haushalt des zuständigen Sozialhilfeträgers, beispielsweise einer kreisfreien Gemeinde in Bayern. Auf der zweiten Etappe wird das Markstück in die Dienste des kommunalen Finanzausgleichs gestellt; so werden in Bayern Sozialhilfelasten kreisfreier Gemeinden bei den Schlüsselzuweisungen6 durch eine Erhöhung der Ausgangsmeßzahl berücksichtigt. Die dritte Etappe führt das Markstück nun endlich in die Geldbörse des Sozialhilfeempfängers. Erst auf dieser dritten Etappe erfüllt das Markstück die Aufgabe „Sozialhilfe 44 . Das einzelne Markstück hat also nacheinander drei verschiedene Funktionen 6
Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 i.V. Art. 2 Abs. 3 des Finanzausgleichsgesetzes i.d.F.d.B. v. 31.1.1997, GVB1. S. 26.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs zu erfüllen: Länderfinanzausgleich, kommunaler Finanzausgleich, öffentliche Fürsorge. Der Weg des Markstücks - also die Finanzierungsmaßnahme - entsprach nur dann dem Konnexitätssatz, wenn eine eigene „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG) wahrgenommen wurde. Die Frage, was hier die „Aufgabe" sei, kann man aus zwei verschiedenen Perspektiven stellen: Aus der Perspektive des Einzelnen, der das Markstück letztlich erhalten hat, ist die Aufgabe, die schlußendlich erfüllt worden ist, die soziale Fürsorge. Nur die dritte Etappe auf dem Weg des einzelnen Markstücks hat mit den eigentlichen Aufgaben des Staates zu tun. Die ersten beiden Etappen betreffen nur staatsinterne, finanztechnische Fragen, sie sind nur Mittel zum Zweck der Erfüllung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Bürger. Also wandert nach dieser Sichtweise das einzelne Markstück nur auf der dritten Etappe konform mit dem allgemeinen Konnexitätsgedanken, die beiden FinanzausgleichsEtappen sind Ausnahmen. Aus Sicht des Bundes oder des Landes stellt sich die „Aufgabe" anders dar. Das einzelne Markstück hat keinen der beteiligten Haushalte verlassen, ohne im haushaltsrechtlichen Sinn zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben notwendig (§ 5 HGrG, § 6 BHO, Art. 6 BayHaushaltsO) zu sein. Das einzelne Markstück wurde lediglich in jeder Etappe, bei jedem einzelnen der verschiedenen Finanzierungsvorgänge, in den Dienst einer neuen Aufgabe gestellt. Zunächst hatte es zur Wahrnehmung von Aufgaben der verschiedenen Stufen des Finanzausgleichs beizutragen. Erst auf der dritten Etappe lag diese Aufgabe im Bereich sozialer Fürsorge. Bei dieser Sichtweise erweist sich jede Einzeletappe des Markstücks - jede einzelne der Finanzierungsmaßnahmen - als Ausprägung des allgemeinen Konnexitätssatzes. In diesen beiden Sichtweisen lassen sich zwei grundlegend verschiedene Konzeptionen erkennen, was unter einer „Aufgabe" im Sinne des allgemeinen Konnexitätssatzes (Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG) verstanden werden kann. Einerseits kann man den Staat als Wirkungseinheit 7 ansehen. Dann ist nur die letzte Stufe der Verwendung öffentlicher Mittel zum unmittelbaren Vollzug regelmäßig mit Außenwirkung - als „Aufgabe" anzusehen. Die übrigen Etappen gehören - untechnisch formuliert - zum „Innenverhältnis" der verschiedenen staatlichen Organisationseinheiten. Andererseits ist das Staatsorganisationsrecht nach dem Grundgesetz recht differenziert ausgestaltet. Der Bund hat nach dem Grundgesetz Gestaltungsmöglichkeiten, mit denen die gesamtstaatliche Wirkungseinheit abgesichert werden soll. Solche Einflüsse wirken sich auf die Stufe letzter Konkretisierung der Staatszwecke nur mit-
7
Grundlegend: Hermann Heller, Staatslehre, 2. Aufl. Leiden 1934, S. 238 ff.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs
37
telbar aus. Ihr Zweck beschränkt sich darauf, durch Vorgaben im Vorfeld der Letztentscheidung „einen Mindeststandard homogener Kompetenzausübung im polykratischen, kompetenzteiligen System" 8 zu gewährleisten. Immerhin haben auch diese „staatsinternen" Steuerungsmittel die Funktion, das Staatsleben zu gestalten. Man kann daher auch solche Einflüsse als „Aufgabe" ansehen9. Das Beispiel des einzelnen Markstücks ist eine eher modellhafte Vereinfachung der tatsächlichen Verhältnisse. Im Zeitalter bargeldlosen Zahlungsverkehrs werden Geldsummen verbucht, die einzelnen Finanzierungsmaßnahmen lassen sich nicht mehr so leicht gegenständlich nachvollziehen. Immerhin lassen sich beim Finanzausgleich die verschiedenen „Etappen" - staatsinternes Wirken und letzte Konkretisierung der Staatszwecke - noch voneinander trennen. Die Finanzströme dienen jeweils nur entweder dem Finanzausgleich oder aber der letzten Stufe der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Immer wieder kommt es aber in einem Bundesstaat zu Konstellationen, bei denen sich die verschiedenen Etappen des einzelnen Markstücks aus dem Modellbeispiel, also die verschiedenen „Aufgaben", die die Grundlage von Finanzströmen bilden, nicht mehr präzise voneinander trennen lassen. Die verschiedenen Zwecke wie etwa Finanzausgleich und endgültige Erfüllung öffentlicher Aufgaben, die im Modellbeispiel in einzelnen Etappen zeitlich nacheinander verfolgt worden sind, überlagern sich und fallen in einer einzigen finanziellen Maßnahme zusammen. In diesen Fällen wird eine Argumentation mit dem Konnexitätsprinzip sehr viel schwieriger. Das soll ebenfalls an einem - diesmal nicht fiktiven 10 - Beispiel erläutert werden: Der Bund legte in den 70er Jahren zu Zeiten kurzfristig stark ansteigender Arbeitslosigkeit ein „einmaliges Sonderprogramm" zur Steigerung öffentlicher Investitionen durch Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4, 1. Alt. G G 1 1 auf. In diesem Programm legte der Bund Wert darauf, daß die Investitionen sehr kurzfristig vorgenommen werden, weil sich der konjunkturpolitische Zweck nur so erreichen lasse. Das veranlaßte die Stadt Krefeld, die Prioritäten ihrer kommunalen Investitionstätigkeit zu überdenken und anstelle des an sich notwendigen, aber nicht so schnell auf die verschiedenen Vorgaben des Förderpro-
8
Josef Isensee, Idee und Gestalt des Föderalismus im Grundgesetz, HStR IV, S. 517(644). 9
So z.B. Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537).
10
Berichtet bei Walter Leder, Für den Abbau von Zweckzuweisungen, Der Gemeindehaushalt 1981, S. 111 (112). 11
Ein solches Programm beschäftigte in anderem Zusammenhang sogar das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 41, 291 - einmaliges Sonderprogramm).
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs gramms abzustimmenden Ausbaus einer Berufsschule zunächst das Vorhaben „Neubau des Elefantenhauses im Krefelder Zoo" zu verwirklichen. In diesem Beispielsfall haben die öffentlichen Ausgaben einen doppelten Zweck: Einerseits sind solche Projekte ein durchaus geeignetes Mittel zur Bekämpfung kurzfristiger Arbeitslosigkeit. Die Ausgaben dienen also der Konjunkturpolitik. Gleichzeitig wird der Zoo ausgebaut. Die Investitionstätigkeit dient der öffentlichen Daseinsvorsorge. Das bleibt selbst dann eine kommunale Aufgabe, wenn - wie hier - bei der Entscheidung im Einzelfall ganz offensichtlich den konjunkturpolitischen Vorgaben des Bundes größeres Gewicht beigemessen wurde als den kommunalen Bedürfriissen. Ähnliche „Mischfinanzierungen" 12 sind ganz typisch, wenn Gemeinden bei ihrer Tätigkeit nicht nur auf die Erfüllung ihrer örtlichen Aufgaben schauen sollen, sondern dabei gleichzeitig auch noch zur Beachtung gesamtstaatliche Belange angehalten sind. (1) Ausnahmen vom Konnexitätssatz Der finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff steht in engem Zusammenhang mit dem zweiten Halbsatz des Art. 104a Abs. 1 GG. Die grundgesetzliche Verknüpfung von Aufgaben und Ausgaben gilt nur, „soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt". Zahlreiche Vorschriften des Grundgesetzes sehen Finanzströme zwischen Bund und Ländern vor 13 . Am Maßstab des engen finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs werden alle diese Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung zu Ausnahmen14 vom Konnexitätssatz im Sinne des zweiten Halbsatzes des Art. 104 Abs. 1 GG. Vor allem bei Zahlungen im Rahmen des Finanzausgleichs, aber auch bei den Mischfinanzierungen sei der Bund ausnahmsweise nicht darauf beschränkt, ausschließlich Bundesaufgaben finanzieren zu dürfen. Die Verfassung enthalte in den einzelnen Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung eigenständige Rechtsgrundlagen einer besonderen Handlungsform „Finanzzuweisungen". Im Anwendungsbereich dieser Finanzierungsvorschriften, also im „Innenverhältnis" zwischen Bund und Ländern, gelte das Verbot aufgabenfremder Finanzierung gerade nicht. Hier müsse eine Finanzierung nicht notwendig etwas mit Sachaufgaben zu tun haben. Diese Argumentation führt dazu, daß der Gedanke einer Verknüpfung der Bundesfinanzierung mit Sachaufgaben bei den Vorschriften des Grundgeset-
12
Rolf Borell, Mischfinanzierungen, 1981, inbesondere zur Kritik (S. 21 ff.).
13
Einzelheiten s. unten S. 166 ff.
14
Ζ. B. Pieroth in: Jarass/ders., GG, Art. 104a, Rdnr. 4-11.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs
39
zes über Bund-Länder-Finanzierungen nicht weiter verfolgt wird. Die Grundlage finanzieller Bundeseinflüsse wird ohne Rücksicht auf die Verteilung der Sachaufgaben allein aus den Finanzierungsvorschriften des Grundgesetzes herausgelesen. Dort schreibe die Verfassung fest, daß ohne Rücksicht auf die zumindest problematische Frage nach der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG 1 5 jedenfalls Finanzierung zulässig sei. Der allgemeine Konnexitätssatz, nach dem öffentliche Mittel nur zur Erfüllung eigener Aufgaben verwendet werden dürfen, sei hier kraft Definitionsmacht durchbrochen. Die Verfassung errichte stattdessen ein System von Sondervorschriften, deren Regelungsgegenstand lediglich die Verteilung der Staatsfinanzen sei. Man spricht dann von eigenständigen „Finanzierungskompetenzen" 16 . In diesen Fällen hätte der Zweck der Finanzierungsmaßnahmen nichts mit der Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes zu tun, vielmehr sei etwas „anderes bestimmt". Der traditionsreiche Gedanke einer umfassenden Bindung der Staatsausgaben an die „primären Kompetenzen" werde vom Grundgesetz selbst mit den Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung wieder relativiert. Damit entfällt im Bereich der Bund-Länder-Finanzierung der sonst für jede Verwendung der Staatsfinanzen nach Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG vorgeschriebene Nachweis einer „Aufgabe", der für die Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen sorgt. Stattdessen liegt bei den Vertretern des engen finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs der Schwerpunkt der juristischen Überlegungen bei der Suche nach Kriterien zur Eingrenzung dieser „Finanzierungskompetenzen". Allein die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschriften entscheiden über die Zulässigkeit finanzieller Bundeseinflüsse. Als eigenständige Rechtsgrundlagen für Bundesfinanzierung muß man diese Normen aus sich selbst heraus auslegen. Gerichtlich nachprüfbare verfassungsrechtliche Inhalte sind von den Spielräumen politischen Prognoseermessens abzugrenzen. Bei Konkretisierung der zahlreichen oft bemerkenswert unbestimmten Rechtsbegriffe stößt man sehr schnell an eine Grenze, jenseits derer sich kaum noch ein justiziabler Norminhalt 17 bestimmen läßt. Dann muß die gerichtliche Kontrolldichte zurückgenommen werden. Es entstehen politische Handlungsspielräume, die das Recht nur eingrenzen, aber nicht inhaltlich kontrollieren kann. Das verschafft den politischen Akteuren politische Prärogativen. Diese werden zwar durch Verfahrensvorschriften tempe-
15
Hierzu ausführlich unten S. 166 ff.
16
So insbesondere Müller-Volbehr,
17
Fondskompetenz, S. 48.
Gerhard Leibholz, Das Bundesverfassungsgericht zwischen Politik und Recht, DVB1. 1974, S. 396(397).
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs riert. Angesichts finanzieller Verlockungen sollte man die Wirksamkeit solcher Formalien aber nicht überschätzen. (2) Von der Konnexität im Bund-Länder-Verhältnis Anders als vor der Finanzreform von 1969 finden sich in der heutigen Literatur nur vereinzelt Stellungnahmen, die auch einzelne der Vorschriften des Grundgesetzes, nach denen der Bund den Ländern Geld zahlt, ohne formal an der Letztentscheidung beteiligt zu sein, als Ausprägung des allgemeinen Konnexitätssatzes ansehen wollen. Immerhin äußert Klaus Stern, der als Sachverständiger der im Jahre 1973 eingesetzten Enquête-Kommission Verfassungsreform auch mit Vorschlägen zu einer Neufassung der Vorschriften über Investitionshilfen des Bundes an die Länder befaßt war 1 8 , daß auch verschiedene Vorschriften, die ihrem Wortlaut nach Durchbrechungen der allgemeinen Lastentragungsregel seien, „zum Teil allerdings weniger Abweichungen vom Grundsatz als vielmehr Klarstellungen sind" 1 9 . Vor allem bei der Auftragsverwaltung sei der Grund für die Kostenübernahme durch den Bund (Art. 104a Abs. 2 GG), daß es sich „hierbei ,eigentlich' um Bundesaufgaben handelt, die lediglich verwaltungsmäßig auf die Länder delegiert sind" 2 0 . Diese Auffassung ist dogmatisch äußerst interessant. Sie deutet zumindest an, daß die „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes nicht in allen Fällen beim Träger der Letztentscheidungskompetenz liegen muß. Vielmehr geht Stern davon aus, es könne auch Konstellationen geben, bei denen trotz der Übertragung der Wahrnehmungszuständigkeit an einen anderen Kompetenzträger durch Delegation, also durch einen Rechtsakt, mit dem der Inhaber einer Zuständigkeit diese auf ein anderes Subjekt überträgt 21 , die „Aufgabe" und damit nach dem allgemeinen Konnexitätssatz auch die Finanzierungsmöglichkeit - von der Wahrnehmungszuständigkeit abgespalten und nicht mitübertragen wird 2 2 . Verfolgt man diesen Ansatz konsequent weiter, wird der Schluß von Kompetenznormen auf die „Aufgabe" - und damit auf die 18
Entwurf eines Art. 104b GG; vgl. BT-Drucks. 7/5924, S. 150, 178 f.; zusammenfassend Stern, ZRP 1977, S. 12 ff. 19
Klaus Stern, Staatsrecht II, 1980, S. 1139.
20
Stern Staatsrecht II, S. 1140.
21
So die Definition von Triepel, s. unten S. 124 ff. 22
Delegation und Mandat, S. 23. Ausfuhrlich hierzu
Zum staatstheoretischen Hintergrund Karl Eckhart Heinz, Delegation und Mandat, Der Staat 36 (1997), S. 495 (504 ff., 509 ff.).
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs
41
Finanzierungslast (Art. 104a Abs. 1 GG) - zweifelhaft. Möglicherweise 23 fallen in Fällen der Delegation Kompetenz und „Aufgabe" auseinander. Das bietet immerhin gewisse Anhaltspunkte, die Vorstellung eines ausschließlich an Wahrnehmungskompetenzen anknüpfenden „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" zu überdenken. Wenn die Prämissen bei Stern stimmen, nach denen „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes und Wahrnehmungszuständigkeit auch auseinanderfallen können, dann wäre es durchaus vorstellbar, angesichts der gesamtstaatlichen Zielrichtung konjunktur- und strukturpolitischer Maßnahmen auch etwa eine Verstärkung der kommunalen Investitionstätigkeit, die durch Finanzhilfen des Bundes nach Art. 104a Abs. 4 GG angeregt worden ist, gewissermaßen als delegierte Bundesaufgabe anzusehen und für eine Finanzierung dann nach dem allgemeinen Konnexitätsgedanken eine Aufgabenzuweisung an den Bund zu verlangen. Damit wäre diese Vorschrift nicht Ausnahme, sondern Anwendungsfall des allgemeinen Konnexitätsgedanken. Auf dieser Grundlage hätte man dann sorgfältig zu untersuchen, in welchen Normen des Grundgesetzes die erforderliche Aufgabenzuweisung an den Bund enthalten ist. Auch bei Kisker 24 klingt die Tendenz an, den allgemeinen Konnexitätsgedanken weiter zu fassen und vor allem den Bereich der Bund-LänderFinanzierung an den Nachweis einer Sachaufgabe zu binden. Dabei wird allerdings oft auch ausdrücklich verfassungspolitisch argumentiert 25. Kisker spricht sich dafür aus, das Verbot aufgabenfremder Finanzierung müsse auch für die „zuschußgewährende Fondsverwaltung" gelten. Der Bund dürfe nach dem Konnexitätsprinzip (Art. 104a Abs. 1 GG) ohnehin nur unter Nachweis einer Sachaufgabe, die er nach Maßgabe der Art. 30, 70 ff., 83 ff. GG habe, finanzieren. Daneben gebe es „keinen Raum für lückenfüllende Interpretationskunststücke"26. Dies gelte gerade für Finanzierungen im „Innenverhältnis" Bund-Länder. Der hier einschlägige 27 Art. 104a Abs. 4 GG habe den Zweck, der kompetenzverachtenden Praxis der zuschußgewährenden Bundesfondsverwaltung vor Inkrafttreten des Finanzreformgesetzes 1969 den Boden zu entziehen28. Die Vorschrift verdeutliche für die Finanzierungskompetenzen 23
Zur Amtshilfe i.S. § 4 VwVfG s. unten S. 202 ff.; zur einschlägigen Rechtsprechung s. unten S. 107 ff. 24
Gunter Kisker, Kooperation im Bundesstaat, 1971, S. 42 f., 283 f.
25
So insbesondere Kisker, Kooperation, S. 283.
26
Kisker, Kooperation, S. 44.
27
Kisker, Kooperation, S. 41 genauer: die 3. Alternative „Förderung des wirtschaftlichen Wachstums", a.a.O., S. 284. 28
Kisker, Kooperation, S. 44.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs den Willen der Verfassung zum lückenschließenden Detail 29 ; die Rechtslage für Finanzierungskompetenzen sei keine andere mehr als für Gesetzgebungsund Verwaltungskompetenzen. Wenn man Art. 104a Abs. 4 GG großzügiger auslege, würde diese Norm „zu einer Art von »Interstate Commerce Clause' der Bundesfondsverwaltung werden" 30 . Dies könne aber nicht der Absicht des verfassungsändernden Gesetzgebers von 1969 entsprechen, der die Fondsverwaltung des Bundes mit dieser Norm nicht nur rechtlich absichern, sondern auch eingrenzen wollte 31 . Nach dem Konnexitätssatz komme es letztlich auch bei den zweckgebundenen Finanzzuweisungen auf die Sachaufgabenzuweisung an den Bund an. „Ob wir also zuschußgewährende Fondsverwaltung als bloße Finanzierung der Erfüllung staatlicher Aufgaben deuten oder sie bereits selbst als Erfüllung von Aufgaben werten: in beiden Fällen müssen wir die Kompetenz letztlich aus Art. 30 GG erschließen" 32. Die Ausgrenzung der Bund-Länder-Finanzierungen aus dem Anwendungsbereich des grundgesetzlichen Konnexitätsgedanken durch einen eng gefaßten finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff läßt sich vor allem historisch erklären. Sie hängt eng mit der Entstehungsgeschichte des Art. 104a Abs. 1 GG zusammen. Der Konnexitätssatz gelangte erstmals im Zuge der Finanzreform von 1955 ins Grundgesetz. Die damalige systematische Stellung muß besonders hervorgehoben werden: Die Einführung einer rechtlichen Verknüpfung zwischen „Aufgabe" und Finanzierungslast stand in engem Zusammenhang mit dem 1955 eingeführten aufgabenorientierten Länderfinanzausgleich. Die „Aufgabe" war Verteilungsmaßstab. Dieser Zusammenhang war vor Anfang an prägend für das das Verständnis des grundgesetzlichen Konnexitätssatzes (A). Im Jahre 1969 wurde die Finanzverfassung grundlegend reformiert. Die Verknüpfung von Kompetenzen und Finanzen wurde zum eigenen Rechtssatz erhoben und in Art. 104a Abs. 1 GG an die Spitze des Abschnitts „X. Das Finanzwesen" des Grundgesetzes gestellt. Damit war der Konnexitätssatz nicht mehr nur Regel zur Aufteilung der Finanzen und gewissermaßen bloßer Rechnungsposten im Länderfinanzausgleich, sondern
29
Kisker, Kooperation, S. 44.
30
Kisker, Kooperation, S. 284 in Anspielung auf die Konzeption des US-Supreme Court, nach den Theorien von „implied powers" und „resulting powers" großzügig ungeschriebene Bundeskompetenzen anzuerkennen („Broad Construction"). Dies fuhrt in den USA zu einer praktisch unbegrenzten Fondszuständigkeit („spending power") des Bundes, umfassend Wilhelm Kewenig, Kooperativer Föderalismus und bundesstaatliche Ordnung, AöR 93 (1968), 433 (459 ff.). 31
Kisker, Kooperation, S. 284.
32
Kisker, Kooperation, S. 43.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
43
erhielt auch kompetenzrechtliche Bedeutung. Dennoch wurde er in der Praxis weiterhin vor allem als Lastentragungsregel verstanden (B).
A. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich Die Finanzreform 1955 unternahm den Versuch, den Länderfinanzausgleich als Rechtsfrage zu behandeln. Man sah rechtlich geregelte Finanzströme zwischen leistungsfähigen und leistungsschwachen Ländern („brüderlicher Ausgleich") 3 3 vor. Für die Abgrenzung der Finanzmassen zwischen Bund und Ländern fügte man im neu gefaßten Art. 106 GG detaillierte Regeln ein. Bund und Länder hatten gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben (Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 GG [1955]). „Die Deckungsbedürfhisse von Bund und Ländern sind so aufeinander abzustimmen, daß ein billiger Ausgleich erzielt, eine Überbelastung der Steuerpflichtigen vermieden und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet gewahrt wird" (Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 GG [1955]). Vor allem galt aber, daß Bund und Länder gesondert die Ausgaben tragen, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Damit wurde mit dem Finanzverfassungsgesetz 1955 34 der Konnexitätssatz erstmals ausdrücklich ins Grundgesetz aufgenommen (Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG [1955]). Von der umfassenden Bindung der Bundesfinanzierung an Bundesaufgaben gab es lediglich zwei Ausnahmen: Das ERP-Sondervermögen wurde aus entstehungsgeschichtlichen Gründen vom Konnexitätsgedanken ausgenommen 35 ; für die Kriegsfolgelasten enthält Art. 120 GG eine Sonderregelung. Die systematische Stellung des Konnexitätssatzes in der Fassung des Grundgesetzes von 1955 ist dogmatisch recht aufschlußreich. Konnexität war nicht selbständig normiert, sondern im vertikalen Finanzausgleich materielles Leitbild bei der Bestimmung der Anteile von Bund und Ländern an der Einkommen- und Körperschaftsteuer. Damit hatte der Konnexitätssatz nach dem damaligen Wortlaut des Grundgesetzes eine völlig andere Funktion als
33
Begriff nach Theodor Maunz, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14 (1956), S. 37 (54). 34
Vom 23. 12. 1955, BGBl I S. 817; insbesondere die Neufassung des Art. 106
GG. 35
Grundlegend Erhard S. 82 ff.
Pauker,
Das ERP-Sondervermögen, 1987, insbesondere
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs etwa der Aufgabenbegriff bei Art. 30 GG. Der Gedanke, man könne zwischen einem Finanzausgleich und anderen, an das Konnexitätsprinzip gebundenen Finanzströmen im Bund-Länder-Verhältnis unterscheiden, war dem Grundgesetz seinerzeit völlig fremd. Ein System rechtlicher Regelungen zur bedarfsorientierten Aufteilung des Steueraufkommens auf Bund und Länder, wie es 1955 eingeführt wurde, kann nur funktionieren, wenn die Finanzierungslasten eindeutig verteilt sind. Daher mußten die neuen fiannzverfassungsrechtlichen Normen ein Tatbestandsmerkmal enthalten, an das als Rechtsfolge die Finanzierungslast geknüpft war. Nur so lassen sich Kriterien für eine „richtige" Steueraufteilung auf Bund und Länder in juristische Kategorien fassen. So entstand zunächst der aus heutiger Sicht oft kaum noch erwähnenswert scheinende, aber seinerzeit gewichtige Grundgedanke, daß die Kosten der Aufgabenerfüllung jeweils vom Träger der Aufgabe aufgebracht werden müssen. Der Konnexitätssatz in der Fassung von 1955 war ausschließlich Lastentragungsregel. Die Anknüpfung an die „Aufgabe" war gewissermaßen der Kristallisationskern, um den herum allmählich ein System zur Ausgestaltung der Steueraufteilung nach rechtlichen Regelungen entstand. Es ging seinerzeit nicht in erster Linie um die kompetenzrechtliche Frage einer Bindung der Betätigungsmöglichkeiten der Staatsorgane an die Kompetenzordnung, sondern zunächst nur um die finanzverfassungsrechtliche Problematik, nach welchen Kriterien die Staatsfinanzen auf die verschiedenen Ebenen im Bundesstaat verteilt werden sollen. Dabei bestehen zwischen Bund und Ländern natürliche Interessengegensätze. So ist es nicht weiter verwunderlich, daß auch die Interpretation des finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs von Anfang an stark politisch geprägt war. Vor 1955 hatte man die Verteilung der Staatsfinanzen als ausschließlich politische Frage 36 angesehen. Die Urfassung des Grundgesetzes enthielt für die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern lediglich einen rechtlichen Rahmen. Der Finanzausgleich war in der Kann-Vorschrift des Art. 106 Abs. 4 GG vorgesehen und nach dem Modell des „väterlichen Ausgleichs" 37 ausgestaltet. Der Bund konnte Ländern, die steuerschwach waren oder höhere Ausgabenlasten hatten, nach Ermessen Zuschüsse gewähren und die Mittel dafür bestimmten den Ländern zufließenden Steuern entnehmen (Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG [1949]). Diese Zuschüsse wurden politisch ausgehandelt. Dann mußte ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates ergehen. 36 37
BVerfGE 1, 117 (134) - horizontaler Finanzausgleich I.
Begriffe bei Maunz, VVDStRL 14 (1956), S. 37 (54). Heute hat sich die neutralere Formulierung vom „vertikalen" bzw. „horizontalen" Finanzausgeich eingebürgert.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
45
Ursprünglich enthielt das Grundgesetz sogar in Art. 106 Abs. 3 eine Ermächtigung des Bundes, den Ländern Zuschüsse „zur Deckung von Ausgaben auf dem Gebiet des Schulwesens, des Gesundheitswesens und des Wohlfahrtswesens zu gewähren". Damals konnte der Bund auf Sachgebieten finanzieren, die nach der allgemeinen Kompetenzverteilung zum Kernbereich der Landeszuständigkeiten gehören. Diese Vorschrift wurde verschiedentlich sogar noch weit ausgelegt. Es wurde sogar vertreten, der Bund dürfe mit dieser Rechtsgrundlage beispielsweise auch „wissenschaftliche Forschungsanstalten, öffentliche oder private Theater, Orchester usw." 3 8 finanzieren. Im kulturellen Bereich seien dem Bund außerhalb seiner Gesetzgebungskompetenz lediglich der Erlaß von Gesetzes oder mit Befehlen verbundene Eingriffe untersagt 39 . Einflüsse durch Finanzierung seien nicht rechtlich gebunden. Die Frage, für welche Staatsaufgaben öffentliche Mittel eingesetzt werden können, war seinerzeit keine Rechtsfrage. In der Anfangszeit der Bundesrepublik konnte man sogar hören, eine Verrechtlichung der Verteilung der Staatsfinanzen sei überhaupt nicht möglich. Flume klassifizierte die Finanzausgleichsartikel des Grundgesetzes als „Pseudonormen, die nur zu künftiger, rhetorischer Verwirrung die Grundlage bieten" 40 . Theodor Maunz fand dafür auf der Staatsrechtslehrertagung von 1955 solche Worte: „Die rechtliche Zementierung zeitbedingter Situationen oder wirtschaftlicher Thesen hat, im ganzen gesehen, doch wohl mehr Nachteile als Vorzüge" 41. Sie bedeute „in Wahrheit nur ein Verlagern oder Verdecken des Kampffeldes. Mit den Fronten um wirtschaftspolitische Anschauungen wird der alte Kampf zweifellos fortgesetzt werden. [...] Was ist aber nützlicher, den Kampf unter der einen oder der anderen Fahne zu fuhren, als politischen oder als wirtschaftlichen Kampf? Schon die Frage scheint zu zeigen, daß mit dem Ruf nach Sachvernunft allein nichts Entscheidendes erreicht, jedenfalls der Kampf nicht beendet ist, und die Kräfte nicht für andere Aufgaben verfügbar sind" 42 . Das gelte gerade auch beim Finanzausgleich. „Indessen kann auch hier die Sachvernunft nur eine Verlagerung des Kampffeldes vornehmen. Die politischen Gegensätze bleiben bestehen und die entscheidenden Fragen ungelöst. Schon der Begriff des ,Bedarfs 4 ist kein unpolitischer Sachbegriff [...]. Er hat
38
Hans Peters, Die Stellung des Bundes in der Kulturverwaltung nach dem Bonner Grundgesetz, in: Festgabe fur Erich Kaufmann, S. 281 (298). 39
Peters, in: Festgabe für Erich Kaufmann, S. 281 (298).
40
Handelsblatt vom 12.5.1955, zit. nach Werner Patzig, Der „allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz" des Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes, AöR 86 (1961), S. 245 (303). 41
Maunz, VVDStRL 14 (1956), S. 37 (60).
42
Maunz, VVDStRL 14 (1956), S. 42.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs eine Tendenz ins Unermeßliche, die man nur mit politischen Erwägungen eindämmen kann."43 Sogar weitreichende Konsequenzen werden erwogen: „Es liegt im Wesen des Politischen, daß es zu keiner vollen Ruhe kommen kann. Sowohl der Bund wie die Länder sind dem Risiko des politischen Handelns und Geschehens preisgegeben, das sogar den Existenzverlust miteinschließt. Keine Sachvernunft kann sie vor diesem Risiko bewahren" 44. Die verfassungsrechtliche Entwicklung bewegte sich in anderen Bahnen. Die Aufteilung der Staatsfinanzen auf Bund und Länder wurde 1955 verrechtlicht (1.). Bei der Ausgestaltung der Einzelheiten vertraute man seinerzeit eher juristischen als ökonomischen Maßstäben (2.).
1. Finanzierung als kompetenzrechtlich relevantes Staatshandeln Die Entwurfsbegründung zur Finanzreform 1955 folgte nicht der Auffassung von Maunz: „Die Bundesregierung erachtet es für erforderlich, ... den allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz ... zu normieren. [...] Die normative Bestätigung dieses Grundsatzes ist auch für die Gestaltung des Länderfinanzausgleichs wie für die Folgezeit bedeutsam. Der Finanzausgleich hat sicherzustellen, daß auch die finanzschwachen Länder ihrer Ausgabenverantwortung gerecht werden können" 45 . Das Grundgesetz wollte dem Freistilringen der Länder um die Finanzen ein Ende machen und stattdessen für deren richtige Verteilung inhaltliche Maßstäbe setzen. Jeder Ebene sollte die für ihre Aufgaben nötige Finanzausstattung verschafft werden. Daher sollten für den Finanzausgleich die Kosten der jeweiligen öffentlichen Aufgaben (a) maßgeblich sein. Politische Wünsche nach Bundesfinanzierung waren also an den Nachweis einer Kompetenz des Bundes geknüpft (b).
43
Maunz, VVDStRL 14 (1956), S. 48 f.
44
Maunz, VVDStRL 14 (1956), S. 50. Dort zieht Maunz sogar die Möglichkeit in Erwägung, der Kampf zwischen Bund und Ländern könne „die Beseitigung des einen Partners durch den anderen" einschließen. Das sei allerdings ein höchst beklagenswerter und folgenschwerer politischer Eingriff in die geschichtliche Fundierung des deutschen Staates. 45
BT-Drucks. 11/480, Tz. 60.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
47
a) Die „Aufgabe" als Verteilungsmaßstab Die grundlegende Schwierigkeit eines solchen aufgabenorientierten Finanzausgleichs besteht darin, den Finanzbedarf für die Aufgaben der verschiedenen Ebenen festzustellen. Das geht nicht ohne normative Erwägungen. Die Regelung von 1955 sah zwei verschiedene Stufen vor: Zunächst setzt die Ausrichtung des Finanzausgleichs auf die Verteilung der „Aufgaben" im Bundesstaat und die damit zusammenhängenden Kosten in diesem Zusammenhang zumindest voraus, daß jede Ebene nur im Rahmen dieser „Aufgaben" zu Ausgaben ermächtigt 46 ist. Öffentliche Mittel sollten demnach nur im Rahmen der kompetenzrechtlichen Möglichkeiten ausgegeben werden dürfen. Sonst bestünde die Gefahr, daß durch „freihändige" Ausgaben Deckungslücken zunächst künstlich geschaffen und anschließend über den Finanzausgleich zu Lasten anderer Ebenen refinanziert werden. Daher wurde Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (1955) bald verallgemeinert 47 . Schon die Entwurfsbegründung war der Ansicht, der dort normierte Konnexitätssatz sei nicht nur Leitidee für Gestaltung des Finanzausgleichs, sondern ein allgemeiner Grundgedanke des Grundgesetzes 48. Die Norm schreibe - weil nur so ein aufgabenorientierter Finanzausgleich funktionieren könne - gewissermaßen nebenbei auch noch vor, daß eine Verwendung der Staatsfinanzen nur unter Nachweis einer eigenen „Aufgabe" zulässig sei. Damit enthalte der Konnexitätssatz auch ein allgemeines Fremdfinanzierungsverbot. Bundesfinanzierung sei nur auf der Grundlage einer Kompetenz zulässig. Dies folge jedenfalls 49 aus der Verknüpfung der Staatsausgaben mit Staatsaufgaben in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (1955). Diese Vorschrift bringe eine „verfassungsgestaltende Grundentscheidung" 50 zum Ausdruck. Öffentliche Mittel dürften seit der Reform 1955 nur ausgegeben werden, wenn eine Aufgabe nachgewiesen werden kann.
46 47
So schon die Regierungsbegründung, BT-Drucks 11/480, Tz. 60.
Hierzu Müller-Volbehr, 104a, Rdnr. 5. 48
Fondskompetenz, S. 23; Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art.
BT-Drucks. 11/480, Tz. 34 f.; 54 ff.
49
Gelegentlich wurde das auch aus einer Auslegung des Grundgesetzes im Lichte des § 17 RHO hergeleitet (Freiherr v. Stralenheim, Bildungs- und Forschungsförderung als Aufgabe von Bund und Ländern, DÖV 1965, S. 74); am Grundsatz eigenständiger Verfassungsinterpretation (keine „Gesetzmäßigkeit der Verfassung") muß aber festgehalten werden. 50
Erichsen, Konnexität, S. 16.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs Mit dieser weiten Interpretation des Konnexitätssatzes wurde die Frage nach den Möglichkeiten der Verwendung der Staatsfinanzen ganz allgemein der Kompetenzordnung unterstellt und damit zur Rechtsfrage erklärt. Dieser Argumentation haben sich die Gerichte 51 und die überwiegenden Lehrmeinungen52 angeschlossen. Man war sich trotz der vielfach abweichenden Staatspraxis der 60er Jahre 53 weitgehend darüber einig, daß wegen der Gefahr der Unterwanderung des allgemeinen Finanzausgleichs die Staatsfinanzen nur im Rahmen der jeweiligen „Aufgaben" ausgegeben werden dürfen. Bundesfinanzierung für den Kernbereich der Landeskompetenzen, wie er vor 1955 in Art. 106 Abs. 3 GG vorgesehen war, wurde so unterbunden. Die Verrechtlichung erfaßte also auch alle Finanzströme im „Innenverhältnis" zwischen Bund und Ländern. Allerdings war das aus dem Konnexitätsgedanken hergeleitete Verbot einer Finanzierung kompetenzfremder Aufgaben ursprünglich vor allem haushalts- und finanzausgleichspolitisch motiviert. Man sah weniger die Gefahr kompetenzfremder Einflußnahme durch finanzielle Instrumente. Das Fremdfinanzierungsverbot hatte vielmehr vor allem den finanzpolitischen Sinn, eine Verfälschung der für den Finanzausgleich bedeutsamen Deckungsquoten durch übermäßige Ausgaben zu verhindern. Es soll sichergestellt sein, daß der Finanzausgleich nicht zu einer Refinanzierung übermäßiger kompetenzfremder Ausgaben mißbraucht werden kann. Für das zusätzliche Problem, daß sich der wirkliche Finanzbedarf auch bei Bindung aller Ausgaben an die Kompetenzordnung nur schwierig feststellen läßt, bildete dann als zweite Stufe die Vorschrift des Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 GG (1955) ein zusätzliches Korrektiv. Hiernach sollen beim Finanzausgleich nur die jeweils „notwendigen" Ausgaben Berücksichtigung finden. Es soll also nicht nur auf die formelle Zuständigkeit für einzelne Ausgaben, sondern auch auf eine gewisse inhaltliche Rechtfertigung ankommen. Diese zweite Stufe steht noch heute als Grundsatz der Umsatzsteueraufteilung im Grundgesetz (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1). Sie hat aber auch heute nur geringe praktische Bedeutung. Es hängt letztlich von politischen Grundvorstellungen ab, bei welchen seiner Aufgaben ein Kompetenzträger seine 51
BVerfGE 9, 305 (328 f.) - Tilgungsgesetz -; 14, 221 (233 f.) - Fremdrentengesetz-; 26, 338 (389 ff.) - Eisenbahnkreuzungsgesetz; BVerwGE 44, 351 (364) Gronau. 52
Ausführliche Nachweise bereits bei Erichsen, Konnexität, S. 16 mit vollständigem Überblick über den damaligen Meinungsstand in zahlreichen Nachweisen (Fußn. 22); Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 25 (Fußn. 112); seither unstr. 53
Die damalige „Fondswirtschaft" ist dargestellt bei Arnold Köttgen, Fondsverwaltung in der Bundesrepublik, 1965, insbesondere S. 27 ff. und Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 36 ff.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
49
finanziellen Schwerpunkte setzten will. Daher läßt sich, wenn Zuständigkeitsfragen geklärt sind, die Notwendigkeit einzelner Ausgaben nur selten mit fundierten Argumenten rechtlich in Zweifel ziehen 54 . Damit war nach dem Modell von 1955 faktisch allein die erste dieser beiden Stufen für die Ausgestaltung des Finanzausgleichs maßgeblich. Die Formulierung aus Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (1955), wonach die Ausgabenlast der Aufgabenverteilung folgt, war die entscheidende rechtliche Vorgabe. Allein die Auslegung des Begriffs „Aufgabe" mußte über die Verteilung der Finanzen im Finanzausgleich entscheiden. In der Anfangszeit der Bundesrepublik wurden die mit den Bund-LänderFinanzströmen zusammenhängenden Interessengegensätze zwischen Bund und Ländern mit politischen Mitteln ausgetragen. Die Reform von 1955 führte zur Verrechtlichung. Daher mußten die Begründungen nunmehr juristisch formuliert werden. Die Kriterien für Konnexität entscheiden über die Verteilung finanzieller Mittel in erheblicher Größenordnung. Hier bestehen natürliche Interessengegensätze, die sich auch in der wissenschaftlichen Diskussion widerspiegeln. Auch die Auslegung des Begriffs „Aufgabe" des Konnexitätssatzes war daher weniger von allgemeiner juristischer Dogmatik als vielmehr vom Problem der Verteilung der Staatsfinanzen und damit zusammenhängender politischer Einflußmöglichkeiten geprägt. Die Auslegung dieses Begriffes war für die Verteilung der Finanzmassen im Bundesstaat von erheblicher Bedeutung. So ist es kaum verwunderlich, daß die juristische Konkretisierung des Aufgabenbegriffs im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich seinerzeit sehr grundsätzlich umstritten war und zum richtigem Verständnis der „Aufgabe" im Sinne des Grundgesetzes unterschiedlichste Positionen vertreten wurden 55 .
54
So hält Erhard Pauker nur „eklatante Verstöße" für überprüfbar, Wirtschaftssubventionen des Bundes, DÖV 1988, 64 (70); noch restriktiver FischerMenshausen, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 106, Rdnr. 25. Versuche einer Verrechtlichung bei Prokisch, Justiziabilität, S. 219 ff, 227 f. Überblick: Rudolf Wendt, Finanzhoheit und Finanzausgleich, HStR IV, S. 1058; Willi Geiger, Zur Auslegung des Begriffs „notwendige Ausgaben" in Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 GG, in: FS f. Theodor Maunz, 1981, S. 89 (93). 55
In finanziellen Angelegenheiten finden sich gelegentlich bemerkenswert kunstvolle juristische Begründungen. Das kommt vor allem in den Interviews zum Parallelproblem der Gemeinschaftsaufgaben zum Ausdruck, die bei Scharpf/Reissert/Schnabel, Politikverflechtung I, S. 119 wiedergegeben sind. Äußerung eines Ländervertreters: „Ich muß ganz ehrlich sagen, wenn der Bund den Vorschlag gemacht hätte, wir nehmen die Apfelbäume für den Wegebau, und das wäre für mein 4 Waïblinger
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs b) Umgehungsversuche Auf diese Weise hatte sich der politische Streit zwischen Bund und Ländern um die Finanzen auf die juristische Ebene verlagert. Noch in den frühen 60er Jahren fand sich sogar die Ansicht, der Bund könne - wenn man schon Finanzierung nicht als bloßen innerstaatlichen Vorgang für ohnehin zulässig halte - ohne weiteres eine „Aufgabe" aus „seinem Wesen als Gesamtstaat"56 oder seiner „überregionalen Garantiefunktion (Art. 28 Abs. 3, 37, 91 Abs. 2 u.a. [GG])" 5 7 nachweisen und damit Bundesfinanzierungen legitimieren. Das war sicher zu pauschal, weil die genannten Vorschriften strenge verfahrensrechtliche Kautelen enthalten, die ebenfalls das „Wesen" 58 eines Bundesstaates ausmachen. Daher ging man schon damals überwiegend davon aus 59 , daß das Grundgesetz nur in Kompetenznormen „Aufgaben" verteilt, die den Einsatz öffentlicher Finanzen rechtfertigen. Heftig umstritten waren aber Fälle, in denen verschiedene Kompetenzträger in einer Sachfrage tätig werden konnten. Das Grundgesetz verteilt sehr oft die Kompetenzen in einzelnen Sachfragen auf verschiedene Ebenen. Gesetzgebungskompetenzen liegen überwiegend beim Bund, für den Vollzug sind regelmäßig Landesverwaltungen zuständig. Mit der Bindung der Finanzströme an die „Aufgabe" war also nicht viel gewonnen. Immer in Fällen einer Überlagerung verschiedener nach dem Grundgesetz von Bund oder Ländern wahrzunehmender Sachaufgaben war es schwierig, aus dem allgemeinen Grundsatz der Konnexität für die Finanzierungslasten eindeutige Kriterien herzuleiten. Das führte zu großen Anwendungsproblemen 60. Es fällt auf, daß etwa gleichzeitig mit der Einführung des aufgabenorientierten Länderfinanzausgleichs Mitte der 50er Jahre auch die Diskussion um ungeschriebene Kompetenzen des Bundes aufkam. Der Bund durfte nach der Verrechtlichung des Länderfinanzausgleichs nur unter Nachweis einer „Aufgabe" finanzieren. Eine bloße Gesetzgebungskompetenz des Bundes hielt Land günstig gewesen, ich hätte mich nicht dagegen gewehrt. Ich bin dort als Vertreter meines Landes und nicht als wissenschaftlicher Mitarbeiter". 56
Kölble, DÖV 1963, S. 660 (662).
57
Kölble, DÖV 1963, S. 660 (662).
58
Grundlegend Wilhelm A. Scheuerle, Das Wesen des Wesens. Studien über das sogenannte Wesensargument im juristischen Begründen, AcP n.F. 43 (1964), S. 429 ff 59
So insbesondere BT-Drucks. 11/480 (Entwurfsbegründung zur Finanzverfassungsreform 1955), Tz. 59 f. 60
Vogel/P.
Kirchhof en: BK, Art. 104a, Rdnr. 36.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
51
man nicht für ausreichend zum Nachweis dieser „Aufgabe" 6 1 . Daher verwendete man seinerzeit viel Mühe darauf, Verwaltungskompetenzen des Bundes zu konstruieren (1). Es ging dabei vor allem um Rechtsgrundlagen für „Verwalten durch Geldausgeben" (2). (1) Ungeschriebene Kompetenzen Es ist heute noch umstritten, ob es unter der Geltung des Grundgesetzes überhaupt ungeschriebene Kompetenzen geben kann 62 . Die Diskussion geht allerdings oft nur um Begriffe. Bloße - auch weite - Auslegung bestehender Bundeskompetenzen wirft keine Grundsatzprobleme auf. Auch wenn die Formulierung von „ungeschriebenen Bundeskompetenzen aus Sachzusammenhang" verwendet wird, so stützen sich die Argumente in der Sache auf geschriebenes Recht. So werden etwa im Bereich der Politikvorbereitung aus Gesetzgebungskompetenzen des Bundes ohne weiteres auch Zuständigkeiten für gesetzesvorbereitende Untersuchungen, Gutachten usw. hergeleitet 63 . Problematischer wird es, wenn es nicht nur um Annexkompetenzen in Sachmaterien geht, auf denen der Bund nach dem Grundgesetz bereits Zuständigkeiten hat. W i l l sich der Bund mit ungeschriebenen Kompetenzen völlig neue Sachmaterien jenseits des grundgesetzlichen Kompetenzkatalogs erschließen, so kommt es zu einer echten Ausweitung der „primären Kompetenzen" des Bundes. Das läßt sich lege artis nicht mehr durch Auslegung einzelner Kompetenznormen begründen. Vielmehr muß auf andere Argumentationstechniken zurückgegriffen werden. Die Bundeskompetenz wird dann aus „Natur der Sache" hergeleitet. Die Rechtsprechung arbeitet zur Herleitung ungeschriebener Verwaltungskompetenzen meist mit der bereits erwähnten, im Zusammenhang mit Maßstäben für Aufsicht über die Länder entwikkelten und sehr traditionsreichen Anschütz-Formel vom „ i m Wesen der Dinge
61
BT-Drucks. 11/480, Tz. 59.
62
Zusammenfassend Franz Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 30, Rdnr. 7; Manfred Gubelt in: v. Münch/Kunig, GGK II, Art. 30, Rdnr. 17 ff.; kritisch Joachim Wieland, Ungeschriebene Ausgabenkompetenzen des Bundes in der geschriebenen Finanzverfassung des Grundgesetzes?, in: Makswit/Schoch (Hrsg.), Aktuelle Fragen der Finanzordnung im nationalen und internationalen Recht (Tagung der wissenschaftlichen Mitarbeiter im öffentlichen Recht, Kiel 1986), S. 129 (144). 63
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (529): „apokryphes Mandat des Bundes". Zur Kompetenz aus Sachzusammenhang BVerfGE 3, 407 (421) - Baurechtsgutachten; 12, 205 (238) - 1. Fernsehurteil; 22, 180 (210) - Jugendhilfegesetz; 26, 281 (300) - Ingenieur.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs begründeten, mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Reichs darstellen, vom Reiche und nur von ihm geregelt werden können" 64 . Mit dieser Formulierung verschwimmen die Grenzen zwischen Juristerei und Philosophie. Anschütz nimmt sogar bis in die Begriffe Bezug auf den Gedanken der Apriorität idealer Gewußtheiten aus der Ideenwelt Piatons. In diesem Denken sind Erkenntnisinhalte in ihrem Bestand schon existent. Erkenntnis ist dann ein ontologischer Vorgang, sich solcher Wahrheiten bewußt zu werden 65 . Die Rechtssprache verwendet hierfür den Begriff der „Evidenz". Eine Bundeskompetenz soll sich daher - wie es Erich Küchenhoff im Jahre 1957 formuliert hat - aus „einer gewissen Evidenz der Höherwertigkeit der Bundesinteressen" 66 ergeben. Die heutige juristische Diskussion solcher ungeschriebenen Kompetenzen kraft Natur der Sache 67 kreist dann auch vor allem um die Frage, welches Maß an Evidenz zu fordern sei. Es finden sich verschiedenste Formulierungen des Evidenzgedanken zwischen einer Art verschärfter Bedürfnisprüfung nach dem Muster der ursprünglichen Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG und der praktischen Ablehnung ungeschriebener Kompetenzen 68 . Das ist schon im Ansatz problematisch. Mit einer solchen Argumentation wird jedenfalls die übliche rechtswissenschaftliche Methode 69 verlassen,
64
HdbDStR I, S. 367. Ebenso BVerfGE 3, 407 (421, 427 ff.) - Baurechtsgutachten; 11, 89 (98) - brem. Urlaubsgesetz; 12, 205 (242)- 1. Fernsehurteil; 15, 1 (24) Gesetz zur Reinhaltung der Bundeswasserstraßen; 22, 180 (217); 26, 246 (257). 65
Einfuhrend z.B. Johannes Hirschberger, Geschichte der Philosophie, Band I, 14. Aufl., Freiburg 1976, Nachdruck 1991, S. 91 - 94. 66
Erich Küchenhoff, Ausdrückliches, stillschweigendes und ungeschriebens Recht in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, AöR 82 (1957), S. 413 (460). 67
Hans Bernhard Brockmeyer, Ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten des Bundes, in: FS für Franz Klein, 1994, S.633 ff.; Katharina Harms, Kompetenzen des Bundes aus „Natur der Sache"?, Der Staat 33 (1994), S. 409 (419). 68
Michael Ronellenfitsch, weit. Nachw. 69
Die Mischverwaltung im Bundesstaat, 1975, S. 230 mit
Eine umfassende Darstellung der verschiedenen philosophischen Versuche, den Vorgang einer Erkenntnis apriorischer Gegebenheiten zu rationalisieren, würde den Rahmen einer juristischen Arbeit sprengen. Das Denken in syllogistischen Schlüssen geht auf Aristoteles zurück. Er versuchte vor allem, auch empirische Erkenntnisquel-
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
53
Rechtsfolgen für einen Einzelfall durch syllogistischen Schluß aus einer Norm herzuleiten. Bei der klassischen juristischen Argumentationsweise wandert der Blick so lange zwischen Obersatz und Untersatz hin und her, bis feststeht, ob beide zur Deckung gebracht werden können. Evidenz ist dabei nur der Maßstab, der anzeigt, ob dies hinreichend gelungen ist. Evidenz „an sich" gibt es im klassischen juristischen Denken nicht. Die Kategorie der Evidenz kann nur eine Beziehung zwischen einer Norm und dem zu würdigenden Lebenssachverhalt beschreiben. Daher braucht die Frage nach Evidenz eine Bezugsgröße. Erst wenn man Norm und Lebenssachverhalt gegenübergestellt hat, ist es möglich, die Norm so zu interpretieren, daß ihr möglichst evidente Aussagen über der zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalt entnommen werden können und umgekehrt den Lebenssachverhalt so aufzubereiten, daß seine Erfassung unter eine bestimmte Norm evident wird. Eine Diskussion über die Formulierung verschieden strenger Evidenzkriterien führt daher dazu, daß die wenigstens lege artis zu erörternde Frage nach einer Norm umgangen wird. Auf das Primat des Rechts sollte jedoch nicht verzichtet werden 70 . An sich müßte man bei den „ungeschriebenen Kompetenzen" vorrangig untersuchen, ob sich aus positiv normierten Rechtssätzen oder aus Naturrecht ein hinreichend subsumtionsfähiger Obersatz bilden läßt 71 . Im Staatsorganisationsrecht lassen sich solche allgemeingültigen len zu berücksichtigen. Ein Überblick findet sich bei Hirschberger, Philosophie, S. 168 ff. (176 f.).
Geschichte der
70
Zur Grundsatzfrage z.B. Reiner Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, 1971, S. 88. 71
Ein Beispiel, das hier nur grob angerissen werden kann: Das Maß an zu Zwekken gesamtstaatlicher Repräsentation subventionierter „Hauptstadtkultur", das nach „Natur der Sache" (und nicht nach individuellen Begehrlichkeiten) geboten ist, läßt sich möglicherweise nach der naturrechtlichen Methode, die tatsächlichen Verhältnisse in vergleichbaren anderen Staaten genau zu beobachten und dann zu versuchen, diesen Verhältnissen innewohnende ökonomische oder politikwissenschaftliche Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, näher eingrenzen. Die Vorstellung von Juristerei als Erkenntniswissenschaft ohne Normen als Argumentationsgrundlage ist zwar ungewöhnlich. Die Begründungen werden auf diese Weise aber wenigstens etwas transparenter als nach „Natur der Sache". Das Problem liegt allerdings dann in der gerade bei Finanzierungsfragen großen ökonomischen Komplexität, die es schwierig macht, bestehende Gesetzmäßigkeiten zu erkennen; mit pauschalen Formeln (gilt bei vergleichender Betrachtung eher die Regel ,je reicher das Land, desto mehr Repräsentation" oder aber ,je ärmer das Land, desto mehr Repräsentationsaufwand"?) ist nichts gewonnen. In einem zweiten Schritt wäre dann zu fragen, welche Ebene im Bundesstaat nach deutschem Verfassungsrecht kompetent ist. Sicherlich sind auch nach
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs Normen nicht ohne weiteres finden. Kompetenzregeln sind eben doch Menschenwerk. Mit der Vorstellung, jenseits der Welt rechtlicher Normen gebe es absolute Wahrheiten, die man durch einen Erkenntnisvorgang gewissermaßen nur aufzudecken brauche, sollte man wenigstens in diesem Bereich sehr zurückhaltend umgehen. (2) Ungeschriebene „ Finanzierungskompetenzen " Die heutige Diskussion 72 findet sich dennoch weitgehend mit der Existenz ungeschriebener Kompetenzen ab und beschäftigt sich trotz aller Grundsatzkritik 7 3 eher damit, die Reichweite ungeschriebener Bundeszuständigkeiten restriktiv zu handhaben. Diese Position läßt sich auf Überlegungen von Arthur Kaufmann stützen: „Die ,Natur der Sache' ist [...] die Mitte zwischen Sachgerechtigkeit und Normgerechtigkeit und als solche der eigentliche Träger des objektiven rechtlichen Sinnes, um den es bei aller Rechtserkenntnis geht" 74 . In der Praxis geht es bei ungeschriebenen Kompetenzen meistens um sogenannte „Finanzierungskompetenzen" 75. Mit dieser untechnischen Formulierung sind Verwaltungszuständigkeiten des Bundes gemeint, die allein mit dem Zweck konstruiert worden sind, ein „Verwalten durch Geldausgeben" - durch Fördermaßnahmen im gesetzesfreien Bereich - zu ermöglichen. Dabei fällt allerdings auf, daß die Kriterien, nach denen eine ungeschriebene Verwaltungskompetenz geprüft wird, sich kaum von den im Zusammenhang mit ungeschriebenen Gesetzgebungskompetenzen genannten Merkmalen unterscheiden. diesem Ansatz ab einem gewissen Punkt Wertungsfragen unausweichlich. Möglicherweise sind solche Wertungen aber differenzierter als die pauschale Berufung auf eine „gewisse Evidenz". 72
Überblick bei Hans Bernhard Brockmeyer, (637 ff.).
in: FS Franz Klein, 1994, S. 633
73
Wieland, Ungeschriebene Ausgabenkompetenzen, S. 133 ff.; vgl. auch Reiner Schmidt, Natur der Sache und Gleichheitssatz, JZ 1967, S. 402, der die Auffassung äußert, eine solche Argumentation „muß durch Entwicklung eine eigenständigen Verfassungstheorie verhindert werden. Die Natur der Sache hört dann auf, eine ,ganz eigenthümliche geheimnisvolle Macht in unserer Rechtswissenschaft4 (Leist, Naturalis ratio und Natur der Sache, Jena 1860, S. 8) zu entfalten" (a.a.O., S. 404, der Klammerzusatz ist im Original eine Fußnote). 74
Arthur Kaufmann, Analogie und „Natur der Sache", 2. Aufl. 1982, S. 44. Auf S. 47 stellt Kaufmann einen Bezug zur Typenlehre her. Hierzu grundlegend: Heinrich Weber-Grellet, Der Typus des Typus, in: FS Heinrich Beisse, 1997, S. 551 ff. 75
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 30, Rdnr. 7 m. weit. Nachw.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
55
„Der Kompetenztypus ,Natur der Sache' vermittelt Bundeszuständigkeiten nur bei echten Verfassungslücken" 76. Daher handhabt das Bundesverfassungsgericht ungeschriebene Kompetenzen77 des Bundes sehr restriktiv. Vor allem bei den Verwaltungskompetenzen werden ungeschriebene Kompetenzen zwar gelegentlich erörtert, aber nur selten bejaht 78 . Die für die BundLänder-Finanzierung bedeutsamen Kompetenzen waren allerdings bislang nicht Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß in kompetenzrechtlichen Grenzbereichen eine gewisse Kreativität bei der Suche nach Wegen zur Verwirklichung politischer Finanzierungswünsche durchaus Tradition hat. Schon im 19. Jahrhundert lassen sich ähnliche Diskussionen nachweisen. So beklagte Haenel bereits im Jahre 1892 die fehlende Reichskompetenz zu Dotationen für „das archäologische Institut in Rom und dessen Zweiganstalt in Athen, die ... zoologische Station in Neapel, für die Museen in Nürnberg und Rom, für die monumenta Germaniae, für die Leopoldina Karolina, für Fischzucht und Fischzuchtanstalt in Hüningen, zur Wiederherstellung der Katharinenkirche in Oppenheim a. Rh., zur Erforschung Centraiafrikas, zur Errichtung des Nationaldenkmals auf dem Niederwald u. s. w . " 7 9 Es erscheint aus heutiger Sicht durchaus naheliegend, das Grundgesetz im Lichte dieser Tradition auszulegen. Finanzierungsmaßnahmen sind rechtlich an den Nachweis einer Kompetenz geknüpft. Im Anwendungsbereich der ungeschriebenen Kompetenzen jenseits der Grenzen des grundgesetzlichen Kompetenzkatalogs scheint aber statt juristischer Eindeutigkeit vorrangig eine politische Lösung gewollt zu sein, die sich weniger an präzisen juristischen Begriffen orientiert, sondern stattdessen bei der Bundesfinanzierung ein gewisses Maß an verfassungsrechtlicher Unklarheit bewußt beibehalten und dadurch die politischen Instanzen zu einer sorgfältigen Einzelfallprüfung anhalten will. Bildhaft gesprochen: Ein wenig schlechtes Gewissen soll schon
76
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (552).
77
Gesetzgebungskompetenzen: BVerfGE 3, 407 (422) - Baurechtsgutachten; 11, 89 (96 ff.) - brem. Urlaubsgesetz; 12, 205 (237 ff.) - 1. Fernsehurteil; 15, 1 (20, 26) Gesetz zur Reinhaltung der Bundes Wasserstraßen; 26, 281 (300) - bad.-württ. Landesgebührengesetz; 84, 133 (148) - öff. Dienst der ehem. DDR. Verwaltungskompetenzen: BVerfGE 11, 6 (17) - Dampfkessel; 12, 205 (229, 250 ff.) - 1. Fernsehurteil; 22, 180 (217) - Jugendhilfe. 78
Überblick über die einschlägige Kasuistik bei Pieroth, in: Jarass/ders., GG, Art. 83, Rdnr. 7. 79
Deutsches Staatsrecht, 1. Band, S. 380 (Fußn. 3).
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs dabei sein, wenn über Bundesfinanzierung mit ungeschriebenen Kompetenzen beschlossen wird. Die Praxis w i l l aber kein schlechtes Gewissen, sondern Klarheit. M i t der Vorstellung, ein Staatsorgan könne seine Kompetenz auch anders als durch Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale einer geschriebenen Rechtsnorm herleiten, wollte man sich nicht so recht abfinden. Daher wurde versucht, auch die ungeschriebenen Kompetenzen aufzuschreiben. Lange wurde zwischen Bund und Ländern über ein deklaratorisches Abkommen verhandelt. Das hätte die Kompetenzaufteilung zwar nicht ändern, aber wohl als prozessuale Vereinbarung 80 Kompetenzstreitigkeiten unterbinden helfen können. Der Entwurf dieses „Flurbereinigungsabkommens" 81 geht auf einen Vorschlag der Kommission für die Finanzreform zurück 82 . Seinerzeit haben die Länder aber nicht zugestimmt. So behandelte man die schriftliche Fassung der ungeschriebenen Kompetenzen als vielleicht sogar „informale" 8 3 , jedenfalls aber informelle Richtschnur für die Praxis. Dabei fällt auf, daß die Förderungsmöglichkeiten des Bundes 84 aus dem Entwurf des Flurbereinigungsabkommens sogar überwiegend Bereiche betreffen, in denen der Bund nicht nur keine geschriebene Verwaltungskompetenz, sondern noch nicht einmal eine ausdrückliche Gesetzgebungskompetenz hat. Nicht zuletzt deshalb wird diese Konstruktion oft kritisiert. Diese ungeschriebenen Kompetenzen des Bundes sind keine typischen Verwaltungskompetenzen des Bundes. Sie betreffen in der Praxis regelmäßig Sachgebiete, auf denen die Länder gleichzeitig noch eigene Kompetenzen haben. Der Bund verwaltet daher nicht, er finanziert nur. Der klassische kompetenzrechtliche Grundsatz der Einzigkeit der Zuständigkeit gilt daher nur eingeschränkt 85 . Es kommt bei Bundesfinanzierung auf der Grundlage 80
So Herzog, JuS 1967, S. 193 (198).
81
Abgedruckt bei Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 30, Rdnr. 8.
82
Kommission für die Finanzreform („7>oeger-Kommission"), Gutachten über die Finanzreform in der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 1966. 83
Weil weder formbezogen - der Formbezug des Kompetenzrechts wird negiert noch inhaltsleer - es fließt viel Geld; zu solcher Begrifflichkeit Josef Isensee, Buchbesprechung zu Schulze-Fielitz, Der informale Verfassungsstaat, DVB1. 1986, S. 955. 84
Gesamtstaatliche Repräsentation, Auslandsbeziehungen, Auswirkungen der Teilung Deutschlands, Großforschung, gesamtstaatliche Wirtschaftsförderung, nichtstaatliche zentrale Organisationen, ressortzugehörige Funktionen (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 des Entwurfs). 85
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (534) m. weit. Nachw.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
57
ungeschriebener Kompetenzen regelmäßig zu einem Nebeneinander von Bundesfinanzierung und Verwaltungskompetenzen der Länder 86 . Dadurch ergeben sich „vielfältige Formen der Mischverwaltung und Mischfinanzierung" 87 .
2. Der Schluß von der „Aufgabe" auf die Finanzierungslast Damit stößt man bei den „ungeschriebenen Finanzierungskompetenzen" auf die durch Grundsatzbedenken gegen diese Argumentationsfigur mit zusätzlicher juristischer Komplexität angereicherte Abwandlung eines allgemeinen Problems: Im Bundesstaat des Grundgesetzes ist typischerweise die Verantwortlichkeit für einzelne Sachfragen auf mehrere Ebenen verteilt. Meist liegt die Gesetzgebungskompetenz beim Bund, die Verwaltungskompetenz bei den Ländern. Bei „ungeschriebenen Finanzierungskompetenzen" ist nicht Normsetzung, sondern „nur" Finanzierung Sache des Bundes, Verwaltungskompetenzen verbleiben den Ländern. Im System eines aufgabenorientierten Länderfinanzausgleichs muß die Finanzierungslast jedoch auch in solchen Fällen gestufter Erfüllung der Staatsaufgaben geklärt werden. Wenn verschiedene Kompetenzträger bei einer Sachaufgabe mitwirken, lassen sich für die Finanzierungslast grundsätzlich zwei Lösungsmöglichkeiten vorstellen. An sich konsequent erscheint der Gedanke, bei geteilter Verantwortung für Sachfragen auch die Finanzierungslasten aufzuteilen. Dazu müßte man allerdings Teilbeträge ermitteln und diese anteilig - einzeln oder im Rahmen eines jährlichen Transfergesetzes 88 - den einzelnen Verantwortlichkeiten zuordnen (a). Eine solche Aufteilung der Finanzierungslast auf die verschiedenen Ebenen des Bundesstaates wurde in der juristischen Diskussion der 60er Jahre immerhin von namhaften Autoren befürwortet 89 . Dennoch hat sich in der Praxis die Ansicht durchgesetzt, die Finanzierungslast sei nach geltendem Recht auch in solchen Überlagerungsfällen nach formaljuristischen Kriterien eindeutig einer der beteiligten Ebenen zuzuordnen (b).
86
Abw. Carl, AöR 114 (1989), S. 450 ff.
87
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 18.
88
Vorschlag von Ferdinand Kirchhof, These 12 (a.a.O., S.D 97). 89
Gutachten für den 61. DJT, S. D 73 und
Insbesondere Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 106 GG (Fassung 1964), Rdnr. 12 f.; heute ähnlich, aber de constitutione ferenda Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 222 ff.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs a) Materielle Theorien Zu einer anteiligen Aufteilung der Finanzierungslast muß das Problem einer Bewertung der Anteile der verschiedenen Ebenen bewältigt werden. Es ist schwierig, hier nachvollziehbare Kriterien zu entwickeln. (1) Die Theorie der Deckungsverantwortung Ein erster Versuch argumentierte wie folgt: Im Rahmen des Begriffs der „Aufgabe" sei die finanzielle Verantwortung eine eigenständige Wertungskategorie 90 ; die Finanzierungstätigkeit selbst müsse man dann als eigenen Bereich von Staatsaufgaben im finanzverfassungsrechtlichen Sinn begreifen. Der Bund habe für die anteiligen Kosten, die er - beispielsweise durch Gesetzgebung - verursache, auch eine „Deckungsverantwortung". Es sei ein anerkannter allgemeiner Rechtsgedanke, daß der Bund in Bereichen, in denen er auf anderen Ebenen Kosten verursachen könne, sich daran im Rahmen eines finanziellen „Sofortausgleichs" auch beteiligen müsse. Nach dieser Ansicht ist das Einwirken des Bundes auf die Länder unabhängig von der Verwaltungskompetenz anderer Ebenen als eine eigenständige „Aufgabe" des Bundes anzusehen, aus der dann nach dem Konnexitätsprinzip auf eine entsprechende Finanzierungslast des Bundes geschlossen werden müsse. Wann eine solche Deckungsverantwortung des Bundes bestehe, könne man nicht nach formalrechtlichen Kriterien oder gar nach Kompetenznormen bestimmen, vielmehr müsse der Bund in Fällen „besonderer finanzieller Tragweite" oder bei Maßnahmen „ i m ausschließlichen oder überwiegenden Bundesinteresse" 91 finanzielle Beiträge leisten. Die rechtliche Verknüpfung zwischen Zuweisung von Aufgaben und Sorge für die Finanzierung läßt sich historisch zurückverfolgen. Heute ist dieser Rechtsgedanke beispielsweise in Art. 83 Abs. 3 BayVerf angesprochen („Bei Übertragung staatlicher Aufgaben an die Gemeinden sind gleichzeitig die notwendigen Mittel zu erschließen"); andere Landesverfassungen enthalten
90
Fritz Rietdorf, Die Finanzverantwortung des Bundes gegenüber den Gemeinden, DÖV 1953, S. 225, Rolf Ludwig, Finanzverantwortung und Deckungsverantwortung, Der Städtetag 1953, S. 141 ff. 91
Ludwig, Der Städtetag 1953, S. 141 ff.; auch: Hans-Jürgen von der Heide, Zur Abgrenzung zwischen den Bundes-, den Länder- und den Kommunalfinanzen, DVB1. 1953, 289, der von einer „Aufbringungsverantwortung" des Gesetzgebers spricht (S. 291).
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
59
weitergehende Garantien der kommunalen Finanzausstattung92. Diese Norm geht auf das Finanzausgleichsgesetz von 1923 93 zurück. § 59 dieses Gesetzes lautete: „Das Reich darf den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) neue Aufgaben nur zuweisen, wenn es gleichzeitig für die Bereitstellung der erforderlichen Mittel Sorge trägt. Was unter neuen Aufgaben in diesem Sinne zu verstehen ist, entscheidet sich nach dem Stande vom 1. April 1920. Die Vorschrift gilt entsprechend bei wesentlicher Erweiterung bereits bestehender Aufgaben." Die Definition der „neuen Aufgabe" in dieser Regelung enthält in der bereits einen deutlichen Hinweis darauf, wo bei einer Auslegung des Begriffs „Aufgabe" in Sinne einer „Deckungsverantwortung" Schwierigkeiten auftreten. Praktisch handhabbar ist dieser Ansatz erst, wenn nachvollziehbare Kriterien angegeben werden können, nach denen die „Deckungsverantwortung" ermittelt wird. Gerade in einer hochpolitischen Materie wie der des Finanzverfassungsrechts kann die von den Vertretern dieser Ansicht angeführte Kategorie eines ausschließlichen oder überwiegenden Bundesinteresses oder gar die finanzielle Bedeutung der Maßnahmen nur sehr beschränkt hierzu beitragen. Bei neu erwachsenen Aufgaben oder bei Änderungen der Zuständigkeitsordnung läßt sich möglicherweise noch herausfinden, in wessen Interesse die Änderung erfolgt ist. In solchen Fällen bestehen also noch gewisse Anhaltspunkte dafür, welche Ebene bezahlen muß. Der Gedanke einer abstrakten „Deckungsverantwortung" versagt jedoch, wenn keine punktuelle Änderung feststellbar ist, aus der sich Anhaltspunkte für die Finanzierungslast herleiten lassen und dennoch die finanzielle Lastentragung geklärt werden muß. Es ist daher nicht sehr verwunderlich, daß die Vorstellung einer Finanzverantwortung als eigenständige verfassungsrechtliche Kategorie zur Definition der finanzverfassungsrechtlichen „Aufgabe" in der rechtswissenschaftlichen Diskussion gegen Ende der 60er Jahre nicht besonders ernst genommen wurde. Das hängt mit grundlegenden methodischen Schwächen der Theorie von der „Deckungsverantwortung" zusammen. Sie beruht letztlich auf einem geradezu klassischen Zirkelschluß: aus einer „Finanzveranwortung" soll hergeleitet werden, wer zur Lastentragung - also zur Übernahme der finanziellen 92
Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf Bundesrecht. Zu landesrechtlichen Regelungen ausfuhrlich Sc hoc h/Wie land , Finanzierungsverantwortung. Ein umfassender Überblick über die Regelungen der verschiedenen Bundesländer findet sich bei Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 182 ff. (186 f.). 93
Gesetz vom 23.6.1923 (RGBl. 1923 I S. 494).
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs Verantwortung - verpflichtet sein soll. Die Schlußfolgerung der Argumentation unterscheidet sich in ihrer inhaltlichen Aussage nicht von der Prämisse. Dieser Zirkelschluß wird allerdings als Kunstgriff benutzt, um metarechtliche Kriterien („Bundesinteresse") einzuführen, auf denen die praktischen Ergebnisse dann letztlich beruhen sollen. Interessant ist, wie die Kritik formuliert wurde. Der Theorie der Deckungsverantwortung wurden nicht etwa ihre logisch-methodischen Schwächen vorgeworfen. Stattdessen wurde wertend argumentiert: „Diese Auffassung enthält, wenn man genau zusieht, nicht eine Interpretation des Konnexitätssatzes...; sie bestreitet vielmehr dessen Maßgeblichkeit" 94 . Als Bemühen um eine Stärkung gliedstaatlichen, insbesondere auch der gemeindlichen Finanzen 95 sei das alles aber durchaus nachvollziehbar. Trotz solcher Kritik waren die Auffassungen, man müsse den Begriff „Aufgabe" materiell definieren und die Finanzierungslast entsprechend aufteilen, nicht völlig aus der Diskussion 96 . Allerdings mußte man sachliche Anknüpfungspunkte für eine Aufteilung der Finanzierungslast suchen. Das nicht weiter begründete Kriterium einer „Deckungsverantwortung" allein reicht nicht. Vielmehr hatte man das komplizierte System der Kompetenzen detaillierter zu analysieren. Nur auf dieser Grundlage macht der Versuch Sinn, zu untersuchen, welche Ebene den entscheidenden Einfluß ausübt. Durch materielle Betrachtung etwa einer an der Ausgestaltung der Vollzugszuständigkeiten zu erkennenden „Sachverantwortung" 97 , der Veranlassung 98 der Ausgaben oder der Aufgabenqualität 99 wollte man eine vermittelnde Lösung zwischen den verschiedenen formalen Anknüpfungspunkten suchen. Diese Ansicht perfektioniert den Konnexitätsgedanken, weil sie die eigentliche „Aufgabe" in der Sache ermittelt. Das führt zu großer Sachnähe zwischen Finanzierungslast und Einflüssen auf die Aufgabenerfüllung. Allerdings ist nach dieser Ansicht auch bei noch so genauer Analyse letztlich eine
94
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 31 f.
95
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 32.
96
Wilhelm Henle, Finanzreform zwischen Föderalismus und Fiskalpolitik, DÖV 1966, S. 608 (613). 97
Arnold Köttgen, SachVerantwortung als verfassungsrechtlicher Maßstab des Finanzausgleichs, DÖV 1953, S. 358. 98
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 106 GG (Fassung 1964), Rdnr. 12 f., jetzt zu Art. 104a GG anders, ders. in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 9. 99
Werner Patzig, Der „allgemeine Lastenverteilungsgrundsatz" des Art. 106 Abs 4 Nr. 4 des Grundgesetzes, AöR 86, S. 245 (312 ff.).
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
61
Wertung unausweichlich. Das bringt Unsicherheiten in Finanzierungsfragen mit sich. Deswegen hält die überwiegende staatsrechtliche Literatur in Deutschland 100 eine detaillierte Aufteilung der Finanzierungslast nach anteiliger Verantwortlichkeit für die einzelnen Sachaufgaben nicht für praktikabel. Im Wege der Schätzung und Pauschalierung könne man vielleicht noch eine Ausgabenverantwortung generell aushandeln. Eine genau berechnete Zuordnung jedes Einzelfalles sei aber nicht durchführbar. Wenn man Teilverantwortlichkeiten bewerten wolle, sei damit immer eine politische Entscheidung verbunden 101 . In der Praxis laufe das nicht auf eine klare Abgrenzung und Abrechnung, sondern auf „eine zwischen Bund und Ländern nach Basarmanier ausgehandelte Regelung" 102 hinaus. (2) Ein Gegenmodell: Australien Ein Blick auf die Lösungen anderer demokratischer Bundesstaaten zeigt indes, daß die Ansicht, eine detaillierte Ermittlung aller Ausgabenlasten könne von vornherein nicht funktionieren, so selbstverständlich nicht ist. In Australien ist der bundesstaatliche Finanzausgleich schon seit 1933 nach genau jenem Modell konzipiert 1 0 3 . Die finanzverfassungsrechtliehen Probleme sind im australischen Bundesstaat bei allen Unterschieden durchaus nicht völlig unähnlich. Die Sachkompetenzen liegen ebenfalls grundsätzlich bei den Gliedstaaten; in der Verfassung sind die Bundeskompetenzen enumerativ aufgezählt. Das Steueraufkommen fließt zunächst überwiegend dem Bund zu, große Teile davon werden dann aber über einen Finanzausgleich 104 wieder an die Gliedstaaten verteilt. Diese sollen damit in die Lage versetzt werden, „by
100
Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 33 f., 36, 50 ff, m. weit. Nachw.; anders erst Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 244 ff. 101
Patzig, AöR 86, S. 245 (312 ff); hierfür auch Maunz in: Maunz/Dürig zu Art. 106 a.F. 102
Georg Milbradt, Referat zum 61. Deutschen Juristentag (in: Verhandlungen zum 61. DJT, Band II/l, Teil M, S. 35 [43]); aA Trapp, der wegen der „Kosten der Gesetze" (S. 254 ff.) einen „Haftungsanteil" des Bundes begründen will, Veranlassungsprinzip, S. 244. 103
Die Darstellung folgt der ausfuhrlichen Behandlung bei Helmut Fischer, Finanzzuweisungen, 1988, S. 155 ff. 104
Es gibt auch in Australien Tendenzen, den Finanzausgleich weniger durch Zuweisungen des Bundes an die Gliedstaaten als durch Änderung der Anteile am Steueraufkommen (ähnlich der deutschen Regeln über die Umsatzsteuerauflei lung) im Bereich Einkommensteuer zu organisieren, Fischer, Finanzzuweisungen, S. 197.
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs reasonable efforts to function at a standard not appreciably below the standards of other states". Der Umfang des Ausgleichs wird in Australien faktisch von der „Commonwealth Grants Commission", einer aus sechs Mitgliedern bestehenden und von politischen Weisungen unabhängigen Einrichtung nach volkswirtschaftlichen Kriterien errechnet. Das Ergebnis hat zwar rechtlich nur Empfehlungscharakter, wurde aber in der Praxis immer umgesetzt. Diese Kommission arbeitet nach „sophisticated methods of measuring financial needs" 105 . Die Ausgestaltung des Finanzausgleichs richtet sich in diesem Modell nicht an juristischen, sondern allein an ökonomischen Kriterien aus. 26 Einnahmenarten und 63 Ausgabenarten werden detailliert quantifiziert, um revenue need (Finanzkraft) und expenditure need (Finanzbedarf) zu berechnen. Nach komplizierten Kriterien werden dabei nur objektivierbare Kostenunterschiede als „financial need" erfaßt, damit sich haushaltspolitische Entscheidungen der Einzelstaaten nicht auf den berechneten Finanzbedarf auswirken können. Dieses Verfahren führt zu außerordentlich komplizierten und schwer durchschaubaren Verteilungsschlüsseln. Der Finanzausgleich wird zur „Geheimwissenschaft". Die Objektivität dieses Systems wird zwar wegen der Undurchschaubarkeit immer wieder in Zweifel gezogen 106 . Dennoch hat sich die wirtschaftswissenschaftliche Lösung, bei der eine unabhängige Kommission die finanziellen Teilverantwortlichkeiten detailliert berechnet, in Australien über Jahrzehnte als funktionsfähig erwiesen. b) Die formaljuristische Lösung In der Bundesrepublik der sechziger Jahre hatte man nicht dieses Maß an Vertrauen in ökonomischen Sachverstand. Die Vorstellung vom „Schwund des Regelungsspielraums durch Sachgesetzlichkeiten der wissenschaftlichtechnischen Revolution" 107 , nach der es bei optimal entwickelten wissenschaftlichen und technischen Kenntnissen nur eine einzige wissenschaftlich richtige Lösung geben könne, war seinerzeit noch weniger allgemein anerkannt als sie es heute ist 1 0 8 . Dennoch mußte die Frage, welche Ebene im Bundesstaat die Wahrnehmung einzelner Staatsaufgaben zu bezahlen hat, eindeutig beantwortet werden. „Die Kategorien des Geldlichen pflegen sehr
105
Nachw. bei Fischer, Finanzzuweisungen, S. 176.
106
Fischer, Finanzzuweisungen, S. 205.
107
Reiner Schmidt, NJW 1980, S. 160.
108
In diesem Zusammenhang erwähnt sei die aktuelle Diskussion um ein „Clearing-Verfahren" zur europaweiten Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
63
real zu sein" 109 . Es herrscht Entscheidungszwang. Der sonst so oft rettende Ausweg einer dilatorischen Behandlung politischer und juristischer Streitfragen in einer alle Interessengegensätze verdeckenden Kompromißformel 110 hilft in finanziellen Angelegenheiten regelmäßig nicht weiter. Daher setzte man seinerzeit auf eine formaljuristische Lösung. Man verwarf die Vorstellung, bei gemeinsamer Sachverantwortung sei die Finanzierungslast ebenfalls aufzuteilen. Stattdessen versuchte man, abstrakte generalisierende Entscheidungskriterien zu setzen und diese Fälle auf dem Weg juristischer Dezision zu lösen. Nur das führe zu eindeutigen Ergebnissen. Auch in Fällen, in denen etwa die Gesetzgebungskompetenz beim Bund, die Verwaltungskompetenz aber bei den Ländern liege, müsse man bei der Lastentragung eindeutige Verhältnisse schaffen. Der Konnexitätssatz des Grundgesetzes sollte so bestimmt werden, daß die Finanzierungslast auch in Fällen sich überlagernder Sachverantwortlichkeiten von Bund und Ländern nur einer der beteiligten Ebenen zugewiesen werden sollte. Daher sollte in diesen Fällen die „Aufgabe" im Rechtssinne eindeutig entweder nur beim Bund oder nur bei den Ländern liegen. Rechtstechnisch erreichte man dies durch eine Einengung des traditionellen Aufgabenbegriffs. Nicht jede durch „primäre Kompetenzen" eröffnete Handlungsmöglichkeit sollte schon als „Aufgabe" im finanzverfassungsrechtlichen Sinn anerkannt und damit für die Verteilung der Staatsfinanzen im Finanzausgleich bedeutsam werden. Nur bestimmte Arten von Kompetenzen sollten die Finanzierungslast nach sich ziehen. So kam es zum finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff. Die meisten Autoren sprachen sich für eine Anknüpfung an die Verwaltungskompetenzen aus. Selbst mit einer weitgehenden Einigung auf die Prämisse, man müsse die Lastentragung im Bundesstaat auf dem Wege juristischer Dezision mit formalen Kriterien lösen, war noch nicht geklärt, bei welchen Arten von Kompetenzen der Schluß von der Kompetenzordnung auf die Finanzierungslast ansetzen soll. Man bemühte sich um Ansatzpunkte, nach denen die Lastentragung möglichst ohne kontroversenträchtige Wertungen ermittelt werden konnte. Von den verschiedenen im Grundgesetz anzutreffenden Arten der Kompetenzen boten sich als formale Anknüpfungspunkte vor allem die Verwal109
Karl M Hettlage, Die Finanzverfassung im Rahmen der Staatsverfassung, VVDStRL 14, S.2 (6). 1,0
Zur Theorie des Kompromisses grundlegend Andreas Voßkuhle, Verfassungsstil und Verfassungsfunktion. Ein Beitrag zum Verfassungshandwerk, AöR 119 (1994), S. 35 (39 ff.).
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs tungskompetenzen, aber auch die Gesetzgebungskompetenzen an. Seinerzeit überwogen die Meinungen, die ein „Prinzip der Vollzugskausalität" 111 befürworteten. Weil die wesentlichen Entscheidungen über die Höhe der staatlichen Ausgaben auf der Vollzugsebene fallen, müsse auch bei der Lastentragung an die Verwaltungskompetenzen 112 angeknüpft werden. Nur das stelle sicher, daß Sachverantwortung und finanzielle Verantwortung in einer Hand liegen. Andere Stimmen betonten allerdings schon in den 60er Jahren einen engen Zusammenhang zwischen Regelungsdichte der Gesetzgebung und Kostenlast. Die Vertreter dieser Ansicht wollten daher die Finanzierungslast nach der Gesetzgebungskompetenz bestimmen 113 (Prinzip der Gesetzeskausalität 114 ). Auch dies ist ein formales Kriterium, mit dem in weiten Bereichen eindeutige, klare formale Anknüpfungspunkte zur Bestimmung der Ausgabenlasten und der finanziellen Einflußmöglichkeiten herausgearbeitet werden können. Heute wird das Prinzip der Gesetzeskausalität als Rechtsmeinung de constitutione lata kaum noch vertreten. In den 60er Jahren setzte sich weitgehend die Position durch, die Finanzierungslast hänge mit der Verwaltungstätigkeit zusammen; die anteilige Kostenverursachung durch den Gesetzgeber falle demgegenüber weniger ins Gewicht. Das ist angesichts der damals üblichen Steuerungsdichte gesetzlicher Regelungen durchaus naheliegend. Allerdings hat das Anwachsen der Sozialhilfelasten in letzter Zeit eine lebhafte verfassungspolitische Diskussion ausgelöst. Der 61. Deutsche Juristentag hat sich im Herbst 1996 ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob nicht doch vor allem ein Übergang zum Prinzip der Gesetzeskausalität für verfassungspolitisch wünschenswert gehalten werden solle 1 1 5 . Gerade die Sozialgesetzgebung zeigt heute ein völlig anderes Bild als in den 60er Jahren. Die Ausga-
111
Begriff nach F. Kirchhof,\
Gutachten für den 61. DJT, S. D 15.
112
Herbert Fischer-Menshausen, Die Länder im künftigen Finanzausgleich, DÖV 1948, S. 10(13 ff.), ders., Die Abgrenzung der Finanzverantwortung zwischen Bund und Ländern, DÖV 1952, S. 673, ders., Das Finanzverfassungsgesetz, DÖV 1956, S. 161 .; ihm folgend die wohl h.M.: BVerfGE 26, 338 (390) - Eisenbahnkreuzungsgesetz; Erichsen, Konnexität, S. 37 ff.; Rolf Groß, Kooperativer Föderalismus und Grundgesetz, DVB1. 1969, S. 127; Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 204; Regierungsentwurf BT-Drucks. V/2861, Tz. 114. 113
Wilhem Henle, DÖV 1966, S. 608 (613); ders., Die Finanzreform und die Beschaffenheit des Staates, DÖV 1968, S. 402. 1.4
Begriff nach F. Kirchhof
1.5
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 66.
Gutachten für den 61. DJT, S. D 66 ff. und These 11.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
65
benlast wird in weit größerem Maße gesetzlich determiniert; der Verwaltung bleiben oft nur geringe Spielräume. Dennoch geht die heute herrschende Meinung davon aus, daß die Anknüpfung der Finanzierungslast an Verwaltungskompetenzen mit der Finanzverfassungsreform von 1969 verfassungsrechtlich vorgegeben sei 1 1 6 . Sie ist aber rechtlich weniger zwingend als üblicherweise angenommen 117 . Zwar geht die Entwurfsbegründung davon aus, der 1969 neu eingeführte Art. 104a Abs. 1 GG entscheide den bisherigen Streit um den Aufgabenbegriff im Sinne einer Anknüpfung an Verwaltungskompetenzen 118 . Diese Position ist jedoch vermutlich im Bundesfinanzministerium formuliert worden, sie entspricht jedenfalls der bereits in den Jahren davor vor allem vom Bundesfinanzministerium vertretenen Rechtsauffassung 119. Es fällt jedenfalls auf, daß im Verfassungswortlaut eine Entscheidung des hergebrachten Streits nicht zum Ausdruck kommt. Die Neufassung des verfassungsrechtlichen Konnexitätssatzes von 1969 stimmt vielmehr mit der seit 1955 geltenden Fassung wörtlich völlig überein. Sowohl in Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG (seit 1969) als auch in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (1955 - 1969) heißt es: „Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben". Lediglich die Fundstelle hat sich geändert. Die Vorstellung, der verfassungsändernde Gesetzgeber von 1969 habe eine grundlegende Neuorientierung der Dogmatik zum verfassungsrechtlichen Konnexitätssatz ausgerechnet durch die wörtliche Übernahme einer bisher geltenden Regelung zum Ausdruck bringen wollen, erscheint aus einer gewissen historischen Distanz betrachtet ein wenig merkwürdig. Dennoch gibt es zur inzwischen traditionell gefestigten 120 Verknüpfung der Lastentragung mit der Verwaltungskompetenz nicht ohne weiteres eine praktikable Alternative (1). Damit ist allerdings noch nicht gesagt, daß die rechtsbegriffliche Umsetzung, wonach unter „Aufgaben" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG Verwaltungskompetenzen zu verstehen seien, nicht nur einen 116
Nachweise bereits oben Fußn. 27 der Einleitung.
117
Trapp, Veranlassungsprinzip, vor allem S. 131. Die Ausführungen folgen jedoch einer verfassungspolitischen Zielsetzung. Trapp setzt sich für das Veranlassungsprinzip ein. Daher kann Trapp die Frage nach der Rechtslage de constitutione lata konsequenterweise offenlassen. Ähnliche Zweifel bereits bei v. Arnim, HStR IV, S. 987 (997). 118
BT-Drucks. V/2861, Tz. 114.
119
Fischer-Menshausen, der diese Auffassung vertreten hatte, war lange Zeit Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium. 120
F. Kirchhof,
S Waiblinger
Gutachten für den 61. DJT, S. D 28.
66
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
verfassungsrechtlichen Normalfall widerspiegelt, sondern darüber hinaus eigenständigen normativen Gehalt hat (2). (1) Pragmatische Lösung Die vor allem in den 60er Jahren ausufernde wissenschaftliche Diskussion um Wesen und Zweck des Konnexitätsgedanken im allgemeinen wird durch ein reichlich schlichtes pragmatisches Argument weitgehend relativiert. Hat man sich auf eine Juristische Lösung" geeinigt, nach der die Finanzierungslast allein nach einzelnen Arten von Kompetenzen bestimmt werden soll, muß man sich konsequenterweise jedenfalls solche Arten von Kompetenzen als Anknüpfungspunkt wählen, die eindeutige Ergebnisse bringen. Das funktioniert nur bei Anknüpfung an Verwaltungskompetenzen. Nach dem Grundgesetz ist eine echte Mischverwaltung sehr selten; Verwaltungskompetenzen liegen regelmäßig entweder beim Bund oder bei den Ländern. Damit läßt sich eine aus Verwaltungskompetenzen hergeleitete Finanzierungslast in den allermeisten Fällen eindeutig zuordnen. Dagegen hat man es nach dem Grundgesetz bei den Gesetzgebungskompetenzen in vielen Sachmaterien mit einer Gemengelage etwa zwischen Rahmenkompetenzen des Bundes und Landeskompetenzen zu tun. M i t der Neufassung des Art. 72 GG (1994) 1 2 1 sind die konkurrierenden Kompetenzen und damit die beschriebenen Uneindeutigkeiten sogar noch ausgeweitet worden. Damit läßt sich das gesteckte Ziel, mit einer formaljuristischen Lösung Eindeutigkeit über die Finanzierungslasten zu schaffen, mit einer systematischen Anknüpfung an Gesetzgebungskompetenzen nicht erreichen. So waren es auch vor allem pragmatische Argumente, die für den finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff herangezogen wurden. Die Auffassung, unter einer „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes sei eine Verwaltungskompetenz zu verstehen, weil die Lastentragung im Bundesstaat an die Verwaltungskompetenzen anknüpfen müsse, wurde in der Frühzeit der Bundesrepublik von Fischer-Menshausen 122 entwickelt. Schon vor der Finanzreform 1955 leitete dieser aus allgemeinen Grundsätzen einen Zusammenhang zwischen Aufgaben und Ausgaben her und sprach sich dabei für die
121
Art. 72 GG in der Fassung des Gesetzes vom 27.10.1994 (BGBl. I S. 3146).
122
Herbert Fischer-Menshausen,
DÖV 1952, 673; ebenso auch ders., DÖV 1948,
10 ff. (13) und DÖV 1956, 161 ff.; Groß, DVB1. 1969, 127, Friedrich
Sturm, Die
Finanzverantwortung von Bund, Ländern und Gemeinden bei der Erfüllung staatlicher Aufgaben, DÖV 1968, 466 (468).
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
67
Anknüpfung an die Verwaltungskompetenz als Regel aus. Diese Ansicht prägt die Praxis noch immer 123 . Deshalb ist die damals entwickelte Begründung für die Auslegung noch heute von erheblichem Interesse. Fischer-Menshausen, seinerzeit Ministerialdirigent im Bundesfinanzministerium ging davon aus, die Finanzmacht des Bundes müsse begrenzt sein. Der Bund dürfe auf dem Gebiet der Ausgabenwirtschaft keine Kompetenz-Kompetenz besitzen. Mithin müsse es eine theoretische Grenzlinie der Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes geben. Über deren Verlauf sage das Grundgesetz in seiner Urfassung unmittelbar nichts aus 124 . Man müsse aber durch Auslegung sicherstellen, „daß die Abgrenzungsgrundsätze sich in die Gesamtstruktur des Grundgesetzes organisch einfügen, insbesondere dem föderativen Verfassungsprinzip entsprechen. Dieses Prinzip gewährt nicht nur Garantien und Kompetenzbefugnisse, sondern fordert in erster Linie volle Verantwortung für den eigenen Bereich und Mitverantwortung für das Ganze; die Inanspruchnahme des föderativen Rechte erhält erst durch die verantwortliche Wahrnehmung der föderativen Pflichten ihre staatspolitische Legitimation. Auf finanziellem Gebiet zeigt sich dies besonders deutlich; die Länder können sich auf Dauer gegen ein Überhandnehmen des finanziellen Bundeseinflusses dann nicht sichern, wenn sie in ihrer Finanzverantwortung erlahmen und sich den Verbindlichkeiten entziehen sollten, die das föderative Prinzip ihnen zuweist. Nur in dieser Sicht erhält auch die grundgesetzliche Bestimmung, daß Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und von einander unabhängig sind (Art. 109), finanzverfassungsrechtlich einen Sinn: der Bund soll sich grundsätzlich auf die Finanzierung der eigenen Bundesaufgaben beschränken und den Ländern die Finanzierung der Aufgaben überlassen, die nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzgrundlage verantwortlich von ihnen wahrzunehmen sind" 1 2 5 . Die Herleitung des Konnexitätssatzes aus dem Bundesstaatsprinzip knüpft also zunächst an die von der Verfassung zugewiesenen Einzelzuständigkeiten insgesamt an. Es komme letztlich darauf an, daß sich die Verantwortlichkeit für die finanzielle Seite mit der Verantwortlichkeit für Entscheidungen in Sachfragen decke. In einem zweiten Schritt seiner Argumentation spricht sich FischerMenshausen dann dafür aus, diese Abgrenzung aus den „verfassungsrechtlichen Kompetenznormen abzuleiten, die auf administrativem Gebiet die
123
Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Rdnr. 4.
124
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 (674).
125
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 (675).
68
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Aufgaben Verteilung zwischen Bund und Ländern bestimmen" 126 . Seit den Untersuchungen von Heckel ni aus dem Jahr 1927 sei es gesicherter Erkenntnisstand, daß „die Leistung von Ausgaben zur Förderung von Staatszwecken stets ein Vorgang der Verwaltung" 128 sei. Insbesondere gebe eine Gesetzgebungskompetenz nicht die „Zuständigkeit, finanziell auf die Erfüllung der konkreten Staatszwecke einzuwirken" 129 . Die Argumentation beruht also auf der Prämisse, daß finanzielle Maßnahmen des Staates bei funktioneller Betrachtungsweise ähnlich einer Verwaltungstätigkeit wirken. Aus diesem Grund komme es auf die Verwaltungskompetenzen an. Finanzierung sei dann wegen der Vermutungen in Art. 30, 83 GG im Zweifel Ländersache; der Bund dürfe nur unter Nachweis einer eigenen Verwaltungskompetenz finanzieren. Die Ansicht Fischer-Menshausens führte seinerzeit einen Wandel der Vorstellungen darüber herbei, an welche rechtlichen Voraussetzungen eine subventionierende Staatstätigkeit geknüpft sein soll. Vor der Finanzreform 1955 war noch nicht abschließend geklärt, ob Subventionen im Staat-BürgerVerhältnis an die Kompetenzordnung gebunden sind. Neben der Überzeugung Fischer-Menshausens, hierzu sei eine Verwaltungskompetenz erforderlich, fand sich nämlich in den ersten Jahren der Bundesrepublik noch die Auffassung, auch im Bund-Länder-Verhältnis sei allein der finanzielle Ansatz im Haushalt entscheidend, auf die Kompetenzordnung komme es dagegen nicht an 1 3 0 . Diese Gegenansicht konnte mit der Einführung des verrechtlichten Finanzausgleichs 1955 nicht mehr uneingeschränkt vertreten werden. Die Subventionstätigkeit mußte im Finanzausgleich berücksichtigt werden. Dieser orientierte sich aber an den „Aufgaben", also an der Zuständigkeitsordnung 131 . Damit durften zumindest beim Finanzausgleich nur Subventionen im Rahmen eigener Kompetenzen als Berechnungsgrundlagen einbezogen werden. Der Anwendungsbereich des Konnexitätsgedanken wurde mit dieser Argumentation im Ergebnis erheblich ausgedehnt. Aus einer Vorschrift, die 126
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 (675).
127
Heckel, Budgetäre Ausgabeninitiative im Reichstag zugunsten eines Reichskulturfonds, AöR n.F. 12 (1927), S. 420 (426). 128
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 (675).
129
Fischer-Menshausen, DÖV 1952, S. 673 (678).
130
So z.B. Peters, FS Erich Kaufmann, 1950, S. 281 (293 f.): „Es ist wohl unbestritten, daß das Haushaltsgesetz [...] nicht durch die Kompetenzabgrenzung für die Bundesgesetzgebung gebunden ist" (a.a.O., S. 293). 1
S.o. S.
.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
69
nach dem Wortlaut der Verfassung nur den Finanzausgleich ausgestalten sollte, wurde ein aus Regeln über den Finanzausgleich hergeleitetes Verbot der Finanzierung kompetenzfremder Aufgaben (Fremdfinanzierungsverbot) herausgelesen. Der Gedanke, daß die Verwaltungskompetenz Finanzierungsmöglichkeiten eröffne und damit auch über die Lastentragung entscheide, bildete gewissermaßen den Kristallistionskern, um den herum sich allmählich die rechtlichen Regeln zur Ausgestaltung eines aufgabenorientierten Finanzausgleichs ausbildeten. Bald nach der Finanzreform 1955 wurde der Konnexitätsgedanke verallgemeinert und nicht nur auf die Ausgestaltung des Finanzausgleichs beschränkt. Subventionen ohne Kompetenzgrundlage sollen nicht nur wirtschaftlich dadurch unterbunden werden, daß es für solche Aktivitäten kein Geld aus dem Finanzausgleich gibt. Vielmehr erfordert ein aufgabenorientierter Finanzausgleich, daß Tätigkeiten, die nicht als „Aufgaben" im Finanzausgleich vorgesehen sind, allein wegen der durch eine anderweitige Verwendung der Mittel verursachten Veränderung der Deckungsquoten zu unterbleiben haben. Im Ergebnis führte diese Entwicklung dazu, daß man seinerzeit die Frage offen lassen konnte, ob subventionierende Staatstätigkeit schon allein wegen ihres Charakters als Verwaltungstätigkeit an die Kompetenzordnung gebunden sei. Die Bindung an die Kompetenzen folgte jedenfalls aus der Inanspruchnahme der Staatsfinanzen 132. Die Thesen Fischer-Menshausens wurden in der Entwurfsbegründung der Finanzverfassungsreform 1955, die von einer Studienkommission der Finanzministerkonferenz 133 umfassend vorbereitet worden war, weitgehend aufgenommen. Die Bundesregierung hatte ursprünglich vorgeschlagen, diese Entwicklung nicht der Verfassungsinterpretation zu überlassen, sondern in Art. 106 Abs. 2 GG als allgemeine Lastentragungsregel ausdrücklich zu normieren 134 . Ein Länderfinanzausgleich könne nur funktionieren, „wenn außer Zweifel steht, daß dem Träger einer Aufgabe die zur Aufgabenwahrnehmung erforderlichen Ausgaben - denn diese sollen mit der Steuerzuwei-
132
BT-Drs. 11/480, Tz. 59; Kisker, Kooperation, S. 43.
133
BT-Drs. 11/480, S. 208 ff.
134
BT-Drs. 11/480, S. 2: „Der Bund trägt die zur Ausübung der staatlichen Befugnisse und zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben erforderlichen Ausgaben, soweit die Wahrnehmung dieser Befugnisse und Aufgaben Sache des Bundes ist, und die in Artikel 120 bezeichneten Ausgaben. Die Länder tragen die übrigen zur Ausübung der staatlichen Befugnisse und zur Erfüllung der staatlichen Aufgaben erforderlichen Ausgaben".
70
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
sung gedeckt werden - zur Last fallen" 135 . „Es entspricht einer anerkannten verwaltungsökonomischen Forderung, daß die Gebietskörperschaft, die für die rechtmäßige und zweckmäßige Wahrnehmung einer Verwaltungsaufgabe verantwortlich ist (Aufgabenverantwortung), auch für die finanzielle Sicherstellung des Aufgabenvollzugs eintreten soll" 1 3 6 . Weil auch die gesetzesgebundene Verwaltung gewisse Spielräume beim Vollzug habe und daher auch im gesetzesgebundenen Raum die Ausgaben regelmäßig erst durch den verwaltungsmäßigen Vollzug der Gesetze entstünden, seien unter „Aufgaben" nur Verwaltungsaufgaben, nicht etwa gesetzgeberische Aufgaben zu verstehen 137 . Einsparungen durch besonders sparsame Verwaltungstätigkeit sollten auf diese Weise dem Träger der Verwaltungskompetenz zugute kommen. (2) Dogmatische Begründung Es ist der Verdienst von Hans-Uwe Erichsen m, schon vor der Verfassungsreform von 1969 die dogmatischen und methodischen Grundlagen der zunächst vorwiegend pragmatisch begründeten Anknüpfung der allgemeinen Lastentragungsregel an die Verwaltungskompetenzen herausgearbeitet zu haben. Seine als Probevortrag im Habilitationsverfahren entstandene Arbeit „Die Konnexität von Aufgabe und Finanzierungskompetenz im Bund-LänderVerhältnis", in der Erichsen seine Konkretisierung des Begriffs der „Aufgabe" des Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (Fassung 1955) im Sinne einer Verwaltungskompetenz herausarbeitete, prägt die juristische Diskussion noch heute 139 . Erichsen ging von der Prämisse aus, das Grundgesetz habe die Verteilung der Finanzen verrechtlicht und fordere damit auch für die Aufteilung der Finanzierungslasten eine juristische Lösung. Das Verfassungsrecht müsse die finanziellen Möglichkeiten und Lasten eindeutig festlegen. Unter Geltung des generalklauselartig formulierten Konnexitätssatzes des Art. 106 Abs. 4 2 Nr. 1 GG (1955) könne diese Eindeutigkeit nur über eine Interpretation des Aufgabenbegriffs erreicht werden. Wertende Argumente mußten daher von vornherein aus der Begründung herausgehalten werden. Deshalb konnte nur auf Formalkompetenzen 140 abgestellt werden. 135
BT-Drs. 11/480, Tz. 60.
136
BT-Drs. 11/480, Tz. 53.
137
BT-Drs. 11/480, Tz. 59.
138
Erichsen, Konnexität.
139
Aktueller Meinungsstand: bereits oben Fußn. 27 der Einleitung.
140
Erichsen, Konnexität, S. 34.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfinanzausgleich
71
In einem zweiten Schritt mußte dann eine Anknüpfung der Finanzierungslast an Gesetzgebungskompetenzen ausgeschlossen werden. Sonst käme es häufig zu einer Gemengelage von Verantwortlichkeiten. Wesentliche Vollzugsentscheidungen liegen trotz bundesgesetzlicher Vorgaben weitgehend bei den Ländern. Die Aufgabenbereiche würden sich trotz der Anknüpfung an Formalkompetenzen statt an Sachinhalte überschneiden; die „Aufgabe" im Rechtssinne wäre nicht mehr eindeutig zuzuordnen. Das entspricht zwar nicht dem üblichen Aufgabenbegriff etwa des Art. 30 GG, in den meist alle Verfassungsfunktionen - Gesetzgebung, Exekutive, Rechtsprechung - einbezogen werden. Bei den „Aufgaben" im Sinne des Konnexitätssatzes hätte aber mit einem so weit gefaßten Aufgabenbegriff das Ziel, Eindeutigkeit bei der Finanzierungslast zu schaffen, nicht mehr erreicht werden können. So bleiben nur noch Verwaltungskompetenzen als Kriterium für den Aufgabenbegriff übrig. Diese liegen regelmäßig entweder beim Bund oder bei den Ländern; Mehrfachverantwortlichkeiten („Mischverwaltung") 141 gibt es nur selten. Die nach anderen Kriterien trotz trennscharfer Kompetenzordnung denkbaren Überlagerungen verschiedener Sachaufgaben lassen sich nur auf diesem Wege mit juristischen Kriterien ausschließen. Wenn die „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes abweichend vom sonst üblichen juristischen Sprachgebrauch mit einer Verwaltungskompetenz gleichgesetzt wird, ergeben sich für die Ausgabenlast eindeutige Kriterien. Auf die Begründungsmethode Erichsens sei an dieser Stelle besonders hingewiesen. Die Argumentation beruht letztlich auf einer Konkretisierung des allgemeinen Konnexitätssatzes unter dem Blickwinkel systematischfunktioneller Richtigkeit. Zunächst begründet Erichsen, daß der Begriff „Aufgabe" uneindeutig sei. Dabei ging er von der Prämisse aus, eine Aufgabe sei grundsätzlich „durch das Gestaltungsobjekt" 142 bestimmt, also - ähnlich dem Aufgabenbegriff des Verwaltungsrechts - durch ihren Bezug zu einzelnen Sachfragen charakterisiert. Allerdings sondere das Grundgesetz „die Sphären von Bund und Ländern nur in wenigen Fällen allein nach dem Gestaltungsobjekt" 143 . Weil die Verfassung Gesetzgebungskompetenzen oft dem Bund, Vollzugskompetenzen regelmäßig den Ländern zuweise, erweise sich die „Definition des im Konnexitätsgrundsatz enthaltenen Aufgabenbe-
141
Als „Kampfbegriff', so ausdrücklich BVerfGE 61, 1 (37) - Schornsteinfegergesetz; grundlegend Ronellenfitsch, Misch Verwaltung, S. 32 ff, 248 ff. 142
Erichsen, Konnexität, S. 22.
143
Erichsen, Konnexität, S. 22.
72
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
griffs allein ausgehend vom Gestaltungsobjekt" 144 als unmöglich. Deshalb fuhrt Erichsen zusätzlich dazu eine Betrachtung „auch unter formal-modalen Gesichtspunkten" 145 ein. Man müsse in einem zweiten Schritt die Aufgaben nach einzelnen Staatsfunktionen - ähnlich wie beim Aufgabenbegriff des Art. 30 GG 1 4 6 - differenzieren. Wenn die Verantwortlichkeit für einzelne dieser „Gestaltungsobjekte" auf mehrere Ebenen im Bundesstaat verteilt ist, stelle dies an den Aufgabenbegriff besondere Anforderungen. Die Möglichkeit unterschiedlicher Bedeutungsgehalte weist Erichsen zufolge „den Aufgabenbegriff des GG als unbestimmten Rechtsbegriff aus" 147 . Das öffne „den Aufgabenbegriff des Konnexitätsgrundsatzes für systemkonforme Deutungen" 148 . Man müsse die Finanzierungskompetenzen auch in den Sachbereichen trennscharf 149 abgrenzen, in denen der Bund die gesetzlichen Grundlagen schafft und die Länder dann für den Vollzug zuständig sind. Nur durch diese Trennschärfe könne man dem aus dem grundgesetzlichen Konnexitätssatz herausgelesenen Fremdfinanzierungsverbot Konturen verleihen. Die nötige eindeutige Abgrenzung sei durch den Aufgabenbegriff zu leisten. Wenn Mischfinanzierung die Regel werde, verstärke dies die Unsicherheit in der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung 150 . Dabei wirke sich Finanzierung vor allem auf die Verwaltungsstruktur aus, weil dadurch regelmäßig der administrative Einfluß des Oberverbandes gestärkt werde. Man müsse den Aufgabenbegriff im Zusammenhang mit dem Konnexitätsprinzip so verstehen, daß nur eine Betätigung staatlicher Organe aufgrund Verwaltungskompetenz hierunter falle. Nur dieser Aufgabenbegriff wirke der „Anziehungskraft des größeren Etats" (Popitz) 151 entgegen und verhindere eine Okkupati-
144
Erichsen, Konnexität, S. 22. Diese Prämisse ist allerdings angreifbar; hierzu ausfuhrlich unten S. 85 ff. 145
Erichsen, Konnexität, S. 22, Hervorhebung im Original; ihm folgend Vogel/Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 47. 146
Hierzu bereits oben S. 27.
147
Erichsen, Konnexität, S. 22.
148
Erichsen, Konnexität, S. 26.
149
Vogel/P.
150
Erichsen, Konnexität, S. 33.
151
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 50, 54.
Hierzu aufschlußreich insbesondere die empirische Untersuchung von Normen bei Herbert Edling, Entwicklungstendenzen im bundesdeutschen Föderalismus - Das PopitzschQ „Gesetz" von der „Anziehungskraft des größten Etats", DÖV 1987, S. 579 ff.
Α. Der aufgabenorientierte Länderfmanzausgleich
73
on von Verwaltungszuständigkeiten 152 durch den Bund. Dazu werde man damit den Erfordernissen sparsamer Mittelverwendung und effektiver Haushaltskontrolle 153 am besten gerecht. In der Sache waren ähnliche verwaltungsökonomische Gründe bereits in der Regierungsbegründung zur Finanzreform 1955 formuliert worden 154 : „Trägt eine Gebietskörperschaft nur die finanziellen Lasten einer Aufgabe, ohne eine zureichende Einwirkungsmöglichkeit auf die Verwendung ihrer Mittel zu erhalten, so können sich schwerwiegende staatsfinanzielle Nachteile insbesondere dann ergeben, wenn diese Körperschaft die von den mittelverwaltenden Stellen geleisteten Einzelausgaben unbesehen zu honorieren hat. Ein Lastenverteilungssystem, das den Unterverbänden die selbständige Bewirtschaftung von Mitteln gestattet, die der Oberverband aufgebracht und damit etatrechtlich zu verantworten hat, führt zu Interessenkonflikten, Reibungsverlusten und regelmäßig zur Übersteigerung des öffentlichen Aufwands, weil die mittelverwaltenden Stellen erfahrungsgemäß der ständigen Versuchung, in bestimmten Bereichen sogar dem ausgesprochenen Anreiz ausgesetzt sind, mit den fremden Mitteln weniger haushälterisch umzugehen als mit ihren eigenen." Mit der Lösung Erichsens sind die Schwierigkeiten, trotz Überlagerung der SachVerantwortlichkeiten von Bund und Ländern aus Kompetenzen auf die Finanzierungslast zu schließen und dadurch eine eindeutige Zuordnung zu erreichen, konsequent bewältigt worden. Für das praktische Ergebnis sprechen viele gute Gründe. Die Finanzierungslast kann nach diesen Kriterien eindeutig bestimmt werden. Die Achillesferse der beschriebenen Argumentation liegt anderswo. Bei einer Konkretisierung unbestimmter Begriffe allein am Maßstab der systematisch-funktionellen Richtigkeit kann man sich nie ganz sicher sein, daß die verschiedenen funktionalen, teleologischen und systematischen Zusammenhänge - wie billigenswert, sinnvoll und konsensfähig sie in der Sache auch immer sein mögen - auch wirklich in das richtige Tatbestandsmerkmal der interpretierten Rechtsnorm hineingelesen worden sind. Man weiß nicht, ob das Problem „auf den Begriff gebracht" worden ist. Daher ist es alles andere als zwingend, den Zusammenhang zwischen Verwaltungskompetenzen und Finanzierungslast ausgerechnet aus dem Begriff „Aufgabe" herzuleiten. Die von Erichsen dargelegten „systemkonformen Deutungen" 155 hätte man - bei 152
Erichsen, Konnexität, S. 28.
153
Erichsen, Konnexität, S. 26.
154
BT-Drucks. 11/480, Tz. 55.
155
S.o. S. 72.
74
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
identischen Ergebnissen für die aufgeworfenen Fragen der Lastentragung ebensogut auch in jeden anderen unbestimmten Begriff der grundgesetzlichen Formulierung des Konnexitätsgedanken hineininterpretieren können. Immerhin hat die dargestellte Interpretation dieses Begriffs für die Reichweite der im Konnexitätsgedanken formulierten Verknüpfung zwischen öffentlichen Ausgaben und der Kompetenzordnung erhebliche Konsequenzen. BundLänder-Finanzierung ist praktisch immer Finanzierung ohne Verwaltungskompetenzen. In diesem Bereich kann nach der Interpretation Erichsens der Gedanke von der Verknüpfung zwischen Ausgaben und Aufgaben nicht gelten 156 . Erichsen hat dieses Problem wohl selbst gesehen. Er begründet seine Argumentation am Begriff der „Aufgabe" vor allem mit praktischen Erwägungen. Die Nebenwirkungen der Einengung des Aufgabenbegriffs könne man seiner Ansicht nach vernachlässigen. Rechtliche Argumente gegen eine Ausweitung der Bundeseinflüsse auf die Länder unter Einsatz finanzieller Steuerungsinstrumente auf dem weiten Feld der Gesetzgebungskompetenzen seien praktisch nicht nötig. „Eine Okkupation gesetzgeberischer Zuständigkeiten aufgrund abweichender Aufgabenkompetenz stand angesichts der im GG vorgenommenen differenzierten Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten nicht zu befürchten und ist - wenn ich recht sehe - auch bisher nicht zu verzeichnen. Dieses Ergebnis entspricht den in den bisherigen verfassungsgeschichtlichen Erfahrungen begründeten Erwartungen" 157 . Damit erweist sich die Ausklammerung der Bund-Länder-Finanzierungen aus dem Aufgabenbegriff als Konsequenz des methodischen Ansatzes Erichsens: wenn die rechtlichen Argumente im wesentlichen durch Konkretisierung verfassungsrechtlicher Normen im Lichte einer Rechtsfolgenbetrachtung gewonnen werden, so können damit auf den erörterten Problemfeldern Begründungen für eine richtige Lösung gewonnen werden. Eine solche Argumentation erhebt aber von vornherein nicht den Anspruch, über diese Topoi hinaus allgemeingültige rechtsdogmatische Kategorien zu entwickeln. Erichsen stellt dies auch mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit klar 1 5 8 : „Der Zweck der Konnexität liegt - wie schon gesagt - in der Sicherung der föderativen Struktur der Bundesrepublik durch die Verteilung der Finanzierungskompetenzen. Diese Garantiefunktion ist im Rahmen teleologischer Auslegung bei der Ermittlung des Bedeutungsgehalts des Konnexitätssatzes zu berücksichtigen. Das heißt jedoch entgegen der Auffassung Köttgens nicht
156
S.o. S. 31 f.
157
Erichsen, Konnexität, S. 27.
158
Erichsen, Konnexität, S. 26 f.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
75
notwendig, daß jeder ... Finanzausgleich (sich) als ein treues Spiegelbild der durch das GG vorgeschriebenen innerstaatlichen Gliederung der Bundesrepublik und der sich hieraus ergebenden Arbeitsteilung erweisen 159 ' muß. Die Interpretation der Normen der Finanzverfassung des GG muß vielmehr darauf gerichtet sein, die grundgesetzliche Aufgabenverteilung dort zu stabilisieren, wo sich das als erforderlich erweist".
B. Konnexität als Lastentragungsregel Mit der Finanzverfassungsreform von 1969 wurde der Konnexitätssatz in Art. 104a Abs. 1 GG eigenständig normiert und an die Spitze des Abschnitts „X. Das Finanzwesen" des Grundgesetzes gestellt. Mit dieser Verfassungsänderung 160 war die Verknüpfung von Ausgaben und Aufgaben nicht mehr nur Detailregelung aus dem Gesamtkomplex der grundgesetzlichen Vorgaben für den Länderfinanzausgleich. Sie gelangte zu grundsätzlicher Bedeutung. Der Konnexitätssatz wurde gewissermaßen zum Leitbild des Finanzverfassungsrechts erhoben. Das war nicht nur eine protokollarische Aufwertung. Mit der Fassung von 1969 hatte sich auch der theoretisch-dogmatische Gehalt der Norm grundlegend geändert. Vor der Reform war der allgemeine Konnexitätsgedanke eine Detailregelung bei den Einzelheiten der Ausgestaltung des Finanzausgleichs, also letztlich bloße Steuerverteilungsnorm 161. Der neue Art. 104a Abs. 1 GG wurde dagegen darüber hinaus als umfassendes Verbot kompetenzfremder Verwendung öffentlicher Mittel (Fremdfinanzierungsverbot) 162 verstanden. Die rechtliche Doppelnatur des Konnexitätssatzes in der Fassung von 1969 ist bei v. Arnim besonders prägnant formuliert: „Dieser betrifft also zwei unterschiedliche Fragen: neben der Frage, wer Zweckausgaben zu zahlen hat, auch die, wer Zweckausgaben leisten darf. Art. 104a Abs. 1 GG regelt die Fi159
Arnold G. Köttgen, DÖV 1953, S. 358 (359). Erichsen zitiert wörtlich, fügt aber den Klammenzusatz hinzu. 160
Finanzreformgesetz vom 12.5.1969, BGBl. I S. 359.
161
So z.B. F. Kirchhof Gutachten für den 61. DJT, S. D 21. Zu Tendenzen der Rechtsprechung des BVerfG, bereits die Fassung von 1955 als Fremdfinanzierungsverbot zu interpretieren s. unten S. 81. 162
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 25; Bleibtreu/Klein, Art. 104a, Rdnr. 8.
Franz Klein in: Schmidt-
76
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
nanzlast und die Finanzierung6e/wg«/V 163 . Ganz ähnlich heißt es bei Vogel und Paul Kirchhof ] die verfassungsrechtliche Verankerung des Konnexitätsgedanken könne „nur so verstanden werden, daß nicht die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten von Bund und Ländern, sondern daß das Aufgabenverteilungssystem des GG die bundesstaatliche Ordnung bestimmt. Alle weiteren Regeln des bundesstaatlichen Finanzsystems - insbesondere über die Zuweisung der Erträge - haben sich an diesem System der Aufgabenzuweisung auszurichten" 164 . Damit war in der Fassung von 1969 nicht nur die bisherige Lastentragungsregel neu formuliert, sondern ganz grundsätzlich ein Vorrang der grundgesetzlichen Aufgabenverteilung vor finanz verfassungsrecht liehen Fragen rechtlich normiert worden. In den 60er Jahren war das noch umstritten 165 . Die Kommentierung bei Vogel und P. Kirchhof hebt die Bedeutung des umfassenden Vorrangs der Kompetenzen vor den Finanzen, der im Fremdfinanzierungsverbot normiert ist, ganz besonders hervor: „Diese Rangordnung entspricht auch dem allgemeinen föderalen System des GG und der Vorgeschichte des Art. 104a Abs.l GG: das GG kennt von jeher eine deutliche Verteilung der Aufgaben, die sich auch der Verfassungswirklichkeit gegenüber behaupten konnte, während sich die Finanzierungskompetenz zu verwischen drohte. Art. 104a Abs. 1 GG bestätigt also die Grundsätze des GG über die Aufgabenverteilung und verstärkt sie durch eine entsprechende Zuordnung der Finanzierungskompetenz" 166. Friauf folgerte daraus: „Von hier aus gelangt man zu der Feststellung, daß die Finanzverfassung unter den Bedingungen des modernen Staates gar nicht anders als in unbedingter struktureller Homogenität mit der gesamten Verfassungsordnung gedacht werden kann" 1 6 7 . Dennoch beschäftigte sich die juristische Diskussion auch nach der Reform von 1969 im Zusammenhang mit Art. 104a GG weiterhin vor allem mit den alten Fragen der Lastentragung. Auch bei der neuen Fassung des Konnexitätssatzes sah man den praktischen Anwendungsbereich seinerzeit dort, wo ihn Erichsen bereits für die Rechtslage vor der Reform von 1969 herausgear163
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (1004 f.), Hervorhebungen im Original.
164
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 26.
165
Zu Versuchen, aus dem Zusammenhang des aufgabenorientierten Finanzausgleichs ein Fremdfinanzierungsverbot herauszulesen, s.o. S. 48. Ein Überblick über die ältere Literatur findet sich bei Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 62 (Fußn. 14). 166 167
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 21, Hervorhebung im Original.
Karl Heinrich Friauf, Öffentlicher Haushalt und Wirtschaft, VVDStRL 27 (1969), S. 1 (6), Hervorhebungen im Original.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
77
beitet hatte. Wie bisher wurde die Verknüpfung von Ausgaben und Aufgaben vor allem im Zusammenhang mit Fragen der richtigen Verteilung der öffentlichen Finanzen erörtert. Hierbei festigte sich mit der Zeit immer mehr die von Fischer-Menshausen entwickelte 168 und von Erichsen dogmatisch untermauerte 169 Ansicht, daß die Lastentragung mit Verwaltungskompetenzen zusammenhänge170. Das liegt daran, daß vor der Finanzreform von 1969 nicht nur die dogmatische Begründung Erichsens, sondern vor allem sein Ergebnis, wonach die Verwaltungskompetenz Maßstab der Lastentragung sein solle, alles andere als unumstritten war 1 7 1 . Es war ein ganz wesentliches Motiv der Verfassungsänderung, diesen Streitstand zu bereinigen. Die bereits 1964 gebildete Kommission für die Finanzreform, nach ihrem Vorsitzenden „TroegerKommission" genannt, hatte beklagt, daß sich angesichts der Vielfalt juristischer Stellungnahmen in der Staatspraxis „Unklarheiten und Auseinandersetzungen über die Finanzierungslast" 172 ergeben haben. In vielen Punkten war der Entwurf dieser Kommission umstritten. Auf die genauen Formulierungen des Gesetzes zur Reform der Finanzverfassung einigte man sich erst im Vermittlungsausschuß. Der Vorschlag der Troeger-Kommission, den Konnexitätssatz an die Spitze der finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes zu stellen, ging trotz solcher Kontroversen unverändert als Absatz 1 des Art. 104a ins Grundgesetz ein. Anders als verschiedene andere Absätze des Art. 104a GG war die Grundregelung des Absatzes 1 in der damaligen verfassungspolitischen Diskussion von breitem Konsens getragen. Man war sich darüber einig, daß der Konnexitätssatz als Grundprinzip der Finanzverfassung nicht in den Detailregelungen über den Finanzausgleich versteckt bleiben, sondern „nunmehr im Grundgesetz ausdrücklich die ihm zukommende allgemeine Bedeutung erhalten und in dieser Form an den Anfang der Vorschriften über das Finanzwesen gestellt werden" 173 sollte. Er ermögliche eine sinnvolle Zuordnung der Ausgabenverantwortung, trage zur Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Haushaltsführung bei und verwirkliche die
168
S.o. S. 66 ff.
169
S.o. S. 70 ff.
170
Zusammenfassend Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III (3. Aufl. 1996), Art. 104a, Rdnr. 3 ff. 171
S.o. S. 62 ff.
172
Kommission für die Finanzreform,
173
BT-Drucks. V/2861 (Regierungsentwurf Finanzreform 1969), Tz. 113.
Gutachten, Tz. 201.
78
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Eigenverantwortung von Bund und Ländern im Bereich der Finanzwirtschaft 174 . Viele Autoren vertreten auch heute die Ansicht, die Neuregelung in Art. 104a GG habe den alten Streit um den Inhalt des Konnexitätsprinzips erledigt. Sie knüpfe zwar erkennbar an die bisherigen Versuche des Schrifttums an, sei aber primär aus sich selbst heraus zu interpretieren 175 . Der verfassungsändernde Gesetzgeber habe sich dafür entschieden, unter „Aufgaben" nur Verwaltungskompetenzen 176 zu verstehen. Vor allem Theodor Maunz gab nach der Reform von 1969 seine Ansicht auf 1 7 7 , die Finanzierungslast sei nicht in formaler Anknüpfung an einzelne Arten von Kompetenzen, sondern wertend je nach Veranlassung 178 zuzuordnen. Allerdings häufen sich neuerdings kritische Stimmen, die an die Diskussionen aus der Zeit vor 1969 anknüpfen wollen 1 7 9 . Für die Gleichsetzung von „Aufgabe" mit Verwaltungskompetenzen gelte keine Ewigkeitsgarantie 180 . M i t zunehmender Normierungsdichte habe sich das Verhältnis zwischen Gesetzgebung und Verwaltung verändert 181 . Auch aus der Schaffung der deutschen Einheit seien Konsequenzen zu ziehen. Daher sei die Debatte neu zu eröffnen. Patzig fühlt sich angesichts solcher Diskussionen sogar „an den durch Art. 104a GG überwunden geglaubten Finanzverfassungsstreit der frühen 50er Jahre erinnert." 1 8 2 Durch die Verfassungreform von 1969 sahen sich die Autoren, die schon zur alten Fassung des Konnexitätssatzes in Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (1955) im Rahmen des aufgabenorientierten Finanzausgleichs dafür plädiert hatten, unter „Aufgaben" im Sinne des Konnexitätssatzes könne man nur Verwaltungskompetenzen verstehen, in ihrer Ansicht bestätigt. Man sah keinen Anlaß, beim neuen Art. 104a Abs. 1 GG von bisherigen Erkenntnissen und Überzeugungen wieder abzurücken. So schrieb etwa Erichsen, der in 174
BT-Drucks. V/2861 (Regierungsentwurf Finanzreform 1969), Tz. 113.
,7S
Vogel/P.Kirchhof:in:
BK, Art. 104a, Rdnr. 36.
176
Rudolf Wendt, Staatswissenschaften und Staatspraxis 4 (1993), S. 56 ff. (68), Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, [8] Art. 104a, Rdnr. 3., Jakob, Der Staat 24 (1985), 527 (530). 177
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a (Fassung 1977), Rdnr. 9 (S. 8 oben).
178
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 106 GG (Fassung 1964), Rdnr. 12 f.
179
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 126.
180
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 134.
181
Henneke, ZG 1994, S. 212 ff.; Schoch/Wieland, JZ 1995, S. 988.
182
Werner Patzig, Zwischen Solidität und Solidarität - Die bundesstaatliche Finanzverfassung in der Übergangszeit - DÖV 1991, S. 578 (585).
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
79
seinem am 15. Juli 1969 gehaltenen Probevortrag 183 auch die Rechtslage nach der Finanzverfassungsreform noch berücksichtigen konnte 1 8 4 , die zum bisherigen Recht erarbeiteten Erkenntnisse einfach fort: „Obwohl die klare Abgrenzung von Aufgaben und Ausgabenzuständigkeit im Verhältnis zwischen Bund und Ländern ein insbesondere von den Politikern vielbeschworenes ,Hauptziel 4 des FinanzreformG ist, hat der Gesetzgeber eine ausdrückliche Klarstellung des für die Zuordnung der Ausgabenkompetenz maßgebenden Aufgabenbegriffs vermieden. In Übereinstimmung mit der oben ... erarbeiteten Definition des Aufgabenbegriffs ergeben die Materialien des FinanzreformG, daß für die Bestimmung der Aufgabe i.S. des Konnexitätsgrundsatzes die im GG vorgenommene Verteilung der Verwaltungskompetenzen maßgebend sein soll. Die vorstehend im Rahmen der systematischen und teleologischen Auslegung dargestellten Erwägungen gelten auch für die nach Inkrafttreten des FinanzreformG gültige Fassung des G G . " 1 8 5 Die Praxis schließt sich dieser Fortschreibung bis heute an. Zweifel werden daher regelmäßig als rechtspolitische Zweifel, als Vorschläge de constitutione ferenda fomuliert. Allerdings führt das zu gewissen rechtsdogmatischen Unsicherheiten. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts finden sich immer wieder Andeutungen, nach denen die übliche Gleichsetzung der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG mit der Verwaltungskompetenz zwar Normalfall der Praxis, aber keine rechtsdogmatische Kategorie sein könnte 1 8 6 . Auch namhafte Kommentatoren wie etwa Vogel und Paul Kirchhof sprechen sich zwar im Ergebnis für Lastentragung nach dem Prinzip der Vollzugskausalität aus. Allerdings wird die traditionell verfestigte und inzwischen allgemein üblich gewordene dogmatische Begründung dieses Prinzips, wonach unter dem Begriff „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG ausschließlich eine Verwaltungskompetenz zu verstehen sei, mit erheblichen Kautelen versehen (1.). Die in diesem Zusammenhang erörterten Fälle weisen den Weg zu dogmatischen Grundstrukturen (2.).
1· Der Schluß von der Kompetenz auf die „Aufgabe" Das Ergebnis, wonach Art. 104a Abs. 1 GG die Lastentragung mit der Verwaltungskompetenz verknüpfe, wird heute nahezu einmütig als geltendes
183
S.o. S. 70 ff.
184
Das Reformgesetz datiert vom 12.5.1969, BGBl. I S. 359.
185
Erichsen, Konnexität, S. 37, Fußnoten nicht mitzitiert.
186
Solche Zweifel finden sich z.B.bei Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 131.
80
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Recht angesehen 187 . Die Materialien zum Regierungsentwurf eines neuen Absatzes 1 des Art. 104a GG scheinen sich ganz eindeutig für eine Gleichsetzung von „Aufgabe" und „Verwaltungskompetenz" auszusprechen: „Es ist nicht ganz zweifelsfrei geblieben, ob die Länder bei der Ausführung der Bundesgesetze eigene Aufgaben wahrnehmen oder ob der Bund, der die Aufgaben geschaffen hat, die Aufgabenverantwortung und damit auch die Ausgabenverantwortung trägt. Auch in der juristischen Literatur wird diese Frage nicht einheitlich beantwortet. An die Gesetzgebung wird die Aufgaben- und dementsprechend die Ausgabenverantwortung allerdings nur vereinzelt angeknüpft. Öfter wird für die Lastentragung darauf abgestellt, wer die Entscheidung über das Anfallen der Kosten getroffen oder wer die Ausgaben veranlaßt hat. Zutreffender Ansicht nach hat jedoch derjenige die Kosten für durch Bundesgesetze entstehende staatliche Aufgaben zu tragen, der die Verwaltungszuständigkeit für die Ausführung der Gesetze besitzt, weil erst durch die Erfüllung der Aufgaben Kosten entstehen. In der Regel führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus (...). Als Folge der bundesstaatlichen Verfassung ergibt sich daher aus der vollen Verwaltungszuständigkeit der Länder auch die volle Finanzverantwortung für die Ausführung dieser Bundesgesetze"188. Begründet wird das in der Literatur allerdings nicht mit der Erwägung, die zum finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff in den Jahren vor 1969 gewonnenen Erkenntnisse seien auf die Rechtslage nach der Reform übertragbar 189 . Stattdessen wird mit geltendem Verfassungsrecht argumentiert. Man zieht einen Umkehrschluß aus Art. 104a Abs. 2 GG („Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, so trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben"): Wenn der Bund nur im Sonderfall der Auftragsverwaltung die Kosten der Verwaltung tragen müsse, seien im Normalfall - bei allen anderen Konstellationen - die Länder selbst zur Lastentragung verpflichtet. Das gelte vor allem bei Ausführung von Bundesrecht 190 . Daher könne die bisherige Dogmatik unverändert auf die neue Fassung in Art. 104a Abs. 1 GG übertragen werden 1 9 1 . Art. 104a GG habe sich gegen die anderen Lehren entschieden 192 .
187
Nachw. bereits oben Fußn. 27 der Einleitung.
188
BT-Drucks. V/2861 (Regierungsentwurf Finanzreform 1969), Tz. 114 f.
189
Ausdrückliche Kautelen bei v. Arnim, HStR IV, S.987 ( 997).
190
v. Arnim, HStR IV, S. 987 ( 999) m. weit. Nachw.; Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 203 ff.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
81
a) Der Letztvollzug als grundsätzlich rechtserhebliche Kostenursache Vor allem das Bundesverfassungsgericht wird immer wieder für die Ansicht in Anspruch genommen 193 , „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes sei nur eine Verwaltungskompetenz. Eine genauere Analyse der entsprechenden Entscheidungen fördert aber interessante Ergebnisse zu Tage. Das Gericht hat es bis heute weitgehend vermieden, sich festzulegen. Bereits in einem obiter dictum von 1959 1 9 4 betonte das Bundesverfassungsgericht, der Konnexitätssatz sei ein „allgemeines Lasten Verteilungsprinzip" 195 und nicht nur - wie an sich nach dem damaligen Verfassungswortlaut nahegelegen hätte 1 9 6 - eine Einnahmenverteilungsregelung im Finanzausgleich. Das Gericht äußerte sich in dieser Entscheidung aber nicht dazu, wie der Inhalt dieser Norm zu bestimmen sei. Aufschlußreicher ist die zweite Erwähnung des Konnexitätsgedanken 197 im Jahre 1962. Das Bundesverfassungsgericht führte zunächst aus, es könne offenbleiben, wie im einzelnen die Aufgaben von Bund und Ländern näher zu bestimmen sind 1 9 8 . Wegen der Einzelheiten verwies das Gericht ausdrücklich auf eine Untersuchung von Werner Patzig m.
191
Erichsen, Konnexität, S. 37; Fischer-Menshausen
III, Art. 104a, Rdnr. 4; Vogel/P.
in: v. Münch/Kunig, GGK
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 54. Friauf
FG-
BVerfG II, S. 300 (324). 192
Statt aller: Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 72; Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4, Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 9. 193
So z.B. Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 ff. (536 mit Fußn. 34); FischerMenshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4 f. 194
BVerfGE 9, 305 (328 f.) - Umstellungsrecht.
195
BVerfGE 9, 305 (328).
196
Hierzu bereits oben S. 47; insofern äußerst mißverständlich F. Kirchhof achten für den 61. DJT, S. D 2. 197
BVerfGE 14, 221 (234) - Fremdrentengesetz.
198
BVerfGE 14,221 (234).
199
Gut-
Der „allgemeine Lasten Verteilungsgrundsatz" des Art. 106 Abs. 4 Nr. 1 des Grundgesetzes, AöR 86 (1961), S. 245 ff. 6 Waïblinger
82
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Damit ist eine gewisse Tendenz bereits angedeutet. Patzig spricht sich in der zitierten Untersuchung im Ergebnis für eine wertende Bestimmung der Lastentragung anhand einer „flexiblen Richtschnur" 200 aus. Als Ergebnis stellt er folgende These zur Diskussion: „Ob eine Aufgabe finanzverfassungsrechtlich als Bundesaufgabe zu werten ist, hängt nicht davon ab, ob der Bund die Gesetzgebungsbefugnis hat oder eine Verwaltungskompetenz besitzt, sondern bestimmt sich danach, ob substantiell dieser Aufgabe ganz oder teilweise die ,Qualität' einer Bundesaufgabe zuerkannt werden kann." 2 0 1 Lastentragung sei mehr eine Frage des „bundesstaatlichen Stils" 2 0 2 , die man „nicht in den Sphären festumrissener Normen bannen, sondern nur bis zu einem gewissen Grade umgrenzen" 203 könne. Anders formuliert: Nach der vom Bundesverfassungsgericht zitierten Untersuchung läßt der grundgesetzliche Konnexitätssatz einen gewissen rechtlichen Spielraum, neben der Verwaltungskompetenz in manchen Fällen auch andere Anknüpfungspunkte für die Lastentragung zu bestimmen. Erstmals fallentscheidend wurde der Konnexitätssatz im Beschluß des Bundesverfassungsgerichts zum Eisenbahnkreuzungsgesetz 204 (1969). Damals hielt die Bayerische Staatsregierung eine Vorschrift dieses 1963 ergangenen Gesetzes, in der die Länder dazu verpflichtet wurden, sich als Träger der Straßenbaulast an den Kosten von Baumaßnahmen an Bahnübergängen der Deutschen Bundesbahn zu beteiligen, für verfassungswidrig. Dem folgte das Bundesverfassungsgericht. Es wiederholte zunächst die Rechtsprechung, wonach der Konnexitätssatz der Fassung von 1955 nicht nur ein Programm für die Steueraufteilung sei, sondern als geltendes Verfassungsrecht die Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen regele. Allerdings war das umstrittene Gesetz schon 1963 ergangen. Daher konnte der mit der Finanzverfassungsreform von 1969 eingefügte Art. 104a Abs. 1 GG nicht direkt angewandt werden. Im vorgelegten Fall sah das Bundesverfassungsgericht die „Aufgabe" im Sinne des Art. 106 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 GG (1955) als ausschließliche Bundesaufgabe 205 an. Bei Bauten an Bahnübergängen habe der Bund sowohl die
200
Patzig, AöR 86, S. 245 (314).
201
Patzig, AöR 86, S. 245 (314).
202
Patzig, AöR 86, S. 245 (319).
203
Patzig, AöR 86, .245 (319).
204
BVerfGE 26, 338.
205
Kritisch hierzu Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 63: es handele sich um Aufgabenüberlagerung mit Aufgaben aus dem Bereich der Straßenbaulast.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
83
Gesetzgebungs- (Art. 73 Nr. 6 GG) als auch die Verwaltungskompetenz (Art. 87 Abs. 1 GG): „Es ist zwar im einzelnen umstritten, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit eine Bundesaufgabe im Sinne der allgemeinen Lastenverteilungsregel angenommen werden kann. [...] Grundsätzlich ist anzuknüpfen an die Verwaltungsverantwortung, nicht daran, ob der Bund durch seine Gesetzgebung die Ausgaben und Aufgaben veranlaßt hat [...]. Diese Frage kann jedoch ebenso offenbleiben wie die andere Frage, ob die allgemeine Lastenverteilungsregel in bestimmtem Umfang eine abweichende gesetzliche Regelung der Ausgaben Verteilung i.S. von Art. 30 GG zuläßt. Denn es liegt jedenfalls dann eine Aufgabe des Bundes vor, deren Last er nicht auf die Länder abwälzen darf, wenn - wie hier - Gesetzgebungs· und Verwaltungskompetenz beim Bund liegen. [...] Die Beseitigung, Entlastung oder Veränderung von Bahnübergängen ist also eine Aufgabe des Bundes und nicht eine gemeinschaftliche Aufgabe 4 von Bund und Ländern. Der Bund kann nicht einerseits die uneingeschränkte Verwaltungskompetenz für die genannten Maßnahmen in Anspruch nehmen, andererseits jedoch - wenn es um die Kosten geht - auf eine allgemeine Verwaltungskompetenz der Länder für den Straßenverkehr verweisen 44206. Das Gericht hebt im Zusammenhang mit der Frage, ob die Ausgabenlast nach dem Konnexitätssatz auch an andere Kriterien als die Verwaltungskompetenz anknüpfen kann, Art. 30 GG besonders hervor. Lastentragung ist also im Zweifel Ländersache. Allerdings hält das Gericht eine abweichende gesetzliche Regelung der Lastentragung für denkbar 207 . Das bedeutet, daß zumindest nach der damals geäußerten Auffassung des Bundesverfassungsgerichts letztlich auch Fälle von Konnexität vorstellbar sind, in denen durch Gesetz eine finanzielle Beteiligung allein auf Grundlage der Gesetzgebungskompetenz - ohne Verwaltungskompetenz - vorgesehen werden kann. Eine solche Erweiterung der Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes gegenüber den Ländern ist jedoch - weil ein Gesetz ergehen muß - nur im Rahmen der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes möglich. An dieser Stelle klingt also an, daß es auch Fälle geben kann, in denen Bundesfinanzierung auch ohne eigene Verwaltungskompetenz einen Anwendungsfall des allgemeinen Konnexitätsgedanken darstellt. Das Bundesverfassungsgericht läßt sich jedenfalls nicht auf eine der beschriebenen Ansichten festlegen. Die Zurückhaltung der Rechtsprechung hat dogmatische Gründe. Verwaltungstätigkeiten sind nur der Schwerpunkt der lastenverursachenden Staatstätigkeiten. Es gibt einige Fälle, in denen Finanzierung ganz offensichtlich auch 206
BVerfGE 26, 338 (390 f.) - Eisenbahnkreuzungsgesetz.
207
BVerfGE 26, 338 (390).
84
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
ohne Verwaltungskompetenz zulässig ist. Kosten werden auch außerhalb der Verwaltung verursacht. Vor allem versagt das Kriterium der Verwaltungskompetenz, wenn es darum geht, Regeln über die Kostenlast fur den Vorgang der Gesetzgebung und Rechtsprechung als solcher aus dem Konnexitätssatz zu entwickeln und die entsprechende Verwendung von Steuergeldern mit Mitteln finanzverfassungsrechtlicher Dogmatik zu erklären. Bisweilen behilft man sich in solchen Fällen mit einer begrifflichen Korrektur 2 0 8 und unternimmt es, auch „Agenden der Parlaments- und Justizverwaltung" 209 und andere Formen einer letzten Konkretisierung der Staatszwecke unter den Begriff der Verwaltungskompetenz zu bringen. Eine solche Argumentation rührt an Grundfragen. Es fällt angesichts der langen Tradition des Grundsatzes der Gewaltenteilung und der damit zusammenhängenden Unterscheidung zwischen Gesetzgebung, vollziehender Gewalt und Rechtsprechung doch einigermaßen schwer, das wohl kaum ernsthaft anzweifelbare Ergebnis, wonach beispielsweise Bundestagsabgeordnete vom Bund bezahlt werden müssen, damit zu begründen, daß deren Tätigkeit - sei es auch nur im finanzverfassungsrechtlichen Sinne - auch nur so etwas ähnliches wie Verwaltung sei. Klaus Vogel und Paul Kirchhof nahmen diese Konstellationen zum Ansatzpunkt, in ihrer Kommentierung den Aufgabenbegriff des Art. 104a Abs. 1 GG zu verfeinern 210 (1). Sie verwenden dazu Kriterien, die sonst vor allem im Zusammenhang mit Kausalitätsfragen vertraut sind (2). (1) Das Kriterium der unmittelbar kostenverursachenden
Tätigkeit
Vogel und P. Kirchhof sind der Ansicht, eine „Aufgabe" sei nach dem Sprachgebrauch des Grundgesetzes ganz abstrakt ein Tätigwerden in eigener Zuständigkeit. Die Zuständigkeit folge aus der Kompetenzordnung 211 . Die Verwaltungskompetenz im strengen Sinne könne nur „ i n der Regel" 2 1 2 Maß-
208
Die Ergebnisse unterscheiden sich nicht. Auch Fischer-Menshausen schließt sich den Kriterien von Vogel und P. Kirchhof an, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4. 209
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4.
210
In: BK, Art. 104a, Rdnr. 56 ff.
211
Vogel/P.
2,2
Werner
Kirchhofen: BK, Art. 104a, Rdnr. 47 ff. Heun, Der Staat 1992, S. 205 ( 209). Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art.
104a, Rdnr. 54; ihnen folgend z.B. Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
85
stab des Aufgabenbegriffs nach Art. 104a Abs. 1 GG sein. Es gebe aber auch außerhalb des Verwaltungsbereichs kostenverursachende Tätigkeiten, etwa bei der Gesetzgebung oder der Rechtsprechung. Diese seien nach dem Konnexitätssatz dort zu finanzieren, wo im Rahmen einer Eigenzuständigkeit Kosten entstehen. „Aufgabe" könne daher nicht schlechthin mit „Verwaltungsaufgabe" gleichgesetzt werden. „,Aufgabe' ist vielmehr generell jede dem Bund oder den Ländern vom Grundgesetz erkennbar zugewiesene Betätigung. Eine Verpflichtung zur Finanzierung wird dabei jedoch nur für diejenige Tätigkeit ausgelöst, die unmittelbar die Kosten verursacht" 213 . Auch nach der Begriffsbildung von Vogel und P. Kirchhof bleibt es also bei dem Grundsatz, wonach die Lastentragung durch Interpretation des Aufgabenbegriffs zu klären sei. Deshalb wird diese Argumentation regelmäßig nur als geringfügige Nuancierung der Kriterien aufgefaßt. Auch jeder andere „unmittelbare V o l l z u g " 2 1 4 falle unter den Konnexitätssatz. Vogel und P. Kirchhof gehen dann auch davon aus, daß bei mehrstufigem Tätigwerden der Staatsorgane das Merkmal der Unmittelbarkeit einer Kostenverursachung regelmäßig erst auf Stufe der Verwaltungstätigkeit erfüllt sei. Daher sei in der Praxis „Aufgabe" regelmäßig eine Verwaltungstätigkeit. Das ist aber nur der Normalfall. „Jede - auch freiwillige - Ausübung einer Kompetenz zieht die Verpflichtung zum Ausgleich des dadurch entstehenden Finanzbedarfs nach sich" 2 1 5 . A u f den ersten Blick scheint es nur eine unwesentliche begriffliche Korrektur zu sein, die Lastentragung nicht nach der Verwaltungskompetenz, sondern nach der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" zu bestimmen. Erst bei genauerer Untersuchung zeigt sich, daß sich dieser Ansatz ganz grundlegend von der Vorstellung unterscheidet, unter „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG müsse man eine Verwaltungskompetenz verstehen. Die Gleichsetzung der „Aufgabe" mit der Verwaltungskompetenz war entwickelt worden, um die Lastentragung allein durch eine Anknüpfung an formale Kriterien bestimmen zu können („formaler Ansatz"). A u f diesem Wege versuchte man, materielle Wertungen aus den zum Konnexitätssatz nach Art. 104a Abs. 1 GG entwickelten Definitionen herauszuhalten 216 .
III, Art. 104a, Rdnr. 4, Stern, Staatsrecht II, S. 1138; Henneke, Öff. Finanzwesen, S. 45. 2.3
Vogel/P.
2.4
Bodo Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 104a, Rdnr. 2.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 56 (Hervorhebung im Original).
215
Vogel/P. hebung). 2,6
S.o. S. 62 ff.
Kirchhof
in: BK, Art. 104a, Rdnr. 56 (im Original ohne Hervor-
86
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Die genannten Beispiele der Lastentragung für Richter oder Bundestagsabgeordnete führen deutlich vor Augen, daß der „formale Ansatz", der die Lastentragung allein durch Anknüpfung an Formalkompetenzen bestimmen will, in der Praxis nicht in allen Fällen in der Lage ist, Fragen der Lastentragung zu beantworten. Die Zuordnung der Ausgabenlast zur Wahrnehmung einzelner Kompetenzen beinhaltet vor allem ein Kausalitätsproblem 217 . Das von Vogel und P. Kirchhof eingeführte Kriterium der Unmittelbarkeit der Kostenursache deutet darauf hin, daß zumindestens in diesen wenigen Fällen die Kausalitätsfragen im Zusammenhang mit der Lastentragung nicht durch formale Anknüpfung an bestimmte Arten von Kompetenzen, sondern durch andere Wertungen beantwortet werden müssen. (2) „ Unmittelbarkeit
"
Der Begriff der „Unmittelbarkeit" wird in der juristischen Dogmatik üblicherweise dort eingeführt, wo es darum geht, Fragen der Kausalität zu entscheiden. Die meisten Rechtsnormen sind so aufgebaut, daß für bestimmte tatsächliche Sachverhalte oder Geschehensabläufe Rechtsfolgen angeordnet werden („konditionale Programmierung"). Sachverhalte, an die von der Rechtsordnung Rechtsfolgen geknüpft sind, beruhen typischerweise auf einem Bündel verschiedener Ursachen, die von unterschiedlichen Urhebern gesetzt worden sind. Das Recht verlangt jedoch meistens, daß eine Rechtspflicht - etwa die Pflicht, einen Schaden zu ersetzen oder anderweitig für Folgen einzustehen - eindeutig einem der beteiligten Urheber zugeordnet wird. Dabei stellt sich bei der Rechtsanwendung regelmäßig das Problem, daß eine Auswahlentscheidung zwischen rechtlich beachtlichen und rechtlich unerheblichen Ursachenketten getroffen werden muß. Diese Zuordnung geschieht nach folgendem Argumentationsmuster: Das Bündel der Ursachen, auf das der Sachverhalt zurückgeführt werden kann, wird zunächst aufgeschnürt. Die einzelnen Ursachenketten werden verglichen. Dann wird letztlich normativ darüber entschieden, welche der untersuchten Ursachenketten als rechtlich maßgeblich eingeordnet wird. Daraus ergibt sich dann, welcher der einschlägigen Urheber für die Rechtsfolgen einzustehen hat. Für eine Entscheidung, nach der einzelne der Ursachen aus einem Ursachenbündel für rechtlich relevant erklärt werden, kennt die Rechtsordnung zwei verschiedene Grundtypen. Beim ersten Grundtyp fragt die Rechtsordnung „von der Norm" her. Es werden von vornherein nur die Ursachen
217
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 15.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
87
untersucht, die in Rechtsnormen für beachtlich erklärt worden sind. Der Untersuchungsrahmen ist rechtlich typisiert. Alle anderen Faktoren, selbst solche, die tatsächlich möglicherweise Einflüsse hatten, werden von vornherein ausgeblendet. Was als „Ursache" in Betracht kommt, ist nach diesem Modell Rechtsfrage. Beim zweiten Grundtyp wird die Frage nach den beachtlichen Ursachen „vom Sachverhalt her" geklärt. Zunächst wird die tatsächliche Ursachenkette umfassend untersucht. Daran schließt sich eine Auswahlentscheidung an, in der einzelne der tatsächlich nachweisbaren Ursachen für rechtlich bedeutsam erklärt werden, etwa die zeitlich letzte Ursache, die gewichtigste Ursache oder mitunter auch eine normwidrig gesetzte Ursache. Diese Entscheidung enthält eine Wertung. Das Recht gibt in diesen Fällen nicht einzelne Arten denkbarer Ursachen vor, sondern enthält nur Vorgaben darüber, nach welchem abstrakten Maßstab die Auswahl aus den umfassend zu untersuchenden tatsächlichen Ursachen zu treffen ist. Allerdings sind die Vorgaben für diese Wertung in vielen Fällen nur sehr vage und allgemein. Die gesamte Dogmatik zum Konnexitätssatz des Art. 104a Abs. 1 GG, wie sie in den 60er Jahren entwickelt worden ist 2 1 8 , beruht auf dem ersten der beiden beschriebenen Argumentationstypen. In der 60er Jahren wollte man bei der Untersuchung der Frage, welche Ebene im Bundesstaat entstandene Kosten tragen muß, von vornherein nur solche Kostenursachen als beachtlich ansehen, die mit einer Wahrnehmung von Verwaltungskompetenzen zusammenhängen. Die Lastentragung sollte allein durch formale Anknüpfungspunkte bestimmt werden. Alle anderen - tatsächlich oft nicht unbedeutsamen - Kostenursachen wurden daher seinerzeit normativ aus der Betrachtung ausgeschlossen. Vor allem sollte eine Ausübung von Gesetzgebungskompetenzen des Bundes von vornherein nicht als rechtserhebliche Kostenursache anerkannt werden. Dagegen taucht der Begriff der „Unmittelbarkeit" bei juristischen Überlegungen zu Kausalitätsproblemen üblicherweise dann auf, wenn nach dem zweiten der beschriebenen Argumentationsmodelle vorgegangen werden soll. Ein Beispiel: Im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht wird unterschieden zwischen unmittelbarem und mittelbarem Schaden219. Grundsätzlich werden sämtliche verursachten Schäden zugerechet. Es kommt allein auf die tatsächlich nachweisbare Ursachenkette an. Nur in vereinzelten Sonderfällen 220 werden bestimmte der tatsächlich vorhandenen Ursachen rechtlich für unbe218
Hierzu bereits oben S. 66 ff.
219
Palandt (Begr.), Bürgerliches Gesetzbuch, 57. Aufl., vor § 249, Rdnr. 15, 72.
220
Palandt, vor § 249, Rdnr. 105; „hypothetische Kausalität".
88
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
achtlich erklärt. Auch in der Dogmatik zum Grundrechtseingriff spielt der Begriff der Unmittelbarkeit eine tragende Rolle. Nach dem traditionellen klassischen Eingriffsbegriff war nur die unmittelbare Folge schutzbereichsrelevanten Staatshandelns als Grundrechtseingriff anerkannt. Das gilt zwar heute als zu eng 2 2 1 ; bei nur „mittelbaren" 222 Eingriffen werden regelmäßig zusätzliche Wertungen herangezogen, um die Grenze zwischen bloßer Belästigung und einem legitimationsbedürftigen Eingriff zu ziehen 223 . Die Grundrechte etablieren eine Wirkungsrechtsordnung 224. Sie knüpfen an tatsächliche Ursachenzusammenhänge an. Daher muß grundsätzlich Jeder in der Rechtssphäre eines Bürgers eingetretene Erfolg vom Staat verantwortet werden, wenn er staatlich bewirkt, d.h. der für den Bürger spürbare Geschehensablauf vom Staat in Gang gesetzt worden ist" 2 2 5 . In allen diesen Fällen findet ein Ausschluß einzelner tatsächlich bedeutsamer Ursachen durch normative Erwägungen nicht statt. Der Begriff der „Unmittelbarkeit" steht hier für das zweite der beschriebenen Argumentationsmuster zur Lösung von Kausalitätsproblemen. „Unmittelbar" ist diejenige Ursache eines umfassend untersuchten Ursachenbündels, die auf Tatsachenebene der letztlich auslösende Faktor für den eingetretenen Erfolg war. Mit einer solchen Argumentation werden bloße „Vorbelastungen" der Situation, die Erfolge der untersuchten Art nur wahrscheinlich machen, ohne sie letztlich herbeizuführen, aus dem Kreis der rechtlich relevanten Ursachen ausgeschlossen. Es werden aber regelmäßig alle tatsächlich bedeutsamen Kausalketten in den Untersuchungsrahmen einbezogen. Genau in dieser Weise wird bei Vogel und P. Kirchhof der Begriff der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" als Maßstab der Lastentragung nach Art. 104a Abs. 1 GG verwendet. Die Lastentragung richtet sich allein danach, welche Tätigkeit die letzte Ursache dafür ist, daß tatsächlich Kosten entstehen. Dagegen findet eine Einengung des Untersuchungsrahmens nach normativen Vorgaben nicht statt. Das zeigt sich gerade an den Fällen der Personal- und Sachkosten für die Tätigkeit von Gesetzgebung und Rechtspre221
Bodo Pieroth/Bernhard
Schlink, Grundrechte. Staatsrecht II, 13. Aufl. 1997,
S. 58. 222
Grundlegend Paul Kirchhof insbesondere S. 8.
Verwalten durch „mittelbares" Einwirken, 1977,
223
Ζ. B. nach der Schwere des Eingriffs; hierzu etwa Gertrude Lübbe-Wolff Rechtsprobleme der behördlichen Umweltberatung, NJW 1987, S. 2105 (2110). 224 225
P. Kirchhof Verwalten durch „mittelbares" Einwirken, S. 5 ff.
P. Kirchhof Original.
Verwalten durch „mittelbares" Einwirken, S. 6, Hervorhebung im
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
89
chung. Nach dem beschriebenen Kriterium kommt es nicht entscheidend darauf an, daß nur die Ausübung einer bestimmten Art von Kompetenzen, etwa Verwaltungskompetenzen, als rechtlich relevante Ursache der Entstehung von Kosten in Betracht gezogen werden darf. Auch andere Kompetenzen als Verwaltungskompetenzen können zur Lastentragung nach Art. 104a Abs. 1 GG verpflichten. b) Indifferenz gegen Mittelbarkeit Das Merkmal der „Unmittelbarkeit" führt zu Indifferenz gegen Mittelbarkeit. Wenn nur eine unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit zur Tragung der Kosten verpflichtet, muß es offensichtlich auch Fälle geben, in denen eine Ausübung von Kompetenzen nicht zur Übernahme von Kosten verpflichtet, weil die Kostenverursachung nur als „mittelbar" zu werten ist. Diese Indifferenz gegen mittelbare Kostenursachen ist rechtspolitisch heftig kritisiert worden. Der formalisierte finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff birgt systemimmanente Probleme in sich: Wird die Lastenverteilung auch bei aufgeteilten Sachverantwortung durch formaljuristische Kriterien geregelt die Finanzierungslast also auch dann eindeutig und schematisch einer der beteiligten Ebenen zugewiesen, wenn für die entsprechenden Sachaufgaben der Bund für die Gesetzgebung, die Länder für den Vollzug zuständig sind, so besteht die Gefahr politischen Mißbrauchs. Es wird eine gewisse Versuchung geschaffen, daß die Ebene, die bei der juristischen Dezision über unmittelbare Kostenursachen ungeschoren davongekommen ist und nicht direkt für finanzielle Folgen einstehen muß, bei ihren Entscheidungen keine Rücksicht auf die finanzielle Seite nimmt. Das verführt zu politischen Wohltaten auf Kosten der jeweils anderen Ebene. Dieser Effekt ist unabhängig davon, an welche Arten von Kompetenzen die Lastentragung anknüpfen soll. Wenn etwa die Finanzierungslast an die Gesetzgebungskompetenz des Bundes angekoppelt wird, so ist zu befürchten, daß eine Landesverwaltung beim Vollzug nicht in erster Linie auf Sparsamkeit achtet; eingesparte Summen kommen nur fremden Haushalten und damit fremden politischen Begehrlichkeiten zugute. Umgekehrt trägt - wie die praktische Erfahrung zeigt 2 2 6 - eine Verknüpfung der Finanzierungslast mit der Verwaltungskompetenz nicht gerade dazu bei, daß etwa der Bund bei seiner Entscheidung über neue, teure Gesetzesvorhaben den finanziellen Konsequenzen für die Haushalte von Ländern und Gemeinden erste Priorität beimißt.
226
Ζ. B. in der Normierung des Anspruchs auf einen Kindergartenplatz, SGB VIII.
§ 24
90
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Mittelbare Kosten Verursachung ist keineswegs unzulässig. Der Bund kann durch seine Gesetzgebung den Ländern oder Gemeinden neue finanzielle Lasten sogar in erheblichem Umfang auferlegen. Es ist dann Aufgabe des Finanzausgleichs, die verschiedenen Gebietskörperschaften finanziell so auszustatten, daß sie ihrer Ausgabenverantwortung gerecht werden können 227 . Das gilt gerade im Zusammenhang mit gesetzgeberischen Maßnahmen des Bundes. Das Grundgesetz enthält sogar eine Sondernorm, die es erlaubt, die Zeit zwischen Schaffung neuer Kostenbelastungen durch „teure" Bundesgesetze und einer Anpassung des Finanzausgleichs zu überbrücken. Dafür sind kurzzeitige Sonderzuweisungen nach Art. 106 Abs. 4 Sätze 2, 3 GG vorgesehen. Nach dieser Regelung sollen Steuerungsprogramme des Bundes nicht an finanziellen Auswirkungen auf die Länder scheitern. Nach der grundgesetzlichen Formulierung hat der Bund dabei gesetzgeberisches Ermessen. Dieses kann sich unter den Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 GG zu einer Pflicht verdichten 228 . Die Indifferenz gegen mittelbare Kostenverursachung ist also beabsichtigt. Die Verfassung sieht regelmäßig keine auf Einzelfälle bezogene Kostenbeteiligung anderer Ebenen (Mischfinanzierung), sondern nur Kompensation über den allgemeinen Finanzausgleich vor. Daher hat die Unterscheidung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kostenursachen erhebliche praktische Bedeutung. Die Rechtsprechung der verschiedenen Obergerichte hat dabei vor allem mit Fällen zu tun, in denen verschiedene Träger von Verwaltungskompetenzen um die Kostenlast streiten (1). Zu grundsätzlichen rechtlichen Problemen führt allerdings erst die Frage, ob auch andere Arten von Kompetenzen als unmittelbare Kostenursachen in Betracht kommen (2). (1) „ Unmittelbarkeit
" in der Rechtsprechung der Fachgerichte
In der Praxis einiger Obergerichte des Bundes hat die Abgrenzung zwischen unmittelbaren und mittelbaren Kostenursachen immer wieder eine Rolle gespielt. Wenn in einer Sachfrage verschiedene Träger von Verwaltungskompetenzen tätig geworden sind, kam es verschiedentlich zu Streit über die Kosten. Interessanterweise ging es dabei meist um Bundesbehörden, die versuchten, unmittelbar bei ihnen anfallende Kosten auf Länder oder Gemeinden abzuwälzen.
227 228
BT-Drucks. 11/480 (Regierungsbegründung Finanzreform 1955), Tz. 57.
Fischer-Menshausen in: von Münch/Kunig, GGK III, Art. 106, Rdnr. 31, Pieroth in: Jarass/ders., Art. 106, Rn. 9, Vogel/Walter in: BK, Art. 106, Rdnr. 111,120 f.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
91
Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich im Jahre 1974 mit Kompetenzen der Deutschen Bundesbahn zu beschäftigen 229. Der Stadt Gronau wurde 1962 der amtliche Name „Gronau (Leine)" verliehen. Vorher hatte man dem Namen Gronau meist wegen Verwechslungsgefahr den nichtamtlichen Zusatz „/Hannover", ,,/Han." oder „(Han.)" hinzugefugt. Die Deutsche Bundesbahn erklärte sich allerdings nur gegen Erstattung von 75 % der Umbenennungskosten bereit, den Bahnhof der Stadt nach dem neuen Namen zu benennen. Hiergegen klagte die Stadt. Schilder am Bahnhof seien Sache der Bundesbahn. Dem folgte das Bundesverwaltungsgericht 230. Es betonte, daß der Konnexitässatz die Bedeutung einer allgemeinen Lastenverteilungsregel habe. Das verfassungsrechtliche Verbot der Überbürdung fremder Lasten gelte auch gegenüber den Gemeinden als Bestandteil der Länder. Insbesondere haben nach Art. 104a Abs. 5 GG Bund und Länder die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsausgaben jeweils selbst zu tragen. Es widerspreche auch Art. 104a Abs. 1 GG, einem Land die Ausgaben für die Wahrnehmung von Bundesaufgaben aufzuerlegen. „Eine Aufgabe des Bundes ist dann gegeben, wenn die ausschließliche Verwaltungskompetenz für die unmittelbar kostenverursachende Maßnahme beim Bund liegt. Da die Benennung und Umbenennung von Bahnhöfen der Beklagten und die damit verbundenen bahntechnischen Maßnahmen in bundeseigener Verwaltung durchgeführt werden, stellt sich die Anpassung einer Bahnhofsbezeichnung an den geänderten Namen der Gemeinde als eine Aufgabe des Bundes dar" 2 3 1 . Die Ausgabenlast liegt daher ebenfalls beim Bund. Beim Bundesgerichtshof 232 ging es um die Kompetenzen der Deutschen Bundespost. Die beklagte Stadt vermutete im Erdreich einen Blindgänger und ordnete an, daß die Bundespost eine an dieser Stelle verlaufende Kabeltrasse anders zu verlegen habe. Dies geschah unter erheblichem Kostenaufwand. Ein Blindgänger fand sich nicht. Die Deutsche Bundespost sah sich als Nichtstörerin in Anspruch genommen und verlangte Entschädigung. Dem stand entgegen, daß eine Entschädigung nach der anwendbaren landesrechtlichen EntschädigungsVorschrift für den Fall einer „anderen gesetzlichen Vor-
229
BVerwGE 44, 351. Ähnlich auch BVerwG NVwZ 1992, S. 264 = JZ 1992, S. 460 mit Anm. Lorenz (kein Anspruch der Deutschen Bundesbahn auf Erstattung der Kosten für zusätzliche Sicherung eines kleinen Bahnübergangs, der während kommunaler Bauarbeiten vorübergehend stark frequentiert war). 230
BVerwGE 44,351 (364 f.).
231
BVerwGE 44, 351 (365).
232
BGHZ 98, 244 (254 f.) = BGH NJW 1987, 1625 (1627).
92
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
schrift" ausgeschlossen war. Der Bundesgerichtshof sah § 3 des Telegraphenwegegesetzes, der die Telegraphenverwaltung zur Unterhaltung ihrer Telegraphenlinien verpflichtete, als eine solche „andere Vorschrift" an. Die Deutsche Bundespost hätte dem Gefahrverdacht ohnehin aus eigener Verpflichtung nachgehen müssen. Ein Erstattungsanspruch wurde verneint. Hierin sah der Bundesgerichtshof entgegen der Auffassung der Bundespost, die vorgetragen hatte, daß die Kosten außerhalb ihres Aufgabenbereichs veranlaßt worden seien, auch keinen Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Lastenverteilungsregelung in Art. 104a Abs. 1 GG. Dieser Vorschrift widerspreche es, einem Land die Ausgaben für die Wahrnehmung von Bundesaufgaben aufzuerlegen. „Eine Aufgabe des Bundes, deren Kostenlast nicht auf die Länder oder Gemeinden abgewälzt werden darf, ist dann gegeben, wenn die ausschließliche Verwaltungskompetenz für die unmittelbar kostenverursachende Maßnahme beim Bund liegt. Die Verwaltungskompetenz für die Verlegung von Fernmeldeleitungen liegt beim Bund, denn die Bundespost wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt ..." 2 3 3 . (2) Tendenzen und Perspektiven In den dargestellten Fällen aus der Rechtsprechung ging es immer wieder um ähnliche Konstellationen. Verschiedene Träger von Verwaltungskompetenzen stritten darum, für welche Seite der Zusammenhang zwischen Kompetenz und Kosten als „unmittelbar" zu werten sein soll. Man war sich darüber einig, daß eine Ausübung von Verwaltungskompetenzen grundsätzlich als Kostenursache beachtlich ist. Das Kriterium der Unmittelbarkeit wurde nur als Zusatzkriterium eingeführt, um auch in Fällen, in denen die alleinige Prüfung der Verwaltungskompetenz keine eindeutige Zuordnung ermöglicht, über die Finanzierungslast entscheiden zu können. Dadurch läßt sich auch bei einem Zusammentreffen von Verwaltungskompetenzen verschiedener Kompetenzträger durch juristische Kriterien Eindeutigkeit schaffen und die Kostenlast einem der beteiligten Verwaltungsträger zuweisen. Dabei lassen sich sowohl im „Gronau"-Fall des Bundesverwaltungsgerichts 234 als auch im „Blindgänger"-Fall des Bundesgerichtshofs 235 bei der Konkretisierung des Merkmals der Unmittelbarkeit der Kostenverursachung große Parallelen zur aus dem Polizeirecht vertrauten „Theorie der unmittelba233
BGH NJW 1987, S. 1625 (1627).
234
BVerwGE 44,351.
235
BGHZ 98, 244.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
93
ren Verursachung" 236 finden. Ähnlich wie bei der Ermittlung des Störers nur dasjenige Verhalten als Ursache einer Gefahr im Sinne des Polizeirechts angesehen wird, das selbst die Gefahrengrenze überschreitet, mittelbare Verursachung (Veranlassung) dagegen in normativer Betrachtung ausgeschieden wird 2 3 7 , so wird auch die Ausgabenlast bei einem Zusammentreffen verschiedener Ursachen durch juristische Definition einer Ebene eindeutig zugewiesen. Wenn sich Sachverantwortlichkeiten von Bund und Ländern überlagern, wird durch das normative Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" entweder der Bund oder das beteiligte Land als Träger der „Aufgabe" bestimmt. In den beschriebenen Fällen besteht kein Widerspruch zwischen der Anknüpfung der Lastentragung an die Verwaltungskompetenz einerseits und dem Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit andererseits". Diese Argumentation verfeinert lediglich die Anknüpfungskriterien, um auch beim Zusammentreffen verschiedener Verwaltungskompetenzen eine eindeutige Zuordnung der Kostenlast vornehmen zu können. Schwieriger wird es, wenn man das von Vogel und P. Kirchhof schon in den 70er Jahren entwickelte Kriterium der Lastentragung unter Anknüpfung an die „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" in den Fällen anwendet, für die es entwickelt worden ist. Es ging seinerzeit - wie dargestellt 238 darum, in Ausnahmefällen die Lastentragung auch in Anknüpfung an solche Kompetenzen, die keine Verwaltungskompetenzen sind, bestimmen zu können und etwa die Lastentragung für den Vorgang der Gesetzgebung als solcher durch den Träger der Gesetzgebungskompetenz mit dogmatischen Kategorien des Finanzverfassungsrechts erklären zu können. In diesen Fällen kommt das Kriterium der Unmittelbarkeit nicht erst zum Tragen, wenn es darum geht, aus verschiedenen Verwaltungskompetenzen diejenige auszuwählen, die den engsten Zusammenhang zu den entstandenen Kosten aufweist. Vielmehr kommen auch andere Arten von Kompetenzen als „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" in Betracht. Denkt man diese Argumentation konsequent weiter, so richtet sich die Lastentragung nach Art. 104a Abs. 1 GG nicht mehr generell und dogmatisch nach der Verwaltungskompetenz. Es kommt nicht allein auf die formale Frage nach einzelnen Arten von Kompetenzen an. Vielmehr eröffnet das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" ganz neue dogmatische Perspektiven. Es verzichtet
236
Wolf Rüdiger Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 5. Aufl., S. 175 ff. (250). 237 2
Franz-Ludwig Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., S. 153 f.
S . o . S.
.
94
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
- wie gezeigt 2 3 9 - auf die strenge Verknüpfung der Lastentragung mit einzelnen Arten von Kompetenzen. Es käme vielmehr allein auf den Ursachenzusammenhang zwischen Wahrnehmung der Kompetenz einerseits und Entstehung der Kosten andererseits an. Der Begriff der Unmittelbarkeit muß bezogen auf verschiedenste Einzelfälle konkretisiert werden. Der Konnexitätssatz des Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG kann nur rechtliche Konturen gewinnen, wenn für Grenzfälle Abgrenzungskriterien gefunden werden. Wenn man diesen Ansatz konsequent weiterverfolgt, wird man wohl nicht umhin können, das Kriterium der Unmittelbarkeit einer Kostenverursachung im Zusammenhang mit dem Aufgabenbegriff ähnlich zu entwickeln wie es etwa im Polizeirecht mit der Lehre vom Zweckveranlasser 240 oder in der Grundrechtsdogmatik geschehen ist. Dort fragt man mittlerweile nach der Intensität der Auswirkungen oder prüft sogar unter dem Gesichtspunkt einer „übersteuernden Finalität" 2 4 1 , statt formal an das letzte Glied einer verursachenden Kausalkette anzuknüpfen. Bezogen auf die „Unmittelbarkeit" der Kostenverursachung würde man nach diesen Kriterien nicht formal an die Verwaltungstätigkeit oder ähnliche Tätigkeiten im Bereich anderer Gewalten anknüpfen können, sondern dort, wo über den Anfall der Kosten abschließend entschieden worden ist, die Unmittelbarkeit der Kostenverursachung bejahen. Nach einem solchen materiellen Verständnis der „Unmittelbarkeit" kommt man dann sehr schnell zu der Frage, ob es auch Fälle gibt, in denen die „unmittelbare" Ursache der Kosten in der Wahrnehmung von Gesetzgebungskompetenzen liegen kann. Dann hätte nämlich beispielsweise der Bundesgesetzgeber trotz Vollzugs der Gesetze durch die Länder bereits nach dem allgemeinen Konnexitätsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG die vom Gesetz „unmittelbar" verursachten Kosten zu tragen. FischerMenshausen konnte bei der Entwicklung seiner Dogmatik zum Konnexitätssatz in der Frühzeit der Bundesrepublik wohl ohne weiteres davon ausgehen, die Leistung von Ausgaben zur Verfolgung von Staatszwecken sei bei funktioneller Betrachtung immer so etwas wie Verwaltungstätigkeit; die unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit - also die Aufgabe im Sinne des Finanzverfassungsrechts - sei also die Wahrnehmung der Verwaltungskompetenz. Heute werden aber Techniken eines Verwaltens durch finanzpolitische Impulse nicht nur als Einzelfallmaßnahme eingesetzt. Subventionsprogramme
239
S.o. S. 86.
240
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 224 ff.
241
Fritz Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, 1986, S. 30; ders., Informelles Hoheitshandeln im Gesundheits- und Umweltschutz, Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1987, S. 27 ff. (34).
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
95
haben im Staat-Bürger-Verhältnis regelmäßig abstrakt-generellen Charakter. Nach Erkenntnissen von Friauf aus dem Jahre 1968 hat der „zunehmende Einsatz finanzieller Mittel das staatpolitische Finanzwesen immer stärker in eine Komplementär- oder gar Ersatzfunktion anstelle des Rechts" hineinwachsen lassen. Es sei sogar zu beobachten, daß finanzielle Wirkungsmechanismen die rechtlichen Regelungen verdrängen 242 . So läßt sich ein Trend zu gesetzesvertretender Subventionierung beobachten. Hier ist der dogmatische Ansatzpunkt der Überlegungen, die Lastentragungsregel des Art. 104a Abs. 1 GG angesichts neuerer Entwicklungen zu modifizieren. Es ist immerhin naheliegend, daß sich solche Veränderungen der Funktion darauf auswirken müssen, wo die „unmittelbare" Kostenursache im Sinne des Konnexitätssatzes zu sehen ist. In der Praxis scheint mit der Generalisierung der Techniken finanziellen Einwirkens im Staat-BürgerVerhältnis ein Trend zur allmählichen Verlagerung der Anknüpfungspunkte für eine „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes weg von der Verwaltungskompetenz und hin zu Gesetzgebungskompetenzen herauszubilden. Für die Praxis beinhaltet diese Entwicklung einige Brisanz. In letzter Zeit sind vor allem im Zusammenhang mit der Entwicklung der öffentlichen Ausgaben für Sozialhilfe Fragen der Bundesgesetzgebung zu Lasten der Haushalte der Länder in den Brennpunkt der juristischen Diskussion getreten. Wenn sich die Lastentragung allein am Maßstab der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" ausrichtet, so ist es immerhin nicht undenkbar, daß die Lastentragung in Einzelfällen anderen Anknüpfungspunkten als der Verwaltungskompetenz folgt. Dabei könnte man sich etwa an Strukturen des Polizeirechts orientieren. Nach der weit verbreiteten „Theorie der unmittelbaren Verursachung" 243 kann grundsätzlich nur als Störer in Anspruch genommen werden, wer durch sein eigenes Verhalten die polizeirechtliche Gefahrenschwelle überschreitet. Eine Ausnahme von diesem Unmittelbarkeitserfordernis ist allerdings weitgehend anerkannt in Fällen der Zweckveranlassung 244 . Entferntere Veranlasser sollen Störer sein, wenn durch objektive
242
Karl Heinrich Friauf VVDStRL 27 (1969), S. 1 (10 f.) - Hervorhebungen im Original - unter Bezug auf Adolf Hüttl, Öffentlicher Haushalt und Wirtschaft, DVB1 1968, S. 673 ff. (679) spricht sich dafür aus, „den Markt- wie den Budgetmechanismus als theoretische und praktische Ordnungsinstrumente der modernen Industriegesellschaft zu beherrschen und vernünftig anzuwenden". 243
Ζ. B. Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 145 ff. (250); Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, 7. Aufl., S. 153 f. 244
Albert v. Mutius, Der „Störer" im Polizei- und Ordnungsrecht, Jura 1983, 298 (305); Schenke, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, S. 145 ff (251); krit. Jost
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1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Umstände ein enger innerer Zusammenhang zwischen deren Veranlassungsbeitrag und dem die Gefahr letztlich auslösenden Verhalten besteht. Auch in anderen Rechtsbereichen wird ein strenges Verständnis des Begriffs der Unmittelbarkeit durch die Kategorie einer „die Ursachenkette übersteuernden Finalität" relativiert 245 . Für Normalfälle der Praxis wird man davon ausgehen müssen, daß die „unmittelbare" Kostenursache in den meisten Fällen mit der Ausübung von Verwaltungskompetenzen zusammenhängt. Dafür sprechen vor allem verwaltungsökonomische Gründe. Selbst äußerst kostspielige Geldleistungsgesetze des Bundes lassen der Verwaltung regelmäßig noch gewisse Vollzugsspielräume. Damit beeinflussen sie die Kostenentstehung nur mittelbar. Damit ist die Verwaltungskompetenz „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit", sie zieht nach Art. 104a Abs. 1 GG die Kostenlast nach sich. Eine verstärkte Kostenübernahme durch den Bund würde Anreize zu „Wohltaten" auf Kosten fremder Haushalte schaffen 246 . Sie ist daher grundsätzlich nicht zu befürworten. Eine Lösung durch strikte Interpretation der Revisionspflicht nach Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG ist vorzugswürdig. Allerdings wäre auf einer Argumentationsgrundlage, bei der die Lastentragung nach Art. 104a Abs. 1 GG nicht in erster Linie an Formalkompetenzen, sondern an das von Vogel und P. Kirchhof dargelegte Kriterium einer „Unmittelbarkeit" der Kostenverursachung anknüpft, durchaus auch eine Weiterentwicklung des Konnexitätssatzes de constitutione lata denkbar. Dabei kann es nicht darum gehen, den in den 60er Jahren ausgetragenen Streit um andere Anknüpfungspunkte für die Lastentragung - vor allem um andere Arten von Formalkompetenzen wie etwa Gesetzgebungskompetenzen - erneut auszutragen. In der großen Mehrzahl der Fälle ist es die Verwaltung, die unmittelbare Kostenursachen setzt. Vielmehr wäre dann die Gleichsetzung von Verwaltungskompetenz mit Lastentragung nur weit verbreitete Fallgruppe eines allgemeineren Konnexitätsgedanken, nach dem aber die Lastentragung nicht an einzelne Formalkompetenzen, sondern allein an die Unmittelbarkeit der Kostenverursachung anknüpft. Der allgemein anerkannte Zusammenhang
Pietzcker, Polizeirechtliche Störerbestimmung nach Pflichtwidrigkeit und Risikosphäre, DVB1. 1984, S. 457 ff. (458). 245
Ossenbühl, Umweltpflege durch behördliche Warnungen und Empfehlungen, S. 30; ders., Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts 1987, S. 27 ff. (34), krit. Gertrude Lübbe-Wolff NJW 1987, S. 2705 (2710). 246
Ernst Pappermann, Mischfinanzierung als Hemmnis der Haushaltskonsolidierung, in: Hans Herbert v. Arnim, Konrad Littmann (Hrsg.), Finanzpolitik im Umbruch: Zur Konsolidierung öffentlicher Haushalte, 1983.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
97
zwischen Lastentragung und Verwaltungskompetenz wäre dann nur noch praktischer Normalfall, nicht mehr finanzverfassungstheoretisches Dogma. Das praktische „Potential" dieses Argumentationsansatzes: Wenn bereits nach dem Grundgesetz in seiner geltenden Fassung nicht einzelne Arten von Kompetenzen, sondern allein die Unmittelbarkeit der Verursachung von Kosten für die Lastentragung entscheidend ist, so ist es jedenfalls nicht völlig undenkbar, dieses Kriterium auch beispielsweise auf solche Geldleistungsgesetze anzuwenden, die - im Einzelfall und punktuell - den Ländern ausnahmsweise wegen ihrer Steuerungsintensität überhaupt keinen Entscheidungsspielraum über Kostenursachen lassen. Die Konsequenz wäre dann, daß in diesen Einzelfällen, die man näher herauszuarbeiten und zu beschreiben hätte, schon nach geltendem Verfassungsrecht und nicht nur - wie beim 61. Deutschen Juristentag erörtert de constitutione ferenda - bereits die Gesetzgebung als „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" anzusehen wäre, die nach Absatz 1 des Art. 104a GG zur Lastentragung verpflichtet. Bereits in der Entwurfsbegründung zur Finanzverfassungsreform von 1955, bei der erstmals der Konnexitätssatz Eingang ins Grundgesetz fand, klingt der Gedanke, daß in Ausnahmefällen auch ein Zusammenhang zwischen Gesetzgebungskompetenz und Lastentragung Ausprägung des allgemeinen Konnexitätsgedanken sein könne, zumindest an: „Unter ,Aufgaben' im Sinne dieser Verfassungsbestimmung sind Verwaltungsaufgaben, nicht etwa gesetzgeberische Aufgaben zu verstehen; denn im gesetzesgebundenen Raum entstehen Ausgaben regelmäßig erst durch den Vollzug der Gesetze. Die Zuständigkeitsverteilung auf dem Gebiet der Gesetzgebung (Art. 73 ff. GG) ist daher Ausgabenverteilung ohne Belang, es sei denn, daß ausnahmsweise die Ausgaben unmittelbar durch das Gesetz selbst entstehen" 247 . Die Frage, ob der Begriff der „Unmittelbarkeit" bei der Lastentragung einer Weiterentwicklung zugänglich ist, bedarf noch weiterer sorgfältiger Untersuchungen 248. Sie kann im Rahmen einer Arbeit, die sich weniger mit rechtspolitischen Fragen beschäftigen, sondern stattdessen bewußt auf eine Darlegung dogmatischer Grundstrukturen beschränken w i l l 2 4 9 , nicht geleistet werden. Aus rechtsdogmatischer Sicht muß man, bevor solche Konsequenzen erwogen werden, zunächst sorgfältig abklären, ob angesichts der ausdrücklichen Regelung des Grundgesetzes über Geldleistungsgesetze in Absatz 2 des
247
BT-Drucks. 11/480, Tz. 59, Hervorhebung hinzugefügt.
248
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Begriff der Unmittelbarkeit im Steuerrecht gesetzlich definiert ist (§ 57 AO). Dort wird nach streng formalen Kriterien zugerechnet. 249
Hierzu bereits oben S. 26 f.
7 Waïblinger
98
1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs"
Art. 104a GG noch Spielraum für eine Argumentation mit dem allgemeinen Konnexitätssatz aus Absatz 1 des Art. 104a GG bleibt 2 5 0 .
2. Das Prinzip der Vollzugskausalität Die Kriterien für Lastentragung haben erhebliche praktische Bedeutung. Betrachtet man das Merkmal der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" ohne Rücksicht auf Formalkompetenzen, so werden Wertungen ins Finanzverfassungsrecht eingeführt, die Unschärfe in sich tragen, statt Rechtssicherheit zu schaffen. Gerade im Finanzverfassungsrecht läßt sich Konsens oft nur durch politisch „neutrale" formale Kriterien erreichen 251 . Eine rechtswissenschaftliche Untersuchung, die sich nicht auf ein juristisch verbrämtes politisches Plädoyer beschränken will, muß sich daher zunächst auf klare rechtsdogmatische Grundlagen besinnen. Der rechtsdogmatische Gehalt der Auffassung, die Lastentragung hänge nach dem Konnexitätssatz des Grundgesetzes mit der Verwaltungskompetenz zusammen, läßt sich am Gedankengang des von Ferdinand Kirchhof erstatteten Gutachtens für den 61. Deutschen Juristentag recht deutlich nachvollziehen. Dort heißt es, in Art. 104a Abs. 1 GG komme nach geltender Rechtslage ein Prinzip der Vollzugskausalität zum Ausdruck. Die hierzu zentralen Passagen im Wortlaut: „Die Finanzverantwortung wird in Art. 104a Abs. 1 GG mit der Verwaltung verknüpft. Finanzierungslasten treffen den Inhaber der administrativen Verwaltungskompetenz. Man könnte die Finanzverantwortung aber auch an die Gesetzgebung binden ... Das Verursacher- oder Kausalitätsprinzip geht davon aus, daß derjenge die Kosten einer Aufgabe zu tragen hat, der sie verursacht. An Ursachen gibt es an sich viele. Zwei typische werden von den Unterfällen des Prinzips der Vollzugskausalität - wenn der Verwaltungsvollzug die Kosten verursacht, trägt die den Vollzug wahrnehmende Stelle die Kosten der Aufgaben - und des Prinzips der Gesetzeskausalität erfaßt - wenn das Gesetz die Aufgaben begründet, verursacht es auch deren Kosten: sie sind also vom Gesetzgeber zu tragen. (Zuweilen wird nach der Verwaltungs- oder Gesetzgebungskompetenz zugeordnet; das verkürzt den Inhalt der Prinzipien, denn es kommt bei der Verursachung nicht auf die Zuständigkeit, sondern auf deren Ausübung an). Mit Konnexitätsprinzip bezeichnet man hingegen die Deckung von Aufgaben und Ausgaben. Ob sie wegen der Kausalität der Kosten oder aus anderen Gründen der Verantwortung gefordert wird, bleibt
250
Hierzu unten S. 166 ff.
251
Nachw. hierzu bereits oben Fußn. 66 der Einleitung.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
99
offen; das Prinzip bestimmt nur die äußere Deckungsgleichheit beider Größen. (Im juristischen Alltag wird es oft mit der Wertung des Art. 104a Abs. 1 GG gleichgesetzt, daß die Finanzierungslast vom Vollzug abhängt. Etymologisch wird nur irgendein Zusammenhang ausgedrückt. Logisch fuhrt die Kongruenz von Aufgaben und Ausgaben (noch) nicht zur Rechtsfolge des Art. 104a Abs. 1 GG, weil der Begriff noch nichts zur Kausalität zwischen beiden aussagt)."252 Vor dem Hintergrund dieser verschiedenen Regelungsmodelle faßt Ferdinand Kirchhof die geltende Rechtslage so zusammen: „Die Grundregel des Art. 104a Abs. 1 GG folgt dem Prinzip der Vollzugskausalität, denn die Finanzierungslast wird von der Gliedkörperschaft getragen, die die Verwaltungsaufgabe nach außen durchführt" 253 „Nach den Parlamentsmaterialien wird diese Entscheidung der Verfassung von der Vorstellung getragen, daß das Verwalten die Kosten verursache. Letztlich wird damit der Löwenanteil der Zweckausgaben den Ländern aufgebürdet, weil sie die meisten Verwaltungskompetenzen besitzen."254 „Bei der Bundesauftragsverwaltung des Art. 104a Abs. 2 GG wird die Finanzierungslast dagegen nach dem Prinzip der Gesetzeskausalität zugewiesen. (...) Ähnliches gilt für Art. 104a Abs. 3 GG, der eine Wahl zwischen Vollzugs- und Gesetzeskausalität für Geldleistungsgesetze erlaubt." 255 Es fällt auf, daß Ferdinand Kirchhof sorgfältig differenziert. Der in Art. 104a Abs. 1 GG normierte Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben wird als Rechtssatz angesehen. Dagegen soll die Gleichsetzung der „Aufgabe" mit der Verwaltungskompetenz und damit der Zusammenhang von Verwaltungskompetenz und Finanzierungslast lediglich ein Rechtsprinzip sein. Das gibt Anlaß zu einigen grundsätzlichen Bemerkungen. Was zunächst ein rein akademischer Unterschied (a) zu sein scheint, hat erhebliche praktische Konsequenzen (b). a) Von Rechtsprinzipien und Rechtsbegriffen In der juristischen Methodenlehre werden üblicherweise zwei Begründungstechniken unterschieden: Beim klassischen Modell der „Wenn-dann-
252
F. Kirchhof Gutachten für den 61. DJT, S. D 15; Hervorhebungen im Original. Die in Klammern geschriebenen Sätze sind im Original Fußnoten. 253
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 57.
254
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 40.
255
F. Kirchhof
Gutachten für den 61. DJT, S. D 40 f.
100 1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" Strukturen" 256 ordnet eine Norm bestimmte Rechtsfolgen allein deshalb an, weil die verschiedenen einzelnen Tatbestandsmerkmale der Norm erfüllt sind. Dagegen ist eine Argumentation mit Prinzipien formal anders aufgebaut. Prinzipien legen die vorgesehene Rechtsfolge selbst dann nicht zwingend fest, wenn die einzelnen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Vielmehr ist zusätzlich zu prüfen, daß kein gegenläufiges Prinzip das in Frage stehende Prinzip verdrängt und damit andere Ergebnisse rechtens sein sollen. M i t Alexy: „Regeln sind Normen, die bei der Erfüllung des Tatbestandes eine definitive Rechtsfolge anordnen [...]. Sie können deshalb vereinfachend als definitive Gebote' bezeichnet werden. Die für sie charakteristische Anwendungsform ist die Subsumtion. Demgegenüber sind Prinzipien Optimierungsgebote. Als solche sind sie Normen, die gebieten, daß etwas in einem relativ auf die tatsächlichen Möglichkeiten möglichst hohen Maße realisiert wird. Das bedeutet, daß sie in unterschiedlichen Graden erfüllt werden können und daß das gebotene Maß ihrer Erfüllung nicht nur von den tatsächlichen, sondern auch von den rechtlichen Möglichkeiten abhängt"257. Die Frage, wie man die Struktur eines Rechtsprinzips lege artis handhabt und damit in der Praxis handwerklich ordentliche juristische Begründungen formuliert, wird in der wissenschaftlichen Diskussion auf höchstem Abstraktionsniveau geführt. Es werden zwei Grundpositionen vertreten, die vereinfacht dargestellt werden sollen. Alexy ist der Ansicht, man müsse abstrakt zwischen den Prinzipien abwägen und dann das Abwägungsergebnis als Ausgangspunkt der weiteren juristischen Argumentation heranziehen. „Die rechtlichen Möglichkeiten der Erfüllung eines Prinzips werden außer durch Regeln wesentlich durch gegenläufige Prinzipien bestimmt. Letzteres impliziert, daß Prinzipien abwägungsfähig und -bedürftig sind. Die Abwägung ist die für Prinzipien kennzeichnende Form der Anwendung" 258. So wird vor der eigentlichen juristischen Subsumtion die im konkreten Fall anwendbare Norm aus den verschiedenen widerstreitenden Prinzipien erarbeitet. Eine solche Begründungstechnik entspricht der dogmatischen Struktur von Prinzipien, die keine unmittelbare Subsumtion zuläßt. Allerdings hängt bei den beschriebenen Abwägungen zwischen widerstreitenden Rechtsprinzipien das praktische Ergebnis vor allem von den Kriterien 256
Ζ. B. Hans-Joachim Koch/Helmut Rüßmann, Juristische Begründungslehre,
1982, S. 79. 257
Robert Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, 1992, S. 119 f.
258
Alexy, Begriff und Geltung des Rechts, S. 120.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
101
ab, nach denen die Auswahlentscheidung zwischen „Prinzip" und „Gegenprinzip" fällt. Deshalb vertritt H.-J. Koch eine Gegenposition. Er schlägt vor, man solle bei Prinzipien die Existenz eines Gegenprinzips als zusätzliches ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal behandeln 259 . Dadurch sei die nötige Abwägung zwischen den verschiedenen Prinzipien näher am Fall. Das gewährleiste am ehesten eine klare und transparente Entscheidungsbegründung. Überträgt man diese Ansatzpunkte auf die Argumentation mit Art. 104a GG, so wäre nach beiden Ansichten das Ergebnis, unter „Aufgabe" im Sinne dieser Norm sei immer nur eine Verwaltungskompetenz zu verstehen, deutlich relativiert. Das gilt dann nur „im Prinzip". Wie auch immer die argumentationstechnische Umsetzung im einzelnen konstruiert werden soll wenn der Zusammenhang zwischen Verwaltungskompetenz und Finanzierungslast nur ein Prinzip zum Ausdruck bringt, so muß man immer wieder mit Fällen rechnen, in denen ein Gegenprinzip zum Tragen kommt. Eine begriffliche Gleichsetzung zwischen „Aufgabe" und „Verwaltungskompetenz" ist dann nicht möglich. Die grundgesetzliche Regelung über die Lastentragung bei der Auftragsverwaltung (Art. 104a Abs. 2 GG) und bei den Geldleistungsgesetzen (Art. 104a Abs. 3 GG) wäre dann ein Fall, in dem kraft ausdrücklicher Anordnung der Verfassung ein Gegenprinzip eingreift und die Lastentragung nichts mit der Verwaltungskompetenz zu tun hat. Dieser Ansatz läßt sich noch einen Schritt weiter denken. Wenn das Prinzip der Gesetzeskausalität das einzige denkbare „Gegenprinzip" zum Prinzip der Vollzugskausalität ist, dann ist es nur konsequent, die beiden genannten Prinzipien nicht als eigenständige juristische Argumente anzusehen, sondern als bloße praktische Anwendungsfälle einer den beiden Prinzipien gemeinsam übergeordneten Norm zu verstehen. Diese Norm ordnet dann nur den Zusammenhang zwischen „Aufgaben" und „Ausgaben" an. Der typische praktische Anwendungsfall dieser Norm führt meistens zum Prinzip der Vollzugskausalität. Dann hängt die Finanzierungslast mit der Verwaltungskompetenz zusammen. Es wäre aber nach dieser Argumentation denkbar, in einzelnen Ausnahmefällen auch etwa das Gegenprinzip der Gesetzeskausalität, wie es vom Grundgesetz in verschiedenen Einzelfällen ausdrücklich angeordnet ist, als Verwirklichung des grundgesetzlich angeordneten Zusammenhanges zwischen „Aufgaben" und „Ausgaben" anzusehen. Damit wäre der Konnexitätssatz nach dem Grundgesetz zweistufig zu prüfen. Zunächst müßte man fragen, ob zumindest entweder eine Gesetzgebungskompetenz oder eine Verwaltungskompetenz vorliegt. Nur dann liegt eine „Aufgabe" vor, die überhaupt zur Verwendung öffentlicher Finanzmittel
259
In: Koch/Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 100 ff. (102).
102 1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" ermächtigt. In einem zweiten Schritt wäre dann zu entscheiden, welches der beiden Prinzipien für den Anwendungsfall - Vollzugskausalität oder Gesetzeskausalität - im Einzelfall gelten soll. Das dogmatische Ergebnis ist höchst interessant. Mit einer solchen Argumentation hätte die allgemein gehaltene Verknüpfung der „Ausgaben" mit „Aufgaben" in Art. 104a Abs. 1 GG einen eigenständigen rechtlichen Gehalt als Rechtsnorm mit „wenn-dann-Struktur". Ein Einsatz öffentlicher Mittel ist nach dem so verstandenen Art. 104a Abs. 1 GG nur zulässig, wenn entweder eine Gesetzgebungskompetenz oder eine Verwaltungskompetenz nachgewiesen werden kann. Dabei ist im Normalfall - eben „im Prinzip" - eine Verwaltungskompetenz erforderlich. Im Ausnahmefall ist aber - Gegenprinzip zumindest eine Gesetzgebungskompetenz rechtliche Voraussetzung einer Verwendung öffentlichen Finanzen. b) Zur Einordnung des Art. 104a Abs. 1 GG Bevor solche Konsequenzen gezogen werden können, muß untersucht werden, ob die Verknüpfung der Lastentragung mit der Verwaltungskompetenz wirklich nur ein Rechtsprinzip ist. Immerhin erleichtert es diese rechtliche Einordnung, im Einzelfall auch abweichende Ergebnisse zu begründen. Vor allem Ferdinand Kirchhof, von dem dieser Gedanke formuliert worden ist, hat sich in der verfassungspolitischen Diskussion wegen der kommunalen Sozialhilfelasten mit Nachdruck für eine grundsätzliche Abkehr vom Prinzip der Vollzugskausalität eingesetzt. Er tritt de lege ferenda für ein Prinzip der Gesetzeskausalität ein 2 6 0 . Daher kann seine Auffassung, bereits de lege lata gelte der Zusammenhang zwischen Verwaltungskompetenz und Finanzierungslast nur als Prinzip, zu dem ein Gegenprinzip existiere, nicht ungeprüft übernommen werden. Die meisten Stimmen in der derzeitigen Diskussion sehen die Norm des Art. 104a Abs. 1 GG nicht als Rechtsprinzip an, sondern als Regel mit klaren „Wenn-dann-Strukturen". Art. 104a Abs. 1 GG ordne nicht nur „im Prinzip", sondern ganz generell die Gleichsetzung der „Aufgabe" mit der Verwaltungskompetenz an. Die beschriebenen 261 Fälle einer Lastentragung ohne Verwaltungskompetenz werden vielmehr meist durch weitere begriffliche Unterscheidungen gelöst. So wird versucht, die Verwaltungskompetenz weiterhin als formalen Anknüpfungspunkt für die Lastentragung beizubehalten.
260
So insbesondere im Formulierungsvorschlag für einen neugefaßten Art. 104a GG (F. Kirchhof Gutachten für den 61. DJT, S. D 98). 261
S.o. S. 84 f.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
103
Wenn in einzelnen Fällen die Lastentragung nicht mit der Verwaltungskompetenz zusammenhänge, so sei dies nicht ein Hinweis darauf, daß bereits der Grundsatz nur „ i m Prinzip" gelte, sondern eine klassische Ausnahme. Nach Art. 104a Abs. 1 GG ist der Nachweis einer Aufgabe nur für „Ausgaben" erforderlich. Es gibt nun Versuche, den Begriff der „Ausgaben" so einzuengen, daß die wesentlichen praktisch bedeutsamen Fälle einer Lastentragung ohne Verwaltungskompetenz - vor allem die genannten Fälle der Kosten für Parlamente und Gerichte - nicht mehr hierunter fallen. Unter „Ausgabe" soll nicht - wie nach dem sonst üblichen Sprachgebrauch - j e d e r aufgewendete 262 Geldbetrag fallen. Vielmehr zerfallen im Finanzverfassungsrecht die „Ausgaben" in zwei Bereiche: Die „Verwaltungsausgaben" und die „Zweckausgaben". Besonders eingängig ist diese Auffassung bei v. Arnim formuliert: „Verwaltungsausgaben sind diejenigen Ausgaben, die für den Betrieb und die Erhaltung des Verwaltungsapparats erforderlich sind, Zweckausgaben sind alle die Ausgaben, die unmittelbar der Förderung des jeweiligen Sachanliegens dienen sollen. Zweckausgaben fallen unmittelbar für das an, was der Verwaltungsapparat als Ergebnis seiner Aufgabenwahrnehmung auswirft (Output); Verwaltungsausgaben sind die für die interne apparative Bewältigung erforderlichen Finanzmittel" 263 . Nach dieser begrifflichen Unterscheidung gilt der Konnexitätssatz praktisch nur noch für die „Zweckausgaben". Zweckausgaben sind nur im Rahmen der Kompetenzordnung zulässig. Regelmäßig ist eine Verwaltungskompetenz erforderlich. Dagegen soll bei den „Verwaltungsausgaben", also bei den Personal- und Sachkosten, Finanzierung im Ergebnis auch zulässig sein,
262
Einen Anhaltspunkt bietet auch der Sprachgebrauch im Steuerrecht. Der Begriff „Ausgaben" ist dort sehr weit gefaßt: „Ausgaben" (§ 12 EStG) sind alle Aufwendungen, Betriebs ausgaben sind alle betrieblich veranlaßten Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG). In einem zweiten Schritt werden dann lediglich einzelne dieser „Ausgaben" einer rechtlichen Sonderbehandlung zugeführt und als nicht abzugsföhig behandelt (Wortlaut der §§ 4 Abs. 5, 12 EStG, dennoch bestr.). Feinheiten der Unterscheidungen hängen nicht mit dem Begriff der „Ausgaben" zusammen, sondern damit, daß das Steuerrecht Rechtsfolgen regelmäßig an zusätzliche Kriterien knüpft (vor allem die Abzugsfähigkeit der „Ausgaben"). 263
v. Arnim, in: HStR IV, S. 987 (994) unter Hinweis auf das Gutachten der Kom-
mission für die Finanzreform,
Gutachten, Tz. 211, Vogel/P.
Kirchhof
in: BK, Art.
104a, Rdnr. 154; Jürgen Makswit, Finanzierung kommunaler Fremdverwaltung unter besonderer Berücksichtigung des finanzverfassungsrechtlichen Konnexitätsprinzips, 1984, S. 119 f.
104 1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" wenn keine Verwaltungskompetenz besteht. In der Praxis stellen sich in den allermeisten Fällen ohnehin keine Zuordnungsprobleme 264 . Verwaltungsausgaben - also Personal- und Sachaufwand - sind regelmäßig dort zu tragen, wo sie anfallen. Die Verwaltungsausgaben seien aber auch rechtlich kein Anwendungsfall des in Absatz 1 des Art. 104a GG normierten allgemeinen Konnexitätsgedanken. Vielmehr enthalte das Grundgesetz auch hierfür eine Sonderregelung (Art. 104a Abs. 5 Satz 1,1. HS.). Auch Ausgaben für Organe der Gesetzgebung und Rechtsprechung werden im Ergebnis bei den „Verwaltungsausgaben" 265 eingeordnet, nicht bei den Zweckausgaben. Damit kann der dargestellte Einwand, man könne etwa die Lastentragung für den Vorgang der Gesetzgebung als solcher nicht erklären, solange man von einer strengen Verknüpfung zwischen Lastentragung und der Verwaltungskompetenz ausgehe, durch die beschriebene rein begriffliche Unterscheidung weitgehend entkräftet werden. Diese begriffliche Argumentation kann nicht uneingeschränkt überzeugen. Das praktische Ergebnis, nach dem der jeweilige Kompetenzträger auch für Staatsorgane, die nicht Verwaltung sind, die Kosten tragen muß, kann man ganz offensichtlich kaum ernsthaft anzweifeln. Die Begründung, wonach beispielsweise die Bezahlung der Diäten für Bundestagsabgeordnete nichts mit einer „Aufgabe" des Bundes zu tun habe - keine Verwaltungskompetenz! - und der Bund demzufolge die entsprechenden Ausgaben nicht nach dem allgemeinen Konnexitätssatz leisten dürfe, ist schon im Ansatz nicht stimmig. Sie verleitet zu weiteren rechtsbegrifflichen Reparaturversuchen. Zur Rettung eines strikten Zusammenhanges zwischen Lastentragung und Verwaltungskompetenz ließe sich vielleicht noch folgender Zusammenhang konstruieren: Da die Ausübung jeder im Grundgesetz vorgesehenen Kompetenz Personalund Sachaufwand zur Folge hat, enthält in diesem Rahmen auch etwa eine Gesetzgebungskompetenz eine „Annex-Verwaltungskompetenz", die nach Art. 104a Abs. 1 GG die erforderliche Lastentragung ermöglicht. Das erscheint allerdings reichlich konstruiert. Aus einem weiteren Grund ist die beschriebene begriffliche Argumentation angreifbar: Sie vermengt die finanzverfassungsrechtliche Frage der Lastentragung mit der Problematik, wann Ausgaben kompetenzrechtlich zulässig sind. Im Kompetenzrecht ist für Zweckausgaben regelmäßig der Nachweis einer Verwaltungskompetenz erforderlich. Nur wenn das Grundgesetz Aus264 265
Auf die problematischen Fälle wird noch eingegangen, s. unten S. 130 ff.
Pieroth in: Jarass/Pieroth, Art. 104a, Rdnr. 12; OVG NW DÖV 1992, 1066; Werner Hoppe, Der Anspruch der Kommunen auf aufgabengerechte Finanzausstattung, DVB1. 1992, 121; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 59, FischerMenshausen in v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4.
Β. Konnexität als Lastentragungsregel
105
nahmeregelungen enthält, dürfen auch ohne Verwaltungskompetenz öffentliche Gelder ausgegeben werden. Solche Ausnahmen sind etwa die Regelungen über Geldleistungsgesetze (Art. 104a Abs. 3 GG) oder über Transferzahlungen im Länderfinanzausgleich (z.B. Art. 106 Abs. 8 GG). Die Anknüpfung der Finanzierungsmöglichkeiten an die Verwaltungskompetenz hängt daher mit kompetenzrechtlichen, nicht mit finanzverfassungsrechtlichen Fragen zusammen. Vor allem im Zusammenhang mit modernen Verwaltungsstrukturen fuhrt die Auffassung, der Konnexitätssatz gelte nur für „Zweckausgaben", nicht aber für „Verwaltungsausgaben", in schwierige Abgrenzungsprobleme. Man muß unterscheiden, ob eine öffentliche Ausgabe dazu dient, den Betrieb der Verwaltung sicherzustellen - dann Verwaltungsausgabe - oder dazu dient, die Ziele der Verwaltungstätigkeit zu verfolgen - dann Zweckausgabe. Bei vielen Ausgaben ist die Zuordnung unklar. In der Praxis werden immer häufiger einzelne Leistungen nicht von eigenen Bediensteten ausgeführt, sondern extern eingekauft. In betriebswirtschaftlicher Terminologie heißt das „outsourcing". Nach den Kriterien der beschriebenen Unterscheidung zwischen Verwaltungsausgaben und Zweckausgaben führt ein derartiger „outsourcing"-Vorgang zu einer finanzverfassungsrechtlichen Umqualifizierung: Vorher wurde man mit eigenen Personal- und Sachmitteln tätig, es entstanden Verwaltungsausgaben. Nachher wurden Fremdleistungen eingekauft, die Kosten dafür sind Zweckausgaben. Es erscheint überraschend, daß sich ein solches „outsourcing" dazu eignen soll, nach finanzverfassungsrechtlichen Kriterien die Kostenlast zu verlagern. Die praktischen Schwierigkeiten bei der Unterscheidung zwischen Verwaltungs- und Zweckausgaben sind systembedingt. Verwaltungseinheiten existieren, um in verschiedensten Lebensbereichen das öffentliche Interesse zur Geltung zu bringen. Sie werden nicht aus Steuermitteln bezahlt, um sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie sollen Zwecke verfolgen. Die Ausgaben für die Verwaltung sollen sicherstellen, daß die Verwaltung ihre Zwecke auch verwirklichen kann. Daher ist letztlich jede Ausgabe für die Verwaltung Zweckausgabe. Das gilt vor allem für die „Verwaltungsausgaben", also für Personal- und Sachaufwand. Dagegen wird mit der Auffassung, es bestehe ein Unterschied zwischen Verwaltungsausgaben und Zweckausgaben, gewissermaßen der unausgesprochene Vorwurf erhoben, bei Ausgaben für Personalund Sachaufwand gehe es nicht um die Verfolgung des öffentlichen Interesses, sondern um bloße Alimentation der Institutionen. Die verbreitete Auffassung, der Zusammenhang zwischen Verwaltungskompetenz und Kostenlast sei kein bloßes Rechtsprinzip, sondern eine klassische Rechtsnorm mit „Wenn-dann-Struktur", weist also dogmatische Schwächen und Unstimmigkeiten auf. Dennoch reichen die bisher angeführten
106 1. Teil: Die Tradition eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" Argumente nicht aus, um eindeutig zu klären, ob man es in Art. 104a Abs. 1 GG mit einem Rechtssatz („Konnexitätssatz") oder einem Rechtsprinzip („Konnexitätsprinzip") zu tun hat. Die Diskussion um den richtigen Anknüpfungspunkt für die Lastenverteilung war von Anfang an stark politisch belastet. Erichsen formulierte das so: „Immerhin zeigt die Verfassungspraxis, daß die Gefahr praeterlegaler Entwicklung in diesem politischen Hochspannungsfeld außerordentlich groß ist. Der ... Zweck der Finanzverfassung und damit des Konnexitätsgrundsatzes legt daher eine möglichst trennscharfe, in höchstmöglichem Maße justiziable Aufgabendefinition nahe" 266 . Der bloße Vorwurf fehlender rechtsdogmatischer Stimmigkeit hat für finanzverfassungsrechtliche Fragen zu wenig Gewicht. Wo viel Geld verteilt wird und damit Grundentscheidungen über die Verteilung der Macht im Staat fallen, läßt sich allein mit abstrakten dogmatischen Argumenten kaum Konsens schaffen. Dazu kommt, daß es in den bisher aufgeworfenen Fällen ausschließlich um die Lastentragung ging. Dabei hatte die Frage nach der Rechtsnatur des Art. 104a Abs. 1 GG kaum praktische Bedeutung. Sie war gut geeignet zur Darstellung der wesentlichen Argumentationsgrundlagen. Nach den bisherigen Überlegungen geht es aber bei der Frage nach der Rechtsnatur des Art. 104a Abs. 1 GG vor allem um so etwas wie rechtsdogmatische Ästhetik 267 .
266 267
Erichsen, Konnexität, S. 32.
Zur Steuerungsfähigkeit stilistischer Elemente im Recht z.B. Reiner Schmidt, Der Verfassungsstaat im Geflecht internationaler Beziehungen, VVDStRL 36 (1978), S. 65 (102); grundlegend Voßkuhle, AöR 119 (1994), S. 35 (45).
Zweiter Teil
Das Fremdfinanzierungsverbot (Art. 104a Abs. 1 GG) Bisher wurde vor allem Grundlagenforschung betrieben und versucht, bei gegebener Kostenursache nach Art. 104a Abs. 1 GG die Kostenlast zu bestimmen. Dabei kommt es auf das Merkmal der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" an. Grundsätzlich ist die Wahrnehmung einer Verwaltungskompetenz rechtserhebliche Kostenursache. Letztlich konnte aber nicht geklärt werden, ob der Zusammenhang zwischen Verwaltungskompetenz und Kostenlast auf einem klassischen Rechtssatz beruht oder ob er nur im Range eines Rechtsprinzips steht, zu dem das Gegenprinzip der Gesetzeskausalität existiert. In einer politiknahen Materie wie dem Finanzverfassungsrecht reicht ein Plädoyer für die eine oder andere Seite nicht aus, um im Konzert der unterschiedlicher Überzeugungen das nötige Maß an juristischem Konsens zu erreichen. Jetzt soll es um die Fälle gehen, in denen es fallentscheidend auf die Frage nach der Rechtsnatur des grundgesetzlichen Konnexitätsgedanken ankommt. Eine konkretere Fragestellung verspricht mehr Erkenntnis 1. Es soll nicht ausgehend von einer einzigen gegebenen Kostenursache - unter Berücksichtigung verdrängender anderer Kostenursachen - nach der Kostenlast gefragt werden. Das führt nur zu einer abstrakten und theoretischen Betrachtung der Frage, welche verschiedenen von der Rechtsordnung vorgesehenen Arten von Kompetenzen als Kostenursache in Betracht kommen. Vielmehr soll bei einer praktischen Verwaltungstätigkeit angesetzt werden. Wird die Verwaltung in alltäglicher Ausübung ihrer konkreten Zuständigkeit tätig, so entstehen dadurch in verschiedenster Weise und wegen unterschiedlichster Ursachen Kosten. Diese Kosten treffen nach dem Konnexitätssatz normalerweise den Träger der konkreten Verwaltungskompetenz. Das heißt: Aus dem Sachverhalt „die Verwaltungseinheit 007 wird im Rahmen ihrer Zuständigkeit tätig"
1
Die wissenschaftstheoretischen Grundlagen finden sich bei Karl R. Popper, z.B. Wissenschaftslehre in entwicklungstheoretischer und in logischer Sicht (1972), in: Alles Leben ist Problemlösen, 1994, S. 15 ff.
108
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
läßt sich nach Art. 104a Abs. 1 GG regelmäßig der Schluß ziehen, daß der Träger der Verwaltungseinheit 007 auch fur die Kosten aufkommen muß. Nun soll systematisch nach Ausnahmen zu diesem Grundsatz gesucht werden. Möglicherweise gibt es nach dem Grundgesetz Fälle, in denen eine konkrete Verwaltungseinheit zwar selbst und mit eigenen Kompetenzen tätig wird, die Kostenlast hierfür aber von einer anderen Ebene im Bundesstaat zu übernehmen ist. Wenn der Nachweis solcher Konstellationen gelingt, ist der rechtliche Zusammenhang zwischen Verwaltungskompetenz und Kostenlast sozusagen durchlöchert. Der Schluß von der konkret ausgeübten Verwaltungskompetenz auf die Kostenlast wird unsicher. Unter solchen Umständen ist es nur noch eine begriffliche Frage, ob man von einer mit bedeutsamen Ausnahmen versehene Rechtsnorm in „Wenn-dann-Struktur" oder von einem Rechtsprinzip sprechen will. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Jahr 1989 einen Fall zu entscheiden 2 , der auf eine ähnliche Konstellation hindeutet. Eine Gemeinde hatte sich verpflichtet, bestimmte bei einer Bundesbehörde anfallende Kosten für die Wahrnehmung ausschließlicher Bundeskompetenzen zu übernehmen. Das Ergebnis vorweg: Diese Vereinbarung wurde vom Bundesverwaltungsgericht nicht beanstandet. Sie sei insbesondere mit der Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG vereinbar, nach der grundsätzlich Verwaltungskompetenz und Finanzierungslast rechtlich verknüpft sind und jeder Träger einer Verwaltungseinheit für die Kosten selbst aufkommen muß. Diese Entscheidung ist allerdings sehr umstritten. Das liegt - wie sich zeigen wird - an der außerordentlichen rechtlichen Komplexität des Falles. In der Literatur werden zur Lösung oft ganz andere Erklärungsmuster herangezogen. Diese scheinen auf den ersten Blick einschlägig zu sein, können aber nicht alle Aspekte des Falles rechtsdogmatisch verarbeiten. Zunächst sei der Sachverhalt referiert 3 : Es ging um eine Vereinbarung zwischen der klagenden Deutschen Bundesbahn, die seinerzeit noch in bundeseigener Verwaltung (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F.) geführt wurde, und der beklagten Stadt Neustadt an der Weinstraße. Die Stadt hatte ein neues Schulzentrum gebaut und mußte - nach Landesrecht in eigener Zuständigkeit - für die Schülerbeförderung sorgen. Hierzu wollte sie aber wegen der örtlichen Verkehrsverhältnisse keine zusätzlichen Schulbusse einsetzen. Das Schulzentrum lag direkt an der Bahnlinie Neustadt/Weinstr. - Bad Dürkheim. 2 3
BVerwGE 81, 312 (= NVwZ 1992, S. 264; JZ 1992, S. 460 ) - Schülerzüge.
Der in der veröffentlichten Entscheidung wiedergegebene Sachverhalt ist außergewöhnlich knapp. Eine ausführlichere Darstellung findet sich bei Hans-Wolfgang Arndt, ÖPNV, S. 42 f.
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot Daher kam es zu einer Vereinbarung zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Stadt. Am Schulzentrum sollte ein Haltepunkt allein für den Schülerverkehr errichtet und mit Schülerzügen bedient werden. Die Stadt sagte zu, die Kosten der Baumaßnahme zu übernehmen und der Bundesbahn für die Schülerzüge eine Betriebskostenpauschale zu bezahlen. Nach einiger Zeit wurde der Haltepunkt in den Regelverkehr der Deutschen Bundesbahn einbezogen. Die von der Stadt zu bezahlende Betriebskostenpauschale wurde herabgesetzt, weil der Haltepunkt nicht mehr ausschließlich zur Schülerbeförderung diente. Der Anteil der Benutzer an dieser Haltestelle, die nicht Schüler waren, belief sich auf etwa 3 %. Nach einiger Zeit weigerte sich die Stadt aber, überhaupt zu bezahlen. Sie zog sich auf den Rechtsstandpunkt zurück, ihr sei nach Art. 104a Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verboten, Bundesaufgaben zu finanzieren. Der Bund habe für Bundeseisenbahnen eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 Nr. 6 GG) und die ausschließliche Verwaltungskompetenz (Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a.F.). Also sei der Betrieb von Zügen der Bundesbahn eine Bundesaufgabe. Etwas anderes gelte nur, wenn die Bundesbahn nach dem im damaligen Bundesbahngesetz vorgesehenen Modell der sogenannten umgekehrten Auftragsverwaltung (§ 51 BBahnG a.F.4) auf Weisung und für Rechnung des Landes tätig werde. So sei man aber gerade nicht verfahren. Die Schülerzüge verkehrten vielmehr unter voller Kompetenzhoheit der Bundesbahn5. Das Bundesverwaltungsgericht folgte dieser Argumentation nicht. Es bejahte einen Anspruch der Deutschen Bundesbahn auf Erstattung der Betriebskostenpauschale. Die dort herausgearbeiteteten dogmatischen Grundstrukturen sind - anders als das längst überholte konkrete Problem aus dem Eisenbahnrecht 6 - noch heute von Interesse.
4
Tätigkeit der Bundesbahn auf Weisung und für Rechnung eines Landes (§§ 51, 52 BBahnG vom 13.12.1951, BGBl. I S. 955; letzte Änderung durch Gesetz vom 19.12.1990, BGBl. I S. 2909; mittlerweile aufgehoben durch das Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens (Eisenbahnneuordnungsgesetz, ENeuOG) vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378). Interessant ist die Konstruktion des Rechtsschutzes: Über den Antrag entschied der Verwaltungsrat der Deutschen Bundesbahn. Der Beschluß konnte durch Anrufung der Bundesregierung angefochten werden. Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesregierung und Ländern hatte das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden (§ 52 Abs. 2 BBahnG). 5
Hierzu umfassend Walter Pauly, Weisungen, insbesondere S. 67 ff., 101 ff, 136 ff. Ihm ausdrücklich folgend Isensee, HStR IV, S. 517 (584 f.). 6
Nachw. zu den Gesetzesänderungen s.o. Fußn. 4 des 2. Teils.
110
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Aus der Urteilsbegründung: „Die Vereinbarung über die Übernahme der Kosten für die Vorhaltung des Haltepunktes und den Betrieb der Schülerzüge durch die Beklagte verstößt entgegen deren Meinung nicht gegen Art. 104a Abs. 1 GG"7. Der Konnexitätssatz „gilt auch für das Verhältnis zwischen der Deutschen Bundesbahn als bundesunmittelbare Verwaltung (Art. 87 Abs. 1 GG) und den Ländern. Das Grundgesetz enthält keine Bestimmung, derzufolge sich die Länder oder die Gemeinden ausnahmsweise an den Kosten der von der Deutschen Bundesbahn wahrzunehmenden Aufgaben beteiligen dürfen. Gleichwohl verbietet Art. 104a Abs. 1 GG nicht Vereinbarungen zwischen der Deutschen Bundesbahn und einer Gemeinde über die Kostenerstattung für den Einsatz von Schülerzügen"8. Art. 104a Abs. 1 GG „verbietet, daß eine Gebietskörperschaft sich außerhalb ihrer Aufgabenzuständigkeit an den Kosten beteiligt, die einer Gebietskörperschaft der anderen Ebene bei Erfüllung von allein von dieser nach der verfassungsmäßigen Zuständigkeitsordnung wahrzunehmenden und wahrgenommenen Aufgaben entstehen. Er verbietet hingegen nicht, daß Bund und Länder einschließlich der Gemeinden in einem Aufgabenbereich der Leistungsverwaltung (Daseinsvorsorge) zusammenarbeiten, in dem sich - wie im öffentlichen Personenverkehr - die Kompetenzen zur Aufgabenwahrnehmung überschneiden. Das darf auch in der Weise geschehen, daß im Bereich der sich überschneidenden Wahrnehmungszuständigkeiten nach Gesichtspunkten der Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit im Einzelfall und in Abstimmung miteinander der eine Aufgabenträger Aufgaben wahrnimmt oder mitwahrnimmt, die wahrzunehmen zwar grundsätzlich im Rahmen seiner Zuständigkeit liegt, die aber auch als Pflichtaufgabe - dem anderen Aufgabenträger obliegen, und daß insoweit eine Kostenerstattung stattfindet. Art. 104a Abs. 1 GG verbietet, daß der Bund in ausschließlich den Ländern (und den Gemeinden) zugewiesenen Kompetenzbereichen die Erfüllung von Aufgaben mitfinanziert... , und daß umgekehrt die Länder (und die Gemeinden) in Bereichen ausschließlicher Verwaltungskompetenz des Bundes die Aufgabenwahrnehmung mitfinanzieren. Er verbietet hingegen nicht, daß Bund und Länder oder Gemeinden in Wahrnehmung jeweils eigener Aufgabenzuständigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Ziels zusammenarbeiten und dabei Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Wahrnehmung der Aufgabe abschließen; er gebietet insofern allenfalls, da jeder diejenigen Kosten trägt, die dem Anteil seiner Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung entspricht"9.
7
BVerwGE 81, 312 (313).
8
BVerwGE 81, 312 (313).
9
BVerwGE 81, 312 (314).
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot Um einen solchen Fall der Aufgabenüberschneidung handele es sich hier. Die Bundesbahn habe zwar auch die Kompetenz, Schülerzüge einzusetzen. Sie sei aber nicht verpflichtet, von sich aus eine solche Aufgabe neu zu übernehmen. Schülerbeförderung sei örtliche Angelegenheit: „Die beklagte Stadt hingegen war verpflichtet, für die Beförderung der Schüler zu dem an der Bundesbahnstrecke gelegenen Schulzentrum zu sorgen, jedoch nicht befugt, in eigener Zuständigkeit auf der Bundesbahnstrecke Schülerzüge verkehren zu lassen und einen Haltepunkt zu betreiben. In einer solchen Situation verbieten wie auch der Oberbundesanwalt in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat Art. 87 Abs. 1 und Art. 104a Abs. 1 GG nicht eine Vereinbarung dergestalt, daß die Deutsche Bundesbahn auf ihrer vorhandenen Eisenbahnstrecke den Schülerverkehr wahrnimmt, und zwar als eigene Aufgabe, daß aber die als Aufgabenträger zwar nicht für den Betrieb von Zügen auf einer Bundesbahnstrecke zuständige, aber für die Schülerbeförderung als solche verantwortliche und dazu verpflichtete Gemeinde die Kosten trägt" 10 . Das Bundesverwaltungsgericht vertritt also eine pragmatische Lösung. Diese Entscheidung ist allerdings heftig kritisiert worden. Aus der Urteilsanmerkung von Martin Morlok n seien einige Passagen im Wortlaut wiedergegeben: „Jurisprudenz kann ein schwieriges Geschäft sein. Ob die angelsächsische Weisheit ,hard cases make bad law4 generell zutrifft, soll hier nicht entschieden werden. [...] Das BVerwG ... argumentiert dahingehend, daß vorliegend sich die Kompetenzen zur Aufgabenwahrnehmung von Gemeinde und Bundesbahn überschnitten. Im Bereich von Kompetenzüberschneidungen dürften aber die Beteiligten sich vertraglich über die Aufgabenwahrnehmung abstimmen und dabei auch eine Vereinbarung über die Kostenlast treffen. [...] Die gewählte Begründung gibt Anlaß, die Verwendung des Begriffs der Zuständigkeit anzusprechen. Die Rede von sich überschneidenden Zuständigkeiten verlangt Widerspruch. Von Zuständigkeiten oder Kompetenzen wird nämlich gemeinhin in der Weise Gebrauch gemacht, daß einem (und nur einem) der Kandidaten auf die Inhaberschaft einer Rechts oder die Wahrnehmungspflicht einer Aufgabe dieses Recht oder diese Aufgabe zuerkannt wird, nicht aber den anderen. Der Begriff soll also gerade Zuständigkeitskonflikte beseitigen. Der Idee nach sind Kompetenzen deswegen jeweils ausschließlich eingeräumt. Man spricht auch von der Einzigkeit der Zuständigkeit. Auch der historische Rückblick bestätigt diesen Befund. [...]. Die Verwendung des Kompetenzbe-
10 11
BVerwGE 81, 312 (315).
DVB1. 1989, S. 1147 f. (Hervorhebung im Original), ihm ausdrücklich folgend Günter Fromm, Die Entwicklung des öffentlichen Verkehrsrechts, NVwZ 1992, S. 536 (538).
112
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
griffs ... ist jedoch noch kein hinreichendes Argument für eine konkrete verfassungsrechtliche Streitfrage. Immer ist nach dem konkreten Regelungszusammenhang im GG zu suchen. Aber auch hieraus ergibt sich das nämliche Bild: Kompetenzen sind entweder den Ländern oder dem Bund zuerkannt..., es sei denn, es ist ausdrücklich vorgesehen in Gestalt der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a und 91b GG. [...] Daran kann sich auch durch vertragliche Vereinbarung nichts ändern. Vereinbarungsfähig sind nur offene Fragen, die Kompetenzverteilung ist aber vom GG abschließend fixiert und der ,Autonomie4 der Körperschaften entzogen. Eine Kompetenzverschiebung ist auch mit Zustimmung der Beteiligten nicht möglich. [...] Einer Praxis der vertraglichen Still- (wenn schon nicht Bei-)Legung von Kompetenzkonflikten soll hier von vornherein keineswegs die Berechtigung abgesprochen werden. Der Pragmatismus hat aber seine Grenzen in den verfassungsrechtlichen Schranken, die in ihrer Schärfe von Rspr. und Rechtswissenschaft gepflegt werden müssen, damit die Instrumente tauglich bleiben, um schwierige Fälle, wenn sie vor Gericht kommen, sezieren zu können". Die Vorstellung von sich überschneidenden Kompetenzen ist in der Tat sehr problematisch. Mischverwaltung ist zwar nicht als solche verboten 12 , sie darf jedoch nicht zu Abweichungen von der Kompetenzordnung führen. Für Abweichungen vom „Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung" 13 bedarf es eines besonderen sachlichen Grundes 14 . Deshalb ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Nach deutschem Verfassungsrecht kommt es nur in besonderen Ausnahmefällen und unter sehr strengen Voraussetzungen zu einer gemeinsamen Ausübung von Verwaltungskompetenzen verschiedener Kompetenzträger 15 . Selbst die Gemeinschaftsaufgaben im Sinne des Grundgesetzes stellen bei genauerem Hinsehen keine Mischverwaltung dar. Die Begrifflichkeit ist allerdings mißverständlich. Beim bundesdeutschen Modell 1 6 der Gemeinschaftsaufgaben bleiben die Verwaltungskompetenzen
12
BVerfGE 63, 1 f f - Schornsteinfegergesetz, Ronellenfitsch, S. 248 ff. 13
Misch Verwaltung,
BVerfGE 63, 1, Leitsatz 4b.
14
BVerfGE 63, 1 (38 f)· Auch eine Berufung auf Verfassungsgewohnheitsrecht (und entsprechende Legitimation der Mischverwaltung) kann nicht von der geschriebenen Kompetenzordnung dispensieren. 15
Zu Zuständigkeitsfragen im Zusammenhang mit Verkehrs- und Tarifverbunden im öffentlichen Nahverkehr ausführlich H.-W. Arndt, ÖPNV, S. 28 ff., 60 ff. 16
Hinweise zur Rechtslage in der Schweiz - dort gibt es „echte" Gemeinschaftsaufgaben - finden sich z.B. bei Karl M Hettlage, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 31 (1972), S. 99(101).
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot ausschließlich bei den Ländern 17 ; sie werden lediglich in eine gemeinschaftliche Rahmenplanung eingebunden und durch zweckgebundene Finanzierung mittelbar gelenkt (Art. 91 a, 91 b GG). Über Kompetenzen und deren Ausübung, wie es beispielsweise die Entscheidung über den Umfang des Zugangebots im Schülerverkehr sein könnte, wurde aber im Schülerzüge-Fall überhaupt nicht gestritten. Für das Betreiben von Zügen auf Bundesbahnstrecken lag die Kompetenz selbstverständlich ausschließlich bei der Deutschen Bundesbahn. Gestritten wurde nur über die Finanzierung. Diese ist in Art. 104a GG geregelt. Mischfinanzierungen sind nach dem Konnexitätssatz des geltenden Verfassungsrechts jedenfalls zulässig, soweit das Grundgesetz eine Ausnahmeregelung (Art. 104a Abs. 1, 2. HS) enthält, die etwas anderes bestimmt. Verschiedene Normen sehen Mischfinanzierungen vor 1 8 . Keine davon erfaßt aber den Fall einer Überlagerung der sachlichen Betätigungsfelder verschiedener Träger von Verwaltungskompetenzen. Also kommt es auf den ersten Halbsatz des Art. 104a Abs. 1 GG an. Nach dieser Vorschrift entscheidet die „Aufgabe" über Finanzierungsmöglichkeiten. Nach der üblichen Dogmatik zum Konnexitätssatz versteht man unter einer solchen „Aufgabe" die „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" 1 9 . Dabei wird an die unmittelbare Wahrnehmung von Kompetenzen, typischerweise Verwaltungskompetenzen, angeknüpft. Für diese gilt grundsätzlich das Modell der Einzigkeit der Zuständigkeit. Daran hatte sich die Rechtsprechung in den anderen Entscheidungen zu Art. 104a Abs. 1 G G 2 0 auch orientiert, wenn es um die Ausgabenlast ging. Sie wurde ebenfalls eindeutig einem der beteiligten Kompetenzträger zugeordnet. Von diesem Grundverständnis des Art. 104a Abs. 1 GG geht das Bundesverwaltungsgericht auch im „Schülerzüge"-Fall aus. Unter einer „Aufgabe", die Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet, versteht das Gericht die Wahrnehmung von Verwaltungskompetenzen.
17
Überblick bei Jochen Abr. Fr owein und Ingo v. Münch, Gemeinschaftsaufgaben im Bundesstaat, VVDStRL 31 (1972), S. 13 ff., 51 ff.; Ute Mager in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 91a, Rdnr. 6 f.; Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 91a, Rdnr. 2. Einzelheiten: Burkhard Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht, 1970; Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 207; Robert Goroncy, Der Mitwirkungsbereich des Bundes bei den Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91a und 91b des Grundgesetzes, DÖV 1970, S. 109 ff.; Wilhelm Henle, DÖV 1968, S. 398 (401). 18
Überblicks, unten S. 166 ff.
19
S.o. S. 84 ff.
20
S.o. S. 90 ff.
8 Waïblinger
114
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Daraus wird die Prämisse hergeleitet, nach Art. 104a Abs. 1 GG sei es den Ländern grundsätzlich verboten, eine Wahrnehmung ausschließlicher Bundeskompetenzen zu finanzieren. So bemüht man sich darum, zu begründen, die Bundeskompetenzen stünden mit den Kompetenzen der Gemeinde in einer „Gemengelage", was Mischfinanzierung erlaube (1). Dieser Argumentationsansatz kann aber nicht alle Fälle der Praxis erklären. Er verdeckt, daß es in der Sache oft um Finanzierung fremder Kompetenzen geht (2).
(1) Das
„Gemengelagen-Argument
Die Praxis argumentiert pragmatisch. Sie behilft sich mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die dem üblichen kompetenzrechtlichen Denken an sich völlig fremd ist. Es gebe Fälle „eines vorgegebenen, übergreifenden Aufgabenzusammenhangs, in dem mehrere Verwaltungsträger zur gemeinsamen Erfüllung einer Sachaufgabe zusammenwirken" 21 . Hier seien die verschiedenen Einzelkompetenzen miteinander verwoben und stünden in einer „Gemengelage" 22 . Wenn es nur um die Finanzierung, nicht aber um Details der Ausübung von Kompetenzen gehe, sei es nicht nötig, die verschiedenen Einzelkompetenzen sorgfältig voneinander zu scheiden und dann entsprechend der Trennung der Kompetenzen auch die Kosten für deren Wahrnehmung strikt zu trennen. Vielmehr sei es völlig ausreichend, eine rein wirtschaftliche Lösung zu wählen und die Kosten anteilig auf die beteiligten Verwaltungsträger „ i n sachlicher Anknüpfung an seine Stellung als Mitverantwortlicher für die Gesamtaufgabe" 23 zu verteilen. Bei einer solchen Konstellation sei eine Beteiligung an den Kosten der anderen Ebene auch im Einzelfall zulässig. Es gelte nicht der Grundsatz getrennter Finanzierung, bei der die jeweiligen Lasten lediglich indirekt über die Deckungsquotenberechnungen im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich ausgeglichen werden. Eine derartige „Gemengelage" hat das Bundesverwaltungsgericht „Schülerzüge"-Fall bejaht:
im
„Um einen solchen Bereich sich überschneidender Aufgabenzuständigkeiten handelt es sich hier: Die Bundesbahn ist befugt, auf ihren Eisenbahnstrecken auch Züge einzusetzen, um Schüler zu befördern. Sie handelt dementsprechend im Rahmen ihrer Zuständigkeit, wenn sie ... Schülerzüge anbietet. [...] Die Schüler21
Sog. „unechte Gemeinschaftsaufgabe", Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (534); Dieter Lorenz, Urteilsanmerkung zu BVerwG v. 11.6.1991 - 7 C 1.91 (BVerwGE 81, 312 =NVwZ 1992, S. 264; JZ 1992, S. 460), JZ 1992, S. 462 (464). 22
H.-W. Arndt, ÖPNV, S. 60.
23
Lorenz, JZ 1992, S. 462 (464).
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot befôrderung ist eine örtliche Angelegenheit, die - im Rahmen der Gesetze - zuvörderst den Gemeinden und Gemeindverbänden obliegt" 24 . Allerdings ist nicht geklärt, unter welchen Voraussetzungen der „Aufgabenzusammenhang" so eng sein soll, daß bei der Finanzierung eine solche „Gemengelage" angenommen werden kann. So hält beispielsweise FischerMenshausen ein „eng verschränktes, aufeinander bezogenes Zusammenwirken" 2 5 für zulässig, wenn Aufgabenbereiche „wegen ihrer räumlichen und gegenständlichen Verflechtungen, ihres überregionalen Wirkungsbereichs oder ihrer Einbindung in vertikale Problemzusammenhänge nicht in einer Verwaltungsebene allein wirksam und wirtschaftlich wahrgenommen werden können" 26 . Bei der Abgrenzung wird man nicht ohne wertende Elemente auskommen können. Deshalb ist nach dem Kriterium des „Aufgabenzusammenhangs" eine trennscharfe Unterscheidung der Fälle zulässiger Mischfinanzierung von Fällen verfassungsrechtlich gebotener Kostentrennung nicht unproblematisch. In praktisch bedeutsamen Anwendungsbereichen finden sich einfachgesetzliche Regelungen. So ist beispielsweise im Bundesfernstraßengesetz die Aufteilung der Kosten beim Bau von Straßenkreuzungen auf verschiedene Baulastträger detailliert geregelt. Es finden sich sowohl Fälle der Kostentrennung als auch Mischfinanzierungen 27 . Diese werden aus verfassungsrechtlicher Sicht üblicherweise für zulässig gehalten 28 . Gelegentlich führt das Kriterium eines „Aufgabenzusammenhangs" aber zu sehr subtilen Abgrenzungen. So hielt das Bundesverfassungsgericht bei Baumaßnahmen an Bahnübergängen auf Initiative der Bundesbahn die verschiedenen Aufgaben für trennbar und deshalb eine Kostenbeteiligung der Länder als Träger der Straßenbaulast für verfassungswidrig; dagegen sei bei Bahnübergängen nichtbundeseigener Eisenbahnen eine Mischfinanzierung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden29. Das mag gewiß im Einzelfall sinnvoll sein 30 . Der argumentative Weg vom abstrakten Kriterium zum konkreten Ergebnis will aber nicht so recht einleuchten. 24
BVerwGE 81, 312 (314 f.).
25
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 5a.
26
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 5a.
27
Einerseits Kostentrennung in §§ 12 Abs. 1, 3; 13 Abs. 1, andererseits Mischfinanzierungen in § 12 Abs. 2, 3a. 28
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 5a, Ulrich
Fastenrath/Bruno
Simma, Die Rhein-Main-Donau-Verträge,
DVB1.
(19 f.). 29
BVerfGE 26, 338 (391) - Eisenbahnkreuzungsgesetz.
30
Sehr kritisch z.B. Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 63.
1983, S. 8
116
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Auch eher unscharfe Merkmale bilden immerhin Ansatzpunkte für genaue Begründungen. Wertungskriterien lassen sich verfeinern, etwa durch Kasuistik. In späteren Entscheidungen31 hat das Bundesverwaltungsgericht versucht, die Wertung, ob ein Aufgabenzusammenhang zu bejahen sei oder nicht, in dogmatischen Kategorien zu typisieren. Im Bereich der Daseinsvorsorge seien Aufgabenüberlagerungen durchaus denkbar. Dagegen seien bei einer Aufgabe, „die im weiteren Sinne zur Gefahrenabwehr zählt" 32 , Kompetenzüberschneidungen ausgeschlossen. „Gerade in diesem Bereich ist aber eine klare und überschneidungsfreie Zuständigkeitsordnung erforderlich, wie die der Gesetzgeber im Fall der Sicherung von Bahnübergängen auch vorgenommen hat" 33 . Im Fall war es um Kosten für die vorübergehende zusätzliche Absicherung eines Bahnüberganges gegangen, der während kommunaler Bauarbeiten stark frequentiert war. Die praktischen Ergebnisse dieser Rechtsprechung sind meist recht plausibel. Unsicher ist aber, ob die genannten Kriterien allgemeingültig sind und auf andere Fälle übertragen werden können. Es erscheint jedenfalls nicht gerade besonders konsequent34, gerade im Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge, der üblicherweise recht kostenträchtig ist, die Anforderungen eindeutiger Zuordnung der finanziellen Lasten zu einem einzigen Kompetenzträger weniger streng zu handhaben als in anderen Sachmaterien. (2) Begrenzte Tragweite Das „Gemengelage-Argument" ist überzeugend, wenn sich in Einzelfällen die Kosten objektiv nicht trennen und eindeutig zuordnen lassen. Als Beispiel für diese Fallgruppe läßt sich etwa der gemeinsame Bau einer neuen Straßenkreuzung durch verschiedene Baulastträger nennen. Wenn in solchen Fällen die Initiative nicht von einem der beteiligten Straßenbaulastträger allein ausgeht35, kann man die einzelnen Bauleistungen nicht einzeln aufteilen und den beteiligten Kompetenzträgern zuordnen. Daher sieht in diesem Fall etwa das Bundesfernstraßengesetz eine Aufteilung der Kosten „im Verhältnis der 31
BVerwG v. 11.6.1991 - 7 C 1.91; abgedruckt in NVwZ 1992, S. 264; JZ 1992, S. 460. BVerwGE 98, 18 = DVB1 1995, S. 808 f. - Personalausweise. 32
BVerwG, JZ 1992, S. 460 (462).
33
BVerwG), JZ 1992, S. 460 (462).
34
Deutlich kritischer Lorenz, JZ 1992, S. 462 (464).
35
§ 12 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 Bundesfernstraßengesetz. Geht die Initiative von einem der beteiligten Straßenbaulastträger aus, trägt die Kosten der Straßenbaulastträger der neu hinzukommenden Straße allein.
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot Fahrbahnbreiten der an der Kreuzung beteiligten Straßenäste nach der Änderung" 3 6 vor. Die Tragweite einer derartigen Begründung ist jedoch begrenzt. Selbst wenn man die „Gemengelage" großzügig bejahen will und auch bei einem wie auch immer einzugrenzenden „Aufgabenzusammenhang" es für ausreichend hält, in Fragen der Finanzierung auf eine trennscharfe Abschichtung der einzelnen Kompetenzen zu verzichten und stattdessen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nur anteilige Finanzierungslasten zu ermitteln, so muß man dabei jedenfalls berücksichtigen, daß eine solche Begründung immer nur eine anteilige Kostenübernahme trägt 37 . Die Gesamtkosten müssen den beteiligten Kompetenzträgern je nach ihrem Verursachungsbeitrag zugeordnet werden. Daher muß zumindest eine irgendwie geartete Aufteilung der entstandenen Kosten stattfinden. Das Gemengelage-Argument kann nicht dazu herangezogen werden, einer Seite die Kosten vollständig aufzuerlegen. Genau an dieser Stelle liegt das Problem der „Schülerzüge"-Entscheidung38. Nach der Argumentationsfigur sich überlagernder Aufgaben und korrespondierender Anteile bei der Finanzierung hätte die Bundesbahn von Anfang an einen gewissen Teil der Kosten der Einrichtung des Haltepunkts und des Betriebs der Schülerzüge selbst tragen müssen. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, es sei nicht verboten, daß „Bund und Länder oder Gemeinden ... Vereinbarungen über eine Kostenaufteilung nach dem Maß ihrer gesetzlichen Verpflichtung zu Wahrnehmung der Aufgabe abschließen", es müsse nur gewährleistet sein, „daß jeder diejenigen Kosten trägt, die dem Anteil seiner Verpflichtung zur Aufgabenwahrnehmung entspricht" 39 . Der Fall lag aber anders. In der ursprünglichen Vereinbarung mit der Deutschen Bundesbahn hatte die Stadt Neustadt/Weinstr. die Kosten für den Bau des Haltepunkts und die Durchführung des Schülerverkehrs nicht etwa anteilig, sondern vollständig 40 übernommen. Erst später, als die Bundesbahn den Haltepunkt in den Regelverkehr einbezog, wurde ein wirtschaftlicher Anteil für die eigenen Aufgaben der Bundesbahn berücksichtigt und die Betriebskostenpauschale gesenkt. Interessanterweise ist dieser Aspekt des Falles im
36
§ 12 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2.
37
Ebenso Fastenrath/Simma, Gemeinschaftsaufgaben, S. 131. 38
BVerwGE 81, 312.
39
BVerwGE 81, 312 (314).
40
BVerwGE 81, 312 (313).
DVB1. 1983, S. 8 (19); ähnlich bereits Tiemann,
118
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Sachbericht, wie er in der Entscheidungssammlung des Bundesverwaltungsgerichts veröffentlicht ist, nicht wiedergegeben 41 . Das Ergebnis mag aus Sicht der Praxis plausibel sein. Die Begründung des Bundesverwaltungsgerichts kann allerdings nicht überzeugen, weil sie den Tenor der Entscheidung nicht trägt. Aus dem Argument, man könne bei Fragen der Finanzierung die Kostenlast statt nach einer präzisen Abgrenzung der Kompetenzen auch nach einer bloßen wirtschaftlichen Bewertung der Anteile aufteilen, läßt sich nicht herleiten, daß eine Seite die Kosten vollständig übernimmt. Genau dies versucht aber das Bundesverwaltungsgericht. Es leitet im Ergebnis aus der Konstellation eines „Aufgabenzusammenhanges" im Ergebnis die Rechtsfolge her, daß eine Seite - nämlich die Stadt - zur vollständigen Finanzierung verpflichtet sei. Damit ist nicht gesagt, daß der „Schülerzüge"-Fall im Ergebnis falsch entschieden sei. Im „Schülerzüge"-Fall besteht sogar eine theoretische Möglichkeit, auch in bezug auf die ursprüngliche Vereinbarung doch noch eine bloß anteilige Finanzierung plausibel zu machen. Nach dem damals anwendbaren § 5 BBahnG waren Leistungen der Bundesbahn für Länder und Gemeinden nur „angemessen" abzugelten. Wenn bei dieser Kalkulation Eigenanteile der Bundesbahn (etwa für Verwaltungsaufwand) einbezogen werden, so daß die „angemessene Abgeltung" nicht alle entstandenen Kosten abdeckt, läßt sich die Argumentationsfigur der „Gemengelage" mit bloß anteiliger Finanzierung noch halten. Es gibt aber im gewöhnlichen Verwaltungsalltag sehr oft Fälle, in denen das beschriebene Gemengelage-Argument generell versagt. Daher müsse die Prämissen der bisherigen Argumentation, wonach - abgesehen vom Ausnahmefall der „Gemengelage" - von Verfassungs wegen jeder Träger einer Verwaltungskompetenz in allen Fällen auch die Kostenlast übernehmen müsse, überprüft werden (A). Diese „hard cases" (Martin Morlok) 42 weisen den Weg zur dogmatischen Struktur des Art. 104a Abs. 1 GG (B).
A. Die „Bestellungsfälle44 Die Vorstellung, Finanzierung fremder Kompetenzen sei nach dem Grundgesetz nur im Sonderfall einer „Gemengelage" verfassungsrechtlich zulässig, hätte in der Praxis bemerkenswerte Konsequenzen. Das sei an einem Beispiel 41
Die Einzelheiten sind berichtet bei H.-W. Arndt, ÖPNV, S. 42.
42
O. Fußn. 11 des 2. Teils, DVB1. 1989, S. 1147.
Α. Die „Bestelluilgsfälle"
119
illustriert, das zwar nach Privatisierung der Bundespost nicht mehr aktuell ist, sich aber vielleicht dennoch eignet, die rechtliche Problematik zu verdeutlichen. Eine nach Landesrecht zuständige Baubehörde - beispielsweise ein bayerisches Landratsamt - erläßt eine Baugenehmigung. Dem Antragsteller muß dann in Bayern nach landesrechtlichen Vorschriften eine Ausfertigung der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen zugestellt werden (Art. 79 Abs. 2 BayBO). Die zuständige Behörde vollzieht in der Praxis diese landesrechtliche Norm meist nicht durch eigene Bedienstete, sondern gibt den Brief zur Post. Der Postzusteller führt die hoheitliche Zustellung dann durch. Für das Postwesen liegt die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz (Art. 73 Nr. 7 GG) beim Bund. Lange Zeit lag auch die Verwaltungskompetenz beim Bund (Art. 87 Abs. 1 a.F. GG). Konsequenterweise mußte man daher das öffentlichrechtlich organisierte Postwesen als Aufgabe des Bundes im Sinne des Art. 104a GG ansehen. Dann wäre insoweit auch die Lastentragung ausschließlich Sache des Bundes; die Refinanzierung wäre über den Finanzausgleich sicherzustellen. Dennoch wurde - soweit ersichtlich - auch zu öffentlich-rechtlichen Zeiten der Post nicht ernsthaft die Ansicht vertreten, es sei wegen Verletzung des Art. 104a Abs. 1 GG verfassungswidrig, daß auch Landesbehörden Briefmarken kaufen und insoweit zur Finanzierung einer Bundesaufgabe beitragen müssen. Behörden der Länder und Gemeinden mußten vielmehr schon immer die Briefmarken für ihre Postsendungen bezahlen - wie jeder Privatmann auch. Dieses Ergebnis scheint jedoch höchst problematisch zu werden, sobald die Diskussion auf staatsrechtliches Abstraktionsniveau gehoben wird. Finanzierungsmöglichkeiten bestehen nach dem verfassungsrechtlichen Konnexitätssatz nur, wenn eine „Aufgabe" nachgewiesen werden kann. Diese „Aufgabe" versuchte man herzuleiten durch einen Schluß aus Formalkompetenzen. Für die Postzustellung lagen nach damaliger Rechtslage Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz beim Bund. Damit deuten alle formalen Anknüpfungspunkte darauf hin, daß auch die „Aufgabe" beim Bund liegt. Nach dieser Argumentation trifft den Bund nach Art. 104a Abs. 1 GG auch die Finanzierungslast, den Ländern und Gemeinden wäre eine Finanzierung von Bundeskompetenzen verboten. Beim Postzustellungs-Beispiel läßt sich allenfalls noch an den beschriebenen Ausnahmefall einer „Gemengelage" verschiedener Verwaltungskompetenzen denken. Die Baubehörde hat Baugenehmigungsunterlagen zuzustellen, die Bundespost muß den Postdienst sichern. Aus Gründen der Verwaltungsökonomie werden diese beiden rechtlich getrennten Tätigkeiten „zu-
120
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
sammengelegt", um eine Beteiligung des Landes an den Kosten der Postzustellung im Einzelfall grundsätzlich zu rechtfertigen. Auch bei hoheitlicher Postzustellung lassen sich zumindest Ähnlichkeiten zum Typus der Daseinsvorsorge finden. Dennoch scheitert dieser Erklärungsansatz. Er trägt, wie bereits ausgeführt 43 , nur anteilige Kostenübernahme, nicht Vollfinanzierung. Für die Briefe von Landesbehörden galten indes schon immer die gleichen Gebühren wie für alle anderen Postbenutzer. Daher läßt sich mit der Argumentationsfigur einer „Gemengelage" verschiedener Kompetenzen und entsprechend anteiliger Finanzierung der Fall einer Einschaltung der (öffentlich-rechtlichen) Bundespost durch Landesbehörden nicht bewältigen. Geht man von der Prämisse aus, unter einer „Aufgabe" sei immer nur die unmittelbare Wahrnehmung einer Kompetenz zu verstehen, so führen die Beispielsfälle zu grundlegenden dogmatischen Schwierigkeiten. Es erscheint etwa im Beispiel der Zustellung durch die Post statt durch eigene Bedienstete naheliegend, die Kostenlast dem Veranlasser aufzuerlegen und zu verlangen, daß auch Behörden ihre Briefmarken bezahlen müssen. Dieses auf den ersten Blick plausible Ergebnis läßt sich aber auf der Grundlage des finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs kaum begründen. In der derzeitigen Diskussion werden gewisse argumentative Ausweichmöglichkeiten angeboten. Wenn das als Ausnahme herangezogene „Gemengelage-Argument" 44 versagt, wird mitunter versucht, selbst in Fällen, in denen - wie im „Schülerzüge"-Fall oder auch im Postzustellungs-Beispiel - ausschließlich Bundesbehörden tätig werden und die Länder sich nur finanziell beteiligen, irgendwie zu begründen, daß trotz allem eigentlich Verwaltungskompetenzen der Länder oder Gemeinden wahrgenommen werden (1). Das soll Unstimmigkeiten beim Schluß von der Kompetenzordnung auf die Finanzierungslasl: bereinigen helfen. Die auf diesem argumentativen Ausweg erörterten Topoi sind von großem Interesse. Sie bedürfen jedoch einer rechtsdogmatischen Aufarbeitung (2). (1) „ Selbständiger " und „ Funktionär " Gelegentlich findet sich an dieser Stelle das Argument, die Rolle der (öffentlich-rechtlichen) Bundesbahn oder Bundespost könne in solchen Fällen nicht als Wahrnehmung von Kompetenzen gewertet werden. Vielmehr gehe
43
S.o. S. 116 f. m. weit. Nachw.
44
S.o. S. 114 ff.
. Die „Bestellugsflle"
121
es nur um „die sog. Kutschertätigkeiten" 45 . Das seien lediglich betriebliche Aufgaben. Die Entscheidung über das „Ob" und „ W i e " der Aufgabenerfiillung bleibe bei der Landesbehörde 46 , damit liege auch die „Aufgabe", die wahrgenommen werde, beim Land. Weil das Handeln des Bundes nicht als Wahrnehmung von Kompetenzen zu werten sei, sei auch die Kostenlast nicht Sache des Bundes. Diese Argumentation beschreibt das tatsächliche Phänomen treffend. Sie kann aber begrifflich nicht überzeugen. Die Frage, ob Kompetenzen wahrgenommen werden, ist formal zu beantworten. Sie hat nichts mit der Frage nach Gestaltungsspielräumen zu tun. Sehr oft ist die Verwaltung durch enge Vorgaben - etwa detaillierte Gesetze - gebunden und kann nichts selbst gestalten. Man wird aber diese gebundene Betätigung kaum aus dem Begriff der Wahrnehmung von Verwaltungskompetenzen herausnehmen können. Im übrigen hatte im mittlerweile historischen Beispiel der Postzustellung die beteiligte Bundesbehörde hinsichtlich der Einzelheiten der Organisation und vor allem wegen des Zeitpunktes, zu dem die Zustellung durchgeführt werden soll, durchaus nicht unerhebliche Gestaltungsspielräume. Die Frage, ob Kompetenzen wahrgenommen werden, eignet sich also nicht als Unterscheidungskriterium. Kisker hat in seiner Arbeit „Kooperation im Bundesstaat" versucht, den Gedanken einer materiellen Betrachtung von Kompetenznormen weiterzuentwickeln und zwischen den verschiedenen Arten von Kompetenzen inhaltliche Unterschiede herauszuarbeiten. Zunächst werden die vom Grundgesetz vorgesehenen Techniken einer Koordination der Tätigkeiten von Bund und Ländern mit Typusbegriffen vorgestellt. Dazu präsentiert Kisker zwei Figuren: den „Selbständigen" und den „Funktionär" 4 7 . Zunächst tritt der „Selbständige" auf. Bei Kisker heißt das so: „Das Kriterium, mit dessen Hilfe wir versuchen wollen, die aufgeworfenen Fragen anzugehen, ist zunächst das des Interesses. Eine Ordnung, die die ihr unterworfenen Rechtssubjekte als Gebilde versteht, die legitimerweise ihren eigenen Interessen nachgehen und nur gleichsam von außen her zu einer gewissen Loyalität gegenüber dem Gesamtinteresse angehalten werden („Selbständige"), läßt vermuten, daß die den Rechtssubjekten zugesprochenen Befugnisse als Bewehrung von deren Interessen, also als subjektive Rechte, zu werten sind; und zwar grundsätzlich auch als frei disponible subjektive Rechte. Eine solche Wertung ermöglicht einerseits
45
H.-W. Arndt, ÖPNV, S. 68.
46
H.-W. Arndt, ÖPNV, S. 83.
47
Kisker, Kooperation, S. 86 ff.
122
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Kooperation durch Koordination und respektiert andererseits die Selbständigkeit der Beteiligten"48. Der „Selbständige" wird regelmäßig in eigener Sachverantwortung tätig. Die Rechtsordnung hält ihn nur mittelbar zu einer gewissen Rücksichtnahme auf gesamtstaatliche Belange an. Den Gegenpol hierzu bildet der „Funktionär". Dieser verfolgt keine eigenen Interessen, sondern steht im Dienst Fremder. Wieder Kisker: „Der Funktionär 4 fungiert für einen anderen. Was er tut, geschieht im Dienst eines anderen. Mit dieser seiner Rolle ist es in der Regel nicht vereinbar, daß er die ihm zugewiesene Funktion durch Vertrag erweitert oder einschränkt. [...] Um zu verhindern, daß ein Funktionärsgefüge ... zerfällt, bedarf es regelmäßig strenger Begrenzung und Kontrolle der Funktionäre, jedenfalls aber einer präzisen Fixierung und Abgrenzung von Kompetenzbereichen"49. Mit diesem Modell lassen sich viele Aspekte aus dem „Schülerzüge-Fall" 50 erklären. Schaut man genauer hin, tauchen bei der von Kisker entwickelten Unterscheidung zwischen „Selbständigem" und „Funktionär" letztlich genau die Kriterien auf, nach denen das Bundesverwaltungsgericht von seinem Ansatz aus die Fallgruppen einer „Gemengelage" eingrenzen will. Dort war es nach der Rechtsprechung auf die Unterscheidung zwischen Daseinsvorsorge und Gefahrenabwehr angekommen51. Nur bei Daseins Vorsorge könne es zu einer „Gemengelage" kommen. Im „Schülerzüge-Fall" ging es um Daseinsvorsorge. Die Tätigkeit einer Gemeinde auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge entspricht dem Modell des „Selbständigen". Die Gemeinde muß die im Interesse des Gemeinwohls gesetzte rechtliche Vorgabe, daß Schülerbeförderung zu organisieren ist, nur umsetzen. Wie sie die zugewiesene Aufgabe erfüllt, entscheidet sie selbst. Dabei besteht weitgehend Gestaltungsfreiheit. Die Gemeinde kann vor allem zwischen öffentlichrechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen wählen. Sie hätte in eigener Regie Busse einsetzen oder die Leistungen auf dem „freien Markt" einkaufen können. In dieses Gesamtbild eigenverantwortlichen Handelns fügt sich der Gedanke, der Gemeinde sei auch die Verantwortung für die Finanzierung zuzuweisen, harmonisch ein.
48
Kisker, Kooperation, S. 87.
49
Kisker, Kooperation, S. 86 f.
50
S.o. S. 108 ff.
51
S.o. S. 110.
Α. Die „Bestellugsfälle"
123
Dagegen waren Bundesbahn oder Bundespost nie „Selbständiger" nach diesem Modell. Sie wurden auch zu öffentlichrechtlichen Zeiten immer im Dienst anderer tätig. Der Umfang des Leistungsangebots stand nur beschränkt zur Disposition. Ein Mindeststandard war vorgeschrieben. Konsequenterweise war die Kompetenzordnung starr. Auf Bundesbahnstrecken durfte nur die Bundesbahn Züge verkehren lassen. Die Post hatte ihr Postmonopol. Die entsprechenden Kompetenzen bestanden im Dienst des Gemeinwohls und nicht im eigenen Interesse der Post. Es scheint irgendwie naheliegend, hieraus auch für die Finanzierungslast gewisse Konsequenzen herzuleiten. (2) Konsequenzen im Finanzverfassungsrecht Schwieriger wird es aber, wenn präzise Kriterien für die Finanzierungslast entwickelt werden sollen. Rechtliche Maßstäbe, die auch in Grenzfällen noch brauchbar sind, lassen sich nur mit einer genauen rechtsdogmatischen Aufbereitung dieses Modells herausarbeiten. Ein Ansatz wäre folgender: Bei einem „Selbständigen" weiß man, daß eigene Interessen verfolgt werden. Dann liegt auch die „Aufgabe" und damit die Finanzierungslast beim selbständigen Kompetenzträger. Dagegen handelt der „Funktionär" im fremden Interesse. Da er auch in eigener Zuständigkeit immer nur fremde Aufgaben wahrnimmt, wäre er regelmäßig nicht für die Finanzierung selbst verantwortlich. Verschiedene Regelungen im Grundgesetz sprechen dafür, daß dieser Grundgedanke in Kern zutrifft. Die Kostenlast hängt in vielen Bereichen vom Maß der Selbständigkeit ab, das den Ländern beim Gesetzesvollzug verbleibt. Nach Art. 104a Abs. 2 GG trägt bei der Bundesauftragsverwaltung der Bund die Ausgaben. Hier sind die Länder „Funktionär", weil der Bund die mit der Verwaltungstätigkeit zusammenhängenden Einschätzungsprärogativen ohne weiteres an sich ziehen kann 52 . Dagegen sind die Länder bei der Ausführung von Bundesrecht als eigene Angelegenheit schon begrifflich „Selbständige"; erst recht gilt das bei der Ausführung von Landesrecht. Die Regelung der Geldleistungsgesetze in Art. 104a Abs. 3 GG steht zwischen beiden Typen; sie räumt dem Bundesgesetzgeber durch die fakultative Übernahme in Auftragsverwaltung je nach finanzieller Beteiligung ein Ermessen ein, zu entscheiden, ob der Vollzug durch die Länder sich eher am Typus des Selbständigen orientieren oder den Verhältnissen der Bundesauftragsverwaltung angenähert sein soll. Die Schwierigkeit der beschriebenen Argumentation liegt aber darin, in Grenzfällen wie etwa dem „Schülerzüge-Fall" diese Kategorien praktisch zu
52
Art. 85 Abs. 3 GG.
124
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
handhaben. Man muß dann im Einzelfall ermitteln, ob ein bestimmter konkreter Verwaltungsträger als „Selbständiger" im eigenen Interesse agiert oder als „Funktionär" Fremdleistungen erbringt. Das ist schon im Ansatz problematisch. Die gesamte Argumentation beruht auf der Voraussetzung, daß sich beim Handeln der Länder in eigener Zuständigkeit zwei verschiedene Fallgruppen unterscheiden lassen. Neben dem Normalfall, in dem aus einem Handeln der Länder in eigener Zuständigkeit auf die Wahrnehmung eigener Aufgaben der Länder geschlossen werden kann, muß es nach dieser Prämisse auch Fälle geben, in denen die Länder trotz Handelns in eigener Zuständigkeit nicht eigene, sondern fremde Aufgaben wahrnehmen. Im Bundesstaatsrecht wird die Stellung eines „Funktionärs" oft mit den traditionsreichen, in ihrer Anwendung aber sehr problematischen Begriffen von Delegation und Mandat beschrieben 53 . Die genauen Definitionen hat Triepel 54 herausgearbeitet: „Unter Delegation im Sinne des öffentlichen Rechts verstehe ich den Rechtsakt, durch den der Inhaber einer staatlichen oder gemeindlichen Zuständigkeit, also der Staat, die Gemeinde selbst oder eines der Staats-, der Gemeindeorgane seine Kompetenz ganz oder zum Teil auf ein anderes Subjekt überträgt. Delegation bedeutet Kompetenzverschiebung [...]. Der Delegierende muss mithin eine Zuständigkeit besessen haben, über die er nunmehr ,verfügt 4. [...] Der Delegtion stelle ich gegenüber das Mandat zur Ausübung einer fremden Kompetenz."55 „Mandat ist entweder der Auftrag an ein Organ, seine eigene Kompetenz auszuüben oder ... es ist der Rechtsakt, durch den der Inhaber einer Zuständigkeit einem anderen Subjekte die Vollmacht erteilt, des Mandanten Kompetenz in seinem, des Mandanten Namen auszuüben"56. Die Tragweite dieses Argumentationsansatzes läßt sich am besten im Vergleich mit ähnlichen Kategorien aus dem Kommunalrecht zeigen. Gemeinden handeln meist in eigener Zuständigkeit. Dennoch werden üblicherweise zwei Bereiche kommunaler Betätigungsfelder unterschieden: Bei den „Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft" (Art. 28 Abs. 2 GG) gewährleistet das Grundgesetz ein Handeln nicht nur in eigener Zuständigkeit, sondern „ i n eigener Verantwortung". Der 1994 eingefügte Satz 3 des Art. 28 Abs. 2 GG erstreckt diese Garantie ausdrücklich auf die „Grundlagen der finanziellen Eigenverantwortung". Bei der Selbstverwaltung verfolgen die Gemeinden in eigener Zuständigkeit zumindest schwerpunktmäßig ihre eigenen Interessen. 53
Stern, Staatrecht II, S. 1140.
54
Triepel, Delegation und Mandat, S. 23.
55
Triepel, Delegation und Mandat, S. 23.
56
Triepel, Delegation und Mandat, S. 26.
Α. Die „Bestellugsfälle"
125
Die Aufsicht beschränkt sich auf Rechtsaufsicht. Die Gemeinden werden nur mittelbar durch Bindung an die Gesetze „gleichsam von außen her zu einer gewissen Loyalität gegenüber dem Gesamtinteresse angehalten" 57 . Bei Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind sie „Selbständige". Dagegen sind die Gemeinden im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung 5 8 „Funktionär". Sie haben dort staatliche Interessen wahrzunehmen. Nach außen treten die Gemeinden zwar auch hier als Träger der Zuständigkeit auf, etwa bei Rechtsstreitigkeiten (vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die letzte Sachverantwortung liegt aber beim Staat. Die eigenen Zuständigkeiten sind den Gemeinden im Rahmen mittelbarer Staatsverwaltung gewissermaßen nur zur Ausübung übertragen. Bei der mittelbaren Staatsverwaltung stehen den Gemeinden die Möglichkeiten zu inhaltlicher Ausgestaltung, wie sie normalerweise mit einer Zuerkennung von Zuständigkeiten verknüpft sind, nur begrenzt zu. In fachaufsichtlichen Weisungen sind die Inhalte oft vorgegeben. So werden die Gemeinden in den Dienst überörtlicher Interessen gestellt. Gegen rechtswidrige Aufsichtsmaßnahmen bestehen subjektive Rechte 59 . Eine Zuweisung zusätzlicher, im Interessen des Gesamtstaates stehender Aufgaben an die Gemeinden ist grundsätzlich zulässig 60 . Sie bedarf zwar mitunter 61 der Gesetzesform, unterliegt aber abgesehen vom Verhältnismä57
Nach dem Modell bei Kisker, Kooperation, S. 87.
58
Die Begrifflichkeit und die Ausgestaltung im Einzelfall ist nicht bundeseinheitlich; statt des Oberbegriffs der „mittelbaren Staatsverwaltung" finden sich „Auftragsangelegenheiten" (§ 2 Abs. 3 DGO), „übertragene Angelegenheiten" nach dem Modell eines dualistischen Aufgabenkreises (Art. 8 bayGO, § 2 Abs. 2 rhpfGO, § 6 saarKommunalselbstverwG) oder „Weisungsaufgaben" (bzw. „Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung", z.B. nach § 5 ndsGO) nach dem sog. Weinheimer Modell. Nachweise und Einzelheiten bei Otfried Seewald, Kommunalrecht in: Udo Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, S. 1 (32 ff). 59
Ζ. B. Ferdinand O. Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, § 42, Rdnr. 44.
60
Der institutionell geschützte Selbstverwaltungsbereich darf allerdings nicht zum bloßen Nebenzweck herabsinken; Helmut Petz, Aufgabenübertragungen und kommunales Selbstverwaltungsrecht, DÖV 1991, S. 320 (326). 61
Nach Bundesrecht gilt dies nur, wenn die Maßnahme einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in den Schutzbereich der Garantie der komunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 GG) darstellt. Bei Übertragung von Aufgaben ist das erst der Fall, wenn die Beschränkung der kommunalen Selbstverwaltung eine gewisse Intensität aufweist, so insbesondere Petz, DÖV 1991, S. 326. Ein Eingriff wurde vom BVerfG (E 83, 363 [385 f.] - Krankenhausfinanzierungsumlage) sogar bei Auferle-
126
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
ßigkeitsgrundsatz keinen inhaltlichen Einschränkungen 62 . Grenzen sind vor allem finanzrechtlicher Natur. Den Gemeinden ist eine aufgabenadäquate Finanzausstattung verfassungskräftig gewährleistet (Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG) 6 3 . In der Praxis gilt die Übertragung staatlicher Aufgaben auf Gemeinden als billigste Form der Staatsverwaltung 64 . Die Garantien des Grundgesetzes unterbinden aber, daß die Gestaltungsfreiheit der Gemeinde im Bereich ihrer Selbstverwaltungsangelegenheiten durch zusätzliche Ausgabenlasten für staatliche Aufgaben gewissermaßen finanziell erdrosselt wird 6 5 . Die aus einer Übertragung zusätzlicher staatlicher Aufgaben resultierenden finanziellen Mehrbelastungen müssen daher ausgeglichen werden. Oft geschieht dies durch Zweckzuweisungen 66 . Landesrecht muß diese Mindestanforderungen einhalten (Art. 28 Abs. 3 GG), enthält aber mitunter zusätzliche Garantien der kommunalen Finanzen 67 . Dieses Modell der getrennten Aufgabenkreise läßt sich auch auf die Beispiele der öffentlich-rechtlichen Bundesbahn und Bundespost anwenden. So hatte die Bundesbahn einen definierten, abgegrenzten Bereich eigener Aufgaben (z.B. § 4 AEG). Wenn zusätzlich dazu weitere Leistungen - etwa in „Bestellungsfällen" - gewünscht wurden, stellte sich in der Praxis nicht in erster Linie die Frage, ob das zulässig ist, sondern die Frage nach den Kosten. gung einzelner Ausgabepflichten verneint, solange insgesamt dennoch eine zureichende Finanzausstattung gewährleistet ist. Landesrecht geht über diese Mindestanforderungen mitunter hinaus. So ist etwa in Art. 8 Abs. 1 bayGO die Gesetzesform in allen Fällen einer Zuweisung von Angelegeheiten angeordnet. 62
Kriterien z.B. bei Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 28, Rdnr. 13; weitere Nachw. oben Fußn. 15 der Einleitung. 63
Rechtsprechung und Lehre haben das schon vor Einfügung dieser Vorschrift ins GG anerkannt; Nachw. bei Pieroth in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 28, Rdnr. 7a. 64
Hans 1 Wolff/Otto
Bachof/Rolf Stober, Verwaltungsrecht II, S. 91.
65
Eine präzise Grenzziehung ist freilich schwierig. Hierzu insbesondere Friedhelm Hufen, Diskussionsbeitrag, Sitzungsberichte zum 61. DJT, Band II/2, S. M 131, der darauf hinweist, daß ein Kommentar aus der Frühzeit der Bundesrepublik ausführte, bei einer freien Spitze von unter 10% des Gesamthaushalts könne von kommunaler Selbstverwaltung keine Rede mehr sein. 66 67
Beispiele etwa bei Leder, Der Gemeindehaushalt 1981, S. 111.
Einzelheiten zu den verschiedenen landesrechtlichen Regelungen bei Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 182 ff. So sind beispielsweise in Bayern bei Übertragung staatlicher Aufgaben auf Gemeinden die notwendigen Mittel gleichzeitig (Art. 83 Abs. 3 BayVerf, Art. 8 Abs. 5 bayGO) zu erschließen.
Α. Die „Bestellungsfälle"
127
Die Grenzen einer Indienstnahme für fremde Aufgabenbereiche waren hier finanzieller Natur. § 5 BBahnG schrieb für Leistungen außerhalb des „eigenen" Aufgabenkreises eine angemessene Abgeltung vor. Es ist aber äußerst problematisch, das Modell der getrennten Aufgabenkreise als Grundlage der Vorstellung von „kostenpflichtigen Fremdleistungen" auf das Verhältnis der Länder gegenüber dem Bund zu übertragen. Der staatsorganisationsrechtliche Teil des Grundgesetzes beruht auf dem Grundverständnis, daß nicht nur der Bund, sondern auch die Länder in ihrem Kompetenzbereich eine eigene politische Existenz haben und ihre Aufgaben eigenverantwortlich 68 erfüllen können. Meist wird das unter dem Begriff der Eigenstaatlichkeit zusammengefaßt. Rechtsprechung 69 und die herrschende Lehre 70 bejahen die Staatsqualität der Länder. Dabei ist allerdings schon in Grundfragen vieles umstritten. Heute wird ein Grundsatz der Eigenstaatlichkeit der Länder weitgehend anerkannt 71 . Immerhin spielt die Begriffswahl im Grundgesetz gelegentlich auf die Staatsqualität der Länder an. So soll beispielsweise die Schulaufsicht, die nach dem Kompetenzkatalog Sache der Länder ist, eine „Aufsicht des Staates" (Art. 7 Abs. 1 GG) sein. Lange Zeit sah man dies aber grundlegend anders. Otto Mayer formulierte schon zu Zeiten des Kaiserreichs diplomatisch, Länderstaatlichkeit sei nur „un titre purement honorifique" 72 . Eine Souveränität der Länder, die man lange Zeit als entscheidendes Kriterium der Staatlichkeit ansah, sei ausgeschlossen73. Nach alter Tradition 7 4 soll die
68
Isensee, HStR IV, S. 517 ff. (580).
69
BVerfGE 1,14 Leitsatz 31 und S. 34 - Südweststaat; 34, 9 (19 f.) - hess. Besoldungsanpassungsgesetz; 72, 330 (383) - Finanzausgleich II. 70
Isensee, HStR IV, S. 517 (552 f.); Uwe Barsche/, Die Staatsqualität der deutschen Länder, 1982, S. 167; Pauly, Weisungen, S. 69 mit weit. Nachw. 71
Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV - Bundesstaat, Rdnr. 10 (S. 98) m. weit. Nachw.; Isensee, HStR IV, S. 517 (552 ff.). 72
Also bloßer Ehrentitel, Republikanischer und monarchischer Bundesstaat, AöR 18 (1903), S. 337 (367). 73
Eine sehr differenzierte Darstellung findet sich bei Hans Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, S. 194. 74
Hierzu Helmut Quaritsch, Staat und Souveränität, 1970, S. 243 ff; grundlegend Jean Bodin, Les six livres de la République, 1576. Diese Position steht allerdings in engem historischen Zusammenhang mit Zentralisierungsbestrebungen des französischen Absolutismus. Die staatstheoretisch-juristische Begründung zur Ablehnung eines „imperii socium" richtete sich vor allem gegen Machtansprüche der Stände.
128
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Souveränität j a unteilbar sein 75 . Wo aber die Zentralgewalt das letzte Wort behalte, könne es keinen originären Eigenbereich der Länder und damit keine Staatlichkeit geben. Es handele sich vielmehr um dezentralisierte Wahrnehmung der zentralen Staatsgewalt. Bei Vertretern der Reinen Rechtslehre fand sich sogar die Auffassung, begrifflich könne noch nicht einmal Selbstverwaltung angenommen werden, solange Staatsaufsicht stattfinde 76 . Kelsen: „Man w i l l - aus politischen Gründen - die zu einem Bundesstaat zusammengefaßten, ehemals Souveränen' Staaten auch weiterhin als »Staaten' gelten lassen" 77 . Die Länder hätten also keine originäre Staatlichkeit. Ihnen sei lediglich von der souveränen verfassungsgebenden Gewalt, dem „pouvoir constituant", in gewissem Umfang einzelne subjektive Rechte verliehen worden. Für diese kritische Position finden sich im Grundgesetz immerhin Anhaltspunkte. Nach dem Wortlaut der Präambel hat sich „das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben". Der pouvoir constituant wurde also nicht auf Länderebene, sondern auf Bundesebene tätig. Bei der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland gab es keinen bündischen A k t 7 8 , in dem die Länder ihre Souveränität hätten zum Ausdruck bringen können. Daraus wurde gelegentlich die Schlußfolgerung gezogen, die Rechtspositionen der Länder seien lediglich vom Verfassungsgeber auf Bundesebene gewährt, also vom Bund abgeleitet. Dagegen wird meist angeführt, das Kriterium der Souveränität sei so unbestimmt, daß daraus keine praktisch handhabbaren rechtlichen Schlußfolgerungen zu ziehen seien. Man solle sich besser andere Prüfungsmaßstäbe suchen 79 . Im Zeitalter internationaler Verflechtungen gilt dieses Kriterium 75
Heute werden über diese Frage umfassende Grundsatzkontroversen geführt. Nachweise zu den vertretenen Positionen bei Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV Bundesstaat, Rdnr. 7 ff. (S. 97); Isensee, HStR IV, S. 517 (552); Reinhold Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 57. Immerhin wurde aber im Völkerrecht die im Entwurf (Art. 5 II) der Völkerrechtskommission der UNO (ILC bzw. CDI) zunächst vorgesehene völkerrechtliche Anerkennung föderaler Strukturen nicht in die Endfassung des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (BGBl. 1985 II S. 927) aufgenommen; vgl. Nguyen Quoc Dinh/Patrick Daillier/Alain Pellet, Droit international Public, Rdnr. 119. 76
Hans Klinghoff
er, Staatsaufsicht und Subordination, ZgS 86 (1929), S. 282
(308). 77
Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 199.
78
Darauf weist insbesondere Bauer, Die Bundestreue, S. 229 hin.
79
Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV - Bundesstaat, Rdnr. 9 (S. 97),
Α. Die „Bestellungsfälle"
129
ohnehin als Anachronismus 80. Wesentlich konkreteres Merkmal einer Organisation mit Staatscharakter sei die Unabgeleitetheit der Staatsgewalt81. Für das Grundgesetz wird dabei aus der Verwendung des Begriffs „Bundesstaat" in Art 20 Abs. 1 - im Gegensatz zum Modell des dezentralisierten Einheitsstaats - geschlossen, daß die Länder nicht als dezentrale Einheiten vom Bund abgeleitet, sondern als eigenständig vorgefunden und anerkannt sind. Nach diesem theoretischen Ansatz hat sich der pouvoir constituant des Grundgesetzes weitgehenden Selbstbeschränkungen unterworfen und nur Teile der staatlichen Gewalt begründet; im übrigen wurden die vorhandenen Strukturen mit ihrer eigenen Legitimationsgrundlage respektiert. Empirisch ist dieser Unterschied freilich kaum nachvollziehbar 82 . Eigenstaatlichkeit der Länder ist damit letztlich eine politische Konvention 83 . Die Argumentation zielt vor allem auf die „Macht des Wortes Staat" (Isensee? 4. Sie hat eine keinesfalls geringzuschätzende politische Bedeutung. Die Frage nach der Eigenstaatlichkeit der Länder wird so allerdings nicht als staatstheoretische Grundsatzfrage nach dem „Wesen" des Bundesstaates behandelt, sondern allein auf dem Boden geltenden Verfassungsrechts beantwortet. Solche „Staatlichkeit" ist nur verfaßte Staatlichkeit. In einzelnen Rechtsfragen wird es danach immer auf die einzelnen konkreten Rechtspositionen aus der Verfassung ankommen. Die einschlägige Rechtsposition der Länder folgt aus dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenerfüllung, den das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkennt 85. Daher hätten die Länder das Recht, ihre Kompetenzen auch eigenverantwortlich wahrzunehmen 86. Sie seien „nicht bloß Träger der föderativen Kompetenzordnung, sondern deren verantwortliche Subjekte" 87 . Daher erscheint es kaum vorstellbar, konsensfähige Kriterien dafür zu finden, daß bei einem Handeln der Länder auf der Grund80
Reiner Schmidt, NJW 1980, S. 160; ders., VVDStRL 36 (1978), S. 65 ff.
(103). 81
Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV - Bundesstaat, Rdnr. 10, 12 (S. 98) mit Nachweisen aus der Tradition der Allgemeinen Staatslehre. 82
Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV - Bundesstaat, Rdnr. 12 f.
83
Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV - Bundesstaat, Rdnr. 13.
84
HStR IV, S. 517 (554).
85
Grundlegend BVerfGE 63, 1, Leitsatz 4b, Rolf Grawert, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern in der Bundesrepublik Deutschland, 1967, S. 195. Patzig, AöR 86 (1961), S. 245 (274) spricht im Zusammenhang mit Art. 84 GG sogar von Kondominialverwaltung. 86
Isensee, HStR IV, S. 517 (580).
87
Isensee, HStR IV, S. 517 (584).
9 Waiblinger
130
2. Teil: Das Fremdfnanzierungsverbot
läge eigener Kompetenzen zu unterscheiden sei zwischen Aufgabenbereichen, die als „Selbständige" zu erfüllen sind, und anderen Aufgabenbereichen, in denen ein Handeln der Länder auf der Grundlage eigener Kompetenzen auch nur in manchen Fällen als eine Art mittelbare Bundesverwaltung zu werten ist. Bereits in der Entwurfsbegründung zur Finanzreform 1955 sind staatstheoretische Bedenken gegen eine Argumentation mit einem „dualen Aufgabenmodell" im Bund-Länder-Verhältnis angesprochen: „Die finanzielle Beteiligung des einen Teils an den Verwaltungskosten des anderen Teils ist ... regelmäßig ausgeschlossen. Das gilt auch dann, wenn dem einen Teil Verwaltungskosten durch Maßnahmen entstehen, an deren Durchführung der andere Teil interessiert ist. Wiederholt sind mit dieser Begründung Bundeszuschüsse u. dgl. zu den Verwaltungskosten der Länder gefordert und durchgesetzt worden. Aber das ,Interesse4 ist im Verhältnis zwischen Bund und Ländern weder für die Kompetenz noch für die Kostenpflicht ein ausreichendes Kriterium. Es wäre auch mit der staatsrechtlichen Stellung der Länder grundsätzlich unvereinbar, wenn sie den Vollzug bundeswichtiger Verwaltungsaufgaben, für den sie die Kompetenz beanspruchen, nach dem regionalen und überregionalen Nutzwert differenzieren oder ihn von einer dem überregionalen Interesse entsprechenden Bundesleistung abhängig machen wollten; denn die Länder sind für ihren Bereich in der ,Ausübung der staatlichen Befugnisse und Erfüllung der staatlichen Aufgaben 4 (Art. 30 GG) auch die Mandatare der Bundesinteressen und in dieser Eigenschaft für die wirksame Wahrnehmung der ihnen anvertrauten Obliegenheiten allein verantwortlich." 88
1. „Bestellungsfalle 44 als Prüfstein für Rechtsdogmatik Bei den beschriebenen Konstellationen handelt es sich jeweils um Fälle, in denen ein Verwaltungsträger Fremdleistungen bei anderen Verwaltungsträgern einkauft. Im folgenden wird für dieses Phänomen der Begriff der „Bestellungsfälle" verwendet. Der „Besteller" läßt die Aufgabe gegen Kostenerstattung von anderen Kompetenzträgern wahrnehmen, statt selbst und unmittelbar tätig zu werden. Man kann das, wenn man eine andere Terminologie bevorzugt, auch „outsourcing im öffentlichen Sektor" nennen. Solche „outsourcing"-Fälle waren bereits im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Verwaltungs- und Zweckausgaben erwähnt worden 89 . Wird das, was
88
BT-Drucks. 11/480, Tz. 61.
89
S.o. S. 103 ff.
Α. Die „Bestellungsfälle"
131
der Verwaltung aufgegeben ist, durch Vergabe an Dritte erledigt, ändert sich die Einordnung der Ausgaben in dieses Schema. Was ohne die Vergabe Verwaltungsausgaben ausgelöst hätte, fuhrt nun zu Zweckausgaben. An diesen „Bestellungsfällen" soll nun die übliche Dogmatik zu Art. 104a Abs. 1 GG auf die Probe gestellt werden. Es fragt sich, wie in „Bestellungsfällen" unter Berufung auf das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" 9 0 die Kostenlast bestimmt werden kann. Dazu sollen verschiedene Abwandlungen des „Schülerzüge-Falls" gebildet werden, an denen sich die komplizierten, aber interessanten und beinahe überraschenden Funktionsmechanismen des Merkmals der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" illustrieren lassen. Es war bereits erwähnt worden, daß diese Konstellationen die übliche Dogmatik zu Art. 104a Abs. 1 GG vor besondere Herausforderungen stellen 91 . Im „Schülerzüge-Fall" bestand die Aufgabe der Stadt Neustadt/Weinstr. darin, die Beförderung der Schüler zum neuen Schulzentrum sicherzustellen. Dabei handelte es sich nach den anwendbaren landesrechtlichen Vorschriften um eine örtliche Angelegenheit. Die Stadt hätte das (Variante 1) in eigener Regie 92 tun können. Sie hätte dazu etwa Omnibusse kaufen und betreiben müssen. Das ist aus Sicht der Kompetenzordnung zulässig. Die unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG besteht bei Variante 1 aus den einzelnen mit der Schülerbeförderung zusammenhängenden Handlungen, die zu Personal- und Sachaufwand führen. Ein solches Vorgehen ist aber bei Schulbussen unüblich, weil es meistens unwirtschaftlich ist. Normalerweise (Variante 2) werden in solchen Fällen private Omnibusunternehmer oder in privatrechtlicher Rechtsform geführte Unternehmen der öffentlichen Hand beauftragt, Schulbusse einzusetzen. Der Beitrag der Gemeinde zur Wahrnehmung der kommunalen Aufgabe „Schülerbeförderung" beschränkt sich in diesem Fall darauf, den Unternehmer zu beauftragen und zu bezahlen. Das führt nicht zu einer vollständigen Privatisierung. Schülerbeförderung bleibt kommunale Aufgabe. Obwohl die Busfahrten als Fremdleistungen erbracht werden, bleibt die Verantwortlichkeit für die Sachaufgabe
90
S.o. S. 84 ff.
91
S.o. S. 86.
92
Üblich sind andere Rechtsformen. Grundlegend zur neueren Diskussion Reiner Schmidt, ZGR 1996, S. 345 ff; ders., Privatisierung und Gemeinschaftsrecht, Die Verwaltung 28 (1995), S. 281 ff.; Hartmut Bauer, Privatisierung von Verwaltungsaufgaben, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (253 ff.).
132
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
bei der Gemeinde. Die eigene Aufgabe der Gemeinde wird dadurch erfüllt, daß Fremdleistungen eingekauft werden. Bei dieser Variante verlagert sich der Ansatzpunkt für die Lastentragung. Bereits durch die Bestellung der Fremdleistung sind die Kosten für die Gemeinde entstanden, also - abgesehen von Fragen der Fälligkeit - schon durch den Vertragschluß mit dem Omnibusunternehmer. Die Verwaltungsverantwortung bleibt bei der Gemeinde 93 . Die Bestellung selbst ist „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG. Deshalb bleibt die Ausgabenlast auch bei dieser Art der Erfüllung kommunaler Aufgaben bei der Gemeinde. Eher unüblich und rechtlich schwierig ist es, die Fremdleistung nicht im privaten Sektor, sondern im öffentlichen Sektor durch andere Verwaltungseinheiten erstellen zu lassen (Variante 3). Auch hier erfüllt die Gemeinde die kommunale Aufgabe der Schülerbeförderung durch Bestellen einer Fremdleistung. Das rechtliche Problem für die Lastentragung besteht bei dieser Konstellation darin, daß auch der Erbringer der Fremdleistung auf der Grundlage eigener Verwaltungskompetenzen 94 tätig wird. Es ist zu überlegen, ob der Erbringer der Fremdleistung in einem solchen Fall eigene „Aufgaben" wahrnimmt, so daß sich nach Art. 104a Abs. 1 GG die Lastentragungspflicht auf den Fremdleister verlagert. Immerhin scheint es durchaus vorstellbar, als „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" in dieser Fallvariante nicht schon das Bestellen der Fremdleistung „Schülerbeförderung", sondern erst das Betreiben der Schülerzüge anzusehen. Praktische Bedeutung hätte das vor allem bei Fällen, in denen der „Fremdleister" zu einer anderen Ebene im Bundesstaat gehört. Bei dieser Konstellation wäre die Bestellung durch die Gemeinde nur mittelbare Kostenursache. Die unmittelbare Kostenursache und damit die Finanzierungslast läge beim Erbringer der Fremdleistung, also bei der Bundesbahn. Genau das hatte die Stadt Neustadt/Weinstr. im „Schülerzüge"-Fall vorgetragen. Die Kostenlast bestimmt sich nach Art. 104a Abs. 1 GG. Danach entscheidet die „Wahrnehmung" der Aufgaben. Konkretisiert man diese Begriffe nach der gängigen und üblichen Ansicht, daß jedenfalls die Ausübung einer Verwaltungskompetenz auch eine Wahrnehmung der „Aufgaben" im Sinne des 93 94
Bauer, VVDStRL 54 (1995), S. 243 (277).
Wird ein öffentlich-rechtlich organisierter Fremdleister nicht kompetenzgebunden, sondern wie ein privater Unternehmer tätig (ausführlich zum den verschiedenen Ansichten Reiner Schmidt, o. Fußn. 83 der Einleitung), bestimmt sich auch die „Aufgabe" wie bei Erbringung der Fremdleistung durch einem privaten Unternehmer.
Α. Die „Bestellungsfälle"
133
Art. 104a Abs. 1 GG ausmache95, so hat die Klage der Stadt Neustadt/Weinstr. erhebliche Substanz. Sie stützt sich letztlich auf die Unterscheidung zwischen Kompetenzen „als Ermächtigung zu potentiellem Handeln" 96 und deren Ausübung oder Wahrnehmung. Ausgeübt wurde eine Verwaltungskompetenz (Art. 87 Abs. 1 GG) von der damals noch öffentlichrechtlich organisierten Bundesbahn. Was die Stadt angeht, läßt sich durchaus darüber streiten, ob die Kompetenzen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge im Fall nur abstrakt bestanden haben, aber nicht wahrgenommen worden sind (dann volle Kostenlast bei der Bundesbahn), oder aber - naheliegender diese Kompetenzen durch den Vorgang der Bestellung entsprechender Leistungen bei der Bundesbahn auch konkret ausgeübt worden sind; im letzteren Fall käme es zur „Gemengelage" mit anteiliger Finanzierung. Solange aber aus den Kompetenzen der Bundesbahn auf eine „Aufgabe" der Bundesbahn geschlossen wird, gelingt es nicht, eine vollständige Kostenlast der Stadt verfassungsrechtlich zu legitimieren. Das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit", das von Vogel und P. Kirchhof schon in den 70er Jahren entwickelt worden war, um nach Art. 104a Abs. 1 GG die Kostenlast zu bestimmen, wirkt in solchen Fällen sehr viel subtiler. Es knüpft nicht pauschal an „die Verwaltungskompetenz" an, sondern ermöglicht differenzierte Lösungen. Die Kostenlast richtet sich am Merkmal der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" aus. Das ermöglicht es regelmäßig, in Einzelfällen auch eine vollständige Übernahme der Kostenlast durch den Besteller verfassungsrechtlich zu begründen (a). Dennoch bleiben bedeutsame Fragen unbeantwortet (b). a) Indirekte Bestimmung der Kostenlast Das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" eröffnet die Möglichkeit, die verschiedenen denkbaren Konstellationen einer Bestellung von Fremdleistungen im öffentlichen Sektor differenziert zu betrachten. Es kommt auf die Einzelheiten an. Eine Bestellung zieht die Kostenlast nur dann nach sich, wenn sie „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" ist. Und eine solche „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" ist sie nur, wenn sie kostenpflichtig ist. Das klingt zunächst banal, hat aber erhebliche dogmatische und praktische Bedeutung: bei Bestellungen im öffentlichen Sektor hängt die Lastentragung allein davon ab, ob die bestellte Fremdleistung kostenpflichtig ist.
95
Nachw. bereits oben S. 95 ff. und oben Fußn. 27 der Einleitung.
96
So ausdrücklich Erichsen, Konnexität, S. 11.
134
2. Teil: Das Fremdfnanzierungsverbot
Damit wird die Frage, ob die Bestellung als solche schon „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" ist, sozusagen indirekt beantwortet. Nicht der Aufgabenkreis des Bestellers, sondern der Aufgabenkreis des Fremdleisters entscheidet darüber, ob die Fremdleistung kostenpflichtig ist. Manche der bestellten Leistungen obliegen als ohnehin zu erfüllende eigene Aufgabe, andere müssen nur gegen Kostenerstattung auf Bestellung erbracht werden. In der Praxis kommt es hier zu schwierigen Abgrenzungsfragen. So war beispielsweise der öffentlich-rechtlichen Bundesbahn die Bedienung des Verkehrs als eigene Aufgabe nur unter Wahrung wirtschaftlicher Grundsätze zugewiesen (§ 4 Abs. 1 AEG). Zusätzliche Leistungen für andere Verwaltungen waren nach § 5 BBahnG nur gegen angemessene Abgeltung zu erbringen. Man hat dann beispielsweise oft darüber gestritten, ob die Erhaltung bestimmter Nebenbahnlinien eine eigene Aufgabe der Bundesbahn sei oder aber nur gegen - regelmäßig kommunale - Kostenbeteiligung wahrgenommen werden müsse. Der „Schülerzüge"-Fall ist in dieser Hinsicht aber recht eindeutig. Schülerzüge sind ein Zuschußgeschäft. Es war wegen § 4 AEG nicht eigene Aufgabe der Bundesbahn, sie einzusetzen. Vielmehr handelte es sich nach dem Aufgabenkreis der Bahn um eine nur unter den Voraussetzungen des § 5 BBahnG (Abgeltung) zu erfüllende Aufgabe. Die Fremdleistung war nach dem Aufgabenkreis der Bundesbahn kostenpflichtig. Maßstab ist § 5 BBahnG (angemessene Abgeltung). Zweifeln kann man allenfalls daran, ob die Kostenverursachung durch die Bestellung seitens der Stadt auch unmittelbar war. Bei der Bundesbahn entstanden Kosten erst durch die Durchführung der Schülerbeförderung im Einzelfall und den damit verbundenen Personal- und Sachaufwand. Gegen eine Wertung der vorangegangenen Bestellung als bloß mittelbare Kostenursache spricht jedoch, daß die Bundesbahn wegen §§ 4 AEG, 5 BBahnG im Fall nur gegen angemessene Abgeltung zur Leistung verpflichtet war. Die Bundesbahn hatte daher bei den Verhandlungen mit der Stadt Neustadt/Weinstr. nur zwei Alternativen. Sie hätte entweder die Übernahme der Fahrten ablehnen können. Das ist kostenneutral. Es wäre dann aber wahrscheinlich zu einer Übernahme in sog. umgekehrte Auftragsverwaltung 97 gekommen, bei der ebenfalls nicht die Bundesbahn die Kostenlast trägt. Die Alternative bestand darin, gegen Vereinbarung einer angemessenen Abgeltung (§ 5 BBahnG) den Wünschen der Stadt zu entsprechen. Die Bestellung der Fremdleistung durch die Gemeinde war somit bei allen denkbaren Alter-
97
Tätigkeit der Bundesbahn auf Weisung und für Rechnung eines Landes (§§51, 52 BBahnG a.F.). Nachweis der Gesetzesänderungen bereits oben Fußn. 4 des 2. Teils.
Α. Die „Bestellungsfälle"
135
nativen kostenpflichtig. Daher ist schon die Bestellung die „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit". Das Beispiel zeigt, wie kompliziert die Funktionszusammenhänge beim Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" sind. Bestellungen im Aufgabenkreis des Fremdleisters verlagern die Kostenlast nicht. Der Fremdleister muß vielmehr anläßlich der Bestellung nur das tun, was ohnehin seine Aufgabe ist. Solche „Bestellungen" werden damit - zumindest solange es um die Finanzierungslast geht - als bloße Anregungen zu eigenem Tätigwerden behandelt. Dagegen sind Bestellungen außerhalb des Aufgabenkreises des Fremdleisters kostenpflichtig. In solchen Fällen ist die Bestellung selbst „unmittelbar kosten verursachende Tätigkeit", der Besteller trägt die Kostenlast. Letztlich entscheidet die für den Fremdleister geltende Aufgabenzuweisungsnorm darüber, wer bezahlen muß. Das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" läuft letztlich - und das ist dogmatisch höchst interessant - auf ein duales Aufgabenmodell hinaus. Der „Schülerzüge-Fall" zeigt, daß ein Schluß von der Verwaltungskompetenz auf die Finanzierungslast nicht allgemeine Geltung für sich beanspruchen kann. Der Schluß vom Tätigwerden aufgrund eigener Verwaltungskompetenzen auf die „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG ist bei sorgfältiger Subsumtion nicht immer zwingend. Die Deduktion ist reichlich kompliziert. Im Fall war der Bundesbahn die fragliche Leistung - die Schülerzüge - nicht als eigene Aufgabe, sondern nur als kostenpflichtige Fremdleistung aufgegeben. Daher lag die „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" in bezug auf die vereinbarte Abgeltung nicht beim Bund, obwohl dieser die ausschließliche Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Bundesbahn innehatte. Dennoch - das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" erweist sich als letztlich geeignet, die Kostenlast im Schülerzüge-Fall zu erklären und zu lösen. Man hatte lediglich den Aufgabenkreis derjenigen Ebene zu untersuchen, die Träger der Kompetenz für den Letztvollzug ist. b) Kompetenzprobleme In den bisher beschriebenen „Bestellungsfällen" gab es nur zwei Varianten: Die bestellte Fremdleistung war entweder kostenpflichtig oder sie war es nicht. Es wurde also nur die Lastentragung erörtert. In vielen Fällen liegt das rechtliche Problem jedoch nicht allein bei der Kostenlast. Gerade im „Schülerzüge-Fall" stellte sich die kompetenzrechtliche Frage, ob derartige Bestellungen überhaupt zulässig sind.
136
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Kompetenzen sind nicht disponibel 98 . Der Gedanke, eine finanzkräftige Gemeinde könne durch geeignete „Bestellungen" die Grenzen ihrer Kompetenzen kräftig ausweiten, scheint jedenfalls nicht unbedenklich. Zur Verdeutlichung des Problems ein Beispiel aus der Praxis, nicht ohne realen Hintergrund: Durch die oberbayerische Ferien- und Passionsspielgemeinde O. führt eine stark befahrene Bundesstraße. Eine Ortsumfahrung wird geplant. Dabei werden zwei Lösungen erwogen: Die „große" Variante sieht eine weiträumige Ortsumfahrung mit Kunstbauten vor; bei der „kleinen" Variante wird lediglich der Ortskern vom Verkehr entlastet. Während der Planung wurde signalisiert, der Bund als Träger der Straßenbaulast werde nur die „kleine Lösung" bezahlen; es gehe um einen mehrstelligen Millionenbetrag, die Kunstbauten seien zu teuer. Die Gemeinde befürchtete dagegen nachhaltige Einbußen für den Fremdenverkehr. Daher entsandte der Gemeinderat den ersten Bürgermeister - versehen mit den nötigen Ermächtigungen - zum zuständigen Bundesministerium, um notfalls auf Kosten der Gemeinde die „große Lösung" realisieren zu lassen. Die Gemeindekasse war wegen der vorangegangenen Passionsspiele gut gefüllt. Die Rechtsfrage: Darf eine Gemeindefreiwillig - den Bau von Bundesstraßen finanzieren? Aus Art. 104a Abs. 1 GG wird ein Verbot der Finanzierung fremder Kompetenzen hergeleitet 99 . Finanzierung erfordert nach dem Wortlaut dieser Norm nicht nur - negativ - den Ausschluß fremder Finanzierungslast, sondern - positiv - den Nachweis einer eigenen Aufgabe. Nicht die tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten, sondern allein das Aufgabenverteilungssystem des Grundgesetzes seien für die bundesstaatliche Ordnung maßgeblich 100 . A u f Einzelheiten wird noch einzugehen sein. Es scheint jedenfalls nicht ohne weiteres zulässig, aus kommunalen Mitteln Straßenbauten zu finanzieren, die nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vom Bund bezahlt werden müssen. Im geschilderten Beispielsfall der Gemeinde O. kam es zu einer informellen Lösung. Zunächst das Grundsätzliche: Üblicherweise heißt es, der in Art 104a Abs. 1 GG normierte allgemeine Konnexitätssatz sorge für eine Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen. Die Finanzverfassung sei nach dem
98
BVerfGE 4, 115 (139) - Beamtenbesoldung; 32, 145 (156) - Finanzverwaltungsgesetz; 39, 96 (109) - Städtebauförderungsgesetz; 63, 1 (39) - Schornsteinfegergesetz; Wilfried Erbguth in: Sachs, GG, Art. 30, Rdnr. 11. 99
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (993), Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 25, Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 104a, Rdnr. 8, Erichsen, Konnexität, S. 18 m. zahlr. Nachw. aus älterem Schrifttum. 100
Vogel/P.
Kirchhof in : BK, Art. 104a, Rdnr. 26 m. weit. Nachw.
Α. Die „Bestellungsfälle"
137
Grundgesetz eine „Folgeverfassung". Daher sei nach der Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG eine Verwendung der staatlichen Finanzen nur nach Maßgabe der Kompetenzordnung zulässig. In der Kommentierung bei Vogel und P. Kirchhof wird das besonders betont: „Art. 104a Abs. 1 GG hat also nur dann einen Sinn, wenn von den beiden Größen, die er einander zuordnet, Aufgaben und Ausgaben, die eine verfassungsrechtlich vorgegeben ist, so daß dann die andere sich nach ihr auszurichten hat. [...] Die Frage nach dem Vorrang von Aufgaben- oder Ausgabenkompetenz beantwortet sich klar aus dem Wortlaut des Abs. 1. Rechtsfolge ist die Verteilung der Ausgaben; sie bestimmt sich nach ,der Wahrnehmung ihrer Aufgaben 4"101. Die Norm knüpfe also mit der Formulierung „Wahrnehmung ihrer Aufgaben" an die Kompetenzverteilung 102 an. Wenn das so ist, stellen sich gewisse Mindestanforderungen an den normativen Gehalt des Konnexitätssatzes. Der Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Finanzen muß auch rechtstechnisch zum Ausdruck gebracht werden. Das hat eine - reichlich schlichte - denklogische Voraussetzung: Die Rechtsfolge „Finanzierung ist zulässig" muß an ein Tatbestandsmerkmal des Art. 104a Abs. 1 GG geknüpft sein, das auf irgendeine Weise etwas mit Kompetenzrecht zu tun hat. Nur wenn ein solches Tatbestandsmerkmal existiert, kann diese Norm für eine Anknüpfung an die Kompetenzordnung sorgen. Anders formuliert: Die Grundvorstellung, Art. 104a Abs. 1 GG sorge für eine Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen, ist nur schwer nachvollziehbar, solange man in Art. 104a Abs. 1 GG kein Tatbestandsmerkmal findet, das eine Beziehung zum Kompetenzrecht herstellt. Nun die Probe aufs Exempel: Es soll versucht werden, die Frage nach der Zulässigkeit einer „Bestellung" - etwa des finanziellen Angebots der Gemeinde O. im soeben erwähnten Fall - mit der üblichen Begriffsbildung zu beantworten. Prüfungsmaßstab ist Art. 104a Abs. 1 GG. Finanzierung ist nur für Wahrnehmung der „Aufgaben" zulässig. Was „Aufgabe" ist, bestimmt sich üblicherweise nach dem finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff 1 0 3 .
101
Vogel/P.
Kirchhofen:
BK, Art. 104a, Rdnr. 20 f.
102
Vogel/P.
Kirchhofen:
BK, Art. 104a, Rdnr. 22.
103
S.o. S. 62 ff.
138
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Eine Deduktion nach den üblichen Kriterien fuhrt zu folgendem Syllogismus: Prämisse 1: Ausgaben sind nur zulässig, wenn eine Aufgabe nachgewiesen worden ist. Aus der Lastentragungsregel folgt ein Fremdfinanzierungsverbot 104 . Prämisse 2: Unter einer solchen Aufgabe versteht man eine unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit. Conclusio: Hieraus folgt: Ausgaben sind nur zulässig, wenn eine unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit ausgeübt worden ist. Offensichtlich erlaubt es die übliche Dogmatik zu Art. 104a Abs. 1 GG, das Wort „Aufgabe" durch eine logische Operation vollständig zu eliminieren. Es geht nur noch um Kostenursachen. Alle Tatbestandsmerkmale, die sich üblicherweise dazu verwenden lassen, einen Zusammenhang mit Kompetenzen zum Ausdruck zu bringen, sind durch den beschriebenen finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff weginterpetiert worden. An sich ist der Begriff der Aufgabe geeignet, für die Verknüpfung der Finanzen mit den Kompetenzen zu sorgen und sicherzustellen, daß nach dem Grundgesetz die Finanzverfassung eine „Folgeverfassung" sei. Solange allerdings die „Aufgabe" allein über die Kostenverursachung definiert ist, entstehen rekursive Argumentationsstrukturen 105. Jede unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit zieht Ausgaben nach sich. Letztlich ist nach der gezeigten Subsumtionskette allein die „Unmittelbarkeit" der Kostenverursachung rechtlicher Maßstab der Lastentragung. Dieses Ergebnis ist plausibel. Wer Kosten „unmittelbar" verursacht, muß sie tragen. Die Praxis knüpft meist an die Verwaltungskompetenz an. Bei der Sozialhilfe mag man angesichts neuerer Entwicklungen ausführlich darüber debattieren, ob Gesetz oder Vollzug die Kostenursache unmittelbar setzen. Die Aufgabenzuweisungsnorm des Bestellers spielte in den bisher erörterten „Bestellungsfällen" nur indirekt eine Rolle. Eine Bestellung war kostenpflichtig - und damit eine nach Art. 104a Abs. 1 GG zu Ausgaben ermächtigende „Aufgabe" (unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit)-, wenn der Fremdleister nicht ohne besondere Bestellung bereits nach seinem eigenen Aufgabenkreis in der Pflicht ist. Damit war allein der Aufgabenkreis des Fremdleisters rechtlich entscheidend. Die Kostenlast der einen Seite wurde
104 105
S.o. S. 47 f.
Grundlegend zum Phänomen der Rekursion aus wissenschaftstheoretischer Sicht Douglas R. Hofstadter, Godei Escher Bach - ein Endloses Geflochtenes Band, 2. Aufl. München 1992, insb. S. 137 ff. (161).
Α. Die „Bestellungsfälle"
139
indirekt durch Untersuchung des Pflichtenkreises der anderen Seite ermittelt. Dagegen spielte der Aufgabenkreis des Bestellers selbst überhaupt keine Rolle. Es scheint sehr schwierig, auf dieser Argumentationsgrundlage ein Verbot der Finanzierung fremder Kompetenzen aus dem Grundgesetz herzuleiten. Der Ansatz, man müsse den Begriff der „Aufgabe" in Art. 104a Abs. 1 GG nur mit Blick auf die Kostenlast interpretieren, scheint nicht genügend durchdacht zu sein.
2. Von der Zulässigkeit einer Bestellung kostenpflichtiger Fremdleistungen Art. 104a Abs. 1 GG soll - darüber ist man sich einig 1 0 6 - für eine Verknüpfung der Finanzverfassung mit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung sorgen; die Finanzverfassung ist nur Folgeverfassung 107. Das Bundesverfassungsgericht faßt diesen Gedanken in folgende Worte: „Die in den Art. 104a bis 108 GG enthaltenen finanzverfassungsrechtlichen Normen sind einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes. Sie sollen eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt; Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, daß sie die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Ausgaben leisten können, vgl. Art. 104a Abs. 1 GG. Dabei kommt der strikten Beachtung der fmanzverfassungsrechtliehen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern eine überragende Bedeutung für die Stabilität des bundesstaatlichen Verfassung zu." 1 0 8 Es handele sich „um die Regelung eines Kernbereichs der bundesstaatlichen Struktur wie auch der politischen Machtverteilung in der Bundesrepublik Deutschland" 109 . Starck formuliert das so 1 1 0 : „ I n der Finanzverfassung zeigt sich, ob die Bundesstaatlichkeit ein Rückgrat hat oder leere Deklamation ist". Der ge-
106
Statt aller BT-Drucks. V/2861, Tz. 73 a.E.
107
Vogel/P.
108
BVerfGE 55, 274 (300) - Berufsbildungsabgabe.
109
BVerfGE 55, 274 (301).
1,0
Christian Starck, Steuer und Wirtschaft (StuW) 1974, S. 271 (272).
Kirchhofen:
BK, Art. 104a, Rdnr. 21.
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
140
nannte Grundsatz „wehrt die Aushöhlung der Bundesstaatlichkeit durch die Finanzen ab. Nicht: wer zahlt, schafft an; sondern: wer anschafft, zahlt" 1 1 1 . Allerdings war nach der Dogmatik eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" kein Tatbestandsmerkmal in Art. 104a Abs. 1 GG dazu in der Lage, die hehre Vorstellung, diese Norm sorge für eine Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen, rechtstechnisch einzulösen. Nach dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' wird Art. 104a Abs. 1 GG so ausgelegt, daß die Vorschrift allein von Kostenursachen handelt. Bei der Interpretation beschäftigte man sich nicht mit Kompetenzfragen, sondern nur mit Kostenursachen. Die Finanzierungslast wird zwar durch Schluß aus Kompetenznormen bestimmt; die „Aufgabe" nach dem Kriterium der unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit entspricht normalerweise der Verwaltungskompetenz 112 . In vielen praktisch bedeutsamen Fällen 113 wird jedoch ganz selbstverständlich nach anderen Kriterien entschieden, so daß der Zusammenhang zwischen der „Aufgabe" (nach dem finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff) und der Kompetenz unsicher ist 1 1 4 . Daher kann man sich nicht darauf verlassen, daß der Schluß von der Kompetenz auf die Aufgabe in allen Fällen tragfähig ist 1 1 5 . Mit dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' werden nicht Kompetenzfragen geklärt, sondern lediglich nach dem Modell einer Kausalitätsprüfung Kostenursachen zugeordnet 116 . In dieser Auslegung läßt sich kein Tatbestandsmerkmal finden, das irgendwie an Kompetenzrecht anknüpft. In diesem Zusammenhang interessant ist eine weitere Nuance: Christian Starck hält im Zusammenhang mit der Norm des Art. 104a Abs. 1 GG den Begriff „Konnexitätsprinzip" für „nicht ganz glücklich" 1 1 7 . „Die Vorsilbe ,con' bedeutet nämlich eine Gleichwertigkeit der beiden verknüpften, zusammengefügten Größen, die nach Art. 104a Abs. 1 GG gerade nicht gegeben ist. Wenn an etwas Feststehendes, hier an die Aufgabenverteilung, die Finanzierungsverantwortung angeknüpft wird, so empfiehlt sich die Vorsilbe ,ad' und damit der Terminus Annexitätsgrundsatz" m.
1.1
A.a.O.
1.2
S.o. S. 66 ff.
113
S.o. S. 84.
1.4
S.o. S. 123 ff, 135 f.
1.5
S.o. S. 138.
1.6
S.o. S. 86 ff.
U1
Starck, StuW 1974, S. 271 (272).
118
Starck, StuW 1974, S. 271 (272).
Α. Die „Bestellungsfälle"
141
Diese Begrifflichkeit hat sich nicht durchgesetzt 119 . Sie verdeutlicht jedoch, daß die übliche Dogmatik zu Art. 104a Abs. 1 GG in sich unstimmig ist. Nach der Konzeption eines „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" findet nicht nur begrifflich, sondern auch in der Sache eine Anknüpfung an etwas Feststehendes überhaupt nicht statt. Vor allem bei den „Bestellungsfällen 1 2 0 versagt der finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff. Jede Bestellung, die Geld kostet, ist „unmittelbar kostenverursachende Tätigk e i t " 1 2 1 ; die entsprechende Finanzierung ist also von Art. 104a Abs. 1 GG gedeckt. Kompetenzrechtliche Anforderungen für die Zulässigkeit solcher Bestellungen lassen sich dem Konnexitätssatz des Grundgesetzes, so wie er nach dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' ausgelegt wird, nicht entnehmen. Solange die „Aufgabe" allein über die Kostenverursachung definiert wird, enthält Art. 104a Abs. 1 GG kein Tatbestandsmerkmal, das an Kompetenzrecht anknüpft. Die Grundkonzeption der Verfassungsreform von 1969, nach der ein Zusammenhang zwischen Kompetenzen und Finanzen rechtsverbindlich festgeschrieben sein soll, bleibt damit bloße Theorie. Das legt es nahe, die bisherige Argumentation zu Art. 104a Abs. 1 GG zu überprüfen. Nach der bisher üblichen Dogmatik hatte man die Lastentragung nach dem Kausalitätskriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" in den Begriff der „Aufgaben" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG hineingelesen. Die dogmatischen Grundlagen dieser Auffassung hat Erichsen besonders plastisch formuliert 1 2 2 . Er führt aus, das Grundgesetz öffne den Begriff der Aufgabe für systemkonforme Deutungen 123 und interpretiert dann die gesamte Problematik der Aufteilung der Kostenlast im Wege teleologischer Auslegung in diesen Begriff hinein. Die Einzelheiten waren seinerzeit umstritten; Erichsen sprach sich mit der noch heute herrschenden Meinung für eine Anknüpfung der Lastentragung an Verwaltungskompetenzen aus, die Gegenansicht plädierte eher für einen Zusammenhang mit Gesetzgebungskompetenzen. Es bestand aber - bei allen Auseinandersetzungen in Detailfragen - im Grundsatz vollständige Einigkeit darüber, daß die Frage der Bestimmung der Kostenlast durch Interpretation des Begriffs der „Aufgabe" zu lösen sei. Erst so gelangte man zum „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff 4 .
119
Ihr folgt - soweit ersichtlich - lediglich Christiane Meis, Verfassungsrechtliche Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden, 1989 (= Diss. Göttingen 1988). 120
Zur Vorstellung dieses Begriffs s.o. S. 130 ff.
121
S.o. S. 133 f.
122
Ausführlich s.o. S. 70 ff.
123
Erichsen, Konnexität, S. 26.
142
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Die Komplexität verschiedener dogmatischer Konstrükte um den „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff 4 mag Ehrfurcht gebieten oder Verwirrung stiften. Diese Auffassung beherrscht die juristische Diskussion um den im Grundgesetz normierten Konnexitätssatz immerhin seit Jahrzehnten. Sie wird von sehr namhaften Autoren vertreten. Die Positionen sind gefestigt. Die Nebenwirkungen dieser teleologischen Argumentation, die in der Fallgruppe der „Bestellungsfälle" deutlich werden und sich praktisch auswirken, blieben jedoch unbeachtet. Man hat es mit einem grundsätzlichen Problem teleologischer Argumentation zu tun. Die bei der Argumentation berücksichtigten Wertungen - hier die Fragen der Lastentragung - sind umgesetzt. Man kann sich bei solchen Argumentationstechniken allerdings nie ganz sicher sein, daß die Überlegungen in den richtigen Begriff hineininterpretiert worden sind. Daher sind teleologische Argumente nur begrenzt verallgemeinerungsfähig. Die Konsequenz: Mögen die üblicherweise vertretenen Rechtsüberzeugungen noch so verfestigt sein - juristische Argumentation setzt üblicherweise nicht an dogmatischen Konstrukten wie etwa dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' an, sondern geht zunächst vom Gesetz aus. Solange es Fälle gibt, deren Lösungen sich mit der vorhandenen Dogmatik nicht so recht erklären lassen, spricht vieles dafür, sich nicht mit dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff', der derzeit Stand der Wissenschaft ist, abzufinden. Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung. Art. 104a Abs. 1 GG lautet: „Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt" Der besondere Bedeutungsgehalt dieser Regelung erschließt sich am besten durch einen Vergleich mit einer ganz ähnlichen Regelung aus dem Haushaltsrecht, die auf ein Vorbild aus der Reichshaushaltsordnung der Weimarer Zeit zurückgeht 124 . Ein Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben ist im heutigen Recht etwa in § 5 des Haushaltsgrundsätzegesetzes oder in § 6 der Bundeshaushaltsordnung formuliert. In letzterer Norm heißt es: „Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind nur die Ausgaben ... zu berücksichtigen, die zur Erfüllung der Aufgaben des Bundes notwendig sind."
124
§ 17 RHO normierte, daß die Ausgaben „unbedingt erforderlich" zu sein haben. Zum historischen Hintergrund dieser Formulierung Werner Patzig, Haushaltsrecht des Bundes und der Länder, 1981, S. 63 ff.
Α. Die „Bestellungsfälle"
143
Sowohl in Art. 104a Abs. 1 GG als auch in den genannten haushaltsrechtlichen Nonnen, die üblicherweise im Zusammenhang mit der Notwendigkeit von Ausgaben erörtert werden, ist der Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben - der eigentliche Konnexitätsgedanke - rechtsverbindlich zum Ausdruck gebracht. Dennoch ist der direkte Vergleich interessant. Zwischen der haushaltsrechtlichen Regelung und Art. 104a Abs. 1 GG zeigen sich tragende Unterschiede. Das Grundgesetz hat zwar einen ähnlichen Regelungsgehalt, stellt aber über die Maßstäbe des Haushaltsrechts hinaus zusätzliche Anforderungen: Zunächst wiederholt die Verfassung den auch in verschiedenen haushaltsrechtlichen Normen vorgeschriebenen Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben (Konnexitätssatz). Zusätzlich bestimmt Art. 104a Abs. 1 GG, daß Ausgaben „gesondert" zu tragen sind (Grundsatz der Ausgabentrennung). Wegen des doppelten Regelungsgehalts des Art. 104a Abs. 1 GG greift es zu kurz, diese Vorschrift nur pauschal als „den Konnexitätssatz" zu bezeichnen. Die unterschiedlichen Aussagen sind auch rechtlich zu trennen (a). Das spielt vor allem für die Reichweite von Ausnahmeregelungen eine Rolle. In Art. 104a Abs. 1 GG ist ausdrücklich vorgesehen, daß „etwas anderes bestimmt" sein kann (b). a) Der Grundsatz der Ausgabentrennung Die verfassungsrechtliche Regelung in Art. 104a Abs. 1 GG formuliert zunächst die Verknüpfung von Ausgaben und Aufgaben, die auch in der haushaltsrechtlichen Regelung zum Ausdruck gebracht ist. Zusätzlich steht in dieser Vorschrift folgendes: „Bund und Länder tragen gesondert die Ausgaben..." Das Grundgesetz fordert zusätzlich, daß die Ausgaben „gesondert" getragen werden müssen. In diesen Worten kommt der Grundsatz der Ausgabentrennung zum Ausdruck. Nach diesem Grundsatz werden anfallende Ausgaben entweder aus dem Bundeshaushalt oder aus einem Landeshaushalt bezahlt. Eine nur anteilige Finanzierung durch verschiedene Ebenen (Mischfinanzierung) entspricht diesem Grundsatz nicht. Sie ist besonders rechtfertigungsbedürftig 125 .
125
Dieser Grundsatz wird bei Trapp, rechtspolitisch heftig kritisiert.
Veranlassungsprinzip, S. 111 ff, 121 ff.
144
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Das heute einfachgesetzliche 126 Haushaltsrecht kennt eine derartige Regelung nicht. Zwar gilt für den Bund, daß Ausgaben für denselben Zweck nicht bei mehreren Haushaltstiteln veranschlagt werden sollen (§ 17 Abs. 4 BHO, weniger streng § 20 Abs. 2 HGrG). Das dient aber nur der Klarheit des Haushalts und stellt keine Einschränkung der Möglichkeiten zur Verwendung der entsprechenden Mittel dar. Auch anteilige Finanzierungen durch Zuwendungen an Stellen außerhalb der Bundesverwaltung sind haushaltsrechtlich zulässig (§ 14 HGrG, § 23 BHO). Das gilt auch, wenn die Mittel an Stellen im öffentlichen Sektor 127 fließen. Der Grundsatz der Ausgabentrennung muß rechtstechnisch weiter konkretisiert werden. Man braucht Kriterien, wie zu trennen und aufzuteilen ist. Dabei ist zunächst vorausgesetzt, daß überhaupt Aufgaben wahrgenommen worden sind. Dieser Wahrnehmung von Aufgaben werden dann die Kosten, die entstanden sind, zugeordnet. Dabei handelt es sich um eine klassische Kausalitätsfrage. In der Praxis hat auch die Gesetzgebung oft erheblichen Einfluß auf die Kostenlast. Auch wenn verschiedene Verwaltungsträger Kostenursachen setzen, kommt es dabei - wie bereits ausführlich dargestellt 1 2 8 - in vielen Fällen zu Kausalitätsproblemen. Bei derartigen Konstellationen muß die Kostenlast durch rechtliche Wertung einem der beteiligten Kompetenzträger zugeordnet werden. Das Grundgesetz nennt im Anschluß an den Grundsatz der Ausgabentrennung, der sozusagen die haushaltstechnisch zulässigen Zahlungsmodalitäten festlegt, in Art. 104a Abs. 1 GG die Kriterien, nach denen die Kosten aufgeteilt werden sollen: „... die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben ..." Diesen Worten der Verfassung läßt sich - wenn man genau hinschaut bereits die Antwort auf die gestellte Kausalitätsfrage entnehmen. Der rechtliche Ansatzpunkt, nach dem bei einer Ausübung verschiedener Arten von Kompetenzen die Kostenlast einer der beteiligten Kompetenzen zugeordnet wird, ist in Art. 104a Abs. 1 GG formuliert. Das für die Lastentragung entscheidende Tatbestandsmerkmal heißt „sich ergeben". Darauf soll es ankommen, wenn zur Verwirklichung des Grundsatzes der Ausgabentrennung die Kosten aufgeteilt werden müssen. Nur wenn eine Wahrnehmung der Aufga-
126
Die Reichshaushaltsordnung (RHO v. 31.12.1922, RGBl. 1923 II S. 17) der Weimarer Republik war mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen, umfassend hierzu Patzig, Haushaltsrecht, S. 63 ff. 127
Erwin Adolf Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 23 BHO, Rdnr. 2. S.o. S. 1 3 ff.
Α. Die „Bestellungsfälle"
145
ben dazu führt, daß Ausgaben „sich ergeben", findet eine Zuordnung der Kostenlast statt. Das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" in Art. 104a Abs. 1 GG ist somit der verfassungsdogmatische Ansatzpunkt für alle Überlegungen zur Zuweisung der Kostenlast, die zur praktischen Umsetzung des Grundsatzes der Ausgabentrennung erforderlich sind. Kosten „ergeben" sich erst, wenn sie unmittelbar verursacht worden sind. Dagegen reichen abstrakte Vorbelastungen durch kostenträchtige Rahmenbedingungen grundsätzlich nicht. Im Ergebnis kommt es damit bei der Bestimmung der Kostenlast auf das seit langem vertraute Kriterium der unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit an. Die Anknüpfung der Argumentation an das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" hat keinen grundsätzlichen Einfluß auf die materiellrechtlichen Maßstäbe für die Zuweisung der Kostenlast. Bei den dazu nötigen Kausalitätskriterien läßt sich sicher so manches vertreten und methodengerecht begründen; neben der herrschenden Meinung, nach der die Lastentragung an die Verwaltungskompetenz anknüpfen soll, finden sich bereits in der derzeitigen Diskussion immer wieder Stimmen 129 , die sich für eine verstärkte Anknüpfung an Gesetzgebungskompetenzen aussprechen. Dabei mag man in manchem Einzelfall ernsthaft streiten können, welches nach dem bereits bisher anerkannten Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" die letztlich entscheidende Kostenursache sein mag. Solange es um die Lastentragung geht, lassen sich die verschiedenen Positionen zu dieser Frage jedenfalls nicht völlig eindeutig methodengerecht falsifizieren. Es spricht jedoch schon wegen der bei Erichsen herausgearbeiteten teleologischen Argumente vieles dafür, erst im Stadium unmittelbarer Verursachung der Ausgaben das Kriterium „sich ergeben" als erfüllt anzusehen. Diese Auffassung ist historisch gefestigt 130 . Sie reduziert Mischfinanzierungen, die sich als ausgabenfordernd erwiesen haben 131 und die Kontrolle durch Parlamente und Rechnungshöfe erschweren 132. Sie vermindert Einflußnahme des Bundes auf die Verwaltungstätigkeit der Länder und stärkt so deren
129
S.o. S. 20 f.
130
So insbesondere F. Kirchhof, Gutachten für den 61. DJT, S. D 28; weitere Nachw. bereits oben Fußn. 27 der Einleitung. 131
Boreil, Mischfinanzierungen, S. 42 ff.; grundlegend BT-Drucks. 11/480, Tz. 55 (bereits oben S. 73 wörtlich zitiert). 132
Boreil, Mischfinanzierungen, S. 35, 39.
10 Waiblinger
146
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Eigenstaatlichkeit 133 . Eine Kostenübernahme durch den Bund vermindert wirtschaftliche Anreize für die Landesverwaltungen, mit den Mitteln auch sparsam umzugehen. Vor allem aber sieht das Grundgesetz den Länderfinanzausgleich vor, der dafür sorgen soll, daß die Länder die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nötigen finanziellen Mittel bekommen. Es ist - bei allem Verständnis für die politische Sorge vor allem um die kommunalen Finanzen - nicht Aufgabe der Dogmatik zu Art. 104a Abs. 1 GG, Unstimmigkeiten im Finanzausgleich dadurch zu verdecken, daß zusätzlich auch in die Regeln zur Lastentragung neue Unstimmigkeiten hineininterpretiert werden. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich 134 hat gezeigt, daß die Länder gegenüber dem Bund, der durch seine Gesetzgebung immer mehr Ausgabenlasten schaffen kann und dies auch tut 1 3 5 , keinesfalls schutzlos sind 1 3 6 . Die Finanzierungslast richtet sich daher auch ohne den überflüssigen „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' weiterhin nach den vertrauten Kriterien zur „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit". Zumindest im Grundsatz kommt es erst im Stadium unmittelbarer Verursachung dazu, daß Ausgaben „sich ergeben". Deshalb kommt es zumindest im Regelfall auf den verwaltungsmäßigen Vollzug an. Das gilt auch, wenn Gesetze vollzogen werden, die kostspielige Verwaltungsmaßnahmen wie etwa eine Auszahlung von Geldleistungen anordnen. Nur in einzelnen Ausnahmefallen wird man nach den bereits zur bisherigen Dogmatik dargestellten Grundsätzen 137 Geldleistungsgesetze selbst schon als unmittelbar kostenverursachend ansehen können, so daß die Ausgaben bereits aufgrund des Gesetzes „sich ergeben". Wenn es aber nicht nur um die Kostenlast, sondern um die kompetenzrechtliche Zulässigkeit der „Bestellungen" in den „Bestellungsfällen" 138 geht, wirkt sich die Zuordnung des für die Lastentragung maßgeblichen Kriteriums der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" zum Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" in Art. 104a Abs. 1 GG statt zu einem wie auch immer definierten finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff auf die praktischen Ergebnisse aus. Noch einmal: Art. 104a Abs. 1 GG hat einen doppelten 133
Selmer, NJW 1996, S. 2062 (2065 f.).
134
BVerfGE 1, 117 ff. - Finanzausgleich I, BVerfGE 72, 330 - Finanzausgleich II; BVerfGE 86, 148 - Finanzausgleich HI/extreme Haushaltsnotlage. 135
Hierzu bereits oben S. 18.
136
Anders Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 98 ff.
137
S.o. S. 92 ff.
138
Zum Begriff s.o. S. 130 ff.
Α. Die „Bestellungsfälle"
147
Regelungsgehalt. Die Norm schreibt nicht nur eine Verknüpfung von Ausgaben und Aufgaben vor, mit der die Finanzen an die Kompetenzordnung gebunden werden, die Finanzverfassung also zur Folgeverfassung wird, sondern sie regelt darüber hinaus den Grundsatz der Ausgabentrennung, der auch bei Zusammenwirken verschiedener Kostenursachen eine eindeutige Zuordnung der Kostenlast an einen der beteiligten Kompetenzträger vorschreibt. Der „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff' dagegen führte dazu, daß nur einer dieser beiden Rechtssätze praktisch verwirklicht wurde. Man hatte nur das Problem der Zuweisung der Kostenlast gesehen und dann Art. 104a Abs. 1 GG im Wege teleologischer Auslegung des Begriffs der „Aufgabe" interpretiert. So gelangt man zum „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff', bei dessen Herleitung man in erster Linie Fragen der Lastentragung im Blick hatte. Auf diesem Wege hatte man den anderen der beiden Regelungsgehalte des Art. 104a Abs. 1 GG - den Grundsatz der Verknüpfung von Aufgaben und Ausgaben - faktisch „weginterpretiert". Bei den verschiedenen Überlegungen zur Lastentragung wurde nicht darüber nachgedacht, unter welchen Voraussetzungen Ausgaben im Sinne des Art. 104a Abs. 1 „sich ergeben". Stattdessen verlegte man sich darauf, über das Wesen des Begriffs der „Aufgabe" im allgemeinen, im besonderen und im Grundgesetz zu philosophieren. Dabei hatte man - so schlicht ist das - die Kriterien zur Umsetzung des einen in dieser Norm enthaltenen Grundsatzes - zum Grundsatz der Ausgabentrennung - in die Tatbestandsmerkmale zum anderen Grundsatz - die Verknüpfung von Ausgaben und Aufgaben - hineingelesen. Eine solche Vorgehensweise ist - bei aller rechtstheoretischen Kritik - für die Praxis unschädlich, solange die Ergebnisse stimmig sind. In den bisher von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen zu Art. 104a Abs. 4 GG spielte die Frage der Zulässigkeit der „Bestellung" überwiegend keine Rolle. Es ging nicht um die Frage der Reichweite von Kompetenzen, sondern allein um die Kostenlast. Dabei kommt es auf die unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit an. Die übliche Dogmatik ist in diesem Bereich zumindest nicht unplausibel 139 . Bedeutsam wird dieses „weginterpretierte" Tatbestandsmerkmal, wenn es um die Grenzen der Einflußnahme auf eine andere Ebene im Bundesstaat durch Finanzmacht geht. Dann ist nicht so sehr die Kostenlast, sondern in erster Linie die kompetenzrechtliche Zulässigkeit der „Bestellung" samt Finanzierung zweifelhaft. Gerade in diesen Fällen hat der Begriff der „Aufgabe" in Art. 104a Abs. 1 GG die Funktion, für die Verknüpfung der Finan-
139
S.o. S. 92 ff.
148
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
zen mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu sorgen. Dieser Begriff hat mit dem Grundsatz der Ausgabentrennung und dessen Ausgestaltung im Einzelfall - den Kriterien für die Zuweisung der Kostenlast - nichts zu tun. Die Lastentragung bestimmt sich nicht nach einem wie auch immer näher definierten „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff', sondern allein nach dem Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" des Art. 104a Abs. 1 GG. Dagegen fehlt nach dem überflüssigen „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff ' ein Kriterium, mit dem die Vorstellung, Art. 104a Abs. 1 GG normiere die Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen, tatsächlich auch eingelöst werden kann. Damit entpuppt sich der „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff', der seit Jahrzehnten in höchstem fachlichen Ansehen steht, bei genauerem Hinsehen als beinahe „klassischer" juristischer Kunstfehler. Er beruht auf einem Phänomen, das jedem Juristen, der mit Klausuren zu tun hatte, nur allzu vertraut ist: Es gebe eine Norm A, in der die Antwort auf die aufgeworfene Rechtsfrage enthalten sei, die man aber im Eifer des Gefechts nicht findet. Und es gebe eine Norm B, die man zwar findet, die aber eigentlich nicht einschlägig ist. Das „richtige" Ergebnis liege aber aufgrund allgemeiner Überlegungen nahe. Was tut man? (Meist besinnt man sich in solchen Situationen auf das methodische Instrumentarium der teleologischen oder rechtsfolgenorientierten Interpretation und legt damit in seiner Not die Norm Β dann so aus, daß das „richtige" Ergebnis herauskommt.) b) Die Ausnahmen (Art. 104a Abs. 1, 2. HS GG) Der zweite Unterschied zwischen Art. 104a Abs. 1 GG und den Parallelnormen aus dem Haushaltsrecht besteht darin, daß die verfassungsrechtliche Regelung in ihrem zweiten Halbsatz eine Ausnahme formuliert: „...soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt." In diesen Worten ist nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, worauf sich die Möglichkeit einer Ausnahme beziehen soll. Der erste Halbsatz des Art. 104a Abs. 1 GG enthält, wie bereits dargelegt, zwei verschiedene Regelungen: Den Grundsatz der Ausgabentrennung und den Zusammenhang von Ausgaben und Aufgaben, den eigentlichen Konnexitätssatz. Zum Grundsatz der Ausgabentrennung enthält das Grundgesetz verschiedene Ausnahmen. Alle Verfassungsnormen, die anteilige Mitfinanzierung einer anderen Ebene (Mischfinanzierung) 140 für zulässig erklären, sind unpro-
140
Grundlegend Rolf Boreil, Mischfinanzierungen.
Α. Die „Bestellungsfälle"
149
blematisch als Ausnahmen zum Grundsatz der Ausgabentrennung zu qualifizieren; hier bestimmt das Grundgesetz „etwas anderes" (Art. 104a Abs. 1, 2. HS. GG), in diesen Fällen kommt es zu einer anteiligen Finanzierung der Kompetenzwahrnehmung durch verschiedene Ebenen im Bundesstaat. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß es sich in allen Fällen gleichzeitig auch um Ausnahmen vom ebenfalls in Art. 104a Abs. 1 GG normierten Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben handelt, daß also in diesen Fällen eine Finanzierung auch ohne den Nachweis einer „Aufgabe" zulässig sei. Immerhin sind im Haushaltsrecht keine Ausnahmen beim Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben vorgesehen. Nach den bereits erwähnten Vorschriften, etwa § 5 HGrG oder § 6 BHO, ist eine Verwendung öffentlicher Finanzen ausschließlich - und ohne Ausnahmemöglichkeit - „zur Erfüllung der Aufgaben" zulässig. Eine „Aufgabe" des Bundes im Sinne des § 6 BHO soll vorliegen, „wenn sie sich ausdrücklich aus dem Grundgesetz ergibt; für den Bereich der Gesetzgebung sind dies die Art. 72 ff. GG, für den Bereich der Verwaltungszuständigkeit die Art. 83 ff. GG" 1 4 1 . Allerdings wird in der einschlägigen Literatur mitunter die Frage der Notwendigkeit der Ausgaben mit der Frage nach ihrer kompetenzrechtlichen Zulässigkeit vermengt. Im Haushaltsrecht der Länder stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer Finanzierung von Bundeskompetenzen ohnehin aus rein praktischen Gründen eher selten, so daß in den einschlägigen Arbeiten vor allem Fragen der Abgrenzung zwischen kompetenzgebundener „staatlicher" Betätigung und kompetenzfreier fiskalischer Betätigung aufgeworfen werden 142 . Für den umgekehrten Fall einer Finanzierung des Bundes für die Länder gilt ohnehin der Vorbehalt der Verfassung 143 . Das wird vor allem mit dem in Art. 109 Abs. 1 GG normierten Grundsatz der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft begründet. Aus dieser Vorschrift schließt man allgemein die „Unzulässigkeit von Übergriffen in fremde Etatbereiche, [...] insbesondere finanzieller Bundeseinwirkungen auf die Länderhaushalte (Fondswirtschaft, Dotationsauflagen, ,Angebotsdiktatur 4 und dergleichen), die nicht durch
141
v. Köckritz/Ermisch/Dittrich/Lamm, Bundeshaushaltsordnung, Anm. 3 zu § 6 BHO (aus der Zusammenfassung am Ende); Druckfehler berichtigt [Orig.: Art. 77 ff. statt 72 ff. GG]. 142
Insbesondere bei Birkner/Bachmayer/Kellner, Bayerisches Haushaltsrecht, Band I, Erl. zu Art. 6 BayHaushaltsordnung, wo in diesem Zusammenhang die Haushaltsansätze „Hofbräuhaus" und „Maxhütte" vertieft erörtert werden. 143
BT-Drucks. 11/480, Tz. 59 f., Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (529); Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 54.
150
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
entsprechende Bundeskompetenzen oder die Befugnis zum haushaltswirtschaftlichen Zusammenwirken legitimiert sind" 1 4 4 . Bund und Länder sollen ihre Haushaltsentscheidungen unbeeinflußt voneinander in eigener Verantwortung treffen können. Seit langem 145 ist man sich darüber einig, daß BundLänder-Finanzierungen im Rahmen des Art. 109 Abs. 1 GG nicht erst ab einer gewissen Intensität ihrer Wirkungen 146 , sondern ganz formal immer als rechtlich relevant angesehen werden müssen. Sinn und Zweck der finanzverfassungsrechtlichen Normen des Grundgesetzes ist nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts „nicht allein, eine geordnete öffentliche Finanzwirtschaft der verschiedenen staatlichen Aufgabenträger zu ermöglichen, sondern ebenso, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, daß die staatliche Selbständigkeit von Bund und Ländern real werden, ihre politische Autonomie sich in der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Aufgabenwahrnehmung und der Haushaltswirtschaft (Art. 109 Abs. 1 GG) entfalten [...] kann" 1 4 7 . Bereits nach kompetenzrechtlichen Kriterien ist daher Bund-LänderFinanzierung nur auf der Grundlage einer grundgesetzlichen Einzelermächtigung zulässig. Über den verfassungsrechtlichen Begriff der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG ist mit dieser Argumentation aber noch nichts ausgesagt. Zwar war bereits herausgearbeitet worden, daß die Frage der Lastentragung nichts mit dem Aufgabenbegriff zu tun hat; damit ist auch der Grund, wegen der Eindeutigkeit bei der Lastentragung unter einer „Aufgabe" nur die Verwaltungskompetenz oder etwas ähnliches zu verstehen, weggefallen. Der Begriff „Aufgabe" aus Art. 104a Abs. 1 GG kann damit jetzt ohne die Vorbelastungen aus der finanzverfassungsrechtlichen Diskussion der 60er und frühen 70er Jahre ausgelegt werden. Die genannten grundgesetzlichen Einzelermächtigungen für Bund-LänderFinanzierung sind jedoch möglicherweise nur wegen des grundgesetzlichen Vorbehalts der Verfassung für Bund-Länder-Einflüsse, also aus formalen Gründen erforderlich, stehen aber materiell im Zusammenhang mit Aufgaben des Bundes. Die rechtliche Konsequenz wäre, daß Bund-Länder-Finanzierungen auch in den Anwendungsbereichen dieser Vorschriften auf eine „Auf144
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 109, Rdnr. 5 (Abkürzungen ausgeschrieben). Im Ergebnis ebenso Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 109, Rdnr. 6; Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 109, Rdnr. 8. 145
Nachweise zu älterer Literatur bei Müller-Volbehr,
146
Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben, S. 152.
147
Fondskompetenz, S. 37 f.
BVerfGE 86, 148 (264) - Finanzausgleich Iii/extreme Haushaltsnotlage unter Hinweis auf BVerfGE 72, 330 (383) - Finanzausgleich II.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
151
gäbe" des Bundes zurückzuführen sind. Das hätte zur Folge, daß ebenso wie im Haushaltsrecht 148 auch im Verfassungsrecht der Zusammenhang zwischen Aufgaben und Ausgaben (Konnexitätssatz) ausnahmslos gilt. Die üblicherweise als Ausnahme zum Konnexitätssatz angesehenen Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung wären bei genauerem Hinsehen Anwendungsfälle der grundgesetzlichen Verknüpfung von Ausgaben und Aufgaben in Art. 104a Abs. 1 GG. Die Ausnahmemöglichkeit in Art. 104a Abs. 1 GG, nach der im Grundgesetz „etwas anderes bestimmt" sein kann, würde sich dann nicht auf den gesamten Regelungsgehalt des Art. 104a Abs. 1 GG beziehen und dadurch den Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben (Konnexitätssatz) insgesamt zur Disposition stellen. Vielmehr wäre nach der grundgesetzlichen Regelung nur wegen des zusätzlichen und über den Standard der haushaltsrechtlichen Vorschriften hinausgehenden Regelungsgehalts des Art. 104a Abs. 1 GG (Grundsatz der Ausgabentrennung) eine Ausnahme denkbar. Die praktische Konsequenz dieser Argumentation wäre, daß man auch in den Fällen, in denen das Grundgesetz ausnahmsweise anteilige Mitfinanzierung (Mischfinanzierung) vorsieht, zur Legitimation der finanziellen Beteiligung eine „Aufgabe" nachzuweisen hätte. Die soeben zitierte haushaltsrechtliche Literatur geht davon aus, daß neben Verwaltungskompetenzen auch Gesetzgebungskompetenzen und sogar einzelne finanzverfassungsrechtliche Bestimmungen eine Aufgabenzuweisung an den Bund enthalten können. Die Rechtslage im Haushaltsrecht ist aber nur ein Indiz. Verfassungsrecht ist eigenständig auszulegen. Das muß sehr sorgfältig geschehen. Die verfassungsrechtliche Methodik läßt es regelmäßig nicht zu, daß ein Verfassungsinterpret die Definitionsmacht über Normen für sich in Anspruch nimmt. Eine argumentative Parallele zum Haushaltsrecht bedarf einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Begründung. Eine bloße Übertragung einfachgesetzlicher Auslegungsregeln auf das Verfassungsrecht ist nicht statthaft 149 .
B. Aufgabenzuweisung aus Einzelermächtigungen Für die Praxis genügt es nicht, zu sehen, was eine „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1 GG) nicht ist. Bloße Falsifikation ist nicht ausreichend. Vielmehr wird
148 149
Hierzu bereits oben S. 142 f.
Keine „Gesetzmäßigkeit der Verfassung", Begriff nach Walter Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, 1964.
152
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
eine rechtliche Richtschnur benötigt, an der sich die politischen Verhandlungen über Bund-Länder-Finanzierung orientieren können. Dabei ist möglicherweise ein gewisses Maß an Vagheiten und Unsicherheiten nicht zu vermeiden. Dennoch kann sich eine Untersuchung des Begriffs der „Aufgabe" nicht darauf beschränken, Unstimmigkeiten des ohne Zweifel etwas eigenartigen „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" aufzuzeigen. Verfassungsinterpretation kann sich ohnehin nicht auf ein bloßes „Ernstnehmen der Verfassung als Gesetz" 1 5 0 beschränken. Erkenntnisse der juristischen Hermeneutik können nicht einfach ignoriert werden 151 . Verfassungsnormen beruhen auf historisch gewachsenen Rechtsüberzeugungen, die politische Erfahrungen widerspiegeln 152 . „Die Verortung dieser allgemeinen Weisungen in der Verfassung kann wegen deren spezifischer Normstruktur nur unvollkommen glücken. Der ,Wille zur Verfassung' wird daher stets ein wesentliches Element bei der Entfaltung von deren normativer Wirksamkeit sein" 1 5 3 . „Auch in den organisationsrechtlichen Vorschriften ... kommen bestimmte historische Erfahrungen und Werthaltungen zum Ausdruck" 1 5 4 . Es ist vor allem diese historische Dimension, die eine positive Begriffsbestimmung schwierig macht. Der verfassungsrechtliche Begriff der Aufgabe ist seit langem umstritten. Das hängt damit zusammen, daß viele Autoren 1 5 5 diesen Begriff in untrennbaren Zusammenhang mit der Staatsaufgabenlehre stellen wollen. Ein terminologischer Unterschied zwischen Aufgabe, Ziel oder Zweck lasse sich nicht konstruieren 156 . In allen Fällen gehe es letztlich um „die staatsphilosophische Reflexion über Einsetzung und Zielbestimmung der Staatsinstitution, von der griechischen Philosophie über das frühchristlichmittelalterliche Staatsdenken bis hin zum deutschen Idealismus und seiner Vorstellung eines Selbstzwecks' des Staates, wie sie sich nach wie vor in der zeitgenössischen Staatslehre findet" 1 5 7 . 150
Ernst Forsthoff, 1959, S. 35(41).
Die Umbildung des Verfassungsgesetzes, in: FS Carl Schmitt,
151
Statt aller: Reiner Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, 1971, S. 102.
152
R. Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, S. 101.
153
R. Schmidt, Wirtschaftspolitik und Verfassung, S. 101 f.
154
Reiner Schmidt, Gesetz und Recht als Orientierung im Wertewandel, BayVBl. 1988, S. 1 (3). 155
Insbesondere Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 6, S. 17 ff; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 154 ff., beide mit weit. Nachw. 156
Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 154.
157
Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 154.
. AufgabenzuWeisung aus Einzelermächtigungen
153
Auf diese Weise wird der Begriff „Aufgabe" im Verfassungsrecht mit Überlegungen aus zweieinhalb Jahrtausenden Ideengeschichte aufgeladen. Zur Frage, in welchen Bereichen sich der Staat betätigen soll, werden unterschiedlichste staatsphilosophische, staatstheoretische, politische, religiöse, moralische und juristische Ansichten vertreten. Selbst über grundlegende Fragen läßt sich kein umfassender Konsens herstellen. Daher ist es nicht weiter überraschend, daß über die richtige juristische Interpretation der Zwecke des Staates oder der Staatsaufgaben höchst unterschiedliche Positionen vertreten werden. Eine allgemeine Aussage über die Reichweite der Staatsaufgaben wird daher, auch wenn sie sich auf Normen des Verfassungsrechts beruft, typischerweise nur Einzelmeinung bleiben. Das Recht gibt in weiten Bereichen die Staatsaufgaben nicht vor, sondern läßt Raum für politische Entscheidungen und Prioritätensetzungen. Nur bei besonderen Konstellationen 158 wird sich Konsens darüber herstellen lassen können, daß dem Staat die Wahrnehmung oder Erfüllung einer bestimmte Aufgabe von Rechts wegen vorgeschrieben oder verboten sei. Selbst dann bestehen regelmäßig politische Gestaltungsspielräume darüber, auf welchem Weg sich das rechtlich vorgegebene Ziel am besten erreichen läßt. Vor allem bei politisch aktuellen Themen hat man es im verfassungsrechtlichen Diskurs oft nicht in erster Linie mit Rechtsüberzeugungen, sondern durchaus auch mit politisch engagierten Argumentationsformen zu tun. Diese historische Erfahrung lehrt, daß sich über einen als rechtliche Bezugnahme auf allgemeine Staatszwecklehren verstandenen Begriff der „Aufgabe" kein Konsens herstellen läßt. Unter solchen Voraussetzungen muß sich juristisches Argumentieren auf das beschränken, was sich mit dem methodischen Instrumentarium der Rechtswissenschaft leisten läßt. Gerade in politiknahen Grenzbereichen muß möglichst weitgehend unterschieden werden zwischen politischen Meinungsäußerungen und Argumenten, die sich auf den objektiven Geltungsanspruch des Rechts stützen können. Beschränkt man juristische Überlegungen auf einen Kernbereich gesicherter Rechtssätze, so kann man ernsthaft erwarten, daß sich der normative Geltungsanspruch solcher Rechtssätze auch in der Praxis durchsetzen läßt. Allerdings gibt das Recht dann oft keine Entscheidungskriterien mehr her. Viele Entscheidungen müssen daher der Politik überlassen bleiben. Meinungsäußerungen können in diesem Bereich - auch wenn sie von Juristen vorgetragen werden - nicht den
158
Es handelt sich um Fälle normativ fixierter Grundwerte. Ein Beispiel für einen solchen juristischen Konsens: Der Schutz des ungeborenen Lebens gehört - unbeschadet der politischen Grundsatzdiskussion darüber, welche Mittel zur Zielverfolgung für geboten oder für sachdienlich erachtet werden - jedenfalls zu den staatlichen Aufgaben.
154
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
objektiven Geltungsanspruch des Rechts für sich in Anspruch nehmen. Politisch mag das oft unbefriedigend sein. Man hätte vielleicht gern über den politischen Diskurs mehr durchsetzen wollen 1 5 9 . Bei der Auslegung des Begriffs der „Aufgaben" im Sinne des Grundgesetzes, in den - wie gezeigt - so manche Autoren sämtliche Überlegungen über die Zwecke des Staates aus der gesamten abendländischen Kulturgeschichte hineininterpretieren wollen, erscheint die Besinnung auf einen juristischen Minimalkonsens der einzig sinnvolle Weg, überhaupt rechtlich zu argumentieren. In Grenzbereichen zwischen Recht und Politik gelingt oft nur ein negativer Konsens. Die Rechtsordnung enthält nicht immer Kriterien dafür, was „richtig" ist. Nur ein gewisses Maß an Mindestanforderungen, über die Konsens herrscht, läßt sich für rechtlich verbindlich erklären. Daher wird es die juristische Methodik nur selten leisten können, in politiknahen Fragen den Nachweis zu führen, bestimmte eindeutige Lösungen seien rechtlich zwingend vorgegeben. Immerhin läßt sich auf der Grundlage dieser juristischen Selbstbeschränkung in vielen Fällen eindeutig feststellen, daß ein Handeln jedenfalls dann rechtswidrig ist, wenn es die genannten Mindestanforderungen nicht einhält. Die Diskussion wird klarer, wenn die Begriffe klarer gefaßt werden. Mit den Worten von Reiner Schmidt: „Es geht hier keineswegs um eine begriffliche Spielerei. Unter Staatsaufgaben versteht man die Fülle dessen, was die politischen Systeme nachweisbar zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen. Unter Staatszwecken dagegen wird die Vielfalt der Staatsaufgaben abstrahiert zusammengefaßt. In den Staatszwecken liegt die Begründung für die Staatsaufgaben." 160 A u f diese Weise kommt man zu einem nicht staatsphilosophisch, sondern juristisch definierten Aufgabenbegriff. Die politischen Systeme können im Föderalismus des Grundgesetzes nur nach Maßgabe ihrer Kompetenzen einzelne Sachfragen zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen. In dieser Auslegung steht der Begriff der „Aufgabe" - anders als der Begriff des Staatszwecks - unter dem generellen Vorbehalt des Nachweises einer Kompetenz als staatsorganisationsrechtlicher Ermächtigungsgrundlage. 159
Damit soll nicht gesagt sein, daß einem Juristen die politische Betätigung gewissermaßen verboten sei. Oft ist auch ein ohne juristische Argumente erzielter rein politischer Konsens darüber, was rationale Entscheidungen sein sollen, von grundlegender Bedeutung für die Staatspraxis. Die wissenschaftliche Fundierung dieses Ansatzes findet sich bei Hans Herbert v. Arnim, z.B. in: Staatslehre der Bundesrepublik Deutschland, 1984, S. 211 ff. m
R.Schmidt, NJW 1980, S. 160(161).
B. Aufgabenzu Weisung aus Einzelermächtigungen
155
Wie diese Kompetenz dann inhaltlich ausgefüllt wird, ist eine hiervon zu scheidende besondere Frage. Reiner Schmidt bewertet die Entwicklung so: „Die Staatszwecke sind weitgehend unverändert geblieben. Der Rechtszweck und der Sicherheitszweck, die Wahrung des inneren und äußeren Friedens, der Wirtschafts- und Sozialzweck, der Kulturzweck, sie alle haben lange Tradition und wurden vom modernen Staat eher mit Einschränkungen übernommen. Die Aufgabenvermehrung ist also sicherlich nicht auf eine Inflationierung der Staatszwecke zurückzuführen. Sie scheint vielmehr auf der staatlichen Bereitschaft zu beruhen, alle Aufgaben innerhalb der genannten Zwecke zu übernehmen. Der staatlichen Allzuständigkeit entspricht ein Anstrengungsverzicht nichtstaatlicher Kräfte. (...) Der Staat ist nicht nur zum Fortschrittsträger, sondern auch zum Garanten des persönlichen Glücks geworden. (...) Das Anwachsen der Aufgaben im modernen Staat ist ... vor allem auf einen umfassenden Säkularisierungsprozeß zurückführbar: Der Staat hat als weltliche Gegenkirche soziale Ansprüche zu erfüllen, emotionale Sehnsüchte zu befriedigen und Glück zu ermöglichen. Dies führt zu permanenter Überlastung, die durch eine Erwartungshaltung gesteigert wird, nach der nicht nur im Bereich von Wissenschaft und Technik, sondern auch in dem von Politik alles ,machbar4 erscheint". 161 Die Trennung zwischen Staatsaufgaben und Staatszwecken entstammt Kategorien der Staatslehre. Sie darf nicht unreflektiert auf die Auslegung von Rechtsbegriffen übertragen werden. Allerdings wird in vielen Untersuchungen als ohnehin evident angesehen, was nach dem Grundgesetz unter „Aufgaben" zu verstehen sei. Besonders eingängig zeigt sich dies am Aufbau der Würzburger Habilitationsschrift von Ulrich Häde aus dem Jahre 1996, die sich mit dem „Finanzausgleich" beschäftigt und - so der Untertitel - „Die Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen im Recht der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen U n i o n " 1 6 2 umfassend untersucht. Auch an anderer Stelle wird ähnlich argumentiert 163 . Die Arbeit Hades „geht von den Aufgaben als Grundlage des eigentlichen Finanz-Ausgleichs aus" 1 6 4 . Der Gang der Untersuchung:
161
R. Schmidt, NJW 1980, S. 160 f.
162
Ulrich Häde, Finanzausgleich. Die Verteilung der Aufgaben, Ausgaben und Einnahmen im Recht der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, Tübingen 1996. 163
Ganz ähnlich ist der Aufbau der Entwurfsbegründung der Finanzverfassungsreform von 1969; BT-Drucks. V/2861, Tz. 73 ff. Auch hier wird der Begriff der „Aufgaben" mit größter Selbstverständlichkeit nicht nur für Verwaltungskompetenzen, sondern auch für Gesetzgebungskompetenzen verwendet (Tz. 74). 164
Häde, Finanzausgleich, S. 13.
156
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
„Das 3. Kapitel stellt deshalb die Verteilung der Aufgaben auf Bund und Länder dar. Es erörtert zunächst die allgemeinen Grundsätze der Kompetenzverteilung und unterscheidet dann die Aufgabenverteilung in den Bereichen der drei Gewalten Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. [...] Auf der Basis der vorgegebenen Aufgaben Verteilung wendet sich das 4. Kapitel der Ausgaben Verteilung zu. Ausgangspunkt sind der in Art. 104a Abs. 1 GG verankerte Grundsatz der jeweils gesonderten Ausgabentragung, seine Bedeutung und seine Konsequenzen."165 Bei seiner Darlegung der Aufgabenverteilung (3. Kapitel) erörtert Häde dann nacheinander die allgemeine Kompetenzverteilung nach Art. 30 G G 1 6 6 , die Gesetzgebungskompetenzen nach Art. 70 ff. G G 1 6 7 , die Verwaltungskompetenzen 168 und die Kompetenzverteilung für die Rechtsprechung nach Art. 92 ff. G G 1 6 9 . Diese Darlegung der Aufgabenverteilung nach dem Grundgesetz beruht auf der Prämisse, daß sich der Begriff der „Aufgabe" nicht auf die Ausübung einzelner Arten von Kompetenzen einengen läßt. Eine Aufgabe des Bundes wird bei Häde also nicht nur aus Verwaltungskompetenzen, sondern ebenso auch aus Gesetzgebungskompetenzen hergeleitet. Aufgaben sind „alle unmittelbar kostenverursachenden Funktionen" 1 7 0 , das heißt jede „dem Bund oder den Ländern durch das GG erkennbar zugewiesene Betätigung" 171 . Wieder Häde: „Als Grundregel der Ausgabenverteilung weist Art. 104a Abs. 1 GG Bund und Ländern jeweils die Ausgaben zu, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Ausnahmen von diesem Konnexitätsprinzip sind nur zulässig, wenn das Grundgesetz etwas anderes bestimmt. Die Ausgabenzuständigkeit hängt somit grundsätzlich von der an anderer Stelle geregelten Verteilung der Aufgaben ab..." 172 . Damit bestimmen die allgemeinen Regeln des Kompetenzrechts, was eine „Aufgabe" ist. Grundsätzlich ist die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben Sache der Länder (Art. 30 GG, sog. Residualkompetenz). Der Bund muß dagegen nach dem grundgesetzlichen
165
Häde, Finanzausgleich, S. 13.
166
Häde, Finanzausgleich, S. 16 - 19.
167
Häde, Finanzausgleich, S. 19 - 30.
168
Häde, Finanzausgleich, S. 30 - 42.
169
Häde, Finanzausgleich, S. 43.
170
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 4.
171
Vogel/P.
172
Häde, Finanzausgleich, S. 48.
Kirchhofen:
BK, Art. 104a, Rdnr. 56.
Β. Aufgabenzuweisung aus Einzelermächtigungen
157
System begrenzter Einzelermächtigungen des Bundes im Einzelfall seine „Aufgabe" nachweisen. Der in dieser Vorgehensweise zum Ausdruck gebrachte einheitliche Aufgabenbegriff hat für die Rechtslage im Finanzverfassungsrecht eine ganz entscheidende Konsequenz: Was eine „Aufgabe" ist, regelt das Grundgesetz nicht in der finanzverfassungsrechtlichen Grundnorm des Art. 104a Abs. 1 GG. Dort ist lediglich normiert, daß eine „Aufgabe" nachgewiesen sein muß 1 7 3 . Damit wird die Verwendung öffentlicher Finanzmittel an die Kompetenzordnung geknüpft 174 , somit freier Disposition nach ausschließlich politischen Gesichtspunkten und ohne Rücksicht auf kompetenzrechtliche Bindungen entzogen. Dagegen ist die Frage, wie der Nachweis einer „Aufgabe" im einzelnen geführt werden kann, nicht in erster Linie eine Frage des Finanzverfassungsrechts. Das Finanzverfassungsrecht ist nur „Folgeverfassung", die sich mit den finanziellen Konsequenzen staatlichen Handeln befaßt und hierzu rechtliche Regeln aufstellt. Wenn der Grundansatz bei Häde zutrifft, so beantwortet sich die Frage, wie der nach Art. 104a Abs. 1 GG vorgeschriebene Nachweis einer „Aufgabe" geführt werden kann, nach allgemeinen Regeln des Kompetenzrechts. Jede Art von Kompetenz eignet sich grundsätzlich auch zum Nachweis einer „Aufgabe". Wenn in einer einzigen Sachmaterie verschiedene Arten von Kompetenzen an verschiedene Kompetenzträger zugewiesen sind (etwa Gesetzgebungskompetenzen an den Bund, Verwaltungskompetenzen an die Länder), ist die „Aufgabe" konsequenterweise mehreren staatlichen Ebenen gleichzeitig zugewiesen. Nach dem Grundgesetz würde dann ein einheitlicher Aufgabenbegriff gelten, der sich aus einer Gesamtschau von Gesetzgebungsund Verwaltungskompetenzen ergibt. Die nötige Eindeutigkeit bei der Zuordnung der Kostenlast nach Art. 104a Abs. 1 GG kann dann nicht mehr über den Begriff der „Aufgabe" erreicht werden. Es bedarf in solchen Fällen zusätzlicher Kriterien. Art. 104a Abs. 1 GG enthält das weitere Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" 175 , das auch bei mehrfacher Aufgabenzuweisung eine eindeutige Entscheidung über die Kostenlast ermöglicht. Diese Sichtweise läßt jedoch noch keine verbindlichen Rechtsaussagen zu. Die bloße Berufung auf Vorverständnis und Evidenz ist nach den Regeln
173
Dieser Zusammenhang ist vorbildlich herausgearbeitet bei F. Kirchhof.\ Gutachten für den 61. DJT, S. D 15 mit Fußn. 11. Diese Passage ist bereits oben S. 98 f. im Wortlaut wiedergegeben. 174
S.o. S. 47 ff.
175
S.o. S. 144 ff.
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
158
klassischen juristischen Argumentierens keine anerkannte Begründung 176 . Die praktischen Konsequenzen der Auffassung Hades sind in sich geschlossen und stimmig. Sei einheitlicher Aufgabenbegriff ist plausibel. Der eingeengte „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff 4 war ohnehin nur entwickelt worden, um Fragen der Lastentragung klären zu können. Er hat sich als überflüssig erwiesen 177 ; die Lastentragung läßt sich auch ohne diese Denkfigur eindeutig ermitteln 178 . Die Falsifikation des „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" allein sagt jedoch nicht, daß der einheitliche Aufgabenbegriff, wie ihn Häde verwendet, richtig ist. Es könnte genausogut sein, daß die Vorstellung, jede kompetenzrechtlich zulässige Finanzierung sei auch „Aufgabe", lediglich für die Lastentragung seien noch zusätzliche, eingrenzende Kriterien zu beachten, nicht zutrifft und stattdessen aus anderen Gründen die „Aufgabe" im Finanzverfassungsrecht enger gefaßt werden muß als im Kompetenzrecht. (1) Die Trennung zwischen Kompetenzrecht und Finanzverfassungsrecht Oft bleiben schon die Ansatzpunkte der Argumentation unklar. Die kompetenzrechtliche Frage, auf welcher Rechtsgrundlage subventionierende Staatstätigkeit zulässig ist, wird vermengt mit der finanzverfassungsrechtlichen Frage, nach welchen Kriterien die Lastentragung zu bestimmen sei. Das verwirrt. Kompetenzrecht und Finanzverfassungsrecht sind getrennt zu erörtern. Wenn der Begriff „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG lediglich die Staatsfinanzen der freien Verfügbarkeit nach politischem Ermessen entziehen und stattdessen an Kompetenzrecht binden soll, so bringt das Tatbestandsmerkmal „Aufgabe" nur eine Pauschalverweisung auf Kompetenzrecht zum Ausdruck. Die entscheidenden Kriterien für die Zulässigkeit finanzieller staatlicher Maßnahmen sind dann im Kompetenzrecht zu suchen; das Finanzverfassungsrecht hätte keinen Regelungsgehalt, der über die kompetenzrechtlichen Maßstäbe hinaus Finanzierung erlaubt oder verbietet. Jede kompetenzrechtlich zulässige Finanzierung stünde im Zusammenhang mit einer „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG.
176
Hierzu bereit S. 53 ff.
177
S.o. S. 147 f.
178
Das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" des Art. 104a Abs. 1 GG entscheidet, s.o. S. 144.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
159
Wollte man dagegen Art. 104a Abs. 1 GG einen über die kompetenzrechtlichen Mindestanforderungen hinausgehenden zusätzlichen finanzverfassungsrechtlichen Regelungsgehalt zuerkennen, nach dem nur bestimmte Arten von Kompetenzen zur Finanzierung ermächtigen, hätte man demgegenüber der Nachweis zu führen, daß im Finanzverfassungsrecht zusätzliche, strengere Anforderungen an die Zulässigkeit finanzieller staatlicher Maßnahmen gestellt werden als im allgemeinen Kompetenzrecht. Eine an sich kompetenzrechtlich zulässige Finanzierung wäre dann in einzelnen Fällen aus besonderen finanzverfassungsrechtlichen Gründen unzulässig. In weiten Bereichen staatlichen Handelns kann man die Frage, ob die „Aufgabe" im Sinne des Finanzverfassungsrechts nicht nur die kompetenzrechtliche Zulässigkeit einer Verwendung staatlicher Haushaltsmittel voraussetzt, sondern darüber hinaus zusätzliche strengere finanzverfassungsrechtliche Anforderungen stellt, ungeklärt lassen. Bei Finanzierungen im StaatBürger-Verhältnis hat sich heute die Ansicht durchgesetzt, daß staatliches Geldverteilen an die Bürger rechtlich als Verwaltungstätigkeit einzuordnen sei. Subventionierung ist kompetenzrechtlich nur auf der Grundlage von Verwaltungskompetenzen zulässig. Staatsorgane, die Subventionen verteilen wollen, müssen bei der Vergabe nicht nur materielle öffentlichrechtliche Bindungen - insbesondere Grundrechte - beachten, sondern vor allem zunächst ihre Zuständigkeit - genauer: Verwaltungskompetenz - nachweisen 179 . Das Kompetenzrecht stellt in diesem Bereich so strenge Anforderungen an die Zulässigkeit einer Verwendung der Staatsfinanzen, daß zusätzliche strengere Anforderungen des Finanzverfassungsrechts praktisch nicht zum Tragen kommen können. Schon aus kompetenzrechtlichen Gründen muß für subventionierende Staatstätigkeit eine Verwaltungskompetenz nachgewiesen sein. Subventionierung - im Staat-Bürger-Verhältnis - ohne Verwaltungskompetenz ist schlicht rechtswidrig. Selbst wenn man, etwa im Anschluß an Häde 180, den Begriff „Aufgabe" weit fassen und nicht nur aus Verwaltungskompetenzen, sondern auch aus Kompetenzen in den Bereichen Gesetzgebung und Rechtsprechung eine „Aufgabe" herleiten will, die im Finanzausgleich Berücksichtigung finden kann, so kommt diese Ausweitung des Begriffs „Aufgabe" im finanzverfassungsrechtlichen Sinne bei subventionierender Staatstätigkeit aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht zum Tragen.
179
Ζ. B. Görg Haverkate, Subventionsrecht, in: Reiner Schmidt (Hrsg.), Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil 1, S. 331 ff. (346). Umstritten ist die Kompetenzbindung nur bei erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, hierzu Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, 1990, S. 526 f. 180
Bereits oben Fußn. 162 des 2. Teils.
160
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Rechtsgrundlagen subventionierender Staatstätigkeit ein größeres Maß an bundesstaatsrechtlicher Komplexität aufweisen. Nach dem Grundgesetz wirken üblicherweise mehrere Ebenen im Bundesstaat an der Erfüllung einer einzigen Sachaufgabe mit. Im deutschen Modell des Exekutivföderalismus liegen die Gesetzgebungskompetenzen meistens beim Bund. Verwaltung ist dagegen Sache der Länder. Auch bei dieser Konstellation gilt die Grundregel, wonach im Staat-BürgerVerhältnis für subventionierende Verwaltungstätigkeit eine Verwaltungskompetenz erforderlich ist. Dem Bund ist es verfassungsrechtlich verboten, Subventionen zu verteilen (und auf diese Weise die Deckungsquotenberechnungen im Finanzausgleich zu seinen Gunsten zu beeinflussen), solange er keine Verwaltungskompetenz nachweisen kann 181 . „Verwalten durch Geldausgeben" ist auch dann Verwaltungstätigkeit, wenn Bundesgesetze die Ausgaben in erheblichem Maße festlegen oder den Bürgern sogar Rechtsansprüche einräumen. Daher ist es nur konsequent, wenn bei subventionierender Staatstätigkeit auch der Nachweis einer „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG kompetenzrechtlich nur mit einer Verwaltungskompetenz geführt werden kann. Selbst im Zusammenhang mit Bundesfinanzierung auf der Grundlage ungeschriebener Kompetenzen wird der Nachweis einer Verwaltungskompetenz verlangt 182 . Die Zulässigkeitskriterien des Kompetenzrechts sind so eng, daß sich die Frage, ob im Finanzverfassungsrecht außer der Verwaltungskompetenz auch andere Arten von Kompetenzen grundsätzlich geeignet sind, die „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG nachzuweisen, praktisch nicht stellt. Das Grundgesetz enthält zwar verschiedene Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung 183. Es findet sich aber keine Norm, die den Bund im Staat-Bürger-Verhältnis zu Direktsubventionen ohne Verwaltungskompetenz ermächtigt. In diesem System ist es folgerichtig, daß auch die Finanzierungslast im Zusammenhang mit Subventionen im Grundsatz auch dann bei den Ländern liegt, wenn diese „nur" Träger der Verwaltungskompetenz sind, die Subventionen aber durch Bundesgesetz - sei es mit oder ohne Einräumung subjektiver Rechte der Bürger vorgeschrieben sind. Die Länder müssen allerdings im Finanzausgleich so gestellt werden, daß sie die ihnen auferlegten Ausgabenlasten auch tragen können. 181
Auf die Grundsatzdebatte zur Frage nach zusätzlichen Anforderungen an die Zulässigkeit von Subventionen, insbesondere unter dem Aspekt eines Gesetzesvorbehalts, soll hier nicht eingegangen werden. Ausführlich hierzu Haverkate, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil I, S. 346 (351). 182
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (538).
183
Hierzu sogleich S. 166 ff.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
161
Bei Subventionen im Staat-Bürger-Verhältnis ist es daher unschädlich, die Argumentation zu verkürzen und die „Aufgabe" insoweit mit der Verwaltungskompetenz gleichzusetzen. Die Trennung zwischen kompetenzrechtlichen und finanzverfassungsrechtlichen Kriterien bleibt hier ohne praktische Auswirkungen. Die Frage, ob der Nachweis einer „Aufgabe", die allein nach Art. 104a Abs. 1 GG zu Ausgaben ermächtigt, auch mit anderen Arten von Kompetenzen geführt werden kann, bleibt hier ohne praktische Bedeutung. Staatstheoretisch ist das interessant. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes ist im Recht der Subventionen als „Folgeverfassung" 184 konzipiert. Subventionierendes Staatshandeln ist kompetenzgebunden. Niemand darf Grenzen der Reichweite seiner Kompetenzen dadurch umgehen, daß er zu finanziellen Steuerungsinstrumenten greift. Das ist nach bundesdeutschem Verfassungsrecht schlechthin unzulässig 185 . Gerade hierin liegt die staatspolitische Bedeutung und Tragweite des in Art. 104a Abs. 1 GG normierten Konnexitätssatzes. Es sei darauf hingewiesen, daß das Recht der Europäischen Gemeinschaften - vor allem im Zusammenhang mit den EG-Strukturfonds (Art. 130b [159] ff. EGV) - in dieser Frage ganz grundlegend anders konzipiert ist. Allerdings eröffnet das Grundgesetz eine kompetenzrechtliche Umgehungsmöglichkeit. Der Bund kann, wenn er eine Gesetzgebungskompetenz hat, durch Bundesgesetz selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts errichten (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG). In dieser Vorschrift stellt das Grundgesetz gewissermaßen einen Kunstgriff zur Verfügung, mit dem jede Gesetzgebungskompetenz in eine eigenständige186 Verwaltungskompetenz verwandelt werden kann. Die so geschaffenen Verwaltungszuständigkeiten eröffnen dem Bund nach dem Konnexitätssatz auch Finanzierungsmöglichkeiten. Sie sind Grundlage 184
BVerfGE 55, 274 (300 f.) - Berufsbildungsabgabe; Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537). 185
Dieser Satz ist möglicherweise im Zusammenhang mit den Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a, 91b GG und den Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG zu relativieren. Dieser Frage kann jedoch im Rahmen dieser Untersuchung nicht erschöpfend nachgegangen werden. Es sei an dieser Stelle lediglich darauf verwiesen, daß diese Vorschriften üblicherweise als eigenständige Kompetenznormen (Aufgabenzuweisungen an den Bund) angesehen werden (grundlegend z.B. Jörg MüllerVolbehr, Fonds- und Investitionshilfekompetenz des Bundes, 1975). 186
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 87, Rdnr. 7 m. weit. Nachw.; BVerfGE 14, 197 (210) - Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. 11 Waiblinger
162
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
einer „unmittelbar" kostenverursachenden Tätigkeit. Die Verwaltungskompetenz solcher Behörden ist zwar begrenzt. Bundesoberbehörden - die Nachfahren der kaiserlichen Reichsämter 187 - sind nur Behörden, die keines selbständigen Unterbaus bedürfen 188 . Dennoch wird anerkannt, daß auch die begrenzte Verwaltungskompetenz dem Bund nach dem Konnexitätsprinzip eigene Finanzierungsmöglichkeiten eröffnet 189 . Dabei wird sogar vertreten, daß im Kompetenzbereich der nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG geschaffenen Bundesbehörden die Ausgabenlast im Grundsatz ausschließlich beim Bund liegen und nach dem Fremdfmanzierungsverbot die Landeskompetenz verdrängen soll 1 9 0 . Diese Argumentation hat allerdings nur geringe praktische Bedeutung. Die selbständigen Bundesoberbehörden haben oft unscharf eingegrenzte Zuständigkeiten, die Landeszuständigkeiten nicht verdrängen, sondern eher neben diese treten sollen 1 9 1 . A u f die Konstruktion nach Art. 87 Abs. 3 GG hat man lange Zeit die Bundessubventionen für die Steinkohle gestützt. Nach dem Kohlegesetz 192 gab es einen „Bundesbeauftragten für den Steinkohlenbergbau" (§ 1 Abs. 1) als am Vergabeverfahren beteiligte selbständige Bundesoberbehörde. Diese Konstruktion ist vielleicht - wie Haverkate formuliert 193 - wirklich nicht mehr als eine „schwankende Eselsbrücke". Dennoch muß sie erhebliche Geldsummen tragen.
187
Ronellenfitsch,
Mischverwaltung, S. 206.
188
Ronellenfitsch, Mischverwaltung, S. 205 ff. (209) in ausführlicher Auseinandersetzung mit Gegenansichten. 189
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537); Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 12. 190
Dieter Carl, Finanzierungskompetenz und Finanzierungsverantwortung des Bundes auf dem Gebiet sektoraler Wirtschaftsförderung, DÖV 1986, S. 581 (587). Später versucht Carl, das praktische Ergebnis, wonach der Bund wegen der saarländischen Stahlindustrie Finanzierungspflichten habe, auf eine andere Begründung zu stützen; ders., AöR 114 (1989), S. 450 (478). 191
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 12.
192
Vom 15.5.1968 (BGBl. I S. 365) außer Kraft am 31.12.1977. Deshalb bestehen für die Kohlefinanzierung ab 1978 erhebliche Kompetenzschwierigkeiten, vgl. Haverkate, in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil I, S. 346 (347 f.). 193
Haverkate, I, S. 346 (348).
in: Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Besonderer Teil
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
163
(2) Die „Aufgabe" - ein Begriff des Kompetenzrechts Komplizierter wird die nach Art. 104a Abs. 1 GG vorgeschriebene Prüfung der „Aufgabe", wenn es nicht um Subventionen des Staates an die Bürger geht, sondern die Zahlungsströme zwischen Bund und Ländern erörtert werden sollen. Bund-Länder-Finanzierung ist regelmäßig Finanzierung ohne Verwaltungskompetenzen. Sie ist kompetenzrechtlich zulässig, soweit das Grundgesetz hierzu in verschiedensten Normen Einzelermächtigungen enthält. Die soeben bei den Finanzierungen im Staat-Bürger-Verhältnis angewandte Argumentationstechnik läßt sich daher nicht übertragen. Bei Subventionen hatte man die Frage nach der „Aufgabe" im Finanzverfassungsrecht ungeklärt lassen können, weil bereits die Anforderungen des Kompetenzrechts an den Nachweis einer „Aufgabe" so streng sind, daß zusätzliche Einschränkungen nach Finanzverfassungsrecht praktisch nicht zum Tragen kommen. Bei der Bund-Länder-Finanzierung führt die Gleichsetzung der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG mit der Verwaltungskompetenz zu Widersprüchen in der Argumentation. Die beiden Prämissen „Der Konnexitätssatz gilt auch im Bund-Länder-Verhältnis" 194 und „Aufgabe im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG ist nur die Verwaltungskompetenz" 195 schließen sich weitgehend gegenseitig aus. Wenn der Konnexitätssatz des Art. 104a Abs. 1 GG nur die Anknüpfung der Finanzierung an Verwaltungskompetenzen regeln soll, so kann er für die Bund-Länder-Finanzierung nicht gelten, weil es sich typischerweise 196 um Finanzierung ohne Verwaltungskompetenzen handelt. Verwaltungskompetenzen tragen zwar Bund-Länder-Finanzierung, sind jedoch gegenüber den Finanzströmen auf der Grundlage grundgesetzlicher Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung von geringerer praktischer Bedeutung. Soll die Verknüpfung von „Aufgaben" und Ausgaben auch im BundLänder-Verhältnis gelten, so muß der Begriff der „Aufgaben" so ausgelegt werden, daß auch die verschiedenen Einzelermächtigungen, die Rechtsgrundlagen für Bund-Länder-Finanzierung enthalten, hierunter fallen können. Dennoch ist man sich einig, daß der Grundgedanke des Konnexitätssatzes im Ergebnis auch im Bund-Länder-Verhältnis gilt. Die Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen müsse gerade dort ihre Stabilisierungsfunkti-
194
Zum Nachweis bereits oben S. 139.
195
Zur Herleitung dieses Lehrsatzes bereits oben S. 65 ff, zur Kritik s.o. S. 92 ff.
196
Zum Ausnahmefall einer Finanzierung auf der Grundlage von Verwaltungskompetenzen des Bundes Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537).
164
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
o n 1 9 7 erfüllen. Einflußmöglichkeiten werden vom Grundgesetz nicht über die Finanzordnung, sondern ausschließlich über die Kompetenznormen zur Verteilung der einzelnen Sachaufgaben auf Bund und Länder definiert. Man hatte aus der Verfassungsgeschichte gelernt 198 , daß die bundesstaatliche Ordnung durch finanzverfassungsrechtliche Regelungen abgesichert werden muß. Daher wird Art. 104a Abs. 1 GG nicht nur als Lastentragungsregel, sondern auch als Verbot einer Finanzierung fremder Kompetenzen ausgelegt 1 9 9 . Finanzieren im fremden Haushalt ist regelmäßig unzulässig. Die detailliert geregelte und fest gefügte Kompetenzordnung des Grundgesetzes soll nicht von der finanziellen Seite her unterlaufen 200 werden können. Rechtsdogmatik hat zur Aufgabe, Normen so auszulegen, daß ihre verschiedenen Regelungsgehalte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Art. 104a Abs. 1 GG hat - wie bereits dargestellt - einen doppelten Regelungsgehalt. Die Vorschrift normiert zunächst den Grundsatz der Ausgabentrennung 2 0 1 , nach dem die Ausgabenlast möglichst eindeutig einer der beteiligten Ebenen im Bundesstaat zugeordnet werden muß. Sodann ist die Verknüpfung der „Aufgaben" mit den „Ausgaben", der Kompetenzen mit den Finanzen, vorgeschrieben. Diese Struktur des Art. 104a Abs. 1 GG legt folgende Auslegung nahe: Der Begriff der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 enthält eine pauschale Verweisung auf die kompetenzrechtlichen Zulässigkeitskriterien.
197
Erichsen, Konnexität, S. 35.
198
Darstellung in BT-Drucks. V/2861 (Regierungsbegründung Finanzreformgesetz 1969), insbesondere Tz. 38, auch Tz. 15 f., 27 f., 63 ff; Erichsen, Konnexität, S. 16; Rolf Graven, Der Staat (7) 1968, S. 63 (77); Karl M. Hettlage, VVDStRL 14, S. 2 (6); Wilhelm Henle, DÖV 1966, S. 608 (612), Sturm, DÖV 1968, S. 466; Werner Patzig, DVB1 1969, S. 429. 199
Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 66; Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 25; Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 5; Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537); Kisker, Kooperation, S. 43; Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 104a, Rdnr. 8; Isensee, HStR IV, S. 517 (628); Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 98.; BT-Drucks. V/2861, Tz. 114; aA werden soweit ersichtlich nur zur Rechtslage vor Einfügung des Art. 104a Abs. 1 ins Grundgesetz vertreten. 200
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (990).
201
S.o. S. 143 f.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
165
Bei mehrstufiger Wahrnehmung von Staatsaufgaben ist nach Art. 104a Abs. 1 GG vor allem zu prüfen, ob Kosten „sich ergeben". Diese Interpretation hat aber nichts mit dem Begriff der „Aufgabe" zu tun. Danach gilt zunächst der einheitliche Aufgabenbegriff, wie er etwa bei Häde dargestellt ist 2 0 2 . Jedes kompetenzgemäße Staatshandeln ist grundsätzlich geeignet, den zu einer Verwendung öffentlicher Finanzen nötigen Nachweis einer „Aufgabe" zu erbringen. Eine engere Fassung dieses Begriffs - ein wie auch immer eingegrenzter „finanzverfassungsrechtlicher Aufgabenbegriff' - war nur entstanden, weil Fragen der Lastentragung statt in die einschlägige Formulierung „tragen gesondert die Ausgaben, die sich ... ergeben" des Art. 104a Abs. 1 GG in den Begriff der „Aufgabe" hineingelesen worden sind. Man hatte versucht, nach einem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff ' unter den Begriff der „Aufgabe" nur Verwaltungskompetenzen 203, nur Gesetzgebungskompetenzen204 oder einzelne andere Veranlassungsbeiträge zur Kostenentstehung205 zu fassen. In einem zweiten Schritt sind dann die Fälle mehrstufiger Wahrnehmung von Staatsaufgaben zu klären. Wenn beispielsweise Gesetzgebungskompetenzen beim Bund, Verwaltungskompetenzen dagegen bei den Ländern liegen und nach dem in Art. 104a Abs. 1 GG normierten Grundsatz der Ausgabentrennung („tragen gesondert") die Ausgaben eindeutig einer der beteiligten Ebenen zugewiesen werden müssen, so ist nach dem Wortlaut des Art. 104a Abs. 1 GG nur zu prüfen, ob Kosten „sich ergeben" 206 . Mit dem Begriff der „Aufgabe" hat diese Interpretation nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um eine eigenständig zu lösende Kausalitätsfrage 207. Regelmäßig ist der Kausalzusammenhang zwischen Verwaltungskompetenzen und Kostenentstehung so eng, daß ein „sich ergeben" zu bejahen ist. Die bisher herausgearbeitete Auslegung des Begriffs der „Aufgabe" in Art. 104a Abs. 1 GG im Sinne des einheitlichen Aufgabenbegriffs ist bislang nur thesenartig hergeleitet worden. Sie soll nun an den verschiedenen Anwendungsfällen im Grundgesetz praktisch überprüft werden. Das Grundgesetz enthält verschiedene Einzelermächtigungen für Bund-Länder-Finanzierung. Es erklärt „Ausgaben" für zulässig. Diese Vorschriften beinhalten gewisser-
202
S.o. S. 155 ff.
203
So die h.M., s.o. Fußn. 27 der Einleitung.
2
^ So die Gegenansicht, s.o. S. 64.
205
S.o. S. 58 ff.
206
S.o. S. 144 ff.
207
S.o. S. 86 ff.
166
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
maßen das Programm für eine Überprüfung der Praxistauglichkeit einer Dogmatik zum Begriff der „Aufgabe", die bisher nur deduktiv hergeleitet worden ist. Möglicherweise erlaubt eine Gesamtschau der einzelnen Finanzierungsvorschriften einen Rückschluß auf allgemeine Kriterien, nach denen die diesen „Ausgaben" zugrundeliegende „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1 GG) ermittelt wird. Wenn es gelingen sollte, die verschiedenen Anwendungsfälle zulässiger Bundesfinanzierung dogmatisch auf einen „gemeinsamen Nenner" zu bringen, der sich mit dem bisher nur deduktiv hergeleiteten Begriff der „Aufgabe" deckt, so hat die vorgestellte These eines einheitlichen Aufgabenbegriffs den „Praxis-Test" bestanden. Die meisten der Vorschriften des Grundgesetzes über Bund-LänderFinanzierung haben die Funktion, Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zu ergänzen (1.). Nur ganz wenige Einzelermächtigungen tragen Maßnahmen des Bundes jenseits der äußersten Grenzen seiner Gesetzgebungskompetenz (2.)·
1. Einzelermächtigungen zur Bund-Länder-Finanzierung Das Grundgesetz enthält folgende Einzelregelungen, die den Bund ausdrücklich zu Zahlungen an die Länder ermächtigen:
-
-
Art. 91a, 91b GG (Gemeinschaftsaufgaben) Art. 104a Abs. 2 GG (Auftragsverwaltung) Art. 104a Abs. 3 GG (Geldleistungsgesetze) Art. 104a Abs. 4 GG (Finanzhilfen) Art. 106 Abs. 4 Sätze 2, 3 GG (Mehrbelastungsausgleich) Art. 106 Abs. 8 GG (Sonderlastenausgleich) Art. 106a GG (Bundeszuschuß für den öffentlichen Personennahverkehr der Länder) Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG (Ergänzungszuweisungen) Art. 120 GG (Kriegsfolgelasten)
Bei der Untersuchung dieser Regelungen kommt es auf die kompetenzrechtliche Frage, ob die Finanzierung zulässig ist, ebenso an wie auf die finanzverfassungsrechtliche Frage nach der Kostenlast. Die Frage, ob die verschiedenen Finanzierungsvorschriften des Grundgesetzes Anwendungsfall oder Ausnahme zum grundgesetzlichen Konnexitätssatz sind, betrifft zunächst die finanzverfassungsrechtliche Seite. Es geht um die Kostenlast. Bund und Länder „tragen gesondert" die Ausgaben (Art. 104a Abs. 1 GG); die Kosten sind also eindeutig einer der beteiligten Ebenen im
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
167
Bundesstaat zuzuordnen 208 . Maßstab für die Zuordnung der Kostenlast zur einen oder anderen Seite ist das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" des Art. 104a Abs. 1 G G 2 0 9 . Im Normalfall ist dieses Kriterium nur auf der Ebene des Letztvollzugs erfüllt; erst eine „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" führt dazu, daß Kosten „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG). Möglicherweise enthält das Grundgesetz im Rahmen der Vorschriften über Bund-LänderFinanzierung abweichende Wertungen. Es könnte sein, daß bei der BundLänder-Finanzierung das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" des Art. 104a Abs. 1 GG anders konkretisiert werden muß als im Normalfall. Die Kostenlast wird üblicherweise nach dem Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" bestimmt. Das ist regelmäßig der Letztvollzug. An der Fallgruppe der „Bestellungsfälle" 210 hatte sich gezeigt, daß bei Fremdleistungen letztlich der Aufgabenkreis des Fremdleisters der entscheidende rechtliche Maßstab ist. Wenn durch die Bestellung Verhaltensweisen angeregt werden, die über das Maß dessen hinausgehen, was die Länder bereits kraft ohnehin bestehender anderweitiger Aufgabenzuweisung beachten müssen, so ist rechtsdogmatisch betrachtet bereits die „Bestellung" des Bundes selbst „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" 2 1 1 . Die Konsequenz: Der Bund hat für die Maßnahme bereits nach den allgemeinen Kriterien zu Absatz 1 des Art. 104a GG die Finanzierungslast. Die verschiedenen Sondervorschriften des Grundgesetzes über Bund-Länder-Finanzierung wären in bezug auf finanzverfassungsrechtliche Fragen der Lastentragung nur deklaratorisch. Mit dieser Argumentation münden finanzverfassungsrechtliche Fragen in kompetenzrechtliche Antworten: Die grundgesetzlichen Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung sind dann nicht wegen der finanzverfassungsrechtlichen Frage der Lastentragung, sondern vor allem aus kompetenzrechtlichen Gründen erforderlich. Für Einflüsse des Bundes auf die Länder gilt der Vorbehalt der Verfassung 212 . Das Grundgesetz normiert begrenzte Einzelermächtigungen des Bundes. Für Mischfinanzierungen ist wegen des in Art. 104a Abs. 1 GG normierten Grundsatzes der Ausgabentrennung erst recht eine verfassungsrechtliche Grundlage erforderlich. Die konkret erfüllte „Aufgabe", aus der die Ausgaben „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG), ist
208
S.o. S. 62 ff., h.M.; aA de lege ferenda Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 181.
209
S.o. S. 144 f.
210
S.o. S. 130 ff.
211
S.o. S. 134 f.
212
S.o. S. 149 f.
168
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
bei dieser Konstellation nicht eine Aufgabe des Fremdleisters, sondern eine Aufgabe des Bestellers. Die Frage, ob die verschiedenen Finanzierungsvorschriften des Grundgesetzes Anwendungsfall oder Ausnahme zum grundgesetzlichen Konnexitätssatz sind, läßt sich auch ohne den soeben erwähnten argumentativen Umweg über finanzverfassungsrechtliche Argumente sogleich aus kompetenzrechtlicher Perspektive stellen: W i l l der Bund gegenüber den Ländern als „Besteller" in einem „Bestellungsfall" auftreten, so muß er nach dem grundgesetzlichen System der begrenzten Einzelermächtigungen des Bundes hierzu eine Rechtsgrundlage in der Verfassung nachweisen. Eine „Bestellung", aus der Ausgaben „sich ergeben", ist daher nur mit einer Rechtsgrundlage zulässig, die Bund-Länder-Finanzierung trägt 2 1 3 . Allerdings enthält nicht jede Vorschrift des Grundgesetzes über Bund-Länder-Finanzierung eine eigenständige Finanzierungskompetenz. In vielen Fällen ist nur eine Ermächtigung zur Handlungsform „Finanzierung" ausgesprochen, die zunächst voraussetzt, daß der Bund die „Aufgabe" - nach Art. 104a Abs. 1 GG Voraussetzung der Finanzierung - anderweitig nachweisen kann, und dann besondere Wertungen normiert, nach denen die Ausgaben ausnahmsweise nicht erst beim Letztvollzug, sondern nach anderen Kriterien „sich ergeben". a) Gemeinschaftsaufgaben, Art. 91a, 91b GG Die Steuerungswirkungen sind bei den Gemeinschaftsaufgaben nach dem Grundgesetz mehrstufig konstruiert. Zunächst ist in der Verfassung enumerativ aufgezählt, auf welchen Gebieten der Bund bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mitwirkt, nämlich Hochschulbau, Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Agrarstruktur und Küstenschutz (Art. 91a) sowie Bildungsplanung und Forschungsförderung (Art. 91b). Ein Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, gestaltet dann die verschiedenen Anwendungsbereiche der Gemeinschaftsaufgaben inhaltlich näher aus. Die Gesetzgebungskompetenz 214 hierfür folgt aus Art. 91a Abs. 2 GG. Dieses Gesetz muß einen vorgegebenen Mindestinhalt haben (Art. 91a Abs. 3 GG). Dazu gehören vor allem auch institutionelle Absicherungen der Länderstaatlichkeit durch Verfahrensregeln und durch Institutionen für eine gemeinsame Rahmenplanung. Daneben hat das Gesetz auch allgemeine Grundsätze für die Erfüllung der Gemeinschaftsaufgaben zu enthalten. Es ist umstritten, ob dadurch Art. 91a GG - ähnlich wie im Haushaltsrecht Art. 109
213
S.o. S. 46 ff.
214
Ute Mager, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 91a, Rdnr. 37 m. weit. Nachw.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
169
Abs. 3 GG - als Grundsatzgesetzgebungskompetenz einzuordnen ist 2 1 5 . Das hätte die rechtliche Konsequenz, daß die Gesetzgebung keine Außenwirkung im Staat-Bürger-Verhältnis entfaltet, sondern nur das „InnenVerhältnis" 216 zwischen Bund und Ländern regelt. Die Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung und Forschungsförderung (Art. 91b GG) unterscheidet sich vor allem bei den formalen Anforderungen an die rechtlichen Grundlagen der Einwirkungsmaßnahmen. Bund und Länder können hier auch ohne Gesetz zusammenarbeiten; eine Verwaltungsvereinbarung ist ausreichend. Gewissermaßen als Ausgleich dafür gilt das Einstimmigkeitsprinzip 217 . Der Begriff „Gemeinschaftsaufgaben" ist mißverständlich 218 . Die wahrgenommenen Kompetenzen sind Kompetenzen der Länder. Der Grundsatz der Einzigkeit der Zuständigkeit gilt auch hier. Der Bund wirkt lediglich als Gesetzgeber, bei der Ausarbeitung der Rahmenplanung und vor allem bei der Finanzierung mit. Regelmäßig trägt der Bund die Hälfte der Ausgaben; bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" kann die Bundesbeteiligung höher liegen, bei der Bildungsplanung herrscht bei der Vereinbarung über die Aufteilung der Kosten zwischen Bund und Ländern völlige Freiheit. Es kommt damit finanzverfassungsrechtlich zu Mischfinanzierung 219 , obwohl kompetenzrechtlich allein Zuständigkeiten der Länder wahrgenommen werden. Die Gemeinschaftsaufgaben nach dem Grundgesetz sind als Maßnahmen im Rahmen des Systems begrenzter Einzelermächtigungen des Bundes konzipiert. Art. 91a Abs. 2 GG ist eine Gesetzgebungskompetenz, die nur auf den in Absatz 1 dieser Vorschrift genannten Sachgebieten eingesetzt werden darf. Auch die Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung und Forschungsförderung nach Art. 91b GG ist auf einzelne Sachgebiete begrenzt. Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG) ist die Eingrenzung auf einzelne Sachgebiete allerdings schwierig handhabbar. Die auf dieser Grundlage erlassenen Gesetze zeichnen sich typischerweise dadurch aus, daß sie in ihren Formulie2,5
Hierzu Mager, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 91a, Rdnr. 43.
216
So ausdrücklich Mager in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 91a, Rdnr. 43. Gegen eine Betrachtung des Bund-Länder-Verhältnisses als „Innenverhältnis" wendet sich ausdrücklich Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (537). 217
Pieroth, in: Jarass/ders., GG, Art. 91b, Rdnr. 3.
218
S.o. S. 112 f.
219
Hierzu Boreil, Mischfinanzierungen, S. 87 ff.
170
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
rungen den Bereich des Grundsätzlichen nicht verlassen. Die Regelungsdichte ist meist so gering, daß die wesentlichen noch auf nationaler Ebene möglichen Entscheidungen220 in der Praxis in den Bund-Länder-Gremien fallen, die zur Ausarbeitung der gemeinsamen Rahmenplanung nach Art. 91a Abs. 3 GG berufen sind. Früher befürchtete man, daß die Gemeinschaftsaufgaben ein wesentliches Einfallstor für Einflüsse des Bundes auf die Länder seien. Vor allem das Problem einer Majorisierung der Länder durch den finanzkräftigeren Bund in den Planungsausschüssen wurde seinerzeit als Problem gesehen; man befürchtete, daß die sich Vorschrift wegen ihrer schwierigen Bestimmbarkeit und Eingrenzbarkeit zu einem „trojanischen Pferd" 221 im Bundesstaat entwickelt. Die praktischen Auswirkungen der Gemeinschaftsaufgaben auf die Verteilung politischer Einflußmöglichkeiten zwischen Bund und Ländern sind jedoch aus zwei Gründen gering: Zum einen hat der Bund bei Wirtschaftsbezug ohnehin weitreichende Kompetenzen; die Gesetzgebungskompetenz für das „Recht der Wirtschaft" (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) reicht so weit, daß von den Gemeinschaftsaufgaben keine zusätzliche Verschiebung wesentlicher politische Entscheidungsspielräume zu befürchten ist. Zum anderen sind die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG durch die Überlagerung mit EG-Finanzierungsinstrumenten als Gestaltungsmittel des Bundes in der Praxis weitgehend lahmgelegt. Rechtsdogmatisch sind die Gemeinschaftsaufgaben dennoch von Interesse 222 . Sie lassen sich möglicherweise in die dogmatische Struktur des Art. 104a Abs. 1 GG einpassen. Art. 104a Abs. 1 GG normiert den Grundsatz der Ausgabentrennung (Mischfinanzierungsverbot) und den Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben. Bei den Gemeinschaftsaufgaben kommt es zu Mischfinanzierung. Damit enthält die grundgesetzliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben eine Ausnahme zum Grundsatz der Ausgabentrennung. Nach Art. 91a, 91b GG werden Landeskompetenzen anteilig vom Bund finanziert.
220
Sven Hölscheidt, Europäische Regionalpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, SächsVBl. 1995, S. 176 (179 f.). 221
So in ähnlichem Zusammenhang Roman Herzog in: Maunz/Dürig, Art. 20, IV Bundesstaat, Rdnr. 96. Zur Geschichte der rhetorischen Figur des „trojanischen Pferdes" im Zusammenhang mit auslegungsoffenen Rechtsbegriffen finden sich umfassende Nachweise bei Reiner Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, Allgemeiner Teil, S. 447. 222
Zur finanzwissenschaftlichen Seite sei verwiesen auf Wolf-Dieter meinschaftsaufgaben, 1985.
Füchsel, Ge-
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
171
Damit ist jedoch nicht gesagt, daß der Bund bei den Gemeinschafitsaufgaben außerhalb seiner „Aufgaben" tätig ist. Zunächst ist Mischfinanzierung im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a, 91b GG nur auf den Sachgebieten zulässig, die in den genannten Vorschriften abschließend aufgezählt sind. Vor allem aber fällt auf, daß die grundgesetzliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben dem Bund praktisch keine Sachgebiete erschließt, die der Bundespolitik ohne die Regelung der Art. 91a, 91b GG nicht zugänglich wären. Das Grundgesetz verleiht dem Bund auf den Sachgebieten, die zu den im Rahmen der Gemeinschaftsaufgaben bedeutsamen Politikfeldern gehören, bereits umfassende Gesetzgebungskompetenzen. Sachnahe Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Überblick: zur Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau der Hochschulen und Hochschulkliniken" (Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG): „die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens" (Art. 75 Nr. la GG). Diese Kompetenz wird vom Bund weit ausgelegt223. zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG): „das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen)", Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Auch diese Kompetenz wird weit ausgelegt. Selbst Filmförderung soll zur „Wirtschaft" gehören224. zur Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG): „die Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung, die Sicherung der Ernährung, die Ein- und Ausfuhr land- und forstwirtschaftlicher Erzeugnisse, die Hochsee- und Küstenfischerei und den Küstenschutz" (Art. 74 Nr. 17 GG). zur Gemeinschaftsaufgabe „Bildungsplanung und Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung" (Art. 91b GG): „die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung" (Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG).
223
Das auf dieser Rechtsgrundlage ergangene Hochschulrahmengesetz ist wegen seiner hohen Regelungsdichte kompetenzrechtlich zweifelhaft; vgl. Nachw. bei Pieroth, in: Jarass/ders., GG, Art. 75, Rdnr. 6. 224
BVerwGE 45, 1 (3).
172
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot der Bereich der Bildungsplanung steht in Zusammenhang mit der Kompetenz für
„die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens" (Art. 75 Nr. la GG). Die Zuweisung von Sachaufgaben an den Bund findet sich in diesen Vorschriften. Die grundgesetzliche Regelung der Gemeinschaftsaufgaben eröffnet dem Bund praktisch keine neuen Politikfelder. Daher erweitern die Gemeinschaftsaufgaben den Bereich der Sachgebiete der Landespolitik, die Bundeseinflüssen zugänglich sind, praktisch nicht. Es bestehen bereits weitreichende Gesetzgebungskompetenzen. In dieser Arbeit ist nicht der Ort, dogmatische Grundfragen der Art. 91a, 91b GG zu klären. Möglicherweise enthalten diese Normen in Randbereichen eine eigenständige Aufgabenzuweisung an den Bund, die zusätzliche Politikfelder eröffnet. Aus praktischer Sicht spricht immerhin vieles dafür, die grundgesetzlichen Vorschriften über Gemeinschaftsaufgaben zumindest grundsätzlich als punktuelle Regelung in der Verfassung anzusehen, in der der Bund ermächtigt wird, die „Aufgabe", die ihn nach Art. 104a Abs. 1 GG zu einer Verwendung öffentlicher Mittel berechtigt, im Rahmen der Verfahrensvorschriften der Art. 91a, 91b GG nicht nur aus Kompetenzen zum unmittelbaren Vollzug, sondern ausnahmsweise auch weitgehend aus einzelnen seiner Gesetzgebungskompetenzen herauszulesen. Dabei handelt es sich in den meisten Anwendungsfällen um die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes aus dem VII. Abschnitt des Grundgesetzes. Darüber hinaus enthält jedenfalls Art. 91a GG eine Gesetzgebungskompetenz, die dann insoweit als eigenständige Aufgabenzuweisung an den Bund zu verstehen ist. Wann aus dieser „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1) die Kosten „sich ergeben", bestimmt sich dann nach den materiellrechtlichen und vor allem verfahrensrechtlichen Regeln der Art. 91a, 91b GG.
b) Auftragsverwaltung, Art. 104a Abs. 2 GG Noch deutlicher ist ein punktuell vom Grundgesetz angeordneter Zusammenhang zwischen der „Aufgabe" - damit der Finanzierungslast - und einzelnen Gesetzgebungskompetenzen bei der Auftragsverwaltung. Art. 104a Abs. 2 GG löst die Kostenlast vom unmittelbaren Vollzug. Obwohl Bundeseinflüsse bei der Auftragsverwaltung auf das Vorfeld der Letztentscheidung beschränkt sind, muß sich der Bund an den Kosten der Auftragsverwaltung beteiligen. Entscheidungen über die Erfüllung der Aufgaben fallen beim Bund. Die Länder haben nur beschränkt Einfluß darauf, in welcher Höhe Kosten anfallen. Bei der Auftragsverwaltung sind die Länder einer erweiterten Bundesaufsicht unterstellt, die „letzte Verwaltungsverantwortung" 225 liegt
. AufgabenzuWeisung aus Einzelermächtigungen
173
beim Bund. Das schränkt den Ermessens- und Gestaltungsspielraum der Länder erheblich ein. Deshalb erscheint es sachgerecht 226 , daß sich der Bund auch an den Ausgaben dafür beteiligt. Nach der Regelung im Grundgesetz muß der Bund allerdings nur die Zweckausgaben tragen. Das sind die Kosten, die erst durch die Erfüllung der Verwaltungsaufgaben entstehen. Nicht hierzu gehören Ausgaben für die Unterhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparates. Diese treffen nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 1. Alt GG den Träger der Verwaltungskompetenz, also die Länder. Um herauszuarbeiten, was nach dem Grundgesetz unter einer „Aufgabe" zu verstehen ist, ist die Regelung der Kostenlast bei der Auftragsverwaltung von erheblichem dogmatischen Interesse. Finanzierung ist nach der Grundnorm des Art. 104a Abs. 1 GG nur unter Nachweis einer „Aufgabe" zulässig. In diesem Zusammenhang finden sich bei der Auftragsverwaltung oft Grundsatzdebatten darüber, wessen Aufgabe wahrgenommen wird. Das Gutachten der Kommission für die Finanzreform (7>oeger-Kommission) bezieht in diesem Zusammenhang eindeutig Stellung: „Handeln die Länder ... im Auftrage des Bundes ..., so nehmen sie im Sinne des Lasten Verteilungsgrundsatzes Aufgaben des Bundes, nicht eigene Angelegenheiten wahr. Die dabei entstehenden Zweckausgaben sind daher vom Bund zu tragen. Das entspricht dem Wesen der Bundesauftragsverwaltung, die dadurch gekennzeichnet ist, daß die Landesbehörden den Weisungen der zuständigen obersten Bundesbehörden unterstehen (Art. 85 Abs. 3 GG); mit dem Weisungsrecht liegt die letzte Verwaltungsverantwortung beim Bund. Da diese Folgerungen aus dem allgemeinen Lastenverteilungsgrundsatz nicht unbestritten sind, soll durch Art. I04a Abs. 2 (Entwurf) ausdrücklich klargestellt werden, daß der Bund die Zweckausgaben trägt, wenn die Länder im Auftrage des Bundes handeln." 2 2 7 Diese Argumentation ist sehr grundsätzlich kritisiert worden. Zwischen Auftragsverwaltung und Bundeseigenverwaltung bestehe ein wesentlicher Unterschied 228 . Auch Auftragsverwaltung bleibe Verwaltung des Landes 229 .
225
BT-Drucks. V/2861, Tz. 110. Ähnlich Henneke, Öff. Finanzwesen, S. 47, der von einer „Aufgabenverantwortung" spricht. 226
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 13.
227
Kommission für die Finanzreform, Gutachten, Tz. 203 (S. 52); ebenso Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 104a, Rdnr. 9. 228
Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 72; Helmut Siekmann in: Sachs, GG, Art. 104a, Rdnr. 19. 229
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (998).
174
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Die Lastentragung richte sich nach Art. 104a Abs. 1 GG gerade nicht nach der Verwaltungsverantwortung, sondern nach der unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit 230 . Das sei auch bei der Auftragsverwaltung die Verwaltungskompetenz. Deshalb sei die Regelung der Lastentragung bei der Auftragsverwaltung nach Art. 104a Abs. 2 GG nicht als Klarstellung gegenüber dem Konnexitätssatz nach Abs. 1 des Art. 104a GG zu werten. Sie erhebe ja gerade nicht die unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit - den Letztvollzug - zum maßgeblichen Kriterium für die Lastentragung. Stattdessen seien mittelbare Kostenursachen wie etwa Weisungsrechte entscheidend. Der Grundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG werde daher durch Abs. 2 nicht interpretiert, sondern in der Sache durchbrochen 231 . Diese Grundsatzdebatte wird jedoch häufig nicht so differenziert geführt, daß die Probleme aus der Praxis der Auftragsverwaltung rechtsdogmatisch erfaßt und verarbeitet werden können. Ein praktisches Beispiel: Die Verwaltung der Bundesautobahnen und sonstigen Bundesstraßen des Fernverkehrs durch Landesbehörden 232 ist typischer Fall der Auftragsverwaltung (Art. 90 Abs. 2 GG). Der nötige Verwaltungsapparat wird von den Ländern gestellt und bezahlt 233 . Dagegen haben die Länder auf die Zweckausgaben in der Praxis meist nur wenig Einfluß. Die technische Ausführung von Baumaßnahmen an Autobahnen ist üblicherweise in ausführlichen Vorschriften vorgegeben. Dort steht dann etwa, wie stark die unter dem Straßenbelag einzubauende Frostschutzschicht sein muß und welche Materialien dafür zulässig sind. Daher sind auch die Kosten für Baumaßnahmen regelmäßig vom Bund in weitem Umfang vorgegeben. Sie haben nur mittelbar mit der VerwaltungsVerantwortung der Länder zu tun. Das Grundgesetz unterscheidet daher sorgfältig. Es trennt bei der Auftragsverwaltung zwischen Zweckausgaben und Verwaltungsausgaben. Für die Kostenlast gelten unterschiedliche Maßstäbe. Die Regelung der Kostenlast bei der Auftragsverwaltung (Art. 104a Abs. 2) betrifft nur die Zweckausgaben. Die Kosten für die Verwaltungstätigkeit, die den Ländern im Zusammenhang mit der Ausführung von Bundesgesetzen obliegt, sind nicht vom Bund, sondern von den Ländern zu tragen (Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 1. HS
230
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 72.
231
Vogel/P.
Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 72.
232
Oder nach Landesrecht zuständige Selbstverwaltungskörperschaften, Art. 90 Abs. 2 GG; nur Nordrhein-Westfalen hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht. 233
Verwaltungsausgaben werden nicht erstattet: Art. 2 des Finanzanpassungsgesetzes vom 20.8.1971 (BGBl. I S. 1426).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
175
GG). Das gilt auch bei Auftragsverwaltung. Daher muß eine rechtsdogmatische Analyse dieser Normen differenzieren. Aus Überlegungen zur rechtlichen Natur der Verwaltungstätigkeit der Länder bei der Ausführung von Bundesgesetzen in Auftragsverwaltung lassen sich Schlußfolgerungen für die Kostenlast allein wegen der Verwaltungstätigkeit herleiten. Auch Auftragsverwaltung ist Verwaltung des Landes; daher ist es nur konsequent, daß nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1, 1. HS GG das Land auch die Kosten zu tragen hat. Aus der Rechtsnatur der Tätigkeit der Landes Verwaltungen lassen sich jedoch nicht ohne weiteres Konsequenzen für die Lastentragung bei den Zweckausgaben herleiten. Diese sind bei Auftragsverwaltung in sehr vielen Fällen durch detaillierte Vorgaben des Bundes festgelegt. Soweit im Grundgesetz Bundesauftragsverwaltung vorgesehen ist, eröffnet das die Möglichkeit, Landesbehörden in den Dienst politischer Vorstellungen des Bundes zu nehmen. Das Grundgesetz differenziert. Die Verwaltungstätigkeit als solche ist Sache der Länder. Folglich liegt insoweit auch die Kostenlast bei den Ländern. Zweckausgaben hängen dagegen nur begrenzt vom Träger der Verwaltungskompetenzen ab. Für das konkrete Verwaltungshandeln sind im Beispiel der Auftragsverwaltung bei den Bundesfernstraßen vor allem die in den Weisungen, Richtlinien etc. zum Ausdruck gekommenen Vorgaben des Bundes entscheidend. Sie wirken wie eine „Bestellung"; das Land hätte möglicherweise ganz andere Prioritäten. Diese Konstellation weist erhebliche Parallelen zu den „Bestellungsfällen" auf. Eine staatliche Ebene wird auf ausdrücklichen Wunsch - und gegen Kostenerstattung - auf Politikfeldern der anderen Ebene tätig. Ihr Spielraum zur Einflußnahme auf die Kosten entspricht eher dem Kiskerschen Modell 2 3 4 des „Funktionärs" als dem des „Selbständigen". Vor diesem Hintergrund plausibel wird die Auffassung von Stern. In seinem Staatsrechtslehrbuch 235 wird die Ansicht der Troeger-Kommission dogmatisch untermauert, wonach die Zweckausgaben bei der Auftragsverwaltung mit Aufgaben des Bundes und nicht mit Aufgaben der Länder zusammenhängen. Der Grund für die Regelung in Art. 104a Abs. 2 GG sei, daß es sich bei der Auftragsverwaltung „eigentlich" um Bundesaufgaben handele, die lediglich verwaltungsmäßig auf die Länder delegiert seien. Das sei zwar angesichts der Verwaltungszuständigkeit als maßgeblichem Anknüpfungspunkt für die Lastentragung nicht unproblematisch, aber wegen der ausdrücklichen Regelung im Grundgesetz hinzunehmen. Art. 104a Abs. 2 wird nach dieser Auffassung verstanden als Vorschrift, die jedenfalls kraft verfassungsrechtlicher Setzung bestimmt, daß bei der Auftragsverwaltung trotz der 234
S.o. S. 120 ff.
235
Stern, Staatsrecht II, S. 1139 f.
176
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Verwaltungszuständigkeiten der Länder zumindest im Rahmen der Zweckausgaben in der Sache Aufgaben des Bundes wahrgenommen werden. Das läßt sich mit der traditionsreichen 236 Rechtsfigur der Delegation plausibel machen. Nach dieser Auffassung ist der Schluß von einem Tätigwerden auf der Grundlage eigener Kompetenzen auf die Wahrnehmung eigener Aufgaben unzulässig. Daher ist es naheliegend, wegen der Zweckausgaben diese Bestellungen als „unmittelbar kosten verursachende Tätigkeit" anzusehen und die Kostenlast bereits nach der allgemeinen Grundregel des Art. 104a Abs. 1 GG dem Bund zuzuweisen. Angesichts der Uneinigkeit über die Frage, ob Absatz 2 des Art. 104a GG Anwendungsfall oder Ausnahme der Grundregel aus Absatz 1 ist, ist die begriffliche Formulierung im Grundgesetz interessant. Art. 104a Abs. 2 lautet: „Handeln die Länder im Auftrage des Bundes, trägt der Bund die sich daraus ergebenden Ausgaben". Das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" gilt nach dem Grundgesetz auch bei der Auftragsverwaltung. Dieser Begriff ist vertraut aus der Regelung in Absatz 1 des Art. 104a GG, er war dort das Tatbestandsmerkmal, mit dem die Kostenlast einer der beteiligten Ebenen zugeordnet worden ist. Bei der Prüfung, ob Kosten „sich ergeben", hatte man aus den verschiedenen Kostenursachen diejenige Ursachenkette herauszufiltern, die rechtlich maßgeblich sein soll 2 3 7 . Das ist eine Kausalitätsfrage, die im Normalfall des Art. 104a Abs. 1 GG nach dem Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" zu beantworten ist. Bei Absatz 2 des Art. 104a GG unterscheiden sich lediglich die Kriterien dafür, wie die Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „sich ergeben" erfolgen soll. Dagegen läßt sich die nicht aus Begriffen des Grundgesetzes hergeleitete, sondern auf Erkenntnissen juristischer Dogmatik beruhende Definition, wonach erst beim Letztvollzug die Kosten „sich ergeben", nicht ohne weiteres unverändert auf die Verhältnisse der Auftragsverwaltung übertragen. Das praktische Ergebnis ist eindeutig: Nach Art. 104a Abs. 2 trifft die Kostenlast bei der Auftragsverwaltung den Bund. Daher kommt es nach dem Grundgesetz nicht auf das Kriterium des unmittelbaren Vollzuges an, wenn es um die Kosten last bei der Auftrags Verwaltung geht. Bei der Auftragsverwaltung hat die Verfassung die Finanzierungsmöglichkeiten und die Finanzlasten eindeu-
236
S.o. S. 124 f.
237
S.o. S. 86.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
177
tig verteilt, der Bund trägt die Zweckausgaben. Für den Personal- und Sachaufwand ist Art. 104a Abs. 5 GG Spezialnorm. Die Abgrenzung zwischen Verwaltungsausgaben und Zweckausgaben ist oft schwierig 238 . Die Väter dieser Regelung im Grundgesetz gingen davon aus, daß diese Abgrenzung in einem Gesetz vorgenommen wird 2 3 9 . Dieses Gesetz ist bis heute nicht ergangen. Daher behilft sich die Praxis damit, die Zweckausgaben nach Art. 104a Abs. 2 GG nicht detailliert zu berechnen, sondern pauschal zu bewerten 2 4 0 Diese Eindeutigkeit des praktischen Ergebnisses ist sehr hilfreich, um die rechtsdogmatischen Strukturen des Art. 104a GG zu verdeutlichen. Das hilft zu verstehen, was nach dem Grundgesetz der Begriff „Aufgabe" bedeutet. Manche Autoren 241 begeben sich an dieser Stelle auf argumentative Umwege. Es heißt, die Rolle des Bundes bei der Auftragsverwaltung stelle eine „materielle" Ausübung von Verwaltungskompetenzen dar. Die Kostenlast des Bundes bei der Auftragsverwaltung folge dann daraus, daß eigentlich Verwaltungskompetenzen des Bundes ausgeübt worden seien. Diese Auffassung verkennt jedoch, daß das Kriterium der Verwaltungskompetenz bzw. der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal, sondern eine Schöpfung der verfassungsrechtlichen Dogmatik ist. Es kann keine normative Verbindlichkeit für sich beanspruchen. Die Kostenlast richtet sich sowohl nach Absatz 1 als auch nach Absatz 2 des Art. 104a GG nach dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal „sich ergeben". Aufgabe der Rechtsdogmatik ist es, herauszuarbeiten, unter welchen Voraussetzungen dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Bei Absatz 1 des Art. 104a GG kam man dabei auf das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" 242 . Bloße mittelbare Kostenursachen sollten nicht zur Zuweisung der Kostenlast führen. Bei der praktischen Umsetzung dieses Kriteriums setzte sich dann die Auffassung durch, nur der Letztvollzug verursache die Kosten „unmittelbar"; alle anderen Einflüsse, vor allem die der Bundesgesetzgebung, die oft kostenträchtige Vorbedingungen schafft, 238
Hierzu oben S. 103 f.
239
Kommission für die Finanzreform,
Gutachten, S. 54 (Tz. 211).
240
Die Pauschale erfaßt Zweckausgaben aus der Wahrnehmung der Straßenbaulast, insbesondere aus der Entwurfsbearbeitung und aus der Bauaufsicht, Art. 3 Abs. 3 des Finanzanpassungsgesetzes (o. Fußn. 233 des 2. Teils). 241
Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 13. Trapp plädiert de constitutione ferenda dafür, diese Vorschrift ersatzlos zu streichen, Veranlassungsprinzip, S. 287. 242
S.o. S. 84 ff.
12 Waiblinger
178
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
sollten demgegenüber als nur mittelbare Kostenursachen rechtlich unbeachtlich sein. Dagegen erklärt das Grundgesetz bei der Auftragsverwaltung auch Kostenursachen im Vorfeld der administrativen Letztentscheidung für rechtlich maßgeblich. Der Bund trägt die Kostenlast, obwohl die Einzelentscheidungen der Verwaltungsbehörden bei den Ländern getroffen werden. Vor diesem Hintergrund erscheint es äußerst zweifelhaft, daß sich die bei Absatz 1 des Art. 104a GG entwickelte Argumentation, das grundgesetzliche Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" sei zu konkretisieren als „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit", auf Art. 104a Abs. 2 GG übertragen läßt. Man müßte zumindest Art. 104a Abs. 2 GG als gesetzliche Wertung verstehen, die vorschreibt, daß im Falle der Auftragsverwaltung nicht rein formal der Letztvollzug, sondern stattdessen andere der praktisch bedeutsamen Kostenursachen als „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" gelten sollen. Letztlich sollte die Uneinigkeit darüber, ob das Kriterium der „unmittelbar kostenverursachenden Tätigkeit" bei der Auftragsverwaltung nur modifiziert gilt oder überhaupt nicht gilt, nicht überbewertet werden. Nach dem Grundgesetz kommt es sowohl nach Absatz 1 als auch nach Absatz 2 des Art. 104a allein darauf an, ob die Kosten „sich ergeben". Bund-Länder-Finanzierung ist in beiden Auslegungen auch ohne Verwaltungskompetenzen zulässig, soweit das Grundgesetz Auftragsverwaltung vorsieht. Daher kann sich der Bund durch Finanzierung nach Art. 104a Abs. 2 GG keine neuen Politikfelder erschließen, die ihm ohne solche Instrumente verschlossen wären. Bundesauftrags Verwaltung kennt das Grundgesetz nur zur Ausführung von Bundesgesetzen (Art. 85 Abs. 1). Diese kann es nur geben, soweit der Bund für die betreffende Sachmaterie eine Gesetzgebungskompetenz hat. In dieser Gesetzgebungskompetenz ist die grundgesetzliche Sachaufgabenzuweisung an den Bund enthalten. Art. 104a Abs. 2 GG enthält also keine eigenständige „Aufgabe" im Sinne des Konnexitätssatzes. Die Vorschrift normiert vielmehr einen Fall, in dem das Grundgesetz punktuell bestimmt, daß „Ausgaben" - unter besonderen materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Kautelen - im Einzelfall auch aus Gesetzgebungskompetenzen „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1). Die „Aufgabe" ergibt sich in diesen Fällen aus der Gesetzgebungskompetenz. c) Geldleistungsgesetze, Art. 104a Abs. 3 GG Das Grundgesetz gibt dem Bund ein Wahlrecht. Geldleistungsgesetze können nach Art. 104a Abs. 3 GG bestimmen, daß die Ausgaben ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Daher sind bei Gesetzen über Geldleistun-
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
179
gen - Zuwendungen aus öffentlichen Finanzmitteln 243 - Mischfinanzierungen zulässig. Bei einem Bundesanteil ab 50 % wird das Gesetz in Auftragsverwaltung ausgeführt (Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG). Ein typisches Beispiel dafür ist das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) 2 4 4 , hier übernimmt der Bund 65 % der Ausgaben 245 . Der Bund kann nach der Regelung im Grundgesetz Geldleistungsgesetze erlassen, ohne selbst für die Kosten einstehen zu müssen. Gesetzgebung „auf Kosten der Länder" ist grundsätzlich zulässig. Die Entscheidung, die Kosten selbst zu tragen oder sie den Ländern aufzuerlegen, liegt im politischen Ermessen 246 des Bundesgesetzgebers. Diese weitreichende Befugnis des Bundes zur Gesetzgebung zu Lasten der Haushalte der Länder ist nach dem Grundgesetz zunächst durch Verfahrensvorschriften gemildert. Art. 104a Abs. 3 Satz 3 knüpft das Geldleistungsgesetz an die Zustimmung des Bundesrates, wenn das Gesetz bestimmt, daß die Länder ein Viertel der Ausgaben oder mehr tragen. Diese Formulierung hat in der Praxis für gewisse Unklarheiten gesorgt. Umstritten ist die Rechtslage, wenn das Geldleistungsgesetz zur Lastentragung schweigt. Dann wird begrifflich nicht im Gesetz „bestimmt", daß die Länder Kosten tragen sollen. Diese Folge ergibt sich vielmehr allein aus der allgemeinen Regelung des Art. 104a Abs. 1 GG. Daher findet sich die Ansicht, ein Geldleistungsgesetz, das die Bestimmung der Kostenfrage offen lasse, unterliege nicht dem Zustimmungsvorbehalt nach Art. 104a Abs. 3 Satz 3 GG 2 4 7 . Ganz überwiegend wird jedoch die Auffassung vertreten, Geldleistungsgesetze des Bundes, die den Ländern durch schlichtes Weglassen der Kostenregelung die volle Kostenlast aufbürden, seien erst recht nach Art. 104a Abs. 3 Satz 3 an die Zustimmung des Bundesrates gebunden 248 .
243
Zum Begriff praxisnah Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 104a, Rdnr. 10; ausfuhrlich Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 16. 244
Weitere Beispiele: Wohngeld, Erziehungsgeld, Wohnungsbauprämie.
245
§56 Abs. 1 BAföG i.d.F.d.B. v. 6.6.1983, z.g.d.G.v. 17.7.1996 (BGBl. I S. 1006). 246
So ausdrücklich Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 19. 247 248
So Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 104a, Rdnr. 19.
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, GG, Art. 104a, Rdnr. 10, Pieroth, in Jarass/ders., GG, Art. 104a, Rdnr. 7.
180
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Die Regelung der Kostenlast bei Geldleistungsgesetzen ist verfassungspolitisch sehr stark kritisiert worden, weil sie politische „Wohltaten" des Bundes auf Kosten der Landeshaushalte begünstigt 249 . Der Bund bediene sich gezielt der Technik, „seine politischen Programme aus fremder Tasche zu finanzieren, obwohl sie dem Bürger als eigene Leistung angeboten werden" 2 5 0 . Daher plädieren viele Autoren für eine Verfassungsreform 251 . Bereits 1977 hatte die Enquête-Kommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages eine Verfassungsänderung vorgeschlagen 252 . Der 61. Deutsche Juristentag (1996) hat sich für folgenden Antrag 2 5 3 ausgesprochen: „Art. 104a Abs. 3 GG sollte dahingehend geändert werden, daß der Bund dann die Ausgaben für Leistungen zu tragen hat, wenn die Länder oder die vom Bund ausnahmsweise unmittelbar bestimmten Gemeinden (Gemeindeverbände) Maßnahmen des Bundes ausführen, die Zahlungen, Sachleistungen oder die Herstellung und Unterhaltung öffentlicher Einrichtungen vorsehen. Soweit diese Leistungen im Ermessen der Länder stehen, können die Gesetze Abweichendes bestimmen." Verfassungspolitik ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Es sei dennoch darauf hingewiesen, daß gegen diese Lösung, die das Prinzip der Gesetzeskausalität beschränkt auf den Bereich der Zweckausgaben verwirklicht, gewichtige Bedenken erhoben werden. Die wesentliche Tragung der Lasten der Gesetzesausführung durch die Länder habe eine gewichtige bundesstaatliche Garantiefunktion zugunsten der Länderstaatlichkeit 254 . Die Länder hätten dann wirtschaftliche Anreize, möglichst viele Sachmaterien in die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes hinüberzuschieben 255 . Eine Trennung zwischen mittelverwaltender und mittelvergebender Stelle führe zu Reibungsverlusten 256 . Wenn der Bund die Kosten ohnehin übernehmen müsse, verleite
249
So z.B. Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 172 ff.
250
F. Kirchhof,
Gutachten für den 61. DJT, S. D 68.
251
Bereits die o. Fußn. 40 der Einleitung genannten Autoren, ferner Grote, JZ 1996, S. 833 (838), Trapp, ZRP 1996, S. 339 (341 ff.). 252
Schlußbericht: BT-Drucks. 7/5924.
253
Formuliert von Henneke, Sitzungsbericht Band II/2, S. M 192.
254
Peter Selmer, NJW 1996, S. 2062 (2065).
255
Gerhard v. Loewenich, Diskussionsbeitrag, 61. DJT, Sitzungsbericht Band II/2,
S. M 96 (98), Ernst Bartholomé, ebd., S. M 96 (99). 256
Jürgen Karstendiek,
Änderung der Finanzverfassung?, ZRP 1995, S. 49 (50).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
181
das zu noch detaillierterer gesetzlicher Regelung 257 . Das führe zu einer Art Bundesauftragsverwaltung durch die Hintertür 258 . Diese Untersuchung beschränkt sich auf die Herausarbeitung der nach geltendem Verfassungsrecht relevanten Kriterien. Der Bund und die Länder haben „gleichmäßig Anspruch auf Deckung ihrer notwendigen Ausgaben" (Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 Satz 1 GG) 2 5 9 . Das Wahlrecht nach Art. 104a Abs. 3 GG eröffnet dem Bund die Möglichkeit einer politischen Entscheidung zwischen zwei Finanzierungsmodellen. Er kann den Ländern die finanziellen Mittel zum Vollzug der Geldleistungsgesetze entweder über den allgemeinen Finanzausgleich verschaffen oder aber den Weg einer anteiligen Kostenübernahme nach den Vorschriften über Geldleistungsgesetze wählen. Die zum Vollzug des Bundesrechts nötigen finanziellen Mittel müssen in beiden Fällen zur Verfugung gestellt werden. Der Unterschied zwischen den beiden Finanzierungsmodellen liegt in der Steuerung des Vollzugs durch finanzielle Einflüsse. Wenn der Bund - etwa wie im Recht der Sozialhilfe - anderen Ebenen lediglich rechtliche Pflichten zu einzelnen Leistungen auferlegt, so bleiben den Ländern und Gemeinden beim Vollzug gewisse Gestaltungsspielräume erhalten. Insbesondere kommen - wenn beispielsweise auf Landesebene die Sozialhilfepolitik keinen sehr hohen Stellenwert hat - Kosteneinsparungen in vollem Umfang dem Landeshaushalt zugute. Das Land kann so noch in gewissem Umfang selbst entscheiden, ob seine politischen Prioritäten etwa auf dem Gebiet der Sozialhilfe oder anderswo liegen sollen. Dagegen schafft eine anteilige Kostenbeteiligung des Bundes nach Art. 104a Abs. 3 GG zusätzlich zur rechtlichen Steuerung auch noch finanzielle Anreize. Bei Einsparungen durch eine entsprechend restriktive Verwaltungspraxis kann das Land dann nur über den eingesparten Landesanteil an den ursprünglich geplanten Ausgaben frei verfugen. Der Bundesanteil, der nicht ausgegeben worden ist, verfällt. Die Mittel gehen für das Land verloren. Durch diesen Wirkungsmechanismus nimmt die Finanzierung Einfluß auf den Vollzug der Geldleistungsgesetze. Die Prioritäten der Länder und Gemeinden werden verschoben. Wenn der Bund sich an den Ausgaben beteiligt, wird man den Zielen der Geldleistungsgesetze des Bundes tendenziell mehr
257
v. Loewenich, Diskussionsbeitrag, 61. DJT, Sitzungsbericht Band II/2, S. M 98., Ernst Bartholomé , ebd., S. M 109 (110). 258
Georg Milbradt, Diskussionsbeitrag, Diskussionsbeitrag, 61. DJT, Sitzungsbericht Band II/2, S. M 177. 259
Zur Problematik der „notwendigen" Ausgaben o. S. 47 f.
182
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Gewicht beimessen und dagegen weniger auf Sparsamkeit 260 achten. Diese Konstellation entspricht einem „Bestellungsfall". Die Finanzierung nach Art. 104a Abs. 3 GG statt über den allgemeinen Finanzausgleich hat zum Effekt, daß der Bund über den Regelungsgehalt gesetzlicher Vorgaben hinaus zusätzliche Steuerungswirkungen erzeugt. Die Regelung in Art. 104a Abs. 3 GG steht in engem Zusammenhang mit dem bundesdeutschen Modell des Exekutivföderalismus. Gesetzgebungskompetenzen liegen meist beim Bund, Verwaltung ist dagegen typischerweise Sache der Länder. Diese Aufteilung der Kompetenzen bringt es mit sich, daß der Bund die Länder mit Kosten belasten kann. Praktisch jede Gesetzesänderung, die von der Verwaltung umgesetzt werden muß, führt zu einem gewissen Kostenaufwand - sei es nur der Wert der Arbeitszeit, die mit der Lektüre des Bundesgesetzblattes zugebracht werden muß 2 6 1 . Diese Kosten werden nach dem grundgesetzlichen Regelungsmodell allein bei den Deckungsquotenberechnungen im Finanzausgleich berücksichtigt; für die Zeit bis zur Anpassung des Finanzausgleichs enthält Art. 106 Abs. 4 GG eine Sonderregelung. Dieses Regelungsmodell gilt grundsätzlich genauso auch für Geldleistungsgesetze. Der Bund kann, wenn er politische Programme in Geldleistungsgesetze umsetzen will, allein auf die Wirkungen der rechtlichen Normierung vertrauen. Das ist vor allem dann sehr wirksam, wenn gesetzliche Ansprüche einzelner Bürger auf Geldleistungen begründet werden. Art. 104a Abs. 3 GG räumt dem Bund zusätzlich zu „reiner" gesetzgeberischer Aktivität zwei Möglichkeiten ein, die Steuerungsintensität seiner Geldleistungsgesetze zu steigern. Zunächst kann sich der Bund gezielt an den Kosten beteiligen. Das schafft für die Länder finanzielle Anreize, den Zielen dieser Gesetze im Verwaltungsalltag mehr Gewicht beizumessen. Übernimmt der Bund mehr als die Hälfte der Kosten, so kommt nach der Regelung in Art. 104a Abs. 3 GG ein weiteres Register bundesstaatlicher Steuerungstechniken zum Tragen. Das Geldleistungsgesetz wird in Auftragsverwaltung ausgeführt (Art. 104a Abs. 3 Satz 2 GG). Die Länder unterliegen dann nicht nur wirtschaftlichen 260
Als selbständiges Prinzip der Ausgabenminimierung, hierzu: Herbert Rischer, Finanzkontrolle staatlichen Handelns, 1995, S. 256 f. 261
Dabei handelt es sich um Kosten, die zwar anfallen, sich in einem rein kamera1 istisch strukturierten Rechnungswesen aber nicht erkennen lassen. Viele Bundesländer verfügen jedoch zusätzlich über eine aussageföhige Kostenrechnung. Sie wissen daher um das oft erhebliche finanzielle Gewicht gesetzgeberischer Maßnahmen. Ein Beispiel: Die Einführung der Restschuldbefreiung im Insolvenzrecht wird erheblichen Personalaufwand nach sich ziehen. Ähnlich war es auch bei der Reform des Betreuungsrechts.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
183
Anreizen, den Zwecken dieses Gesetzes besonderes Gewicht beizumessen, sondern zusätzlich dem Instrumentarium aufsichtlicher Ingerenzrechte. Im Zusammenhang mit Geldleistungsgesetzen wird in der politischen Diskussion oft heftig darüber gestritten, wie die Kostenlast zutreffend verteilt werden soll 2 6 2 . Die tatsächlichen Wirkungszusammenhänge lassen sich oft nicht ohne weiteres ermitteln 263 . Daher ist mitunter unsicher, ob bereits durch die Gesetzgebung die Kosten „sich ergeben" oder ob es auch hier auf den Letztvollzug ankommen soll. Angesichts solcher Unklarheiten ist die soeben beschriebene gestufte Lösung des Grundgesetzes in seiner geltenden Fassung nicht unplausibel. Art. 104a Abs. 3 GG sieht vor, daß vorrangig politisch entschieden wird, ob und in welchem Maße die Kosten bereits durch ein Geldleistungsgesetz und nicht erst durch dessen verwaltungsmäßigen Vollzug „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG). Entscheidet sich der Bund dafür, sich nach Art. 104a Abs. 3 GG an den Kosten zu beteiligen, statt die Finanzierung durch den Finanzausgleich sicherzustellen, so ergeben sich die Kosten für den Bund aus dieser Entscheidung. Die auf diese Weise ins Werk gesetzte BundLänder-Finanzierung steht im Zusammenhang mit Gesetzgebungskompetenzen des Bundes. Damit folgt die „Aufgabe", aus der die Kosten der BundLänder-Finanzierung „sich ergeben", auch hier - punktuell - aus einzelnen Gesetzgebungskompetenzen des Bundes. Die Kausalitätsfrage, wann bei Geldleistungsgesetzen die Ausgaben des Bundes aus den zugrundeliegenden Gesetzgebungskompetenzen (im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG) „sich ergeben", wird jedoch bei Art. 104a Abs. 3 GG vorrangig einer Klärung durch politische Entscheidung des Bundes anheimgestellt. Diese dogmatische Struktur, nach der auch die Lastentragung bei den Geldleistungsgesetzen in Kategorien des allgemeinen Konnexitätssatzes des Art. 104a Abs. 1 GG erfaßt werden kann, enthält zugleich den rechtlichen Anknüpfungspunkt für die aktuelle politische Debatte um die „Kosten der Gesetze" 264 . Nach Art. 104a Abs. 1 GG entscheidet das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" über die Kostenlast. Dabei kommt es letztlich darauf an, ob der Kausalzusammenhang zwischen ausgeübter Kompetenz und Kostenentstehung so eng ist, daß über die notwendige Zuordnung der Kostenlast eindeutig entschieden werden kann. Die Kosten müssen der Aufgabe zugeordnet werden, aus der sie „sich ergeben".
262
S.o. S. 12 ff.
263
Trapp schlägt hierzu empirische Arbeiten vor, mit denen Gesetze typisiert werden sollen, Veranlassungsprinzip, S. 259 ff, 265. 264
Trapp, Veranlassungsprinzip, S. 254 ff.
184
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Bei Geldleistungsgesetzen ist es regelmäßig unklar, ob die Kosten eindeutig der Gesetzgebung oder eindeutig der Verwaltung zuzuordnen sind. Das Gesetz enthält oft wesentliche Vorgaben. Dennoch bleiben der Verwaltung selbst in Sachmaterien, die mit hoher Regelungsdichte durchnormiert sind, durchaus beachtliche Spielräume. Das macht die grundgesetzliche Regelung in Art. 104a Abs. 3 verständlich. Gerade in diesen problematischen Fällen soll nach dem Grundgesetz vorrangig politisch darüber entschieden werden, ob eher bei den Verwaltungskompetenzen oder aber eher bei den Gesetzgebungskompetenzen der Zusammenhang zwischen Kompetenzausübung und Kostenverursachung so eng ist, daß Kosten „sich ergeben". Diese Argumentation ist entwicklungsfähig. Versteht man die Regelung in Art. 104a Abs. 3 GG als Ausprägung des Absatzes 1, die lediglich für die Fälle der Geldleistungsgesetze das allgemeine Kriterium konkretisiert, wonach die Kostenlast derjenigen Ebene zuzuordnen ist, bei der die Kosten „sich ergeben", dann könnte man bei Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Auslegung des Absatzes 3 des Art. 104a GG auf Art. 104a Abs. 1 GG als Grundnorm zurückgreifen. Man könnte dann in Extremfällen, in denen ganz offensichtlich bereits durch eine gesetzliche Regelung und nicht erst durch den verwaltungsmäßigen Vollzug die Kosten „sich ergeben", der Bund sich aber dennoch weigert, nach Art. 104a Abs. 3 GG Kosten zu übernehmen, die politische Entscheidung des Bundes rechtlich überprüfen. Zu diesem Zweck hätte man die Sonderregelung in Absatz 3 des Art. 104a GG im Lichte des allgemeinen Konnexitätsgedanken (Art. 104a Abs. 1 GG) zu konkretisieren; auch bei den Geldleistungsgesetzen wären die Kosten zu tragen, wo sie „sich ergeben". Auf diese Weise läßt sich die auf Art. 104a Abs. 3 GG gestützte politische Entscheidung des Bundes notfalls am Maßstab des Absatzes 1 des Art. 104a GG zumindest auf Willkürfreiheit überprüfen. In dieser Auslegung erscheint die Regelung in Art. 104a Abs. 3 GG trotz aller Kritik an der derzeitigen praktischen Umsetzung durchaus in sich stimmig. Sie führt zu einer juristischen Lösung, mit der die in der verfassungspolitischen Debatte derzeit heftig umstrittenen Probleme der Geldleistungsgesetze des Bundes auch ohne Verfassungsänderung rechtlich bewältigt werden können. Daher erscheint der derzeit häufig zu vernehmende Ruf nach dem verfassungsändernden Gesetzgeber 265 im Zusammenhang mit Art. 104a Abs. 3 GG überflüssig.
5
S.o. S.
ff.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
185
d) Finanzhilfen, Art. 104a Abs. 4 G G Nach dieser Vorschrift kann der Bund Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen von Bund, Ländern und Gemeinden gewähren, wenn diese für die drei in dieser Vorschrift genannten Förderziele der Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts 266 , zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Die Vorschrift soll es dem Bund ermöglichen, seiner Verantwortung für die gesamtstaatliche Entwicklung im Bundesgebiet nachzukommen 267 . Sie ist restriktiv auszulegen 268 . Finanzhilfen dürfen den Finanzausgleich nicht unterwandern, sondern sind diesem gegenüber subsidiär 269 . Schematische Gleichbehandlung der Länder ist daher verfassungswidrig, da sie „die Funktion und den Geltungsgrund des Art. 104a Abs. 4 GG als begrenztes gesamtwirtschaftliches und finanzpolitisches Lenkungs- und Steuerungsinstrument des Bundes ad absurdum führen müßt e . " 2 7 0 Allerdings ist die Norm schwierig eingrenzbar. Bei wirtschaftswissenschaftlich geprägten Rechtsbegriffen ist ohnehin ein gewisses Prognoseermessen anzuerkennen 271 . Vor allem Finanzhilfen „zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums" lassen sich tatbestandlich kaum eingrenzen. Praktisch jede Investition födert das wirtschaftliche Wachstum schon definitionsgemäß 272 . Art. 104a Abs. 4 GG wird als „Fonds- und Investitionshilfekompetenz des Bundes" 273 angesehen. Sie beinhalte eine eigenständige Zuweisung von
266
Zu diesem Begriff insbesondere Reiner Schmidt, S. 152 ff.
267
Ulrike Kirste, Die Finanzhilfen des Bundes an die neuen Länder nach Artikel 104a Abs. 4 Grundgesetz, Diss München 1994, S. 167. 268
Vogel/P. Kirchhof in: BK, Art. 104a, Rdnr. 142; v. Arnim, HStR IV, S. 987 (1008 f.), Kirste, Finanzhilfen, S. 144 ff. 269
BVerfGE 39, 96 (108) - Städtebauförderungsgesetz; Starck, StuW 1974, S. 271 (274), Kirste, Finanzhilfen, S. 97 ff. 270
Kirste, Finanzhilfen, S. 187.
271
R. Schmidt, AöR 99 (1974), S. 529 (552).
272
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (1008); weiterführend Vogel/P. Art. 104a, Rdnr. 142. 273
1975.
Jörg Müller-Volbehr,
Kirchhofen: BK,
Fonds- und Investitionshilfekompetenz des Bundes,
186
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Sachaufgaben an den Bund. Die Mittelgewährung ist Bundesaufgabe 274. Aus der 1975 veröffentlichten Habilitationsschrift von Jörg Müller- Volbehr: „Art. 104a IV begründet eine Zuständigkeit des Bundes. Das ergibt sich schon aus der Formulierung ,Der Bund kann den Ländern ... Finanzhilfen gewähren4. Diese Finanzierungsbefugnis läßt sich nicht in das sonst im Grundgesetz übliche Schema der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen einordnen, sondern stellt eine Zuständigkeit sui generis dar, der sowohl einzelne Elemente der Gesetzgebungsais auch der Verwaltungskompetenz zu eigen sind. (...) Die Kompetenzen des Bundes sind mit dem ausdrücklich normierten Recht zu Investitionshilfen demnach unter Durchbrechung der allgemeinen Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes dahingehend erweitert, daß er Zuschüsse gewähren darf, ohne daß ihm auf den geförderten Gebieten nach anderen Vorschriften der Verfassung eine Gesetzgebungs« oder Verwaltungsbefugnis zuzustehen braucht. Seine Investitionshilfekompetenz ist somit von der übrigen Zuständigkeitsaufteilung im Bund-LänderVerhältnis völlig unabhängig und allein den in Art. 104a IV angesprochenen gesamtstaatlichen Wirtschaftszielen verpflichtet. Dadurch verfugt er über einen erheblichen Bewegungsspielraum, dessen Grenzen sich im Detail nur schwer abstekken lassen4427 5 . Andere Stimmen in der Literatur sehen das differenzierter. So vertritt Jakob die Auffassung, bei Art. 104a Abs. 4 handle sich um „staatszielakzessorische Finanzierung 276 . Die Vorschrift sei im Zusammenhang mit dem Verfassungsauftrag des Art. 109 Abs. 2 GG zu sehen, der sich an Bund und Länder richte 277 : „Staatsziele binden oder ,dirigieren' Bund wie Länder und stehen gleichsam vor der Klammer der als Trennsystem ausgebildeten Kompetenzordnung. Sie vermitteln daher grundsätzlich keine eigenen Kompetenzen
274
Kirste, Rdnr. 56.
Finanzhilfen, S. 193; enger Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a,
275
Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 48, Hervorhebung im Original. Aus einer Rezension von Wilhelm Henle (DÖV 1976, S. 69 [70]): „Nicht ohne ein gewisses Unbehagen legt man dieses gedankenreiche Buch aus der Hand. (...) Fondsfunktionen des Bundes dürfen nur soweit in den Aufgabenbereich der Länder eingreifen, wie es mit deren Staatsqualität vereinbar ist4 (S. 171). Der verfassungsrechtliche Ernst der Frage wird dadurch verdeutlicht. Wo liegt die kritische Grenze? Wer entscheidet? Was bedeutet Staatsqualität im „unitarischen44 oder gar im „egalitären44 Föderativsystem? Der Verfasser hat dem Wunsch nach einer ausgewogenen, die Gesamtsituation des Föderalismus in unserer Zeit berücksichtigenden Betrachtungsweise voll entsprochen. Indes: Die Flur bleibt unbereinigt!44 276
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (530).
277
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (532).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
187
- sie sind selbst keine bundesstaatlich verteilenden Kompetenznormen - , sondern können von Bund und Ländern nur innerhalb der ihnen nach Art. 30, 70, 83 ff. GG jeweils getrennt zugewiesenen Zuständigkeitsbereiche auch nur getrennt verwirklicht werden. Das verfassungsrechtlich Neuartige dieser durch die Finanzreform geschaffenen Mischfinanzierungstatbestände (Gemeinschaftsaufgaben im weiteren Sinn) besteht gerade darin, Bund und Länder zu einer gemeinsamen Verwirklichung einzelner Staatsziele oder Staatszielteilinhalte zu verpflichten (Art. 91a GG) oder zu ermächtigen (Art. 104a Abs. 4 GG) und auf diese Weise und auf bestimmte Tatbestände beschränkt das kompetenzielle Trennsystem des Grundgesetzes partiell und mit einem kühnen Griff auf den ,Gesamtstaat4 hin aufzuheben." 278 Das Bundesverfassungsgericht hat zur Eingrenzung der Vorschrift des Art. 104a Abs. 4 GG Wesentliches beigetragen 279 . Für eine weiter ins Detail gehende Erörterung der dogmatischen Feinheiten der Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG ist hier nicht der Ort. Bei Art. 104a Abs. 4 GG handelt es sich um eine umstrittene und problematische Ausnahmevorschrift, die nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf einen allgemeinen Begriff der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG zuläßt.
e) Mehrbelastungsausgleich, Art. 106 Abs. 4 Sätze 2, 3 GG Diese Vorschrift ist das „Mauerblümchen" 2 8 0 des Länderfinanzausgleichs. Man erinnert sich selten an sie; zuletzt hat der Bund im Zusammenhang mit
278
Jakob, Der Staat 24 (1985), S. 527 (532); ähnlich auch Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 56. Grundlegend hierzu Albert Bleckmann, Zur Bindung der Länder an die Ziele der Bundespolitik, DÖV 1986, S. 125 f f 279
BVerfGE 39, 96 - Städtebauförderungsgesetz; BVerfGE 41, 291 - einmaliges Sonderprogramm. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht es für zulässig erklärt, Finanzhilfen nach Art. 104a Abs. 4 GG auch zur gezielten Bekämpfung einer „extremen Haushaltsnotlage" einzelner Länder einzusetzen (BVerfGE 86, 148 [267 f.]) und diese mit spürbarer Einflußnahme auf die Länder zu verknüpfen: „Werden Investitionshilfen durch Gesetz oder Verwaltungsvereinbarung gewährt, ist es dem Bund unbenommen, sie davon abhängig zu machen, daß das betroffene Land sich zu Absprachen über ein Sanierungsprogramm verpflichtet. So kann die Stabilisierungswirkung der Investitionshilfen gesichert und insbesondere ausgeschlossen werden, daß vom Land ersparte Mittel nicht stabilisierungsbezogen verwendet werden" (a.a.O., S. 268). Damit erstrecken sich Bundeseinflüsse, die mit den Finanzhilfen zusammenhängen, auch auf die übrigen Teile des Landeshaushalts. 280
Jürgen W. Hidien, AöR 122 (1997), S. 583.
188
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
der Volkszählung 1987 den Ländern auf dieser Rechtsgrundlage Mittel zugewiesen 281 . Der Mehrbelastungsausgleich ist eine Sonderform der umsatzsteuerrechtlichen Steuerrevision 282 . Er dient dazu, zusätzliche Ausgabenbelastungen der Länder, die durch neue Bundesgesetze entstehen, bis zur nächsten Anpassung des Länderfinanzausgleichs zu überbrücken. Bund-LänderFinanzierung nach Art. 106 Abs. 4 Sätze 2, 3 GG steht also ebenfalls im Zusammenhang mit einem Bundesgesetz. f) Sonderlastenausgleich, Art. 106 Abs. 8 GG Der Sonderlastenausgleich ist eine besondere Komponente im Finanzausgleich, mit der Mehrausgaben oder Mindereinnahmen einzelner Länder, die vom Bund veranlaßt sind, ausgeglichen werden. Dabei geht es in der Praxis vor allem um die Folgekosten militärischer Anlagen und Einrichtungen 283 , aber auch von Behörden des Bundes, denen nach ihrer Größe ein gewisser Ausnahmecharakter zukommt. Die Bundesfinanzierung steht damit in einem gewissen Sachzusammenhang mit Verwaltungskompetenzen des Bundes 284 . Dennoch handelt es sich beim Sonderlastenausgleich nach Art. 106 Abs.8 GG um eine Detailregelung aus dem Gesamtkomplex des Länderfinanzausgleichs, auf den sogleich einzugehen ist 2 8 5 . g) Öffentlicher Personennahverkehr, Art. 106a GG Auch Art. 106a GG sieht Bund-Länder-Finanzierung im Zusammenhang mit Sachmaterien vor, für die der Bund Gesetzgebungskompetenzen hat. Die Vorschrift gelangte 1993 im Zuge der Neuordnung des Eisenbahnwesens ins Grundgesetz 286. Damals kam es zur Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs 287 , der den Ländern auf der Grundlage des neuen Art. 87e Abs. 1 GG durch Bundesgesetz als eigene Angelegenheit übertragen wurde. Die neue Regelung in Art. 106a GG war dazu „finanzverfassungsrechtliches
281
Volkszählungsgesetz 1987 vom 8.11.1985, BGBl. I S. 2078.
282
Midien, AöR 122 (1997), S. 583 (586).
283
Franz Klein in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 106, Rdnr. 21.
284
Franz Klein in Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 106, Rdnr. 21.
285
Unten S. 190 ff. im Zusammenhang mit Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG.
286
Gesetz vom 20.12.1993, BGBl. I S. 2089.
287
Art. 4 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnswesens vom 27.12.1993, BGBl. I S. 2378 (2395).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
189
Pendant" 288 . Die finanziellen Folgen dieser Änderung der Kompetenzordnung hätten ohne die neue Regelung durch eine Neuordnung des Finanzausgleichs bewältigt werden müssen. Da gerade der Nahverkehr hoch defizitär ist, wäre es bei den Deckungsquotenberechnungen zu einer wesentlichen Verschiebung gekommen. Bund-Länder-Finanzierung steht auch bei Art. 106a GG in Zusammenhang mit Sachmaterien, fllr die der Bund bereits anderweitig Kompetenzen hat 2 8 9 . Die Vorschrift enthält eine punktuelle Anordnung, nach der die Kausalitätsfrage, nach welchen Kriterien aus dieser Aufgabe die Ausgaben „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG), abweichend von allgemeinen Grundsätzen zu lösen ist. Es kommt jedoch nicht zu einer Bundesfinanzierung ohne Sachaufgabenzuweisung an den Bund. Damit bestätigt Art. 106a GG das bisherige Bild. Der Zusammenhang zwischen Aufgaben und Ausgaben wird nicht durchbrochen. Ein Nachweis der Gesetzgebungskompetenz ist notwendige Bedingung für den Nachweis einer „Aufgabe". Art. 106a GG ist heftig kritisiert worden. Die Vorschrift sei schon in ihrer Formulierung verfassungssystematisch unsensibel und ungeschickt, weil sie nicht hinreichend deutlich mache, daß die Länder auf den Kostenausgleich einen Rechtsanspruch haben 290 . Auch in der Sache sei die Regelung ein „verfassungspolitischer Fehlgriff' 2 9 1 , der neues Ausgleichsdenken anbahne, welches für jede systematische Ausgabenverlagerung eine spezielle Ausgleichsregelung fordere. Auch die Formulierung, wonach der für die Länder bestimmte Betrag „aus dem Steueraufkommen des Bundes" (Art. 106a Satz 1
288
Jürgen W. Hidien, Der spezielle Finanzausgleich gem. Art. 106a GG; DVB1. 1997, S. 595 (596). 289
Gesetzgebungskompetenzen; Art. 73 Nr. 6a, 74 Nr. 23, 87e Abs. 1 Satz 2 GG; teilweise auch Verwaltungskompetenzen (Art. 87e Abs. 2 GG). Problematisch ist in diesem Zusammenhang, daß Art. 106a GG zumindest begrifflich auch Bundesfinanzierung für nicht schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr ermöglicht. Die Norm könnte insoweit (ähnlich dem Modell der Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG (s.o. S. 125 ff) eine eigenständige Zuweisung von Sachaufgaben an den Bund jenseits der äußersten Grenzen der Gesetzgebungskompezenzen enthalten. Dann wäre die Aufgabenzuweisung an den Bund also unmittelbar aus der in Art. 106a Satz 2 GG normierten Gesetzgebungskompetenz des Bundes herauszulesen. Die „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1 GG) steht aber auch dann im Zusammenhang mit Gesetzgebungskompetenzen des Bundes. Solchen Feinheiten kann allerdings im Rahmen dieser Untersuchung nicht nachgegangen werden. 290
Hidien, DVB1. 1997, S. 595 (598).
291
Hidien, DVB1. 1997, S. 595 (602).
190
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
GG) zu stammen habe, kann letztlich nicht verhindern, daß sich der Bund wegen der entsprechenden Ausgaben dennoch im Rahmen der Deckungsquotenberechnungen im Finanzausgleich wieder zu Lasten der Länder refinanziere. h) Ergänzungszuweisungen, Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG Der Finanzausgleich nach dem Grundgesetz ist mehrstufig konzipiert. Zunächst werden die Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt (vertikale Steueraufteilung, Art. 106 GG). Anschließend wird die unterschiedlichen Finanzkraft der Länder untereinander ausgeglichen. Dabei werden zunächst die Gemeinschaftssteuern aufgeteilt (horizontale Steueraufteilung, Art. 107 Abs. 1 GG). Das hat vor allem bei der Umsatzsteuer erhebliche Umverteilungseffekte. Ergänzend hierzu sieht das Grundgesetz Bundesergänzungszuweisungen vor (Art. 107 Abs. 2 Satz 3). Leistungsschwache Länder erhalten in diesem Rahmen zusätzliche Mittel vom Bund. Die Verteilung des Finanzaufkommens ist also geregelt „in verschiedenen, aufeinander aufbauenden und aufeinander bezogenen Stufen, wobei jeder Stufe bestimmte Ausgleichs- und Verteilungsziele zugeordnet sind. Daraus ergibt sich insgesamt ein verfassungsrechtlich normiertes Geftlge des Finanzausgleichs, das zwar in sich durchaus beweglich und anpassungsfähig ist, dessen einzelne Stufen aber nicht beliebig funktional ausgewechselt oder übersprungen werden können." 292 Die Steueraufteilung und der Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft der Länder im horizontalen Finanzausgleich sind durch Gesetz sicherzustellen, bevor der Bund den Ausgleich durch Maßnahmen der Bund-Länder-Finanzierung bewerkstelligen darf Finanzielle Maßnahmen des Bundes sind zwar in Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G 2 9 3 ebenfalls vorgesehen. Diese sind jedoch gegenüber der gesetzlichen Regelung des Finanzausgleichs streng subsidiär. Der Gesamtkomplex „Finanzausgleich" ist geregelt im Finanzausgleichsgesetz des Bundes 294 (FAG). Dieses Gesetz enthält die verschiedenen Einzelre-
292
BVerfGE 72, 330 (383) - Finanzausgleich II. Grundlegend: Stefan Korioth, Finanzausgleich, S. 407 ff. 293
Daneben sind nach Art. 106 Abs. 4 Sätze 2 und 3 auch kurzzeitige Finanzzuweisungen möglich. Diese dienen der Überbrückung des Zeitraumes zwischen Schaffung neuer Ausgabenlasten durch Bundesgesetz und Anpassung des allgemeinen Finanzausgleichs, s.o. S. 187. 294
Vom 23.6.1993, Art. 33 des FKPG (o. Fußn. 36 der Einleitung); z.g.d.G.v. 13.11.1995, BGBl. I S. 1506.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
191
gelungen, in denen die Steuereinnahmen aufgeteilt werden. Viele dieser Vorschriften wirken allein auf normativem Wege; sie sorgen dafür, daß das Steueraufkommen sogleich richtig zugeordnet wird. Andere Vorschriften organisieren den Ausgleich so, daß es zu Transferzahlungen kommt. In diesem Rahmen finden sich auch die auf Art. 107 Abs. 2 Satz 3 GG gestützten Bundesergänzungszuweisungen, also Maßnahmen der Bund-LänderFinanzierung (§ 11 FAG), die der ergänzenden Feinsteuerung des Finanzausgleichs dienen. Dort werden etwa Fehlbeträge aufgefüllt (Abs. 2), „überdurchschnittlich hohe Kosten politischer Führung" 295 (Abs. 3), Sonderlasten 296 oder überproportionale Belastungen 297 ausgeglichen und die extremen Haushaltsnotlagen in Bremen und im Saarland bekämpft (Abs. 6). Bund-Länder-Finanzierung im Finanzausgleich steht also in unmittelbarem Zusammenhang mit gesetzlichen Vorschriften, die ihrerseits auf Gesetzgebungskompetenzen des Bundes beruhen. Daher stellt sich, wenn man die dogmatische Vorstellung konsequent verfolgt, unter einer „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG seien auch Gesetzgebungskompetenzen zu verstehen, so daß in einzelnen, im Grundgesetz punktuell normierten Fällen „Ausgaben" aus Gesetzgebungs- statt aus Verwaltungskompetenzen „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG) können, auch Bund-Länder-Finanzierung im Rahmen des Länderfinanzausgleichs als Anwendungsfall des allgemeinen Konnexitätsgedanken dar. Sie dient nur der ergänzenden Feinsteuerung im Rahmen der vorrangig durch Gesetz zu erfüllenden Bundesaufgabe „Finanzausgleich". Die grundgesetzliche Aufgabenzuweisung an den Bund findet sich in der Gesetzgebungskompetenz des Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG. Die Regelungen über Bund-Länder-Finanzierung sind danach lediglich punktuelle Normierungen von Fällen, in denen ausnahmsweise aus der vorrangig durch Gesetz und nicht durch andere Handlungsformen zu erfüllenden Bundesaufgabe „Finanzausgleich" nicht nur Pflichten zur Gesetzgebung, sondern auch Pflichten zu Zahlungen an die Länder - „Ausgaben" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG - „sich ergeben". Die dogmatische Folgerung, auch Zahlungen des Bundes an die Länder im Rahmen des Finanzausgleichs kämen als Anwendungsfall des Art. 104a Abs. 1, 1. HS GG in Betracht, wirkt aber zunächst recht ungewöhnlich. Nur Finanzierung, die mit eigenen Aufgaben zu tun hat, entspricht dem Konnexi-
295
Berücksichtigt sind Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. 296 297
Abs. 4; für Berlin und die neuen Bundesländer.
Der Länder Bremen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland und SchleswigHolstein (Abs. 5).
192
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
tätsgedanken. Das Geld, das im Rahmen des Finanzausgleichs einzelnen Ländern zufließt, wird dort aber nicht für Bundesaufgaben verwendet. Die Mittel stehen vielmehr im allgemeinen Landeshaushalt zur Verfügung, sie werden dort ausschließlich für Aufgaben der Länder eingesetzt. Die Bundesfinanzierung wirkt sich letztlich auf Landesaufgaben aus. Das gilt gerade dann, wenn es beim Finanzausgleich zu Zahlungen des Bundes an die Länder kommt (Art. 107 Abs. 2 Satz 3, Art. 106 Abs. 4 Sätze 2 und 3 GG). So geht etwa Kisker davon aus, daß jedenfalls der Finanzausgleich nichts mit dem Konnexitätsprinzip zu tun habe. Zweck dieser Finanzströme sei nicht die Erfüllung staatlicher Aufgaben. Mittel aus dem Finanzausgleich sind keine Ausübung von Herrschaft, weil sie in keiner Weise zweckgebunden sind. Es gehe beim Finanzausgleich lediglich um die Finanzausstattung, nicht aber um die Erfüllung staatlicher Aufgaben 298 . Ein ganz ähnlicher Einwand wurde bereits beim eingangs vorgestellten Bild eines einzelnen Markstücks auf dem Weg vom Bundeshaushalt zu einem einzelnen Bürger 299 vorgebracht. Dort stellte sich die Frage, ob auch Vorgänge im „innerstaatlichen" Bereich, die aus Sicht eines betroffenen Bürgers die eigentliche Erfüllung der Staatsaufgaben nur vorbereiten, etwas mit „Aufgaben" zu tun haben. Dieses Problem läßt sich nun rechtlich präziser fassen. Es kommt darauf an, ob es auch „Aufgaben" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG gibt, die nur mittelbar mit der Verwirklichung der Staatszwecke zu tun haben. Der Finanzausgleich hat dienende Funktion 300 , er dient nur mittelbar der Verfolgung von Staatszwecken im Sinne der verschiedenen Staatszwecklehren 301 . Wenn nach dem Grundgesetz auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern „Aufgaben" normiert sind, die zwar nicht als Erfüllung der Staatsaufgaben oder als Verwirklichung der Staatszwecke anzusehen sind, aber dennoch wegen ihrer staatsorganisationsrechtlichen Bedeutung als „Aufgabe" im juristischen Sinne anzusehen sind, wären auch die staatsorganisationsrechtlichen Vorstufen einer unmittelbaren Konkretisierung der Staatszwecke als „Aufgabe" anzusehen. Etwas anderes gilt, wenn nach dem Grundgesetz allein ein Handeln gegenüber den Bürgern „Aufgabe" ist. Die Begrifflichkeit im Grundgesetz differenziert sorgfältig. Sie spricht für die Auffassung, daß es auch im Verhältnis zwischen Bund und Ländern „Aufgaben" geben könne. Art. 30 GG, der von staatlichen Befugnissen und 298
Kisker, Kooperation, S. 42, setzt dies voraus. Er erörtert dann die Frage, wann Finanzströme als „Ausübung von Herrschaft" eingeordnet werden müssen. 299
S.o. S. 35 f.
300
Grundlegend Korioth, Finanzausgleich, S. 85 ff.
301
Hinweise hierzu s.o. S. 152 f.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
193
staatlichen Aufgaben handelt und als Grundnorm des Kompetenzrechts grundsätzlich klärt, welche Ebene mit welcher Staatsaufgabe befaßt werden soll, regelt nach seinem Wortlaut die „Erfüllung" der Aufgaben. Die Norm setzt also eine „Aufgabe" voraus und regelt dann die Einzelheiten im Zusammenhang mit der Erfüllung dieser Aufgabe. Regelmäßig ist die Erfüllung staatlicher Aufgaben kompetenzgebunden. Dagegen sind Maßnahmen, die zwar mit Aufgaben zu tun haben, aber nicht „Erfüllung" sind - etwa Vorbereitungsmaßnahmen im Vorfeld der „Erfüllung" 3 0 2 - zumindest begrifflich von Art. 30 GG nicht erfaßt 303 . Dagegen ist Art. 104a Abs. 1 GG zurückhaltender abgefaßt. Die Vorschrift setzt den Begriff der „Aufgabe" ebenfalls zunächst voraus. Sie regelt dann Ausgaben, die sich aus der „Wahrnehmung" der Aufgaben ergeben. Der historische Zusammenhang304 zeigt, daß dieser Begriff weiter gefaßt sein muß als der Begriff „Erfüllung". Das System des aufgabenorientierten Finanzausgleichs hatte zur Voraussetzung, daß jede Verwendung öffentlicher Finanzmittel an den Nachweis einer Aufgabe geknüpft ist. Daher mußten auch Finanzierungsmaßnahmen, die nicht erst bei der „Erfüllung" der Aufgabe ansetzen, sondern bereits im Vorfeld der Letztentscheidung Ausgaben verursachen, an die „Aufgabe" angekoppelt sein. Das legt es nahe, die Formulierung von der „Wahrnehmung" der Aufgaben so zu verstehen, daß in diesem Rahmen auch vorbereitende Maßnahmen aus einem „Innenverhältnis" zwischen Bund und Ländern unter einen juristisch gefaßten Begriff der „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG zu fassen sind. Die Konzeption des Finanzausgleichs im Grundgesetz spricht dafür, daß es sich dabei um eine eigenständige Sachaufgabe handelt, die allein dem Bund zugewiesen ist. Trotz erheblicher Auswirkungen auf die Länder entscheiden nach dem Grundgesetz allein Bundesorgane - Bundestag und Bundesrat darüber, wie der Finanzausgleich in allen seinen Details organisiert wird. Der Bundesgesetzgeber muß den Ausgleich im hierfür vorgesehenen Verfahren (Zustimmungsgesetz nach Art. 107 Abs. 1 Satz 2 GG) ausgestalten und vor allem die Berechnungsgrundlagen 305 festlegen. In diesem Zusammenhang
302
S.o. S. 34 f.
303
Die Ausführungen beschränken sich bewußt auf Wortlautinterpretation; Art. 30 GG ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Eine umfassende Aufarbeitung der Norm würde den Rahmen dieser Unteruchung sprengen. Grundlegende neuere dogmatische Ansätze zur Auslegung dieser Vorschrift finden sich insbesondere bei Pauly, Weisungen, S. 97 ff. 304
Hierzu oben S. 47 f.
305
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 107, Rdnr. 6, 8.
13 Waiblinger
194
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
bestehen weitreichende Kooperationspflichten 306 . Auch die gerichtliche Prüfungsdichte ist hoch. Der Finanzausgleich hat für die Ausgewogenheit der bundesstaatlichen Ordnung erhebliche Bedeutung. „Ob eine bundesstaatliche Verfassung ernst gemeint ist, zeigt sich an der Finanzverfassung" 307 . Hier liegt „sozusagen der Schwurpunkt" 308 der bundesstaatlichen Ordnung. „Erforderliche Kompromißbereitschafi kann, wenn es [sich] wie hier um den Ausgleich erheblicher und dabei gegensätzlicher Finanzinteressen handelt, nicht von vornherein unterstellt werden. Sie bedarf der Aktivierung und Unterstützung" 309 . Das Bundesverfassungsgericht hat immer wieder die besondere Bedeutung der Finanzausstattung für den Status der Länder 3 1 0 unterstrichen. Aus diesem Grund haben sich Rechtsprechung und Literatur bemüht, den Finanzausgleich weitgehend zu verrechtlichen und Kriterien zur Justiziabilität der in den einschlägigen Verfassungsnormen verwendeten Begriffe zu entwickeln 3 1 1 . Der Bundesgesetzgeber ist rechtlich verpflichtet, im Finanzausgleich die Eigenständigkeit der Aufgabenerfüllung und eine selbstverantwortliche Haushaltspolitik der Länder zu sichern 312 . Art. 107 Abs. 2 GG wird als justiziable Norm angesehen 313 . Daher gilt ein Nivellie-
306
Grundlagen bei Bauer, Die Bundestreue, S. 343 ff.
307
Christian Starck, Finanzausgleich und Finanzhilfen im Bundesstaat, JZ 1975,
S. 363. 308
Hettlage, VVDStRL 14 (1956), S. 2 (6); Hettlage meint, man bezeichne den Finanzausgleich nicht zu Unrecht als „die deutsche Gretchenfrage". 309
BVerfGE 72, 330 (397) - Finanzausgleich II; offenbare Unrichtigkeit korrigiert.
310
BVerfGE 34, 9 (19 f.) - erstes hess. Besoldungsanpassungsgesetz; BVerfGE 72, 330 (383) - Finanzausgleich II; BVerfGE 86, 148 (213) - Finanzausgleich III / extreme Haushaltsnotlage. Zum Status der Länder s.o. S. 127 ff. 3.1
Überblick bei Prokisch, Justiziabilität, S. 222 ff. Zur neueren Diskussion Jürgen W. Hidien, Das verfassungsrechtliche Gebot der Finanzrangerhaltung im Länderfinanzausgleich, BayVBl 1998, S. 133 ff. 3.2
BVerfGE 72, 330 (386) - Finanzausgleich II; Fischer-Menshausen Münch/Kunig, GGK III, Art. 107, Rdnr. 4. 313
in: v.
BVerfGE 72, 330 (396) - Finanzausgleich II. Zurückhaltender z.B. Fritz Ossenbühl, Zur Justiziabilität der Finanzverfassung, in: FS für Carl Carstens, Bd. 2, 1984, S. 743 (749 f.) oder Engelbert Niebier in seinem Sondervotum (BVerfGE 72, 424 ff): „Jedenfalls würde es Sinn und Zweck der Regelungen des Grundgesetzes über den Finanzausgleich sowie dem bündischen Prinzip besser entsprechen, wenn über die Probleme im Wege des Kompromisses eine Einigung gesucht würde" (a.a.O., 42).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
195
rungs verbot 314 . Sonderbedarfe dürfen nur eingeschränkt 315 berücksichtigt werden. Auch der Begriff der Finanzkraft 316 ist immer weitergehender konkretisiert worden. Das hat die Möglichkeiten, den Finanzausgleich politisch zu gestalten, weit beschnitten. Dem Bundesgesetzgeber verbleiben beim Finanzausgleich dennoch durchaus beachtliche Gestaltungsspielräume 317. Er ist nicht darauf beschränkt, Verhandlungsergebnisse der Länder lediglich zu ratifizieren. Die Entscheidung über die Umsatzsteuerverteilung (Art. 106 Abs. 4 Satz 1 GG) ist „immer eine politische Kompromißentscheidung, die letztlich objektiven justiziablen Maßstäben nicht zugänglich ist" 3 1 8 . Auch der horizontale Finanzausgleich hat nur „angemessen" (Art. 107 Abs. 2 Satz 1 GG) zu sein. Es ist Sache des Gesetzgebers 319, über Indikatoren und Pauschalierungen 320 zu entscheiden und vor allem festzulegen, bis auf welches Niveau der Ausgleich erfolgen soll 3 2 1 . Vor allem aber hat der Bundesgesetzgeber über Ergänzungszuweisungen nach Art. 107 Abs. 2 Satz 3 G G 3 2 2 lediglich nach pflichtgemäßem Ermessen 323 zu entscheiden. Vor allem bei der
3,4
BVerfGE 72, 330 (398) - Finanzausgleich II; 86, 148 (215, 278) - Finanzausgleich III / extreme Haushaltsnotlage. 315
Nach h.M. dürfen Sonderbedarfe bei der Umsatzsteuerverteilung überhaupt nicht (BVerfGE 72, 330 [400 f.]), bei den Ergänzungszuweisungen nur zugunsten leistungsschwacher Länder und unter Beachtung einer gesteigerten Begründungspflicht (BVerfGE 72, 330 [404], BVerfGE 86, 148 [260 f.]) berücksichtigt werden. Völlig gegen eine Berücksichtigung von Sonderbedarfen Prokisch, Justiziabilität, S. 248 f. 316
Einzelheiten bei Prokisch, Justiziabilität, S. 238 ff.
3,7
BVerfGE 72,330 (395).
318
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 106, Rdnr. 14.
319
Ermessen, Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig GGK III, Art. 107, Rdnr. 14 a.E. 320
Überblick bei Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 107, Rdnr. 8.
321
Zu rechtlichen Maßstäben im Spannungsfeld zwischen Nivellierungsverbot und Ausgleichsgebot Paul Kirchhof, Der Verfassungsauftrag zum Länderfinanzausgleich als Ergänzung fehlender und als Garant vorhandener Finanzautonomie, 1982, S. 10. 322
H.M., Fischer-Menshausen in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 107, Rdnr. 19 mit weit. Nachw. 323
So die h.M., Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 107, Rdnr. 17; aA Prokisch, Justiziabilität, S. 244 ff, der insbesondere keine Berücksichtigung von Sonderbedarfen einzelner Länder zulassen will.
196
2. Teil: Das Fremdfinanzierungsverbot
Berücksichtigung von Sonderbedarfen strukturschwacher Länder wird es „immer nur um nicht objektivierbare politische Kompromisse" 324 gehen. Damit sieht das Grundgesetz den Finanzausgleich nicht etwa als politisch völlig neutrale, lediglich wirtschaftlichen Sachzwängen verpflichtete Verteilungsaufgabe an. Die Regelung in den verschiedenen Absätzen des Art. 107 GG geht vielmehr davon aus, daß der Finanzausgleich „ i n die Verantwortung des Bundesgesetzgebers gegeben ist" 3 2 5 . Er ist „nicht einfach der freien politischen Gestaltung des Bundesgesetzgebers überlassen, sondern gewissen normativen Vorgaben unterstellt, die sich aus Art. 107 Abs. 2 GG und dessen Regelungszusammenhang ergeben" 326 . Grundsätzlich entscheiden die zuständigen politischen Bundesorgane, also Bundestag und Bundesrat, über die Ausgestaltung des Finanzausgleichs. Zu einer solchen politischen Entscheidung ist der Gesetzgeber nur innerhalb der von der Verfassung vorgegebenen Grenzen legitimiert 3 2 7 . In der Praxis wird er sich häufig an den Ergebnissen politischer Verhandlungen oder an wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnissen 3 2 8 orientieren. Trotz alledem ist nach geltendem Verfassungsrecht die Entscheidung darüber, wie der nach den vielen rechtlichen Einschränkungen noch verbleibende Spielraum ausgestaltet werden soll, eine politische Entscheidung des Bundes. In diesem Zusammenhang aufschlußreich ist die dritte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich 329 . Dort hat das Gericht ausdrücklich die Sorge für angemessene Finanzausstattung als „Auf-
324
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 107, Rdnr. 17 ff.
325
BVerfGE 72, 330 (396).
326
BVerfGE 72, 330 (396), Hervorhebung hinzugefügt.
327
So selbst Prokisch (Justiziabilität, S. 232) in seiner Auseinandersetzung mit Ansichten, die beim Finanzausgleich dem Gesetzgeber die letztverbindliche Ausgestaltung anvertrauen und dem Bundesverfassungsgericht nur eine Prüfung auf Willkürfreiheit zugestehen wollen. 328
So z.B. Wissenschaftlicher
Beirat beim Bundesministerium
der Finanzen, Gut-
achten zum Finanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland, 1992. Ein neuerer Überblick über wirtschaftswissenschaftliche Forschungsergebnisse findet sich etwa bei Clemens Esser, Strukturprobleme des bundesstaatlichen Finanzausgleichs in der Bundesrepublik Deutschland, 1992. Zur Grundlagenforschung z.B. Wilhelmine Dreißig (Hrsg.), Probleme des Finanzausgleichs I (1977) sowie Dieter Pohmer, Probleme des Finanzausgleichs II (1980); Schriftenreihe des Vereins für Socialpolitik n.F. Band 96/1, 96/11. 329
BVerfGE 86, 148 - Finanzausgleich III / extreme Haushaltsnotlage.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
197
gäbe" 330 des Bundes angesehen und den Vorrang einer Regelung durch Gesetz vor einer Lösung mittels Bund-Länder-Finanzierung sogar ausdrücklich betont. Das Bundesverfassungsgericht stellte in dieser Entscheidung fest, daß das Saarland und Bremen sich seinerzeit in einer „extremen Haushaltsnotlage" 331 befunden haben. Mit welchen wirtschaftlichen Indikatoren man das im einzelnen bestimme, könne offenbleiben, da nach allen der einschlägigen Kennziffern die haushaltswirtschaftliche Handlungsfähigkeit beeinträchtigt sei 332 . Das Grundgesetz gebiete es, diesen Zustand zu beheben: „Im Fall der extremen Haushaltsnotlage eines Landes, wie sie gegenwärtig für das Saarland und Bremen besteht, ist das bundesstaatliche Prinzip als solches berührt. Aus ihm erwächst den anderen Gliedern der bundesstaatlichen Gemeinschaft die Pflicht, mit konzeptionell aufeinander abgestimmten Maßnahmen dem betroffenen Land beizustehen."333 Handlungssubjekt aus dieser Pflicht sei zunächst der Bund. Allein die Pflicht bundesstaatlicher Hilfeleistung begründe jedoch keine Regelungs- und Eingriffsbefugnisse, „ein solcher unmittelbarer Schluß von der Aufgabe auf die Befugnisse ist der rechtsstaatlichen Verfassung fremd. Sie vermag aber und darin liegt ihre normative Wirkung - die Wahrnehmung bestehender Befugnisse nach Grund und Umfang zu dirigieren, bestehende Verpflichtungen zu intensivieren und als Interpretationsgesichtspunkt für die Auslegung von Art und Umfang bestehender Handlungsmöglichkeiten zu wirken." 3 3 4 Die Sorge für eine angemessene Finanzausstattung wird damit ausdrücklich als „Aufgabe" des Bundes bezeichnet. Sodann listet das Bundesverfassungsgericht umfassend auf, welche Befugnisse der Bund zur Verfügung habe, um diese Aufgabe zu erfüllen: „Zuvörderst nötig und besonders dringlich ist es, Bund und Länder gemeinsam treffende Verpflichtungen und Verfahrensregeln festzulegen, die der Entstehung einer Haushaltsnotlage entgegenwirken und zum Abbau einer eingetretenen Haushaltsnotlage beizutragen geeignet sind. Dem Bundesgesetzgeber bietet hierzu Art. 109 Abs. 3 GG die nötige Regelungskompetenz"335.
330
BVerfGE 86, 148 (265) - Finanzausgleich III / extreme Haushaltsnotlage.
331
BVerfGE 86, 148 (258 - „Haushaltsnotlage", 262 - „extremes Ausmaß").
332
BVerfGE 86, 148 (258 f.).
333
BVerfGE 86, 148 (263 f.).
334
BVerfGE 86, 148 (265).
335
BVerfGE 86, 148 (266).
198
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
Das Bundesverfassungsgericht hält es also selbst bei der Sonderkonstellation einer extremen Haushaltsnotlage für vorrangig, die nach dem Grundgesetz dem Bund zugewiesene Aufgabe durch Gesetz statt durch finanzielle Steuerung zu erfüllen. Erst danach erörtert es die einzelnen „weiteren" Handlungsmöglichkeiten im Rahmen der grundgesetzlichen Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung 336. Das spricht dafür, im Finanzausgleich Bund-Länder-Finanzierung als Anwendungsfall des allgemeinen Konnexitätsgedanken anzusehen.Die Sorge für einen rechtzeitigen und richtigen Finanzausgleich hat mit den Staatszwecken nur mittelbar zu tun. Dennoch ist sie nach dem Grundgesetz eine eigenständige „Aufgabe" allein des Bundes, die gegenüber den Ländern erfüllt werden muß. Daher sind auch die Bund-Länder-Finanzierungen im Zusammenhang mit dem Finanzausgleich nur Mittel zur Wahrnehmung dieser „Aufgabe" (Art. 104a Abs. 1 GG). Die Rechtsgrundlage der Ergänzungszuweisungen ist das Finanzausgleichsgesetz des Bundes 337 . Es enthält Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung als Maßnahme ergänzender Feinsteuerung zur Regelung des Finanzausgleichs. Dabei handelt es sich ebenfalls um einen Fall, in dem das Grundgesetz ausdrücklich normiert, daß „Ausgaben" des Bundes nicht erst aus dem unmittelbaren Vollzug, sondern ausnahmsweise bereits aus gesetzgeberischen Maßnahmen „sich ergeben". Auch bei der besonderen Konstellation einer extremen Haushaltsnotlage steht Bund-Länder-Finanzierung im Zusammenhang mit „Aufgaben" des Bundes, die vorrangig durch Gesetz zu erfüllen sind. Die Aufgabenzuweisung folgt aus der Gesetzgebungskompetenz; bei dieser Konstellation bedarf es einer punktuellen Einzelregelung, in der das Grundgesetz normiert, unter welchen verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen Voraussetzungen diese Aufgabe durch Bund-Länder-Finanzierung erfüllt werden darf, nach welchen Kriterien also aus dieser „Aufgabe" die Ausgaben „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG). i) Kriegsfolgelasten, Art. 120 GG Nach Art. 120 Satz 1 GG trägt der Bund die Aufwendungen für Besatzungskosten und Kriegsfolgelasten. Diese Vorschrift wird üblicherweise als Ausnahme zum Konnexitätssatz des Grundgesetzes gesehen, die auf dem Gedanken des Finanzausgleichs beruhe und historisch bedingt sei 338 . Das 336
BVerfGE 86, 148 (267 ff.).
337
FAG (o. Fußn. 294 des 2. Teils).
338
Karl Heinz Schaefer, in: v. Münch/Kunig, GGK III; Art. 120, Rdnr. 1.
. AufgabenzuWeisung aus Einzelermächtigungen
199
Grundgesetz ordne hier ausdrücklich an, daß der Bund auch ohne Verwaltungskompetenz Lasten zu tragen habe 339 . Eine Besonderheit der Regelung in Art. 120 GG soll dennoch nicht unerwähnt bleiben: Die Vorschrift normiert, daß der Bund die Kriegsfolgelasten nur „nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen" zu tragen hat. Der Bundesgesetzgeber hat dabei besonders weite Gestaltungsfreiheit 340 ; lediglich bei Kriegsfolgelasten, die vor dem 1. Oktober 1969 bereits durch Bundesgesetze geregelt waren, ist der Bund zur Übernahme der Kostenlast verpflichtet. Die Kostenlast bei den Kriegsfolgelasten steht somit in engem sachlichem Zusammenhang mit Bundesgesetzen; sie ermöglicht es dem Bund in ihrem engen - Anwendungsbereich, allein auf der Grundlage von Gesetzgebungskompetenzen und ohne den Nachweis einer Verwaltungskompetenz Kosten zu übernehmen. Die jeweils einschlägige „Aufgabe" des Bundes (grundgesetzliche Aufgabenzuweisung an den Bund) folgt dann aus der Gesetzgebungskompetenz. Art. 120 GG normiert dann Fälle, in denen diese Aufgaben dazu fuhren, daß Ausgaben „sich ergeben". Der Nachweis der „Aufgabe" kann hier mit Gesetzgebungskompetenzen geführt werden. Art. 120 GG stellt also nichts anderes dar als eine Regelung, in der die Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen die Kosten bereits aus dem Gesetz und nicht erst aus dem verwaltungsmäßigen Vollzug „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG), in ihrem Anwendungsbereich punktuell modifiziert werden. Daher handelt es sich bei Art. 120 GG um eine normative Konkretisierung des in Art. 104a Abs. 1 GG normierten Zusammenhangs zwischen Aufgaben und Ausgaben, also um eine Ausprägung des grundgesetzlichen Konnexitätssatzes. Die übliche Ansicht, die Norm sei eine Ausnahme zu Art. 104a Abs. 1 GG, ist daher zu revidieren. j) „Gemeinsamer Nenner" Die bisher erörterten Fälle ergaben ein einheitliches Bild. Die verschiedenen Einzelermächtigungen des Grundgesetzes für Bund-Länder-Finanzierung betrafen - abgesehen von den Sonderföllen des Art. 104a Abs. 4 GG und der Gemeinschaftsaufgaben - im wesentlichen Fälle, in denen Bundesfinanzierung nicht nur im Zusammenhang mit Verwaltungskompetenzen des Bundes, sondern stattdessen ausnahmsweise und kraft besonderer Anordnung im Grundgesetz auch im Zusammenhang mit Gesetzgebungskompetenzen des 339 340
Bruno Schmidt-Bleibtreu
in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 120, Rdnr. 8.
BVerwGE 45, 1 (3). Ein Überblick über einzelne gesetzliche Regelungen findet sich bei Karl Heinz Schaefer in: v. Münch/Kunig, GGK III, Art. 120, Rdnr. 12.
200
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
Bundes zulässig war. Die Aufgabenzuweisung an den Bund - die „Aufgabe" im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG, aus der die Ausgaben „sich ergeben" war in diesen Einzelfällen nicht aus einer Verwaltungskompetenz, sondern ausnahmsweise aus einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes herauszulesen. Hierzu bedurfte es aber einer ausdrücklichen Normierung im Grundgesetz, die besagte, daß die Kriterien, nach denen sich aus einer nach dem Grundgesetz dem Bund obliegenden Aufgabe die Ausgaben „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG), modifiziert sein sollen. Nach den üblichen allgemeinen Regeln ist das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" des Art. 104a Abs. 1 GG erst mit dem unmittelbaren Vollzug erfüllt. In den Vorschriften des Grundgesetzes über Bund-Länder-Finanzierung ist dagegen ausnahmsweise ausdrücklich normiert, daß die Ausgaben nach anderen Kriterien „sich ergeben". Dabei handelt es sich praktisch immer um Konstellationen, bei denen der Bund im Rahmen der ihm durch Gesetzgebungskompetenzen zugewiesenen Sachaufgaben mit seinen Finanzen ergänzende Feinsteuerung betreibt. Damit existiert der gesuchte „gemeinsame Nenner" der Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung. Im Rahmen der dargestellten Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung mußte der Bund mindestens - und unbeschadet weiterer materiellrechtlicher und vor allem verfahrensrechtlicher Anforderungen, die in den einzelnen Vorschriften des Grundgesetzes über BundLänder-Finanzierung normiert sind - eine Gesetzgebungskompetenz anführen können, um damit eine „Aufgabe" nachweisen zu können, aus der dann Ausgaben „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG) können. Für die finanzverfassungsrechtliche Konsequenz, daß die Kosten ausnahmsweise aus einer Gesetzgebungskompetenz statt nach den üblichen allgemeinen Kriterien „sich ergeben", bedurfte es einer ausdrücklichen Vorschrift über Bund-LänderFinanzierung im Grundgesetz, die normierte, daß das Kausalitätskriterium „sich ergeben" in Art. 104a Abs. 1 GG abweichend von den allgemeinen Regeln zu konkretisieren sei. In dieser Auslegung erweisen sich die genannten Vorschriften des Grundgesetzes über Bund-Länder-Finanzierung als Ausprägung des in Art. 104a Abs. 1 GG angeordneten Zusammenhangs zwischen Ausgaben und Aufgaben. In allen Fällen muß eine Aufgabenzuweisung an den Bund, also grundsätzlich zumindest eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes, nachgewiesen sein. Das Erfordernis, für Ausgaben eine „Aufgabe" nachzuweisen, gilt damit ausnahmslos. Die Frage der Zulässigkeit der Finanzierungsmaßnahme richtet sich damit nach Kompetenzrecht. Die Lastentragung nach dem Grundgesetz richtet sich in diesen Fällen nach dem Tatbestandsmerkmal „sich ergeben" in Art. 104a Abs. 1 GG. Das Grundgesetz enthält bei den Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung kasuistische Einzelregelungen, nach denen das Tatbestandsmerkmal „sich
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
201
ergeben" des Art. 104a Abs 1 GG kraft verfassungsgesetzlicher Wertung anders konkretisiert wird als sonst üblich; ausnahmsweise kann es in diesen Fällen auch im Rahmen von Gesetzgebungskompetenzen dazu kommen, daß Ausgaben „sich ergeben". Der beschriebene Zusammenhang, wonach zum Nachweis einer „Aufgabe" des Bundes, die nach Art. 104a Abs 1 GG zu Bundesfinanzierung ermächtigt, mindestens eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes genannt werden muß, gilt - das sei hier ergänzend angemerkt - auch für den Normalfall, bei dem Zweckausgaben auf der Grundlage von Verwaltungskompetenzen geleistet, also etwa Subventionen verteilt werden. Denn zumindest nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Bund Verwaltungskompetenzen nur innerhalb der äußersten Grenzen der Gesetzgebungskompetenzen341. Aus Verwaltungskompetenzen dürfe man nicht herleiten, daß der Bund noch zusätzliche, über den Katalog der Gesetzgebungskompetenzen hinausreichende Sachaufgaben habe. Vielmehr seien umgekehrt Verwaltungskompetenzen des Bundes nur denkbar, soweit der Bund Gesetzgebungskompetenzen hat. Die Gesetzgebungskompetenz bilde gleichzeitig die äußerste Grenze der Verwaltungskompetenzen des Bundes. Bundesfinanzierung ist damit auf Sachgebiete begrenzt, für die der Bund eine Gesetzgebungskompetenz nachweisen kann. Damit sind die dogmatischen Grundstrukturen geklärt. Der Rechtsbegriff der „Aufgabe" nach Art. 104a Abs. 1 GG hat - bei allen Unsicherheiten, die mit politischen Entscheidungen über politische Prioritäten bei der Verwendung öffentlicher Finanzen zusammenhängen - einen gesicherten juristischen Kern. Notwendige - nicht hinreichende - Voraussetzung für den Nachweis einer „Aufgabe" des Bundes im Sinne des Art. 104a Abs. 1 GG ist der Nachweis einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die betreffende Sachmaterie. Diese genügt jedoch nicht, um dem Bund Finanzierungsmöglichkeiten zu eröffnen. Diese bestehen erst, wenn Ausgaben „sich ergeben". Das ist grundsätzlich nur im Rahmen von Verwaltungskompetenzen der Fall. Das Grundgesetz enthält jedoch verschiedenen Vorschriften über Bund-LänderFinanzierung, in denen das Kriterium „sich ergeben" anders konkretisiert wird. Der Zusammenhang zwischen Ausgaben und Aufgaben gilt auch in diesen Fällen. Der Konnexitätssatz des Art. 104a Abs. 1 GG ist daher eher Rechtssatz als Rechtsprinzip. Nur die Kausalitätskriterien, also die Voraussetzungen, nach denen die Ausgaben aus Aufgaben „sich ergeben", sind durch ausdrückliche Anordnung im Grundgesetz modifiziert. 341
BVerfGE 12, 205 (229) -1. Fernsehurteil, BVerfGE 15, 1 (16) - Wasserrechtsstreit; ebenso die h. Lit., z.B. Kunig in: von Münch/ders., GGK III, Art. 70, Rdnr. 30 m. weit. Nachw.
202
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
Die Begrifflichkeit des Grundgesetzes entspricht also den Kategorien der Staatslehre, die zwischen Staatszwecken und Staatsaufgaben unterscheidet 342. Unter „Aufgaben" im Sinne des Grundgesetzes versteht man damit „die Fülle dessen, was die politischen Systeme nachweisbar zum Gegenstand ihrer Entscheidung machen" 343 ; zulässig ist dies nur nach Maßgabe der kompetenzrechtlicher Handlungsmöglichkeiten. Noch einmal Reiner Schmidt: „Ausgangspunkt aller Überlegungen muß die Offenheit, die Weite von Verfassungsbestimmungen sein. Die Verfassung ist nur eine rechtliche Grundordnung des Gemeinwesens. Sie bestimmt die Leitprinzipien, nach denen sich politische Einheit bildet und nach denen staatliche Aufgaben wahrgenommen werden sollen. Die Verfassung hält eine Reihe von Verfahrensregeln bereit, nach denen Konflikte ausgetragen werden sollen und politische Macht gebändigt wird. Sie bietet aber nur wenig griffige materielle Anhaltspunkte (...). Sicherlich läßt sich der verfassungsrechtliche Datenkranz durch sachkundige Interpretation verdichten, wobei der Wissenschaft und dem BVerfG besondere Bedeutung zukommen, nicht aber läßt sich erreichen, was in unserem Zusammenhang allein entscheidend wäre: die normative Erschließung einer verbindlichen Staatsaufgabenlehre. Der Staat des Grundgesetzes darf im Grundsatz diejenigen Aufgaben an sich ziehen, die er erfüllen will. Er ist dabei zwar an zahlreiche formelle und materielle Bestimmungen gebunden (...). Trotzdem bleibt die Erkenntnis richtig, daß sich die festgestellten staatlichen Überlastungserscheinungen nicht primär aus der Verfassung lösen lassen. Das, was der Staat tun oder lassen soll, ist vorrangig eine Frage der politischen Gestaltung, nicht der rechtlichen Interpretation." 344
2. Die kompetenzrechtliche Generalklausel des Art. 35 Abs. 1 GG Nachzutragen bleibt noch, nach welchen rechtlichen Kriterien der „Schülerzüge"-Fall 345 zu lösen wäre. Das vom Bundesverwaltungsgericht bemühte „Gemengelage"-Argument erwies sich als nicht tragfähig, weil es keine Vollfinanzierung trägt. Die Stadt hatte zwar eine Verwaltungskompetenz, auf die sich grundsätzlich unproblematisch auch finanzielle Maßnahmen stützen lassen 346 . Es fehlte aber an einer ausdrücklichen grundgesetzlichen Ermächti342
S.o. S. 152 ff.
343
R. Schmidt, NJW 1980, S. 160 (161).
344
R. Schmidt, NJW 1980, S. 160 (162).
345
S.o. S. 108 ff
346
Jakob, Der Staat 24 (985), S. 527 (537).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
203
gung zur Finanzierung fremder Kompetenzen. Das führt zunächst in staatstheoretische Grundsatzfragen. Die Vorstellung, ein Kompetenzträger könne sich auf finanziellem Wege der Kompetenzen einer anderen Ebene im Bundesstaat bemächtigen und auf diese Weise die Ausübung fremder Kompetenzen sozusagen „fernsteuern", ist schon im Ansatz problematisch. Zunächst muß ein Ansatzpunkt für juristische Argumente herausgearbeitet werden. Die Aufteilung der Zuständigkeiten hängt eng mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zusammen. Kompetenzrecht ist das rechtstechnische Instrumentarium, das es ermöglicht, diesen großen und traditionsreichen Grundsatz aus der Welt der Verfassungstheorie für den juristischen Alltagsgebrauch handhabbar zu machen. Bereits zu den allgemeinen Grundlagen der Gewaltenteilungslehre werden völlig unterschiedliche staatstheoretische Grundkonzeptionen vertreten. Das sorgt schon seit Generationen für Grundsatzkontroversen zwischen verschiedenen „Schulen" von Staatsrechtslehrern. Nach der klassischen Gewaltenteilungslehre, die in vielen Jahrhunderten abendländischer Ideengeschichte gewachsenen ist 3 4 7 , geht es vor allem um Kontrolle und Mäßigung der Staatsgewalt 348 . Staatliche Funktionen werden auf verschiedene Organe aufgeteilt, um durch politisch wirksame Balancen und Kontrollen Machtkonzentration zu unterbinden. Daher komme es vor allem auf sorgfältige Trennung der Kompetenzen der verschiedenen Funktionsträger an 3 4 9 . Eine aus Zeiten der Weimarer Republik stammende Gegenansicht 350 stellt den Grundsatz der Gewaltenteilung in untrennbaren Zusammenhang mit der rechtlichen Legitimation der Staatsgewalt. Sie lehnt die Vorstellung ab, es gebe eine ursprünglich existente einheitliche Staatsgewalt, die es lediglich mit dem Mittel der Gewaltenteilung zu temperieren gelte. Vielmehr müsse die politische Einheit und die staatliche Gewalt in organisiertem menschlichen Zusammenwirken immer wieder neu geschaffen werden. Diese Ansicht geht auf Smend zurück. Er schrieb bereits 1928: „Umso entscheidender begründet sich der moderne Staat auf seine unlösliche Verbindung mit dem Gesetz als
347
Prägend waren vor allem Locke und Montesquieu. Ähnliche Strukturen finden sich bereits beim Modell der „gemischten Verfassung" der Antike (z.B. bei Aristoteles, Piaton, Cicero). Selbst Macchiavelli versprach sich von einer gegenseitigen Überwachung von Fürst, Adel und Volk eine größere Festigkeit des Staatswesens, De principe, Kapitel III. 348
Ζ. B. Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 306 mit weit. Nachw.
349
Eberhard Schmidt-Aßmann, Der Rechtsstaat, HStR I, S. 987 (1011).
350
Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, 1928, S. 18, 96 ff.; heute ebenso Konrad Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, S. 209.
204
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
seiner eigenen und ihn zugleich legitimierenden Gewalt - so paradox es auch ist, daß er gerade durch seine endgültige Emanzipation von aller und jeder bisherigen ... transzendenten Legitimierung erst zum modernen Rechtsstaat geworden ist" 3 5 1 . Staatlichkeit sei daher überhaupt nur existent, soweit sie nach einem - nach dem Grundgesetz gewaltenteilend organisierten - Legitimationsmodell konstituiert sei. Gewaltenteilung sei daher nicht nachträgliche Einschränkung der Staatsgewalt, sondern - so Hesse - „eine Ordnung menschlichen Zusammenwirkens, die die einzelnen Gewalten konstituiert, ihre Kompetenzen bestimmt und begrenzt und auf diese Weise zur Einheit begrenzter - staatlicher Gewalt fuhren soll." 3 5 2 Wenn man die Diskussion vereinfacht und auf ihre Grundzüge zurückführt, so geht es letztlich darum, wie in Zweifelsfällen die Darlegungslast für die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit staatlichen Tätigwerdens verteilt ist. Nach der erstgenannten Ansicht muß die Unzulässigkeit der entsprechenden Maßnahmen dargelegt werden; der Staat ist im Zweifel zum Handeln berufen. Dann bestehen im Ergebnis politische Prärogativen. Die Gegenauffassung hält jede Einzelmaßnahme für legitimationsbedürftig; staatliches Handeln sei unzulässig, wenn die Legitimationsgrundlage zweifelhaft ist. Das Bundesverfassungsgericht, das sich in der Anfangszeit der Bundesrepublik für die erste der beiden vorgestellten Auffassungen ausgesprochen hatte 3 5 3 , bemüht sich inzwischen um eine vermittelnde Position. Die vom Grundsatz der Gewaltenteilung „normierte organisatorische und funktionelle Verflechtung und Trennung der Gewalten dient zumal der Verteilung von politischer Macht und Verantwortung sowie der Kontrolle der Machtträger; sie zielt auch darauf ab, daß staatliche Entscheidungen möglichst richtig, das heißt von Organen getroffen werden, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügen, und sie will auf eine Mäßigung der Staatsgewalt insgesamt hinwirken" 3 5 4 . Eine umfassende Aufarbeitung der beschriebenen Grundsatzkontroverse würde den Rahmen dieser Untersuchung bei weitem sprengen. Der Streit läßt sich ohne fundierte Grundlagenforschung nicht aufheben. Daher soll hier eine Stellungnahme unterbleiben. Sie könnte allenfalls bekenntnishaften Charakter haben. Das mag durchaus geeignet sein, Beifall zu finden. Derartige juristi-
351
Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 102.
352
Hesse, Grundzüge, S. 209.
353
BVerfGE 3, 225 (247) - Gleichberechtigung.
354
BVerfGE 68, 1 (86) - Pershing-2.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
205
sehe Begründungen gehören allerdings nicht zum anerkannten und seriösen Argumentarium rechtswissenschaftlicher Methodik. Im Bundesstaatsrecht sind die Verhältnisse ohnehin komplizierter. Die beschriebene Grundsatzdebatte wird im Bund-Länder-Verhältnis durch zusätzliche staatstheoretische Zweifelsfragen überlagert. Auch die Verteilung von Zuständigkeiten auf Bund und Länder wird üblicherweise als „Gewaltenteilung" oder als föderative Gewaltenteilung bezeichnet. Dennoch gilt der Grundsatz der Eigenstaatlichkeit der Länder 355 . Dadurch entsteht auf der Grundlage der Auffassung, die Gewaltenteilung im Bundesstaat sei nur Grenze, nicht aber Legitimationsgrundlage staatlicher Gewalt, eine recht komplizierte Konstellation. Die Staatsgewalt gilt einerseits als grundsätzlich umfassend und vom Recht lediglich begrenzt. Andererseits bestehen verschiedene staatliche Ebenen, die eine derartige Staatsgewalt für sich in Anspruch nehmen. Die gesamte Diskussion über die richtige Grenzziehung zwischen Recht und Politik wird also dadurch überlagert, daß der Bereich der „Politik" nicht eindeutig einer der Ebenen im Bundesstaat zuordnen läßt. Daher fällt es schwer, Prärogativen für die eine oder die andere Seite anzuerkennen. Schwieriger ist es, diese Bedenken in rechtlichen Argumenten zu formulieren. Unproblematisch zulässig ist Finanzierung immer dann, wenn sie die eigenständige Wahrnehmung eigener Kompetenzen betrifft. Wer Träger einer Verwaltungsbehörde ist, die in eigener Kompetenzhoheit tätig wird (keine Auftragsverwaltung), muß die Kosten dafür übernehmen. Wer Träger eines Gesetzgebungsorganes ist, muß den Personal- und Sachaufwand tragen. Für den Bereich der Rechtsprechung gilt das analog. Rechtliche Probleme treten dagegen immer dann auf, wenn Geld nicht für die Wahrnehmung eigener, sondern für die Ausübung fremder Kompetenzen fließt. Die Antwort auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Träger von Verwaltungskompetenzen zulässigerweise Verwaltungsleistungen bei anderen Kompetenzträgern gegen Kostenerstattung „einkaufen" kann, ist umstritten. Einerseits ist es oft unter Gesichtspunkten der Effizienz erforderlich, arbeitsteilig zu handeln. Andererseits besteht die Gefahr, daß die Grenzen der Zuständigkeitsordnung dadurch unterwandert werden, daß Verwaltungskompetenzen in fremdem Interesse ausgeübt werden. Uneinigkeit herrscht mitunter bereits darüber, wo eine Prüfung der Zulässigkeit der hier untersuchten kostenpflichtigen Bestellungen von Fremdleistungen ansetzen soll. Verschiedene Literaturmeinungen gehen davon aus,
355
Hierzu oben S. 127 f.
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
206
einschlägig sei Art. 104a GG. Auf den ersten Blick geradezu kategorisch heißt es in der Kommentierung von Vogel und P. Kirchhof: „Die Lastenzuweisung des Art. 104a Abs. 1 GG, die an jeden kostenverursachenden Vorgang anknüpft, betrifft grundsätzlich sämtliche Kosten [...]. Damit liegt die Hauptbedeutung des Konnexitätsgrundsatzes in der Verneinung eines internen Kostenausgleichs sowie in der Klarstellung, daß der Bund nicht Länderaufgaben und umgekehrt die Länder nicht Bundesaufgaben finanzieren dürfen." 356 Ganz ähnlich argumentiert v. Arnim 357. Er geht zwar zunächst von eigenständigen, ohne Deduktion aus Verfassungsnormen gebildeten dogmatischen Begriffen wie etwa „Finanzaufgabe", „Finanzierungsbefugnis", „Finanzverantwortung" oder „Finanzkompetenz" aus. Anschließend werden dann diese Begriffe mit Blick auf Art. 104a GG näher vorgestellt und konkretisiert. So entsteht das Gesamtbild 358 , die Zulässigkeit solcher Fremdfinanzierungen sei in Art. 104a GG geregelt. Dieser erste Eindruck ist jedoch trügerisch. Er beruht auf dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff 4 . Nach dieser finanzverfassungsdogmatischen Grundkonzeption soll - wie ausgeführt - die unmittelbar kostenverursachende Wahrnehmung von Eigenkompetenzen auch in „Bestellungsfällen" Finanzierungsmöglichkeiten eröffnen. Wer als „Besteller" die Kostenlast für eine eigene unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit übernimmt, betreibt Eigenfinanzierung, nicht Fremdfinanzierung. Auch Bestellungen von Fremdleistungen sind - unter der Voraussetzung, daß sie kostenpflichtig sind 3 5 9 eine solche unmittelbar kostenverursachende Wahrnehmung eigener Verwaltungskompetenzen. Daher handelt es sich auf der Grundlage des „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs" nicht um Fremdfinanzierung, wenn der „Besteller" seine Bestellung bezahlt, sondern lediglich um die Übernahme der Kostenlast für die eigene unmittelbar kostenverursachende Verwaltungstätigkeit „Bestellung kostenpflichtiger Fremdleistungen". Ergebnis: Das aus Art. 104a Abs. 1 GG hergeleitete Fremdfmanzierungsverbot hat für die hier erörterten Fälle einer kostenpflichtigen Bestellung von Fremdleistungen überhaupt keine praktischen Konsequenzen. Läßt man die durchaus verwirrenden Komplikationen im Zusammenhang mit dem „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff' einmal beiseite, so 356
In: BK, Art. 104a, Rdnr. 64.
357
v. Arnim, HStR IV, S. 987 (991).
358
Bei v. Arnim, HStR IV, S. 987 (991) bleibt diese Frage letztlich offen, in Fußn. 14 ist auch auf Art. 30 GG Bezug genommen. 359
S.o. S. 133 ff.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
207
ist das Ergebnis dennoch stimmig. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen der hier untersuchten kostenpflichtigen Bestellungen von Fremdleistungen zulässig sind, kann nicht in Art. 104a Abs. 1 GG geregelt sein 3 6 0 . Diese Vorschrift sorgt lediglich für eine Verknüpfung der Kompetenzen mit den Finanzen. Staatsfinanzen dürfen nur nach Maßgabe der Kompetenzordnung eingesetzt werden. Die Frage, was alles nach den anwendbaren Kompetenzregeln zulässig ist, ist keine finanzverfassungsrechtliche Frage. Vielmehr muß die im konkreten Einzelfall anwendbare Kompetenznorm ausgelegt werden. In den Bestellungsfällen muß man daher untersuchen, ob die konkret anwendbare Kompetenznorm die Handlungsform „Bestellung von Fremdleistungen" trägt. Bereits in der Entwurfsbegründung zur Finanzreform 1955 ist das mit aller nur wünschenswerten Deutlichkeit ausgesprochen: „Die Regel, daß der Inhaber der Verwaltungskompetenz die aus der Kompetenzausübung resultierende finanzielle Last zu tragen hat, gibt auf die Frage nach dem richtigen „Lastenträger" dann keine zweifelsfreie Antwort, wenn im Einzelfall die Kompetenzfrage ihrerseits zweifelhaft ist. Solche Zweifel können sich nicht bei den Verwaltungsausgaben ergeben, wohl aber vereinzelt, wenn es sich um Aufwendungen zur unmittelbaren Verwirklichung öffentlicher Zwekke handelt (sog. Zweckausgaben) und eine ausdrückliche Kompetenznorm fehlt." 3 6 1 Diese Diskussion benötigt ein solides rechtliches Fundament. Bei den „Bestellungsfällen" geht es um die Grenzen des Gewaltenteilungsgrundsatzes. Dabei läßt sich allein auf verfassungstheoretischer Grundlage wohl nur schwer Konsens erzielen. Das ist allerdings auch nicht erforderlich. Das Grundgesetz enthält eine ausdrückliche Regelung, die die Folgen der „Uneinheit" der Staatsgewalt abmildern soll 3 6 2 . Die Gewaltenteilung wird relativiert, um die Effizienz staatlichen Handelns zu sichern. Art. 35 Abs. 1 GG lautet: „Alle Behörden des Bundes und der Länder leisten sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe." Die Verfassung setzt in dieser Vorschrift ein Gegengewicht zur Gewaltenteilung und zur damit zusammenhängenden Aufspaltung staatlicher Gewalt auf verschiedene Kompetenzträger. Es handelt sich um eine „grundsätzliche Durchbrechung der Kompetenzordnung" 363 , die aber die Kompetenzvertei-
360
S.o. S. 158 ff.
361
BT-Drucks. 11/480, Tz. 62.
362
Hans Peter Bull, Datenschutz contra Amtshilfe. Von der „Einheit der Staatsgewalt" zur „informationellen Gewaltenteilung", DÖV 1979, S. 689 (691). 363
Wilfried
Erbguth, in: Sachs, GG, Art. 35, Rdnr. 17.
208
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
lung nicht aufhebt 364 . Die Einleitungsworte einer Darstellung der Amtshilfe aus dem Jahre 1956 365 : „Es ist ein besonderes Zeichen der Gegenwart, daß das Phänomen der ,Spaltung' auf allen Lebensbereichen immer stärker zutage tritt. Ob es das Gebiet der Physik ist oder das der Medizin, ob es die Geisteswissenschaften sind oder die Kunst, ob die Politik oder das Feld der staatlichen Betätigung: überall wird der Begriff der Spaltung sichtbar. Die Gründe hierfür zu suchen und das Phänomen zu werten, ist hier nicht der Ort. [...] Die Klammer, die alle diese auseinanderstrebenden Organe zusammenhält, ist die Pflicht zur Amtshilfe. Sie fuhrt auf den Gedanken der Einheit der Staatsgewalt zurück, der auch den Bundesstaat beherrscht." Die Amtshilfe ist Gegenprinzip zur Gewaltenteilung. Sie wird daher traditionell 3 6 6 in engem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Einheit der Staatsgewalt gesehen367 oder sogar gewohnheitsrechtlich 368 begründet. Im Grundgesetz ist der Gedanke der Amtshilfe positiv normiert. Daher ist Amtshilfe nicht, wie man zu Zeiten der oft staatenbündisch denkenden Weimarer Bundesstaatslehre noch oft dachte 369 , eine aus völkerrechtlichen Traditionen entstammende courtoisie unter souveränen Staaten, sondern Rechtspflicht. Art. 35 Abs. 1 GG ist nur Rahmenvorschrift 370 . Die staatsorganisationsrechtlichen Regelungen der Amtshilfe sind vor allem in den genannten Querschnittsgesetzen enthalten. Für die hier untersuchte Fallgruppe der „Bestellungsfälle" ist dabei vor allem die genauere Definition der Amtshilfe in § 4 VwVfG von besonderem Interesse (a). Verfassungsrecht ist jedoch eigenständig auszulegen (b).
364
Isensee, HStR IV, S. 517 (646).
365
Gerhard Prost, Die Amtshilfe nach Bundesrecht, DÖV 1956, S. 80 ff., Hervorhebung im Original. 366
Hierzu Klaus G. Meyer-Teschendorf Das Rechts- und Amtshilfegebot des Art. 35 Abs. 1 GG. Antwort auf ein Föderalismusproblem, DÖV 1988, S. 901 (902 ff.). 367
Zur historischen Entwicklung der rechtlichen Herleitung der Amtshilfepflicht
Klaus Meyer-Teschendorf
Die Amtshilfe, JuS 1981, S. 187 ff.
368
Nachweise bei Prost, DÖV 1956, S. 80.
369
Nachweise bei Meyer-Teschendorf
370
Gubelt in: v. Münch/Kunig, GGK II, Rdnr. 11 m. weit. Nachw.
JuS 1981, S. 187.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
209
a) Amtshilfe im Verwaltungsrecht Die einschlägigen Untersuchungen zum verfassungsrechtlichen Begriff der Amtshilfe 3 7 1 orientieren sich meist an der Begriffsbildung im Verwaltungsrecht. Amtshilfe hat folgende Begriffsmerkmale: A u f Ersuchen wird eine nicht untergeordnete oder sonst weisungsgebundene Behörde außerhalb ihres regulären Aufgabenbereichs tätig. Umstritten ist, ob Amtshilfe auf Einzelfälle oder Gruppen von Einzelfällen beschränkt sein muß 3 7 2 oder ob auch generelle Ersuchen 373 zulässig sind. Als Rechtsprobleme im Zusammenhang mit der Amtshilfe werden üblicherweise vor allem Fragen des Staat-Bürger-Verhältnisses erörtert 374 . Die Gewaltenteilung enthält institutionelle Vorkehrungen zur Absicherung individueller Grundrechte. Das darf durch Amtshilfe nicht unterlaufen werden. Wenn einer Behörde Eingriffsbefugnisse fehlen, darf das nicht ohne weiteres dadurch umgangen werden, daß eine andere Behörde zur Amtshilfe schreitet. Zur Überwindung der sachlichen Zuständigkeit ist ein Spezialgesetz erforderlich 3 7 5 . Solange es nur um die örtliche Zuständigkeit geht, reicht ein Querschnittsgesetz aus 376 . Daher enthalten die Verwaltungsverfahrensgesetze 3 7 7 und die Abgabenordnung 378 Regelungen zur Amtshilfe. Amtshilfe ist nach Absatz 1 des § 4 VwVfG ist nur auf Ersuchen geleistete ergänzende Hilfe. In Absatz 2 findet sich ein Negativkatalog. Amtshilfe liegt nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 nicht vor, wenn „die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen".
371
Die Darstellung folgt Meyer-Teschendorf
JuS 1981, S. 187 (188 f.).
372
So z.B. Manfred Gubelt in: von Münch/Kunig, GGK II, Art. 35, Rdnr. 6; Pieroth, in: Jarass/ders., Grundgesetz, Art. 35, Rdnr. 1. 373
Umstritten ist hier z.B. die „Regelanfrage" beim Verfassungsschutz bei Beamteneinstellungen; Meyer-Teschendorf JuS 1981, S. 187 (190). 374
So insbesondere Bernhard Schlink, Die Amtshilfe. Ein Beitrag zur Lehre von der Gewaltenteilung in der Verwaltung, 1982, S. 169 ff. 375
Pieroth in: Jarass/ders. Art. 35, Rdnr. 2.; Manfred Gubelt in: v. Münch/Kunig, GGK II, Art. 35, Rdnr. 11. 376
Pieroth in: Jarass/ders. Art. 35, Rdnr. 2; Gubelt in: v. Münch/Kunig, GGK II, Art. 35, Rdnr. 11. 377
§§ 4 - 8 VwVfG (im folgenden wird exemplarisch das VwVfG des Bundes
zitiert). 378
§§ 111 - 117 Abgabenordnung.
14 Waiblinger
210
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
Nach diesem Wortlaut des Verwaltungsverfahrensgesetzes spielt bei der Amtshilfe der Begriff „Aufgabe" eine wesentliche Rolle. Das ist dogmatisch interessant. Die ersuchte Behörde hat zwar die Zuständigkeit für bestimmte Amtshandlungen. Sie darf aber im Rahmen der Amtshilfe nur tätig werden, wenn die Handlungen nicht als eigene Aufgabe obliegen. Damit ist bei der Amtshilfe ein Auseinanderfallen von „Aufgabe" und Zuständigkeit sogar gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Das ist erstaunlich. Offensichtlich existieren gesetzlich normierte Fälle, die sich aus der Sicht des Finanzverfassungsrechts mit der traditionellen Dogmatik nicht bewältigen lassen. Die herkömmliche finanzverfassungsrechtliche Dogmatik hatte versucht 379 , die „Aufgabe" durch Anknüpfung an die Zuständigkeiten, etwa Verwaltungszuständigkeiten, zu definieren. Das kann in solchen Fällen nicht funktionieren, in denen Aufgabe und Zuständigkeit systematisch auseinanderfallen. Es könnte sein, daß sich der „Schülerzüge-Fall" 380 mit der grundgesetzlichen Regelung der Amtshilfe lösen läßt. Die Stadt hatte die Aufgabe der Schülerbeförderung, aber keine Wahrnehmungskompetenz für den Zugverkehr. Die Bundesbahn hatte dagegen die Zuständigkeit, es war aber wegen ihrer Verpflichtung zur Wahrung wirtschaftlicher Grundsätze (§ 4 Abs. 1 AEG) nicht ihre Aufgabe, einen Schülerverkehr einzurichten. Sie wurde erst auf Ersuchen der Stadt tätig. Aufgabe und Wahrnehmungszuständigkeit fallen auseinander. Die Definitionen der Amtshilfe scheinen auf den „Schülerzüge"-Fall zu passen. Zur Amtshilfe gehört auch die sog. technische Hilfe 3 8 1 . Das sind Fälle, in denen Verwaltungsmittel der ersuchten Behörde bei dieser verbleiben, aber für Aufgaben der ersuchten Behörde eingesetzt werden; hier liegt der rechtsdogmatische Anknüpfungspunkt für den bereits erwähnten Gedanken „der sog. Kutschertätigkeit" 382 . Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seiner Entscheidung gleichwohl nicht festlegen wollen. Es deutete die Bestellung von kostenpflichtigen Fremdleistungen als „Gemengelage" 383 von Kompetenzen. Finanzierungsmöglichkeiten wurden damit begründet, daß an der „Gemengelage" auch eigene Kompetenzen beteiligt seien. Dadurch hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob es auch Fälle gibt, in denen Finanzierung fremder Kompetenzen zulässig ist, nicht aufgeworfen. Stattdessen wird etwas vage formuliert, die Bundesbahn habe die Aufgabe der Schü379
S.o. S. 62 ff.
380
BVerwGE 81,312, Sachverhalt s.o. S. 108 ff.
381
Schlink, Die Amtshilfe, S. 165 m. weit. Nachw.
382
S.o. S. 121 (Fußn. 45 des 2. Teils).
383
BVerwGE 81,312; s.o. S.l 14 ff. (115).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
211
lerbeförderung „ i m Rahmen einer Art von Amtshilfe" 3 8 4 übernommen. Rechtlichen Konsequenzen werden daraus aber nicht gezogen. Die Frage stellt sich aber. Denn das „Gemengelage-Argument" trägt nur anteilige Finanzierung. Die Argumentation kann nicht überzeugen 385 , wenn einer der beteiligten Kompetenzträger die Kosten nicht nur anteilig, sondern vollständig übernimmt. Von den üblichen Kriterien der Amtshilfe ist das Kriterium „auf Ersuchen" unproblematisch erfüllt, eine „Bestellung" liegt vor. Genauer hinschauen muß man bei den Merkmalen „Handlungen, die nicht als eigene Aufgabe obliegen" und „ergänzende Hilfe". (!) Keine eigene Aufgabe Nur Hilfe außerhalb des regulären Aufgabenbereichs 386 ist Amtshilfe. Im „Schülerzüge-Fall" war problematisch, ob und inwieweit der Bundesbahn die Fahrten als eigene Aufgabe obliegen. Nach dem damaligen Bundesbahngesetz war es zwar grundsätzlich der Bundesbahn vorbehalten, Züge auf Bundesbahnstrecken verkehren zu lassen. Aufgabe der Bundesbahn war das aber nur unter Wahrung wirtschaftlicher Grundsätze; zusätzliche Leistungen waren nur gegen angemessene Abgeltung zu erbringen 387 . Daher mußte die Bundesbahn nur gegen Kostenerstattung tätig werden. Auch bei dieser Konstellation ist das Kriterium der „Handlungen, die nicht als eigene Aufgabe obliegen" aus dem Zusammenhang der Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Amtshilfe erfüllt. Aus der Kommentierung bei Kopp 3**: „Um eigene Aufgaben in diesem Sinne handelt es sich, wenn die in Frage stehende Handlung nicht nur in den Zuständigkeitsbereich der Behörde fällt (...), sondern dieser das entsprechende Handeln durch Gesetz, Verordnung aufgrund eines Gesetzes oder durch eine Verwaltungsvorschrift zur unbedingten oder jedenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zur erfüllenden Pflicht gemacht ist".
384
BVerwGE 81, 312 (317).
385
Hierzu S. 117 f.
386
Meyer-Teschendorf
387
S.o. S. 134 f.
388
JuS 1981, S. 187 (189).
Ferdinand O. Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 4, Rdnr. 11 (Abkürzungen ausgeschrieben).
212
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
Aufgabe ist damit nur, „was aufgegeben worden ist" (W. Pauly) 389. Der Begriff der eigenen Aufgaben in diesem Sinne ist enger als der Begriff der Zuständigkeit. Die Zuständigkeit eröffiiet einer Behörde Handlungsmöglichkeiten. Nur ein Teil davon ist „Aufgabe", muß also wahrgenommen werden. In vielen Bereichen ist eine Behörde nicht zum Tätigwerden verpflichtet. Sie kann selbst darüber entscheiden, ob sie ihre Zuständigkeiten auf dem betreffenden Sachgebiet wahrnehmen w i l l oder nicht. Diese grundsätzlich vorhandene Entscheidungsfreiheit wird jedoch nach den Regeln über die Amtshilfe eingeengt.
(2) Ergänzende Hilfe Problematischer ist das zweite Kriterium. Amtshilfe ist nur ergänzende Hilfe. Es darf nicht unter dem Vorwand der Amtshilfe zu Verschiebungen des Kompetenzgefüges kommen. Daher ist umstritten, ob auf Dauer angelegte Hilfeleistung noch zur „ergänzenden Hilfe" gezählt werden kann. Die Vertreter der Auffassung, dauernde Hilfe sei nicht unter den Begriff der Amtshilfe im verwaltungsrechtlichen Sinn zu fassen 390 , erörtern diese Fälle dann unter dem Begriff der sog. „erweiterten Amtshilfe" 3 9 1 . Das sind Konstellationen, die zwar als Amtshilfe bezeichnet werden, jedoch nicht unter den Bereich dessen fallen sollen, was in § 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes als Amtshilfe im einfachgesetzlichen Sinn geregelt ist. Diese Unterscheidung zwischen Amtshilfe im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetzes und „erweiterter Amtshilfe" hat folgenden Hintergrund: Bei den einfachgesetzlichen Vorschriften ist ein Rechtsanspruch auf Amtshilfe normiert. So ist etwa nach § 4 Abs. 1 des Bundes-VwVfG jede Behörde zur Amtshilfe verpflichtet. Das gilt „insbesondere" in den in § 5 Abs. 1 VwVfG aufgezählten Fallgruppen. Die Verpflichtung endet erst dort, wo ein gesetzlich normierter Verbots- oder Verweigerungsgrund der ersuchten Behörde die Amtshilfe ausdrücklich verbietet (Abs. 2, 3 des § 5 VwVfG). Wenn keiner dieser Versagensgründe vorliegt, darf die ersuchte Behörde die Hilfe nach dem Gesetzeswortlaut nicht verweigern 392 . Das gilt vor allem, wenn die ersuchte Behörde „die mit der Amtshilfe zu verwirklichende Maßnahme für
389
Pauly, Weisungen, S. 99.
390
Statt aller: Kopp, Verwaltungsverfahresgesetz, § 4, Rdnr. 8 mit umfassenden
Nachw. 391 392
Kopp, Verwaltungsverfahresgesetz, § 4, Rdnr. 8.
§ 5 Abs. 4 VwVfG. Es handelt sich um eine abschließende Aufzählung; Kopp, Verwaltungsverfahresgesetz, S. 4, Rdnr. 33 m. weit. Nachw.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
213
unzweckmäßig hält" (Absatz 4 des § 5 VwVfG). Meinungsverschiedenheiten über die Reichweite der Pflicht zur Amtshilfe sind im Aufsichtswege zu klären 3 9 3 . Dagegen wird in den Fällen der „erweiterten Amtshilfe" der einfachgesetzlich normierte Rechtsanspruch auf Amtshilfe verneint. Mangels anderer begrifflicher Ansatzpunkte in § 4 VwVfG wird dies dadurch erreicht, daß der Begriff der Amtshilfe im Sinne dieser Vorschrift eng ausgelegt wird. Das staatsorganisationsrechlich vorgegebene Kompetenzgeflige darf durch Amtshilfe nicht durchbrochen werden 394 . Meyer-Teschendorf zieht daraus folgende Konsequenz: „Die Tätigkeit der ersuchten Behörde darf also keine eigenständige, über den Charakter einer bloßen Hilfeleistung hinausgehende Rechtsbedeutung gewinnen, sie darf nicht, auch nicht partiell, die Verfahrensherrschaft und die Verfahrensverantwortung der ersuchenden Behörde in Frage stellen. Diese kann auch nicht durch Amtshilfeersuchen Entscheidungsbefugnisse abtreten, Prüfungspflichten abwälzen, Einschätzungsprärogativen übertragen" 395. b) Amtshilfe im Verfassungsrecht Selbst bei sehr namhaften Autoren wird die Verfassungsnorm des Art. 35 Abs. 1 GG am Maßstab einfachgesetzlicher Regelungen ausgelegt. § 4 VwVfG enthalte eine „Legaldefinition" 3 9 6 der Amtshilfe. Das ist schon im Ansatz problematisch. Verfassungsrecht ist eigenständig auszulegen. Das gilt umso mehr, weil die verfassungsrechtliche Vorschrift des Art. 35 Abs. 1 GG in anderem Regelungszusammenhang steht als die einfachgesetzlichen Vorschriften über die Amtshilfe. Art. 35 GG normiert seinem Wortlaut nach keinen unbedingten Anspruch auf Amtshilfe, sondern erklärt diese zunächst nur für zulässig 397 . Daher kann aus der Verneinung eines Rechtsanspruchs auf Amtshilfe nach §§ 4 ff. VwVfG in Fällen dauernder Hilfeleistung nicht hergeleitet werden, daß derartige Maßnahmen auf freiwilliger Grundlage unzulässig seien. Es könnte durchaus sein, daß - unbeschadet verwaltungs-
393
§ 5 Abs. 5 VwVfG.
394
Meyer-Teschendorf
JuS 1981, S. 187 (189).
395
Meyer-Teschendorf
JuS 1981, S. 187 (190).
396
So ausdrücklich Walter Rudolf Kooperation im Bundesstaat, HStR IV, S. 1091 (1103). 397
Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 35 GG, Rdnr. 6.
214
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
rechtlicher Diskussionen 398 - jedenfalls der verfassungsrechtliche Begriff der Amtshilfe auch Formen dauernder Zusammenarbeit auf freiwilliger Basis einschließt. Das Bundesverfassungsgericht deutet bereits in einer frühen Entscheidung einen weit gefaßten Begriff der Amtshilfe an; er erfasse „Erscheinungsformen der in Art. 35 GG gesicherten Beistandsleistung, die die notwendige Folge der Trennung der Gewalten und der Ausübung der Staatsgewalt durch verschiedene Behörden ist" 3 9 9 . Die staatsorganisationsrechtliche Verpflichtung aus Art. 35 Abs. 1 GG wirkt verfassungsunmittelbar. Sie bedarf nicht einer Umsetzung durch Gesetz 400 . Die aus den Regeln des Staat-Bürger-Verhältnisses stammenden Vorbehalte sind dabei selbstverständlich zu beachten, insbesondere kann der Vorbehalt des Gesetzes nicht umgangen werden. Aus der Perspektive des Staatsorganisationsrechts muß lediglich sichergestellt sein, daß die Kompetenzordnung nicht durch einvernehmliche Regelungen zur Disposition gestellt wird. Daher muß bei einer auf Dauer angelegten Amtshilfe besonders genau darauf geachtet werden, daß die genannten Kriterien der „ergänzenden Hilfe" erfüllt sind, also weder Entscheidungsbefugnisse noch Einschätzungsprärogativen übertragen werden. Welche Anforderungen dabei gelten und wie die Hilfeleistung in ihren Einzelheiten ausgestaltet sein muß, ist nicht vollständig geklärt. Neben dem bereits erwähnten Begriff der „erweiterten Amtshilfe" werden ähnliche Konstellationen auch unter in den Einzelheiten anders ausgestalteten Begriffen wie etwa „Organleihe" 4 0 1 , „Indienstnahme" oder „Institutsleihe" 4 0 2 erörtert. In allen diesen Fällen geht es um dauernde Hilfeleistung zwischen Behörden oder Gebietskörperschaften auf freiwilliger Grundlage, die so ausgestaltet ist, daß die bestehende Zuständigkeitsordnung respektiert wird. Um sicherzustellen, daß der Rahmen zulässiger ergänzender Hilfe eingehalten ist und keine unzulässige Übertragung von Kompetenzen erfolgt, werden zwei alternative Kriterien angeführt. Die erste Variante: Die Hilfeleistung wird durch wertende Kriterien in ihrer materiellen Bedeutung so eingegrenzt, daß „ergänzende Hilfe" bleibt, obwohl sie auf Dauer angelegt ist. Kisker erwähnt hierzu als Beispiel ein Verwaltungsabkommen zwischen
398
Vgl. Kopp, Verwaltungsverfahresgesetz, § 4, Rdnr. 8.
399
BVerfGE 7, 183 (190) - Kriegsopferversorgung.
400
Isensee, HStR IV, S. 517 (647).
401
So die RSpr, etwa in BVerfGE 32, 145 (155) - Finanzverwaltungsgesetz, BVerwGE 17, 87 (91); kritisch zur Begrifflichkeit: Kisker, Kooperation, S. 174 ff. 402
Kisker, Kooperation, S. 174.
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
215
Baden-Württemberg und Bayern, in dem die bayerische Autobahnpolizei auf Dauer auch auf einem Autobahnabschnitt in Baden-Württemberg tätig werden darf 4 0 3 . Angesichts der Bedeutung dieser Maßnahme ist Kisker der Ansicht, es handele sich nicht um Preisgabe von Kompetenzen: „So ist zwar ein im Dienst auch im Dienst des Landes Baden-Württemberg fungierender Beamter der bayerischen Landespolizei (Beispiel: Autobahn ostwärts Ulm) völlig unproblematisch, dagegen ein in der Verwaltungsspitze des Landes BadenWürttemberg fungierender bayerischer Staatssekretär wohl undiskutabel". Der Grund: „Die Indienstnahme als Steuerungsunterworfener bewirkt in der Regel keine relevante Einflußverschiebung zwischen den Partnern" 404 . Rechtlich wesentlich problematischer ist die zweite Variante: Die Hilfeleistung wird durch Weisungsrechte so sehr gesteuert, daß sie nach außen nicht als selbständige Verwaltungsleistung in Erscheinung tritt. Letzterer Fall wird im Verwaltungsrecht meistens als Organleihe bezeichnet. Bei der Organleihe wird das Organ eines Rechtsträgers ermächtigt und beauftragt, einen Aufgabenbereich eines anderen Rechtsträgers allgemein wahrzunehmen 405. Der Entleiher entscheidet dabei weiterhin über die Art und Weise der Aufgabenerfüllung. Das entliehene Organ ist seinen Weisungen unterworfen 406 . Gerade diese Weisungsabhängigkeit sei wesentliches Begriffsmerkmal der Organleihe 407 . Die Maßnahmen des entliehenen Organs werden dem Entleiher zugerechnet. Eine verwaltungsgerichtliche Klage wäre gegebenenfalls gegen den Entleiher zu richten 408 . Organleihe kann auch auf Dauer angelegt sein, sie ist nicht auf Aushilfe im Einzelfall beschränkt 409 . Ein im Grundgesetz geregelter Fall der Organleihe ist die Wahrnehmung der Bundesgerichtsbarkeit durch Gerichte der Länder nach Art. 96 Abs. 5 GG 4 1 0 . Eine Verpflichtung zur Organleihe besteht nicht. Sie bedarf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen den beteiligten Rechtsträgern 411. Eine solche Vereinbarung, wird - obwohl die Zusammenarbeit auf Dauer angelegt ist - zumindest dann für verfassungs-
403
Kisker, Kooperation, S. 175, 179.
404
Kisker, Kooperation, S. 179.
405
Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GGK II, Art. 35, Rdnr. 6.
406
Gubelt a.a.O.
407
So insbesondere Max Hirschberger,
Organleihe, 1989, S. 91 f.
408
Hartmut Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., S. 510 f.; aA Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 1, Rdnr. 28. 409
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 35, Rdnr. 7a.
410
Vgl. § 120 Gerichtsverfassungsgesetz (strafrechtliche Staatsschutzsachen).
411
Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 35, Rdnr. 7a.
216
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
rechtlich unbedenklich gehalten, wenn der ursprüngliche Behördenträger Weisungsrechte behält oder durch die begrenzte Bedeutung der betroffenen Behörden sichergestellt ist, daß es sich um ergänzende Hilfe handelt. Diese allgemeinen Grundsätze sind etwa in § & Abs. 7 des Gesetzes über die Finanzverwaltung 412 positiviert. Die Unterscheidung zwischen Organleihe und Amtshilfe erscheint jedoch zumindest auf den ersten Blick weniger zwingend. Sogar das Bundesverfassungsgericht hat den eigenständigen rechtlichen Gehalt des Begriffs „Organleihe" im Ergebnis angezweifelt. Seiner Auffassung zufolge „kann als wesentlich für die gemeinhin als Organleihen bezeichneten verwaltungsorganisatorischen Erscheinungsformen das Merkmal der Amtshilfe angesehen werden: Ein Verwaltungsträger hilft einem anderen mit seinen personellen und sächlichen Mitteln aus, weil dieser aus Zweckmäßigkeitsgründen entsprechende Einrichtungen nicht schaffen will. Von der Amtshilfe im engeren Sinne ... unterscheidet sich die sogenannte Organleihe insofern, als sie sich nicht auf eine Aushilfe im Einzelfall beschränkt, sondern die Übernahme eines ganzen Aufgabenbereichs aufgrund einer allgemeinen Regelung umfaßt. Kennzeichnend für die sogenannte Organleihe ist weiterhin, daß die ,entliehene4 Einrichtung Verwaltung für die ,entleihende4 ausübt. Der entliehenen Einrichtung wachsen keine neuen (eigenen) Zuständigkeiten zu. Es werden nicht Kompetenzen auf diese Einrichtung »verlagert4; ,verlagert 4 werden vielmehr personelle und sächliche Verwaltungsmittel von der entliehenen Einrichtung zur entleihenden Einrichtung. Ob im übrigen die Verwendung des Begriffs ,Organleihe4 hilfreich ist, mag ... dahinstehen. Die Zusammenfassung verwaltungsorganisatorischer Erscheinungsformen unter diesen Klassifikationsbegriff kann jedenfalls die Beurteilung der rechtlichen Zulässigkeit solcher organisatorischer Ausgestaltungen im einzelnen Fall nicht ersetzen; ein normativer Gehalt ist mit Klassifikationsbegriffen dieser Art nicht vorgegeben"413. Für die hier aufgeworfene Frage nach der Zulässigkeit einer kostenpflichtigen Bestellung von Fremdleistungen spielt die rechtliche Ausgestaltung im einzelnen nicht die entscheidende Rolle. Bei derartigen Bestellungen besteht eine Vereinbarung zwischen „Besteller" und „Fremdleister 44; daher kommt es nicht auf die engen Voraussetzungen eines verwaltungsrechtlich normierten Anspruchs auf Amtshilfe an. Stattdessen greift der Begriff der „erweiterten Amtshilfe 44 ; danach sind auch dauernde Maßnahmen grundsätzlich zulässig,
412
FVG vom 30.8.1971 (BGBl. I S. 1426), dort ist eine Verwaltungsvereinbarung zur Übertragung der Aufgaben der Baubehörden des Bundes auf eine Landesvermögens- und Bauabteilung der Oberfinanzdirektion vorgesehen. 413
BVerfGE 63, 1 (32 f.) - Schornsteinfegergesetz (Zitat ohne Literaturnachweise).
. Aufgabenzueisung aus Einzelermächtigungen
217
soweit sie nicht zu einer Übertragung von Entscheidungsbefugnissen oder von Einschätzungsprärogativen führen können. Auch bei der Kostenlast ergeben sich keine grundlegenden Unterschiede. Sowohl bei der Amtshilfe 4 1 4 als auch bei der Organleihe 415 werden Vereinbarungen über die Kostenlast für zulässig gehalten 416 . Daher spricht vieles dafür, den verfassungsrechtlichen Begriff der Amtshilfe nicht - wie es regelmäßig in der Kommentarliteratur geschieht 417 - allein nach der Begriffsbestimmung im Verwaltungsverfahrensgesetz zu definieren. Der für Fälle der Organleihe tragende normative Gehalt findet sich in der Regelung des Art. 35 Abs. 1 GG, der dann eigenständig in seiner Funktion als Gegengewicht zum im Kompetenzrecht ausgestalteten Grundsatz der Gewaltenteilung auszulegen ist. Art. 35 GG wäre dann nicht nur „substanzloser Verweisungstatbestand" 418 , der lediglich den Behörden einer staatlichen Ebene das Recht gibt, zu den gleichen rechtlichen Bedingungen wie die Behörden der anderen staatlichen Ebene untereinander am Amtshilfeverkehr teilzunehmen 419 . Die Konsequenz bestünde darin, neben dem einfachgesetzlich normierten Anspruch auf Amtshilfe auch Formen freiwilliger Zusammenarbeit, die auf Dauer angelegt sind, unter einen eigenständigen verfassungsrechtlichen Begriff der Amtshilfe zu fassen, wenn diese bloße Hilfeleistung darstellen und weder Entscheidungsbefugnisse noch Einschätzungsprärogativen verlagern. Das bedarf allerdings einer umfassenden Untersuchung des Gesamtkomplexes der Amtshilfe, die im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Der „Schülerzüge"-Fall stellt sich vor diesem Hintergrund geradezu als Musterbeispiel von Amtshilfe nach Art. 35 Abs. 1 GG dar. Die Bundesbahn leistete auf Ersuchen ergänzende Hilfe. Weisungsrechte oder andere Möglichkeiten einer Einflußnahme, die auf ein hierarchisches Verhältnis zwischen den Behörden schließen lassen und zu den soeben erörterten Problemen der 414
Kopp, Verwaltungsverfahensgesetz, §. 8, Rdnr. 2.
415
Maunz in: Maunz/Dürig, Art. 104a, Rdnr. 60.
416
Das entspricht den bereits oben S. 135 f. entwickelten Kriterien. Die kostenpflichtige Bestellung ist „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit" i.S. Art. 104a Abs. 1 GG, wenn nicht der „Bestellungsempfönger" auch ohne Kostenerstattung zur Wahrnehmung der Aufgabe verpflichtet ist. Das ist nicht der Fall, weil die fehlende eigene Aufgabe begriffliche Voraussetzung von Amtshilfe und Organleihe ist. 417
So z.B. Franz Klein in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 35, Rdnr. 1; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, GGK II, Art. 35, Rdnr. 11; Rudolf HStR IV, S. 1091 (1102 f.). 418
Isensee, HStR IV, S. 517 (647).
4,9
So Schlink, Die Amtshilfe, S. 54 ff., 146.
218
2. Teil: Das Fremdfanzierungsverbot
Organleihe führen können, wurden nicht begründet. Die Bundesbahn hätte nicht bereits kraft eigener gesetzlicher Aufgabenzuweisung tätig werden müssen. Nicht nur die „unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit", sondern auch die „Aufgabe" lag bei der Stadt. Dieser Fall zeigt deutlich: Die Leistungsfähigkeit problemorientierter Verfassungsinterpretation sollte nicht unterschätzt werden. Auch im Finanzverfassungsrecht lassen sich trotz erheblicher Interessengegensätze viele Probleme der Praxis mit dem klassischen juristischen Instrumentarium der Auslegung von Rechtsnormen lösen. Der Ruf nach dem verfassungsändernden Gesetzgeber sollte sich daher in größerer Zurückhaltung üben. „Der Bundesstaat ist in besonderem Maße angewiesen auf die Verfassung. (...) So führt der Bundesstaat zu einem Grad der Verrechtlichung der Staatsgewalt, der im Einheitsstaat nicht erreichbar ist und den auch die Demokratie wie der Rechtsstaat nicht erfordert. Die archetypische Idee des Verfassungsstaates, daß Gesetze herrschen, nicht Menschen, findet auf besondere Art Erfüllung." 4 2 0 Dabei gilt noch immer, was Peter Lerche bereits in den 60er Jahren an die Spitze seiner Leitsätze zu Fragen des „Föderalismus als nationales Ordnungsprinzip" 421 stellte: „Der föderalen Wirklichkeit können weder eine beharrend-statische Konstruktion noch ein materieller Bundesmythos Herr werden; weit eher eine bewegliche Einstellung auf typische Konfliktsituationen" 4 2 2 . Und: „Die entscheidenden Konflikte entwickeln sich ... nach eigenen Gesetzen und verlangen nach formgerechter Begriffsbildung" 423 .
420
Isensee, HStR IV, S. 517 (653 f.).
421
Lerche, Föderalismus als nationales Ordnungsprinzip, VVDStRL 21 (1964), S. 66 ff. 422
Lerche a.a.O., Leitsatz 1 (S. 101).
423
Lerche, a.a.O., Leitsatz 2 (S. 101), gekürzt.
Zusammenfassung in Thesen Einleitung 1.
Verfassungspolitische Diskussionen über eine Reform des Art. 104a GG (insbesondere wegen der Regelung über Geldleistungsgesetze in Absatz 3) führen regelmäßig zum Ruf nach dem verfassungsändernden Gesetzgeber. Eine Klärung der juristischen Argumentationsgrundlagen nach geltendem Recht wird weitaus seltener unternommen. Das hängt mit methodischen Grundsatzproblemem zusammen. In einer von starken Interessengegensätzen geprägten Sachmaterie ist es schwierig, konsensfähige Argumente zu finden.
2.
Art. 104a Abs. 1 GG verknüpft „Ausgaben" mit „Aufgaben". Das Grundgesetz enthält eine Norm, nach der öffentliche Finanzmittel nur ausgegeben werden dürfen, wenn eine „Aufgabe" nachgewiesen worden ist. Die Norm wird „Konnexitätssatz" genannt. Man sagt, sie verknüpfe Kompetenzen mit Finanzen. Bei der Auslegung haben sich jedoch Unklarheiten ergeben.
Erster Teil: Die Tradition eines finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriffs 1.
Bei der Auslegung des Art. 104a Abs. 1 GG beschäftigte man sich vor allem mit Fragen der Lastentragung. Anteilige Mitfinanzierung („Mischfinanzierung") sei grundsätzlich unzulässig. Daher ging es vor allem darum, welchem von verschiedenen an der Erfüllung einer Sachaufgabe beteiligten Kompetenzträgern die Finanzierungslast zugewiesen werden soll. Typischerweise hat der Träger der Verwaltungskompetenz auch die Kostenlast. Das ermöglicht eine eindeutige Zuordnung. Nach dem Grundgesetz ist Mischverwaltung selten. Kompetenzen liegen regelmäßig eindeutig entweder beim Bund oder bei den Ländern. Allerdings sind die Kriterien für die Lastentragung seit dem 61. Deutschen Juristentag (1996) vor allem wegen der steigenden öffentlichen Ausgaben für Sozialhilfe sehr umstritten.
2.
Die Kriterien für die Zuordnung der Kosten zu den verschiedenen Kompetenzen werden nach h.M. (grundlegend: Hans-Uwe Erichsen) in den
220
Zusammenfassung in Thesen Begriff „Aufgabe" des Art. 104a Abs. 1 GG hineingelesen. Man kommt so zum „finanzverfassungsrechtlichen Aufgabenbegriff 4 . Die Finanzierungslast bestimme sich nach der Kompetenzordnung. „Aufgabe 44 in diesem Sinne sei die Verwaltungskompetenz. Nur so könne man die Kostenlast eindeutig entweder dem Bund oder den Ländern zuordnen.
3.
Diese Argumentation weist jedoch Unstimmigkeiten auf. Schon bei der Lastentragung kann der „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff 4 offensichtlich nicht alle Fälle erklären. Begriffliche Korrekturen („unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit 44 ) reichen nicht aus. Der Schluß von Formalkompetenzen auf die Aufgabe, damit auf die Finanzierungslast, ist nicht in allen praktisch bedeutsamen Fällen zuverlässig. Vor allem der Fall in BVerwGE 81, 312 (Schülerzüge) zeigt die dogmatischen Schwächen der Vorstellung vom „finanzverfassungsrechtliehen Aufgabenbegriff 4 .
Zweiter Teil: Das Fremdfmanzierungsverbot 1.
Die Fälle, in denen die genannten Unstimmigkeiten auftreten, lassen sich in der Fallgruppe „Bestellungsfälle 44 zusammenfassen. Das sind Konstellationen, bei denen ein Kompetenzträger seine Aufgaben dadurch erfüllt, daß er einen anderen Kompetenzträger zum Tätigwerden veranlaßt und sich an den Kosten beteiligt („Bestellungsfälle"). In diesen Fällen liegt das praktische Problem nicht bei der Kostenlast, sondern bei der kompetenzrechtlichen Zulässigkeit der „Bestellung44. Gerade in diesen Fällen kommt es auf die in Art. 104a Abs. 1 GG normierte Verknüpfung von Kompetenzen und Finanzen, von „Ausgaben44 und „Aufgaben 44, in ihren Einzelheiten an. Dabei versagt der „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff 4 . Man erhält folgende Subsumtionskette: Prämisse 1 : Ausgaben sind nur zulässig, wenn eine Aufgabe nachgewiesen ist. Prämisse 2: Aufgabe ist die unmittelbar kostenverursachende
Tätigkeit.
Conclusio: Ausgaben sind nur zulässig, wenn eine unmittelbar kostenverursachende Tätigkeit ausgeübt worden ist. Art. 104a Abs. 1 GG enthält in dieser Auslegung kein Tatbestandsmerkmal, das an Kompetenzrecht anknüpft. Die Interpretation hatte allein Fragen der Lastentragung im Blick. Die Vorstellung, die Norm verknüpfe Kompetenzen mit Finanzen, ist rechtstechnisch nicht umgesetzt worden. 2.
Daher empfiehlt sich ein Blick ins Gesetz. Art. 104a Abs. 1 GG lautet:
Zusammenfassung in Thesen „Der Bund und die Länder tragen gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt" Die Regelung wiederholt den haushaltsrechtlichen Grundsatz, wonach Ausgaben nur zur Erfüllung der Aufgaben zulässig sind (Konnexitätssatz). Zusätzlich wird normiert, daß die Ausgaben „gesondert" getragen werden (Grundsatz der Ausgabentrennung/Mischfinanzierungsverbot). Anknüpfungspunkt für die Lösung der Kausalitätsfrage, wie bei verschiedenen Beteiligten die Kosten zugeordnet werden, ist das Tatbestandsmerkmal „sich ergeben". Die Lastentragung hat also mit dem Begriff „Aufgabe" nichts zu tun. Der „finanzverfassungsrechtliche Aufgabenbegriff', der nur mit Blick auf Fragen der Lastentragung entstanden ist, beruht auf einem schlichten juristischen Kunstfehler. Man hatte die im Wege teleologischer Argumentation ermittelten - und in der Sache zutreffenden - Kriterien zur Lastentragung in den falschen Rechtsbegriff hineininterpretiert. 3.
Daher spricht nichts dagegen, den Begriff der Aufgabe im Sinne des traditionellen Sprachgebrauchs des Verwaltungsrechts zu verstehen. „Ein Inbegriff von sachlich zusammenhängenden Kompetenzen (Kompetenzbereich), also ein Sachgebiet (Sachbereich), auf dem die Zwecke der organisatorischen Einheit (z.B. die Staatszwecke) verwirklicht werden sollen, ist eine Aufgabe" (Hans J. Wolff). Die Lastentragung folgt dagegen aus dem Tatbestandsmerkmal „sich ... ergeben".
4.
Die „Aufgaben", aus denen die Ausgaben „sich ergeben", sind regelmäßig Verwaltungskompetenzen. Das Grundgesetz enthält jedoch verschiedene Vorschriften über Bund-Länder-Finanzierung. Sie führen zu „Ausgaben" ohne Zusammenhang mit Verwaltungskompetenzen des Bundes. Diese Vorschriften sind so auszulegen, daß sie andere Kriterien normieren, nach denen die Kosten „sich ergeben". Meist handelt es sich um Fälle, in denen eine Verwendung öffentlicher Mittel ausnahmsweise kraft punktueller Anordnung im Grundgesetz bereits auf der Grundlage von Gesetzgebungskompetenzen zulässig ist. Die Aufgabenzuweisung an den Bund („Aufgabe" i.S. Art. 104a Abs. 1 GG) ist in diesen Fällen den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zu entnehmen.
5.
Dies gilt insbesondere für den Länderfinanzausgleich. Die Organisation eines Finanzausgleichs ist eine eigenständige Sachaufgabe, die nach dem Grundgesetz vom Bund erfüllt werden muß. Der Finanzausgleich ist vorrangig durch Gesetz zu regeln. Bund-Länder-Finanzierung ist im Rahmen
222
Zusammenfassung in Thesen dieser Sachaufgabe nur als Maßnahme ergänzender Feinsteuerung zulässig. Das Finanzausgleichsgesetz des Bundes konkretisiert, wann es beim Finanzausgleich zu Bund-Länder-Finanzierungen kommt, wann also Ahden Bund „Ausgaben" aus seiner „Aufgabe" Finanzausgleich „sich ergeben" (Art. 104a Abs. 1 GG). Diese gesetzgeberische Entscheidung wird vom Bundesverfassungsgericht strikt überprüft.
6.
Diese Argumentation ist auf die Regelung der Geldleistungsgesetze übertragbar. Auch hier trifft der Bund nach Art. 104a Abs. 3 GG eine gesetzgeberische Entscheidung darüber, ob es zu Bund-Länder-Finanzierung kommt oder nicht, ob also bereits aus der Regelung durch Gesetz und nicht erst aus dem unmittelbaren Vollzug die Ausgaben „sich ergeben". Es spricht nichts dagegen, diese gesetzgeberische Entscheidung des Bundes unter Heranziehung der tatsächlichen Verursachungsbeiträge zumindest auf Willkürfreiheit zu überprüfen. Die Gefahr politischer Wohltaten zu Lasten fremder Haushalte läßt sich dadurch eingrenzen.
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Abwehransprüche 13 f. Alexy, Robert 100
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Annexitätsgrundsatz 141 Anschütz, Gerhard 51 f. v. Arnim, Hans Herbert 15, 75, 103, 206
132 ff., 210 f. Bundeshaushaltsordnung 142 Bundesoberbehörden 162 Bundespost 91 f., 119 ff.
Aufgabenkreis 125 ff., 134 ff., 167
Bundessozialhilfegesetz 13
Aufgabenüberschneidung 111, 116
Bundesstaatsprinzip 67
Aufgabenverantwortung 15, 26, 70, 80 Auftragsverwaltung 40, 80, 101, 109, 123, 134, 166, 172 ff., 182
Commonwealth Grants Commission 62
Ausgabentrennung 143 ff., 166 ff.
Daseinsvorsorge 38, 110, 116, 120 f.,
Auslegung 25 ff., 31 f., 49 ,51, 59, 67, 74, 79, 141 ff., 154 ff., 165 f., 184 f., 200 ff.
de lege ferenda 22, 102
Australien 61 f. Autobahnpolizei 215 autoritative Verfestigung 24
133 Deckungslücken 47 Deckungsquoten 48, 69 Deckungsquotenberechnungen 114, 160, 182, 189 ff. Deckungsverantwortung 58 ff.
BAföG 179
Definitionsmacht 26, 39, 151
Bahnübergänge 82 f., 115 f.
Delegation 27, 40, 124, 176
Basarmanier 21, 61 Baugenehmigung 119
Deutscher Juristentag 13, 17, 20 f., 31,64, 97 f., 180
Begriffsjurisprudenz 27
Dezision 63, 89
Blindgänger 91 f.
Diäten 104
236
Sachverzeichnis
Diskurs 153
Finanzministerkonferenz 69
duales Aufgabenmodell 135
Fischer-Menshausen, Herbert 66 ff, 77, 94, 115
EG-Strukturfonds 161
Fliegenpapier-Effekt 14
Eigenstaatlichkeit 127 ff,. 146, 205
Flurbereinigungsabkommen 56
Eigenzuständigkeit 85
Folgeverfassung 137 ff., 147, 157, 161
einmaliges Sonderprogramm 37 Einnahmenverteilungsregelung 81 Einzelermächtigungen 150 f., 157, 163 ff., 199 Einzigkeit der Zuständigkeit 56, 111, 113, 169 Eisenbahnkreuzungsgesetz 82 Elefantenhaus 38
Förderung des wirtschaftlichen Wachstums 35,41, 185 Formalkompetenzen 70 f., 86, 96, 98, 119, 121 Fortschreibung 79 Fremdfinanzierungsverbot 47 f., 69, 72, 75 f., 107, 138, 162, 206
Enquête-Kommission 18,40, 180
Fremdleistungen 105, 124, 127, 130 ff., 139, 167, 205 ff.
Ergänzungszuweisungen 166, 190 f., 195, 198
Friauf, Karl Heinrich 76, 95
Erichsen, Hans-Uwe 24, 70 ff., 106, 141, 145 ERP-Sondervermögen 43 Eselsbrücke 162 Evidenz 52 f., 157 Exekutivföderalismus 160, 182 extreme Haushaltsnotlage 19, 191, 197 f.
Funktionär 120 ff. Gefahrenabwehr 116, 122 Gefahrengrenze 93 Geldleistungsgesetze 18, 21, 96 ff., 105, 123, 146, 166, 178 ff. Gemeinschaftsaufgaben 112, 166, 168 ff., 187, 199 Gemengelage 66, 71, 114 ff., 133, 202, 210 f.
Feinsteuerung 191, 197 f., 200
Gesetzeskausalität 64, 98 ff.
Finalität 94, 96
Gewaltenteilung 84, 203 ff., 217
Finanzausgleich 12, 14, 16 f., 21, 26, 36 f., 43 ff., 61 ff., 67 f., 75, 77, 81,90, 114, 119, 146, 155, 159 f., 181 ff.
Gronau 91 f.
Finanzausgleichsgesetz von 1923 59
Haenel, Albert 54
Finanzhilfen 19, 37, 41, 166, 185 ff.
Haushaltsrecht 142, 168
Finanzierungskompetenzen 31, 39, 42, 54, 57, 72, 74
Haverkate, Görg 162
Häde, Ulrich 155 ff.
Heckel 68
Sachverzeichnis
237
Hesse, Konrad 204
Kutschertätigkeiten 121,210
Ingerenzrechte 34, 183
Länderstaatlichkeit 20, 127, 168, 180
Interessen 121 f., 130
Landesverfassungen 17, 58
Interstate Commerce Clause 42
Leitbild 15, 32, 43
Isensee, Josef 129
Lerche, Peter 218
Jakob, Wolfgang 186
Letztentscheidung 34, 37, 40, 172, 178, 193
Kampf 45
Mandat 27, 124
Kartellbildung 24
Markstück 35 ff., 192
Kaufmann, Arthur 54
Maunz, Theodor 45 f., 78
Kausalität 86, 98
Mayer, Otto 127
Kausalitätsproblem 86
Mehrbelastungsausgleich 166, 187
Kelsen, Hans 128
Meyer-Teschendorf, Klaus 213
Kernbereich 21, 45, 48, 139, 153
Mischfinanzierung 38, 57, 72, 90, 113 ff., 143 ff., 151, 169 ff.
Kirchhof, Ferdinand 11, 13, 17 ff., 98 f., 102
Mischverwaltung 57, 66, 71, 112
Kirchhof, Paul 21, 76, 79, 84
mittelbare Staatsverwaltung 125
Kisker, Gunter 41, 121 f., 192, 214
Modell der getrennten Aufgabenkreise 126
Koch, Hans-Joachim 101 kommunale Selbstverwaltung 13 Kompetenzbereich 29, 34, 127, 162 Kompetenzhoheit 109, 205 Kompromißformel 63 konditionale Programmierung 86 Kontrolldichte 39 Kosten politischer Führung 191 Kostentrennung 115 Krefeld 37
Morlok, Martin 111, 118 Müller-Volbehr, Jörg 186 Natur der Sache 51 ff. Naturrecht 53 Nebenwirkungen 31, 74, 142 niedersächsischer Staatsgerichtshof 17
Kriegsfolgelasten 43, 166, 198
öffentlicher Personennahverkehr 166, 188
Kristallisationskern 44
Optimierungsgebote 100
Kunstbauten 136
Organleihe 214 ff.
Kunstfehler 148
Ortsumfahrung 136
238
Sachverzeichnis
outsourcing 105, 130
Schülerzüge 109 ff., 131 ff., 202, 210 f., 217
Parlaments- und Justizverwaltung 84
sedes materiae 33
Passionsspiele 136
Seiler, Gerhard 11
Patzig, Werner 78, 81 f.
Selbständige 120 ff., 130, 175
Pauly, Walter 212
Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Haushaltswirtschaft 149
Pflegeversicherung 13 Politikfeld 30, 171 f., 178 primäre Kompetenzen 31, 39, 51 Prinzip der Gesetzeskausalität 21 f., 31,64, 99 ff., 180 Prinzip der Vollzugskausalität 17, 31, 64, 79, 98 ff.
Selmer, Peter 11, 20 f. sich ergeben 144 ff., 157, 165 ff., 172, 176 ff., 183 f., 189 ff., 198 ff. Smend, Rudplph 203 soft law 25 Sonderlastenausgleich 166, 188
Prinzipien 26, 98 ff.
Souveränität 127 f., 208
Prioritäten 37, 175, 181,201
Sozialhilfe 11 ff., 17 f., 31, 35, 64, 95, 102, 138, 181 Sparsamkeit 89, 182
Quotenberechnungen 21
Speyer 11 Sphären 71, 82
Rechtsaufsicht 125
Staatsaufgabenlehre 28, 152, 202
Rechtsprinzip 99, 102, 105, 107, 201 Rechtssatz 42, 52, 99, 106 f., 201 Regel 16, 42, 67, 72, 80, 84, 102, 122, 207,215
Staatssekretär 215
Regie 122, 131 Regionalisierung 12, 188 Reichshaushaltsordnung 142, 144 Reine Rechtslehre 128 Rekursion 138 rekursive Argumentationsstrukturen 138
Staatszwecke 29, 36 f., 68, 84, 154, 192 Starck, Christian 139 f. Stern, Klaus 40 f., 175 Steuerverteilungsnorm 75 Straßenbaulast 82, 115, 136 Studienkommission 69 Subventionierung 95, 159 Syllogismus 138 systemkonforme Deutungen 72, 141
Sachbereich 29 Schmidt, Reiner 154 f.
Telegraphenverwaltung 92
Schmidt-Jortzig, Edzard 25
Theorie der unmittelbaren Verursachung 93, 95
Schoch, Friedrich 13
Sachverzeichnis Transfergesetz 20 f., 57
239
Transferzahlungen 105, 191
Vogel, Klaus 21, 76, 79, 84 ff., 93, 96, 133, 137, 206
Trapp, Georg 22
Volkszählung 188
Triepel, Heinrich 27, 124
Vollzugskausalität 98, 101 f.
Troeger-Kommission 77, 173, 175
Vorbehalt der Verfassung 149, 167 Vorbelastungen 88, 145, 150
überregionale Garantiefunktion 50
Vorverständnis 157
umgekehrte Auftragsverwaltung 109 Umkehrschluß 15, 80
Waechter, Kay 14
Umsatzsteueraufteilung 12, 48
Weisungen 62, 125 f., 152, 173, 175, 215
Unabgeleitetheit der Staatsgewalt 129
Wenn-dann-Strukturen 100, 102
ungeschriebene Kompetenzen 50 f., 55
Wesen 46, 50 f., 66, 129, 147, 173
Unmittelbarkeit 85 ff, 138
Wieland, Joachim 13
Untersuchungsrahmen 87 f.
Wirkungseinheit 36
Wesen des Politischen 46
Wirkungsrechtsordnung 88 väterlicher Ausgleich 44 Veranlassung 22, 34, 60, 78, 93
wirtschaftliche Betrachtungsweise 114
Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 11
Wolff, Hans J. 29
Verrechtlichung 21, 45, 48 ff, 218
Zirkelschluß 59
Versicherungslösung 13
Zustellung 119 f.
Verursachungsbeitrag 117
Zweckausgaben 75, 99, 103 ff., 130 f., 173 ff., 180, 201,207
Verwaltungsausgaben 91, 103 ff,. 131, 174 ff., 207
Zweckveranlasser 94