Die Merkmale des Todes beim Menschen [Reprint 2021 ed.]
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Die

Merkmale des Todes beim Menschen. Eine unter der Leitung des Herrn

Professor Dr. I. Milbrand, ordentlichen und öffentlichen Lehrers der Staatsarzneikunde an der Universität zu Gießen, Mitgliedes mehrerer in- und ausländischen gelehrten Gesellschaften rc.

ausgearbeitete und der

medicmischen Facultät der Universität zu Gieren zur

Crlangirng der Doktorwürde vorgelegte Abhandlung von

Emil Schultheis von Gießen,

welche zugleich mit den beigefügten Streitsätzen

den 12. Februar 1848 Morgens 11 Uhr,

in der kleinen Universitätsaula vertheidigen wird

der Verfasser. 1. 2. 3.

Opponenten : Herr cand. med. Conradi. Herr cand. med. H. Weber. Herr cand. med. Birnbaum.

Gießen, 1848. Druck der Lichtenberger'schen Bnchdruckerei (W. Keller).

Das persönliche Interesse, welches jeder fühlende Mensch an

der Frage zu nehmen pflegt : ob es Merkmale gebe, durch welche der Tod zuverlässig und bestimmt erkannt zu werden vermöge,

und welches durch fortwährendes Hinweisen auf übersehene oder nicht gehörig gewürdigte Thatsachen auch wissenschaftlich beständig rege erhalten wird, veranlaßte mich, diesen ersten Versuch auf

dem Felde der Wissenschaft dieser Frage zuzuwenden.

Es lag

nicht im Entferntesten in meiner Absicht, eine umfassende Arbeit über Alles zu geben, was sich auf die Merkmale des Todes be­ zieht, denn hierzu würde der gewöhnliche Umfang einer Doctor-

Dissertation nicht genügen; es galt mir vielmehr zunächst nur um eine Hervorhebung des Wichtigsten und Wesentlichsten.

Zu

diesem Behufe habe ich die in der Literatur bald hier, bald da

zerstreut sich findenden Angaben zu sammeln, unter gemeinschaft­ liche, leicht faßliche Gesichtspunkte zu bringen und nach ihrem wissenschaftlichen Werthe näher zu beleuchten versucht. 1 *

Für die



IV



freundliche Unterstützung, welche mir Herr Professor Milbrand

bei dieser meiner Erstlingsarbeit zu Theil werden ließ, fühle ich mich verpflichtet, hier öffentlich meinen wärmsten Dank auszu­

sprechen. Gießen im Januar 1848.

Der Verfasser.

I. Abschnitt. Mangel normaler Thätigkeiten und Lebens»

äußerungen.

1.

Da

Mangel der willkührlichen Bewegung.

willkührliche Bewegung mit unter die auffallendsten und am

leichtesten

erkennbaren Lebensäußerungen gehört, so konnte es

nicht ausbleiben, den Mangel einer Regung in den Bewegungs­ organen als das erste und am meisten in die Augen fallende Zeichen des erfolgten Todes anzusehen. Wir finden indessen eine

große Anzahl Beobachtungen der verschiedensten Zeiten und von den verschiedensten Autoren veröffentlicht, die die Wahrheit dieses Satzes gänzlich umzustoßen scheinen, indem sie den Beweis lie­

fern, daß Bewegungen, selbst solche, welche den willkührlichen gleichen, im Tode nicht erlöschen, oder die, was wichtiger ist,

wirklich nachweisen, daß die willkührliche Bewegung auch wäh­ rend des Lebens so undeutlich werden kann, daß sie unserer Be­

obachtung fast gänzlich entschwindet. Es ist nicht schwer nachzuweisen/ daß man vielfach Bewe­ gungen für willkührlich hielt, die aus rein physikalischen oder

chemischen Ursachen entstanden waren.

Am merkwürdigsten in

6 dieser Hinsicht ist der in früherer Zeit zieinlich verbreitet gewesene

Eine diesem Prozesse

Aberglaube, Todte könnten noch kauen *).

analoge Erscheinung, die gar nicht sp selten ist, erklärt sich ein­

fach aus dem Eintritt und dem Nachlassen der Leichenstarre in den Kaumuskeln. Während der Leichenstarre contrahiren sich diese

Muskeln und heben dadurch den Unterkiefer, ein Knacken im Kiefergelenke gehört wird.

wobei nicht selten

Ebenso senkt sich bei

dem Verschwinden der Leichenstarre der Unterkiefer wieder ab­

wärts.

Aus ebendemselben Grunde können ganze Glieder, die

durch die Leichenstarre in einer Lage erhalten wurden, welche den Gesetzen der Schwere widersprach, bei erfolgtem Nachlaß der­

selben,

diesen Gesetzen Folge leisten und ihre Lage verändern.

Beobachtungen solcher Fälle sind nicht selten,

und haben öfter

zur Annahme eines noch bestehenden Lebens geführt.

Beachtenö-

werth ist ferner die Thatsache, daß bei rnanchen Todten noch

längere Zeit ein Zucken in

verschiedenen Muskeln der willkühr-

lichen Bewegung wahrgenommen wird.

Es läßt sich

voraus­

setzen, daß diese Erscheinung vielfach zu der Meinung Veranlas­

sung gegeben hat, daß wirklich Todte bloß scheinwdt gewesen wären; namentlich dürste bei manchen Fällen, die man anführt, um zu beweisen, daß Menschen lebendig secirt worden seien, der Grund zu dieser Behauptung lediglich in der Thatsache zu finden

sein, daß die Reizbarkeit in den Muskelfasern nicht unmittelbar mit dem Tode erlischt. —

auch

Es liegen eine Menge Beobachtungen

aus der neuesten Zeit vor, daß bei Sectionen und zwar

von unzweifelhaft Todten, beim Bloßlegen und Anschneiden von Muskelfasern ein Zittern und Zucken in denselben wahrgenommen wurde.

Berücksichtigt man ferner, daß Bewegungslosigkeit, selbst

des größten Theils der willkührlichen Muskeln,

Krankheiten stattfindet,

nicht selten in

z. B. bei hysterischen Ohnmachten,

Starrsucht und Starrkrampf,

bei

und nebst anderen Erscheinungen

auch beim Scheintode sich stets findet, so ergiebt es sich von selbst, daß diesem Zeichen,

als Todeszeichen,

nur ein untergeordneter

i) P. Rohr ins de masticatione mortuorum.

Lips. 1679.

7 Werth beigelegt werden kann.

Daran wird Niemand zweifeln,

daß mit dem Eintritt des Todes jede willkührliche Bewegung

augenblicklich ein Ende nehmen muß. —

2.

Mangel jeder Lebensoffenbarung auf Anwendung von Reizen.

Wichtiger, als der Mangel der willkührliche» Muskelbewe­

gung, erschien noch vor nicht gar langer Zeit der Mangel feder

organischen Reaktion auf Anwendung von Reizen; fa es wurde dieses Zeichen des Todes von Manchen für durchaus untrüglich

gehalten, und als sicherster Lebensprüfer angelegentlich empfohlen. Ruhigere und vorurtheilsfreie Untersuchungen der neueren Zeit

haben jedoch diesem Zeichen des Todes die angerühmte Untrüg-

lichkeit geraubt, und es als unsicher und für unsere Zwecke als

nicht ausreichend erwiesen.

Die Versuche, die man in dieser Hinsicht anstellte, beziehen sich entweder auf den Mangel jeder Regung auf Anwendung von Reizen, oder auf das Ausbleiben irgend eines Beweises

noch vorhandener Empfindlichkeit.

Vor allem ist hier zu berück­

sichtigen, daß das Erlöschen der Reizbarkeit in den Organen der Bewegung nach dem Tode nicht gleich rasch erfolgt.

Schöne

Versuche stellte Ny st en2) an den Leichen Geköpfter an, und ich

erlaube mir hier die Reihenfolge näher zu bezeichnen, in wel­ cher er die Reizbarkeit in den einzelnen Organen erlöschen sah. Am frühesten verschwindet dieselbe in der Aortenkammer; als­

dann im Darmkanal und Magen, ungefähr nach 45—55 Mi­

nuten ; in der Blase etwas später; sodann in der rechten Herz­

kammer, deren Bewegung über eine Stunde nach dem Tode fortdauert; nach I V, Stunden in der Speiseröhre; nach 1V4 Stun­ den in der Iris.

Nach dieser Zeit erlischt sie erst in den Mus­

keln des thierischen Lebens, und zwar in denen des Stammes

gewöhnlich etwas früher, als in denen der Gliedmaßen; in den

2) Ny st en, P. A., Recherches de Physiol. et de Chiinie pathol. Pans 1811.

8 unteren Ertreimtäten früher, als in den oberen. Im Allge­ meinen tritt das Erlöschen der Reizbarkeit um so später ein, je weniger die Organe der Luft ausgesetzt waren. Obgleich der große Werth dieser Beobachtungen durchaus nicht weggelaugnet werden kann, so können wir ihnen bis jetzt doch noch keine für alle Fälle sich gleichbleibende Gültigkeit zuge­ stehen, da mit Berufung auf Thatsachen, Ausnahmen von den Oben bemerkten Zeiträumen angeführt werden. Unter andern erwähne ick hier nur der Angabe Gorry's daß er bei einem an der Hundswuth Verstorbenen die Iris noch nach 12 Stunden bei Anwendung von Lichtreiz so beweglich fand, als im Leben. Es ist jedoch auch zunächst nicht der Zweck bei An­ führung der Nysten'schen Versuche eine für alle Fälle durchaus gültige Norm anzugeben, wie lange etwa nach dem Tode bte Reizbarkeit in den einzelnen Organen noch wahrgenommen wird; sie sollen vielmehr nur im Allgemeinen den Beweis liefern, daß das Erlöschen der Reizbarkeit in den einzelnen Organen nicht gleichzeitig erfolgt, daß also ein Organ noch Reizbarkeit besitzt, während sie in einem andern schon erloschen ist. Sie liefern uns aber auch ferner den Beweis, daß das Vorhandensein der Reiz­ barkeit keineswegs einen Schluß auf noch bestehendes Leben zuläßt. Die Mittel, deren man sich bedient hat, die Reizbarkeit in den Organen der Bewegung zu entdecken, sind die Elektrieität und der Galvanismus. Kite empfahl zuerst die Elektrieität; da dieselbe aber in ihrer Anwendung auf bedeutende Schwierig­ ketten stieß, und häufig Ungenanigkeilen eintraten, so bedienten sich später Creve*), Heidmann^) und Struves des Gal3) Gorry, Journal de Mediane, Chirurg, et Pharm. par Corv isart. Tom. XIII. pag. 83. 4) Creve, Vom Metallreize, ein untrügliches Prüfungsmittel des wahren Todes. Leipzig und Gera 1796. 5) Heidmann, Zuverlässiges Prüfungsmittel zur Bestimmung des wahren Todes vom Scheintode. Wien 1802. 6) Struve, Anwendung des Galvanodesmus. Hannover 1805.



9

-

vanismus, nnv gaben zur Anwendung desselben theilweise beson­ dere Vorrichtungen an»

Creve's Metallring, von ihm und später auch von Mende als ein sehr sicherer Lebensprüfer empfohlen, besteht aus folgen­

der Vorrichtung: Eine Zink- und eine Silber- oder Goldplatte werden,

mit einem silbernen oder goldenen Bogen verbunden,

auf einen von Haut, Fascie und Zellgewebe entblößten Muskel

oder Muskelnerv gefetzt, und darauf geachtet, ob in dem betref­ fenden Muskel Zuckungen entstehen.

Tritt dieses ein, so habe

man nicht das Recht, auf ein Erloschensein des Lebens schließen

zu können. Struve's Galvanodesmus besteht aus kleinen, an ihrer

Basis zusammengelötheten Zink- und Kupferkegeln, so daß sie Doppelkegel darstellen, welche, durch Drähte mit einander ver­

bunden, eine Kette von 16 Doppelkegeln bilden. An den Stellen, wo die Kegel unter einander verbunden sind, werden sie mit

wollenen Läppchen umwickelt, die man beim Gebrauche mit Sal­

miakauflösung befeuchtet.

Au das eine Ende einer solchen Kette

ist ein mit einem Oehre versehenes Metallstück befestigt und mit

einem hölzernen Griffe für den Gehülfen versehen, während an dem andern Ende der Leiter sich angebracht findet.

Zwei solcher

Ketten bilden den vollständigen Apparat, und werden abwechselnd

auf Nase, Mund und Augenlicder angewendet. Abgesehen von der Schwierigkeit der Anwendung des Gal­

vanismus und der Electriciat für die Praxis, kann diesen Reiz­

mitteln znr sicheren Diagnose des Todes gar nicht der hohe Werth

beigelegt werden,

wie man

vielfältig glaubte.

Es liegen eine

Menge Beobachtungen namentlich vonBernt vor, daß bei wirk­

lich Scheintodten die Anwendung dieser Reize gar keine Wirkung hervorbrachte,

während

schon die

angeführten Versuche

von

Nysten beweisen, daß bei wirklich Todten Zuckungen auf An­

wendung dieser Reize entstanden sind. Der von den ältesten Zeiten her bei vielen Völkern übliche

Gebrauch, Todte zu reiben und zu salben, bei eben Verschiedenen einen gt'oßen Lärm aufzuführen, sei es durch Geschrei, Musik,

10 Klageweiber u. dergl., scheint zwar in der Gewohnheit, einem Verstorbenen noch eine letzte Ehre an den Tag zu legen, mit be­

gründet gelegen zu haben,

doch auch als

ein Mittel benutzt

worden zu sein, den Zustand des Scheintodes vom wahren Tode

zu unterscheiden.

setzt

noch

der

Bedient man sich zu diesem Zwecke doch selbst verschiedensten Reizmittel

Empfindlichkeit, sei es durch

zur

Erweckung

der

starkes Schreien in die Ohren;

Einfallenlassen eines grellen Lichtstrahls in die Augen; Einwir­ kung auf das Geruchöorgan durch Salmiakgeist, gebrannte Fe­

dern oder

starke Niesemittel; auf das Geschmacksorgan durch

Eintröpfeln von Weingeist, Aether u. dergl.; auf die Haut durch Rubefacientia, Bürsten, Stechen, Brennen z. B. durch heißes

Siegellack, kochendes Wasser u. s. w. Ebensowenig dürfen indessen diese Verfahrungsweisen aus­

reichend erscheinen, indem zahlreiche Beispiele darthun,

daß bei

wirklich Scheintodten entweder gar keine Empfindung sich aus­ sprach, oder daß solche Unglückliche zwar eine Empfindung hatten,

es ihnen aber an Kraft gebrach, dieses durch irgend eine Lebens­ äußerung an den Tag zu legen. So hat man vom Schlage ge­

troffenen Scheintodten, ohne daß sie es fühlten, den Schenkel

abgenommen; Epileptische empfanden keinen Schmerz, wenn man sie brannte.

Sauvages flößte einem starrsüchtigen Mädchen

Salmiakgeist in die Augen und in den Mund, schrie ihr in die

Ohren, blies ihr Staniol in die Nase, stach sie mit Nadeln u. s. w., nichts war im Stande sie zu erwecken, später erholte

sie sich von selbst wieder und wußte nichts von dem Vorgefalle­

nen.

Brühier erwähnt einer Kaufmannsfrau, die schon drei

Tage scheintvdt, am dritten Tage beerdigt werden sollte; auf Bitten ihres Mannes machte man ihr, als Wiederbelebungsver­ such, noch Einschnitte in die Haut und setzte Schröpfköpfe auf dieselben, erst nachdem der sechsundzwanzigste aufgesetzt war, er­

wachte sie wieder und schrie aus Schmerz.

Wie grausam oft diese sogenannten Wiederbelebungsversuche gewesen sind, ist hieraus leicht zu ersehen,

und auch selbst die

Einwendung, daß für den Menschen nichts fürchterlicher fern

11 muß,

als lebendig begraben zu werden,

kann solche Uebertrei­

bungen nicht entschuldigen; denn wie leicht ist es geschehen, daß

durch sie die ohnehin so geringe Lebenskraft der meisten Scheintodten

eine

gänzliche Erschöpfung durch Ueberreizung erleidet.

Zugleich liefern aber solche Beispiele den Beweis, es ist,

wie unsicher

den Menschen, bei denen der erwartete Erfolg von sol­

chen Reizen ausgeblieben ist, auf diesen Grund allein gestützt,

das Leben abzusprechen.

Mangel feder Lebensoffenbarung

auf

die Anwendung von Reizen kann daher ebensowenig einen Schluß auf Tod zulassen,

alö das Vorhandensein oder Entstehen von

Zuckungen in den Organen der Bewegung, eine Gewißheit des

noch bestehenden Lebens abgiebt.

Damit ist jedoch noch keines­

wegs gesagt, daß die Anwendung von Reizen zur Erregung der Empfindlichkeit bei muthmaßlich Scheintodten verwerflich sei,

sie

wird im Gegentheil als Kurmittel in der Hand des Arztes immer einen großen Werth behalten, wenn sie sich nur von dem Vor­

wurfe der Grausamkeit fern hält.

3.

Mangel des Respirationsprozeffcs.

Mit dem Tode des Menschen muß der Respirationsprozeß,

als eine Hauptbedingung seines irdischen Lebens,

augenblicklich

ein Ende nehmen.

Der Mangel desselben ist jedoch nicht so in

die Augen fallend,

daß er sich bei oberflächlicher Untersuchung

gleich mit Bestiinmtheit erkennen ließe.

Die auffallendsten Zei­

chen dieses noch vorhandenen Prozesses sind allerdings der Athem und die Athcmbewegungen,

und so beziehen sich denn auch die

meisten in dieser Hinsicht angestellten Versuche bloß darauf,

zu

erkennen, ob sie noch vorhanden sind.

Zu diesem Zwecke legte man dem vermeintlich Todten eine

Flaumfeder vor Mund- und Nasenöffnung, um ans einer etwa­

igen Bewegung derselben zu entnehmen, ob noch Ein- und Aus­ athmen stattfindet.

Zu demselben Zwecke bediente man sich auch

wohl einer Lichtflainme, die vor diese Oeffnungen gehalten wurde. Sodann setzte man dem auf den Rücken liegenden fraglich Schein-

12 todten eine mit Wasser gefüllte Schale auf die Brust, und beob­ achtete, ob der Spiegel des Wassers sich bewege, mit daraus zu folgern, daß eine Hebung des Thorar stattgefunben habe. Ferner

brachte man einen blank polirten Spiegel vor den Mund und schloß aus dem Anlaufen desselben auf ein geschehenes Aus­

athmen.

Was die Anwendung der Lichtflamme und der Flaumfeder

betrifft, so ist es kaum möglich zu unterscheiden,

ob die erfolgte

Bewegung derselben von dem Athmen oder einem äußeren Luft­ zuge bedingt wurde, da es bei so leicht beweglichen Dingen, wie

eine Flaumfeder und eine Gasflamme sind, nm- eines äußerst

geringen Luftzuges zu ihrer Bewegung bedarf.

Auch bemerkt

Winslow wohl mit Recht, daß ein lebender und ganz gesünder

Mensch durch gelindes und vorsichtiges Athmen die Trüglichkeit dieser Methoden constatiren könne,

indem in solchen Fällen die

Bewegung dieser Körper nicht selten ausbleibt. Der Versuch einer mit Wasser gefüllten und auf die Brust gesetzten Schale kann

ebensowenig beweisführend sein, indem er höchstens ergiebt, daß

keine Bewegung der Thorarmuskel» stattfindet, Athcmbewegnngen

aber auch bloß durch die Lunge und das Zwergfell bewerkstelligt

werden können, ohne daß dir Thätigkeit äußerer Muskeln dabei

nothwendig ist.

Auch ist zu berücksichtigen, daß einzelne Mus­

keln, wie schon oben erwähnt wurde, in einem zuckenden Zu­

stande sich befinden können, ohne daß noch Leben vorhanden ist, dieser Versuch daher leicht zu einem Trugschlüsse Veranlassung geben sann.

Ebenso trüglich ist der Versuch mit dem blank po­

lirten Spiegel, indem bei

einem geringen Unterschiede in der

Temperatur des AthemS und des Spiegels letzterer nicht anlaufen

wird, ein Anlaufen desselben aber auch bei wirklich Todten durch die in denselben sich entwickelnden Gase zu entstehen vermag. Es finden sich Beispiele genug, wo alle eben angegebenen

Versuche bei Scheintodten ohne Erfolg angewendet worden waren, und man schloß aus diesem Resultate, da man diesen Versuchen

volle Beweiskraft eines nicht stattgefundenen Respirationsprozesses zuschrieb, daß das Athemholen für eine Zeitlang ausgesetzt werden

13 So hat man in hysterischen und anderen Ohnmachten

könne.

keine Atheinbewegungen auch bei Anwendung obiger Mittel ge­ Graf von Berchthold führt sogar Beispiele an, daß

sehen.

Menschen frerwillig die Athembewegungen zu unterdrücken ver­

möchten. Die Physiologie lehrt uns zwar, daß die Athembewegungen

nicht bloß durch äußerlich sichtbare Thätigkeiten von Muskeln der willkührlichen Bewegung bewerkstelligt werden, aber es giebt auch in denen selbst die Bewegung des Zwergfells und der

Fälle,

Lunge nutzlos sein wird, ohne daß der Respirationsprozeß dabei

aufhört.

Dieses ist z. B. der Fall, wenn der Mensch sich in

einem anderen Medium, als der Lebenslust befindet,

unter an­

dern bei im Waffer Liegenden; und die Erfahrung beweist, daß solche Personen, wenn sie auch längere Zeit in diesen ungünsti­

gen Verhältnissen verweilt haben, dennoch am Leben erhalten wurden.

Die Erklärung dieser Erscheinung dürfte sich vielleicht

in Folgendem finden lassen :■ Der Respirationsprozeß beruht im

Wesentlichen mit auf dem Zutritt des Sauerstoffes der Luft an das in den Lungen enthaltene Blut und auf dem Austritt von

Kohlensäure aus demselben.

Luft ist beständig in den Lungen

enthalten, durch die Athembewegungen wird nicht alle Luft aus den Lungen getrieben und durch neue ersetzt, sondern nur ein Theil der in der Lunge enthaltenen gewechselt. Der Respirations­

prozeß wird daher auch noch solange fortbestehen, als die in der Lunge enthaltene Luft Sauerstoff enthält, ferner aber auch dann noch,

wenn in dem Blute noch genug Sauerstoff vorhanden ist,

um bei der Cirkulation den Kohlenstoff in Kohlensäure umzu­ setzen.

Da nun alle Thättgkeiten des Körpers im Scheintode

sehr langsam von Statten zu gehen pflegen, so wird dies auch

mit dem Respirationsprozeß der Fall sein, also eine- verhältniß-

mäßig geringe Qu rntität Sauerstoff eine ziemliche Zeit den Respi­ rationsprozeß unterhalten können.

Da nun durch die bisher angewendeten Methoden nur der Mangel der Athembewegungen ergründet zu werden vermag, und,

wie ich gezeigt habe, dieser Zweck selbst nicht einmal vollständig

14 erreicht wird, so können wir auch aus den Resultaten, die wir durch Anwendung dreser Methoden erhalten, gar keinen genügen«

den Schluß ziehen, am wenigsten aber ob der Respirationsprozeß geendet habe.

Mangel der Blutcirculation.

4.

Mit dem Erlöschen des Lebens fällt der Grund zur Erhal­

tung und Ernährung des Körpers hinweg, es nimmt damit die Cirkulation des Blutes, Ende.

die in derselben begründet liegt, ein

Die auffallende Wichtigkeit dieses Todeszeichens brachte

es mit sich, daß schon sehr frühe nach dem Bestehen oder Nicht­

bestehen des Kreislaufs geforscht wurde, wozu noch besonders die

Leichtigkeit aufforderte, mit der man die Bewegung im Herz und in den Arterien durch bloßes Auflegen des fühlenden Fingers

erforschen kann.

Nichtsdestoweniger geben viele Autoren den

Mangel der Blutcirculation als ein sehr unsicheres Zeichen des

Todes an, und berufen sich dabei auf die Erfahrung, daß Herzund Pulsschlag bei völliger Gesundheit für unser Gefühl unmerk­ bar sein können.

Namentlich gehört hierhin die Beobachtung

Berryat's, der in der Geschichte der k. Akademie der Wissen­ schaften zu Paris, Jahr 1718, einer Frau erwähnt, bei welcher bei voller Gesundheit überall, selbst auf der Brust, kein Puls­

schlag

wahrzunehmen

Scheintvdten

kein

war.

Puls»

Sodann wird auch bei wirklich

und Herzschlag durch unser Gefühl

wahrgenommen, ebensowenig mitunter in hysterischen und anderen Ohnmachten.

Die großen Fortschritte unserer Wissenschaft in der neueren Zeit rauben diesen Fällen das Wunderbare und lassen eine voll­

ständige Erklärung leicht zu.

Was die Beobachtung Berryat's

betrifft, so ist hier zu berücksichtigen, daß der Puls zwar gewöhn­ lich eine Folge der Blutcirculation ist, aber keineswegs eine nothwendige Bedingung derselben.

Er entsteht nach den Erklä­

rungen, die uns die neuere Physiologie giebt, dadurch, daß eine durch den Herzstoß fortgetriebene Blutwelle, die der Arterien«

15 wand zukommende Elasticität und eigne Contractilitätskrast über­ windet, und somit die Arterie ausdehnt

worauf die Elasticität

und Contractionskraft wieder die Oberhand gewinnt, und eine

Comraction erfolgt.

Es ist nun wohl denkbar, daß die Elasti­

cität und Contractionskraft der Arterie so überwiegend verstärkt ist, daß eine Ausdehnung durch die Blutwelle nicht erfolgen kann,

und ein gleichmäßiges Fortfließen des Blutes ohne Puls statt­ findet. Bei hysterischen und andern Ohnmachten, sowie auch beim

Scheintode ist überhaupt die Cirkulation des Blutes bedeutend verlangsamt, die auf die Blutmasse einwirkende forttreibende Kraft

bedeutend vermindert,

es sind also in Betreff des mangelnden

Pulses die eben, angeführten Gründe auch hier anwendbar.

Ist

es doch bekannt, daß in Betreff der deutlicheren Wahrnehmung

des Pulses durch unsern Tastsinn selbst die Stellung und Lage

des Patienten von Bedeutung ist. Es ist somit nicht der Mangel der Blutcirculation ein un­ sicheres Todeszeichen, sondern die Mittel, deren man sich bedient diesen Mangel zu entdecken, waren unsicher.

Der Tastsinn kann

uns überhaupt keinen sicheren Aufschluß über ein Nichtbestehen

der Blütcirculation geben; dieß erkannte schon Creve und be­ mühte sich einen andern Weg aufzusinden, den etwa bestehenden

Kreislauf zu entdecken.

Er schlägt nämlich vor, um eine Extre­

mität ein Band so anzulegen, daß die Arterien derselben nicht gedrückt werden, und glaubt, daß unterhalb dieses Bandes als­ dann die Hautvenen anschwellen würden.

Hiergegen ist nun ein­

zuwenden, daß bei bestehendem Scheintod die Blutcirculation bei

Mangel des Pulsschlags so außerordentlich langsam und schwach sein wird, daß'diese Anschwellung entweder erst nach sehr langer

Zeit oder gar nicht erfolgt, besonders wenn die tieferliegenden Venen des Glieds die Fortschaffung des Bluts übernehmen.

Vollständig und durchaus für alle Fälle ausreichend löste, meiner Ansicht nach, Men de') die Aufgabe, eine noch bestehende 7) Mende, Gericht!. Medizin.

5 Thle.

Leipzig 1829.

16 Blutcirculation zu erkennen, indem er die Auskultation der Herz­

töne vermlitelst des Sthetvskops empfahl.

Sobald nur noch die

geringste Menge Blut in das Herz ein- und ausströmt, müssen

drese Töne bemerkbar bleiben. möglich

M e n d e war es daher auch

bei einem scheintodten neugebornen Knaben,

nachdem

‘/■2 Stunde lang die zweckmäßigsten Wiederbelebungsversuche ver­ geblich angesteüt worden waren, und man das Kind schon

als

todt bei Seite legen wollte, vermittelst des Sthetvskops deü Herz­ schlag zu entdecken.

Es ist unbegreiflich, wie man dieses ausge­

zeichnete Erkennungsmittel unbeachtet gelassen hat, da uns durch

die Geburtshülfe schon so lange das Sthetoskop als ein Drittel an die Hand gegeben worden ist, von dem Herzschlag des Kindes

im Mutterleibe sich zu überzeugen.

Es ist doppelt unbegreiflich,

da die meisten anderen Aufsuchungsweisen zeitraubend und an­ strengend sind, und ein so einfaches Mittel diesem Allem gründ­

lich und sicher abhilft. — Ueberdieß ist die Anwendung dieses

Mittels so einfach, daß ein Fehler bei seiner Anwendung wohl nie stattfinden kann.

Es ist nur zu beachten, daß das Herz sich

zuweilen nicht in seiner normalen Lage befindet, sondern nach

rechts gelegen sein kann, man müßte daher auch bei fehlendem

Herzschlag an der normalen Stelle rechts vom Brustbein unter­ suchen.— Sodann müßte man längere Zeit und öfter wiederholt das Sthetoskop aufsetzen, um ganz sicher zu sein, etwa vorhandene

schwache Herztöne nicht überhört zu haben.

5.

Leerheit der Arterien.

Nach der Ansicht Eschenbach's

worin ihm auch andere

Autoren z. B. Men de beistimmen, findet sich bei allen wirklich Todten stets eine Leerheit der Arterie, man glaubte daher hierin

eins der sichersten Zeichen des Todes gefunden zu haben.

Das

Verfahren, welches Eschenbach zur Erkenntniß dieses Zustandes

8) Eschenbach, C. E., Observat. qnaedam anal. Chirurg, med. Rostock 1769.

17 angiebt, ist ungefähr Folgendes.

Man sucht eine größere Arterie

z. B. die Temporalis oder OccipitaliS auf,, legt sie in einer grö­ ßeren Strecke bloß, und achtet darauf, ob sich nicht eine Undulation in derselben entdecken, oder die Arterie vollständig compriIst dieses nicht der Fall,

miren läßt.

so legt man nach der

Herzseite zu eine Ligatur um dieselbe, ohne sie jedoch zuzuziehen,

macht dann einen Einstich in das Gefäß und achtet darauf,

ob

ein Blutaustritt erfolgt, den man noch dlirch zweckmäßiges Strei­

chen zu befördern sucht.

Bleibt dieses Verfahren erfolglos, so

durchschneitet man die Arterie gänzlich, worauf diese, wenn wirk­ licher Tod eingetreten, sich alsdann auch nicht weiter zurückziehen

würde. Was nun den Werth dieser Erkennungsmethode des wirk­ lich eingetretenen Todes anbclangt, so ist derselbe dadurch bedeu­

tend geschmälert, daß nicht bei allen Leichen die Arterien blutleer gefunden werden, namentlich z. B. nicht an den an Cholera

Verstorbenen.

Ebenso ist es bekannt, daß bei solchen, die den

Erstickungstod starben, ferner bei solchen, die vom Blitz erschlagen wurden, bei Vergiftung durch Blausäure u. s. w. die Arterien

bald mehr bald weniger Blut enthalten; Anwesenheit des Blutes

in den Arterien ist daher keineswegs ein bestimmtes Zeichen des noch vorhandenen Lebens.

Sodann ist es auch unrichtig, daß

durchschnittene Arterien nach dem Tode sich nicht zurückziehen,

indem

die

fortbestehende Elasticität der Arterienwandung

Zurückziehen der durchschnittenen Enden bedingt.

ein

Ferner dürfte

auch zu berücksichtigen sein, daß ein zur Erkennung der Leerheit der Arterien nothwendiger operativer Eingriff nicht ohne Schwie­ rigkeiten, überhaupt bei zweifelhaftem Zustand des zu Unter­

suchenden nicht ohne Gefahr für denselben geschehen und nament­ lich bei kleinen Kindern kaum ausgeführt werden kann.

6.

Mangel der Eigenwärme.

Mit dem Aufhören des Respirationsprocesses und der Blutcirculation hört auch die Erzeugung der Eigenwärme auf, da sie

2

18 wesentlich mit durch das Bestehen dieser Processe bedingt wird.

Der Körper sucht sich, nachdem das Leben erloschen ist, mit der Temperatur der umgebenden Medien in das Gleichgewicht zu

setzen;

es, kann daher der Mangel der Eigenwärme als

wichtiges Zeichen des Todes benutzt werden.

ein

Nur die Art der

Untersuchung, deren ntmi sich früher zur Erforschung des im

Körper noch vorhandenen Wärmegrades bediente, brachte es mit sich, daß man dieses Todeszeichen saft allgemein für ein sehr

unsicheres hielt, und es sogar gänzlich verwarf.

Es ist bekannt,

daß bei verschiedenen Zuständen z. B. in hysterischen Ohnmachten,

beim Scheintode überhaupt, namentlich aber bei anscheinend Erfrornen, Ertrunknen u. s. w. eine Marmorkälte sich in den ober­ flächlichen Theilen des Körpers kund geben kann, während in

den inneren Theilen noch die volle Lebenswärme fortbesteht. Ein oberflächliches Betasten gnügt daher nicht zur Erkennung dersel­

ben, und ebensowenig wurde dieses immer durch einen Thermo­ meter erreicht, den man in den Mastdarm, in die Vagina oder

in die Mundhöhle brachte.

Von der Ansicht geleitet, daß in den

Theilen des Körpers, welche sich den Hauptorganen des Respi­

rationsprocesses und der Circulation am nächsten befinden, auch die Eigenwärme »och am beträchtlichsten sein müsse, bringt Nasse

zu deren Ermittelung ein eignes Instrument in Vorschlag, wel­ ches er Thanatometer genannt hat. Es besteht dieses Instrument

aus entern Fischbeinstabe, an dessen einem Ende ein Thermometer befestigt ist, dessen Kugel eine durchlöcherte Kapsel von dünnem

Blech umgiebt.

Dieses Instrument wird-durch den Schlund in

den Mägen gebracht, und so die Wärme in dem Inneren des Magens gemessen.

Ohne Frage ist dieses Verfahren weit zuver­

lässiger, noch vorhandene Wärme in den inneren Theilen des Körpers zu erkennen, als alle früher angewendeten Methoden.

Eine Menge Versuche gaben folgende. Resultate: Die Eigenwärme kann bei warmblütigen Thieren, also wohl auch beim Menschen, bis auf 13‘A0 R. sinken, ehe der Tod erfolgt, jedoch nur dann,

wenn langsame Erkältung eintritt, z. B» bei Thieren, die man erfrieren läßt.

Bei jeder Todesart durch Krankheit oder durch

19 plötzliche Entziehung des Athmens zeigt schon ein Sinken des Thermometers auf 20" den Tod ganz sicher an.

Findet daher

bei mehrmaligem Untersuchen ein fortwährendes Sinken bis auf

13" statt, so ist an dem eingetretenen Tode nicht tut Entferntesten

zu zweifeln. Eine Verwechslung der Eigenwärme mit derjenigen Wärme,

die beim Eintritt der Zersetzung im Körper mitunter sich in ziem­ lich beträchtlichem Grade entwickelt, dürfte dem Kundigen wohl nicht leicht begegnen, indem zur Zeit des Entstehens der Zer­

setzungswärme sich alsbald solche unzweideutige Zeichen der be­

ginnenden Verwesung an den Tag geben, daß auch selbst der

Laie nicht im Entferntesten am vorhandenen Tode zweifeln wird.

7. Erlöschen der Vitalität der äußeren Haut; Schwinden des Turgor Vitalis. Durch das Schwinden des Turgor vitalis und durch den

mit dem Tode eingetretenen CollapsuS des Zellgewebes erhält die

Haut an den Stellen des Körpers, wo die Haut selbst zart, na­

mentlich aber der unter ihr befindliche Zellgewebsreichthum groß ist, ein ganz eigenthümliches Ansehen, indem sie für diese Theile

als zu weit erscheint.

Insbesondere macht sich dieses an ver­

schiedenen Stellen des Gesichts, an den Händen, namentlich an

den Fingern, an den Genitalien, an den Brüsten u. s. w. be­

merkbar, so daß sie daselbst mitunter ganz runzlig und faltig wird. Hebt man die Haut gefaltet in die Höhe, so gelingt dieses,

wenn keine physischen Hindernisse im Wege stehen z. B. Infil­

tration in das Zellgewebe und dergl., in jeder Richtung, und die Falte gleicht sich nur äußerst langsam, mitunter erst bei beginnen­

dem Zersetzungsprocesse wieder aus.

Die Haut fühlt sich kalt,

lederartig, nicht so gedunsen an, wie bei einem Lebenden, und hat

dasDurchscheinendeverloren. Hierauf gründet auchDeMallet") ein Todeszeichen, indem er darauf aufmerksam macht, die an

9) B. de Mailet, Journ. de Med«, Chirurg, et Pharm. par Leroux« Tom. XL *

20 einander gelegten Finger des Verstorbenen gegen das Licht zu

halten, indem bei Leichen das Durchscheinen des Lichts am Rande der Finger nicht mehr wahrgenommen würde.

Ferner gehört hierher eine Beobachtung, die sehr häufig auf anatomischen Theatern gemacht wird, daß von der Epidermis entblößte Hautstellen bei Leichen hornartig auStrocknen, das heißt,

hart und undurchsichtig werden, und durch die mit vertrocknetem Blute angefüllten Gefäße eine braune Farbe erhalten. Kluge'") benutzte dieses als ein Erkeiinungsmittel des eingetretenen Todes, und fand unter der Leitung C.M.Webers folgendes : Eine von der Epidermis entblößte Hautstelle vertrocknet, wenn Tod einge-

treten ist, vom Rande aus, und es erfolgt dieses Austrocknen um so schneller, je kürzere Zeit nach dem Tode man den Versuch an­

stellt, und je mehr Wärme noch im Körper vorhanden ist.

Bei

noch bestehendem Leben erfolgt diese Eintrocknung entweder gar

nicht, oder doch äußerst langsam, während sie unter den -eben

angeführten begünstigenden Umständen nach erfolgtem Tode schon innerhalb 10 Minuten und oft noch früher vor sich geht. Wenn

diese Beobachtung sich für alle Fälle und in allen Umständen be­ stätigen sollte, so wäre nicht nur die Behauptung Kluge's, daß sie

ein durchaus sicheres Zeichen des erfolgten Todes abgeben könne,

richtig, sondern sie böte uns auch ein sehr willkommenes Mittel

dar, die früheste Zeit, wenn der Tod eintritt, zu ermitteln.

Sie

dürfte daher gerade in solchen Fällen, wo die Erkenntniß des

wirklich eingetretenen Todes von unberechenbarem Nutzen ist, eine sehr schätzbare sein, z. B. wenn es sich darum handelt, bei einer eben erst muthmaßlich verstorbenen Schwangeren den Kaiserschnitt

zu machen. — Als beste Methode, die Epidermis rasch zu ent­ fernen, hat man zu diesem Zwecke vorgeschlagen eine Hautstelle

mit Aetzammoniakflüssigkeit zu befeuchten und dann zu reiben, oder auch mit heißem Wasser abzubrühen. 10) Kluge C. G. L. De cutis exsiccatione. Diss. inaug. Lips. 1842.

21

II. Abschnitt. Merkmale, die dem sogenannten Leichenzustande ganz eigenthümlich sind.

8.

Leichcnphpsiognomie.

Durch das Schwinden des Turgor Vitalis und den gleich­

zeitigen Collapsus des Zellgewebs,

namentlich aber durch den

Eintritt der Todesstarre in den Muskeln des Gesichts, erhält das

Gesicht eines Todten ein eigenthüinliches- Ansehen. Die Rundung und Fülle in den Formen verliert sich, die Gesichtszüge treten schärfer hervor und nehmen einen gewissermaßen hölzernen Aus­

druck an.

Die Nase ist spitzer geworden, Mund und Auge sind

halb geöffnet, wenn sie nicht im Todesacte von Andern geschloffen wurden; durch die halbgeöffnete Mundspalte sieht man die meistens mit einem mißfarbigen Belege überzogenen Zähne, wenn das In­

dividuum einige Zeit erkrankt war; die Lippen zeigen nicht mehr die schöne durchscheinende Röche,

und ihre schwellende Form ist

verloren gegangen, sie sind blauer oder auch blässer geworden und

meist runzlig; die Augen liegen tiefer in ihren Höhlen, haben einen eigenthümlich starren glasigen Blick, und die Schläfengegend

ist eingesunken.

Diesem Allem kommt cme Physiognomie in einzelnen Er­ scheinungen ziemlich nabe, die wir mitunter in Krankheiten wahr­

nehmen, und die auch bei Scheintodtcn beobachtet wird; es ist die facies hippocratica.

Die Unterscheidung beider dürfte indessen

nicht so schwierig sein. Bei dem hippocratischen Gesichte sind die Muskeln

der Nasenstügel und

des Mundwinkels

stets etwas

krampfhaft verzogen, gewöhnlich auch auf der einen Seile mehr, als aus der

anderen, wodurch

schmerzvollen Ausdruck erhält.

das

Gesicht einen leidenden,

Dieser kann zwar, wenn er in

den letzten Augenblicken des Lebens eintrat, auch im Tode noch längere Zeit fortbestehen, macht indessen allmählig einer gewissen

22 Ruhe in den Gesichtszügen Platz.

Nur in dem Falle, wo

ein

größerer Stoffreichthum in dem Zellgewebe unter der Haut sich angehäuft findet, sei es durch Infiltration u. s. w., wird der

Collapsus des Zellgewebs

keine wesentliche Veränderung in den

Gesichtsformen bewirken können, dieselben werden daher mehr

gerundet bleiben.

Mit dem allinäligen Aufhören der Todeöstarre

und dem deutlicheren Hervortreten deS Zersetzungsprocesses schwin­

det ebenfalls dieser hölzerne Ausdruck in den Gesichtsformen, und dieselben nehinen, zunächst durch die Entwicklung von Gasen be­

dingt, wieder ein mehr gerundetes Ansehn an, so daß das Gesicht

dadurch einen freundlicheren Ausdruck erhält.

Die Unbestimmtheit des Eintritts, der Dauer und des Auf­ hörens der Leichenphysiognomie, sowie die oft sehr schwache Aus­

prägung derselben in den angeführten Emzelheiten, machen es

uns oft unmöglich, diesem Zeichen einen großen Werth beizulegen, wiewohl eine scharfe Ausprägung derselben bei jedem unbefan­

genen Beobachter in der Regel eine fast bis zur Gewißheit sich

steigernde Vermuthung des bestehenden Todes veranlaßt.

S.

TodcSstarre.

Mit dem Eintritt der Todesstarre tritt ein eigenthümliches Erstarren, ein Steifwerden der Muskeln ein, welches sich haupt­

sächlich in einem

hohen Grade von Unbiegsamkeit in den Ge­

lenken ausspricht.

Zu ihrer Beseitigung bedarf es einer ziemlich

bedeutenden Gewalt, bei deren Anwendung nicht selten eine Zer­ reißung der Muskelfasern erfolgt.

Diese Steifheit der Gelenke

wird durch eine gleichmäßige Zusammenziehung aller Muskeln

eines Glieds bewirkt,

läßt daher auch bei Durchschneidung der

Sehnen derselben augenblicklich nach 11). Durch die Gleichmäßig­ keit im Zusammenziehen sämmtlicher Muskulaturen eines Gliedes wird es auch bedingt, daß die relativ fleischigeren Muskeln ein

11)

vr. PH. Phöbus.

Äap. 3. Berlin 1833.

Ueber den Leichenbefund der afiat. Cholera.

23



Uebergewicht über ihre schwächeren Antagonisten erhalten, uitb da nun die Beugemuskeln im Allgemeinen etwas mehr Muskelfleisch besitzen, als die Streckmuskeln, so ist es natürlich meistens auch

der Fall, daß die Gelenke etwas gebeugt sind.

An den Fingern

tritt dieses mitunter auf eine sehr auffallende Weise hervor,

so

daß sie zuweilen wahrhaft krallenförmig gebogen,. und der Dau­

men stark opponirt erscheint.

Diese vorstehenden Thatsachen ab­

gerechnet, bleibt die Stellung und Lage, die das Glied bei dem

erfolgten Tode hatte, oder die ihm kurz nach demselben gegeben wurde, bei Eintritt der Todesstarre im Allgemeinen dieselbe. —r Gewöhnlich werden die verschiedenen Muskeln des Körpers in

einer gewissen Reihenfolge von der Todesstarre ergriffen : meist die von Kopf und Nacken zuerst, alsdann die des Stammes und

der Schulter; später die des Oberarms und Oberschenkels, und zuletzt die der Hände und Füße.

Nicht immer ist indessen diese

Reihenfolge dieselbe, und es kann sich in den Muskeln der einen

Seite des Körpers

noch gar keine Steifheit bemerkbar machen,

während sie in denen der anderen schon in einem hohen Grade vorhanden ist. —

Auch der Grad der Steifheit ist je nach deu

Umständen sehr verschieden. Je gesünder und kräftiger der Mensch

war, je weniger er an erschöpfenden Krankheiten gelitten harte, je schneller er starb, desto intensiver pflegt die Gelenksteifigkeit aufzutreren.

Fast dasselbe gilt von der Zeit ihres Eintritts und

von ihrer Dauer.

Bei sehr schwächlichen Menschen, oder nach

vorausgegangenen erschöpfenden Krankheiten macht sie sich schon nach 1 — 2 Stunden und selbst noch früher bemerkbar, verschwin­

det aber oft so rasch wieder, daß sie leicht übersehen werden

kann, was wohl wesentlich mit zu der Behauptung mancher Au­ toren Veranlassung gegeben haben dürfte, daß Leichenßarre nicht immer einzutreten pflege. Bei anderen Todesarten erscheint sie

oft erst nach 18 Stunden, verliert sich aber alsdann mitunter

auch erst nach 5 — 7 Tagen.

Im Allgemeinen dürfte der Satz

gerechtfertigt erscheinen, daß die Leichenstarre um so länger anzu­

halten pflegt, sehen,

se später sie auftritt, denn es ist nicht zu über­

daß auf die Dauer

und das

intensive Auftreten der

24 Leichenstarre die umgebenden Medien und ihre Temperatur einen

wesentlichen Einfluß auSüben.

Kälte beschleunigt ihren Eintritt,

trockne Wärme, besonders die Bettwärme, hemmt sie; in freier Luft dauert sie länger, als in abgeschlossenen Räumen.

Alle

Momente, welche eine Beschleunigung des Verwesungsprozesses herbeiführcn, machen auch der Todesstarre ein rascheres Ende.

Die Einwürfe, die man gegen die Todesstarre, als ein

sicheres Kennzeichen des erfolgten Todes, wie sie seit Sommer") bezeichnet worden ist, erhoben hat, beziehen sich entweder darauf,

daß man Todesstarre bei Leichen nicht beobachtet haben wollte,

oder daß man geltend machte, daß bei Lebenden sowohl, wie bei Scheintodten mitunter eine Steifigkeit der Glieder wahrgenommen

würde, die zu Verwechslungen mit Todesstarre führen könne, und vielleicht auch wirklich geführt haben mag.

Morgagni,

van Ha en und I. P. Frank führen Fälle an, in denen sie keine Todesstarre wahrgenommen haben, es dürfte aber hier der

bestehenden Erfahrung zu Folge der Einwurf gemacht werden können, ob überhaupt hier nicht ein Uebersehen der Leichenstarre

stattfand, da sie mitunter sehr rasch wieder verschwindet.

Bei

zu Tode gehetzten Thieren scheint sie allerdings nicht einzutreten,

ebenso auch nicht bei den Leichen vom Blitz erschlagener Personen. Hier dürfte aber die

mit

der schwindenden Eigenwärme fast

gleichzeitig sich entwickelnde Zersetzung die Hauptursache sein und insofern schon den Werth der Todesstarre als Merkmal des ein*

getretenen Todes kaum schmälern.

Nach Mende soll Leichen­

starre bei Kindern, welche während der Geburt an Verblutung starben, und todt geboren wurden, ebenfalls nicht eintreten, eine

Angabe, die sich mehreren in hiesiger Entbindungsanstalt gemach­ ten Beobachtungen zu Folge, zu bestätigen scheint, und in Be­

treff der Lehre vom Kindsmorde einer näheren Würdigung und Beachtung werth ist. Betrachten wir die Erscheinungen etwas näher, die man bei

Scheintodten wahrnimmt, bei denen eine Steifigkeit vorkommt,

12) Sommer.

De signis mortem hominis etc.

Hafniae 1833.

25 die matt bet' oberflächlicher Untersuchung für Leichenstarre halten könnte, so dürfte auch hier eine Verwechslung nicht leicht statt­ haben.

So kann eine cataleptische Rigidität leicht an der der

Starrsucht eigenthümlichen mobilitas cerea der Glieder erkannt werden, indem dieselben bei diesem Zustande jede beliebige Bie­ gung leicht annehmen und darin verharren, während die Leichen­

starre augenblicklich in dem Gliede verschwindet und nicht wieder­ kehrt, wenn man dasselbe mit Gewalt in eine andere Haltung

zu bringen versucht.

Bei einer durch Tetanus herbeigeführten

Steifheit finden sich meist eigenthümliche Verdrehungen der Glie­

der, und dieselben lassen fich entweder gar nicht mit Gewalt

biegen, oder sie kehren, wenn eine Biegung stattgefunden hat, wieder in ihre vorige Stellung zurück. —

Was endlich die Er­

starrung durch Frost betrifft, so findet sich eine solche nicht bloß

in den muskulösen Theilen vor, sondern ist vielmehr über die ganze Oberfläche des Körpers verbreitet, und namentlich gerade

in den Theilen, die durch den Tod nicht in einen erstarrten Zu­ stand versetzt zu werden pflegen, z. B. Brüste, Genitalien u.s.w. Würdigen wir sonach die Todesstarre als ein Merkmal des Todes nach ihrem wahren Werthe, so müssen wir allerdings

eingestehen, daß uns dieses Zeichen zuweilen fehlen wird, indem

es zur Zeit der Untersuchung schon wieder verschwunden oder

noch gar nicht eingetreten sein kann; findet es sich dagegen, so giebt es ebenso gut wie der Mangel der Blutcirculation und der Mangel der Eigenwärme volle Gewißheit über den eingetretenen Tod, nur muß man sich vor den oben angegebenen Verwechs­

lungen hüten. —

10.

Dauernde Abplattung.

Mit dem Erlöschen der Lebensthätigkeit, namentlich mit dem Schwinden des Turgor vitalis in der äußerell Haut vermögen

tue Weichtheile des Körpers keinen organischen Widerstand gegen stattfindenden Druck zu leisten, sie werden daher gezwungen, dem­

selben nachzugeben.

Wo also ein etwas andauernder Druck auf

26 die Weichtheile einer Leiche stattfindet, wird eine Abplattung ein»

treten.

Ein solcher Druck kann nun durch das Gewicht des

Körpers selbst auögeübt werben, und in diesem Falle tritt die Abplattung an den zu unterst liegenden Weichtheilen ein, oder sie entsteht durch fremde aufliegende Körper.

Gewöhnlich liegen die

Leichen auf dem Rücken, und darum findet man meistens Schul­

tern und Hinterbacken abgeplattet, liegen sie dagegen auf dem Leib, so erfolgt eine Abplattung der Nasenspitze, des Mundes, der Bauchdecken u. s. w. Wird sie durch fremde Körper bedingt, so nimmt sie die Gestalt derselben an, und die Richtung und

Stelle ihres Vorkommens hängt von diesen ab. —

Die Ränder

dieser gedrückten Stelle sind ganz scharf und verflachen sich nicht

bei aufgehobenem Drucke.

Was den Werth der Abplattung als Todeszeichen betrifft, so

muß im Voraus darauf aufmerksam gemacht werden, daß sie, wie die Natur der Sache ergiebt, erst in einer späteren Zeit des Leichenzustandes auftritt, also bei einer Untersuchung in früherer

Zeit fehlen wird. — Blumenbach, der zuerst auf sie aufmerk­ sam machte, gab sie als ein sicheres Todeszeichen an. Man kann

zwar dagegen geltend machen, daß bei abgemagerten Leichen die Abplattung an den Theilen, mit denen sie aufliegen, selten recht in die Augen fallen wird, allein hiergegen läßt sich ganz richtig

bemerken, daß man auf Theile, die weniger an Abmagerung leiden, zur Diagnose einen künstlichen Druck anbringen kann.

Die einzige Verwechslung, die dieses Zeichen des Todes zu­

ließe, wäre darin zu suchen, daß man bei Erfrornen, die später

wieder in das Leben zurückkehrten, eine mehr oder weniger sicht­ liche Abplattung der Theile bemerkt hat.

11.

Todtenfleckm.

Todtenflecke sind rothe oder mehr bläulich gefärbte, niemals aber gelbe Flecke von ungleicher Größe, die an verschiedenen

Stellen der Körperoberfläche Vorkommen, hauptsächlich aber an den abschüssigen Theilen, oder denen, mit welchen der Körper

27 aufliegt.

Sie bilden an den Stellen ihres Vorkommens keine

Erhabeirheiten und entstehen, indem das Blut, den Gesetzen der

Schwere folgend, sich nach den zu unterst befindlichen Gefäßen hinsenkt, die feineren Venen sowohl der Haut, als des subcutanen

Zellgewebes anfüllt, mitunter auch erweitert, und somit eine durch­

scheinende Färbung an diesen Stellen veranlaßt. Nicht selten kommen schon während des Lebens rothe Fär­

bungen, besonders an den abhängigen Stellen des Körpers vor. Es geschieht dies hauptsächlich in langdauernden Kankheiten, be­

sonders in solchen, in denen sich eine große Neigung zur Blut­ zersetzung kundgiebt; indem sowohl das dünnflüssige Bkit bei der

geringen Lebensenergie nach den Gesetzen der Schwere sich senkte, als auch der andauernde Druck an diesen Stellen eine Anhäu­ fung und Stockung des Blutes herbeiführte.

Eine Verwechslung

dieser Blatanhäufungen mit Todtenflecken dürfte jedoch kaum statt­ finden, indem erstere nur eine beschränkte Verbreitung haben und an den Grenzen derselben stets weirn auch geringe Erscheinungen

von Entzimdungen sich finden müssen.

Wichtiger erscheint die

Unterscheidung der Todtenflecken von Blutinfiltrationen in daS subkutane Zellgewebe, von Ecchymosen u. dergl., indem solche leicht Verwechslungen bei nicht gehöriger Beachtung herbeiführen

können.

Hier bedarf eS nur eines Einschnitts, um sich zu über­

zeugen, daß bei Todtenflecken das Blut sich in den kleineren

Venen findet, also keine Ergießung von Blut aus den Gefäßen stattgefunden hat. Schließen wir nun aus dem Vorbemerkten auf den Werth

der Todtenflecken als Todeszeichen, so müssen wir denselben als

keinen geringen ansehen, indem die Unterscheidung von ähnlichen

während des Lebens bestehenden Zuständen leicht schon durch eine Veränderung der Lage der muthmaßlichen Leiche herbeigeführt

werden kann. Im gegebenen Falle verschwinden die Todtenflecken

an den Stellen, wo sie sich früher bemerkbar machten, und es

treten neue auf an derjenigen Oberfläche des Körpers, welche jetzt die untere ist. —

28 12.

Eigenthümliche Leichenfarbe.

Außer der stellenweisen Färbung-der Haut, welche durch die Todteuflecke veranlaßt wird, macht sich bei Leichen noch

eigenthümliche Färbung der Haut geltend.

eine

Die gewöhnliche Lei­

chenfarbe ist ein Gemisch von Weiß mit etwas Grau oder Blau, durch welches überall eine gelbe Farbe durchschimmert.

Letztere

macht sich besonders in den Furchen der Mundwinkel und Nasen­ flügel bemerkbar.

Die gelbe Färbung nimmt allmälig zu, und

zuweilen so überhand, daß dem eine solche Leiche Betrachtenden unwillkührlich die Behauptung aufgedrängt wird, es habe wäh­

rend des Lebens irgend ein Leberleiden bestanden.

Besonders

macht de Maltet auf die lebhafte gelbe Färbung in den Hand­ tellern und unter den Fußsohlen der Leichen aufmerksam, und es

wirv von ihm und Anderen hierauf ein nicht unbedeutendes Ge­ wicht als Todeszeichen gelegt.

Die gelbe Färbung vieler Leichen

scheint zunächst von der Durchtränkung der Weichtheike, nament­ lich auch der Haut, mit dem sich auöscheidenden Blutsermn her­

zurühren, da dieses im Normalzustände bekanntlich eine gelblich­ braune Färbung besitzt, und grade bei Leichen plötzlich verstor­

bener und vollsaftiger Personen diese gelbe Färbung in einem auffallenden Grade bemerkt wird.

morrhagien gelitten hatten

oder

Bei Individuen,

an

die an Hä­

auszehrenden Krankheiten

u. s. w. gestorben sind, fehlt sie in der Regel, indem die Leichen

solcher Personen mitunter sich sogar durch eine wachsbleiche Farbe auszeichnen.

Ebenso zeichnen sich die Leichen von Ertrunkenen

meistens durch eine auffallend weiße Farbe aus, zunächst wohl veranlaßt durch ein in den letzten Augenblicken des Lebens statt­ findendes Wegdrängen des Blutes von den oberflächlichen Theilen

des Körpers nach inneren Organen hin, und der gleichzeitig statt­ findenden Resorption deS Wassers durch die äußere Haut, wo­

durch auch die epiderinisreicheren Stellen, wie Handteller und Fußsohlen dieses eigenthümliche Ansehn annehmen, wie die Haut

der Hände bei Wäscherinnen.

Auf dem Oben angeführten Grunde dürfte auch wohl die

29 eigenthümlich gelbe Färbung der Sclerotica beruhe», auf welche

Sommer zuerst aufmerksam machte.

In Betreff des Farben«

Wechsels im Auge einer Leiche giebt überhaupt Sommer Fol­

gendes an: Soweit das Auge des Sterbenden geöffnet bleibt,

stellt sich an dem der Luft auSgeseyten Theile der Sclerotica nach

1—3 Stunden schon eine gelbe Färbung ein, die besonders nach dem äußeren Winkel hin sehr intensiv

wird;

nach ungefähr

5 Stunden geht diese gelbe Färbung, vom Rande der Hornhaut beginnend, mehr ins Bläuliche oder Schwärzliche über, was sich indessen wieder verliert, sobald das Auge in Folge der Fäulniß

zusammenfällt.

Der der Luft abgeschlossene Theil der Sclerotica

bleibt relativ weißer, was auch für die ganze Sclerotica gilt,

wenn dieselbe durch Schließen des Auges dem Luftzutritt ent­ zogen wurde.

Die Ursache dieser Verschiedenheit in der Färbung

der einzelnen Theile der Sclerotica, je nachdem sie bedeckt oder nicht bedeckt sind, sowie auch die weitere Farbenveränderung in

den unbedeckten Theilen derselben, dürfte wesentlich mit durch daS Austrocknen des Auges bei einer Leiche bedingt werden;

und

insofern allerdings diesem Merkmal sein Werth nicht abgesprvchen werden können, nur muß man sich vor Täuschungen hüten, und

die weiteren Veränderungen des Auges einer Leiche, von denen weiter Unten die Rede sein wird, mit berücksichtigen.

13.

Ueberhandnahme der blos mechanischen Verhältnisse im Körper.

Mit dem allmäligen Nachlasse der Leichenstarre müssen die Glieder, die während des Bestehens derselben mitunter nicht in der Haltung sich befanden, welche den Gesetzen der Schwere

entspricht, diesen

Gesetzen Folge leisten,

wodurch nicht selten

Lagenveränderungen einzelner Theile der Leiche cintreten.

Wurde

unter andern der Unterkiefer, sei es durch Krampf in den Mus­

keln bei Eintritt des Todes, oder durch Andrücken kurz vor Ein­ tritt der Leichenstarre, dem Oberkiefer genähert und dadurch der

Mund geschlossen, so sinkt beim Nachlaß der Todesstarre der

Unterkiefer wieder nach abwärts, und der Mund bleibt offen.

30 Es bödarf hier wohl kaum noch der Erwähnung einer Bemerkung de Mallet'S, daß, wenn man bei einer Leiche den Unterkiefer gewaltsam herabzieht, der Mund immer offen stehen bleiben muß

und ohne eine Unterstützung deS Unterkiefers nicht zum Schließen gebracht werden kann, da die Leichenstarre bei gewaltsamer Be­

wegung der Glieder augenblicklich verschwindet und nicht wie» verkehrt.

Aehnlich verhält es sich mit den Augen, wenn nicht vor Eintritt der Leichenstarre die Angenlieder einander genähert wer­

den und in Folge des Austrocknens der Augenfeuchtigkeiten am

Rande mit einander verkleben.

Den Gesetzen der Schwere fol­

gend fällt das obere Augenlied über den Augapfel nach vorn herab, das untere aber sinkt zurück, so daß das Auge halb ge­

öffnet erscheint. Ein halbes Offenstehen der Augen kommt indessen auch bei Lebenden vor, und wird namentlich nicht selten bei

Schlafenden wahrgenommen.

Bei allenfallsigem Zweifel bedarf

es aber nur, wie de Mallet ganz richtig angiebt, eines Hebens des oberen Augenlieds, indem dasselbe bei einer Leiche hinter den Augapfel herabsinken, das Auge deßhalb geöffnet bleiben wird,

während bei Lebenden das Augenlied augenblicklich in seine frühere Stellung zurückkehrt.

So lange die Leichenstarre besteht, pflegt der After geschlossen

zu sein, läßt diese aber nach, so tritt nicht selten bei Druck auf den Leib oder. sonstigen Manipulationen mit der Leiche Fäkalmaterie aus dem After, und dieser bleibt offen stehen.

Auf ähnliche

Weise entleert auch die Urinblase nicht selten einen Theil ihres

Inhalts.

Da sowohl in Krankheitszustäuden,

als auch beim

Scheintode unfreiwillige Harn- und Kothausleerungen vorkom­

so ist auf diese Erscheinungen relativ wenig Werth zu

men, legen.

Zu bemerken ist übrigens, daß bei verstorbenen Schwängern,

bei denen der Kaiserschnitt nicht gemacht wurde, aus fast gleichen Gründen ohne weitere Manipulation das Kind zuweilen ausge-

ttieben zu werden Pflegt, indem durcb die Auftteibung der Un-

-

31



terleibseingeweide mit Gas ein Druck auf den Uterus veran­ laßt wird.

14.

Eintrocknen und Trübwerden der Hornhaut; Trübung der innere» Gebilde des Auges.

Das Brechen der Augen und das Trübwerden der Hornhaut im Tode gehören mit unter die auffallenderen Todeserscheinungen, haben daher auch von jeher einen hohen Werth als Todeszeichen

behalten.

Der Werth dieser Merkmale ist um so großer, als

das Trübwerden in einer überwiegenden, auf einer bloß physika­ lischen Eigenschaft organischer Gewebe beruhenden Erosmose seinen

zureichenden Grund findet, wobei es an dem durch das Leben bedingten Wiederersatz des durch Verdunstung verloren gegangenen

Humors fehlt.

Schon van Haen erkannte dieses Zeichen für so

wichtig, daß, wenn es eingetreten, er nach 48 Stunden des Hin­ scheidens die Sektion vornahm.

Gleichen Werth legen diesem

Zeichen viele anderen Autoren bei. — Nichtsdestoweniger wird

dasselbe in vielen Schriften verdächtigt, indem man aus allenfalls bestehende Nubecula oder Corneitis hinwcist.

Allein man hat

hierbei übersehen, daß bei der Trübung der Hornhaut im Tode

in Folge der Verdunstung des Humors dieselbe zu gleicher Zeit ein runzliches und relativ faltiges Ansehen erhält, was bei ent­ zündlichem Zustande dieses Gebildes nicht der Fall ist.

Wichtiger freilich sind die Beobachtungen, daß eine Trübung

der Hornhaut bei wirklich eingetretenem Tode zuweilen erst nach längerer Zeit eintritt.

I. P. Frank") und Portal") haben

Fälle der Art bekannt gemacht, namentlich nahm Portal dieses öfters bei Erstickten wahr, wo eine Trübung erst nach dem dritten Tag erfolgte.

Aehnliche Beispiele bieten uns die Beobachtungen,

die man bei den Leichen an der Cholera verstorbener Personen gemacht hat, in Menge. — Alle diese Beobachtungen geben aber

13) I. P. Frank, med. Polizei. 4. Bd.

14) Portal, sur les effets des vapeurs mephiL

— keinen Gegenbeweis

gegen

32



die Untrüglichkeit des

angeführten

Zeichens ab.

So lange das Individuum noch lebt, pflegt die Netzhaut in der Regel vollkommen durchsichtig zu sein, und man sieht durch die Pupille im Hintergründe des Auges die sammtschwarze Cho-

roidea.

Nach

erfolgtem Tode soll,

wie Neumann angiebt,

ziemlich rasch eine Trübung der Netzhaut beginnen, daS Auge deßhalb im Inneren einen grauen Schein erhalten; indessen ist

dieses nicht für alle Fälle gültig, es vergehen namentlich bei ge­ waltsamen Todesarten oft sogar Stunden, ehe ein grauer Schein

im Hintergründe des Auges erkennbar wird. — ES versteht sich

von selbst, daß dieses Zerchen nur einen untergeordneten Werth hat, da möglicher Weise grauer Staar oder Glaucom vorhanden sein könnte.

Ferner giebt Neumann an, daß außerordentlich frühe eine

perlgraue Färbung des Pupillarrandes der Iris eintrete, und dieses das sicherste und am frühsten erkennbare Todeszeichen sei,

es bedarf jedoch noch sehr der Beobachtung, ob man dieser Mei­ nung Neumann'ö die Ausdehnung, zuerkennen darf, wie derselbe

es will.

15.

Zunehmende Weichheit des Augapfels.

Kennedren in Paris machte zuerst auf dieses Zeichen auf­ merksam und legte ihm einen großen Werth bei.

So lange das

Individuum noch lebt, besitzt der Augapfel Fülle und Elasticität, mit dem Tode aber sinkt er etwas tiefer in seine Höhle zurück und wird zunehmend weicher, was bei einem gelinden Drucke leicht erkannt werden kann.

Kasper,s) bestätigt diese Ansicht

insofern, als er bei Cholerakranken, wo doch der Turpor Vitalis so sehr darniederliegt, und das Auge tief in seine Höhle zurück­

getreten ist, die Elasticität desselben während des Lebens nie ver­

schwinden sah. Diesem Merkmale des eingetretenen Todes dürfte

15) KaSper, Wochenschrift. 1833.

33 daher ein gewisser Werth allerdings nicht abznsprechen sein, da abgesehen von dem beginnenden Zersetzungsproceffe im Ange, auch

die nach erfolgtem Tode ohne Ersatz stattfindende Verdunstung der wässrigen Bestände dieses Organs, nothwendig eine zuneh­

mende Weichheit bedingen muß. —

III. Abschnitt. Zeichen beginnender Zersetzung.

16.

Zunehmende Weichheit der früher erstarrten Theile, Wiederkehr einer größeren Fülle und Rundung in den Körperformen.

Mit dem Nachlassen der Todesstarre beginnt der Zersetzungs­ prozeß in den Muskeln, der je nach den bestehenden äußeren

Verhältnissen

bald langsamer,

bald rascher vorschreitet.

Die

Muskeln fühlen sich teigig an und lassen sich leicht hin und her schieben.

Nicht selten hört man dabei, wenn der Zersetzungs­

prozeß rasch vorangeschrittcn ist, ein eigenthümliches Knistern, was zunächst durch das Verdrängen des im Zwischenzellgewebe

sich immer mehr entwickelnden GaseS veranlaßt wird. Gleichzeitig hiermit tritt auch eine größere Rundung und Fülle in den äuße­

ren Formen des Körpers hervor, welche anfangs noch den Ein­

druck des Fingers erkennm läßt, nach und nach aber zu einer wahrhaft monströsen Auftreibung der Haut führen kann.

Bei

auffallend rasch eintretendem Zersetzungsprozeß pflegen die Leichen, wie schon oben bemerkt wurde, nicht selten wieder warm zu werden, und oft schon geht diese Wärme- und Gasentwicklung vor sich, ehe die Leichenstarre in den Muskeln vollständig nach­

gelassen hat, z. B. bei den Leichen von Personen, die im Wochen­ bett gestorben sind.

33 daher ein gewisser Werth allerdings nicht abznsprechen sein, da abgesehen von dem beginnenden Zersetzungsproceffe im Ange, auch

die nach erfolgtem Tode ohne Ersatz stattfindende Verdunstung der wässrigen Bestände dieses Organs, nothwendig eine zuneh­

mende Weichheit bedingen muß. —

III. Abschnitt. Zeichen beginnender Zersetzung.

16.

Zunehmende Weichheit der früher erstarrten Theile, Wiederkehr einer größeren Fülle und Rundung in den Körperformen.

Mit dem Nachlassen der Todesstarre beginnt der Zersetzungs­ prozeß in den Muskeln, der je nach den bestehenden äußeren

Verhältnissen

bald langsamer,

bald rascher vorschreitet.

Die

Muskeln fühlen sich teigig an und lassen sich leicht hin und her schieben.

Nicht selten hört man dabei, wenn der Zersetzungs­

prozeß rasch vorangeschrittcn ist, ein eigenthümliches Knistern, was zunächst durch das Verdrängen des im Zwischenzellgewebe

sich immer mehr entwickelnden GaseS veranlaßt wird. Gleichzeitig hiermit tritt auch eine größere Rundung und Fülle in den äuße­

ren Formen des Körpers hervor, welche anfangs noch den Ein­

druck des Fingers erkennm läßt, nach und nach aber zu einer wahrhaft monströsen Auftreibung der Haut führen kann.

Bei

auffallend rasch eintretendem Zersetzungsprozeß pflegen die Leichen, wie schon oben bemerkt wurde, nicht selten wieder warm zu werden, und oft schon geht diese Wärme- und Gasentwicklung vor sich, ehe die Leichenstarre in den Muskeln vollständig nach­

gelassen hat, z. B. bei den Leichen von Personen, die im Wochen­ bett gestorben sind.

34 17.

Leichengeruch.

Er ist ebenfalls eine Folge der beginnenden Zersetzung und hat anfangs einige Aehnlichkeit mit dem Geruch von Flüssigkeiten, bei denen einige Gährung stat'findet, wird aber später immer in­

tensiver faulig.

Als Merkmal des Todes besitzt der sogenannte

Leichcngeruch nur einen untergeordneten Werth, da er durch die

Zersetzung der Bestände, die bei Krankheiten ausgeschieden wer­ den, ebenfalls zu entstehen vermag.

So giebt Creve an, daß

er an einem Faulfieber darnieder gelegen, und vor dessen günsti­

ger Entscheidung einen solchen Leichengeruch entwickelt habe, daß die Umgebung es kaum hätte ertragen können, und er selbst in seiner Rekonvalescenz noch sehr davon belästigt worden sei. Auch

Haller bemerkt, daß dieser Geruch im Leben schon deutlich vor­

handen sein könne, und kranke Personen aus demselben nicht sel­ ten auf ihren nahen Tod geschloffen hätten.

18

Ein Grünlichwerden der Haut, besonders der Bauchdecken.

Als eins der sichersten Zeichen des «'«getretenen Todes pflegt man .die grünliche Färbung der Bauchdecken zu bezeichnen, welche

in der Regel von der Leistengegend beginnend, über den Bauch, die Brust und den Hals fortschreitet.

Nach Deschamps soll

sie der eigentlichen Fäulniß vorausgehen, und nie eintreten, so lange der Leichnam noch natürliche Wärme besitzt.

Man be­

hauptet, daß sie der Einwirkung von sich entwickelndem Schwefel­

wasserstoff auf den Blutfarbestoff ihr Entstehen verdanke, und in­ sofern ein deutlich

erkennbares Zeichen sei von dem überhand­

nehmenden Chemismus in dm organischen Geweben. —

Nach

Devergie soll bei den Leichen Ertrunkener die grünliche Fär­

bung der Haut zuerst von der Brust aus beginnen, unb von da auf Hals und Brust fortschreiten. —

Zm Gefolge dessen, daß

der Körper den Gesetzen des Chemismus ausschließlich »erfaßen ist, treten überhaupt eigenthümliche Färbungen und Farbenwechsel

sowohl in der äußeren Haut, namentlich auffallend längs des

35 Verlaufs der Hautvenen, als auch in den inneren Theilen ein, die ft nach den Medien, in welchen sich die Leichen befinden, und

ft nach sonstigen Einwirkungen, die auf die Leichen stattfanden, etwas verschieden sind,

hier aber als $u weit vom Gegenstände

abführend nicht näher erörtert werden können. Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, daß sich die bräun­

lichen Hautflecken, welche man mitunter in der Schwangerschaft an dem Unterleibe wahrnimmt, und die auch nach dem Tode noch sichtbar -leiben, wesentlich von der Oben angeführten grün­

lichen Färbung der Bauchdecken bei Leichen unterscheiden, so daß

eine Verwechslung wohl nicht leicht denkbar ist.

19.

Innere Währung.

Schreitet der Zustand der Zersetzung rascher voran, so hört man nicht selten bei Bewegungen, die mit der Leiche vorgenom­

men werden, ein eigenthümliches Zählendes, brausendes Geräusch

im Inneren derselben, was zunächst von den sich zersetzenden Contentis im Magen und Darmkanal herrührt.

ammoniakalische oder

Jenachdem eine

saure Gährung im Inneren stattfindet,

wollte Hermbstädt dieses aus den sich entwickelnden Dämpfen erkennen, wenn man einen mit Essig oder Aetzammoniakflüssigkeit

bestrichenen Holzstab dem Körper nähere, und daraus auf wirk­

lich vorhandenen Tod schließen; allein mit Recht läßt sich ein­ wenden, daß dieses Verfahren nicht im Stande ist, etwa bestehende Zweifel zu heben, da bei verschiedenen Krankheiten, namentlich aber in Übeln Geschwüren schon während des Lebens sich ein

ähnlicher Gährungöprozeß entwickeln, und obige Reaction ver­

anlassen kann. —

In Gefolge der inneren Gährung tritt nicht

selten Schaum vor Mund und Nase, oder es erfolgt ein wahrer Ausfluß übelriechender Flüssigkeit aus diesen Oeffnungen. Solche Erscheinungen freilich lösen alle Zweifel, und rasch Pflegt, wenn

sie auftreten, die Fäulniß überhand zu nehmen.

36 Ein Ueberblick über die verschiedenen hier angegebenen Merk­

male des Todes beim Menschen, welche vielleicht noch vermehrt

werden könnten, beweist hinlänglich, daß es uns an zuverlässigen

Zeichen nicht fehlt, um den eingetretenen Tod sicher und bestimmt

Nach dem fetzigen Stande des ärztlichen Wis­

zu diagnosticiren.

sens dürste es daher dem kundigen Techniker nicht schwer fallen, auch selbst vor dem Eintreten der Merkmale unverkennbarer Ver­ wesung einen ebenso sicheren Schluß thun zu können.

Die viel­

fach, selbst in neuerer Zeit hin und wieder ausgesprochene Be-

sorgniß, als ob Beerdigung noch lebender Menschen doch nicht so selten stattfände, scheint mir sonach übertrieben, und dürfte in

denjenigen Ländern, in welchen eine Beerdigung an die Aus­ stellung

eines ärztlichen Zeugnisses gesetzlich gebunden ist, am

wenigsten gegründet sein; grobe Fahrlässigkeit kann fteilich bei

den

besten Gesetzen

überall vorkommen. —

Keineswegs aber

möchte ich, daß man mir die Absicht unterschiebe, der Errichtung von Leichenhäusern Beruhigung,

entgegen zu

sein, denn abgesehen von der

welche sie Lebenden gewähren, denen die Furcht

lebendig begraben zu werden beständig wie ein Gespenst vor­ schwebt , haben sie, namentlich in größeren Städten, in gesund-

heitöpolizeilicher

Werth. —

Hinsicht

allein

schon

einen

unberechenbaren

Streitsache. 1.

Nasse's Thanawmeter ist bis jetzt das einzige Mittel,

den Mangel des Respirationsprozesses nachzuweisen. 2.

Die Behandlung des Trippers

im zweiten Stadium

mit Höllenstein-Einsprißungeu ist verwerflich. 3.

Das erste Stadium im Abdominaltyphus scheidet sich scharf von dem zweiten.

4.

Catarrh läßt sich von anderen Schleimhautentzündungen

nicht unterscheiden. 5.

Aetzmittel bei Verbrennungen anzuwenden ist verwerflich.

6.

Das Versehen der Schwangeren ist nicht zu leugnen.

7.

Eine Selbstverbrennung des menschlichen Organismus ist nicht anzunehmen.