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German Pages 383 Year 2013
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Band 58
Die Liberalisierung von Gesundheitsdienstleistungen nach dem Weltdienstleistungshandelsabkommen GATS Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem
Von
Juliane Hernekamp
Duncker & Humblot · Berlin
JULIANE HERNEKAMP
Die Liberalisierung von Gesundheitsdienstleistungen nach dem Weltdienstleistungshandelsabkommen GATS
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Armin Hatje, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen †, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter
Band 58
Die Liberalisierung von Gesundheitsdienstleistungen nach dem Weltdienstleistungshandelsabkommen GATS Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem
Von
Juliane Hernekamp
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2011 als Dissertation angenommen.
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© 2013 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
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« […] l’état doit à tous les citoyens une subsistance assurée, la nourriture, un vêtement convenable, et un genre de vie qui ne soit point contraire à la santé ». Montesquieu, De l’esprit des lois, Quatrième Partie : Livre XXIII, Chapitre XXIX. Des hôpitaux
Vorwort Die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2011/2012 als Dissertation angenommen. Viele haben dazu beigetragen, dass sie entstehen konnte. Zunächst möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Stefan Oeter, für die Betreuung der Arbeit und die Gelegenheit zur Mitarbeit an dem von ihm und Herrn Prof. Dr. Meinhard Hilf herausgegebenen Lehrbuch zum WTO-Recht danken, die wesentliche Impulse zur Themenfindung dieser Arbeit gegeben hat. Herrn Prof. Dr. Thomas Bruha danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens, dem Verlag und den Herausgebern für die Aufnahme in diese Schriftenreihe. Der Hans-Neuffer-Stiftung danke ich für die finanzielle Unterstützung der Drucklegung. Darüber hinaus möchte ich an alle, die mich während dieser Zeit begleitet haben, meinen Dank richten. Besonders gilt dies für meine Kolleginnen und Kollegen im Bundesministerium für Gesundheit. Ohne ihre Unterstützung wäre das Gelingen dieser Arbeit um ein Vielfaches schwieriger gewesen. Auch verdanke ich Herrn Prof. Borgetto und seinen Kolleginnen und Kollegen sowie dem Jahrgang 2006/2007 des Masterstudienganges Droit Sanitaire et Sociale der Universität Panthéon-Assas (Paris II) wertvolle Impulse für diese Arbeit. Ganz besonders dankbar bin ich meiner Familie und Dr. Nicolas Gauß für den motivierenden Zuspruch und die unermüdliche Geduld, mit der sie es möglich gemacht haben, dass ich diese Arbeit fertigstellen konnte. Die Arbeit befindet sich auf dem Stand von Oktober 2012. Sie ist zu weiten Teilen neben meiner Tätigkeit im Bundesministerium für Gesundheit entstanden und gibt ausschließlich meine persönliche Beurteilung wieder und nicht den Standpunkt des Ministeriums. Brüssel, im Oktober 2012
Juliane Hernekamp
Inhaltsverzeichnis Einführung: Perspektiven internationaler Marktöffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Marktöffnung bottom up . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Marktöffnung top down . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 III. Weltdienstleistungshandelsrecht als multilateraler Rahmen für Reformen der GKV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Teil 1 Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
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A. Begriffsvielfalt im Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 B. Begriffsbestimmung im EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Gesundheitsdienstleistungen im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Gesundheitsbezogene Sektoren der SSC-Liste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 a) Wellness-Leistungen und Schönheitsoperationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Rehabilitations- und Pflegeleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Ambulante und Krankenhausdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 II. Die vier Modi der Dienstleistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Modus 1: E-health . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Modus 2: Patientenmobilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 3. Modus 3: Niederlassung und Direktinvestitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4. Modus 4: Arbeitsmigration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
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Inhaltsverzeichnis 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 III. Würdigung des Ansatzes im GATS und im EU-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
D. Ergebnis zu Teil 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Teil 2 GATS-handelsrelevante Regulierung von Gesundheitsdienstleistungen
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A. Regulierungsbegriff und verwandte Konzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 I. Regulierungsbegriff: US- und europäischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 II. Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. De- und Reregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 IV. Privatisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 B. Regulierungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 I. Ökonomische Motivation: Marktfehler und Marktversagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Fehlender „Marktpreis“ der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 b) Lokaler, regionaler Versorgungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 c) Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) Angebotsinduzierte Nachfrage, geringe Preiselastizität . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 e) Externalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 f) Moral hazard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 g) Adverse Selektion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 h) Optionsgutcharakter von Gesundheitsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 i) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Sozialpolitische Motivation: Recht auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Der Begriff: Recht auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2. Kodifikation des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 3. Schutzbereich des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Umfang des Anspruchs auf ärztliche Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
Inhaltsverzeichnis
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b) Zugang zu medizinischen Einrichtungen u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 c) Qualität der Gesundheitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Zentrale Gewährleistungsgehalte des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . 94 a) Solidarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 b) Prinzip der Versicherungspflicht und Pflichtversicherung . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Allgemeine Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung . . . . . . . . . . . . . . . . 99 d) Präventiver Gesundheitsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 e) Gesundheitliche Eigenverantwortung und Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . 102 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5. Beschränkung und Verletzung des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 a) Nachhaltige Finanzierung und Organisation der Gesundheitssysteme . . . . . 106 b) Gleichberechtigter Zugang zu hochwertigen Einrichtungen u. a. . . . . . . . . . 106 6. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 C. Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 I. Überblick: Entwicklung westlicher Gesundheitssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 1. Ursprünge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Grundtypen moderner Gesundheitssysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 II. Organisationsstruktur des deutschen Gesundheitssystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Organisationsstruktur und Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Selbstverwaltungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 d) Weitere zentrale Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Grundlegende Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 D. Ergebnis zu Teil 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
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Inhaltsverzeichnis Teil 3 Anwendung und Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
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A. Auslegung des GATS im internationalen Mehrebenensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Flexibilität des GATS und Souveränität der WTO-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Völkervertrags- und völkergewohnheitsrechtliche Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Auslegung im Lichte der Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Menschenrechtliche Dimension der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Bindung der WTO an nationale Menschen- und Grundrechte . . . . . . . . . . . 133 b) Bindung der WTO an internationale Menschen- und Grundrechte . . . . . . . . 135 2. Auslegung im Lichte des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 B. Anwendungsbereich des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Maßnahmen der Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Institutionelle Dimension des Maßnahmenbegriffs des GATS . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Formelle Dimension des Maßnahmebegriffs des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 II. Handelsbeeinträchtigung durch die Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 1. „Handel mit Dienstleistungen“ im Sinne des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. „Beeinträchtigung“ im Sinne des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 III. Ausnahme vom Anwendungsbereich des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 1. In Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Hintergrund der Diskussion um GATS und die Daseinsvorsorge . . . . . . . . . 148 b) Verhältnis von Art. I Abs. 3 b) zu c) GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Tatbestandsmerkmale der Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 aa) Kommerzialität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (1) Objektives Kriterium: Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (2) Subjektive Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis
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(3) Verobjektivierte Gewinnerzielungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (4) Grundsätze des EU-Vergaberechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (5) Diskriminierungsfreie Staatenpraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (6) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 bb) Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 (1) Markt(ähnliche) Situation oder Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) Substituierbarkeit aus Endverbrauchersicht und Anbieterwettbewerb 160 (a) Wettbewerb um Versorgungsverträge und „GKV-Zulassung“ . . 162 (b) Wettbewerb der Leistungsanbieter um Patienten . . . . . . . . . . . . . 164 (c) Wettbewerb zwischen den Versorgungsbereichen „ambulant“ und „stationär“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 (d) Wettbewerb im Bereich von Wellness- und Schönheitsleistungen 166 (e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (3) Rückgriff auf die Grundsätze des EU-Vergaberechts . . . . . . . . . . . . 166 (4) Konzept des one way-Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (5) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 cc) Hoheitlicher Bezug der Dienstleistungserbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 dd) Sonstige Anhaltspunkte für die Auslegung der Bereichsausnahme . . . . 170 (1) Die Anlage zu Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (2) Daseinsvorbehalte in Verpflichtungslisten verschiedener WTO-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (3) Referenzpapier zu Regulierungsprinzipien im Bereich der Basistelekommunikationsdienste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 ee) Beweislastverteilung unter Art. I Abs. 3 b), c) GATS . . . . . . . . . . . . . . . 173 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 d) Zwischenergebnis zur Reichweite der Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Lex specialis Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Anwendungsbereich der Anlage zu Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . 179 b) Tätigkeiten i.R. eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit . . . . . . . . . . 181 c) Rückausnahme: Erbringung der Tätigkeit im Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . 182 aa) Anwendung des funktionalen Unternehmensbegriffs des EuGH . . . . . . 184 bb) Krankheitsvollversicherung gesetzlich Pflichtversicherter . . . . . . . . . . . 187 cc) Wahltarife . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 dd) Private Zusatzversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 ee) Freiwillige Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse . . . . . . . 194
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Inhaltsverzeichnis ff) Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit der Rückausnahme . . . . . . . . . . . 194 d) Zwischenergebnis zur Reichweite der Bereichsausnahme . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Partielle Bereichsausnahme i.R. öffentlicher Beschaffungsvorgänge . . . . . . . . 195 IV. Ergebnis zum Anwendungsbereich des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung . . . . . . . . . . . . . . 197 I. Allgemeine Pflichten und Disziplinen des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Allgemeine verfahrensrechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a) Veröffentlichungs-, Auskunfts- und Unterrichtungspflichten u. a. . . . . . . . . . 203 b) Verhandlungs- und Konsultationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Allgemeine materiell-rechtliche Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 a) Meistbegünstigungsprinzip gem. Art. II GATS und Ausnahmen . . . . . . . . . 211 aa) Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsprinzips . . . . . . . . . . . . . . 212 bb) Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip mit Gesundheitsbezug . . . 215 (1) Ausnahme gem. Art. II Abs. 2 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 (2) Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Art. VII Abs. 1 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 (3) Horizontale Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip im Gesundheitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 b) Nichtdiskriminierende Ausgestaltung der Anerkennungsverfahren von Qualifikationsnachweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 c) Monopolkontrolle, Art. VIII Abs. 1, 5 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 aa) Begriff: Monopole u. a. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 bb) Umfang der Missbrauchsaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 d) Einrichtungen von Kontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 II. Die spezifischen Verpflichtungen der nationalen Listen (schedules) . . . . . . . . . . . 230 1. Spezifische Verpflichtungen: Marktzugang, Inländerbehandlung u. a. . . . . . . . 231 a) Marktöffnungsverpflichtungen im Gesundheitsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 aa) Modus 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234
Inhaltsverzeichnis
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bb) Modus 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 cc) Modus 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 dd) Modus 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Deutscher Marktöffnungsstand im Gesundheitswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 aa) Horizontale Verpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 bb) Marktzugangsverpflichtung, Art. XVI GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (1) Reichweite des Art. XVI GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (2) Beispiele für listungspflichtige Marktzugangsbeschränkungen . . . . 248 (3) Stand deutscher Marktzugangsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (a) Sektor 1.A.h . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (b) Sektor 1.A.j . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (c) Sektor 1.A.k . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (d) Sektor 1.F.k) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (e) Sektor 7.A.a . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (f) Sektor 8.A. und B. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 (g) Sektor 8.C.D. und 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (h) Sektor 12 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (4) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Krankenhausplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (b) Bedarfsplanung für Vertragsärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (c) Genehmigungserfordernis von Drittstaatsbehandlungen . . . . . . . 261 (d) Grenzverschiebung zwischen GKV und PKV . . . . . . . . . . . . . . . 263 (e) Sonstige Regulierungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 cc) Grundsatz der Inländerbehandlung, Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . . 265 (1) Stand deutscher Inländerbehandlungsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . 269 (2) Anlage zu Telekommunikationsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . 273 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 dd) Zusätzliche Verpflichtungen nach Art. XVIII GATS . . . . . . . . . . . . . . . 276 ee) Sog. Vorverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 ff) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 2. Annexpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 a) Materiellrechtliche Annexpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 aa) Grenzen innerstaatlicher Regulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 (1) Beschränkung nationaler Regulierung nach Art. VI Abs. 4 GATS . . 282 (a) Reichweite evtl. zukünftiger Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282
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Inhaltsverzeichnis (b) Umfang des Kriterienkatalogs in Art. VI Abs. 4 GATS . . . . . . . 283 (c) Qualitätszielbestimmung i.R. der Erforderlichkeitsprüfung . . . . 284 (d) Anforderungen an eine „mildere“ Alternativmaßnahme . . . . . . . 287 (2) Nationale Regulierung nach Art. VI Abs. 5 GATS . . . . . . . . . . . . . . 291 (a) Temporäre Verpflichtungen nach Abs. 5 a) GATS . . . . . . . . . . . 291 (b) Berücksichtigung internationaler Standards . . . . . . . . . . . . . . . . 293 (3) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 bb) Monopolkontrolle nach Art. VIII GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 (1) Kontrolle bestehender Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (2) Kontrolle der Errichtung neuer Monopole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (3) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 cc) Zahlungen und Übertragungen im Rahmen laufender Geschäfte . . . . . . 300 dd) Bewertung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 b) Verfahrensrechtliche Annexpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 aa) Qualifikationskontrollverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 bb) Transparente Verfahrensgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 cc) Unterrichtungs- und andere Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 dd) Zusammenfassung zu den verfahrensrechtlichen Annexpflichten . . . . . 307 c) Zwischenergebnis zu den spezifischen Annexpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 III. Ausnahmen von den GATS-Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 1. Allgemeine Ausnahmen aus Gesundheitsschutzgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 b) Einhaltung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 c) Öffentliche Moral, öffentliche Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 d) Chapeau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 2. Sonstige allgemeine Ausnahmen mit Gesundheitsrelevanz . . . . . . . . . . . . . . . . 313 3. Würdigung und Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 IV. Built-in agenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 1. GATS 2000 und Gesundheitsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 2. Änderung der Verpflichtungslisten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 V. Institutioneller Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
Inhaltsverzeichnis
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VI. Ergebnis zu Teil 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 D. Würdigung der Ergebnisse im Lichte des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Thesen und Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 Anhang 1: Erbringungsformen von Gesundheitsdienstleistungen nach Art. 57 AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen . . . 337 Anhang 3: Gesundheitsdienstleistungen nach den vier Erbringungsmodi . . . . . . . . . 344 Anhang 4: Listenauszug – Stand der deutschen Marktzugangsverpflichtungen . . . . 345 Anhang 5: Listenauszug – Stand der deutschen Verpflichtungen zur Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379
Tabellen-, Abbildungs- und Anhangsverzeichnis Tabelle 1: Versorgungsdefizite und Marktöffnungspotential. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Tabelle 2: Merkmale von „Gesundheitsdienstleistungen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 Tabelle 3: Formen der Privatisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 Tabelle 4: Kodifikationen und Gewährleistungsgehalte des Rechts auf Gesundheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 Tabelle 5: Schutzbereichsausprägungen: Gesundheitsvorsorge und –versorgung . . . . . . . . . . 91 Tabelle 6: Sonderregelungen mit Relevanz für Gesundheitsdienstleistungen . . . . . . . . . . 199 Abbildung 1: Schutzbereichsabgrenzung: Recht auf Gesundheit – Recht auf soziale Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 Abbildung 2: Einwirkungsmöglichkeiten der Menschenrechte auf das WTO-Rechtssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Anhang 1: Erbringungsformen von Gesundheitsdienstleistungen nach Art. 57 AEUV. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen . . . . . . . . 337 Anhang 3: Gesundheitsdienstleistungen nach den vier Erbringungsmodi . . . . . . . . . . . . . . 344 Anhang 4: Listenauszug – Stand der deutschen Marktzugangsverpflichtungen . . . . . . . . . 345 Anhang 5: Listenauszug – Stand der deutschen Verpflichtungen zur Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. AB Abs. AEMR AEUV AJIL Am. Int’l.L.Rev. AOK BÄO BB Bd. BGBl. BMG BMZ BPflVO BSG Bull. W.H.O. CTS DAWI DIW DÖV DRG DStR EAS EBM EC ECOSOC EG EGV EHIC EJIL ELJ EOSS (rev.) ESC (rev.) EU EuGH Eu-GRC EuGRZ
anderer Ansicht am angegebenen Ort Appellate Body Absatz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union American Journal of International Law American International Law Review Allgemeine Ortskrankenkasse Bundesärzteordnung Der Betriebs-Berater Band Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Gesundheit Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bundespflegesatzverordnung Bundessozialgericht Bulletin of the World Health Organization Council for Trade in Services Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse Deutsches Institut für Wirtschaft Die Öffentliche Verwaltung Diagnosis Related Group Deutsches Steuerrecht Europäisches Arbeits- und Sozialrecht Einheitlicher Bewertungsmaßstab European Community (United Nations) Economic and Social Council Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft European Health Insurance Card European Journal of International Law European Law Journal Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit (in revidierter Fassung v. 6. 11. 1990) Europäische Sozialcharta (in revidierter Fassung v. 3. 5. 1996) Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Union Europäische Charta der Grundrechte Europäische Grundrechte-Zeitschrift
20 EuR EUV EuZW EWG GA GATS GATT G-BA GesR GG GGW GKV GNS GOÄ GSP HAWE HRQ HWWI IAO/ILO INWISO IPwskR IRSS JIEL JWT JWTL KBV KHEntgG KHG KommJur KrV KV MVZ NAFTA NJW NVwZ NZS OECD OHCHR PKV RWI s. SPS-Übereinkommen
Abkürzungsverzeichnis
Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Generalanwalt General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade Gemeinsamer Bundesausschuss Zeitschrift für Gesundheitsrecht Grundgesetz Gesundheit und Gesellschaft/Wissenschaft Gesetzliche Krankenversicherung Group of Negotiations of Services Gebührenordnung für Ärzte Gesundheitspolitik Health Affairs Web Exclusive Human Rights Quarterly Hamburgisches Weltwirtschaftsinstitut Internationale Arbeitsorganisation/International Labour Organisation Institut für empirische Wirtschafts- und Sozialforschung Internationaler Pakt für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte Internationale Revue für Soziale Sicherheit Journal of International Economic Law Journal of World Trade Journal of World Trade Law Kassenärztliche Bundesvereinigung Krankenhausentgeltgesetz Krankenhausfinanzierungsgesetz Kommunaljurist Die Krankenversicherung Kassenärztliche Vereinigung Medizinisches Versorgungszentrum North American Free Trade Agreement Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Sozialrecht Organisation for Economic Cooperation and Development Office of the High Commissioner for Human Rights Private Krankenversicherung Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung siehe Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen TBT-Übereinkommen Übereinkommen über technische Handelshemmnisse TK Techniker Krankenkasse TNC Trade Negotiations Committee u. a. und andere(s) UNHCHR United Nations High Commissioner for Human Rights
Abkürzungsverzeichnis UNSD v. vgl. VN VRÜ WHO WTO WVRK ZESAR ZEuS ZIAS ZRS ZVersWiss
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United Nations Statistics Division versus vergleiche Vereinte Nationen Verfassung und Recht in Übersee World Health Organisation World Trade Organisation Wiener Vertragsrechtskonvention Zeitschrift für Europäisches Sozial- und Arbeitsrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für internationales und ausländisches Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Sozialreform Zeitschrift für die Gesamte Versicherungswissenschaft
Einführung: Perspektiven internationaler Marktöffnung Anders als in der medizinischen Forschung, die bereits seit langer Zeit die Synergieeffekte internationaler Zusammenarbeit im Interesse der Patienten angesichts grenzüberschreitender Krankheiten nutzt, vollzieht sich die Gesundheitsversorgung nach wie vor vorrangig innerhalb nationalstaatlicher Grenzen. Dem zentrifugalen Ansatz in der Forschung scheint in der Gesundheitsversorgung insoweit eine beinahe zentripetale Ausrichtung gegenüber zu stehen. Unionsrechtliche oder gar welthandelsrechtliche Perspektiven im Gesundheitswesen werden vielfach immer noch eher gefürchtet denn begrüßt. Diskussionen münden hier schnell in die allgemeine Globalisierungsdebatte um den „Ausverkauf öffentlicher Dienstleistungen“, da das GATS den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffne, sich über Privatisierungsprozesse „der Verantwortung zur Daseinsvorsorge zu entziehen“.1 Einer (Grenz-)Öffnung wird entgegen gehalten, sie verstärke den „Globalisierungsdruck“ auf den Umfang des Leistungsangebots der Daseinsvorsorge.2 Infolge vielfacher Privatisierung komme dann nur noch derjenige in den Genuss hochwertiger Gesundheitsversorgung, der sie sich leisten könne. Dies sei unvereinbar mit dem viele Gesundheitssysteme prägenden Solidaritätsprinzip, das seine gemeinwohlorientierte und integrationsfördernde Wirkung bereits auf EUEbene nur schwer und auf multilateraler Ebene gar nicht entfalten könne. Bemüht wird an dieser Stelle oft die rein handelsrechtliche Zwecksetzung der WTO. Denn im Gegensatz zum Binnenmarkt – der als primär wirtschaftliche Integration gestartet ist, inzwischen aber auch eine sozialpolitische und grundrechtliche Dimension erhalten hat –, ist das Welthandelsregime der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation (World Trade Organisation – WTO)3 und sein Dienstleistungsregime (General Agreement of Trade in Services – GATS)4 eine reine Handelsorganisation. Mit der Globalisierung der Gesundheitsmärkte drohe mithin angesichts vorrangiger Handelsinteressen der „Ausverkauf der Gesundheitsdienstleistungen“ durch Sozial- und Lohndumping von ausländischen Leistungsanbietern. Massive Qualitätseinbrüche, Verdrängungswettbewerbe und die Unterschreitung arbeitsrechtlicher Standards seien ebenso zu befürchten wie eine Zwei-Klassen-Medizin mit eingeschränktem Zugang zur medizinischen Versorgung benachteiligter Bevölkerungsgruppen. 1
Koivusalo, S. 441; Attac, Positionspapier v. 30. Februar 2002; siehe auch Sklair, S. 5 ff. Cornia, S. 9 ff. 3 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation vom 15. April 1994, BGBl. 1994 II S. 1625; ABl. 1994 L 336/3, in Kraft getreten am 1. Januar 1995. 4 Übereinkommen vom 15. April 1994, BGBl. 1994 II S. 1643, ABl. 1994 L 336/190. 2
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Einführung: Perspektiven internationaler Marktöffnung
Die Gegenstimmen betonen vor allem die wirtschaftlichen „Synergieeffekte“, die eine inhaltlich eng an die Binnenmarktstrategie geknüpfte Verhandlung des GATS mit sich brächten5 – nicht zuletzt in Gestalt von niedrigeren Verbraucherpreisen und einer größeren Bandbreite von Angeboten.6 „Eine entschiedene, ökologische und soziale Aspekte berücksichtigende Marktöffnungspolitik“ könne einen entscheidenden Beitrag zur „nachhaltigen weltwirtschaftlichen Entwicklung“7 und zur Bekämpfung von Armut und Verbesserung der Gesundheitsversorgung8 leisten. Die fortlaufenden Gesundheitsreformdiskussionen um eine nachhaltige Finanzierung, effiziente Ressourcenallokation und gerechte Redistribution innerhalb des deutschen Gesundheitssystems streifen zunehmend auch die EU-weite grenzüberschreitende Perspektive, insbesondere der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit für Patienten und Angehörige der Gesundheitsberufe sowie EU-wettbewerbsrechtliche Implikationen. Bei der weltdienstleistungshandelsrechtlichen Dimension steht man hier allerdings erst am Anfang. Der Handel mit Gesundheitsdienstleistungen nimmt weltweit, aber auch EU-weit im Vergleich zu den übrigen Sektoren tatsächlich nur einen verschwindend geringen Anteil ein.9 Dabei kann neben dem Unionsrecht auch dem Welthandelsrecht grundsätzlich rechtliche Bedeutung bei der Ausgestaltung des Gesundheitssystems zukommen.10 Einerseits können multilaterale Liberalisierungsverpflichtungen nationalen Reformen gewisse Grenzen setzen, wenn etwa dem Marktwettbewerb bereits geöffnete Bereiche wieder „verstaatlicht“ werden sollen. Diese Problematik stellt sich beispielsweise, wenn der Leistungsbereich der GKV in den Geschäftsbereich der PKV ausgeweitet wird, beispielsweise in Gestalt einer dreijährigen Wartefrist für einen Wechsel in die PKV.11 Andererseits gibt das nationale Recht – und ggf. die Binnenmarktharmonisierung – den Inhalt der multilateralen Liberalisierungsverpflichtungen entscheidend vor. Denn die Mitgliedstaaten tragen souverän in die dem GATS angehängten Verpflichtungslisten nicht nur die Dienstleistungssektoren und Erbringungsmodi ein, die beispielsweise aus versor5
Rat der Europäischen Union, Punkt 8, S. 10. WTO, Health and Social Services, S. 1 ff. 7 Bundesregierung, Punkt 7; diese Chancen aber auch Risiken betonend WHO/WTO, Rn. 27 ff.; für eine offensivere Handelspolitik der Industriestaaten in Entwicklungsländern im Gesundheitsbereich, Mutchnick/Stern/Moyer, S. 42 ff. 8 Dollar, S. 827 ff.; den Diskussionsstand zu den Auswirkungen für Entwicklungsländer im Bereich sozialer Dienstleistungen zusammenfassend, Kulkarni, S. 247 ff. 9 Die EU-Kommission schätzt den im Binnenmarkt auf die grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung entfallenden Anteil an den Gesamtausgaben der Mitgliedstaaten für Gesundheit auf ca. 1 %, siehe Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Community action on health services, S. 8. In WHO und WTO schätzt man den Anteil, der weltweit auf gesundheitsbezogene Reisen – d. h. Reisen zum Zwecke einer Gesundheitsbehandlung – entfallenden Kosten an dem weltweiten Gesamtumsatz für Reisen auf ca. 1,3 %, siehe Karsenty, S. 1 ff. 10 Teilweise wird die WTO sogar als einer der größten internationalen Einflussfaktoren auf die Gesundheit gesehen, Sexton, S. 29. 11 Siehe dazu Teil 3 unter C.II.1.b), bb), (4), (d). 6
Einführung: Perspektiven internationaler Marktöffnung
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gungs- oder wirtschaftspolitischen Erwägungen, geöffnet werden sollen, sondern auch die konkreten Voraussetzungen bzw. Vorbehalte der Marktöffnung. Es findet also eine wechselseitige Einflussnahme im internationalen Mehrebenensystem statt. Derartige Liberalisierungsimpulse können nationalstaatlich bottom up angestoßen werden, um Wohlfahrtsgewinne zu generieren oder top down gesetzt werden, d. h. durch unionsrechtliche oder internationale Marktöffnungsverpflichtungen generiert werden.
I. Marktöffnung bottom up Eine nachhaltige Finanzierung stellt in vielen Gesundheitssystemen eine Herausforderung da angesichts einer Reihe von Faktoren, die durchaus auch grenzüberschreitende Lösungsimpulse zulassen: Grundsätzlich stehen steigenden öffentlichen Gesundheitsausgaben12 sinkende Sozialversicherungseinnahmen gegenüber.13 Der Grund für die Ausgabensteigerung wird vor allem der Entwicklung neuer Technologien und Arzneimittel sowie dem durch den demographischen Wandel bedingten kostenträchtigen und steigenden Behandlungsbedarf im Gesundheitswesen zugeschrieben.14 Die Einnahmen der deutschen GKV werden aus laufenden Sozialabgaben und Steuermitteln bestritten, ohne dass grundsätzlich Rücklagen gebildet werden dürfen wie in der PKV, die auf das sog. Kapitaldeckungsprinzip gegründet ist.15 In Ländern, in denen die Beiträge zur Sozialversicherung einkommensabhängig sind und die Zahl abhängiger Beschäftigungsverhältnisse sinkt, wird insofern eine „wachsende Kluft zwischen den medizinischen Möglichkeiten und dem, was in einem System der Zwangsabgaben nachhaltig finanzierbar ist“, ausgemacht.16 12 Die Gesundheitsausgaben pro Kopf, umgerechnet in Kaufkraftparitäten in US-Dollar, lagen in Deutschland 2010 bei 4.338 $, der Durchschnitt der OECD-Länder lag hingegen bei 3.268 $ pro Kopf. Der Anteil öffentlicher Ausgaben lag 2010 bei 76, 8 %, der Gesamtumfang der Ausgaben Deutschlands für Gesundheit wiederum bei 11,6 % des BIP; der OECDDurchschnittswert lag hingegen bei 9,5 %. Zwischen 2000 und 2010 war ein realer Anstieg der Gesundheitsausgaben von 2 % pro Jahr zu verzeichnen, siehe OECD, Gesundheitsdaten 2012; siehe dazu auch RWI, S. 11 ff. Der größte Anteil der Gesundheitskosten entfiel mit ca. 40 % bis 50 % der gesamten Gesundheitsausgaben in den meisten OECD-Staaten auf den Krankenhaussektor, gefolgt vom Arzneimittelmarkt mit einem Kostenanteil von ca. 30 % bis 40 % und weit abgeschlagen schließlich die Kosten ambulanter und paramedizinischer Versorgung, siehe die auf den Daten des Statistischen Bundesamtes von 2008 beruhende Analyse des RWI, S. 11. 13 Henke/Schreyögg, S. 33 f. 14 Schmacke, S. 2 ff. 15 Grundlage ist das Kapitaldeckungsverfahren: Die Leistungen werden aus dem Deckungskapital erbracht, das aus den am Kapitalmarkt angelegten Sparanteilen der Beiträge der Versicherten gebildet wird, siehe näher dazu Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, Lexikon der Wirtschaft; siehe auch Borchardt/Farhauer, Kapitaldeckung, S. 11. 16 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Rn. 2; ebenso AOK-Bundesverband u. a., S. 3.
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Zudem werden Maßnahmen zur Kostendämpfung und Ausgabendeckelung ergriffen, da Deutschland nicht zuletzt auch im Rahmen des Stabilitätspaktes der Wirtschafts- und Währungsunion zur Haushaltsdisziplin verpflichtet ist.17 In der Folge werden Rationierung und Privatisierungstendenzen in der Gesundheitsversorgung diskutiert.18 Allgemein lässt sich feststellen, dass auf Nachfrageseite als besonders kostentreibend folgende Faktoren wirken: Das Ziel, die gesetzlichen Pflichtversicherungen auf Universaldeckungsniveau zu heben; die steigende Zahl älterer Menschen mit dem Bedürfnis nach kostenintensiven Behandlungen; die Entdeckung neuer Krankheiten und die Zunahme chronischer Krankheiten sowie der vielfach fehlende Anreiz kostenbewussten Umgangs mit Gesundheitsdienstleistungen von Patienten angesichts einer von der Finanzierung entkoppelten Leistungsinanspruchnahme.19 Auf Angebotsseite treten beispielsweise Überkapazitäten im stationären Sektor auf oder es kommt zu ineffizienten Mehrfach-Behandlungen. In manchen Staaten werden Behandlungen in Ermangelung der notwendigen Fachkenntnisse teilweise auch gar nicht angeboten.20 Die Eröffnung grenzüberschreitender Versorgungsmöglichkeiten kann auf Angebots- und Nachfrageseite verschiedene Vorteile bieten:
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Zu dem Maastrichter Defizitkriterium und der Finanzierung der deutschen Krankenversicherung, siehe Ruland, S. 219 f.; Urban, S. 52 ff. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt ruht auf den zwei Prinzipien der multilateralen Überwachung der Haushaltspositionen über die Einhaltung der Konvergenzkriterien (Preisniveau- und Wechselkursstabilität, jährliche Nettoneuverschuldung unter 3 % des BIP und langfristige Zinssätze) und dem Verfahren bei einem übermäßigen Haushaltsdefizit, Entschließung des Europäischen Rates über den Stabilitäts- und Wachstumspakt (Amsterdam, 17. Juni 1997), ABl. C 236 v. 2. August 1997; zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise siehe auch die Studien des Centrums für europäische Politik, abrufbar unter http://www.cep.eu/ startseite/, Stand: Oktober 2012. 18 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Rn. 2. Zur finanziellen Deckelung und verfassungsrechtlichen Grenzen Dettling, Grundrechte, S. 97 ff. Zum Begriff der Rationierung siehe Ganjour/Lauterbach, in: Lauterbach/Schrappe (Hrsg.) Gesundheitsökonomie, S. 147; Boldt/Schöllhorn, S. A 99 ff.; Kopetsch, S. 71 ff. 19 Mit Einzelheiten Henke/Schreyögg, S. 35 ff. 20 Übersicht bei WTO, Health and Social Services, Rn. 17 m.w.N.
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Tabelle 1 Versorgungsdefizite und Marktöffnungspotential Bereich
Defizite und Gegenmaßnahmen
Angebotsmarkt
– innerstaatliche Angebotsdefizite können ggf. durch die Öffnung nationaler Märkte und Rückgriff auf grenzüberschreitende Versorgungsangebote ausgeglichen werden; – evtl. Verbesserung der Versorgungsqualität durch grenzüberschreitende Konzepte der Versorgung seltener und schwerer Erkrankungen (Referenznetze); – Skalenerträge können ggf. durch die Ausweitung der Absatzmärkte genutzt werden, um dadurch finanziellen Spielraum zu schaffen.
Nachfragemarkt Auslandsbehandlungen bieten ggf. – finanzielle Einsparungsmöglichkeiten bei der Inanspruchnahme von Leistungen im Rahmen der EU-koordinierungsrechtlichen Sachleistungsaushilfe, die in Deutschland zuzahlungspflichtig wären; – größere Wahlfreiheit (z. B. durch Nutzung evt. neuer Behandlungsverfahren, die in Deutschland nicht angeboten werden bzw. nicht anerkannt sind; Nutzung bestimmter Auslandseinrichtungen, insbesondere für Kuren, mit denen verschiedene Krankenkassen Leistungsverträge abgeschlossen haben).21 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Schaub, S. 115; INWISO, S. 17 ff., 28 ff.
Ein Markt, auf dem Liberalisierungsvorteile grenzüberschreitender Gesundheitsdienstleistungen seit langem genutzt werden, ist vor allem der private Auslandsreisekrankenversicherungsmarkt. In der gesetzlichen Krankenversicherung stehen dem hingegen noch vielfach Hindernisse entgegen. Befürchtet wird vor allem die Gefährdung der finanziellen Stabilität des deutschen Gesundheitssystems sowie einer ausgewogenen, qualitativ hochwertigen Versorgung. Zwischenzeitlich erzwang umfangreiche EuGH-Rechtsprechung zumindest eine EU-weite Durchbrechung des Territorialitätsprinzips der GKV und damit eine Öffnung gegenüber den übrigen EU-Mitgliedstaaten. Von einer bottom up motivierten Marktöffnung ist der deutsche Gesetzgeber hier – ebenso wie viele andere Mitgliedstaaten – allerdings (noch) weit entfernt.22 Für viele Patienten ist die private Auslandsreiseversicherung immer noch alternativlos. In einer Mitgliederbefragung der Techniker Krankenkasse hatten sich immerhin 40 % einer geplanten und 60 % einer akuten oder einer Notfallbehandlung im EU-Ausland unterworfen und die Nachteile der Auslandsbehandlung wie folgt beschrieben: Die Gefahr indirekter Preise der Gesundheitsdienstleistungen in Gestalt eines verbleibenden Eigenanteils im Kostenerstattungsverfahren wegen eventueller Mehrkosten der Krankenkasse durch administrativen Mehraufwand (Übersetzungen etc.) und fehlender Wirtschaftlichkeitsprüfung des ausländischen Dienstleisters; ebenso können sich Probleme stellen bei der Nachbehandlung; auch gibt es Infor21 22
TK, S. 13 ff. Dazu im nachfolgenden Abschnitt „Marktöffnung top down“.
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mationsdefizite, insbesondere bei der Kostenerstattung und der Qualität der ausländischen Behandlung sowie bei der Durchsetzung von Ansprüchen bei Behandlungsfehlern (Haftungsrecht) und der Einlösbarkeit von Rezepten; schließlich ist der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu Ärzten eines anderen Kultur- und Sprachkreises in der Regel schwieriger; auch können Probleme bei der Reisekostenerstattung und besondere Belastungen durch krankheitsbedingte Hilflosigkeit in unbekannter Umgebung und der durch Entfernungen ggf. erschwerten Besuchsmöglichkeiten von Verwandten und anderen nahe stehenden Personen auftreten.23 Um nicht zuletzt die (Mehr-)Kostenbelastungen und den Verwaltungsaufwand zur Abrechnung von Auslandsbehandlungen so gering wie möglich zu halten, schließt gegenwärtig der Großteil der Befragten weiterhin für Auslandsreisen eine private Auslandsreisekrankenversicherung ab. Vor diesem Hintergrund lässt sich schließlich als ein nicht zu unterschätzender bottom up-Einfluss festhalten, dass immer mehr gesetzliche Krankenversicherungen ihren Versicherten die Vermittlung einer weltweiten Auslandsreisekrankenversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen anbieten gem. § 194 Abs. 1a SGB V.24
II. Marktöffnung top down Neben den Ansatz nationalstaatlich motivierter bottom up-Marktöffnung im Gesundheitsbereich treten die top down-Verpflichtungen höherer Ebenen des internationalen Mehrebenensystems. Von zentraler Bedeutung ist hier das Unionsrecht. Neben dem EU-Wettbewerbsrecht der Art. 101 ff. AEUV (ex-Art. 81 ff. EG) sind es vor allem die binnenmarktrechtlichen Verpflichtungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV, ex-Art. 39 EG), der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, ex-Art. 43 EG) und der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV, ex-Art. 49 EG) in Verbindung mit der sekundärrechtlichen Sozialrechtskoordinierung auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 bzw. deren seit 1. Mai 2010 in Kraft getretenen Nachfolgeverordnung (EG) Nr. 883/200425 sowie ihrer Durchführungsverordnungen, die für die Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen im Ausland von besonderer Bedeutung sind. Abgerundet wird der unionsrechtliche 23
TK, S. 13 ff. TK, S. 28. Sofern keine derartige private Versicherung möglich ist, müssen die gesetzlichen Krankenkassen auf Antrag der Versicherten auch selber die Kosten für medizinisch notwendige Drittstaatsbehandlungen entweder über entsprechende Sozialversicherungsabkommen oder gem. § 18 SGB V übernehmen, näher Auktor, in: LPK-SGB V, § 18 Rn. 3 ff. 25 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Text von Bedeutung für den EWR und die Schweiz), ABl. L 166 vom 30. 4. 2004, S. 1 – 123. Die alte Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 gilt jedoch weiterhin in Norwegen, Island, Liechtenstein und der Schweiz, bis die gegenwärtigen Abkommen mit dem EWR und der Schweiz geändert werden. Sie gilt ebenso für Angehörige von Nicht-EU-Ländern, die ihren rechtmäßigen Wohnsitz im Hoheitsgebiet der EU haben, bis ein Abkommen über die Ausdehnung der neuen Vorschriften geschlossen ist. 24
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Rahmen durch die Rechtsprechung des EuGH zur Patientenmobilität26 und der jüngsten Richtlinie über die Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung vom 3. März 2011.27 Sie kodifiziert neben Informations- und Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten vor allem die Judikatur des Gerichtshofes zur Kostenerstattung von Auslandsbehandlungen. Der Patient soll über seine Rechte bei der Inanspruchnahme von Auslandsbehandlungen besser informiert und bei der Wahrnehmung dieser Rechte stärker unterstützt werden.28 So wird zB. das Recht der Patienten klar niedergelegt, Behandlungen, die kein erhöhtes Planungserfordernis aufweisen (d. h. keine Übernachtung im Krankenhaus erforderlich machen und nicht hochspezialisiert oder besonders kostenintensiv sind) im Ausland ohne vorherige Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch nehmen und sich anschließend die Kosten erstatten lassen zu dürfen. Diese EuGH-Grundsätze wurden im Grunde bereits mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 2003 in § 13 Abs. 4 und 5 SGB V integriert.29 Für Drittstaatsbehandlungen gilt eine eingeschränkte Exportierbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen. Nach § 18 SGB V können die gesetzlichen Krankenkassen die für eine Erstattung der ambulanten oder stationären Drittstaatsbehandlungen erforderliche Genehmigung versagen, wenn im Inland eine vergleichbare Behandlung entsprechend zugänglich ist. Neben diesen nunmehr auch sekundärrechtlich verankerten Sachleistungsexport treten die Fälle der sog. Sachleistungsaushilfe nach der EU-Sozialrechtskoordinierung in Gestalt der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Demnach findet das Recht des Behandlungsstaates Anwendung, d. h. der ausländische Patient wird im Behandlungsstaat wie ein Einheimischer versorgt „auf Rechnung“ des heimatlichen Trägers. Gilt im Behandlungsort das Kostenerstattungsprinzip, bezahlt der Patient idR die Kosten vor Ort und lässt sie sich dann von einer Krankenkasse vor Ort erstatten. Diese nimmt dann wiederum grundsätzlich Regress über die sog. Verbindungsstellen der Krankenkasse der betroffenen Mitgliedstaaten beim zuständigen Träger des Versicherungsstaates. Ein weiterer Ausdruck des top down-Einflusses des EU-Rechts auf das deutsche Gesundheitsrecht ist die 2006 im deutschen Recht geschaffene Möglichkeit, in den Kreis der Leistungserbringer der vertragsärztlichen Versorgung auch ausländische 26 Eines der zentralen Ausgangsurteile dieser über mehr als zehnjährigen Rechtsprechung des EuGH ist das Urt. v. 28. April 1998, Rs. C-158/96 – Kohll. Näher zur Patientenmobilitätsrechtsprechung in Teil 1 unter B. 27 RL 2011/24/EU, Amtsblatt L 88 v. 4. April 2011, S. 45 ff. 28 Eingehend dazu die Veranstaltung des BMG „Chancen und Risiken einer EU-Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung“ am 29. September 2008 in Berlin, abrufbar unter http://www.bmg.bund.de/cln_110/ nn_1168252/SharedDocs/Standardartikel/DE/AZ/E/Glossar-Europa/Fachveranstaltung-EURichtlinie-Patientenrechte.html, Stand: Oktober 2012. 29 GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl. I, S. 2190.
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Anbieter zu integrieren über individuelle Vertragsgestaltungen gem. § 140e SGB V.30 Voraussetzung ist, dass in den jeweiligen Ländern die Verordnung EWG Nr. 1408/71 bzw. deren Nachfolgeverordnung 883/2004 gilt (§ 13 Abs. 4 S. 2 SGB V).31 In diesen Verträgen werden dann die Leistungskonditionen und Tarife der grenzüberschreitenden Versorgung festgelegt. Die ausländischen Leistungserbringer werden damit zwar nicht in das inländische kollektivvertragliche Vergütungssystem einbezogen. Allerdings findet auf diese Verträge das Leistungserbringungsrecht der §§ 69 ff. SGB V Anwendung. Der Liberalisierungseinfluss vollzieht sich über diese beispielhaft aufgezeigte Achse des nicht gesundheitsspezifischen hard law der EU32 hinaus auch – allerdings weniger durchschlagkräftig – durch politische gesundheitsspezifische Koordinierungsprozesse. Auf Unionsebene handelt es sich hierbei insbesondere um die sog. offene Methode der Koordinierung (OMK).33 Darüber hinaus geben auch die EUgeförderten grenzüberschreitenden Gesundheitskooperationen vor allem in Gestalt der Euregios wertvolle Impulse. Daneben treten bilaterale Abkommen im Gesundheitsbereich, deren Regelungen beispielsweise im Bereich der Kostenerstattung u. a. auch wieder auf die EU-Sozialrechtskoordinierung bzw. die Grundsätze des EuGH zur Patientenmobilität zurückgreifen.34 Neben die unionsrechtlichen Einwirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem treten an internationalen Einflüssen vor allem das Welthandelsrecht sowie die Internationalen Gesundheitsvorschriften der WHO und verschiedene, den Krankenversicherungsschutz betreffende Regelwerke der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).35 Allein das WTO-Recht verfügt allerdings über rechtlich „durchschlagkräftige“ Liberalisierungsinstrumente (u. a. handelsrechtlich sanktionierbare Marktzugangsbeschränkungen und Diskriminierungsverbote) und einen gerichtsähnlichen Streitbeilegungsmechanismus, das sog. dispute settlement understanding (DSU)36, das auch Zwangsmittel bereithält.37 Das Dienstleistungshandelsabkommen 30
Eingehend dazu Kingreen, Binnenmarkt, S. 507. Gesetz vom 22. Dezember 2006, BGBl. I, S. 3439. 32 Einen umfassenden Überblick über die Einwirkungen des EU-Rechts auf die GKV gibt beispielsweise Auktor, in: LPK-SGB V, Anhang: Europarechtliche Einflüsse auf das Recht der GKV, Rn. 1 ff. 33 Näher zur Einwirkung des unionsrechtlichen soft law auf die Gesundheitssysteme Bodewig/Voss, S. 310 ff.; Lang/Bergfeld, S. 381 ff.; Schreiber, S. 149 ff.; Stein, in: Klusen/ Meusch (Hrsg.), Wettbewerb und Solidarität im europäischen Gesundheitsmarkt, S. 87 ff.; Schulte, S. 15 ff. 34 Siehe beispielsweise das deutsch-französische Rahmenabkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich vom 22. Juli 2005 und dessen Voraussetzungen für Leistung und Kostenerstattung, abrufbar unter http://www.france-allemagne.fr/ Grenzuberschreitende,1287.html, Stand: Oktober 2012; näher dazu Hernekamp, Les retombées du droit communautaire, S. 34 ff. 35 WHO, International Health Regulation, S. 6 ff.; ILO, S. 16 ff., 33 ff. 36 Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten, v. 15. April 1994, BGBl. 1994 II, S. 1749; ABl. 1994 L 336/234. 31
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der WTO, das GATS, weist insoweit durchaus Parallelen zu den oben genannten personenbezogenen Grundfreiheiten auf. Es stellt sich daher die Frage, ob und inwieweit hier, abseits der allgemeinen Aufmerksamkeit, ein multilaterales Pendant zum Binnenmarkt für Gesundheitsdienstleistungen im Entstehen begriffen ist und zukünftig ggf. von dieser Seite ähnlich weitgehende Marktöffnungsimpulse bzw. Zwänge zu erwarten sind.
III. Weltdienstleistungshandelsrecht als multilateraler Rahmen für Reformen der GKV Die Beibehaltung nationaler Steuerungssysteme und die Aufrechterhaltung des Spielraums nationaler Gesundheitsregulierung ist Dreh- und Angelpunkt der Strategien nationaler Marktöffnung im internationalen Mehrebenensystem. Übertragen auf die GKV, stellt sich insoweit die Frage, wie weit der Einfluss des GATS im Gesundheitssektor reicht.38 Die Untersuchung wird im Spannungsfeld der fast gegensätzlich anmutenden Ziele des GATS, wie sie in Erwägungsgrund 3 und 4 der Präambel niedergelegt sind, geführt werden. Nach GATS gilt es einerseits eine weitestmögliche Liberalisierung des Dienstleistungshandels zu erreichen und andererseits die nationale Regulierungssouveränität der Mitglieder anzuerkennen. Fordern nun die Liberalisierungsinstrumente, derer sich das GATS bedient – allen voran der Meistbegünstigungsgrundsatz, die Gewährung von Marktzugang und Inländerbehandlung sowie das Transparenzgebot –, dass das Krankenversicherungsmonopol der GKV aufgelöst oder zumindest eingeschränkt werden muss? Muss Dienstleistungen und Dienstleistern – ob natürliche oder juristische Personen – sowie Dienstleistungsempfängern uneingeschränkte Mobilität auf einem globalisierten Gesundheitsmarkt der WTO-Mitglieder gewährt werden, der in Richtung des bereits stark verrechtlichten und justiziablen Binnenmarktes für Gesundheitsdienstleistungen weist?
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Dazu Weiß, in: Hermann/Weiß/Ohler (Hrsg.),Welthandelsrecht, S. 111 ff. Die Auswirkungen auf den angrenzenden Sozialversicherungszweig der gesetzlichen Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch XI) bzw. Rehabilitationsleistungen (SGB IX) werden in dieser Arbeit nur insoweit behandelt, als es aufgrund des Sachzusammenhangs für die Untersuchung der gesetzlichen Krankenversicherung verständnisfördernd ist. 38
Gang der Untersuchung In Teil 1 werden Begriff und Konzept der Gesundheitsdienstleistung im GATS im Kontext des Unionsrechts entwickelt. Die Dienstleistungsregimes beider Rechtsordnungen sind zwar teilweise sehr verschieden. So nähert sich das GATS dem Begriff der Gesundheitsdienstleistung enumerativ über die volkswirtschaftliche Produkt- und Dienstleistungsklassifikation der Vereinten Nationen: Gesundheitsdienstleistungen werden hier innerhalb des tertiären Sektors in verschiedenen Unterund Kleinstgruppen geführt. Demgegenüber ist der Ansatzpunkt des Binnenmarktrechts die Legaldefinition der Dienstleistung in Art. 57 AEUV. Allerdings finden sich teilweise Überschneidungen bei der Umschreibung der grenzüberschreitenden Erbringungsformen der Dienstleistung. Insoweit überrascht es nicht, dass der Binnenmarkt immer wieder als „Testfall“ für eine weitere multilaterale Integration – nicht nur im Schrifttum – bemüht wird. Beispielsweise enthielt der ursprüngliche Richtlinien-Entwurf Patientenmobilität einen Verweis auf das GATS. In den Erwägungsgründen wurde auf die verschiedenen Dienstleistungserbringungsmodi, die das GATS unterscheidet, verwiesen. Darüber hinaus gibt es in diesem Sekundärrechtsakt bereits Definitionsansätze für den Begriff der „Gesundheitsversorgung“, die mit dem Begriff der „Gesundheitsdienstleistung“ arbeiten. Ein Rückgriff auf diese Begriffsmerkmale und ihre Auslegung ist durchaus hilfreich bei der teilweise nicht einfachen Zuordnung der Gesundheitsdienstleistungen zu den volkswirtschaftlichen Dienstleistungssektoren im GATS. In Teil 2 werden die für das GATS handelsrelevanten Charakteristika der Gesundheitsdienstleistungen herausgearbeitet. Denn Wirkungsweise und Reichweite des GATS hängen von den Besonderheiten des jeweiligen Dienstleistungssektors ab, auf den es Anwendung findet. Insoweit wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit die besonderen Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen grundsätzlich einer Liberalisierung durch das GATS entgegenstehen. Dabei spielen Ansatz und Umfang innerstaatlicher Regulierung eine entscheidende Rolle. Da das GATS der innerstaatlichen Regulierung des Dienstleistungshandels Grenzen setzt, werden die grundlegenden handelsrelevanten Regulierungsziele und -instrumente des deutschen Gesundheitssystems zunächst skizziert. Die zum einen ökonomisch motivierte staatliche Intervention ist bedingt durch etliche Marktfehler, die ohne Einschreiten zu Marktversagen führen würden. Die andererseits sozialpolitische Rechtfertigung staatlicher Regulierung lässt sich auf das Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung von hoher Qualität zu erschwinglichen Preisen zurückführen, das Teil des Schutzbereichs des Rechts auf Gesundheit ist, dessen Kernschutzbereichsverbürgungen im Lichte der wichtigsten internationalen und regionalen Kodifikationen herausgearbeitet werden.
Gang der Untersuchung
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In Teil 3 werden zunächst die für die Auslegung des GATS relevanten Leitlinien und Prinzipien des allgemeinen und besonderen Völkerrechts vorgestellt, denn auch das GATS ist im Zusammenspiel der Regularien des internationalen Mehrebenensystems zu sehen. Insoweit sind die menschen- und grundrechtlichen Gewährleistungsgehalte des Rechts auf Gesundheit zentrale Parameter bei der (Neu-)Vermessung zwischen Wirtschaftsvölkerrecht und Sozialversicherungsrecht. Die menschenrechtliche Dimension der WTO und des GATS und die Auswirkung des GATS auf die staatliche Souveränität seiner Mitglieder legen nahe, das GATS so auszulegen, dass die Mitglieder ihren menschenrechtlichen Gewährungsverpflichtungen nachkommen können. Anschließend wird untersucht, welche Regulierungsinstrumente des GATS in welcher Intensität auf Gesundheitsdienstleistungen des deutschen Gesundheitssystems einwirken. Es wird dargestellt, welche deutschen Regulierungsinstrumente GATS-Relevanz aufweisen, wo ihnen ggf. das GATS Grenzen setzt und wie diese wirtschaftsvölkerrechtlichen Grenzen im Lichte des Rechts auf Gesundheit zu bewerten sind. Die Arbeit schließt ab mit 13 Thesen zu den zentralen GATS-relevanten Regulierungsinstrumenten des deutschen Gesundheitssystems und einer Einschätzung ihres pull- bzw. push-Potentials für eine weitere Dienstleistungsliberalisierung im Welthandelsrecht. Die Arbeit beschränkt sich damit auf eine der zwei Dimensionen von „Handel und Gesundheit“.1 Statt der bereits vieldiskutierten Frage des Schutzes der „Gesundheit durch Handelssanktionen“ angesichts gesundheitsgefährdender Waren – und auch Dienstleistungen – nachzugehen, widmet sich diese Arbeit dem welthandelsrechtlichen Ansatz einer Förderung der „Gesundheit durch Handel“. Es geht also nicht um Gesundheitsbelange, die durch Rekurs auf Handelsbeschränkungen durchgesetzt werden sollen (z. B. Importverbot gefährlicher Produkte bzw. Dienstleistungen), sondern darum, welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, Gesundheitsbelange durch Marktöffnung zu fördern. Dazu werden die Einwirkung des GATS auf Regulierung und Steuerungsmechanismen des deutschen Gesundheitssystems untersucht. Darüber hinaus wird in dieser Arbeit nicht auf die entwicklungspolitische Dimension der Diskussion von „Handel und Gesundheit“ eingegangen. Für Schwellenund Entwicklungsländer steht insoweit vor allem die Frage im Vordergrund, inwieweit die weltweite Liberalisierung die Errichtung eines Systems medizinischer Grundversorgung, die in diesen Ländern vielfach – wenn überhaupt – nur fragmentiert angeboten wird, erleichtert oder gefährdet.2 Schließlich werden grundsätzlich auch Aspekte des Warenhandels und des Schutzes geistigen Eigentums im Gesundheitswesen (insbesondere Patentrechts1
Zu den zwei Dimensionen der Diskussion um Handel und Gesundheit Koivusalo, S. 437. Zur Entwicklungsperspektive der health&trade Diskussion, eingehend beispielsweise Mashayekh/Julsaint/Tuerk, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 17 ff.; Koivusalo, S. 441. 2
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Gang der Untersuchung
fragen der Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Blutprodukte, Organe etc.) ausgeklammert, da sie vorrangig grundsätzlich dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (General Agreement on Tarifs and Trade – GATT) und dem Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Trade-related aspects of intellectual property rights – TRIPS) unterfallen.
Teil 1
Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS Mangels Legaldefinition des Begriffs der Gesundheitsdienstleistung wird im internationalen Mehrebenensystem eine Vielzahl von Begriffen, teils alternativ, teils kumulativ verwendet (A.). Der Begriff der Gesundheitsdienstleistung wird vor allem in dem wirtschaftsrechtlich geprägten Binnenmarktrecht (B.) sowie dem (volks-) wirtschaftlich ausgerichteten Dienstleistungsregime der WTO (C.) genutzt.
A. Begriffsvielfalt im Mehrebenensystem Der Begriff der „Gesundheitsdienstleistung“ wird sowohl im Welthandelsrecht1, im Europäischen Sekundärrecht2, in der EuGH- und nationalen Rechtsprechung3, in der deutschen Verwaltungspraxis4 als auch allgemein im Schrifttum5 verwandt. Mangels Legaldefinition ist die Auslegung entsprechend vielfältig. Diese Vielfalt steigert sich noch durch die Übersetzungen in und aus anderen Sprachen. So wird beispielsweise der englische Begriff health services im deutschen u. a. mit „Gesundheitsdienste“ aber auch mit „Dienstleistungen im Gesundheitswesen“ übersetzt. Für den Begriff health care services wiederum findet man im Deutschen vielfach die 1
WTO, Health and Social Services, Rn. 1 ff. So insbesondere Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg, v. 2. Juli 2008; Erwägungsgrund 23, Art. 2 Abs. 2 f) der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt, ABl. L 376/36 v. 27. Dezember 2006. 3 Vor allem BSG Urt. v. 9. Oktober 2001, B 1 KR 26/99 und 33/00 R, Rn. 14; BSG Urt. v. 4. April 2006, B 1 KR 5/05 R, Rn. 23 und Urt. v. 27. September 2005, B 1 KR 28/03 R, Rn. 26; BVerfG, Urt. v. 20. März 2001, 1 BvR 491/96, Rn. 46; LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 27. September 2002, L 4 KR 5020/00, Rn. 21; SG Hamburg, Urt. v. 18. April 2002, S 32 KR 102/00, Rn. 26; vgl. statt vieler auch EuGH Urt. v. 12. April 2005, Rs. C-145/03 – Keller, Rn. 61 sowie die Schlussanträge des Generalanwalts L.A. Geelhoed v. 15. Dezember 2005, Rs. C-372/ 04 – Watts, Rn. 22. 4 Beispielsweise Gesundheitsministerkonferenz, Beschluss der 79. Gesundheitsministerkonferenz der Länder vom 30. März 2006, TOP 7.1. 5 Ausdrücklich Lindl, S. 65 ff. m.w.N.; Schaub, S. 17 ff.; Hajen, S. 38 ff.; siehe auch Alber, S. 1 ff.; DIW, Gesundheitsdienstleistungen, S. 5 ff.; Hölzer/Demir, Seite A-1504. 2
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Formulierung „Dienste der Gesundheitsfürsorge“.6 Der französische Begriff services de santé wird wiederum mit „Gesundheitsdienste“7 oder „Dienstleistungen im Gesundheitswesen“8 übersetzt und der ebenfalls häufig anzutreffende Begriff soins de santé mit „Gesundheitsversorgung“9 oder „Gesundheitsfürsorge“ bzw. „-pflege“.10 Diese Begriffe sind im Grunde alle weiter als der Terminus der „Gesundheitsdienstleistung“, da sie in der Regel auf das institutionelle Gesamtsystem als Ganzes und nicht nur die „einzelne“ Gesundheitsdienstleistung abzielen. Der Begriff der Gesundheitsdienstleistung selbst bleibt damit zunächst vage. Eine Definition zumindest des Begriffs „Gesundheit“ hat die WHO erarbeitet: „Gesundheit ist der Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur des Freiseins von Krankheit und Gebrechen“.11
Diese Definition ist denkbar weit. Der mit dem Begriff des sozialen Wohlbefindens12 eröffnete weite Anwendungsbereich offenbart den Charakter einer politi-
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Interaktiver Sprachdienst der EU-Kommission IATE, abrufbar unter http://iate.europa.eu/, Stand: Oktober 2012. 7 Gemeint sind hier Gesundheitsdienste im dienstleistungsrechtlichen Sinne, siehe die Schlussanträge des Generalanwalts Antonio Tizzano v. 28. Oktober 2004, Rs. C-172/03 – Heiser, Rn. 44; siehe auch BSG Urt. v. 12. April 2005, B 2 U 8/04 R, Urt. v. Rn. 7; Urt. v. 30. Januar 2003, B 4 RA 16/02 R, Rn. 25; davon zu unterscheiden ist die Verwendung des Begriffs im institutionellen Sinne, z. B. der National Health Service in Großbritannien, dazu EuGH Urt. v. 16. Mai 2006, Rs. C-372/04 – Watts, Rn. 36; Urt. v. 12. April 2005, Rs. C-145/03 – Keller, Rn. 27. 8 So vor allem die Klassifikationssysteme für Güter und Wirtschaftszweige beispielsweise Eurostat, Statistische Güterklassifikation in Verbindung mit den Wirtschaftszweigen, NA 85.11.11 – 16, 85.12.11/12., 85.13.11/12 – Dienstleistungen des Gesundheitswesens; aber auch das BSG beispielsweise in Urt. v. 4. April 2006, B 1 KR 12/05 R, Rn. 7; Urt. v. 14. Dezember 2005, B 6 KA 4/05 R, Rn. 19. 9 Siehe insbesondere Art. 1, 2, 4 (a) – (c) des Kommissionsentwurfs einer Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, KOM (2008) 414 endg. v. 2. Juli 2008. Während die EU-Kommission „Gesundheitsversorgung“ umfassend versteht (S. 5 der Begründung zum Richtlinien-Entwurf) fasst die Bundesärztekammer darunter nur Leistungen der Prävention und Gesundheitsförderung und verwendet im Übrigen den Begriff der „Krankenversorgung“, Bundesärztekammer, Fn. 2. 10 Interaktiver Sprachdienst der EU-Kommission IATE, abrufbar unter http://iate.europa. eu/, Stand: Oktober 2012. 11 So die amtliche deutsche Übersetzung der Definition der Gesundheit in der Präambel der Verfassung der WHO. Die englische Originalfassung lautet: „Health is a state of complete physical, mental and social wellbeing and not merely the absence of disease or infirmity“, Bekanntmachung der Satzung der Weltgesundheitsorganisation v. 22. Januar 1974, BGBl. II 1974, S. 43 ff. Zu den verschiedenen Gesundheitsbegriffen ausführlich Seewald, S. 14 ff., 132 ff.; Jung, S. 2 ff., 93 mit einem Überblick über die Vielzahl nationaler und internationaler Verlautbarungen, die sich mit dem Begriff „Gesundheit“ bzw. „Krankheit“ beschäftigen, S. 57 ff.; Berg, S. 59 ff. 12 Siehe den Diskussionsstand zu Definition und Reichweite des Begriffs „Wohlbefinden“ bei Berg, S. 59 ff.
A. Begriffsvielfalt im Mehrebenensystem
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schen Absichtserklärung.13 Diese Definition rief vielfältige Kritik hervor. Sie sei u. a. utopisch angesichts der realen Lebenssituation der Mehrheit der Menschen. Darüber hinaus sei sie zu statisch, da Gesundheit ein sich verändernder Prozess sei.14 Ungeachtet dieser Kritik ergänzte die WHO ihre Gesundheitsdefinition mit der Ottawa Charta in den 1980iger Jahren weiter um ökologische Gesichtspunkte und das Ziel der Gesundheitsförderung.15 Der EuGH hat diesen Gesundheitsbegriff modifiziert übernommen und legt ihn insgesamt enger aus.16 In Übereinstimmung mit verschiedenen Entschließungen des Rates der Europäischen Union werden sowohl die physische Gesundheit17 als auch sozio-ökonomische Faktoren wie Ernährung, Wohnung, Trinkwasserversorgung, Abwasserbeseitigung, sichere Arbeitsbedingungen und gesunde Umwelt in die Begriffsbestimmung einbezogen.18 Ausgeklammert bleibt jedoch das soziale Wohlbefinden, um den Schutzbereich nicht konturlos werden zu lassen.19 Im Sozialrecht knüpft man angesichts der verbleibenden Unbestimmtheit und Rechtsunsicherheit des Gesundheitsbegriffs grundsätzlich an den Begriff der „Krankheit“20 bzw. die konkrete „Krankenbehandlung“21 an. Es werden die Leistungen beschrieben, die zur Beseitigung des Krankheitszustandes bzw. seiner Vorbeugung notwendig sind und vom sozialversicherungsrechtlichen Leistungsumfang gedeckt werden sollen. Dieser Ansatz ist nachvollziehbar. Das Leistungsrecht würde finanziell überfordert, müsste man einen konkreten Leistungsanspruch im Hinblick auf das unbestimmte, subjektive Ziel „Wiederherstellung der Gesundheit“ definieren. Im EU-Wirtschaftsrecht bzw. im Wirtschaftsvölkerrecht hilft die Definition der WHO nur bedingt weiter. Notwendig ist dort eine Charakterisierung nach Ordnungsmerkmalen, die den Abbau der für die Gesundheitsdienstleistung evtl. handelshemmenden Umstände ermöglicht.
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So Jung, S. 66 ff. m.w.N. Franke, in: Franke/Broda (Hrsg.), Psychosomatische Gesundheit, S. 15 ff. 15 Zur Ottawa Charta und ihrer Bedeutung für die Entwicklung des Gesundheitsbegriffs siehe Kickbusch, in: Schwartz/Badura/Leidl (Hrsg.), Das Public Health Buch, S. 183 ff. 16 EuGH Urt. v. 12. November 1996, Rs. C-84/94 – Vereinigtes Königreich/Rat, Rn. 15. 17 Rat der Europäischen Gemeinschaft, Förderung der psychischen Gesundheit, S. 1. 18 Rat der Europäischen Gemeinschaft, Gesundheit und Ernährung, S. 1. 19 Sander, S. 256. 20 Näher Peters, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 1, Rn. 4. 21 Siehe § 27 SGB V. Näher Höfler, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 27 Rn. 2. 14
38
Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
B. Begriffsbestimmung im EU-Recht Der funktionale Ansatz des Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) setzt bei der Form der Grenzüberschreitung an.22 Dienstleistungen sind demnach grundsätzlich entgeltliche, wirtschaftliche Tätigkeiten. Aus Art. 57 AEUV können unmittelbar drei und indirekt zwei weitere Erbringungsformen von Dienstleistungen abgeleitet werden, die nachfolgend am Beispiel der jeweils in Betracht kommenden Gesundheitsdienstleistung dargestellt werden.23 Die Betonung der vorübergehenden Erbringung dient der Abgrenzung zur Niederlassungsfreiheit, die auf eine dauerhafte Integration des Dienstleisters in die Wirtschaft des Empfangsstaates angelegt ist.24 Die Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit erfolgt durch das Kriterium der Selbstständigkeit der Dienstleistungsausübung.25 Der Begriff der Dienstleistung wird im EU-Recht mithin grundsätzlich eng ausgelegt. Er umfasst nicht die Niederlassung und Arbeitnehmerfreizügigkeit. Darin unterscheidet sich das EU-Recht vom GATS, wie noch zu zeigen sein wird.26 Zentrales Kriterium des EU-Dienstleistungsbegriffs ist die Entgeltlichkeit der Dienstleistung, d. h. die wirtschaftliche Gegenleistung für eine erbrachte Leistung. Diese Gegenleistung wird meist zwischen Dienstleister und Empfänger vereinbart.27 Die Besonderheiten der Gesundheitsdienstleistungen, die nach dem sog. Sachleistungsprinzip28 im Rahmen des sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisses nicht zwischen Arzt und Patient, sondern zwischen Arzt und Kostenträger abgerechnet werden, führen nach Ansicht des EuGH nicht dazu, dass diese als nicht
22 Art. 57: „Dienstleistungen im Sinne dieses Vertrags sind Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, soweit sie nicht den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr und über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Als Dienstleistungen gelten insbesondere: a) gewerbliche Tätigkeiten, b) kaufmännische Tätigkeiten, c) handwerkliche Tätigkeiten, d) freiberufliche Tätigkeiten. Unbeschadet des Kapitels über die Niederlassungsfreiheit kann der Leistende zwecks Erbringung seiner Leistungen seine Tätigkeit vorübergehend in dem Staat ausüben, in dem die Leistung erbracht wird, und zwar unter den Voraussetzungen, welche dieser Staat für seine eigenen Angehörigen vorschreibt […].“ Eingehender Vergleich des Dienstleistungsbegriffs im EU- und WTO-Recht bei Wiegemann, S. 97 ff.; McDonald, S. 13 ff. 23 Siehe Anhang 1. 24 EuGH Urt. v. 30. November 1994, Rs. C-55/94 – Gebhard, Rn. 25. 25 Kluth, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 50, Rn. 6, 13. 26 Dazu näher in Teil 1 unter C. 27 EuGH, Urt. v. 7. Dezember 1993, Rs. C-109/92 – Stephan Max Wirth/Landeshauptstadt Hannover, Rn. 15. 28 Siehe dazu das Onlinelexikon des AOK-Bundesverbandes, abrufbar unter www.aok-bv. de/lexikon/, Stand: Oktober 2012.
B. Begriffsbestimmung im EU-Recht
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„entgeltlich“ erbracht zu qualifizieren wären und damit aus dem Anwendungsbereich des freien Dienstleistungsverkehrs fielen.29 Gesundheitsdienstleistungen seien grundsätzlich wirtschaftliche Betätigungen, auf die die Dienstleistungsfreiheit anwendbar sei ohne Unterscheidung, ob die Behandlung im stationären oder ambulanten Rahmen erfolge.30 Privatfinanzierte medizinische Leistungen erfüllen ohne weiteres diese Anforderung angesichts der unmittelbaren Bezahlung des Arztes durch den Patienten im Rahmen des Kostenerstattungsprinzips.31 Aber auch die vom Staat im Rahmen des sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisses organisierte Erbringung von Gesundheitsleistungen sei, unabhängig von der Art des nationalen Gesundheitssystems – Kostenerstattungs- oder Sachleistungsprinzip oder nationaler Gesundheitsdienst – als entgeltliche Dienstleistung i.S.v. Art. 57 Satz 1, 1. Halbsatz AEUV (ex-Art. 50 EG) anzuerkennen. Insofern bekräftigte der EuGH, dass „unter dem Gesichtspunkt des freien Dienstleistungsverkehrs […] nicht danach zu unterscheiden [sei], ob der Patient die angefallenen Kosten zahlt und später ihre Erstattung beantragt oder ob der Leistungserbringer die Zahlung direkt von der Krankenkasse oder aus dem Staatshaushalt erhält“.32
Damit dürften so gut wie alle Dienstleistungen der Gesundheitsversorgung unter Art. 56 AEUV (ex-Art. 49 EG) fallen. Im Sekundärrecht sind, wie nachfolgend gezeigt wird, insbesondere die Person des Dienstleisters und des Empfängers, sowie Zweck, Organisation und Finanzierung der Versorgung und Abrechnung der konkreten Behandlungsleistung Kennzeichnungsmerkmale. Gesundheitsdienstleistungen werden nach Art. 2 der Dienstleistungsrichtlinie33 von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen.34 Dazu wird insbesondere auf ihren 29 Ständige Rechtsprechung des EuGH, Urt. v. 17. Dezember 1981, Rs. C-279/80 – Webb, Rn. 10 m.w.N.; Urt. v. 28. April 1998, Rs. C-158/96 – Kohll, Rn. 20 m.w.N. 30 EuGH Urt. v. 4. Oktober 1991, Rs. C-159/90 – Society for the Protection of Unborn Children Ireland – Grogan, Rn. 18; Urt. v. 28. April 1998, Rs. C-158/96 – Kohll, Rn. 29, 51. Die Systematik des Art. 55 Abs. 1 i.V.m. 46 Abs.1 AEUVerlaubt es allerdings den Mitgliedstaaten, den freien (Gesundheits-)Dienstleistungsverkehr im Bereich der ärztlichen und klinischen Versorgung einzuschränken, soweit die Erhaltung eines bestimmten Umfangs der medizinischen und pflegerischen Versorgung oder ein bestimmtes Niveau der Heilkunde im Inland für Gesundheit oder das Überleben der eigenen Bevölkerung dies erforderlich macht. 31 EuGH Urt. v. 31. Januar 1984, C-286/82 – Luisi und Carbone, Rn. 14. 32 EuGH Urt. v. 12. Mai 2003, Rs. C-385/99 – Müller-Fauré und van Riet, Rn. 103 a.E. Zur Rechtsprechung „Patientenmobilität“ siehe auch näher Engländer, S.3 ff. 33 Der Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie wird in Artikel 2 festgelegt. Gesundheitsdienstleistungen werden nach Art. 2 Abs. 2 f) vom Anwendungsbereich ausgenommen: „[…] Gesundheitsdienstleistungen, unabhängig davon, ob sie durch Einrichtungen der Gesundheitsversorgung erbracht werden, und unabhängig davon, wie sie auf nationaler Ebene organisiert und finanziert sind, und ob es sich um öffentliche oder private Dienstleistungen handelt; […].“ Ergänzend präzisiert Erwägungsgrund 16 den Anwendungsbereich dahinge-
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Behandlungszweck abgestellt (Diagnose, Prävention und Kuration) und der Kreis der Dienstleistungserbringer auf Angehörige reglementierter Gesundheitsberufe beschränkt.35 Der für Gesundheitsdienstleistungen geschaffene Sekundärrechtsrahmen in Gestalt der Richtlinie Patientenmobilität36 greift diese Merkmale ebenfalls auf, allerdings mit anderer Intention. Anders als die Dienstleistungsrichtlinie, aus der Gesundheitsdienstleistungen mittels oben genannter engerer Definition vom Anwendungsbereich ausgeschlossen werden, will die Richtlinie zur Patientenmobilität einen möglichst weiten Anwendungsbereich eröffnen. Es werden grundsätzlich sämtliche Gesundheitsdienstleistungen unabhängig von ihrer Rechtsnatur, Organisation und Finanzierung einbezogen.37 Allerdings wurden drei Ausnahmen gemacht: Staatliche Impfprogramme, Zuteilung und Zugang zu Organen und Pflegedienstleistungen. Diese Dienstleistungen sind damit grundsätzlich direkt am Primärrecht zu messen. Dessen Reichweite ist allerdings gerade bei Pflegeleistungen höchst umstritten.38 Kapitel III der Richtlinie kodifiziert die Rechtsprechung des EuGH zum Sachleistungsexport für Krankenversicherungsleistungen. Ob diese Grundsätze zur Krankenversicherung aber zumindest über das Primärrecht auch für die wesensverschiedene Pflegeversicherung gelten, hat der EuGH erst noch zu entscheiden.39 Die Abgrenzung, was noch Krankenversicherungsdienstleistungen und was schon Pflegedienstleistung ist, ist hend: „Diese Richtlinie betrifft ausschließlich Dienstleistungserbringer, die in einem Mitgliedstaat niedergelassen sind und regelt keine externen Aspekte. Sie betrifft nicht die Verhandlungen innerhalb internationaler Organisationen über den Handel mit Dienstleistungen, insbesondere im Rahmen des Allgemeinen Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS).“ 34 Mit diesem Anliegen setzte sich das Europäische Parlament gegenüber der EU-Kommission durch, um den Besonderheiten der Gesundheitsdienstleistungen mit einem eigenen Rechtsrahmen Rechnung tragen zu können, siehe Europäisches Parlament, Entschließung des Europäischen Parlaments zum Vorschlag für eine Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt (erste Lesung, 16. Februar 2006). 35 Erwägungsgrund 22: „Der Ausschluss des Gesundheitswesens vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie sollte Gesundheits- und pharmazeutische Dienstleistungen umfassen, die von Angehörigen eines Berufs im Gesundheitswesen gegenüber Patienten erbracht werden, um deren Gesundheitszustand zu beurteilen, zu erhalten oder wiederherzustellen, wenn diese Tätigkeiten in dem Mitgliedstaat, in dem die Dienstleistungen erbracht werden, einem reglementierten Gesundheitsberuf vorbehalten sind […].“ 36 Eingehend zur Richtlinie u. a. Philippi, S. 216 ff.; Hernekamp/Jäger-Lindemann, S. 403 ff. 37 Art. 4 (Begriffsbestimmungen): „Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen: a) „Gesundheitsversorgung“: eine Gesundheitsdienstleistung, die von Angehörigen der Gesundheitsberufe in Ausübung ihres Berufs oder unter ihrer Aufsicht erbracht wird, unabhängig davon, in welcher Weise diese Dienstleistung auf nationaler Ebene organisiert, bereitgestellt und finanziert wird oder ob sie öffentlich oder privat erfolgt; […]“. 38 Siehe ua. das Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2006/4408. 39 Siehe Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2006/4408.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
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teilweise sehr komplex. So sind Leistungen der medizinischen Pflege – z. B. kurative Behandlungen, die eine Verschlimmerung der Krankheit eines Pflegebedürftigen abwenden sollen –, Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 11 Abs. 2 SGB V)40 und fallen damit grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Hingegen werden Leistungen, die der sozialen Wiedereingliederung des Pflegebedürftigen nach dem Sozialgesetzbuch XI dienen, nicht von der Richtlinie Patientenmobilität erfasst. Eine weitere wesentliche Charakterisierung von Gesundheitsdienstleistungen nimmt die Richtlinie in Kapitel III vor: Unterschieden werden Behandlungen mit und ohne Zustimmungspflicht (sog. Vorabgenehmigung). Einem Vorabgenehmigungsvorbehalt unterstellt werden dürfen Gesundheitsdienstleistungen, die ein erhöhtes Planungsbedürfnis aufweisen (hochspezialisierte, kostenintensive und eine Übernachtung im Krankenhaus erfordernde Behandlungen), eine Gefahr für den Patienten oder die Allgemeinheit darstellen bzw. in Fällen, in denen der Leistungserbringer konkrete und ernsthafte Bedenken an der Qualität und Sicherheit der Dienstleistung weckt. Der funktionale Ansatz des Gesundheitsdienstleistungsbegriffs wird damit im EU-Sekundärrecht besonders deutlich.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS Im Weltdienstleistungshandelsrecht liegt demgegenüber dem Begriff der Gesundheitsdienstleistung ein enumerativer Ansatz zugrunde. Weder der Begriff der Gesundheitsdienstleistung, noch der Begriff der Dienstleistung wird hier definiert.41 Es werden stattdessen zunächst vier verschiedene Erbringungsmodi beschrieben: Art. I Abs. 2 GATS: a) aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds; b) im Hoheitsgebiet eines Mitglieds an den Dienstleistungsnutzer eines anderen Mitglieds; c) durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds; d) durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels Präsenz natürlicher Personen eines Mitglieds im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds.
40 Siehe BT-Drucks. 14/1245, S. 61; näher dazu Kruse, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPKSGB V, § 11 Rn. 5. 41 Die Legaldefinition der Dienstleistung in Art. 57 AEUV stellt auf die Entgeltlichkeit der grenzüberschreitend, vorübergehend im EU-Ausland erbrachten Dienstleistung ab. Rechtsvergleichend zum Begriff der Dienstleistung im EU-Recht und GATS eingehend Wiegemann, S. 65 ff.; Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 11 ff., 22.
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Anschließend wird über Art. I Abs. 3 b) GATS auf die zwölf verschiedenen Dienstleistungssektoren verwiesen, die das GATT-Sekretariat anlässlich der Uruguay-Verhandlungen in der Services Sectoral Classification (SSC)-Liste zusammengestellt hat.42 Diese Sektorklassifikation liegt den dem GATS angehängten Verpflichtungslisten zugrunde, in die die WTO-Mitglieder ihre Marktöffnungsverpflichtungen einzutragen haben.43 Von den in Art. I Abs. 3 b) GATS allgemein, sowie in den Verpflichtungslisten der WTO-Mitglieder konkret in Bezug genommenen Dienstleistungssektoren sind die nachfolgend dargestellten vier Sektoren der SSC-Liste (I.), jeweils in allen vier im GATS genannten Erbringungsmodi (II.) für Gesundheitsdienstleistungen von Bedeutung.
I. Gesundheitsdienstleistungen im GATS Die SSC-Liste erarbeitete das GATT-Sekretariat während der Verhandlungen zur Uruguay-Runde auf der Grundlage der provisional Central Products Classification (CPC)-Liste der Vereinten Nationen44. Der SSC-Liste liegt ein teilweise anderer Ansatz zugrunde als der vorrangig statistischen Zwecken dienenden Klassifikation der CPC-Liste, der u. a. auch die Warenproduktklassifikationslisten von Eurostat45 und Statistischem Bundesamt46 folgen. Die SSC-Liste erfasst zum einen nur Dienstleistungen und keine Warenproduktklassifikationen. Zum anderen fasst sie die Dienstleistungen topisch zu zwölf, teils anders als in der CPC-Liste gruppierten Sektoren zusammen. Die zwölf Sektoren gliedert sie grundsätzlich in jeweils bis zu drei Untergruppen. Die SSC-Liste des GATT-Sekretariats definiert nicht näher, welche konkreten Dienstleistungen die Unterstufen ausmachen, sondern zählt die zentralen Einzeldienstleistungen (wenngleich auch nicht abschließend) auf. Eine Umschreibung der in die jeweilige Kleinststufe gehörigen Dienstleistung kann der CPC-Liste der Vereinten Nationen entnommen werden, auf die die SSC-Liste wie auch die WTO-Mitglieder in ihren Verpflichtungslisten konkret verweisen. Die vier gesundheitsbezogenen Sektoren der SSC-Liste (1.) sind teilweise nicht einfach voneinander abzugrenzen (2.). Eine klare Abgrenzung ist aber vor allem 42
WTO, Services Sector Classification List, abrufbar unter: www.wto.org/english/tratop_e/ serv_e/serv_sectors_e.htm, Stand: Oktober 2012. 43 Zu den Verpflichtungslisten im Einzelnen siehe unten in Teil 3 unter C.II. 44 UNSD, Provisional Central Product Classification. Das provisorische CPC-Klassifikationssystem von 1991 wurde 1998 von der Version 1.0, 2002 von der Version 1.1. sowie am 31. Dezember 2008 von der Version 2.0 ersetzt. Die Aktualisierungen bilden u. a. technologische Fortentwicklungen ab. 45 Eurostat, Internationale Standard-Klassifikation der Berufe; siehe auch dieselbe, Statistische Systematik der Wirtschaftszweige. 46 Statistisches Bundesamt, Klassifikation der Wirtschaftszweige, S. 47, 49.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
43
deshalb von größter Bedeutung, da für die einzelnen Sektoren unterschiedliche Marktöffnungsverpflichtungen von den Mitgliedstaaten eingegangen wurden. Die Zuordnung zu dem einen oder anderen Sektor entscheidet mithin neben anderen Faktoren über die Reichweite des GATS im deutschen Gesundheitssystem. 1. Gesundheitsbezogene Sektoren der SSC-Liste Die folgenden Sektoren der SSC-Liste umfassen Gesundheitsdienstleistungen i. e.S.: Sektor 1 (unternehmensbezogene Dienstleistungen, sog. business services), Sektor 7 (Finanzdienstleistungen, sog. financial services), Sektor 8 (Gesundheitsbezogene und Soziale Dienstleistungen, sog. health related and social services) sowie Sektor 12 (sonstige nicht aufgeführte Dienstleistungen, sog. other services not included elsewhere).47 Über diese vier Sektoren hinaus gibt es in der SSC-Liste verschiedene Dienstleistungssektoren, deren Infrastruktur ebenfalls zur Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen genutzt wird, die insoweit aber nur unterstützend herangezogen werden, sozusagen als „Mittel zum Zweck“. Dazu zählen insbesondere Labor- und Analysedienstleistungen (Sektor 1 F.), Telekommunikationsdienstleistungen (Sektor 2, z. B. Telemedizin), Vertriebsdienstleistungen (Sektor 4, z. B. Groß- und Einzelhandel mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln), Bildungsdienstleistungen (Sektor 5, z. B. (e-)public health Aufbau-/Studiengänge, Fortbildungen), aber auch Umweltdienstleistungen (Sektor 6, z. B. umweltbezogener Gesundheitsschutz) und Dienstleistungen im Bereich Erholung, Kultur und Sport (Sektor 10). Diese Dienstleistungen ermöglichen bzw. fördern unter anderem auch die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen. Daher werden sie in dieser Arbeit nur insoweit behandelt, als sich Überlappungen bei den einzelnen Erbringungsmodi mit den „originären“ Gesundheitsdienstleistungen ergeben.48
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Eine zusammenfassende Übersicht der gesundheitsrelevanten Dienstleistungssektoren der SSC-Liste des GATT-Sekretariates unter Verweis auf die CPCprov. Codes ist dieser Arbeit in Anhang 2 beigefügt. 48 Weitere Dienstleistungssektoren mit unmittelbaren Berührungspunkten zu den Gesundheitsdienstleistungen, die in der detaillerteren aktuellen CPCVer. 2-Liste darüber hinaus unterschieden werden, auf die hier aus Platzgründen aber nur am Rande verwiesen werden kann, sind insbesondere: CPCVer. 2 94211: Collection services of hazardous medical and other biohazardous waste; CPCVer. 2 281121: Research and experimental development services in biotechnology (tissues, cells etc); CPCVer. 2 8113: Research and experimental development services in medical sciences and pharmacy; CPCVer. 2 83441: Composition and purity testing and analysis services; CPCVer. 2 83812: Medical and biological photography [u.a.]; CPCVer. 2 87154: Maintenance and repair services of medical, precision and optical instruments; CPCVer. 2 87350: Installation services of professional medical machinery and equipment, and precision and optical instruments; CPCVer. 2 88747: Irradiation, electromedical and electrotherapeutic equipment manufacturing services; CPCVer. 2 88907: Medical and dental instrument and supply manufacturing services.
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Die Liste des GATT-Sekretariats unterscheidet ambulante und stationäre Dienstleistungen. Diese volkswirtschaftliche Sektortrennung wurde in die CPCListe der Vereinten Nationen sowie in die sog. CPA-Liste von Eurostat übernommen. Außerhalb eines Krankenhauses erbrachte Dienstleistungen werden demnach dem Sektor 1 der sog. unternehmensbezogenen Dienstleistungen49, und hier der Unterund Kleinstgruppe der sog. berufsbezogenen Dienstleistungen50 von (Zahn-)Ärzten, Hebammen, Krankenschwestern, Psychotherapeuten und paramedizinischem Personal (siehe Anhang 1:A.h./j.) zugeordnet. Nach der Definition der SSC-Liste handelt es sich zum einen um alle zahn-/medizinischen Dienstleistungen der Prävention, Diagnose und Kuration, die ein nicht im Krankenhaus angestellter Arzt erbringt (1.A.h.)51. Unterstützende – unter seiner Aufsicht erbrachte – Leistungen von Krankenschwestern, sowie von Hebammen und sonstigem paramedizinischen Personal werden unter 1.A.j gefasst.52 Vertriebsdienstleistungen von Apothekern fallen unter 1.A.k.53 Die Untersektoren 1.A.h. – j. umschreiben damit Dienstleistungen, die in der GKV grundsätzlich dem ambulanten Versorgungsbereich gem. §§ 72 ff. SGB V zugeordnet werden, dh. Dienstleistungen niedergelassener Ärzte und in diesem Versorgungsbereich sonstiger zur GKV-Versorgung zugelassener Gesundheitsdienstleister. Schließlich werden auch Dienstleistungen der Vermittlungsagenturen von Angehörigen der Gesundheitsberufe dem Sektor 1 zugeordnet (Untergruppe: 1.F.k.).54 Neben Krankenschwestern ist zunehmend die Vermittlung von Ärzten gefragt. (Fach-)Arztagenturen vermitteln und betreuen externe Ärzte, die auf Honorarbasis z. B. als Urlaubs- oder Krankheitsvertretung in Praxen und/oder Kliniken aushelfen. Da diese Vermittlungsdienstleistungen allerdings keine originär gesundheitsversorgungsrechtlichen Dienstleistungen darstellen, sondern nur das Vorfeld der Behandlungsleistung gestalten, wird in dieser Arbeit nicht näher auf sie eingegangen.55 Unter Sektor 8 werden sog. „gesundheitsbezogene und soziale Dienstleistungen“56 gefasst. Anders als es der weite Begriff „gesundheitsbezogene Dienstleistungen“ nahe legt, sind aber in Sektor 8 nur Krankenhausdienstleistungen (8.A.) und solche, die auf eine entsprechende Infrastruktur angewiesen sind, sowie soziale 49
Business services. Professional services. 51 Medical and dental dervices, midwives services. 52 Services prodvided by nurses, physiotherapists and paramedical Personnel. 53 Supply of pharmaceutical goods to the general public – pharmacists. 54 Supply services of […] nursing and other personnel. 55 Nähere Informationen zur Vermittlung von Personal im Gesundheitsbereich von der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesarbeitsagentur abrufbar http://www.ar beitsagentur.de/nn_203646/Dienststellen/besondere-Dst/ZAV/Presse/2011/122011-Rekrutie rung-im-Ausland.html, Stand: Oktober 2012. 56 Health related and social services. 50
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
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Dienstleistungen (8.B. – D.)57 erfasst. Krankenhausdienstleistungen sind nach der Definition der CPC-Liste Dienstleistungen, die der stationären Heilung, Wiederherstellung oder Erhaltung der Gesundheit des Patienten dienen.58 Die übrigen Dienstleistungen des Sektors 8 sind Dienstleistungen im „Dunstkreis“ eines Krankenhauses, die auf eine gewisse Infrastruktur zurückgreifen, d. h. Kranken- und Notfalltransporte, stationäre medizinische Pflegedienste, Labordienstleistungen und Blut-, Samen- und Organtransplantationsbanken. Diese Dienstleistungen werden in der GKV im Rahmen der stationären Versorgung in Krankenhäusern und ähnlichen Einrichtungen gem. §§ 107 ff. SGB V erbracht. Die Abgrenzung von Sektor 1 zu Sektor 8 fällt damit weitgehend mit der in der GKV grundsätzlich bestehenden Trennung der Versorgungsbereiche in „ambulante“ und „stationäre“ Leistungen zusammen.59 Gesundheitsbezogene Dienstleistungen finden sich darüber hinaus auch in Sektor 7 „Finanzdienstleistungen“ der SSC-Liste. Im Bereich Versicherungsdienstleistungen sind hier u. a. Krankenversicherungsdienstleistungen gelistet (7.A.a.).60 Der Verweis in der SSC-Liste an dieser Stelle auf die Sektorklassifikation CPCprov. Code 8121 ist allerdings leider missverständlich: Dort sind nur Lebens- und Rentenversicherungsdienstleistungen gelistet.61 Krankenversicherungsleistungen werden in der CPCprov.-Liste hingegen als sog. Nichtlebensversicherungen unter CPCprov. Code 81291 geführt.62 Die SSC-Liste hat allerdings eine Unterklasse für sog. Nichtlebensversicherungen (7.A.b.). Hier wird insoweit auch zutreffend auf CPCprov. Code 81291 verwiesen. Aus diesem „Doppelverweis“ dürfte allerdings nicht geschlossen werden können, die SSC-Liste wolle anders als die CPCprov.-Liste Krankenversicherungsdienstleistungen sowohl als Lebensversicherung als auch als Nichtlebensversicherung klassifizieren. Zwar kann die Klassifikationen SSC-Liste durchaus von der CPCprov.-Liste abweichen.63 Eine Doppelzuordnung wäre aber nur schwerlich vereinbar mit der für die klare Festlegung der Marktöffnungsverpflichtungen sowie nicht zuletzt auch für statistische Zwecke notwendigen eindeutigen Sektorklassifikation. Leider bringen auch die Eintragungen in der Verpflichtungsliste der EU bei Fi57 8.B.: Other human health services; 8.C: Social services; 8.D.: Other (health related services). 58 CPC-Code, Subclass 93110: Surgical, medical, rehabilitation, psychiatric services delivered under the direction of medical doctors chiefly to in-patients, aimed at curing, restoring and/or maintaining the health of a patient. 59 Siehe dazu ausführlich ebenso Schmidt, S. 88 ff. 60 Life, accident and health insurance services. 61 Life insurance and pension funds services. 62 Dazu heißt es in den Erläuterungen zur CPCprov.-Liste: „Insurance underwriting services consisting in making payments for covering expenses due to accident or sickness by the policy holder“. 63 Siehe die Anmerkungen in der SSC-Liste unter **, MTN.GNS/W/120 v. 10. Juli 1991, S. 3.
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
nanzdienstleistungen keine abschließende Klärung. Hier werden nacheinander einerseits 07.A.a Direct Insurance (including co-insurance) mit den Untergruppierungen (A) Life, (B) Nonlife und andererseits 07.A. All insurance and insurance related services und Untergruppierungen entsprechend der Aufzählung in der Anlage zu Finanzdienstleistungen Ziff. 5 a), ii – iv) gelistet. Leider wird kein Bezug genommen auf einen konkreten CPCprov. Code. Krankenversicherungsdienstleistungen dürften allerdings wohl unter die zweite Kategorie unter 07.A. All insurance and insurance related services subsumiert werden. Um Rechtsunsicherheit zu vermeiden, wäre eine konkrete Nennung des Subsektors 7.A.b. mit entsprechendem Hinweis auf den CPCprov. Code 81291 hilfreich gewesen. Auch an anderer Stelle ist die SSC-Liste ungenauer: Sie unterscheidet soziale Krankenversicherungsdienstleistungen nicht von sonstigen (privatfinanzierten) Krankenversicherungsdienstleistungen. Demgegenüber führt die CPCprov.-Liste Dienstleistungen von Systemen sozialer Sicherheit nicht als Finanzdienstleistung, sondern im Rahmen der öffentlichen Dienstleistungen der CPCprov. Code 91 in einer gesonderten Gruppe „gesetzliche Systeme sozialer Sicherheit“64. Soziale Krankenversicherungsdienstleistungen werden dort wiederum unter CPCprov. Code 9131 gefasst.65 Damit bleibt die Frage bestehen, ob die unter GATS als Finanzdienstleistungen bezeichneten Dienstleistungen auch soziale Krankenversicherungsdienstleistungen umfassen. Für eine – ungeachtet der abweichenden Listung in der Systematik der CPCprov.-Liste66 – Qualifikation als Finanzdienstleistung im Rahmen des GATS könnte der Umstand sprechen, dass die besondere Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich des GATS für Sozialversicherungsleistungen immerhin in der – in Teil 3 noch näher zu behandelnden – Anlage zu Finanzdienstleistungen verankert wurde. Man hat es also für (Kranken-)Versicherungsdienstleistungen nicht nur bei der horizontalen Bereichsausnahme für hoheitliche Dienstleistungen in Art. I Abs. 3 c), d) GATS belassen.67
64
Compulsory social security services, CPCprov. Code 913. Siehe dazu die Kommentierung in der CPCprov.-Liste: „Public administrative services for sickness, maternity or temporary disablement benefits affairs. Administrative and operational services for social security affairs, involving provision of benefits for loss of income due to sickness, childbirth or temporary disablement“. 66 Derartige Abweichungen der SSC-Liste von der Systematik der CPCprov.-Klassifikation kommen auch an anderen Stellen vor, z. B. medical services und dental services – CPCprov. Code 9312 – werden in der SSC-Liste als professional services (1.A) und nicht als health and social services (8. Hospital services u. a.) geführt, obwohl sie wie Krankenhausdienstleistungen mit dem CPCprov. Code 93 beginnen. 67 Eingehend zur Subsumption von Krankenversicherungsdienstleistungen unter die Anlage Finanzdienstleistungen in Teil 3 unter B. III.2. 65
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
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2. Abgrenzungsfragen Die konkrete Zuordnung zu einem (Unter-)Sektor ist entscheidend für die Auslegung der Länderlisten des GATS und damit für die Reichweite der Marktöffnung in dem jeweiligen (Unter-)Sektor. Das GATS ist gem. Art. I Abs. 3 b) weit angelegt und erfasst grundsätzlich „jede Art von Dienstleistung in jedem Sektor“ der SSC-Liste. Schwierigkeiten kann insoweit die Frage bereiten, welchem konkreten Sektor eine Dienstleistung zuzuordnen ist, da die SSC-Liste – wie oben dargelegt – z. T. nicht sehr detailliert ist und teilweise von den Sektorbeschreibungen der Liste der Vereinten Nationen abweicht. Die Abgrenzung wird darüber hinaus teilweise auch durch die bereits oben angedeuteten übersetzungsbedingten „Reibungsverluste“ erschwert. Beispielsweise ist die deutsche Übersetzung des Sektors business services in „unternehmensbezogene Dienstleistungen“ gewöhnungsbedürftig, da unter Sektor 1 gerade die Behandlungsdienstleistungen niedergelassener Ärzte und nicht die Krankenhausdienstleistungen gefasst werden. Dass mit dem englischen Terminus nicht auf den gesellschaftsrechtlichen Unternehmensbegriff abgezielt wird, zeigt die Benennung der Untergruppe 1.A. als sog. berufsbezogene Dienstleistungen (professional services). Hier wird an die natürliche Person und nicht an eine juristische Person angeknüpft.68 Schließlich zeigen die Verpflichtungslisten der WTO-Mitglieder auch, dass in verschiedenen Listen durchaus ähnliche Dienstleistungen unterschiedlichen Subsektoren zugeordnet wurden.69 Entsprechend der technischen Weiterentwicklung seit Inkrafttreten des GATS wurden die CPCprov.-Liste und die SSC-Liste zwischenzeitlich mehrfach überarbeitet und bestimmte Abgrenzungsfragen gelöst.70 Von Seiten der WTO wird die SSC-Liste als offenes Arbeitspapier gesehen, in die Änderungen der CPC-Liste übernommen werden können aber nicht müssen, da für sie nicht dieselben Anforderungen wie für das hauptsächlich statistischen Zwecken dienende Klassifikationsverzeichnis der Vereinten Nationen gelten. Konkrete Abgrenzungsfragen können sich zum einen bei Wellness-Leistungen und Schönheitsoperationen, aber auch traditionellen Heilmethoden chinesischer Medizin (z. B. Akupunkturbehandlungen) stellen [a)]. Bei Rehabilitations- und Pflegeleistungen ist vor allem die Frage nach dem medizinischen oder sozialen 68
Näher Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 199. Siehe dazu auch Beispiel bei Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 200. 70 Die 1998 erfolgten Änderungen der CPCVer. 1.1 erschöpften sich bis auf den Subsektor der specialized medical services in geringfügigen begrifflichen Konkretisierungen, siehe WTODok. S/CSC/W/R/Add.13 – Detailed Analysis of the Modifications brought about by the revision of the central product classification, Note by the Secretariat, Addendum, Health and social services. Nach Abschluss der Uruguay-Runde wurde die SSC-Liste das erste Mal bereirs im Rahmen der Verhandlungen zu den Basistelekommunikations- und Finanzdienstleistungen und dem Seetransport überarbeitet, siehe UN/EG/IWF/OECD, Rn. 2.24. 69
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Schwerpunkt des Behandlungszwecks für die Zuordnung entscheidend [b)]. Die vom Gesetzgeber in den letzten Jahren verstärkte Verzahnung der Versorgungsbereiche kann darüber hinaus die trennscharfe Zuordnung von medizinischen Dienstleistungen niedergelassener Ärzte und stationären Dienstleistungen erschweren [c)]. Teilweise kann bei diesen Abgrenzungsfragen ein Rückgriff auf die oben anhand des EU-Primär- und Sekundärrechts herausgearbeiteten Merkmale von Gesundheitsdienstleistungen helfen. a) Wellness-Leistungen und Schönheitsoperationen Wellness-Leistungen ohne medizinischen Eingriff sind grundsätzlich unter „sonstige, nicht anderweitig zugeordnete Dienstleistungen“ des Sektors 12 zu subsumieren.71 Ästhetische, stationär operative Eingriffe können hingegen nach der SSC-Liste Sektor 8.A. zugeordnet werden.72 Ambulante plastische Eingriffe unterfallen Sektor 1.A.h., sofern sie ein Arzt ausführt, und Sektor 1.A.j. (Dienstleistungen paramedizinischen Personals), sofern sie ambulant durch nichtärztliche Heilberufsangehörige erbracht werden. Anwendungen traditioneller chinesischer Medizin, wie etwa Akupunkturen, zählen wiederum als „homöopathische und ähnliche Dienstleistungen“ ebenfalls zu Sektor 1.A.j.73 b) Rehabilitations- und Pflegeleistungen Auch die Zuordnung von Rehabilitations- und Pflegeleistungen wirft Fragen auf. Sowohl stationäre Rehabilitations- als auch stationäre Pflegeleistungen (Rehabilitationskliniken, Pflege- oder Altenheime, §§ 40, Abs. 1 S. 2, 72 Abs. 1 SGB XI) werden in der deutschen Verpflichtungsliste unter die sozialen Dienstleistungen der Untergruppe 8.C. gefasst. Allerdings ließe sich auch eine Zuordnung zu Subsektor 8.B. vertreten, der u. a. Dienstleistungen stationärer, gesundheitsbezogener Einrichtungen ohne dauerhaft ärztliche Aufsicht vor Ort beschreibt, die keine Krankenhäuser sind.74 Eine eventuelle Neuzuordnung dieser Dienstleistungen hätte allerdings Auswirkungen auf die Marktöffnung, da Subsektor 8.B. weiter geöffnet ist als Subsektor 8.C.75 Im ambulanten Bereich ist für die konkrete Zuordnung eines Subsektors weiter zu differenzieren zwischen der medizinischen und der sozialen Leistungskomponente der Rehabilitations- und der Pflegeleistungen. Ambulante medizinische Rehabilitations- (§ 40 SGB V) und Pflegeleistungen unterfallen der Kleinstgruppe 1.A.j. der SSC-Liste. Sie erfasst medizinische Dienstleistungen, die nicht durch einen Arzt 71 72 73 74 75
So auch Falke, S. 248. WTO, Services Sector Classification Liste, S. 20. Homeophatolocial and similar services. CPCprov. Code 9319: Residential health facilities services other than hospital services. Zum Marktöffnungsstand unten in Teil 3.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
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erbracht werden. Die Leistungsbeschreibung der ergänzend heranzuziehenden CPCListe der Vereinten Nationen benennt nämlich für derartige Leistungen die pflegerischen Dienstleistungen von Krankenschwestern für häusliche Patienten.76 Die sozialen Leistungen der ambulanten Rehabilitation- und Pflege (z. B. Schulungen zur Wiedereingliederung in den Beruf; Hilfe bei der Nahrungsaufnahme und beim Ankleiden) sind wiederum den sozialen Dienstleistungen der Untergruppe 8.C. zuzuordnen. Die dort erfassten Dienstleistungen beschreibt die CPC-Liste u. a. mit gemeinnützigen Dienstleistungen, die nicht von Heimen erbracht werden sowie Berufseingliederungsmaßnahmen.77 c) Ambulante und Krankenhausdienstleistungen Zunehmend herausfordernd gestaltet sich auch die Abgrenzung ambulanter (vertragsärztlicher) Leistungen von stationären Leistungen.78 Gerade in Deutschland arbeitet der Gesetzgeber seit 1992 an einer stärkeren Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung, um die Behandlungen effizienter und qualitativ hochwertiger auszugestalten.79 Mit dem GKV-VStG wurde zuletzt ein neuer dritter Sektor geschaffen. Dabei handelt es sich um eine spezialfachärztliche Versorgung für Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen, seltenen Erkrankungen und hochspezialisierten Leistungen. Dieser Versorgungsbereich soll ambulante und stationäre Versorgung verbinden, indem sowohl niedergelassene Vertragsärzte als auch Krankenhäuser teilnehmen.80 Die Abgrenzungskriterien der SSC-Liste sind grundsätzlich klar: Medizinische Dienstleistungen i.S.v. Sektor 1.A.h. SSC-Liste umfassen in der Regel abweichend von Krankenhausdienstleistungen i.S.v. Sektor 8.A. keine institutionalisierten, behandlungsbegleitenden Pflege- und Übernachtungsleistungen.81 Nach deutschem 76 CPCprov. Code 93191: Services in the field of nursing care, advice and prevention for patients at home. 77 CPCprov. Code 93323: Welfare services not delivered through residential institutions; CPC-Code: 93324: Vocational rehabilitation services (excluding services where the education component is predominant). 78 Siehe auch die Übersicht von Stapf-Finé/Schölkopf, S. 3 ff. 79 Zur Intention des Gesetzgebers, siehe insbesondere die Gesetzesbegründung zum Gesundheitsreformgesetz (GRG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S. 2266), zum Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz, sog. GMG) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190), zum Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz, sog. VÄndG) vom 22. Dezember 2006 (BGBl I S. 3439), zum Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz, sog. GKV-WSG) v. 26. März 2007 (BGBl I S. 378); Übersicht und Bewertung der sektorübergreifenden Kooperationsmöglichkeiten bei Kuhlmann, S. 13 ff. 80 Siehe Art. 1 Nr. 44 (§ 116 b n. F. SGB V) GKV-VStG, BGBl. v. 28. März 2012, Teil I Nr. 70; siehe auch die Begründung des Gesetzesentwurfs zu Nummer 44 (§ 116b), S. 130 ff. 81 Preventing, diagnosing, and treating illness trough consultation by individual patients without institutional nursing. Siehe näher zur Abgrenzung auch Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.),
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Recht macht das Wesensmerkmal eines Krankenhauses i.S.v. § 2 Nr. 1 KHG seine besondere apparative Ausstattung sowie die intensive Betreuung durch ständig anwesendes und verfügbares medizinisches, pflegerisches und technisches Personal inklusive Verpflegung und Unterbringung aus.82 Der Ort der Behandlung – in oder außerhalb einer Einrichtung mit Pflege- und Übernachtungsangebot – allein ist allerdings im deutschen Gesundheitssystem nicht immer zielführend. So können beispielsweise niedergelassene Ärzte ambulante Behandlungen im Krankenhaus anbieten und Klinikärzte wiederum unter bestimmten Umständen ambulant operieren gem. §§ 115 b, 116 b SGB V.83 Ergänzend müsste auf die ärztlich indizierte notwendige Versorgungsart abgestellt werden84, d. h. die Feststellung des Arztes, dass eine Behandlung im Krankenhaus mit Übernachtung erforderlich ist.85 Insoweit lässt sich eine Parallele ziehen zu Art. 8 Abs. 2 a) i) der Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung. Demnach ist auf die Notwendigkeit der Übernachtung des Patienten unter ärztlicher Aufsicht abzustellen bei der Frage der EU-Konformität einer vorherigen Genehmigungspflicht der EU-Auslandsbehandlung durch die Krankenkassen.86 Denkbar, wenn auch im Ergebnis für die Abgrenzung nur eingeschränkt hilfreich sind auch weitere Kriterien: Die Art des Beschäftigungsverhältnisses des Dienstleisters kann weitere Anhaltspunkte für die Art der Versorgung bieten. Lange Zeit war ein Anstellungsverhältnis für einen Arzt nur im Krankenhaus möglich, außerhalb konnte er i. d. R. nur als niedergelassener Arzt praktizieren. Seit der Einführung der Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in § 95 SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz 2003 ist es nunmehr aber auch möglich, dass Ärzte im ambulanten Bereich als Angestellte arbeiten können. MVZ sind grundsätzlich fachüberDomestic Regulation, S. 199 f., mit Beispielen vor diesem Hintergrund fraglicher Zuordnung in verschiedenen Länderlisten. 82 Zur Definition des „Krankenhauses“ in § 107 Abs. 1 SGB V und § 2 Nr. 1 KHG eingehend Höfler, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 39, Rn. 6 ff. 83 Beispielhaft zum ambulanten Operieren siehe den Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V – ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus – der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V (DKG) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung v. 1. Oktober 2006, abrufbar unter http:// www.kbv.de/rechtsquellen/2613.html, Stand: Oktober 2012. Näher zu den neuen Versorgungsmöglichkeiten für Krankenhäuser Münzel/Zeiler, S. 14 ff.; Kuhlmann, S. 13 ff. 84 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 200. 85 Nach der Rechtsprechung des BSG ist ein operativer Eingriff nur dann „ambulant“ i.S. von § 115 b SGB V, wenn der Patient die Nacht vor und nach der Behandlung nicht im Krankenhaus verbringt, Urt. v. 08. September 2004 – B 6 KA 14/03; dazu auch Hensen/Roeder, S. 196 ff. 86 Die Richtlinie kodifiziert insoweit die Grundsätze der Rechtsprechung des EuGH zur Patientenmobilität. Ambulante Behandlungen dürfen demnach keinem Vorabgenehmigungsvorbehalt unterworfen werden anders als die einem besonderen Planungsbedürfnis unterworfenen Krankenhausbehandlungen und weiteren speziellen Fallgruppen.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
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greifend ärztlich geleitete Einrichtungen, die eine interdisziplinäre Versorgung verschiedener Dienstleistungsgruppen (ärztlich/nichtärztlich) „aus einer Hand“ anbieten.87 Die Art der Abrechnung der Behandlung eignet sich ebenfalls nur eingeschränkt zur Abgrenzung. „Ambulante“ Behandlungen werden vertragsärztlich vergütet im Rahmen der Gesamtvergütung nach EBM. Allerdings bestimmt nicht die Art der Vergütung die Art der Behandlung, sondern umgekehrt. Das heißt, dass der ärztlich indizierte Behandlungsbedarf bzw. die entsprechende Versorgungsart die abrechnungsrechtliche Zuordnung bedingt.88 d) Zusammenfassung Eine Zuordnung der Gesundheitsdienstleistungen unter die Sektoren der SSCListe bedarf bei Schönheitsbehandlungen, Rehabilitations- und Pflegeleistungen sowie vertragsärztlichen und Krankenhausdienstleistungen im Einzelfall näherer Prüfung. Ästhetische ambulante Eingriffe durch einen Arzt sind als Dienstleistung i.S.v. der Untergruppe 1.A.h. der SSC-Liste, im Falle stationärer Erbringung unter 8.A einzuordnen. Sofern es nicht um operative Eingriffe geht, handelt es sich um Wellness-Leistungen, die Sektor 12 unterfallen. Ambulante nicht operative, aber medizinisch indizierte Behandlungen durch Angehörige nichtärztlicher Heilberufe, einschließlich traditioneller Chinesischer Medizin werden als medizinische Dienstleistungen paramedizinischer Anbieter dem Sektor 1.A.j. zugeordnet. Rehabilitations- und Pflegeleistungen, die stationär erbracht werden, unterfallen umfassend den sozialen Dienstleistungen der Untergruppe 8.C. Hingegen sind ambulante medizinische Rehabilitations- und Pflegeleistungen 1.A.j zuzuordnen, ambulante soziale Rehabilitations- und Pflegeleistungen gehören wiederum zu der Untergruppe 8.C. Die starke Verzahnung stationärer und ambulanter Leistungen erschwert zunehmend eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Leistungen des Sektors 1.A. und 8.A. Als Indiz für eine Krankenhausbehandlung kann hier auf das Kriterium der behandlungsnotwendigen Übernachtung zurückgegriffen werden.
87
Zum Begriff siehe AOK-Bundesverband, Lexikon, abrufbar unter http://www.aok-bv.de/ lexikon/index.html, Stand: Oktober 2012; kritisch zu den Auswirkungen von MVZ auf die deutsche Gesundheitsversorgung Rixen, in: Felix (Hrsg.), Auswirkungen des GKV-WSG auf Versorgungsstruktur und Wettbewerbsordnung, S. 72 ff. 88 BSG Urt. v. 4. März 2004 – B 3 KR 4/03, Rn. 27; siehe auch Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 200.
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
3. Zwischenergebnis GATS-relevant sind folgende Dienstleistungen des deutschen Gesundheitssystems: Dienstleistungen der ambulanten und stationären Versorgung, einschließlich der dienstleistungsbezogene Teil des pharmazeutischen Handels, die Versicherungsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherer sowie die Dienstleistungen der Pflegeversicherung – und über die GKV hinaus sonstige Wellness- und Schönheitsbehandlungen. Die Gesundheitsdienstleistungen werden vier Sektoren der SSCListe zugeordnet: 1 („professionelle Dienstleistungen“), 7 („Versicherungsdienstleistungen“), 8 („Gesundheits- und Sozialdienstleistungen“) und 12 („sonstige, nicht anderweitig zugeordnete Dienstleistungen“). Durch Verweis der Mitglieder in den dem GATS angehängten Verpflichtungslisten auf die Dienstleistungsbeschreibungen der CPC-Liste der Vereinten Nationen können sämtliche Gesundheitsdienstleistungen des deutschen Gesundheitssystems klassifiziert und einem der Sektoren zugeordnet werden. Die Sektorbestimmung der Gesundheitsdienstleistung ist allerdings nur eine der nach GATS vorzunehmenden Qualifikationen, um die Marktöffnung in dem jeweiligen Sektor in der nationalen Verpflichtungsliste festzulegen. Daneben tritt die Bestimmung der konkreten Form der Grenzüberschreitung der jeweiligen Gesundheitsdienstleistung nach einer der vier Erbringungsmodi des GATS.
II. Die vier Modi der Dienstleistungserbringung Art. I Abs. 2, lit. a) – d) GATS sieht vier Erbringungsmodi vor, denen Gesundheitsdienstleistungen wie folgt zugeordnet werden können.89 Modus 1 (cross-border supply) regelt die Erbringung einer Dienstleistung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds. Im Gesundheitsbereich geht es hier vor allem um Formen der sog. Gesundheitstelematik oder e-health (1.). Unter Modus 2 (consumption abroad) begibt sich der Empfänger in das Hoheitsgebiet, in dem sich der Dienstleister aufhält, um die Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Im Gesundheitsbereich werden diese Fälle unter die sog. Patientenmobilität gefasst (2.). Im Rahmen von Modus 3 wird die Dienstleistung in einem anderen WTO-Mitglied mittels kommerzieller Präsenz erbracht. Beispiele im Gesundheitswesen sind Direktinvestitionen in Krankenhausunternehmen im Ausland oder Versicherungsgesellschaften, die eine Auslandsniederlassung bzw. eine Auslandszweigstelle einrichten (3.). Schließlich umfasst Modus 4 die Formen sog. Arbeitsmigration (4.). Diese Art grenzüberschreitender Dienstleistungserbringung ist besonders für Entwicklungsländer von Bedeutung, da vielfach die Arbeitsmärkte der Industriestaaten insbesondere für Pflegekräfte und Hebammen bzw. Geburtshelfer hohe Zugangshürden vorsehen. 89 Zu den vier Erbringungsmodi allgemein, Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.),WTO-Recht, § 20, Rn. 31 ff.; UN/EG/IWF/OECD, S. 34 ff.; siehe auch Anhang 1.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
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1. Modus 1: E-health Im Modus 1 (cross-border supply) überschreitet nur die Gesundheitsdienstleistung die Grenze – entsprechend der sog. Korrespondenzdienstleistung auf EUEbene.90 Die Art der Übertragung der Korrespondenzdienstleistung ist für die Anwendung der GATS-Vorschriften unerheblich (Konzept der technologischen Neutralität).91 Im Gesundheitsbereich sind der Hauptanwendungsfall des Modus 1 inzwischen e-health-Dienstleistungen, d. h. die Erbringung von Dienstleistungen unter Einsatz von Informations- und Telekommunikationstechnik (IKT).92 E-health ist allgemein der Oberbegriff für im Großen und Ganzen zwei Arten von elektronischen Dienstleistungen: Elektronische medizinische Dienstleistungen (Telemedizin, z. B. eRadiologie) und die sonstige Nutzung von IKT im Gesundheitsbereich (z. B.: e-commerce, e-business und e-learning in Unternehmen, der öffentlichen Verwaltung sowie Aus- und Fortbildungseinrichtungen). Die Telemedizin umfasst den Einsatz von Telematikanwendungen (Telediagnostik, Telekonsultation durch beispielsweise elektronische Hausbesuche oder Videokonferenzen zwischen Ärzten, Telemonitoring, Teleradiologie und -pathologie, -dermatologie, -chirurgie etc.), um die räumliche Trennung von Patient und Arzt oder anderen Ärzten bei einer Behandlung zu überwinden.93 Zu den e-health-Managementdiensten i.w.S. gehören z. B. Praxis- oder Krankenhausinformationssysteme, aber auch die Onlineverwaltung elektronischer Patientendatensysteme, die z. B. die elektronische Übertragung von Verschreibungen und Überweisungen an den Facharzt für alle Beteiligten, vor allem den Patienten, einsehbar machen.94 Weitere Angebote sind Online-Plattformen, auf denen Patienten ihre elektronische Patientenakte ablegen und verwalten können. Über ein Passwort gesichert kann jeder sein individuelles Gesundheits-Profil anlegen und z. B. Diagnosen, Medikationen sowie Laboruntersuchungsergebnisse einstellen und mittels einer Suchfunktion gezielt nach Ärzten, Krankenhäusern und speziellen Behandlungen suchen.95 90
Siehe oben Teil 1 unter B. Zum Begriff Adlung/Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 83 (90). 92 Näher zum e-health-Begriff siehe den Überblick der WHO, abrufbar unter http://www. euro.who.int/telemed, Stand: Oktober 2012, sowie der Europäischen Kommission unter http:// ec.europa.eu/information_society/activities/health/what_is_ehealth/, Stand: Oktober 2012; siehe ebenso Singh, Electronic Commerce, S. 10 ff.; WHO, Health Informatics, S. 4 ff. 93 Nähere Informationen zu technischen Fragen und Initiativen in Deutschland abrufbar u. a. auf der Telematikplattform für Medizinische Forschungsnetze (TMF e.V.) unter http://www. tmf-ev.de/Home.aspx, Stand: Oktober 2012. 94 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung über Nutzen der Telemedizin für Patienten, S. 4. 95 Kritisch Pieper, ÄrzteZeitung.DE v. 24. Juni 2008. Zu der ähnlich weit vorangeschrittenen Entwicklung des sog. dossier médical personalisé électronique in Frankreich siehe Hernekamp, Les retombées du droit communautaire, S. 30 f. 91
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Gerade Schwellenländer bieten ein zunehmend starkes e-health-Angebot.96 So macht e-health allen voran in Indien und in den Philippinen einen großen Wirtschaftszweig aus. Industriestaaten nutzen die unterschiedlichen Zeitzonen, um z. B. kosten- und zeitsparende Transkriptionen von diktierten medizinischen Berichten wie Arztbriefen (medical transcriptions) aber auch Ferndiagnosen, vor allem per Teleradiologie, in den Schwellenländern einzukaufen.97 Diese Techniken gewinnen an Bedeutung, bieten aber auch besondere Herausforderungen im Hinblick auf Qualitäts- und Sicherheitsstandards der Dienstleistungen sowie die Kompatibilität der verschiedenen Techniken der beteiligten Gesundheitssysteme. Notwendig ist zum einen eine sichere Übertragung medizinischer Daten und Informationen für die Prävention, Diagnose, Behandlung und Weiterbetreuung von Patienten in Form von Text, Ton und Bild oder in anderer Form. Zum anderen müssen vor allem Fragen des Datenschutzes sowie Anforderungen an ethische und haftungsrechtliche Standards geklärt werden, um weltweit,98 aber auch auf europäischer Ebene,99 eine stärkere Liberalisierung dieser Distanzdienstleistungen zu ermöglichen. 2. Modus 2: Patientenmobilität Modus 2 (consumption abroad) umschreibt die Dienstleistungsinanspruchnahme des Verbrauchers bzw. Patienten im Ausland. Diese Erbringungsart entspricht der passiven Dienstleistungsfreiheit des EU-Binnenmarktes. Im Unterschied zu Modus 1 wird hier im Schrifttum eine physische Ortsveränderung des Verbrauchers gefordert.100 Erfasst sind damit Patienten, die für eine Behandlung ins Ausland („Gesundheitstouristen“) reisen oder Touristen, die im Ausland erkranken und eine medizinische Notversorgung vor Ort benötigen, aber auch Personen, die ihren Ruhestand im Ausland verbringen sowie Wanderarbeitnehmer und Beschäftigte internationaler Organisationen, die Krankenversicherungsschutz in mehreren Ländern genießen.101 Obwohl die Daten dieser grenzüberschreitenden Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen weder auf internationaler noch auf EU- oder nationaler
96
Scott, in: Wootton/Patil/Scott/Ho (Hrsg.), Telehealth in the Developing World, S. 55. Chandran, Financial Times Deutschland v. 7. Dezember 2008. 98 Näher Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 203 ff. 99 Insoweit kündigte die Kommission an, die Entwicklung der e-Health u. a. mit Leitlinien, einem Pilotprojekt zum Telemonitoring, einer Informationsplattform und einem Strategiepapier zur Interoperabilität, Qualität und Sicherheit unterstützen zu wollen, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Mitteilung über den Nutzen der Telemedizin für Patienten, Anhang, S. 16 f. 100 Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.),WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 42. 101 Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 210. 97
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Ebene bisher systematisch erfasst werden102, wird diesem Markt ein hohes Wachstumspotential beigemessen.103 3. Modus 3: Niederlassung und Direktinvestitionen Unter Modus 3 (commercial presence) ist die Dienstleistungserbringung mittels gewerblicher Niederlassung in einem anderen WTO-Mitgliedstaat gefasst. Dazu zählt jede geschäftliche oder berufliche Niederlassung in einem anderen WTOMitgliedstaat. Klassische Beispiele sind die Dienstleistungserbringer, die in einem anderen WTO-Mitgliedstaat Immobilien kaufen oder mieten und hier Zweigniederlassungen oder Agenturen errichten. Erfasst werden auch ausländische Investitionen – meist verbunden mit ITTransfer – in Einrichtungen anderer GATS-Mitglieder. Im Gesundheitssektor geht es insoweit vor allem um Investitionen in den deutschen Markt, z. B. durch den Kauf von Anteilen an Unternehmen, die Krankenhäuser, private Krankenversicherungen oder andere Gesundheitsdienstleistungen anbieten und oder im Gesundheitsbereich aus- und fortbilden. Um das Investitionsrisiko zu senken beschränken sich z. B. expansive Universitätskliniken auf Management- oder Serviceverträge oder einen Einstieg in den ausländischen Markt über Joint Venture-Verträge mit Kooperationspartnern vor Ort. Riskanter sind hingegen Betreibermodelle mit unmittelbarem Markteintritt durch Übernahme eines Unternehmens oder Investorenmodelle mittels Übertragung von Marken, Managementsystemen und Geschäftsmodellen.104 Das wirtschaftliche Potential und die Auswirkungen der ausländischen Direktinvestitionen auf die Gesundheitssysteme der WTO-Mitglieder sind bisher erst sehr wenig erforscht. Zu den grundlegenden Fragen gehören die Auswirkungen auf den Gesundheitsstatus der Bevölkerung, der angemessene Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Auswirkungen auf Quantität und Qualität der Gesundheitsdienstleistungen des betroffenen Unternehmens sowie des gesamten Gesundheitssystems wie auch die Auswirkungen auf die Finanzierung, insbesondere eine mögliche Verschiebung innerhalb von beitragsfinanzierten Systemen zum Kapitaldeckungsprinzip und eventuellen Konzentrationsprozessen durch weitere Krankenhausfusionen.105 102
Nach Art. 19 des Richtlinien-Entwurfs der Kommission soll zukünftig im EU-Binnenmarkt ein System grenzüberschreitender Datenerhebung aufgebaut werden. 103 UNCTAD/WHO, Rn. 70; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Community action on health services, S. 34. Zur Bedeutung von Modus 2 für Entwicklungsländer siehe Warner, S. 2 ff. 104 Näher dazu Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 215 f. 105 Eingehend dazu Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/ Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 220 f.
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
Im Falle der ausländischen Direktinvestitionen zeigt sich ein weiterer Unterschied des GATS zum EU-Recht. Denn im Binnenmarkt ist insoweit zu prüfen, ob nicht an Stelle der Dienstleistungsfreiheit in dem jeweiligen Fall die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV (ex-Art. 56 EG) einschlägig ist. Die unmittelbare Errichtung gewerblicher Niederlassungen ist im Binnenmarktrecht wiederum eine Frage der Niederlassungsfreiheit nach Art 49 AEUV (ex-Art. 43 EG) und nicht, wie im GATS, des Dienstleistungsregimes. Dem GATS liegt mithin ein rechtlich umfangreicherer Ansatz als dem EU-Freizügigkeitsrecht zugrunde. 4. Modus 4: Arbeitsmigration Nach Modus 4 (presence of natural persons) überschreitet der Dienstleistungserbringer (zwingend eine natürliche Person) die Grenze, um im Empfängerstaat vorübergehend die Dienstleistung auszuüben. Dies entspricht der aktiven Dienstleistungsfreiheit des Binnenmarktrechts. Entscheidend ist mithin, dass die Tätigkeit der Selbstständigen und Angestellten im Empfängerstaat nicht dauerhaft erfolgt.106 Die Frage, ab wann eine Tätigkeit noch vorübergehend und ab wann dauerhaft ist, steht nach Ziff. 2 und 4 der gesonderten Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen, grundsätzlich im Ermessen der WTO-Mitglieder.107 Sie betonen in dieser Anlage noch einmal ihre umfassende Kompetenz, Zugang und Aufenthalt ausländischer Arbeitnehmer zu regulieren, insbesondere Marktzugang und Inländerbehandlung auf die oben genannten bestimmten Personengruppen zu beschränken.108 In den Verhandlungen des GATS wie auch in den bilateralen Freihandelsabkommen z. B. der EU mit Indien109, zeigt sich immer wieder, dass die Frage der Arbeitsmigration besonders heikel ist. Dabei stehen die Entwicklungs- und Schwellenländer mit ihrem Interesse an umfassender Marktöffnung, d. h. insbesondere auch der Einbindung von geringqualifizierten Arbeitskräften, den Industriestaaten und ihren Befürchtungen gegenüber, durch Marktöffnungsverpflichtungen eine schwerkontrollierbare Arbeitsmigration anzustoßen. Modus 4 erfasst drei Grundtypen der Dienstleistungserbringung: – vertraglich gebundene Dienstleistungserbringer (contractual service suppliers – CSS): Dazu zählen Beschäftige juristischer Personen (employees of juridical persons – EJP, z. B. angestellte Ärzte in Krankenhäusern oder MVZs) und freiberuflich Tätige (independent professionals – IP, z. B. niedergelassene Ärzte); 106 Die EU-Mitgliedstaaten haben den Aufenthalt auf grundsätzlich max. 12 Monate beschränkt. Siehe dazu die horizontalen Verpflichtungen, die die EU-Mitgliedstaaten in die dem GATS angehängte EU-Länderliste eingetragen haben in Teil 3 unter C.II. 107 WTO, Issues relating to the Scope of the GATS, Rn. 6. 108 Mit Beispielen Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 20, Rn. 36. 109 Übersicht zur Verhandlungspartnern und -stand der Kommission abrufbar unter http://ec. europa.eu/trade/creating-opportunities/bilateral-relations/, Stand: Oktober 2012.
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– innerbetrieblich versetzte Beschäftige in Auslandsniederlassungen (inter-corporate transferees, ICT: Dazu zählen Manager, Spezialisten und graduierte Trainees); – Geschäftsreisende (business visitors – BV, z. B. Versicherungsvertreter)110.
Nicht abschließend ist bislang geklärt, welche Arten von Beschäftigungsverträgen unter diese drei Erbringungsarten fallen. Es wird u. a. diskutiert, ob unter GATS nur ein Beschäftigungsverhältnis fällt, dessen Vertrag mit dem ausländischen Arbeitnehmer vor Ort im Gastland abgeschlossen wurde oder der Dienstleister im Heimatland bei einem Unternehmen angestellt sein muss, das über seine Entsendung einen Vertrag mit einem Unternehmen im Empfangsstaat geschlossen hat.111 Nach Ansicht des WTO-Sekretariats fällt insoweit ein Arzt aus Indien, der vor Ort in den USA Zugang zum Beschäftigungsmarkt sucht, nicht unter Modus 4. Das heißt, dass ein ausländisches Unternehmen, das in seinem Sitzstaat einen vor Ort sich aufhaltenden ausländischen Dienstleister direkt rekrutiert, nicht dem GATS unterfällt.112 Darüber hinaus stellen sich über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehende vor allem für Entwicklungsländer relevante Fragen zu Stellung und Rechtsschutz der Arbeitnehmer im Gastland und damit auch nach der Geltung von Sozialstandards im GATS bzw. WTO-Regime sowie nach Versorgungsengpässen durch Arbeitskräftemangel infolge der Abwanderung von Ärzten und Krankenschwestern aus Entwicklungs- und Schwellenländern in andere Staaten zumeist desselben Sprach- oder Kulturkreises, die bessere Arbeits- und Entgeltbedingungen anbieten.113 5. Zwischenergebnis Das größte Wachstumspotential von Gesundheitsdienstleistungen wird Modus 1 beigemessen wegen der fortschreitenden technischen Entwicklung der e-healthTechnik. Fragen, die für eine intensivere grenzüberschreitende Gesundheitstelematik zu klären sind, betreffen ethische, datenschutzrechtliche und -technische, regulierungsrechtliche und -technische wie auch haftungsrechtliche Aspekte. Von großer aktueller Bedeutung vor allem für Industriestaaten ist die Dienstleistungserbringung mittels kommerzieller Präsenz nach Modus 3. Allerdings sind die Auswirkungen ausländischer Direktinvestitionen auf das deutsche Gesund110
Näher zu den nach Modus 4 erfassten Personengruppen, Falke, S. 98 ff. Eine Übersicht über das Schrifttum geben Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/ Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 222. 112 WTO, Health and Social Services, Rn. 56. Mit weiteren Beispielen und Nachweisen Wiegemann, S. 94 ff. 113 Eingehend dazu Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/ Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 223. Zur Entwicklungsperspektive des Gesundheitsdienstleistungshandels unter GATS siehe Mashayekhi/Julsaint/Tuerk, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 17 ff. 111
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Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
heitssystem, insbesondere die Auswirkungen auf Zugang, Quantität und Qualität der Gesundheitsdienstleistungen und ihre Finanzierung, bisher nicht umfassend untersucht. Der hohe Regulierungsgrad des deutschen Krankenhausmarktes hat bisher den Einstieg ausländischer Investoren immerhin stark begrenzt. Von bislang geringerer, künftig aber wohl steigender Relevanz ist schließlich Modus 2. Größte Hindernisse sind hier vor allem die unterschiedliche Qualität der Gesundheitsdienstleistungen der verschiedenen WTO-Mitglieder, der unterschiedliche Zugang der Bevölkerung zu Gesundheitsdienstleistungen in den Mitgliedstaaten, unterschiedliche Finanzierungsmechanismen, vor allem aber auch unterschiedliche Kostenerstattungsmöglichkeiten in den sozialen Krankenversicherungssystemen, soweit die WTO-Mitglieder solche überhaupt vorsehen. Ein Sachleistungsexport gesetzlicher Krankenversicherungsleistungen in Drittstaaten findet nur mit Einschränkungen nach § 18 SGB V und sofern bilaterale Sozialversicherungsabkommen Sonderregelungen vorsehen statt. Der grenzüberschreitende Krankenversicherungsschutz in den WTO-Mitgliedern hängt damit wesentlich von privaten Auslandsversicherungen und damit von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Versicherten ab.114 Modus 4 ist traditionell für Entwicklungs- und Schwellenländer von größter Bedeutung. Einerseits haben sie ein Interesse daran, dass ihre Arbeitskräfte Zugang zu den Arbeitsmärkten der Industriestaaten erhalten und im günstigsten Falle Knowhow und Devisen zurückfließen. Die Industrieländer verfahren hier in der Mehrheit defensiv und öffnen ihre Arbeitsmärkte nur geringfügig soweit Arbeitskräftemangel herrscht.115 Nachteil der Abwanderung der Arbeitskräfte in die Industrieländer ist die große Gefahr des sog. brain drain – i.S. eines schleichenden Mangels von vor allem qualifizierten Ärzten vor Ort –, der vielfach zudem auch mit dem Abbau von Ausbildungskapazitäten im Herkunftsland einhergeht.
III. Würdigung des Ansatzes im GATS und im EU-Recht Das dem GATS zugrunde liegende Konzept der Gesundheitsdienstleistung ist nicht deckungsgleich mit dem Ansatz des EU-Rechts. Zwar knüpfen beide sowohl an den Dienstleistungsbegriff an als auch an die binnenmarktwirtschaftlichen bzw. die außenhandelsrechtlichen Diskriminierungs- und Beschränkungsverbote bei Grenzübertritt. Auch fehlt beiden Regimen eine Legaldefinition der Gesundheitsdienstleistung – wobei das EU-Recht zumindest eine Definition der Dienstleistung in Art. 57 AEUV (ex-Art. 50 EG) aufweist. Ebenso finden sich in beiden Regimes ähnliche Ansätze zur Abgrenzung ambulanter und stationärer Behandlungen, wenn letztlich auf die Notwendigkeit der Übernachtung des Patienten im Krankenhaus
114 115
Siehe in der Einführung unter „Marktöffnung bottom up“. Adlung/Carzaniga, S. 357.
C. Enumerative Begriffsbestimmung im GATS
59
abgestellt werden kann. Schließlich sind Teilnehmer des Dienstleistungshandels in beiden Regimes sowohl natürliche als auch juristische Personen. Unterschiede ergeben sich vor allem bei der Frage, welche grenzüberschreitenden Erbringungsformen als Dienstleistungsausübung erfasst werden. Nicht auf jede Gesundheitsdienstleistungserbringung, die dem GATS-Regime unterworfen ist, findet auch die EU-Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 ff. AEUV (ex-Art. 49 ff. EG) Anwendung. Hier zeigt sich, dass das GATS eine zusätzliche Form grenzüberschreitenden Handels kennt: Der dritte Erbringungsmodus mittels „kommerzieller Präsenz“ nach Art. I Abs. 2 lit. c) GATS ist im Binnenmarktrecht kein Fall der Dienstleistungsfreiheit. Er wird vielmehr der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV; ex-Art. 43 EG) zugeordnet, wenn sich der Dienstleister über die Grenze bewegt bzw. im Falle ausländischer Direktinvestitionen ggf. der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV; ex-Art. 56 EG) unterstellt.116 Das Dienstleistungsregime des GATS geht insoweit weiter als die Dienstleistungsfreiheit des AEUV.117 Darüber hinaus unterfällt der im GATS als Dienstleistungserbringung anerkannte Teil des pharmazeutischen Vertriebs im EU-Recht idR auch der Warenverkehrsfreiheit. Das GATS wiederum stellt strengere Anforderungen als das EU-Recht an juristische Personen aus Drittstaaten, die sich in einem GATS-Mitglied mittels kommerzieller Präsenz nach Modus 3 niederlassen wollen. Während das EU-Recht von dem Drittstaatsunternehmen den Nachweis einer tatsächlichen oder dauerhaften Verbindung zur Wirtschaft eines EU-Mitgliedstaats ausreichen lässt, kann eine Geschäftsniederlassung in einem GATS-Mitglied, die von einem drittstaatsansässigen Unternehmen kontrolliert wird, sich nicht auf das GATS berufen.118 Die Ursache für den unterschiedlichen Ansatz der Dienstleistungsregime im EUund Welthandelsrecht und damit auch ihrer Annäherung an den Begriff der Gesundheitsdienstleistung, liegt vor allem in der stärkeren volkswirtschaftlichen Prägung des reinen Handelsregimes GATS119 gegenüber der durch den Binnenmarkt stärker verrechtlichten und durch eine politische, soziale Union abgerundeten EU.120 Im Welthandelsrecht stellt sich die volkswirtschaftliche Frage, ob die entsprechende Tätigkeit dem primären, sekundären oder tertiären Wirtschaftssektor und entspre116 Zur Abgrenzung bzw. tendenziell kumulativen Anwendung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit im EU-Recht bei Direktinvestitionen, siehe Bröhmer, in: Calliess/ Ruffert, EUV/EGV, Art. 56, Rn. 25 ff. 117 Zur Frage der Subsidiarität der Dienstleistungsregime in GATS und EU-Recht gegenüber den Grundsätzen des Warenhandels und den übrigen Grundfreiheiten Wiegemann, S. 54 f., 98. 118 Eingehend Wiegemann, S. 106 ff., 112 f.; zur diesem qualifizierten Ansässigkeitserfordernis im EU-Recht Tiedje/Troberg, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar EUV/EGV, Art. 48 EG, Rn. 12. 119 Zu den Problemen einer volkswirtschaftlichen Definition des Dienstleistungsbegriffs im Hinblick auf Gesundheitsdienstleistungen, Lindl, S. 28 ff., 67. 120 Zu den Direktiven einer Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion des EU-Vertrags, siehe Blanke, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 2 EUV, Rn. 5.
60
Teil 1: Begriff der Gesundheitsdienstleistungen im GATS
chend dann dem Waren- oder Dienstleistungshandel zuzuordnen ist.121 Die Unterscheidung in Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfragen ist für das GATS irrelevant, da sie beide den tertiären Sektor betreffen.
D. Ergebnis zu Teil 1 Zusammengefasst lassen sich sieben entscheidende Ordnungsmerkmale von Gesundheitsdienstleistungen ausmachen: Tabelle 2 Merkmale von „Gesundheitsdienstleistungen“ Merkmal
Beispiel
Gegenstand
Personenbezogene, sachbezogene, bevölkerungsbezogene Gesundheitsdienstleistungen
Leistungszweck
Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege; Notfallbehandlung, elektiver Eingriff
Leistungsbereich
Ambulante oder stationäre Versorgung; Versicherungsleistung (Finanzdienstleistung)
Leistungsvoraussetzung
Genehmigungsfrei, Genehmigungsvorbehalt (absolut bzw. nur für einen besonderen Versorgungsbereich oder bestimmte Behandlungen) des Kostenträgers
Verwaltungsorganisation
Staat, Private, Selbstverwaltungskörperschaft, institutionalisierte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten
Finanzierung der Versorgung
Öffentliche Hand, Steuern, Beiträge, Versicherungsprämien, private Finanzierung
Abrechnung der konkreten Kostenerstattung, Sachleistung; Sachleistungsaushilfe, SachBehandlung leistungsexport Erbringungsform
Innerstaatlich oder grenzüberschreitend (entweder überschreiten Dienstleister oder Empfänger oder beide oder nur die Gesundheitsdienstleistung die Grenze)
Erbringer
Nicht-/verkammerte, nicht-/akademische Berufe; Selbstständige/Angestellte
Quelle: Eigene erweiterte Darstellung in Anlehnung an Jung, S. 97 ff.
„Gesundheitsdienstleistung“ ist der Oberbegriff für alle unter dem GATS mit Gesundheit befassten Dienstleistungen: Dienstleistungen der ambulanten und stationären Versorgung sowie Pflegedienstleistungen, Versicherungsdienstleistungen
121 Zum Hauptabgrenzungskriterium der Dienstleistung gegenüber der Ware, der „fehlenden Stofflichkeit“ und der „Nichtlagerbarkeit“ der Dienstleistung, siehe Senti/Weber, in: Thürer/Kux (Hrsg.), GATT 94, S. 130. Zur Tertiarisierung der Weltwirtschaft siehe Institut der deutschen Wirtschaft, S. 4 f.
D. Ergebnis zu Teil 1
61
mit Gesundheitsbezug und sonstige Dienstleistungen, die gesundheitsbezogen sind, wie zB. Rettungstransporte oder Labordienstleistungen. Das GATS knüpft seine enumerative Bestimmung der Gesundheitsdienstleistungen entweder an die (natürliche/juristische) Person des Dienstleisters, Art und Zweck der Dienstleistung oder die Art der (grenzüberschreitenden) Erbringungsform. Gesundheitsdienstleistungen i. e.S. werden in vier Sektoren der Dienstleistungsklassifikation des GATS, der SSC-Liste, geführt: 1 („unternehmensbezogene Dienstleistungen“), 7 („Finanzdienstleistungen“), 8 („gesundheitsbezogene und soziale Dienstleistungen“), 12 („sonstige, nicht anderweitig zugeordnete Dienstleistungen“). Anders als es der weite Begriff „gesundheitsbezogene Dienstleistungen“ in Untergruppe 8.A. nahe legt, sind in Sektor 8.A. nur Krankenhausdienstleistungen und solche, die auf eine entsprechende Infrastruktur angewiesen sind, gemeint. Dienstleistungen des ambulanten Versorgungssektors – insbesondere niedergelassener Ärzte – unterfallen Sektor 1.A., dessen Bezeichnung „unternehmensbezogene Dienstleistungen“ insoweit ebenfalls missverständlich ist, als er gerade einen Sektor für Dienstleistungen natürlicher Personen bezeichnen soll. Sämtliche Gesundheitsdienstleistungen des deutschen Gesundheitswesens lassen sich einem der genannten Sektoren zuordnen. Im Zweifel bietet jeder Sektor eine Art Auffangtatbestand. Der SSC-Liste liegt in Anlehnung an die volkswirtschaftliche Produktklassifikationsliste CPC der Vereinten Nationen mithin ein weiter Ansatz zugrunde. Anhand der verschiedenen Dienstleistungssektoren soll den WTO-Mitgliedern eine zielführende Beschreibung ihrer Marktöffnungsstände ermöglicht werden. Dieser begriffsbezogene Ansatz zeichnet den weiten Anwendungsbereich des GATS bereits vor, der grundsätzlich jede Dienstleistung jedes Sektors in jedem Erbringungsmodus erfasst. Der Anwendungsbereich ist demnach nicht unbeschränkt. Vielmehr erfordern eine Reihe von durch besondere Gesundheitscharakteristika bedingte Regulierungsstrukturen Ausnahmen und Einschränkungen bei der Anwendung des GATS. Die Reichweite des Anwendungsbereichs des GATS im deutschen Gesundheitswesen kann mithin im Einzelnen nicht ohne Ansehung der in der Natur der Gesundheitsdienstleistungen begründeten besonderen Charakteristika und entsprechenden Regulierung bestimmt werden. Sie sind Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts.
Teil 2
GATS-handelsrelevante Regulierung von Gesundheitsdienstleistungen Die Wirkungsweise des GATS ist abhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Dienstleistungssektors, auf den es Anwendung findet. Die noch in Teil 3 zu untersuchende Art und Weise, wie die GATS-Liberalisierungsinstrumente auszulegen und anzuwenden sind, ist demnach bedingt durch die sektorspezifischen Strukturen von Gesundheitsdienstleistungen. Gesundheitssysteme und -märkte sind geprägt durch die besondere Bedeutung des Gutes Gesundheit. Hier liegt die Ursache vielfacher Marktfehler. Ohne Regulierung führen sie zu Marktversagen. Regulierung ist daher das zentrale Merkmal von Gesundheitssystemen. Niederschlag findet dieser Regulierungsansatz in dem Gesamtsicherstellungsauftrag der Sozialleistungsträger für den Vollzug des Sozialrechts (§ 17 Abs. I Nr. 2 SGB I).1 Im Bereich der ambulanten Gesundheitsversorgung ist er konkretisiert in dem Sicherstellungsauftrag der jeweiligen regionalen KV gegenüber den Krankenkassen in § 75 Abs. 1 SGB V.2 Der Leistungsumfang wird in § 73 SGB V konkretisiert. Im Bereich der stationären Versorgung obliegt der Sicherstellungsauftrag gem. § 1 KHG den Ländern, die wiederum in den entsprechenden Landeskrankenhausgesetzen die Kommunen mit einbinden.3 Der vielgestaltige Sicherstellungsauftrag der Bevölkerung mit ausreichender ambulanter und stationärer Versorgung ist der wesentliche Grund, weshalb die (Dienst-)Leistungserbringung im Gesundheitswesen immer mehr oder weniger ein geschlossenes System bzw. zumindest kein „gewöhnlicher“ Markt sein wird. Denn die Sozialleistungsträger haben dafür Sorge zu tragen, dass die zur Ausführung der Sozialleistungen erforderlichen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen, sog. Gewährleistungsverantwortung.4 Zwar kann der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung dieser Verantwortung durchaus variieren und insbesondere in unterschiedlicher Intensität Wettbewerbselemente integrieren. Aber auch hier trifft die Sozialleistungsträger eine Art „Marktstrukturverantwor-
1
Neumann, S. 564; Seewald, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB I, § 17, Rn. 3. 2 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 75, Rn. 2 f. 3 Z. B. § 1 LKHG Baden-Württemberg; § 2 LKHG Thüringen. 4 Neumann, S. 564.
A. Regulierungsbegriff und verwandte Konzepte
63
tung“.5 Dieser Wandel des „Leistungsstaates“ zu einem „Gewährleistungsstaat“, der wichtige „Daseinsvorsorgeaufgaben“6 nurmehr noch kooperativ „flankierend steuert“7, hält zunehmend Einzug in das Sozialversicherungs- und hier insbesondere das Gesundheitssystem. Die Regulierung im Gesundheitswesen hat viele Facetten. Das liegt zum einen daran, dass es keinen einheitlichen Regulierungsbegriff gibt, sondern im Großen und Ganzen einen europäischen und einen US-amerikanischen Ansatz (A.). Zum anderen gibt es keine abschließende Zahl von Regulierungsinstrumenten. Vielmehr prägt das Regulierungsziel entscheidend die Ausgestaltung der Regulierung im konkreten Einzelfall (B.). Dementsprechend sind die Regulierungsinstrumente der GKV vielgestaltig gefasst (C.).
A. Regulierungsbegriff und verwandte Konzepte Die Definition des Regulierungsbegriffs variiert je nachdem ob ihm das US- oder europäische Konzept zugrunde gelegt wird (I.). In beiden Fällen ist er stark verschränkt mit den – häufig zu Unrecht synonym gebrauchten – Begriffen der Liberalisierung (II.), der De- und Reregulierung (III.) sowie der Privatisierung (IV.). Grund für diese enge Verzahnung in der Praxis ist, dass nicht zuletzt die finanziellen Engpässe öffentlicher Haushalte zur Folge haben, dass vielfach Aufgaben der öffentlichen Daseinsvorsorge, die ehemals von staatlicher Seite wahrgenommen wurden, zunehmend auf private Anbieter – zumindest teilweise – übertragen werden.8
I. Regulierungsbegriff: US- und europäischer Ansatz Im US-amerikanischen Raum wurde traditionell nur bei Marktversagen zur Aufrechterhaltung von Marktverhältnissen staatlich interveniert. Regulierung zielte hier nicht darauf, Marktkräfte durch redistributive, politische Steuerungsmechanismen zu ersetzen. Demgegenüber ist das europäische Konzept weiter. Markteingriffe zielen nicht nur darauf, Marktversagen zu beheben, sondern auch darauf ab, ökonomische Ziele und soziale redistributive Zwecke zu erreichen.9
5
Zum Begriff Neumann, S. 564. Zum Begriff Forsthoff, Die Verwaltung, S. 19 f.; ders., Rechtsfragen, S. 22 f. 7 Pielow, S. 692. Zum Begriff „Gewährleistungsstaat“, siehe Franzius, S. 493 f. Einen umfassenden Überblick über den Diskussionsstand gibt Schoch, S. 241 f. 8 Falke, S. 52. 9 Näher zu den verschiedenen Regulierungskonzepten, siehe Krajewski, National Regulation, S. 1 f. 6
64
Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Der im deutschen Gesundheitswesen verwandte Regulierungsbegriff beschreibt einen „methodischen Ansatz zur Steuerung von Politikfeldern bzw. Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen, in denen öffentliche, aber nicht unmittelbar hoheitliche Aufgaben ganz oder teilweise durch Dritte wahrgenommen werden“.10 Dieser Regulierungsbegriff erfasst daher auch die sog. Verbänderegulierung, die das deutsche Gesundheitssystem tiefgreifend prägt.11 Die Bismarcksche Sozialgesetzgebung schuf ein vorrangig durch Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziertes und durch Körperschaften des öffentlichen Rechts und Verbände selbstverwaltetes System der sozialen Sicherung. Die kontroverse Diskussion dieses Konzepts deutscher Gesundheitsregulierung und der Reichweite verbandlicher sowie staatlicher Intervention als auch wettbewerblicher Prinzipien, wird in der vorliegenden Arbeit allerdings nur insoweit berücksichtigt, als sie Fragen des grenzüberschreitenden Handels mit Gesundheitsdienstleistungen berührt. Dass und wie eng hier der Bezug zwischen Verbänderegulierung und multilateralem Handelsrecht im internationalen Mehrebenensystem ist, kann – wie noch in Teil 3 zu zeigen sein wird – bereits dem Geltungsbereich des GATS entnommen werden, der gemäß Art. I Abs. 1 GATS grundsätzlich alle „Maßnahmen der Mitglieder, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen“ erfasst.12
II. Liberalisierung Das Konzept der „Regulierung“ scheint mit dem auf den ersten Blick gegenläufigen Prinzip der „Liberalisierung“ unvereinbar. Insoweit weckt das GATS Befürchtungen, seine Liberalisierungsinstrumente bedrohten die Grundfesten nationaler, souveräner Gesundheitsregulierung.13 Beide Konzepte schließen sich allerdings nicht aus. Basiert das europäische (deutsche) Konzept der Regulierung auf der Annahme, dass der Staat und nicht der Markt die gewünschte sozialpolitische -rechtliche Umverteilung gewährleistet,14 so fußt das Konzept der Liberalisierung auf der Annahme, Märkte seien in der Regel besser geeignet, in effizienter Weise die gewünschten Ziele zu erreichen.15 Diese Prinzipien, werden – auch zunehmend im Sozial- und Gesundheitswesen – kumulativ verwendet, geleitet von der Frage, wie10 11
C.II. 12
Straubhaar/Geyer/Locher/Pimpoertz/Völpel, S. 30. Zur Verbänderegulierung im deutschen Gesundheitssystem siehe unten Teil 2 unter
Dazu unten Teil 3 unter B.I. Näher dazu unten Teil 3 unter A.I. 14 Zum deutschen Konzept des „Gewährleistungsstaates“ und dem „Europäischen Gesellschaftsmodell“, siehe Schoch, S. 242 f.; Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Leistungen der Daseinsvorsorge, Rn. 1; dies., Weißbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, S. 4 f. 15 Paulweber/Weinand, S. 232 f.; Schwarze, S. 339. 13
A. Regulierungsbegriff und verwandte Konzepte
65
viel Staat und wieviel Markt notwendig sind, die gewünschten Ziele der effizienten Ressourcenallokation bei sozialpolitisch und -rechtlich gewünschter Redistribution zu erreichen.16 Diese Neuvermessung der Parameter zwischen Solidarprinzip und Wettbewerb17 erfolgt zum einen durch eine gestufte Anwendung von Wettbewerbselementen im Leistungs-, Finanzierungs-, Planungs- und Qualitätssicherungsrecht der GKV. Sie werden näher im Abschnitt der GATS-Verpflichtungen dargestellt, die für sie relevant sind. Die unterschiedliche Anwendungsintensität lässt sich an den „Stufen staatlicher Verantwortung bei der Aufgabenwahrnehmung“18 ablesen. Sie reichen von der staatlichen Erfüllungsverantwortung (Eigenwahrnehmung von Verwaltungskompetenzen) über die Gewährleistungsverantwortung (Übertragung der Ausführung gemeinwohlorientierter Aufgaben an Private) bis hin zur reinen Auffangverantwortung (Reservefunktion der öffentlichen Hand bei Schlecht- oder Nichterfüllung).19 Die Neuvermessung wird auf multilateraler Ebene begleitet durch die Liberalisierungsprinzipien der „Nichtdiskriminierung“, der „gegenseitigen Anerkennung“, „Harmonisierung“ und „Verhältnismäßigkeit“. Der Nichtdiskriminierungsgrundsatz verlangt, dass eine Dienstleistung bzw. ein Dienstleister nicht weniger günstig behandelt wird als eine gleiche oder gleichartige ausländische oder inländische Dienstleistung bzw. Dienstleister. Anders als das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung verlangt der Nichtdiskriminierungsgrundsatz hingegen nicht, dass die Regelungen, Standards etc. eines anderen Landes übernommen werden. Die beiden klassischen Ausprägungen des Nichtdiskriminierungsprinzips, Meistbegünstigung und Inländerbehandlung20, sind die „dynamischen“ Grundpfeiler der Liberalisierung des internationalen (Dienstleistungs-)Handels.21 Demgegenüber finden die Prinzipien der gegenseitigen Anerkennung und der Harmonisierung eher auf Märkten mit ähnlichen politischen, ökonomischen und sozialen Strukturen – mithin meist regionalen Märkten – Anwendung. Im Falle der gegenseitigen Anerkennung erhält eine Dienstleistung, die nach den Vorschriften eines Landes rechtmäßig erbracht wird, auch Marktzutritt zu einem anderen diese Vorschriften anerkennenden Land, ohne erneut diesmal die dortigen Marktzu16 Eingehend dazu Deutscher Bundestag 1990, Band 1, S. 155 – 158; ders., Band 2, S. 145 ff., 169 f.; siehe auch Hänlein, Sozialrecht, S. 618 f.; Pielow, S. 693 f.; Neumann, S. 562 f.; Ramsauer, S. 506 f.; Jacobs, S. 195 f.; Becker, S. 170 f.; Kämmerer, S. 1042 f.; Funk, S. 1726 f.; Isensee, S. 450; Gassner, Daseinsvorsorge, S. 130 f.; Leube, S. 450 f.; von Schwanenflügel, S. 286 f.; Arnold, S. 194 f.; Richter, S. 810 f.; Merten, S. 594; Gassner, Re-Regulierung, S. 282 f.; Pitschas, S. 266 f. 17 Dazu näher auch Ramsauer, S. 505; Hänlein, Sozialrecht, S. 624; zur Frage, inwieweit das Wettbewerbsrecht auch dem Gemeinwohl dient, siehe bereits von Hayek, S. 178. 18 Schoch, S. 244. 19 Schoch, S. 244 f. 20 Krajewski, National Regulation, S. 6. 21 Von dem most generic tool of liberalization spricht Krajewski, National Regulation, S. 6.
66
Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
gangsvoraussetzungen (Berufsqualifikation, Zulassung, Eintragung in Berufskammern) erfüllen zu müssen.22 Die beteiligten Länder haben sich insoweit bei der Kontrolle der Dienstleistungserbringung gegenseitig zu vertrauen. Die Interessen des Bestimmungslandes, die bereits im Herkunftsland geprüft wurden, soll das Bestimmungsland nicht mehr zur Rechtfertigung handelsbeschränkender Maßnahmen anführen können. Im Falle der Harmonisierung wiederum setzt ein internationales oder supranationales Organ einheitliche Standards fest, die für alle Dienstleistungen und Dienstleister der beteiligten Staaten gelten.23
III. De- und Reregulierung Neben die Liberalisierung treten bei der Austarierung von Wettbewerb und Sozialstaat Prozesse der De- und Reregulierung, die oft zusammenfallen mit Privatisierungsprozessen. Deregulierung bezeichnet die Reduzierung oder Abschaffung von Regulierungsmaßnahmen. Reregulierung wiederum etabliert neue Regulierungsmaßnahmen in einem deregulierten Bereich.24 Die Entwicklung des Gesundheitssektors der letzten Jahre ist geprägt durch eine Vielzahl von De- und Reregulierungsansätzen. So wurde beispielsweise in der Beziehung der Versicherer zu den Versicherten einerseits 1996 die freie Kassenwahl eingeführt und damit der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um die Versicherten gestärkt. Andererseits wurde dieser Wettbewerb wieder eingeschränkt, da der zentrale bisherige Wettbewerbsparameter, d. h. die Höhe der GKV-Beiträge (i.S. des „Preises“ der jeweiligen Versicherungsleistung), nunmehr infolge des Wettbewerbsstärkungsgesetzes in der GKV vom 26. März 200725 seit 1. Januar 2009 einheitlich vom Gesetzgeber festgelegt wird.
22
Weiter geht das Herkunftslandprinzip, demnach sich nicht nur der Zutritt auf den Markt des Bestimmungslandes nach dem Recht des Herkunftslandes richtet, sondern auch die Dienstleistungsausübung in dem Bestimmungsland. Zum Herkunftslandprinzip näher Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 14, Rn. 22. 23 Zum Begriff näher Kahl, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 94, Rn. 1. 24 So die grammatikalisch hergeleitete Definition von Krajewski, National Regulation, S. 8, mit weiteren Hinweisen auf die Vielgestaltigkeit und teilweise schwere Fassbarkeit anderweit vertretener konzeptueller Begriffsbestimmung. 25 BGBl. I, 378 f.
A. Regulierungsbegriff und verwandte Konzepte
67
IV. Privatisierung Liberalisierung ist häufig – aber nicht notwendigerweise – verknüpft mit Privatisierungsprozessen, die ihrerseits Reregulierung notwendig machen können.26 Mit der Privatisierung wird die Erwartung effizienterer Organisation i.w.S. verbunden. Der alleinige Wechsel der Eigentümerstellung bzw. Rechtsform birgt aber die Gefahr, „private“ Monopole oder Oligopole zu erzeugen mit wettbewerbsfeindlichen Preiskontrollen und Quersubventionierungsmechanismen, denen durch Reregulierung begegnet werden kann.27 Eine Definition der Privatisierung ist allerdings schwierig zu fassen, da Privatisierungen je nach Objekt und Sektor unterschiedlich gestaltet werden und nahezu sämtliche Rechtsbereiche betreffen können. Aus der überwältigenden Begriffs- und Formvielfalt von Privatisierungen, gibt nachfolgende Übersicht einen Einblick in die im Zusammenhang mit Liberalisierungsprozessen (im Gesundheitswesen) grundlegenden vier Erscheinungsformen von Privatisierungen am Beispiel des Krankenhauswesens: Formelle Privatisierung, materielle Privatisierung, sog. contracting out und Scheinprivatisierung28:
Tabelle 3 Formen der Privatisierung Privatisierungsform
Merkmale
Beispiel im Krankenhauswesen
Formale Privatisierung (Organisationsprivatisierung): Die Aufgabe bleibt als Staatsaufgabe erhalten, wird aber zukünftig in Privatrechtsform bereitgestellt.
Finanzwirtschaftliche Privatisierung
Ruppiner Kliniken gGmbH (Träger: Landkreis OstprignitzRuppin)29
Nutzungsrechtliche Privatisierung Reine Rechtsformänderung
Teilprivatisierung Quantitativ Materielle Privatisierung (Aufgabenprivatisierung): Der Staat überträgt sowohl die Produktion als auch die BeKonditioniert reitstellung eines Gutes Privaten. Vollprivatisierung
26
Verkauf des Krankenhauses Marburg/Gießen an die Rhön-Kliniken AG
Näher Krajewski, National Regulation, S. 7 f. Vickers, in: Newman (Hrsg.), The New Palgrave Dictionary of Economics and the Law, S. 122 f. 28 Ein wirtschafts- und politikwissenschaftlicher Ansatz mit teilweise unterschiedlicher begrifflicher Fassung, inhaltlich aber weitgehender Übereinstimmung findet sich bei Erdmeier, S. 20 f. 29 Klug, S. 1348 f. 27
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Tabelle 3 (Fortsetzung) Privatisierungsform
Merkmale
Beispiel im Krankenhauswesen
Contracting out: Eine unverändert öffentlichrechtliche Aufgabe wird auf selbstständige Private übertragen. Im Rahmen eines Submissionssystems leistet ein privater Dienstleister einer Gebietskörperschaft eine unmittelbar bürgergerichtete Leistung.
Submissionssystem (z. B. Betreibermodelle) Sonstige Mischformen der Kooperation von Privaten und Gebietskörperschaften (z. B. public private partnership)
Serviceleistungen wie Catering, Wäscherei, Gebäudereinigung werden vielfach an private Fachfirmen ausgelagert. In der Universitätsmedizin gibt es bereits eine Reihe von öffentlich-privaten Kooperationen in medizinischen Leistungsbereichen, z. B. Uniklinik Heidelberg/ Neubau der medizinischen Klinik; Uniklinik Ulm/Neurologie und Orthopädie; Klinikumsneubau in JenaLobeda für Chirurgie und Neurologie30
Ersetzung staatlicher Eigenproduktion durch Fremdbezug Konzessionsmodell Gutscheinsystem
Scheinprivatisierung (unechte Privatisierung): Als „unechte“ oder Schein-Privatisierung wird hingegen die Dezentralisierung der Gesundheitsadministration und damit die Übertragung von vormals staatlichen Aufgaben auf die Kommunen bezeichnet Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Möschel S. 120 ff.
Um den Kostendruck zu lindern durch ein stärker an wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtetes Leistungsangebot und eine entsprechende Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, streben viele öffentliche – vor allem kommunale – Krankenhausträger zumindest eine formelle Privatisierung ihrer Krankenhäuser an. Durch diese Privatisierung versprechen sich die Träger zum einen eine Verminderung politischer Einflüsse. Denn kommunale Krankenhäuser – insbesondere in der Rechtsform der Eigenbetriebe – sind häufig derart mit der lokalen Politik verknüpft, dass die Kommunalvertretungsorgane und die Kommunalverwaltung sogar auf Einzelentscheidungen des Tagesgeschäfts des kommunalen Krankenhauses Einfluss nehmen können. Eine formelle Privatisierung bietet mithin die Möglichkeit, zumindest für den Tagesbetrieb eine gewisse Unabhängigkeit von der Politik zu erreichen.31 Zum 30
Näher mit weiteren Beispielen zu PPPs und Privatisierungen in der Universitätsmedizin Wissenschaftsrat, S. 32 ff.; allgemein zu ÖPP-Modellen im deutschen Gesundheitswesen Henze, S. 6 f. 31 Jordan, in: Klauber/Robra/Schellschmidt (Hrsg.), Krankenhaus-Report 2006, S. 163 f.
A. Regulierungsbegriff und verwandte Konzepte
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anderen sind Einsparungen in der Personalpolitik (keine Bindung an den Tarifvertrag öffentlicher Dienst; Pensionsverpflichtungen) möglich.32 Die materielle Privatisierung geht über die formelle hinaus. Sie wird häufig dann in Betracht gezogen, wenn ein Krankenhaus unter kommunaler Trägerschaft dauerhaft defizitär ist. Das Krankenhaus wird zumeist an private Träger verkauft und entlastet zukünftige kommunale Haushalte.33 Zwischen 1995 und 2006 ist die Zahl der Krankenhäuser in privater Trägerschaft von 409 auf 584 gewachsen; die Zahl der freigemeinnützigen Krankenhäuser ist im gleichen Zeitraum von 944 auf 803 und die Zahl der öffentlichen Krankenhäuser von 972 auf 717 gesunken.34 Der Krankenhaussektor tendiert seit mehreren Jahren verstärkt zur formellen wie auch materiellen Privatisierung öffentlicher Krankenhäuser. Zum einen sollen derart die oben bereits genannten Rationalisierungspotentiale gehoben werden. Zum anderen hängen Privatisierungen eng mit den ebenfalls zunehmenden Krankenhausfusionen zusammen.35 Durch Fusionen werden teilweise spätere materielle Privatisierungen vorbereitet, um den Verkaufswert der kommunalen Krankenhäuser zu erhöhen. Durch den Aufbau marktbeherrschender Stellungen können kommunale Krankenhäuser ggf. hochpreisig an private Klinikketten veräußert werden, denen der Aufbau einer marktbeherrschenden Stellung aus fusionskontrollrechtlichen Gründen nicht möglich wäre.36 Die Entscheidung über das „Ob“ und „Wie“ einer Privatisierung ist grundsätzlich allein nationale Entscheidung. Es ist aber nicht auszuschließen, dass die Privatisierungstendenzen zukünftig stärker die Aufmerksamkeit ausländischer Investoren wecken werden. „Ob“ und „wie“ dann ggf. diese Unternehmen über Modus 3 des GATS in den deutschen Markt einsteigen können, entscheiden die Mitgliedstaaten allerdings wiederum selbst durch die entsprechend restriktive oder extensive Gestaltung ihrer nationalen Verpflichtungslisten.37
32 Auch bei freigemeinnützigen Trägern sind beispielsweise durch das spezielle kirchliche Arbeitsrecht besondere Einsparungen in der Personalpolitik möglich. Dazu kritisch Wensierski, S. 56 f. Als Tendenzbetrieben ist ihnen ein sogenannter Dritter Weg der Regelung von Interna ohne Gewerkschaften erlaubt (kein Streikrecht, deutlich weniger Rechte für die Mitarbeitervertretung, kein Betriebsverfassungsgesetz), näher dazu Nowak, S. 15 f. 33 Im Durchschnitt lassen sich durch den Verkauf eines Krankenhauses etwa zwei Drittel seines Jahresumsatzes erlösen, Monopolkommission, Rn. 814. 34 Siehe Monopolkommission, Rn. 814. 35 Dazu näher Monopolkommission, Rn. 105 f.; zur weltweiten Entwicklung siehe Koivusalo, S. 443. 36 Siehe Monopolkommission, Rn. 809. Zu Ursachen der Konzentrationsprozesse und der Anwendung der Fusionskontrolle im Krankenhauswesen eingehend Badtke, S. 26 f., 265 f. 37 Siehe dazu in Teil 3 unter C.II.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
B. Regulierungsziele Die europäische Gesundheitsregulierung lässt zwei übergeordnete Gemeinwohlzwecke erkennen: die ökonomisch effiziente Ressourcenallokation (I.) und die sozialpolitisch motivierte Redistribution (II.). Die ökonomische Motivation zielt auf den Ausgleich von Marktunvollkommenheiten bedingt durch die besonderen Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen, die ohne staatlichen Eingriff zu Marktversagen führen. Die sozialpolitische Motivation zielt darauf ab, den universalen und gleichen Zugang der Bevölkerung zu einer Gesundheitsversorgung hoher Qualität und nachhaltiger Finanzierung durch Umverteilungsmechanismen sicherzustellen.38
I. Ökonomische Motivation: Marktfehler und Marktversagen Die ökonomische Rechtfertigung staatlicher Intervention auf Gesundheitsdienstleistungs-„Märkten“ zum Zweck einer effizienten Ressourcenallokation stützt sich auf bestimmte Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen, die Marktfehler begründen (1.). Das hat erhebliche Implikationen für die Anwendung klassischer Wettbewerbsparameter auf Gesundheitsmärkten (2.). 1. Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen Gesundheitsdienstleistungen sind nicht „lagerbar“, sog. uno acto-Prinzip.39 Sie müssen im Zeitpunkt „ihrer Produktion“ anders als Waren unmittelbar konsumiert werden. Insoweit unterscheiden sich Gesundheitsdienstleistungen allerdings nicht von sonstigen Dienstleistungen. Arzt und Patient müssen grundsätzlich zusammentreffen. Bei Auslandsbehandlungen schlägt sich diese Notwendigkeit im Verhältnis zu einer Inlandsbehandlung regelmäßig in höherer zeitlicher und finanzieller Belastung nieder. Die Auslandsbehandlung muss diese Nachteile durch besondere Qualität, Zusatzleistungen oder niedrigere Preise ausgleichen, um marktwirtschaftlich attraktiv zu sein. Die Preistransparenz wurde innerhalb der EU-Mitgliedstaaten, die den EURO eingeführt haben, zwar bereits verbessert. Allerdings verfügen die Patienten noch bei weitem nicht über eine Marktübersicht, bei welchen Leistungen in welchen Ländern Einsparmöglichkeiten bestehen. Dies aber ist Voraussetzung gezielter Nachfrage nach Auslandsleistungen durch die Versicherten.40 Die Errungenschaften der Gesundheitstelematik können die Nachteile fehlender
38 Mit einem guten Überblick über die systemtheoretischen Begründungsansätze von Regulierungszielen Krajewski, National Regulation, Rn. 11 f.; Schaub, S. 16 f. 39 Einführend hierzu von der Schulenburg/Greiner, S. 66. 40 Siehe dazu Klusen/Agasi, S. 315.
B. Regulierungsziele
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Lagerbarkeit der Gesundheitsdienstleistung gegenüber Gütern entschärfen, da sie u. a. zunehmend Ferndiagnosen- und -behandlungen ermöglicht.41 Mit dem Preis ist die erste Besonderheit angesprochen, die Gesundheitsdienstleistungen grundlegend von anderen „handelbaren“ Dienstleistungen unterscheiden [a)]. Denn die Bestimmung des Preises für Gesundheitsdienstleistungen erweist sich als schwierig angesichts der fehlenden „Handelbarkeit“ des Gutes „Gesundheit“. Darüber hinaus zeichnen sich Gesundheitsdienstleistungen gegenüber anderen Dienstleistungen durch ihren vornehmlich regionalen Versorgungscharakter aus [b)]. Die Funktionsfähigkeit von Markt- und Wettbewerbsprozessen wird darüber hinaus unmittelbar beeinträchtigt durch Marktfehler in Gestalt von Informationsasymmetrien [c)]. Sie können zu einer angebotsinduzierten Nachfrage von Gesundheitsdienstleistungen [d)], Externalitäten [e)] sowie dem Phänomen des sog. moral hazard [f)] und der adversen Selektion [g)] führen. Daneben tritt der Optionsgutcharakter von Krankenhausdienstleistungen, die hohe Fixkosten aufweisen [h)].42 a) Fehlender „Marktpreis“ der Gesundheit Gesundheit und Leben können nicht wie andere Güter auf Märkten gehandelt werden, da es für sie keinen vergleichbaren Marktpreis gibt. Allokationsentscheidungen im Gesundheitswesen dürfen nicht nur nach ökonomischen Gesichtspunkten getroffen werden, sondern müssen angesichts der grundlegenden Bedeutung der Gesundheit für den Menschen auch an der entsprechend rechtlich-ethischen Bedeutung der Gesundheitsdienstleistungen ausgerichtet werden.43 Daher werden in der sozialen gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland die „Preise“ für Gesundheitsdienstleistungen von den Selbstverwaltungsorganen festgelegt – „administriert“44 – und von der Leistung „entkoppelt“. Ausgangspunkt ist das in § 3 SGB V verankerte sog. Solidarprinzip, demzufolge die von den Versicherten zu zahlenden Beiträge nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bemessen werden und Leistung nach Bedürftigkeit gewährt wird.45 Von Preisen für Gesundheitsdienstleistungen im Rahmen der GKV zu sprechen, ist mithin schwierig, da der Patient für eine erbrachte Gesundheitsdienstleistung keinen „Marktpreis“ an den Erbringer zahlt. 41
Zur Gesundheitstelematik oben in Teil 1 unter B.II.1. Eine umfassende ökonomische Bewertung dieser z. T. in ihren Auswirkungen erheblich umstrittenen Marktfehler kann und soll diese Arbeit nicht leisten. Sie konzentriert sich vielmehr darauf, die für die rechtliche Ausgestaltung der Regulierungsinstrumente nationaler Gesundheitsmärkte wichtigsten Marktfehler aufzuzeigen. 43 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 194; näher zu der sozialpolitischen Besonderheit der Gesundheitsdienstleistungen unten in Teil 2 unter B.II. 44 Zu „administrierten Preisen“ im deutschen Gesundheitswesen, siehe auch Hajen/Paetow/ Schumacher, S. 168. 45 Zum Solidarprinzip näher Peters, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 3, Rn. 2 f. 42
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
b) Lokaler, regionaler Versorgungscharakter Gesundheitsversorgung wird meist vor Ort entweder am Wohn- oder Arbeitsort in Anspruch genommen, soweit es das Behandlungsangebot zulässt. Der Grund für die wohn- oder arbeitsortnahe Inanspruchnahme liegt vielfach darin, nicht unnötig Reisezeit und Kosten aufwenden zu müssen, nicht auf familiäre Unterstützung bei längerer Behandlung verzichten und sich in fremder womöglich fremdsprachlicher Umgebung im kranken Zustand zurechtfinden zu müssen.46 Aufgelockert wird dieser regional zentrierte Charakter von Gesundheitsdienstleistungen durch die in der Einführung bereits dargestellte teilweise Durchbrechung des Territorialitätsprinzips der GKV. Das EU-Sozialversicherungskoordinierungsrecht setzt zusammen mit den Grundfreiheiten – insbesondere der Personenfreizügigkeits-, Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit – die Rahmenbedingungen für eine entsprechende grenzüberschreitende Krankenversorgung im EU-Ausland bzw. in den EWR-Vertragsstaaten und der Schweiz. Schließlich wird die Gesundheitsversorgung auch durch die voranschreitende technische Entwicklung in Gestalt der in Teil 1 unter C.II.1. vorgestellten e-health „entgrenzt“. c) Informationsasymmetrien Zu Lasten des Patienten besteht vielfach ein Informationsgefälle, da der Patient in seiner Entscheidung abhängig von dem überlegenen Wissen des Arztes ist, d. h. seine „Konsumentensouveränität“ ist im Hinblick auf mögliche Behandlungspräferenzen eingeschränkt.47 Zu Lasten des Arztes treten Informationsasymmetrien auf, wenn der Patient bereits eine längere Behandlungsgeschichte hat, die von wechselnden Ärzten ggf. auch ambulant sowie stationär betreut wurde, ohne dass die Behandlungsdetails untereinander ausgetauscht werden (können). Zudem kann der Arzt oft nicht kontrollieren, inwieweit der Patient den Anweisungen des Arztes Folge leistet, sog. compliance. Auch erhält der Arzt meist keine Rückmeldung, d. h. er weiß nicht, ob das Fernbleiben seine Ursache in einem Behandlungserfolg findet, oder der Patient nur den Arzt aus Unzufriedenheit über einen gerade nicht eingetretenen Erfolg gewechselt hat.48 Auf dem Versicherungsmarkt herrscht ein Informationsgefälle zum einen zu Lasten der Versicherungen. Diese kennen nicht – mit Ausnahme ggf. bestehender Offenbarungspflichten – eventuelle risikoerhöhende Verhaltensweisen des Versicherungsnehmers wie z. B. Extremsportarten, Vorerkrankungen, ungesunder Le46
TK, S. 28 f. Im Einzelnen hierzu Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Rn. 10. 48 Diesen Umstand betonen insbesondere Straubhaar u. a., siehe Straubhaar/Geyer/Locher/ Pimpertz/Völpel, S. 52 f. 47
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bensstil. Der Versicherungsnehmer wiederum hat keine Kenntnis über die Solvenz oder die Modalitäten der Beitragskalkulation des Versicherungsunternehmens.49 Infolge des Informationsgefälles besteht die Gefahr, dass die Gesundheitsmärkte verzerrt werden. Der uninformierte Verbraucher – sog. principal – möchte natürlich von den Kenntnissen des informierten Arztes – sog. agent – profitieren, ohne beurteilen zu können, ob dieser sein überlegenes Wissen ggf. ausnutzt.50 Erschwerend tritt hinzu, dass Gesundheitsdienstleistungen weitgehend sog. Erfahrungs- oder Vertrauensgüter sind, deren Qualität sich teilweise schwer oder gar nicht feststellen lässt, da die Genesung, sofern sie denn eintritt, häufig auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen ist.51 Um diese Marktverzerrung abzubauen, wird vor allem die Stärkung der Rolle der Versicherungen diskutiert. Zwar fehle ihnen im Einzelfall das Fachwissen, um die Geeignetheit der jeweiligen Behandlung zu beurteilen. Jedoch könnten sie aus dem ihnen zur Verfügung stehenden großen Datenumfang Behandlungsleitlinien – wie sie bereits in den USA praktiziert werden – erstellen und an ihnen das Verhalten der Leistungserbringer messen.52 Informationsasymmetrien werden durch eine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung noch verschärft. Zum einen wird die Information über Dienstleister und Dienstleistung im Ausland insbesondere durch sprachliche und räumliche Barrieren erschwert.53 Zum anderen ist eine Informationsgewinnung im Inland ebenfalls nicht einfach. Inländische Krankenkassen und Ärzte können und sollen grundsätzlich nicht über Behandlungsalternativen im Ausland umfassend aufklären. Vielfach fehlt damit dem Patienten die Kenntnis von eventuell in Frage kommenden alternativen Auslandsbehandlungen.54 Damit eine grenzüberschreitende Inanspruchnahme bzw. Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen überhaupt attraktiv werden kann für die Beteiligten, ist die Information über ausländische Anbieter, Behandlungen und institutionelle Strukturen, aber z. B. auch über evtl. Nachbehandlungsansprüche nach Rückkehr ins Heimatland etc. grundlegend. Daher zielt insbesondere die neue Richtlinie zur Patientenmobilität auf ein verbessertes und zwischen den Beteiligten abgestimmtes Informationsangebot durch nationale Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten (Art. 6), 49
Hervorgehoben von Hajen/Paetow/Schuhmacher, S. 65 f.; siehe Straubhaar/Geyer/Locher/Pimpertz/Völpel, S. 49 f. 50 Zur principal agent-Beziehung im Gesundheitswesen besonders anschaulich Hajen/ Paetow/Schuhmacher, S. 62 f. 51 Im Einzelnen hierzu Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Rn. 10. 52 So der Vorschlag des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Rn. 13. 53 So z. B. die Ergebnisse der Mitgliederbefragung der Technikerkrankenkasse aus dem Jahr 2001 bei Klusen/Agasi, S. 316. 54 Näher zur Informationsasymmetrie Schaub, S. 101.
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die u. a. über Zugang, Haftungsregime und Organisation der Gesundheitsversorgung des eigenen Mitgliedstaates unterrichten sollen. Diese Informationsstellen sollen den Patienten neben den Kostenträgern selbst auf Anfrage Information über Behandlungsalternativen im Ausland geben. Gegenüber dem Arzt des Behandlungsstaates steht dem Patienten hingegen ein Informationsanspruch über Fragen der konkreten Behandlung zu, d. h. insbesondere Behandlungsumfang, -preis, -qualität und Haftungsfragen. Informationsasymmetrie ist mithin vor allem für Patienten und Ärzte ein grundlegendes Problem. Sie kann ohne Gegenmaßnahmen eine sog. „angebotsinduzierte Nachfrage“ begünstigen. d) Angebotsinduzierte Nachfrage, geringe Preiselastizität Die Nachfrage wird durch das Angebot induziert, wenn der Leistungserbringer Art und Umfang seiner Leistung selbst definieren und dadurch die Nachfrage (künstlich) schüren kann. Innerhalb der Arzt-Patienten-Beziehung kann der Arzt die Nachfrage des Patienten nach Gesundheitsdienstleistungen (oder Arznei- und Hilfsmitteln) induzieren, indem er eine (ggf. nicht notwendige) Behandlung empfiehlt, die der Patient in Unkenntnis seines tatsächlichen Behandlungsbedarfs akzeptiert.55 Im Krankenhaussektor wurde angesichts lange Zeit bestehender Bettenüberkapazitäten ebenfalls eine angebotsinduzierte Nachfrage diskutiert.56 Ob und wann eine derartige Angebotsinduzierung der Nachfrage existiert und wie sie ggf. nachgewiesen werden kann, ist höchst umstritten, da hier eine Vielzahl von Faktoren ineinander greifen. Häufig werden die demographische und epidemiologische Entwicklung mit der Entwicklung des Leistungsvolumens verglichen.57 Beispielsweise wurde in der Vergangenheit ein Zusammenhang zwischen Arztdichte und der Höhe der pro Patient gemachten Ausgaben hergestellt. Je mehr Ärzte es gab, desto höher waren die Ausgaben pro Patient. Während einige Autoren hierin den Beweis einer angebotsinduzierten Nachfrage sahen, verneinten dies Andere mit dem Argument, dass sich viele Ärzte bei der Wahl des Ortes ihrer Niederlassung (gerade auch) an Gesundheitsstatus und Behandlungsbedarf der Bevölkerung orientierten.58 Zumindest begünstigend wirke sich die geringe Preiselastizität der Nachfrage auf Gesundheitsmärkten auf eine angebotsinduzierte Nachfrage aus:59 Die Preiselastizität für Gesundheitsdienstleistungen (und -güter) sei gering, da der Patient kaum wegen einer Preiserhöhung auf eine Behandlung oder ein Medikament verzichte, wenn er bzw. der Arzt meine, es helfe seiner Gesundheit. Dies lässt sich zum einen 55
Vgl. statt Vieler Straubhaar/Geyer/Locher/Pimpertz/Völpel, S. 52. Bruckenberger/Klaue/Schwintowski, S. 160. 57 Einen Überblick über den Sachstand mit vielen Einzelbeispielen geben Hajen/Paetow/ Schuhmacher, S. 70 f. 58 Zur Bewertung dieses Faktors, siehe Breyer/Zweifel, S. 256. 59 Vgl. statt Vieler Hajen/Paetow/Schumacher, S. 73. 56
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mit dem hohen Stellenwert der Gesundheit und entsprechend der Gesundheitsdienstleistungen (und -güter) begründen. Zum anderen ist der Preis einer Behandlung bzw. eines Medikaments für viele Patienten immer noch ein Qualitätsindikator.60 Schließlich wird vertreten, dass eine sog. strukturelle Nachfrageschwäche der Gesundheitsmärkte eine angebotsinduzierte Nachfrage begünstige. Die strukturelle Nachfrageschwäche sei Folge der besonderen Marktausgangssituation im Gesundheitswesen: Wenn in einem effizienten Markt der Nachfrager einer Leistung sowohl Konsument, Disponent als auch Geldgeber ist, so nehmen im Gesundheitsmarkt hingegen drei Gruppen von Beteiligten diese Aufgaben war: der Patient als Leistungsempfänger, der über die „Nachfrage entscheidende“ Arzt und die die Versorgung absichernde Krankenversicherung.61 Die natürliche Grenze angebotsinduzierter Nachfrage besteht darin, dass der Patient letztlich nur begrenzt bereit sein wird, Mehrkosten und gerade auch – Behandlungsaufwand und ggf. – damit verbundene Schmerzen und Belastungen zu akzeptieren.62 Des Weiteren können zunehmende Wirtschaftlichkeitskontrollen von Versicherungen und berufsständischen Organisationen sowie die verbesserten Informationsmöglichkeiten für Patienten, die Arbeit des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG)63 und unionsrechtliche Initiativen zur Verbraucher- und Patienteninformation das Risiko einer angebotsinduzierten Nachfrage einschränken. Eine Liberalisierung der Gesundheitssysteme, die sich in einem kooperierenden Informationsmanagement niederschlägt, kann hier zu mehr Markttransparenz und verbesserten zwischenstaatlichen Vergleichsmöglichkeiten führen, mit deren Hilfe einer angebotsinduzierten Nachfrage besser entgegengewirkt werden kann. Angebotsinduzierte Nachfrage könnte allerdings auch handelsrelevante Wirkung entfalten, wenn die Verordnung auch nicht medizinisch indizierter Behandlungen dazu dient, den Patienten angesichts des stärkeren Wettbewerbs zwischen in- und ausländischen Anbietern von der Abwanderung ins Ausland abzuhalten.64 Ebenso ist es denkbar, dass Kostenträger Auslandsbehandlungen in Niedrigpreisländern empfehlen könnten, um Kosten zu sparen. Aus diesem Grund wurde in der Richtlinie zur Patientenmobilität ein entsprechendes Anreizverbot aufgenommen.65 60
Vgl. statt Vieler Hajen/Paetow/Schumacher, S. 74. Eingehend zu den Ursachen geringer Preiselastizität Hajen/Paetow/Schumacher, S. 82 f. 62 Zum Diskussionsstand im Einzelnen m.w.N. Hajen/Paetow/Schumacher, S. 70 f. 63 Gegründet am 1. 6. 2004. Gesetzliche Grundlagen sind §§ 35b, 139a SGB V. Nähere Informationen zu Aufgaben und Arbeitsweise abrufbar unter http://www.iqwig.de/, Stand: Oktober 2012. 64 Diesen Aspekt betont Schaub, S. 101. 65 Erwägungsgrund 4, S. 2: Zudem sollten Patienten bei der Umsetzung dieser Richtlinie in einzelstaatliche Rechtsvorschriften und bei deren Anwendung nicht dazu ermuntert werden, Behandlungen in einem anderen als ihrem Versicherungsmitgliedstaat in Anspruch zu nehmen. 61
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Im GATS haben die Mitglieder die Möglichkeit über die Gestaltung ihrer Verpflichtungslisten den in- und out- flow zu regulieren. e) Externalitäten Eine weitere wirtschaftliche Besonderheit des Gesundheitssektors gegenüber den übrigen Märkten liegt darin begründet, dass Gesundheitsleistungen eine Vielzahl von externen Effekten aufweisen. Solche Externalitäten bezeichnen Vor- oder Nachteile für Dritte, die mit der Produktion oder der Konsumtion von Gütern einhergehen, ohne die Preisbildung zu beeinflussen, da sie für die Kauf-, Produktions- und Verkaufsentscheidung keine Rolle spielen.66 So ist beispielsweise die Folge von Impfungen neben der Immunisierung des Patienten auch der gleichzeitige Schutz der übrigen Bevölkerung vor Ansteckung, ohne dass diese Zeit und Kosten einer Impfung aufzuwenden hat. Ein gesicherter Gesundheitsstand der Bevölkerung ist wiederum ein gewichtiger Standortfaktor, von dem Unternehmen profitieren, ohne ihn (unmittelbar) zu finanzieren. Schließlich wird die Medizin als Erfahrungswissenschaft fortentwickelt und der ärztliche Nachwuchs geschult mit jedem neuen Krankheitsfall. Der Patient wird für diese praktische Wissensvermehrung über die Kuration hinaus nicht entlohnt; aber die zumeist öffentlichen Krankenhäuser, die diese Forschungs- und Ausbildungsfunktion übernehmen, werden grundsätzlich entsprechend subventioniert. Die beschriebenen externen Effekte können unabhängig vom Anbieter oder Kostenträger nicht ausgeschlossen werden. Sie kommen in allen Gesundheitssystemen vor, so dass für eine Liberalisierung und den „Wettbewerb“ der Gesundheitssysteme der Staaten insoweit ähnliche Ausgangsbedingungen herrschen. Eine Verschärfung externer Effekte mit negativen Auswirkungen für die Mitgliedstaaten durch grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung scheint vor diesem Hintergrund eher theoretischer Natur. f) Moral hazard Im Zusammenhang mit Informationsasymmetrien tritt auf Versicherungsmärkten ein weiteres Phänomen auf, das die Steuerbarkeit der Gesundheitsmärkte durch Marktmechanismen in Frage stellt, sog. moral hazard.67 Der Versicherungsnehmer kann „versucht“ sein, risikoreicher zu handeln und ggf. häufiger medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen nach Abschluss einer „vollabsichernden“ Versicherung. Diese Mentalität kann durch das Sachleistungsprinzip und die Versicherungspflicht sowie die risikounabhängige Beitragserhebung begünstigt werden. Ob dem Verantwortungsbewusstsein auf Versichertenseite mit z. B. Selbstbehalten oder Zu66
Eingehend Hajen/Paetow/Schuhmacher, S. 58. Eingehend zum Phänomen des moral hazard in der Sozialversicherung Hänlein, Moral Hazard und Sozialversicherung, S. 579 f. 67
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zahlungen der Versicherten oder Beitragsrückerstattungen abgeholfen werden kann, bleibt abzuwarten. In der Vergangenheit zeigte sich allerdings, dass sich überwiegend niedrige Einkommensbezieher durch Selbstbehalte von Arztbesuchen abhalten ließen.68 Die Gefahr liegt darin, dass durch die finanzielle Belastung notwendige Behandlungen hinausgezögert werden und dadurch letztlich höhere Folgekosten für die dann tatsächlich erst in einem späteren Stadium der Kranheit durchgeführte Behandlung entstehen. Bei den wirklich teuren Behandlungen chronischer oder schwerwiegender Fälle ist hingegen der Eintritt des moral hazard-Phänomens unwahrscheinlich, da niemand sich einer intensivmedizinischen Operation unterzieht, nur weil sie „zum Nulltarif“ erhältlich ist.69 Ob moral hazard durch eine liberalisierungsbedingte größere Behandlungsauswahl zwischen den verschiedenen internationalen Angeboten verschiedener Staaten mit zunehmender Patientenmobilität negativ verstärkt werden könnte, bleibt abzuwarten. g) Adverse Selektion Die sog. adverse Selektion ist eine weitere befürchtete negative Folge der Informationsasymmetrie in rein wettbewerbsmarktlich organisierten Systemen. Der Begriff bezeichnet einen Prozess, bei dem qualitativ hochwertige Güter und Leistungen von geringwertigen verdrängt werden, weil sie trotz ihrer Qualität den Konsumenten nicht bekannt sind und deshalb nicht mehr nachgefragt werden.70 Da Versicherer grundsätzlich keinen Überblick über das Krankheitsrisiko ihrer Versicherungsnehmer haben, müssten sie einen einheitlichen Versicherungspreis verlangen. Gesunde Personen mit geringen Risiken könnten dann ggf. dazu neigen, keine Versicherungsverträge abzuschließen. In der Folge würden Versicherungen verstärkt von kranken Personen genutzt. Diese kumulierten folglich vor allem negative Risiken, so dass ihre Kosten stiegen. Dann müssten entweder die Preise erhöht werden und wären ggf. von den Versicherten nicht mehr finanzierbar, oder besonders kostenintensive Risiken müssten entsprechend aus dem Versicherungsleistungskatalog ausgeschlossen werden. Auch die Staffelung der Preise nach Risikogruppen wäre möglich, um Gesunde zum Abschluss einer Versicherung zu motivieren. Um finanzschwache Personen oder schlechte Risiken nicht versicherungslos zu lassen, ist staatliche Regulierung notwendig z. B. in Form eines Kontrahierungszwangs für private Versicherungen bzw. für die dem Solidarprinzip verpflichteten gesetzlichen Krankenkassen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass die adverse Selektion durch die Entterritorialisierung der Krankenversicherungen, die die mitgliedstaatlichen Krankenversicherungssysteme einem grenzüberschreitenden Wettbewerb unterwirft, verschärft wird. 68 69 70
So die Feststellung von Hajen/Paetow/Schumacher, S. 77. Eingehend Hajen/Paetow/Schumacher, S. 77 ff. Zum Begriff eingehend von der Schulenburg/Greiner, S. 51 f.
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h) Optionsgutcharakter von Gesundheitsdienstleistungen Krankenhausdienstleistungen zeichnen sich darüber hinaus durch besonders hohe Fixkosten aus. Das Krankheitsrisiko realisiert sich unvorhersehbar und ist – von chronischen Fällen abgesehen – nur vorübergehender Natur. Gesundheitsdienstleistungen werden daher in unterschiedlicher Intensität in Anspruch genommen. Sie müssen aber als sog. Optionsgüter für den „Ernstfall“ permanent vorgehalten werden z. B. in Gestalt der Krankenhäuser.71 Staatliche Bedarfsplanung im stationären wie auch im ambulanten Sektor sowie entsprechende Subventionierung im Krankenhauswesen sichert dieses Grundangebot, verzerrt aber die Gesundheitsmärkte. Insbesondere besteht die Gefahr, Überkapazitäten zu schaffen. Der „Gesundheitstourismus“ ausländischer Patienten kann insoweit helfen, vor allem grenznahe Krankenhäuser besser auszulasten. Andererseits darf die Aufnahme ausländischer Patienten nicht zur Einschränkung der Versorgung der inländischen Bevölkerung führen.72 Staatliche Regulierung ist damit notwendig, um den Optionsgutcharakter der entsprechenden Gesundheitsdienstleistungen praktisch wirksam umsetzen zu können. i) Zwischenergebnis Grenzüberschreitend erbrachte Gesundheitsdienstleistungen müssen die mit ihrer Inanspruchnahme i. d. R. verbundenen größeren Entfernungen und damit erhöhten Zeit- und Kostenaufwand mit erhöhter Qualität oder geringeren Behandlungskosten an sich ausgleichen. Soweit der Einsatz von Telemedizin technisch möglich ist, werden die aus der ggf. größeren Entfernung resultierenden Wettbewerbsnachteile von Auslandsdienstleistungen entschärft. Der Preis vieler Behandlungsdienstleistungen wird in den einzelnen Gesundheitssystemen allerdings unterschiedlich „administriert“. Er eignet sich als Wettbewerbskriterium auch im Rahmen der GKV nicht, wenn die Behandlung im Rahmen des Sachleistungsprinzips (Regelfall) abgerechnet wird, da die Patienten den Preis der Behandlung dann grundsätzlich nicht kennen. Für grenzüberschreitende Behandlungsleistungen wird dieser Aspekt allerdings wieder dadurch entschärft, dass hier in einer Vielzahl der Fälle über das Kostenerstattungsprinzip abgerechnet wird.73
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Eingehend zum Begriff der Optionsgüter Breyer/Zweifel, S. 155 f. Zu der Gefahr der sog. Inländerdiskriminierung durch die Auswirkungen der Binnenmarktliberalisierung auf die Gesundheitsversorgung in Deutschland näher Dettling, Ethisches Leitbild, S. 523 f. 73 Sei es, weil der Versicherte die Auslandbehandlung über die EU-Sozialrechtskoordinierungsverordnung EG 883/2004 abwickelt und die damit entscheidende Rechtsordnung des Behandlungsstaates die Abrechnung nach Kostenerstattungsgrundsätzen vorsieht, sei es, weil der Versicherte sich entscheidet, die Auslandsbehandlung direkt über § 13 Abs. 4 bzw. 5 SGB V nach Kostenerstattungsprinzip abzuwickeln. 72
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Die Besonderheiten des Gutes „Gesundheit“ bedingen Marktfehler auf Gesundheitsmärkten. Durch eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung können einige der Marktfehler – insbesondere Informationsasymmetrie, angebotsinduzierte Nachfrage, adverse Selektion – weiter verschärft werden. Die Entterritorialisierung muss insoweit durch entsprechende (Re-)Regulierungsmaßnahmen begleitet werden. Insoweit sieht die neue Richtlinie zur Patientenmobilitiät beispielsweise ein verbessertes grenzüberschreitendes Informationsmanagement über nationale Kontaktstellen vor. Vom Gesetzgeber wurde darüber hinaus 2003 u. a. der § 140e SGB V geschaffen, der eine Wirtschaftlichkeits- und Qualitätskontrolle von ausländischen Dienstleistern ermöglicht, mit denen die Krankenkassen selektive Verträge abschließen können. Festgehalten werden kann darüber hinaus, dass die besonderen Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen wichtige Faktoren sind für die Art und Weise, wie die grenzüberschreitende Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen – von der Korrespondenzdienstleistung über die Patientenmobilität bis hin zur Niederlassung und Arbeitnehmermobilität – gestaltet werden kann. 2. Würdigung Gesundheitsdienstleistungsmärkte zeichnen sich durch Marktmacht bestimmter Teilnehmer in bestimmten Konstellationen aus, die gegenüber anderen Teilnehmern die Bedingungen der Verträge und Preise medizinischer Versorgung bestimmen können.74 Beispielsweise ist das Auftreten angebotsinduzierter Nachfrage Ausdruck von Marktmacht, im Gesundheitsbereich vor allem derjenigen des Arztes infolge seines „Diagnosemonopols“. Der Patient ist angesichts des Informationsgefälles auf ein persönliches Vertrauensverhältnis angewiesen, das den Wechsel zu anderen Ärzten, insbesondere in anderen Kultur- und Sprachregionen und ggf. alternativen Diagnosen und Behandlungsmethoden, erschwert. Gründe für die Entstehung von Marktmacht werden im Gesundheitswesen zum einen der oben erwähnten geringen Preiselastizität der Nachfrage angesichts des hohen Stellenwertes von Gesundheitsgütern und des Preises als Qualitätsindikator zugeschrieben. Zum anderen resultiert sie aus der Dreiecksbeziehung der Nachfrage zwischen Patient, Arzt und Krankenkasse. Die dargestellten Marktfehler bedingen ohne Regulierung Marktversagen. Markt und Wettbewerb eignen sich insofern als Steuerungsprinzipien der Ressourcenallokation auf Gesundheitsmärkten nicht uneingeschränkt. (Re-)Regulierung ist notwendig, um eine finanzierbare, allgemein zugängliche, bedarfsorientierte Versorgung hoher Qualität aufrechtzuerhalten.
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Eingehend zum Begriff Marktmacht Hajen/Paetow/Schumacher, S. 78.
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Leitbild ist hier mithin eine sozialpolitische Motivation, die nachfolgend untersucht wird.
II. Sozialpolitische Motivation: Recht auf Gesundheit Bei der Diskussion um die Strukturierung und Steuerung der Gesundheitsversorgung geht es nicht nur um die wirtschaftliche Frage einer effizienten Ressourcenallokation, sondern auch um die Umsetzung einer gesellschaftspolitisch motivierten Redistribution. Die sozialpolitisch begründete staatliche Intervention im Gesundheitssektor rekurriert auf das Recht jedes Menschen, im Bedarfsfall Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung zu erhalten, unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, seinem generellen Gesundheitszustand, seinem Alter oder seiner familiären Situation.75 Diese Rechte werden in Deutschland für mehr als 80 % der Bevölkerung über eine Pflichtversicherung in der GKV und für die knapp 20 % der Bevölkerung, die die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschreiten, über eine Versicherungspflicht – der entweder bei einer gesetzlichen oder privaten Krankenkasse nachzukommen ist – gewährleistet. Das Recht auf Gesundheitsversorgung ist die Teilverbürgung des Rechts auf Gesundheit (1.). Es ist in einer Vielzahl internationaler und unionsrechtlicher Menschen- und Grundrechtskodifikationen teils ausdrücklich, teils unter dem „Recht auf Gesundheit“ implizit kodifiziert (2.). Die Verbürgungen seines Schutzbereichs sind – wie noch in Teil 3 zu zeigen sein wird – Orientierungsmaßstab und Rahmen für die Auslegung und Anwendung des GATS (3.). Der Anschaulichkeit halber werden daher die Gewährleistungsgehalte des Rechts auf Gesundheitsversorgung in fünf Leitprinzipien zusammengefasst, die in der GKV ihren einfachgesetzlichen Niederschlag gefunden haben (4.). Anschließend wird untersucht, unter welchen Umständen das Recht auf Gesundheit in seiner Teilverbürgung der „Gesundheitsversorgung“ verletzt wird (5.). 1. Der Begriff: Recht auf Gesundheit Das Recht auf Gesundheit ist als Menschen-, Grund- und Bürgerrecht in unterschiedlichen Ausprägungen kodifiziert. Menschenrechte bezeichnen im deutschen Sprachraum die dem Naturrecht entstammenden, jedermann aufgrund seiner Menschenwürde zukommenden Rechte, die notwendig sind, um einen entsprechenden Lebensstandard zu sichern. Menschenrechte verbürgen die „existenznotwendigen Fundamentalanliegen, die der Befriedigung bedürfen, gleichgültig, ob dies von der jeweiligen staatlichen Rechtsordnung akzeptiert wird oder nicht“.76 Soweit sich diese Gewährleistungen in Verfassungs- und Völkerrechtstexten positiveren, werden sie 75 76
Grundlegend zum Bedarfsprinzip Zdrowomyslaw/Dürig, S. 48. Zusammenfassend dazu schon Hernekamp, Soziale Grundrechte, S. 12 m.w.N.
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auch als Grundrechte bezeichnet.77 Das Grundgesetz differenziert zwischen Menschenrechten in Art. 1 Abs. 2 und 3 GG und den in den nachfolgenden Grundgesetzartikeln konkretisierten Gewährleistungen in Gestalt von „Grundrechten“. „Bürgerrechte“ sind wiederum diejenigen Grundrechte, die lediglich den Staatsangehörigen im Gegensatz zu Ausländern zugutekommen.78 Während diese Menschen-, Grund- und Bürgerrechte sozialrechtliche Normierungen auf hoher Abstraktionsebene erfassen, werden Einzelregelungen hingegen grundsätzlich in sog. Sozialstandards kodifiziert. Sie umfassen internationale soziale Maßstäbe und übernehmen damit wichtige Steuerungsfunktionen und stellen Entscheidungs- und Beurteilungshilfen für Sozialreformen dar.79 Das Zusammenspiel von sozialen Menschen- (und Grund-)Rechten und Sozialstandards lässt sich am Beispiel der Zuzahlungsregelungen in der GKV verdeutlichen80 : Art. 10 Abs. 2 der Konvention Nr. 102 über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit vom 28. Juni 1952 der ILO bestimmt, dass Zuzahlungen keine Armut verursachen dürfen. Das Protokoll zur Europäischen Ordnung für Soziale Sicherheit legt insoweit sogar maximale Prozentsätze – grundsätzlich 25 %, bei Zahnersatz 33,3 % – zulässiger Zuzahlungen fest. Die deutsche Krankenversicherung liegt weit darunter mit 10 % des Abgabenpreises.81 Reformen, die Leistungskürzungen vorsehen, setzen Art. 12 Abs. 2 und 3 der revidierten Europäischen Sozialcharta von 1996 des Europarates folgende Grenzen: Die Vertragsstaaten werden gehalten, ihre Systeme Sozialer Sicherheit einerseits auf einem befriedigenden Stand zu halten, der zumindest nicht das für die Ratifikation notwendige Mindestmaß unterschreiten darf, und andererseits fortschreitend auf einen höheren Stand zu bringen. Letztere Anforderung wird nicht als „Rückschrittsverbot“ ausgelegt, sondern soll allgemein sicherstellen, dass Reformen nicht zum Verlust effektiver sozialer Sicherung führen und der Sozialschutz nicht auf eine Mindestunterstützung reduziert wird. Das bedeutet, dass „leistungsreduzierende Sparmaßnahmen, die getroffen werden, um Mängel im System auszugleichen und zu einer finanziellen Konsolidierung zu
77 Zu Begriff und Einteilung internationaler Grundrechte sowie zu ihrem Verhältnis zum Naturrecht, siehe Bleckmann, §§ 3 – 5. 78 Zur historisch-konzeptionellen Entwicklung des Bürgerrechts auf sozialen Schutz siehe Nußberger, Sozialstandards, S. 46 f. 79 Umfassend dazu Nußberger, Sozialstandards, S. 32 f. Zum Unterschied zwischen Menschenrechten und Sozialstandards, siehe auch Weiß, in: Hermann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 24, Rn. 464; Stoll/Schorkopf, Rn. 755. 80 Beispiel bei Nußberger, in: Becker/Boecken/Nußberger/Steinmeyer (Hrsg.), Reformen des deutschen Sozial- und Arbeitsrecht im Lichte supra- und internationaler Vorgaben, S. 57. 81 Mind. 5 E, max. 10 E, jedoch in keinem Fall mehr als die Kosten des Mittels; bei stationärer Versorgung 10 E/Kalendertag, siehe § 61 SGB V neugefasst durch das Gesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I, S. 2190). Die jährliche Belastungsobergrenze liegt bei 2 % des Bruttolohns, § 62 SGB V.
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führen, nicht automatisch einen Vertragsverstoß darstellen“.82 Leistungskürzungen müssen demnach immer auf Zweck und Verhältnismäßigkeit geprüft werden. Anstelle des Begriffs „Recht auf Gesundheit“ trifft man in den internationalen, supranationalen, nationalen und regionalen Kodifikationen auf eine Vielzahl ähnlicher Termini: Schutz der Gesundheit, Recht auf Gesundheitsschutz, Recht auf Gesundheitsversorgung, Recht auf medizinische Versorgung, Recht auf Gesundheitssicherheit, Recht auf soziale Sicherheit, Gesundheitsrechte, Recht auf ein Höchstmaß physischer und geistiger Gesundheit.83 Zum Teil sind diese Bezeichnungen gleichlaufend, zum Teil bezeichnen sie nur einen bestimmten Teilaspekt. Während „Gesundheitsschutz“ auf spezielle Schutzmaßnahmen z. B. am Arbeitsplatz zielt, bezeichnet „Gesundheitsvorsorge“ präventive Behandlungen, z. B. Impfungen, und der Begriff „Gesundheitsversorgung“ wiederum kurative ambulante, stationäre und rehabilitative Behandlungen. Der Begriff der „medizinischen Versorgung“84 umfasst sowohl präventive, kurative als auch rehabilitative Behandlungsleistungen. Darüber hinaus werden teilweise mit dem Begriff der „Gesundheitsversorgung“ sowohl Vorsorge- als auch Versorgungsleistungen bezeichnet.85 Dieser Arbeit wird der enge Versorgungsbegriff zugrunde gelegt. Prävention wird damit nachfolgend allein unter Gesundheitsvorsorgeleistungen gefasst. Die „soziale Sicherheit“ wiederum zielt auf den Schutz der Gesamtheit der Bevölkerung vor fünf grundlegenden Risiken: Krankheit, Invalidität, Altersgebrechen, Arbeitsunfall, Arbeitslosigkeit.86 Angesichts dieser Begriffsvielfalt hat sich aber der Terminus „Recht auf Gesundheit“ allgemein als Oberbegriff für gesundheitsbezogene Gewährleistungsgehalte eingebürgert.87
82 Nußberger, in: Becker/Boecken/Nußberger/Steinmeyer (Hrsg.), Reformen des deutschen Sozial- und Arbeitsrechts im Lichte supra- und internationaler Vorgaben, S. 56. 83 Im englischsprachigen Raum ist entsprechend die Rede von einem right to health, health rights, right to health protection, right to health care, right to medical care, right to health security. Im französischsprachigen Raum wiederum werden die Begriffe le droit à la santé (Recht auf Gesundheit), les droits de la santé (Gesundheitsrechte), protection de la santé (Gesundheitsschutz), soins de santé (Gesundheitsversorgung), soins médicaux (medizinische Versorgung), droit à la sécurité sociale (Recht auf soziale Sicherheit) verwendet, siehe RillietHowald, S. 23 f. 84 So ausdrücklich die Empfehlung Nr. 69 von 1944 der ILO sog. medical care recommendation. 85 So Rilliet-Howald, S. 24. 86 Siehe Greber, in: Fragnière/Girod (Hrsg.), Dictionnaire suisse de politique social, S. 286. 87 Siehe UN, Physical and mental health, Rn. 13 f. Eingehend Toebes, Towards an improved understanding, S. 663 m.w.N. Gegen den Oberbegriff „Recht auf Gesundheit“ wird eingewandt, die Formulierung „Recht auf Gesundheit“ könne leicht den fälschlichen Eindruck erwecken, es ginge um das Recht „gesund zu sein“, ein Unterfangen, das angesichts der weiten Definition von Gesundheit der WHO utopisch erscheint. Zur Gesundheitsdefinition der WHO siehe Teil 1 unter A.
B. Regulierungsziele
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2. Kodifikation des Rechts auf Gesundheit Ein „Recht auf Gesundheit“ oder zumindest einer seiner Teilaspekte findet sich nicht explizit im Grundgesetz kodifiziert.88 BVerfG und Literatur leiten das Grundrecht aber aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 und/oder in Verbindung mit Staatszielen vor allem dem „Sozialstaat“ in Art. 20 a GG ab (sog. „kombinatorisches Grundrecht auf Gesundheit“).89 Explizit kodifiziert wird ein „Recht auf Gesundheit“ hingegen in verschiedenen Länderverfassungen90, einer Vielzahl ausländischer Verfassungen91 und internatio88 Die Weimarer Reichsverfassung von 1919 nannte in Art. 7 Nr. 8 explizit nur als Kompetenztitel das „Gesundheitswesen“. Eingehend zur deutschen verfassungsrechtlichen Dimension des Grundrechts auf Gesundheit, Pestalozza, S. 1113 f. 89 BVerfGE 115, 25, 41 f. – für eine Herleitung des Zugangs zu medizinischer Versorgung in Deutschland aus Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Artikel 20 Abs. 1 GG; Beschluss des BVerfG v. 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98: Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für so genannte neue Behandlungsmethoden in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung. Siehe dazu auch Deutschter Bundestag 2008, S. 11 f. Näher zu den verschiedenen Ansätzen im Schrifttum Pestalozza, S. 1113 f.; Müller, S. 1119 f. Zur grundsätzlichen Zurückhaltung der deutschen Rechtsprechung Grundrechte auch als Leistungsrechte zu deuten, von Münch, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Vorb. Art. 1 – 19, Rn. 19. 90 Art. 17 Verfassung des Landes Sachsen v. 1947; Art. 18 Verfassung des Landes SachsenAnhalt v. 1947; Art. 19 Abs. 4 Verfassung des Freistaates Thüringen v. 25. 10. 1993; Art. 9 Abs. 3 Verfassung des Freistaates Sachsen v. 27. 5. 1992; Art. 3 Verfassung des Landes Hessen v. 1. 12. 1946. 91 Z. B.: Art. 57, 59 Verfassung Türkei (Stand 31. 12. 2001); Art. 83 – 86, 111, 122 Verfassung Venezuela v. 30. 12. 1999; Art. 40 Verfassung Uzbekistan v. 8. 12. 1992; Art. 44 Verfassung Uruguay v. 1967; Art. 43 Verfassung des Königreichs Spanien v. 29. 12. 1978; Art. 41 Abs. 1 b Verfassung Schweiz vom 18. 12. 1998; Art. 59 Abs. 1 c, 60 Abs. 1, 64, 66 Verfassung Portugal v. 2. 4. 1976; Art. 8 Abs. 1 Verfassung Dominikanische Republik v. 20. 7. 2002; Art. 68 Abs. 1 Verfassung Polen v. 2. 4. 1997; Art. 7, 57, 68 Verfassung Paraguay; Art. 40, 105 Panama 1972; Art. 59, 60 Verfassung Nicaragua von 1987; Art. 4 Verfassung Mexiko 1917; Art. 8 Verfassung Liberia v. 6. 1. 1986; Art. 111 Verfassung Lettland v. 15. 2. 1922; Art. 29 Verfassung Iran v. 24. 10. 1979; Art. 25 Abs. 2 Verfassung Japan v. 3. 11. 1946; Art. 14 Interimsverfassung Irak v. 8. 3. 2004; Art. 36 Verfassung Süd Korea v. 17. 7. 1948; Art. 27 Abs. 1 a, 28 Abs. 1 c Verfassung Südafrika v. 8. 5. 1996; Art. 41 Verfassung Russland v. 12. 12. 1993; Art. 33 Verfassung Romänien v. 8. 12. 1991; Art. 22 Verfassung Niederlande 17. 2. 1983; Art. 95 Verfassung Namibia v. Februar 1990; Art. 16 Abs. 6 Verfassung Mongolai v. 13. 1. 1992; Art. 39 Verfassung Mazedonien v. 17. 11. 1991; Art. 53 Verfassung Litauen v. 25. 10. 1992; Art. 32 Verfassung Italien v. 22. 12. 1947; Art. 39 lit. e Verfassung Indien v. 26. 1. 1950; Art. 28 Abs. 1 Verfassung Estland v. 28. 6. 1992; Art. 58, 69 Verfassung Kroatien v. Dezember 1990; Art. 21, 45 Verfassung China v. 4. 12. 1982; Art. 23 Abs. 3 lit. 2 Verfassung Königreich Belgien v. 1970; Art. 123, 145 Verfassung Honduras v. 1982; Art. 51, 93 – 95 Verfassung Guatemala v. 1985; Art. 37 Abs. 1 Verfassung Georgien v. 24. 3. 1995; Nr. 11 der Präambel der französischen Verfassung von 1946, integriert in die Verfassung v. 4. 10. 1958; Art. 35, 65 Verfassung El Salvador 1983; Art. 23 Nr. 20, 42, 43 Verfassung Ecuador 1998; Art. 44, 50 Verfassung Kuba v. 1976; Art. 46 Verfassung Costa Rica v. 1949; Art. 3, 24, 27, 43, 49 Verfassung Ukraine v. 28. 6. 1996; Art. 7 lit. a, 199 I Verfassung Bolivien v. 1995; Art. 44, 49 Verfassung Kolumbien v. 1991;
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
nalen sowie regionalen Menschenrechtsverträgen, supranationalen Grundrechtsdeklarationen, Konventionen internationaler Sozialstandards als auch in einer Vielzahl sonstiger Verlautbarungen internationaler, regionaler und nationaler Organisationen.92 Diese Texte unterscheiden sich hinsichtlich ihres geographischen Geltungsbereichs (universell, regional, unionsrechtlich), ihrer juristischen Reichweite (zwingend, fakultativ, mit und ohne Kontrollmechanismen), ihrer Rechtsnatur (beispielsweise Verfassung, Statut, Vertrag, Pakt, Konvention oder Prinzipienerklärung, Charta) sowie hinsichtlich ihrer Zwecksetzung (Gründungsdokument, Grundrechtsschutz, Harmonisierung, Konvergenz, Koordinierung nationaler Rechte). Verankert sind sowohl die abwehrrechtliche Seite des Gesundheitsschutzes gegen staatliche Eingriffe in die Gesundheit, als auch – allerdings in abgeschwächter Form wie noch gezeigt werden wird – leistungsrechtliche Ansprüche der Prävention, Kuration und Rehabilitation. Res personae finden sich Kodifikationen, die Jedermann-Rechte verankern oder auch nur auf spezielle oder besonders schutzbedürftige Personengruppen abzielen, wie z. B. Frauen, Kinder, Minderheiten, Gefangene, Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund und indigene Völker.93 Die wichtigsten expliziten Kodifikationen eines Rechts auf Gesundheit finden sich in folgenden Texten: Tabelle 4 Kodifikationen und Gewährleistungsgehalte des Rechts auf Gesundheit Internationale Organisation
Kodifikation
Verbürgung
Vereinte Nationen
Art. 25: Recht u. a. auf ärztliche Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Resolution 217 A (III) Versorgung, Recht auf Sicherheit der Generalversammlung vom 10. u. a. im Falle von Krankheit 12. 1948 [AEMR] Internationaler Pakt für wirtschaft- Art. 12: Recht eines jeden auf das liche, soziale und kulturelle Rechte für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundv. 19. 12. 1966 [IPwskR] heit Art. 5e, iv: Recht auf Gesundheit Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminie- und medizinische Versorgung u. a. rung v. 21. 12. 1965 Art. 12: Gesundheitswesen u. a. Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau v. 18. 12. 1979
Art. 157 Verfassung Taiwan v. 25. 12. 1946; Art. 19 Nr. 9 Verfassung Chile v. 1980; Art. 48, 72 Kambodscha Verfassung v. 21. 9. 1993; Erwägungsgrund b der Präambel der Verfassung von Belize v. 1981; Art. 42 Verfassung Argentinien v. 22. 8. 1994; Art. 52 Verfassung Afghanistan v. 4. 1. 2004. 92 Zur Übersicht über die grundlegenden Texte, siehe UN, Physical and mental health, Rn. 15. 93 Beispiele bei Rilliet-Howald, S. 21 f.
B. Regulierungsziele
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Tabelle 4 (Fortsetzung) Internationale Organisation
Europarat
ILO
Europäische Union
Kodifikation
Verbürgung
Übereinkommen über die Rechte des Kindes v. 20. 11. 1980 Europäische Sozialcharta v. 18. 10. 1961, in revidierter Fassung v. 3.05.1996 [rev. ESC]
Art. 24: Gesundheitsvorsorge
Europäische Ordnung der sozialen Sicherheit v. 16. 4. 1964 sowie ihre revidierte Fassung v. 6. 11. 1990 (Art. 10 – Erweiterung des Leistungskatalogs) [rev. EOSS]
Art. 7, 10 – Leistung der medizinischen Versorgung
Protokoll zur EOSS v. 16. 4. 1964
Art. 10 – Präzisierung der Leistungen der Gesundheitsversorgung
Art. 11: Das Recht auf Schutz der Gesundheit
Konvention Nr. 102 über die Min- Art. 10 Abs. 2: Art. 7 bis 12 – Andestnormen der Sozialen Sicherheit spruch auf ärztliche Betreuung vorv. 28. 6. 1952 [Konvention Nr. 102] beugender oder heilender Art; Konkretisierung des Leistungsinhaltes und Vorsehung von Selbstbeteiligungen und zeitlichen Begrenzungen der Leistungserbringung); Art. 10 – Mindestleistungsumfang) Konventionen Nr. 130 und 134 über ärztliche Betreuung und Krankengeld v. 25. 6. 1969 [Konvention Nr. 130/134]
Grundsatz der Garantie des bedingungslosen Zugangs zur medizinischer Versorgung während der Dauer der Bedürftigkeit
Empfehlung Nr. 69 „medical care recommendation“ von 1944 [Empfehlung 69]
insb. Ziff. 6, 7: Zugang zur Gesundheitsversorgung für Jedermann
Europäische Charta der Grundrechte v. 7. 12. 2000 [EUGRC]
Art. 35: Vorsorge und medizinische Versorgung
Quelle: Eigene Darstellung aufbauend auf den Untersuchungen von Rilliet-Howald, S. 132 ff. und Jung, S. 57 ff.
Die Texte lassen sich zunächst nach ihrer Rechtsnatur in drei große Obergruppen unterteilen (rechtlich zwingend, rechtlich unverbindlich, ohne Rechtscharakter) und anschließend nach ihrer Verankerung auf nationaler, unionsrechtlicher und internationaler Ebene differenzieren. Innerhalb dieser Untergruppe schließlich kann nach der Art der Kodifikation (Gründungsdokumente, Grundsatzverlautbarungen und auf ihrer Grundlage erlassene sekundärrechtliche Texte harmonisierungs- oder kon-
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
vergenzrechtlicher Natur sowie sonstige Dokumente) unterschieden werden.94 Die sekundärrechtlichen Texte enthalten Normen, die die Mitgliedstaaten der jeweiligen Organisation zur Verbesserung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit, insbesondere der Gesundheitssysteme, und ihrer Abstimmung untereinander anhalten sollen. Die Texte mit harmonisierungsrechtlichem Charakter sind zumeist Übereinkommen, Ordnungen und Richtlinien, wohingegen diejenigen mit konvergenzrechtlichem Charakter sich häufig in der Form von Empfehlungen, Erklärungen oder Programmen und damit des rechtlich nicht zwingenden soft law zeigen.95 Damit wird deutlich, dass die Ansprüche auf Gesundheitsvorsorge und -versorgung im Rahmen der Systeme sozialer Sicherheit teils als politische oder ethischmoralische Leitprinzipien für den nationalen Gesetzgeber kodifiziert sind, teils juristisch verbindlich als Staatenverpflichtung (z. B. IPwskR) und teils in einem Grundrechtskatalog mit zumindest mittelbarer Verbindlichkeit enthalten sind. So nahm beispielsweise die auf der Regierungskonferenz in Nizza feierlich proklamierte EU-GRC96 Einfluss auf die EU-Rechtsentwicklung, da sie früh bereits in Schlussanträgen von Generalanwälten zitiert wurde und z. B. von dem Gericht erster Instanz als Erkenntnisquelle genutzt wurde.97 Auf internationaler Ebene verbleiben gesundheitliche Schutz-/bzw. Leistungsansprüche daher angesichts des empfehlenden und staatengerichteten Charakters der meisten Kodifikationen rechtlich unverbindlich.98 Sofern sie völkerrechtliche Verträge sind, binden sie zwar den jeweiligen Vertragsstaat, gewähren – sofern sie nicht wie die Europäische Menschenrechtskonvention über ein Individualrechtsschutzsystem verfügen – jedoch keine individuellen subjektiven Rechte für den Einzelnen. Allein durch öffentlichen, zwischenstaatlichen Druck können die Mitgliedstaaten meist zur Rechtsgewährung veranlasst werden. Trotz der Formulierung „Recht auf“ kann der einzelne Bürger in Deutschland daher aus den Texten nur im Ausnahmefall konkrete juristisch durchsetzbare Ansprüche ableiten. Die kodifizierten „Rechte“ werden daher zur Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips herangezogen.99 Trotz dieser stark beschränkten bzw. nicht vorhandenen Justiziabilität des Rechts auf Gesundheit trägt seine internationale, regionale, unionsrechtliche und nationale Kodifikation zu einer „Werteallokation im Sinne der Verbreitung der Menschen94
Zum Teil sind derart harmonisierungs- bzw. konvergenzrechtliche Normen aber auch in Gründungsdokumenten enthalten, siehe die Beispiele bei Rilliet-Howald, S. 132 f. 95 So Rilliet-Howald, S. 131 m.w.N. 96 Europäische Charta der Grundrechte, ABl. Nr. C 364/1 v. 18. 12. 2000. 97 Vgl. Schlussantrag von GA Jacobs in RS. C-270/99, Slg. 2001, I-9197, 9207, Nr. 40; EuG, RS. T-54/99, Slg. 2002, II-313 f. Zur Verbindlichkeit der EGC, siehe Grabenwarter, S. 1 f. 98 Eingehend zu der Rechtsnatur der Rechtsquellen und der Qualifikation der gesundheitlichen Schutz- und Leistungsansprüche (droit d’incitation qui a une puissance d’attraction dynamique), siehe Académie de Droit International de la Haye, S. 134. 99 Näher Jung, S. 97.
B. Regulierungsziele
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rechtsidee und zur Etablierung einer auf menschenrechtlichen Normen und Werten beruhenden Rechtskultur bei“.100 Die Grundsatzverlautbarungen lassen insoweit eine eindeutige Zuständigkeitsverteilung in gesundheitsbezogenen Angelegenheiten zwischen Individuum, Staat und Staatsverwaltung erkennen: Staat und Verwaltung sollen erst dort mit überindividuellen Regelungen zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit und zur Förderung der Gesundheit eingreifen, wo die Kräfte des Einzelnen nicht ausreichen; entsprechendes gilt für die Gewährung sozialer Unterstützung als Ausgleich für fehlende finanzielle Mittel (Kostentragung). Mit der Ausrichtung auf die Lebensund Gesundheitsbedürfnisse des Individuums stellen die Grundsatzverlautbarungen daher den einzelnen Bürger in den Mittelpunkt gesundheitlicher Regelungen. 3. Schutzbereich des Rechts auf Gesundheit Die internationalen Kodifikationen des (Menschen-)Rechts auf Gesundheit schreiben Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflichten für die Signatarstaaten fest.101 Während die Achtungspflichten die Vertragsstaaten der jeweiligen Kodifikationen dazu anhalten, beispielsweise die Teilverbürgung des Rechts auf Gesundheit zu achten, dem Einzelnen einen gleichberechtigten Zugang zur medizinischen Versorgung durch letztlich auch eine nachhaltige Finanzierung zu gewährleisten, legen die Schutzpflichten den Vertragsstaaten auf, Maßnahmen zur Umsetzung der Verbürgungen zu ergreifen und sicherzustellen, dass beispielsweise die Privatisierungen im Gesundheitssektor nicht die Verfügbarkeit, Zugänglichkeit, Annehmbarkeit und Qualität medizinischer Einrichtungen und der ärztlichen Betreuung beeinträchtigen. Die Gewährleistungsverpflichtungen wiederum verlangen von den Vertragsstaaten, „das Recht auf Gesundheit auf nationaler politischer und gesetzlicher Ebene, vorzugsweise auf dem Gesetzgebungsweg, angemessen anzuerkennen und eine nationale Gesundheitspolitik in detaillierter Ausgestaltung anzunehmen“.102 Nicht ganz parallel zu dieser internationalen Pflichtenkategorisierung läuft die aus der deutschen Grundrechtsdogmatik bekannte Systematik der Grundrechte als Abwehr- und Leistungsrechte sowie als objektive Normen (sog. status negativus, activus oder positivus).103 Während der stativus positivus die objektive Werteordnung bezeichnet, die den Grundrechtsnormen als „verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts“ und als „Richtlinien und Impulse für Gesetzgebung, Verwaltung und 100
So Schaber, S. 178. UN, Physical and mental health, Rn. 19 f., 39 f.; eingehend Toebes, Towards an improved understanding, S. 678. 102 DIMR, S. 301. 103 Alexy, S. 49 f. 101
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Rechtsprechung“ zukommt104, zielt die abwehrrechtliche Seite des Rechts auf Gesundheit auf den Schutz körperlicher Integrität im engeren und weiteren Sinn. Dazu zählen neben der Abwehr unmittelbarer körperlicher Zwangseinwirkungen auch vorgelagerte, einen nur mittelbaren Gesundheitsbezug aufweisende „Vorbedingungen“ gesunder Lebensumstände, wie z. B. Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, gesunde Umweltbedingungen, reines Trinkwasser und adäquate sanitäre Einrichtungen.105 Im leistungsrechtlichen Sinne wird dem Recht auf Gesundheit(-sversorgung) als sozialem Grundrecht höchstens der Charakter eines sozialen derivativen Teilhaberechts zuerkannt, d. h. gleiche Teilhabe an bestehenden Leistungssystemen.106 Zumeist ist es nur als Staatsziel in den nationalen Rechtsordnungen verankert.107 Originäre Leistungsansprüche werden nur in Ausnahmefällen für überlebensnotwendige Leistungen abgeleitet. In seinem gewährleistungsrechtlichen Inhalt zielt das Recht auf Gesundheit dahin, den Zugang zu medizinischen Leistungen der Prävention, Kuration und Rehabilitation sicherzustellen (Leistungsrecht). Hier überschneidet es sich mit dem Schutzbereich des Rechts auf soziale Sicherheit, insbesondere der Risikoabdeckung „sozialer Krankenversicherung“.108 Die Gewährleistungsverpflichtung des Rechts auf Gesundheit umfasst das „Recht auf Gesundheitsvorsorge“ (präventiver Teilaspekt) und das „Recht auf Gesundheitsversorgung“ (kurativer und rehabilitativer Teilaspekt)109. Für die Fragestellung dieser Arbeit – die Auswirkungen der GATS-Liberalisierung auf das deutsche Gesundheitssystem – ist vor allem die Gewährleistungsverpflichtung der Teilverbürgung der „Gesundheitsversorgung“ von zentraler Bedeutung.110 Zu klären ist hier der Umfang des Anspruchs auf ärztliche Versorgung [a)], die Ausgestaltung des Zugangs zu medizinischen Einrichtungen und ärztlicher Betreuung [b)] sowie auch die Qualität der Versorgung [c)]. 104 BVerfG, Urteil v. 25.02.1975 – 1BvR 1,2,3,4,5,6/74, BVerfGE 39, 1 (41) – Fristenlösung; BVerfG, Urteil v. 15.01.1958 – 1 BvR 400/51 –, BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth. 105 Näher Toebes, Right to Health, S. 254 f.; UN, Physical and mental health, Rn. 18. 106 Zu den sozialen Grundrechten in der Verfassung eingehend von Münch, in: von Münch/ Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Vorb. Art. 1 – 19, Rn. 18 f.; Seewald, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB I, § 1, Rn. 5. 107 Eingehend dazu u. a. Kutscha, S. 339 f. 108 Nußberger, Sozialstandards, S. 87 (Fn. 183). 109 Siehe oben Abbildung 1. Vgl. auch Toebes, Towards an improved understanding, S. 662; Abbing, S. 104 f. Die arztethische Bedeutung des „Rechts auf Gesundheit“ besteht darin, dass ethische Fragen vorrangig auf den humanen Charakter des menschlichen Handelns und auf die innere Haltung zielen, aus der heraus gehandelt wird. Demgegenüber zielen juristische Normen grundsätzlich primär darauf, das gesellschaftliche Handeln der Menschen untereinander zu regulieren. 110 Umfassend zu dem Schutzbereich des Rechts auf Gesundheit und der Vielzahl seiner Kodifikationen, Toebes, Right to Health, S. 27 f.
B. Regulierungsziele
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Abbildung 1: Schutzbereichsabgrenzung: Recht auf Gesundheit – Recht auf soziale Sicherheit
a) Umfang des Anspruchs auf ärztliche Versorgung Der Anspruch auf ärztliche Versorgung umfasst in den zentralen Kodifikationen Art. 12 IPwskR und Art. 35 EU-GRC nur den Mindest- bzw. Grundbestand medizinischer Versorgung. Dabei wird auf die Unterscheidung von primären, sekundären und tertiären Leistungen Bezug genommen. Primärer Schutz umfasst die Behandlung unkomplizierter, weniger schwerer Krankheiten, die von praktischen Ärzten und Hilfspersonal zu relativ geringen Kosten erbracht werden. Sekundäre Leistungen erbringen meist Krankenhäuser mit kostenintensiverer fachärztlicher Betreuung und entsprechend spezialisierter Ausrüstung. Tertiärer Gesundheitsschutz wiederum wird in ausgewählten Einrichtungen angeboten und umfasst insbesondere kostenintensive Notfall- und Intensivpflege. Die gängigen Kodifikationen selbst gewähren nach allgemeiner Auslegung allerdings kein subjektives einklagbares Recht auf Leistungen dieser drei Gesundheitsschutzebenen.111 Entscheidend ist hier die einzelstaatliche, (einfach-)gesetzliche Ausgestaltung der Gewährleistungsverbürgungen Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Qualität der Mindestversorgung.112 Die genaue Anwendung des Rechts hängt von den in jedem Vertragsstaat vorherrschenden Bedingungen ab.113 Verfügbarkeit meint funktionierende Einrichtungen des Gesundheitswesens. Dazu zählen vor allem Krankenhäuser und entsprechend ambulante Einrichtungen, geschultes medizinisches Personal, unentbehrliche Arzneimittel wie sie von der WHO definiert werden.114 Diese medizinischen Einrichtungen und ärztlichen Betreuungsangebote müssen für jeden Menschen ohne Diskriminierung innerhalb des Wohn- bzw. Aufenthaltsstaates erreichbar sein.115
111 Riedel, in: Meyer (Hrsg.), Kommentar zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Art. 35 EGC, Rn. 9. 112 UN, Physical and mental health, Rn. 34 f. 113 DIMR, S. 288. 114 WHO, Proposed INN, S. 2 f. 115 Zu den Verbürgungen im Bereich Rehabilitation, siehe Jung, S. 102.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Neben dem Diskriminierungsverbot ist damit die physische Zugänglichkeit entscheidend, d. h. marginalisierte Gruppen und ländliche Gebiete bedürfen besonderer Unterstützung. Darüber hinaus müssen die Leistungen auch für Alle von höchstmöglicher Qualität und bezahlbar sein (wirtschaftliche Zugänglichkeit). Die Parameter des Kostenansatzes müssen auf dem Gerechtigkeitsgrundsatz beruhen, d. h. Benachteiligte dürfen nicht unverhältnismäßig mit Gesundheitsausgaben belastet werden.116 b) Zugang zu medizinischen Einrichtungen u. a. Den Zugang zu medizinischen Einrichtungen und ärztlicher Betreuung zu sichern (Gesundheitsversorgung) gebietet der sachliche Schutzbereich u. a. von Art. 25 Nr. 1 AEMR, Art. 12 d IPwskR, Art. 24 ÜK über die Rechte des Kindes, die Empfehlung Nr. 69 ILO, Art. 12 ÜK zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau, Art. 35, Satz 1 EU-GRC. Den Begriff „ärztliche Betreuung“ konkretisieren explizit vor allem die Übereinkommen Nr. 102, Nr. 130 ILO und Art. 7 und 10 EOSS. Dementsprechend müssen die Leistungen bei Krankheit, insbesondere die Betreuung durch praktische Ärzte und Fachärzte bzw. in Krankenhäusern unter Gewährung der notwendigen Arzneien und Heilmittel umfassen. Bei Schwangerschaft und Niederkunft muss eine umfassende Betreuung durch Ärzte oder geprüfte Hebammen erfolgen, Krankenhauspflege, soweit erforderlich angeboten und Arzneimittel und Heilmittel gewährt werden. Art. 10 Abs. 2 EOSS sieht konkrete Belastungsobergrenzen für die Selbstbeteiligung an den Gesundheitskosten vor. Sofern die Kostenbeteiligung für Betreuung und Verordnung von Arzneien und Heilmitteln auf einen einheitlichen Betrag festgesetzt ist, muss der Gesamtbetrag für die betroffene Person unterhalb des vorgeschriebenen Prozentsatzes der Gesamtkosten für die konkrete Leistung innerhalb einer bestimmten Zeit bleiben. Die Leistungen müssen mit dem Ziel erbracht werden, die Gesundheit, die Arbeitsfähigkeit und die eigenverantwortliche Alltagsbewältigung der betroffenen Personen zu erhalten, wiederherzustellen oder zu verbessern, Art. 10 Abs. 3 EOSS. Darüber hinaus haben die öffentlichen Leistungseinrichtungen die geschützten Personen mit den für geeignet erachteten Mitteln dazu anzuhalten, die allgemeinen staatlicherseits zur Verfügung gestellten Gesundheitsdienste zu nutzen, Art. 10 Abs. 4 EOSS. Zur Zugänglichkeit gehört auch das Informationsrecht des Patienten, insbesondere sein Selbstbestimmungsrecht und sein Recht auf Privatsphäre. Dieses Recht kodifizieren beispielsweise Art. 12 IPwskR, sowie ein Beschluss des Europarates über die Rechte der Kranken und Sterbenden als auch die Deklaration des Weltärztebundes zur biomedizinischen Forschung.
116
DIMR, S. 290.
B. Regulierungsziele
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c) Qualität der Gesundheitsversorgung Im Hinblick auf die Qualität der Gesundheitsversorgung haben die medizinischen Einrichtungen und die ärztlichen Betreuungsangebote medizinethische Grundsätze und kulturelle Gebräuche angemessen zu beachten. Qualitätsstandards müssen neben kulturellen vor allem an wissenschaftlichen Grundsätzen ausgerichtet werden (Ausbildung, Zulassung von Medikamenten und Medizintechnik, Krankenhauseinrichtungen, Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen).117
d) Zusammenfassung Die wichtigsten Gewährleistungsgehalte der Teilbereichsverbürgung „Gesundheitsversorgung“ des Rechts auf Gesundheit sind in der nachfolgenden Übersicht noch einmal mit den jeweils wichtigsten Kodifikationen zusammengefasst und jeweils einem der Leistungsbereiche der Gesundheitsversorgung „Prävention“ und „Kuration“ und Ausgleich von Dauerschäden zugeordnet: Tabelle 5 Schutzbereichsausprägungen: Gesundheitsvorsorge und -versorgung Bereich der Gesundheitsdienstleistung
verbürgtes Recht
Grundlegende internationale Kodifikationen
Wiederherstellung Patient-ArztVerhältnis der Gesundheit (Kuration)
Zugang zu medizinischen Einrichtungen, ärztlicher Betreuung (Gesundheitsversorgung)
Art. 25 Nr. 1 AEMR, Art. 12 d IPwskR, Art. 24 ÜK über die Rechte des Kindes; Empfehlung Nr. 69 ILO; Art. 12 ÜK zur Beseitigung der Diskriminierung der Frau; Art. 35 EU-GRC; Art. 16 afrikanische Charta der Rechte der Menschen u. Völker; Art. 10 Zusatzprotokoll zur AMRK
Konkretisierung des Begriffs „ärztliche Betreuung“
Übereinkommen Nr. 102, Nr. 130 ILO; Art. 7, 10 EOSS
Recht eines jeden auf Art. 12 I IPwirtR, Teil I Ziff. 11 das für ihn erreich- ESC; Präambel der WHO-Satbare Höchstmaß an zung; Art. 35 S. 2 EU-GRC körperlicher und geistiger Gesundheit
117
DIMR, S. 290.
92
Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Tabelle 5 (Fortsetzung) Bereich der Gesundheitsdienstleistung
Kostentragung
verbürgtes Recht
Grundlegende internationale Kodifikationen
Selbstbestimmungsrecht und Privatsphäre des Patienten und sonstige Informationsrechte des Patienten Recht auf soziale Sicherheit
Unter anderem: Beschluss des Europarates über die Rechte der Kranken und Sterbenden; Deklaration des Weltärztebundes zur biomedizinischen Forschung Art. 22 AEMR, Art. 9 IPwskR, Art. 12 ESC, Art. 34 EU-GRC; Art. 26 ÜK über die Rechte des Kindes Nr. 10 Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer; Empfehlungen Nr. 29,167 ILO; Art. 5 Internationales ÜK zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung 1966, Art. 11 ÜK zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, Art. 27 Int. ÜK über den Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienmitglieder
Vorbeugender Gesundheitsschutz
Medizinische Vorbeugung (Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen)
Gesundheitsförderung nach der Ottawa-Charta; Statut der ILO Präambel Abs. 2, Erklärung von Philadelphia Art. III, g) als auch die ESC (Art. 11 Abschnitt II) und ihre revidierte Fassung (Art. 11 Abs. 3) , Charta von Ljubljana der WHO
Sozialbezogene Vorbeugung (Nahrung, Kleidung, Wohnung u. a.)
Art. 25 AEMR, Art. 11, 12 II IPwirtR Art. 11, 13 ESC, Art. 2 lit. i. WHO-Satzung; Ziff. III I der Erklärung von Philadelphia (Anlage zur ILO-Verf.)
Arbeitsschutz (v. a. sichere Arbeitsbedingungen, Mutterschutz)
ESC, ILO, WHO-Satzung, EURATOM
B. Regulierungsziele
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Tabelle 5 (Fortsetzung) Bereich der Gesundheitsdienstleistung
verbürgtes Recht
Grundlegende internationale Kodifikationen
Hilfe bei Dauerschäden
Heilbehandlung, Pflege- und Betreuung von Behinderten Rehabilitation
Art. 25 Behindertenrechtskonvention (BRK) v. 16. 12. 2006; Fakultativprotokoll zur BRK; Deklaration der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen vom 19. 12. 1975; Übereinkommen Nr. 130 ILO; Art. 15 ESC
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Jung, S. 57 ff.; Toebes, Right to health, S. 27 ff.
Gesundheitsdienstleistungen, die der Wiederherstellung der Gesundheit dienen, betreffen drei Arten von Rechtsverbürgungen, die insbesondere in den internationalen und europäischen Grundsatzverlautbarungen kodifiziert sind: Auf der Leistungsbeziehungsseite steht das Recht des Patienten gegenüber dem Arzt auf medizinische Behandlung und das Recht auf Selbstbestimmung, Information und Privatsphäre und auf der Kostentragungsseite das Recht gegenüber dem Sozialversicherungsträger auf Schadloshaltung. Das Recht des Patienten auf Information hat in den letzten Jahren an erheblicher Bedeutung gewonnen, da der aufgeklärte, verantwortlich entscheidende (Leistungen auswählende) Bürger Voraussetzung ist in einem auf mehr Wettbewerb ausgerichteten Gesundheitssystem.118 Gesundheitsdienstleistungen, die dem vorbeugenden Gesundheitsschutz dienen, sind vor allem erwähnt in für den Unterzeichnerstaat meist unverbindlichen Erklärungen der Vereinten Nationen, der Weltgesundheitsversammlung und staatenverbindliche Verträge IPwirtR, ESC. Mangelnde individualrechtliche Durchsetzbarkeit ist auch hier verbindendes Merkmal. Erkennbar ist eine vorrangige Zuständigkeit des Individuums für die Gesundheitsvorsorge, die durch Gesundheitserziehung staatlich unterstützt werden soll. Auffällig ist auch die Ausrichtung überindividueller Regelungen an den Lebensbedürfnissen des einzelnen Bürgers (Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an Gesundheit). Gesundheitsdienstleistungen, die auf den Ausgleich von Dauerschäden zielen, sind zum einen Heil-, Pflege- und Betreuungsleistungen für Behinderte und zum anderen Rehabilitationsleistungen. Zentrale internationale Kodifikationen, sämtlich nicht justitiabel , waren lange Zeit hier die Deklaration der Vereinten Nationen über die Rechte behinderter Menschen, die ILO-Deklaration Nr. 130 zur medizinischen Rehabilitation als auch Art. 15 ESC zur sozialen Rehabilitation.119 Am 13. De118
In diesem Sinne wurde ergänzend auf nationaler Ebene von der Bundesregierung beispielsweise eine Patientencharta – Patientenrechte in Deutschland (v 16. Oktober 2002) erarbeitet, abrufbar unter http://www.bmj.de/media/archive/226.pdf, Stand: Oktober 2012. 119 Näher zur Rehabilitation und zur Pflege, Jung, S. 230 f., 239 f.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
zember 2006 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (die sog. Behindertenrechtskonvention). Seit dem 30. März 2007 ist sie als Internationale Konvention und seit dem 23. Juni 2009 in Deutschland in Kraft.120 Darüber hinaus haben die Vertragsstaaten ein Fakultativprogramm zur Behindertenrechtskonvention aufgesetzt, das einen quasigerichtlichen Beschwerdemechanismus schafft.121 Zentrale Anliegen dieser Regelwerke sind die Gewährleistung von Würde, Inklusion, Teilhabe, Selbstbestimmung, empowerment, Chancengleichheit und Barrierefreiheit für behinderte Menschen. Die Integration behinderter Menschen wird in allen Phasen der Umsetzung und Überwachung des Übereinkommens vorgeschrieben. Die Vertragsstaaten sind mit der BRK insbesondere sowohl zu einem durchgängigen disability mainstreaming als auch zu einem konsequenten gender mainstreaming verpflichtet.122 4. Zentrale Gewährleistungsgehalte des Rechts auf Gesundheit Die kodifizierten menschen- und grundrechtlichen Gewährleistungsverpflichtungen im Bereich der Gesundheitsvorsorge und -versorgung lassen sich in fünf zentralen Prinzipien zusammenfassen, die jeweils Niederschlag in der GKV gefunden haben: Solidarität [a)], Versicherungspflicht [b)], allgemeine Zugänglichkeit [c)], Prävention [d)] gesundheitliche Eigenverantwortung und Selbstbestimmung [e)]. a) Solidarität Das Solidaritätsprinzip entfaltet seine Wirkung insbesondere auf Kostenträgerseite.123 Es findet sich kodifiziert in dem Recht auf Schutz der Kindheit und Mutterschaft des Art. III f/h) des Gründungsstatuts der ILO, dem Recht auf soziale Sicherheit unabhängig von der finanziellen Situation in Art. 9 IPwskR, dem Recht eines jeden auf Schutz der Gesundheit in Abs. 11 Abschnitt A und Art. 11 Abschnitt II ESC sowie dem Recht auf Sozialhilfe und medizinische Unterstützung in Abs. 13 Abschnitt I u. Art. 13 Abschnitt II ESC. Ebenso ist es niedergelegt in der ESC und ihrer revidierten Version (Abs. 11, 12, 13 Abschnitt I u. Art. 11, 12, 13 Abschnitt II). Die Selbstbeteiligung darf nach den harmonisierungsrechtlichen Texten der ILO nicht über einen bestimmten Prozentsatz gehen (Art. 10 Abs. 2 Übereinkommen Nr. 102), Art. 17 Übereinkommen Nr. 130, Art. 10 Abs. 2 EOSS sowie Art. 10 Abs. 2a/b) ihres Zusatzprotokolls. Zudem sieht Art. 71 des ILO-Übereinkommens 120
BGBl 2008 Teil II Nr. 35 v. 31. Dezember 2008. BGBl 2008 Teil II Nr. 35 v. 31. Dezember 2008. 122 Zum neuen Ansatz im Umgang mit der Rechtstellung behinderter Menschen in der BRK Bielefeldt, S. 4 f. 123 Zur vertikalen und horizontalen Ausprägung des Solidarprinzips näher Rilliet-Howald, S. 228. 121
B. Regulierungsziele
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Nr. 102 vor, dass die finanziellen Belastungen nicht nur auf die bedürftigen Personen abgewälzt werden dürfen – und rekurriert damit unmittelbar auf das Solidaritätsprinzip. Insbesondere müssen die unmittelbaren Behandlungskosten wie auch die Verwaltungskosten kollektiv getragen werden entweder durch Beiträge oder das Steueraufkommen, wobei die finanzielle Belastung des Einzelnen sich nach seiner wirtschaftlichen Situation richten sollte (Art. 71 Abs. 1). Maximal dürfen 50 % der Ressourcen des Arbeitnehmers zu seinem sozialen Schutz und dem seiner Familienangehörigen aufgewendet werden. Folglich muss mindestens die Hälfte durch die öffentliche Hand und/oder den Arbeitgeber finanziert werden. Ohne konkrete Zahlenangaben sieht die revidierte Europäische Ordnung sozialer Sicherheit ähnliche Bestimmungen vor (Art. 76 Abs. 1). Keine Bestimmungen finden sich hinsichtlich eventueller Beiträge oder Steuerpflichten, die an das Einkommen oder Vermögen des Versicherten anknüpfen oder eine Klausel, die auf das Bedürfnis des Betroffenen abstellt. Genauso wenig gibt es Bestimmungen zur Umverteilung zwischen Familien und Alleinlebenden sowie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Das Solidaritätsprinzip ist ebenfalls grundsätzlich angelegt in dem Recht auf soziale Sicherheit u. a. in Art. 22, 25 AEMR, Art. 34 EU-GRC und dem Recht auf Zugang zu Gesundheitsvorsorge und medizinischer Versorgung in Art. 35 EU-GRC. Konkretisiert wird es weiter in Art. 4 der ILO-Empfehlung Nr. 69. Demnach sind die Kosten eines Gesundheitssystems gemeinschaftlich durch Beiträge zu tragen im Falle einer Sozialversicherung und/oder durch Steuern. Darüber hinaus enthält Kapitel 3, Abschnitt 3.3.1, Abs. 202 ff. der Empfehlung das Prinzip, dass in einem Sozialversicherungssystem Beiträge von denjenigen erhoben werden, deren Einkommen ein bestimmtes Existenzminimum übersteigt. Gleichzeitig würden aber seine Familienangehörigen unter bestimmten Umständen mitversichert, ohne Auswirkungen auf die Beitragshöhe (Art. 12). Im Falle eines öffentlichen Gesundheitsdienstes dürfte dies nicht von einer vorherigen Leistung (Steuern oder Bedürftigkeitsprüfung) abhängig gemacht werden (Art. 18), und die Finanzierung müsste durch öffentliche Fonds erfolgen (Art. 84). Im Falle der Sozialversicherung sehen Art. 75 und 76 eine Beitragsbemessungsgrenze und Art. 77 die finanzielle Beteiligung des Arbeitgebers vor. In Art. 91 schließlich wird bestimmt, dass Vorsorgemaßnahmen für außergewöhnliche Maßnahmen getroffen werden müssen (z. B. Investitionen vor allem im stationären Sektor). Schließlich findet das Solidarprinzip auch Niederschlag in verschiedenen Empfehlungen des Europarates (Art. 9, 11, 12 Abschnitt D der Empfehlung (86) 5, Art. 7 der Empfehlung (99) 21, Präambel Abs. 11, Prinzip 1 und 2 des Annexes der Empfehlung (2000)3) sowie Gesundheitsprogramme und die Charta von Ljubljana (Art. 5.6) der WHO.124 In der GKV ist das Solidarprinzip das wichtigste Strukturprinzip. Im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung – ebenso der sozialen Pflegeversicherung – 124
Siehe näher dazu, Rilliet-Howald, S. 229 f.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
zahlen die Mitglieder Beiträge125, die nach ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit bemessen sind, und erwerben Leistungsansprüche, die sich nach ihrem Bedürfnis richten.126 Das heißt, der Krankenversicherungsschutz richtet sich nach dem Maß der Bedürfnisse des Versicherten (§ 1 SGB V). Um den Versicherten nicht finanziell zu überfordern ist Grundprinzip der GKV daher auch das sog. Sachleistungsprinzip, in dem die Abrechnung der Behandlungsleistung im sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnis nur zwischen Leistungserbringer und Kostenträger erfolgt.127 Ausdruck des Solidarprinzips ist ebenfalls, dass Familienmitglieder nach bestimmten Voraussetzungen mitversichert sind (sog. beitragsfreie Familienversicherung).128 In diesen beiden Sozialversicherungszweigen herrscht eine „gruppenmäßige Äquivalenz“, d. h. den von allen Beitragszahlern aufgebrachten Mitteln steht ein bestimmtes Leistungsvolumen, nicht aber eine spezifische „Gegenleistung“ gegenüber.129 Durch diese Art der Beitragsfinanzierung der GKV – die dazu tretenden Steuern und sonstigen Quellen machen nur einen geringfügigen Teil der Gesamtfinanzierung aus – findet eine Umverteilung von Gesunden zu Kranken (Allgemeine Krankenversicherung), Jungen zu Senioren (Krankenversicherung der Rentner), Ledigen zu Familien (beitragsfreie Familienversicherung) und Viel- zu Geringverdienern (einkommensabhängige Beiträge) statt.130 Das Solidarprinzip wird darüber hinaus gewährleistet, indem die ab 1. Januar 2010 gem. § 171b SGB V für alle Krankenkassen eingeführte Insolvenzfähigkeit nicht zu Lasten der Versicherten gehen darf, d. h. der Versicherte behält seine Ansprüche und nur der Anspruchsgegner ändert sich.131 Die Finanzierung der Krankenkassen erfolgt über den Gesundheitsfonds. Der Gesundheitsfonds ist die zentrale vom Bundesversicherungsamt verwaltete „Sammelstelle“, in die die Krankenversichertenbeiträge der Versicherten132 und der paritätische Anteil der Arbeitgeber fließen als auch ein Anteil von ursprünglich 1,5 Mrd. Euro aus Steuermitteln für z. B. mitversicherte Kinder. Die Krankenkassen erhalten aus dem Gesundheitsfonds pro Versicherten eine sog. Grundpauschale in Höhe der durchschnittlichen GKV-ProKopf-Ausgaben. Darüber hinaus wird die Verteilung der Versichertenrisiken durch 125 Im Jahr 2009 i.H.v. 14,6 % zuzügl. 0,9 Prozentpunkten für aus der paritätischen Finanzierung ausgegliederte Leistungen. 126 Zur horizontalen und vertikalen Solidarität Thüsing, S. 454. 127 Zum Sachleistungsprinzip bereits oben in der Einleitung, S. 19 f. 128 Gesetzesbegründung BT. Drs. 11/2237, S. 146. 129 Nicht zu verwechseln mit dem Äquivalenzprinzip der PKV, demnach die Versicherungsprämie so kalkuliert wird, dass sie ausreichend das Krankheitsrisiko des einzelnen Versicherten finanziell abdeckt, sog. Risikoäquivalenz. 130 Simon, Das Gesundheitssystem in Deutschland, S. 54. 131 Zu den Vor- und Nachteilen der Insolvenzfähigkeit Hänlein, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPK-SGB V, § 171b f. 132 Die Krankenkassen ziehen die Versicherungsbeiträge ein. Ab 1. Januar 2011 erhalten die Arbeitgeber gem. § 28 f. Abs. 3 SGB IV die Möglichkeit, ihre Beiträge, Beitragsnachweise und Meldungen gebündelt an eine Weiterleitungsstelle zu entrichten. Das können Krankenkassen oder ihre Verbände ebenso sein wie Arbeitsgemeinschaften der Krankenkassen sein.
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den morbiditätsbasierten Risikostrukturausgleich weiter abgefedert. Im Rahmen des Risikostrukturausgleichs wird grundsätzlich über Alter, Geschlecht und Erwerbsminderungsrenten die anhand einer Liste ausgewählter Krankheiten bestimmte Krankheitslast der Versicherten berücksichtigt. Insoweit tritt das Solidarprinzip erneut hervor, da Krankenkassen mit vielen alten und kranken Versicherten entsprechende Zuschläge erhalten, und damit evtl. „Wettbewerbsvorteile“ der Kassen mit guten Risiken ausgeglichen werden. Erwirtschaftete Überschüsse können an den Versicherten ausgeschüttet oder in Form zusätzlicher Leistungen gewährt werden. Sofern die Ausgaben die Einnahmen übersteigen, kann die Krankenkasse einen Zusatzbeitrag von den Versicherten erheben oder kassenspezifische Leistungen kürzen.133 b) Prinzip der Versicherungspflicht und Pflichtversicherung Die Versicherungspflicht in einem Krankenversicherungssystem zielt darauf ab, dem Versicherten im Krankheitsfall eine medizinische Versorgung entsprechend seinem Behandlungsbedürfnis unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit angesichts der anfallenden Kosten zukommen zu lassen.134 Das Prinzip der Versicherungspflicht ist auf internationaler Ebene in dem Recht auf soziale Sicherheit niedergelegt (Art. 9 IPwskR, Art. 12 ESC).135 Hier wird ein universelles Konzept statuiert, dass sich anhand eines gesetzlichen Pflichtsystems verwirklichen lässt. Die Alternative eines freiwilligen Versicherungssystems birgt das Risiko, dass nur Bedürftige sich dem System anschließen, das finanziell entsprechend schnell überfordert wäre.136 Freiwillige Krankenversicherungsregimes dürfen nur ergänzend in einem Versicherungspflichtsystem vorgesehen werden (Art. 6 ILO-Übereinkommen Nr. 102, Art. 6 ILO-Übereinkommen Nr. 130, Art. 6 rev. EOSS). Die Variante einer Versicherungspflicht, die auf eine private Versicherung zurückgreift, könnte finanziell Schwächere wiederum schnell überfordern. Der persönliche Anwendungsbereich des Prinzips der Versicherungspflicht wird hingegen in Art. 9 des ILO-Übereinkommens Nr. 102, Art. 10 ILO-Übereinkommen Nr. 130 als auch Art. 9 EOSS und Art. 9 ihres Zusatzprotokolls sowie Art. 8 Abs. 2 rev. EOSS auf bestimmte Angestellte und andere Erwerbstätige und ihre Familienangehörigen begrenzt. Innerhalb der nicht verbindlichen juristischen Kodifikationen ist das Prinzip der Versicherungspflicht in Art. 22 der AEMR und Art. 34 EU-GRC kodifiziert. Ebenso bekräftigen die Art. 5, 6 und 7 der Empfehlung der ILO Nr. 69 die Notwendigkeit, die gesamte Bevölkerung in die Deckung einer Sozialversicherung einzubeziehen (er133
Gerlinger/Mosebach/Schmucker, S. 8. Siehe insoweit auch zum Begriff der Pflichtmitgliedschaft Greber, in: Fragnière/Girod (Hrsg.), Dictionnaire suisse de politique social, S. 22 f. 135 Das Prinzip der Versicherungspflicht findet sich ebenso in Art. 12 Abs. 1 IPwskR, Ziff. 11 Abschnitt I sowie Art. 11 Abschnitt II ESC. 136 Dazu Rilliet-Howald, S. 222. 134
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
gänzt durch ein Sozialhilferegime) oder einen nationalen, ebenfalls die gesamte Bevölkerung einschließenden Gesundheitsdienst vorzuhalten. In dieselbe Richtung zielen Art. 2 des ILO-Übereinkommens Nr. 130 und Nr. 134, Art. 1 Abs. 1 der Empfehlungen (80) 15, und Art. 1 und 2 der Empfehlung (86) 5 des Europarates. Auch Abschnitt I, B, Abs. 1a der Empfehlung 94/442/EWG des Rates fordert den Zugang zur Gesundheitsversorgung und -vorsorge für alle Personen, die sich legitim auf dem Territorium eines Mitgliedstaates aufhalten. Gleiches gilt für die Charta von Ljubljana und das WHO-Programm „Gesundheit für alle“. Die Mehrheit der Unterzeichnerstaaten der vorgenannten Kodifikationen weist Elemente eines Pflichtversicherungssystems auf. Die Versicherungspflicht stützt die Funktionsfähigkeit einer solidarisch finanzierten Krankenversicherung wie der GKV. Der Großteil der Arbeitnehmer ist in der GKV versichert und stellt sie durch seine Beiträge auf eine breite Basis. Die Versicherungspflicht begründet einen Versicherungszwang. Es bedarf nicht mehr des Abschlusses eines Versicherungsvertrags, um Versicherungsschutz genießen zu können.137 Der Begriff der Pflichtversicherung hingegen beschreibt den Typ der Versicherung, die gesetzlich vorgeschrieben ist zB. gesetzliche Krankenversicherung, Berufshaftpflichtversicherung oder die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter. Die Versicherungspflicht in der GKV sieht für den in § 5 SGB V genannten Personenkreis, insbesondere die Arbeitnehmer, eine Pflicht vor, sich in der GKV zu versichern. Gem. § 5 SGB V besteht die gesetzliche Pflichtversicherung in der GKV aber nur bis zu einer bestimmten Einkommenshöhe (sog. Versicherungspflichtgrenze) für Arbeitnehmer, Arbeitslose und Rentner und ihre Familienangehörigen, sofern diese nicht wiederum selber versichert sind.138 Oberhalb der Versicherungspflichtgrenze steht den Arbeitnehmern ein Wahlrecht zu, sich freiwillig weiter in der GKV zu versichern gem. § 9 SGB V oder in die PKV zu wechseln. Ausdrücklich von der Pflichtversicherung befreit sind neben den Einkommensempfängern oberhalb der Versicherungspflichtgrenze Beamte, Richter, Soldaten u. a. gem. § 6 SGB V. Der Wechsel zwischen diesen beiden Versicherungsarten ist über die Versicherungspflichtgrenze hinaus weiter eingeschränkt. In die gesetzliche Krankenversicherung kann grundsätzlich nur aufgenommen werden, wer in den letzten 12 Monaten vor Aufnahmeantragstellung ununterbrochen gesetzlich versichert war oder innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens 24 Monate. Mit den strengen Vorversicherungszeiten der GKV will der Gesetzgeber vermeiden, dass Versicherte in jungen Jahren in die PKV wechseln und dort von den niedrigen
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Kruse, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPK-SGB V, Einleitung, Rn. 11. Die allgemeine Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) lag 2008 bei 48.150 E jährlich und bei 4.012,50 E monatlich und 2009 bei 48.600 E jährlich und 4.050,00 E monatlich, siehe § 4 SVBezGrV vom 2. Dezember 2008, BGBl. I, S. 2336; §§ 6, 7 Gesetz v. 26. März 2007 (BGBl. I, S. 378). 138
B. Regulierungsziele
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Beitragssätzen der privaten Krankenversicherer profitieren und mit einem Wechsel zurück in die GKV im Alter steigende Beiträge vermeiden. Mit der Gesundheitsreform 2007 wurde eine umfassende Versicherungspflicht in Art. 1 Nr. 2 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführt. Wer nicht in die GKV aufgenommen werden kann mangels entsprechender Vorversicherungszeiten, kann in dem neuen Basistarif139 der PKV versichert werden. Der Basistarif wurde mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs eingeführt und verpflichtet die Privaten Krankenversicherungsträger dazu, ab 1. Januar 2009 Versicherungsverträge anzubieten, deren Leistungsbedingungen und -umfang mit denen der GKV vergleichbar sind. Gesetzlich vorgeschrieben bietet dieser Tarif Leistungen an, die vergleichbar sind mit denen der GKV. Der Tarif darf nicht mehr kosten als die Höchstsätze der GKV. Sonst in der PKV mögliche Wartezeiten und Risikozuschläge sind für den Basistarif ausgeschlossen. Der Basistarif kann von allen gewählt werden, die in der PKV versichert sind oder dort versichert sein können (z. B. freiwillige Mitglieder der GKV); ebenso von Personen, die aktuell nicht versichert sind oder aus dem Ausland zurückkehren. Voraussetzung hierbei ist, dass sie dem System der PKV grundsätzlich zuzuordnen sind, z. B. selbstständig sind. Die Aufnahme in den Basistarif kann durch den privaten Versicherer nicht abgelehnt werden (Kontrahierungszwang). Die Prämien für den Basistarif dürfen sich nur aufgrund des Alters und des Geschlechts unterscheiden. Ab dem 01. 01. 2009 können alle freiwillig in der GKV Versicherten innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten in den Basistarif wechseln.140 c) Allgemeine Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung Das Ziel eines „universellen sozialen Krankenversicherungsschutzes“ definierte die ILO jüngst in ihrer Strategie Social Health Protection besonders eingängig als „effective access to affordable health care of adequate quality and financial protection in case of sickness.“141
Elemente dieses Prinzips sind mithin der effektive Zugang zu erschwinglicher Gesundheitsversorgung, von angemessener Qualität und finanzieller Absicherung im Krankheitsfall. Nach der Definition der ILO muss für eine universelle Deckung zunächst sichergestellt sein, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsdienstleistungen im Bedarfsfall umfassend ist und nicht von Eigenzahlungen (out of pocket payments) abhängt. An dieser Stelle sei auch noch einmal auf die 139 Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz – GKV-WSG), Bundestags-Drs. 16/3100, S. 85 f. 140 Siehe zur Fortentwicklung der GKVauch die Berichterstattung des BMG, abrufbar unter www.bmg.bund.de/Krankenversicherung.html, Stand: Oktober 2012. 141 ILO, S. 16. Eingehend zum Begriff des Universalitätsprinzips auch Greber, in: Fragnière/Girod (Hrsg.), Dictionnaire suisse de politique social, S. 326; Kingreen, Die Universalisierung, S. 43 (43 f.).
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bereits oben in Teil 2 unter B.II.1. beispielhaft zitierten max. Zuzahlungsbeschränkungen von 25 – 33,3 % des Protokolls zur EOSS verwiesen. Universell ist diese Absicherung, wenn der Zugang zur Versorgung für die gesamte Wohnbevölkerung eines Landes gewährleistet ist, unabhängig davon, welchen finanziellen Beitrag einzelne Bevölkerungsgruppen zum Versicherungssystem leisten. Der Zugang ist „effektiv“, wenn die erreichbaren Gesundheitsdienstleistungen den medizinischen Bedarf abdecken können. Neben der Frage nach der Deckung und damit des Umfangs des Rechtsanspruchs steht die Frage nach der physischen, finanziellen und geographischen Verfügbarkeit der Gesundheitsdienstleistungen. Die Erschwinglichkeit der Gesundheitsdienstleistung setzt voraus, dass keine finanziellen Hürden der Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen entgegenstehen, also die Einzelhaushalte nur in angemessenem Verhältnis zu ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit belastet werden. Der in der Definition verwandte Qualitätsbegriff wiederum weist verschiedene Dimensionen auf. Zum einen geht es um die medizinische Qualität der Dienstleistung an sich, die in Übereinstimmung mit medizinischen Standards, Richtlinien oder Protokollen erbracht werden soll, die von der WHO oder anderen Institutionen erstellt werden. Zum anderen sind mit dem Qualitätsbegriff ethische Aspekte verbunden, die den Respekt vor Würde, Geschlecht und Kulturkreis aber auch Wartezeiten und die Freiheit, den Dienstleister auswählen zu können, betreffen.142 Erstmals war das Universalitätsprinzip ausdrücklich in Art. 1, 2 und 8 der medical care-Empfehlung Nr. 69 der ILO von 1944 niedergelegt worden. Ebenfalls klingt es in der Erklärung der ILO von Philadelphia von 1944 an. Auch die Universelle Erklärung der Menschenrechte greift es in Art. 25 Abs. 1 auf. Dieser Grundsatz findet sich ebenfalls in Art. III f/h) des Verfassungsstatuts der ILO, Art. 9 IPwskR, Abs. 11, 12 Abschnitt I und Art. 11, 12 Abschnitt II rev. ESC, Präambel Abs. 3 der WHO Verfassung, Präambel Abs. 5 EOSS, Art. 22 AEMR, Art. 34 EU-GRC, Art. 2 der ILO-Empfehlung Nr. 134, Art. 1 Abs. 1 der Europaratsempfehlung (80) 15, Art. 1, 2 Abschnitt A der Europaratsempfehlung (86) 5, Abschnitt I, B. Abs. 1a) der RatsEmpfehlung 94/442/EWG, Art. VI der Erklärung von Alma-Ata, Kapitel 3 Abs. 33 des WHO-Programms „Gesundheit für alle bis zum XXI. Jahrhundert“, Art. 6.1.3. der Charta von Ljubljana.143 In der GKV finden sich Ausprägungen des Grundsatzes allgemeiner Zugänglichkeit in dem bereits angesprochenen Sachleistungsprinzip, dem Grundsatz der Beitragssatzstabilität (§ 71 Abs. 1 SGB V: dauerhafte Sicherung der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der GKV)144 und des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs. 1 SGB V: ausreichend, zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungen). Sie gewährleisten Zugang und Erschwinglichkeit der Versorgung. Daneben tritt der Grundsatz der Qualitätsregulierung, der in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB V niedergelegt und in 142 143 144
ILO, S. 16 f. Rilliet-Howald, S. 226 f. BSGE 66, 159; BSG Urt. v. 25. 9. 2001, SozR 3 – 2500 § 132a Nr. 1.
B. Regulierungsziele
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den §§ 135 – 139c SGB V präzisiert ist. Demzufolge haben die Leistungen ihrer Qualität und ihrer Wirksamkeit nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Im Einzelnen legt der G-BA entsprechende Richtlinien fest.145 Die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall erfolgt durch die Gewährung von Krankengeld gemäß der §§ 44 – 51 SGB V. Die Risikoabdeckung ist in den letzten Jahren um Zahnersatz und Brillen gekürzt worden. Diese Lücke kann über private Zusatzversicherungen geschlossen werden.146 d) Präventiver Gesundheitsschutz Prävention zielt auf die Verhinderung eines Krankheitseintritts oder versucht einen unvermeidbaren Eintritt so weit zu lindern wie möglich. Im Gesundheitsbereich kann Prävention eine Vielzahl von Erscheinungsformen annehmen: Aufklärungskampagnen über gesundheitsbewusstes Verhalten, Aus- und Fortbildung im Bereich des Gesundheitswesens für Personen, die mit besonders gefährdeten Personengruppen (Kinder, in Schwierigkeiten befindliche oder ältere Menschen) zusammenarbeiten, Erziehung in primärer Gesundheitsversorgung z. B. von jungen Müttern, staatliche/unionsrechtliche/internationale Gesundheitsprogramme mit mittel- und langfristiger Strategieausrichtung.147 Sowohl Abs. 2 der Präambel des Statuts der ILO als auch Art. III, g) der Erklärung von Philadelphia sowie Art. 11 Abschnitt II der ESC und Art. 11 Abs. 3 ihrer revidierten Fassung sehen Rechte auf Information, Prophylaxe und Schulungsmaßnahmen vor. In diese Richtung gehen auch Art. 7 und Art. 10 Abs. 3 des ILOÜbereinkommens Nr. 102 sowie Art. 8 und 9 des ILO-Übereinkommens Nr. 130 als auch Art. 8 und Art. 10 Abs. 3 der EOSS sowie die nichtzwingenden Rechtstexte wie die EU-GRC (Art. 35), die Empfehlungen der ILO Nr. 69 (Art. 1 Abs. 1 b), 19,21,42) und die Empfehlungen des Europarates (80) 15 (Art. 2 Abschnitt A, Art. 10 b) Abschnitt C). Allgemeiner Art sind die Arbeitsgrundsätze zur Förderung der Gesundheit, die in Empfehlung (2000) 18 der WHO niedergelegt sind und insbesondere die Verbesserung der Zusammenarbeit der Partner der Gesundheitssysteme als auch Gesundheitserziehung der Bürger und die Ausbildung der Angehörigen der Gesundheitsberufe betreffen (Art. 5 Kapitel IV und Art. 1 Kapitel V des Annexes zur Empfehlung). In diese Richtung zielt auch die Charta von Ljubljana der WHO (Art. 6.4.2). Darüber hinaus ist die Erklärung von Alma-Ata das grundlegende Dokument der Präventionspolitik der WHO und nennt entsprechende Instrumente und Maßnahmen (Gesundheitserziehung betreffend Lebens- und Ernährungsbedingungen, Familienplanung, Impfprogramme, Kontrollmaßnahmen gegen Endemien) und definiert 145 146 147
Zum Gemeinsamen Bundesausschuss näher unten in Teil 2 unter C.II.1.c). Näher unten in Teil 3 unter B.III.2.c), dd). Rilliet-Howald, S. 234 f.
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den Umfang primärer Gesundheitsversorgung (Art. VII Abs. 2). Die Charta von Ottawa ist das erste Dokument, das sich ausschließlich auf die Gesundheitsförderung im engeren Sinne bezieht. Sie unterstreicht zum einen die Bedeutung ausreichender Mittel eines jeden, um seinen eigenen Gesundheitszustand zu verbessern und eigeninitiativ und -verantwortlich mit seiner Gesundheit umzugehen (Abs. 3). Zum anderen fordert sie insbesondere eine multisektorielle Gesundheitspolitik, d. h. dass das Ziel umfassender medizinischer Versorgung zur Hebung des Gesundheitszustandes in sämtliche Politikbereiche Eingang finden müsse (Abs. 22).148 Prävention ist als gesetzlicher Auftrag im Dritten Abschnitt des SGB V (§§ 20 – 29) niedergelegt. Er umfasst die primäre Prävention (§ 20 Abs. 1 SGB V) zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes und der Verringerung der sozialbedingten Ungleichheit von Gesundheitschancen. Darüber hinaus zielt er auf betriebliche Gesundheitsförderung (§ 20 Abs. 2 SGB V), d. h. Ergänzung des Arbeitsschutzes und Zusammenarbeit mit den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung.149 Schließlich werden auch Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten ab dem 35. Lebensjahr umfasst (§§ 25 ff. SGB V). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschließt gemeinsam und einheitlich unter Einbeziehung unabhängiger Experten prioritäre Handlungsfelder und Kriterien für die entsprechenden Leistungen in einem Leitfaden der GKV. Seit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs gehören zu dem gesetzlichen Auftrag auch die Förderung der Selbsthilfe (§ 20c SGB V) und Schutzimpfungen.150 e) Gesundheitliche Eigenverantwortung und Selbstbestimmung Dieses Prinzip betrifft einmal die Verantwortung des Staates für die Organisation und Finanzierung des Gesundheitssystems und andererseits die (aktive) Rolle, die der Einzelne in diesem System einnimmt.151 International verankert ist der Grundsatz in dem Verfassungsstatut der ILO (Präambel Abs. 9). Er betont die Bedeutung der aktiven Zusammenarbeit der staatlichen Institutionen mit dem Einzelnen, wie auch die Verantwortung der Regierung gegenüber der Gesundheit ihrer Bevölkerung (Präambel Abs. 10). In diesem Sinne unterstreicht der IPwskR (Art. 2 Abs. 1), dass dem Staat die Aufgabe zukommt, alle geeigneten, insbesondere legislative Maßnahmen zur Verwirklichung der in dem Pakt verbürgten Rechte u. a. auf soziale Sicherheit und auf Gesundheitsschutz (Art. 9, 12) zu ergreifen. In diese Richtung zielen auch Art. 11 und 148 In diesem Sinne auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Weißbuch, Gemeinsam für die Gesundheit, S. 6 f., (Prinzip 3). 149 Die Ausgabengrenze für diese zwei Leistungsstränge liegt bei 2,74 E pro Versicherten, vgl. dazu auch § 20 Abs. 3 SGB V. 150 Kritisch zur Prävention in Deutschland unter Berücksichtigung der bisher vergeblichen Bemühungen um ein Präventionsgesetz, Kirch/Badura, S. 5 f. 151 Rilliet-Howald, S. 238 f.
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Art. 13 Abs. 1 Abschnitt II der ESC. Art. 23 der revidierten ESC konkretisiert diese Rechte für ältere Menschen. Ebenfalls ist das Prinzip staatlicher Intervention Gegenstand des ILO-Übereinkommens Nr. 102 (Art. 6, 7, 71 Abs. 3). Art. 72 Abs. 1 schreibt insoweit zudem ausdrücklich die Verantwortung des Staates für eine funktionierende effiziente Verwaltung bzw. die Kontrolle der mit der Ausführung beauftragen Organismen fest. Ebenfalls sieht das ILO-Übereinkommen Nr. 130 in Art. 6 a), 30, 31 eine entsprechende Verantwortung des Staates und Mitwirkungspflichten der Bürger vor. Die Empfehlungen der ILO (Art. 3, 78, 81, 82, 85 – 87, 92 ff. Empfehlung Nr. 69, Art. 7 der Empfehlung Nr. 134) als auch des Europarates (Art. 2, 3 Empfehlung (86) 5 und Art. 7, 11, 12, 13 ihres Annexes, Art. 3 und 6 des Annexes der Empfehlung (97) 17) normieren verschiedene Verpflichtungen im Bereich der Kontrolle, Verwaltung und Finanzierung der Gesundheitsdienstleistungen. Eine Pflicht zur aktiven Mitwirkung schreibt insoweit ausdrücklich Art. 11 des Annexes der Empfehlung (97) 17 fest. Der Verbesserung der Mitwirkungsmöglichkeiten der Bürger widmen sich Art. 1 bis 5, 7 und 9 bis 16 des Annexes der Empfehlung (2000) 5. Den Regierungen obliegt demnach die Verpflichtung, diesen Aspekt in ihren nationalen Gesundheitspolitikstrategien zu berücksichtigen. Auch die Erklärung von Alma-Ata (Art. IV, VII) und die Charta von Ljubljana (Art. 5.3, 6.2.1, 6.2.2) unterstreichen die Notwendigkeit einer aktiven Teilnahme des Bürgers in Rahmen des Gesundheitssystems und insbesondere der primären Gesundheitsleistungen. Ziel 19 des Programms Gesundheit 21 der WHO normiert die Bedeutung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Beteiligten der Gesundheitssysteme, und Ziel 20 und 21 heben die Bedeutung der Suche nach geeigneten Partnern zur Umsetzung der Gesundheitsprogramme wie auch ihre Beteiligung bei der Ausarbeitung der Programme und der Gesundheitsplanung hervor. Im Leistungs- und Vertragsrecht der GKV hat sich dieses Prinzip niedergeschlagen in § 70 Abs. 2 SGB V. Demnach haben die Krankenkassen und Leistungserbringer durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung der Versicherten hinzuwirken. f) Zwischenergebnis Bei Reformen des Gesundheitssystems müssen vor allem folgende Leitprinzipien beachtet werden, die Ausdruck der menschen- und grundrechtlichen Verbürgung des Rechts auf Gesundheit sind: Versicherungspflicht, Universalität, Solidarität, präventiver Gesundheitsschutz(-förderung), Humanität sowie gesundheitliche Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit. Diese Prinzipien lassen sich sowohl internationalen und regionalen Menschenrechtsverträgen, supranationalen Grundrechtsdeklarationen, den Konventionen und Empfehlungen internationaler Sozialstandards der ILO als auch einer Vielzahl sonstiger Verlautbarungen internationaler, regionaler und nationaler Organisationen entnehmen.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Diese Prinzipien finden in der GKV ihren Niederschlag als prägende Grundsätze der Leistungserbringung und Finanzierung. Sie haben starken Einfluss auf die Konstitution und Funktionsweise der GKV. Für die Frage der Auswirkungen der GATS-Verpflichtungen auf die GKV ist mithin grundlegend, ob und inwieweit ggf. die Prinzipien und die in ihnen enthaltenen Gewährleistungsgehalte der internationalen Kodifikationen des Rechts auf Gesundheit durch das GATS tangiert werden. 5. Beschränkung und Verletzung des Rechts auf Gesundheit Unter welchen Voraussetzungen das Recht auf Gesundheit eingeschränkt werden darf, ist von Kodifikation zu Kodifikation unterschiedlich. Art. 4 des IPwskR sieht beispielsweise vor, dass Einschränkungen grundsätzlich nur gesetzlich erfolgen dürfen, den internationalen Menschenrechtsstandards entsprechen und mit dem Wesen der Paktrechte vereinbar sein und dem Zweck dienen müssen, das allgemeine Wohl in einer demokratischen Gesellschaft zu fördern.152 Nach Art. 10 Abs. 3 ESC wiederum darf – wie bereits oben in Teil 2 unter B.II.1. erwähnt – eine nationale Regulierung nicht zum Verlust effektiver sozialer Sicherung führen und der Sozialschutz nicht auf eine Mindestunterstützung reduziert werden. Den Leistungskatalog der Sozialversicherung reduzierende Sparmaßnahmen, die getroffen werden, um Mängel im System auszugleichen und zu einer finanziellen Konsolidierung zu führen, müssen verhältnismäßig ausgestaltet sein. Die vorgenannten Kodifizierungen lassen im Großen und Ganzen eine gemeinsame Grenze hin zur Schutzbereichsverletzung erkennen153 : Die Vertragsstaaten müssen den aus den Kodifikationen – soweit verankert – resultierenden Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungsverpflichtungen nachkommen. Im Hinblick auf nationale Reformen oder den Abschluss anderer internationaler Abkommen sollten (nur) Maßnahmen ergriffen werden, die das Recht auf Gesundheit nicht negativ beeinflussen. Sie haben in ihren Handlungen als Mitglieder internationaler Organisationen das Recht auf Gesundheit gebührend zu berücksichtigen und dafür Sorge zu tragen, dass auch lokale Gemeinschaften, zwischen- und nichtstaatliche Organisationen sowie Einzelpersonen unter ihrer Verantwortung auf die Verwirklichung des Rechts hinwirken.154 Verletzungen können zum einen durch unmittelbare Handlungen der Vertragsstaaten oder sonstiger unzureichend regulierter Organe als auch durch das Unterlassen notwendiger Maßnahmen erfolgen, wenn in die Kernverpflichtungen des Rechts auf Gesundheit eingegriffen wird. Dazu zählen im Rahmen von Art. 12 IPwskR insbesondere das Recht auf Zugang zu medizinischen Einrichtungen und ärztlicher Betreuung ohne jegliche Diskriminierung, sowie zu elementaren Arzneimitteln, wie sie von der WHO definiert werden, als auch der Sicherstellung einer 152 153 154
DIMR, S. 298. Umfassend zu den wichtigsten Kodifikationen, siehe Toebes, Right to Health, S. 27 f. DIMR, S. 303 f.
B. Regulierungsziele
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gerechten Verteilung aller medizinischen Einrichtungen und ärztlichen Betreuung und der Verabschiedung und Umsetzung nationaler Gesundheitsstrategien und Aktionspläne vor allem zur Bekämpfung von Epidemien.155 Bei der Umsetzung besitzt jeder Staat einen Ermessensspielraum bei der Einschätzung der geeigneten Maßnahmen seiner Rahmengesetzgebung. Nationale Gesundheitsstrategie und Aktionsplan sollten sich an den Grundsätzen guter Regierungs- und Verwaltungsführung (good-governance/best-practice) orientieren sowie Indikatoren und Benchmarks für das Recht auf Gesundheit entwickeln und festschreiben – so beispielsweise im Rahmen von Art. 12 IPwskR und Art. 11 Nr. 3 ESC (rev.) –, die im Rahmen einer periodischen Berichterstattung überwacht werden sollten. Rechtsbehelfe und Rechenschaftspflichten vor allem im Rahmen des IPwskR fördern ebenfalls die Umsetzung.156 Bei der Auslegung der Liberalisierungsinstrumente des GATS und ihrer Anwendung muss mithin insbesondere darauf geachtet werden, dass die bisherigen Regulierungsinstrumente nicht derart modifiziert bzw. aufgehoben werden, dass die Gesundheitsmärkte dem freien Wettbewerb geöffnet werden und sich wirtschaftsgeographisch bedingte Konzentrationsprozesse herausbilden, die eine Versorgung entsprechend den oben genannten Prinzipien gefährdeten und es den Vertragsstaaten entsprechend erschweren oder unmöglich machen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Entsprechende Beschränkungen – ggf. sogar Verletzungen des Kerngehalts – des Rechts auf Gesundheit können durch Maßnahmen eintreten, die die nachhaltige Finanzierung und Organisation der Gesundheitssysteme [a)] und den gleichberechtigten Zugang zu qualitativ hochwertigen medizinischen Einrichtungen und ärztlicher Versorgung [b)] betreffen. Diese Maßnahmen, die Signatarstaaten im Rahmen der entsprechenden Kodifikationen bzw. konkret zu ihrer Umsetzung ergreifen, werden bis auf „Zuzahlungen“ (Konvention Nr. 102, 130 ILO) nicht ausdrücklich in den internationalen Kodifikationen genannt, eine Folge ihrer zumeist abstrakten Fassung, die derart technische Details dem Ermessen der nationalen Normgeber bei der Umsetzung in den einzelnen Gesundheitssystemen überlassen.157 Die Empfehlung Nr. 69 der ILO enthält zumindest eine Beschreibung der Mindestanforderungen an Organisation und Leistungsfähigkeit eines Gesundheitssystems.158
155
DIMR, S. 305. DIMR, S. 311. 157 Eingehende Untersuchung bei Riliet-Howald, Rn. 378 f., 434 f. 158 Zur Empfehlung Nr. 69 der ILO und dem Gesundheitssystemvergleich der WHO (health systems performance assessment) seit 2000 und der OECD seit 2003, siehe Riliet-Howald, Rn. 414 f. 156
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
a) Nachhaltige Finanzierung und Organisation der Gesundheitssysteme Maßnahmen, die darauf abzielen, die Gesundheitsausgaben zu begrenzen, um eine nachhaltige Finanzierung und Organisation der Gesundheitssysteme zu gewährleisten, sind vor allem Zuzahlungen zu Medikamenten sowie Heil- und Hilfsmitteln als auch zu besonderen Behandlungen, Hausarztsysteme mit gate-keeperFunktion (Verweisung an Fachärzte/Krankenhäuser allein durch den Allgemein-/ Hausarzt), Listen für kostenerstattungsfähige Medikamente (auch Generika) und Referenzpreise.159 Hinzu treten Maßnahmen, die den Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern verstärken sollen z. B. Kassenwahlfreiheit der Versicherten, Fallpauschalen statt Tagespauschalen in der Krankenhausfinanzierung, um die stationäre Verweildauer der Patienten zu senken, Höchstaltersgrenzen für die Berufsausübung, Reduzierung der Bettenzahlen in Krankenhäusern und Rationierung hochspezialisierter Apparaturen, Ersetzungsbefugnis der Apotheker für ärztlich verschriebene Originalpräparate durch Generika, Deckelung der Gesundheitsausgaben durch Globalbudgets der Ärzte(-vertretungen) für Arzneimittel.160 Daneben treten planungsrechtliche Maßnahmen z. B. Numerus Clausus für den Zugang zur medizinischen Ausbildungen, Anforderungen zur Berufszulassung (Qualifikationsnachweise) und Berufsausübung (Bedürfnisprüfungen für Niederlassung praktischer Ärzte, Krankenhausplanung). Darüber hinaus werden zunehmend aus Kostengründen neue Vertragsformen zwischen den Leistungsanbietern und den Kostenträgern begründet wie beispielsweise öffentliche Ausschreibung von Verträgen für Arzneimittel (Rabattverträge), Heil- und Hilfsmittel und Verträge über besondere Versorgungsformen mit entsprechenden kostenbewussten Global- oder Einzelvergütungsmodellen.161 b) Gleichberechtigter Zugang zu hochwertigen Einrichtungen u. a. Der gleichberechtigte Zugang zu qualitativ hochwertigen medizinischen Einrichtungen und ärztlicher Versorgung wird maßgeblich beeinflusst wiederum durch Zuzahlungen für den Versicherten und die Regelungen der Leistungsinanspruchnahme entweder über Sachleistungs- oder Kostenerstattungsprinzip, mittels Wartelistensystemen und einem gesetzlichen Mindestleistungskatalog der Krankenversicherung, der ggf. mit privaten Zusatzversicherungen aufzustocken ist. Hier sehen die Konvention Nr. 102 und die EOSS detaillierte Bestimmungen vor. Die abstrakte Verbürgung des gleichberechtigten Zugangs zu qualitativ hochwertiger Versorgung ist hingegen sowohl in den Kodifikationen der Vereinten Nationen, der WHO, der ILO, des Europarates als auch der EU enthalten.162 159 160 161 162
Riliet-Howald, Rn. 387 f. Riliet-Howald, Rn. 397 f. Riliet-Howald, Rn. 407 f. Ergänzend dazu Riliet-Howald, Rn. 443 f.
B. Regulierungsziele
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Auf den Zugang haben auch neue Versorgungsformen entscheidenden Einfluss, die ambulante und stationäre Versorgung stärker verzahnen und den klassischen Behandlungspfad „ambulant-stationär-ambulant“ aus „einer Hand“ ermöglichen sollen. Die Behandlung eines Patienten durch die verschiedenen Leistungserbringer wird dann im Rahmen des Behandlungsprogramms, in das sich der Patient einschreibt, koordiniert, um die Qualität und Kosteneinsparung zu maximieren. 6. Zusammenfassung Zum einen wurde in diesem Abschnitt auf vertikaler Ebene unterschieden zwischen den im Naturrecht mit universellem Geltungsanspruch wurzelnden Menschenrechten, den in der Verfassung der einzelnen Staaten verbürgten Grundrechten und den nur den Staatsangehörigen zuerkannten Bürgerrechten. Zum anderen wurde horizontal die Rechtsnatur der jeweiligen Menschen- und Grundrechte geprüft. Das Recht auf Gesundheit in seiner Teilverbürgung auf Gesundheitsversorgung ist in einer Vielzahl internationaler und unionsrechtlicher Kodifikationen ausdrücklich oder implizit niedergelegt (u. a. Art. 25 der AEMR, Art. 12 IPwskR, Art. 11 ESC, Konvention Nr. 102 ILO, Empfehlung Nr. 69 ILO, Art. 35 EU-GRC). Die Verbürgungen des Rechts auf Gesundheit und insbesondere seine Ausprägung als „Recht auf Gesundheitsversorgung“ sind „Maßgaberechte“ für die nationale, supra- und multilaterale Gesundheitsregulierung. Allerdings konnte namentlich im Radius der Sozialstaatlichkeit kein einklagbares subjektives Recht ausgemacht werden, sondern lediglich Staatszielbestimmungen und zuweilen auch ethischmoralische Grundsätze in der Funktion von interpretative principles, „ethisch-moralische Prinzipien“ und „Programmsätze“. Das Recht auf Gesundheitsversorgung ist insoweit als soziales Teilhaberecht und Staatsziel ausgestaltet, nicht aber als originäres Leistungsrecht – mit Ausnahme überlebensnotwendiger Leistungen. Der Schutzbereich umfasst im wesentlichen einen Anspruch auf Zugang zu medizinischen Einrichtungen, ärztlicher Betreuung, das Recht eines jeden auf das für ihn erreichbare Höchstmaß an körperlicher und geistiger Gesundheit, Selbstbestimmung und Privatsphäre und sonstige Informationsrechte des Patienten, das Recht auf Kostentragung im Rahmen des Systems sozialer Sicherheit; (ggf. verbunden mit einer Selbstbeteiligung) sowie das Recht auf medizinische Vorbeugung (Impfungen, Vorsorgeuntersuchungen). Die internationalen und europäischen Kodifikationen des Rechts auf Gesundheit „verbieten“ nicht den Abschluss internationaler – rein handelsrechtlich ausgerichteter – Abkommen. Allerdings sind die Signatarstaaten internationaler Kodifikationen gehalten, im Rahmen ihrer Gesundheitsregulierung darauf zu achten, dass die Maßnahmen i.d.S. einen gleichberechtigten Zugang und eine nachhaltige Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung sicherstellen. Sie müssen insoweit auch darauf achten, dass ihnen die Einhaltung
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
ihrer Verpflichtungen nicht durch den Abschluss anderer Verträge erschwert oder unmöglich gemacht wird. Der zur Erfüllung des durch die Menschen- und Grundrechtskodifikationen des Rechts auf Gesundheit geprägten sozialstaatlichen Sicherstellungsauftrags dem deutschen Gesetzgeber grundsätzlich zugestandene weite Gestaltungsspielraum darf mithin nicht beeinträchtigt werden. Insbesondere darf die Anwendung des GATS nicht die an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1 GG ausgerichteten Leitlinien für das gesetzgeberische Ermessen berühren: – bedarfswirtschaftliche Ausrichtung der vertragsärztlichen und stationären GKVKrankenversorgung; – Anerkennung der bestehenden Vielfalt und Vielgestaltigkeit der Leistungsträger in dem pluralistisch ausgerichteten Gemeinwesen in der stationären Versorgung (Trägerpluralität) und dem freien Berufsbild der niedergelassenen Ärzte; – Gewährleistung der Autonomie der Träger und Dienstleister im ambulanten Sektor im Rahmen der Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems; – die Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität bei der Leistungserfüllung der stationären Versorgung; – die Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Grenzen gegenüber der Finanzierung des Versorgungssystems der GKV.
III. Zwischenergebnis Gesundheitsmärkte unterscheiden sich von sonstigen Märkten anhand einer Reihe grundlegender Besonderheiten, die ohne Regulierung zu Marktversagen führten. Die Marktstrukturen des (deutschen) Gesundheitswesens sind insoweit unvollkommen. Das liegt einerseits in der Natur der Gesundheitsdienstleistung selbst (uno-actoPrinzip, fehlender Marktpreis, Regionalität) zum anderen in einer Reihe gravierender Marktfehler (Informationsasymmetrie, angebotsinduzierte Nachfrage, Externalitäten, moral hazard, adverse Selektion, Optionsgutcharakter), als auch in der sozialpolitischen Motivation begründet, durch staatliche Regulierung jedem Menschen im Bedarfsfall Zugang zu hochwertiger medizinischer Versorgung zu gewähren unabhängig von seiner finanziellen Leistungsfähigkeit, seinem generellen Gesundheitszustand, Alter oder familiärer Situation. Diese Unvollkommenheit der Marktstrukturen versucht man mit Regulierung aufzufangen. Die zentralen Regulierungsinstrumente werden nachfolgend skizziert.
C. Regulierungsinstrumente
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C. Regulierungsinstrumente Die Auswirkungen des GATS hängen von der konkreten Ausgestaltung der Regulierung eines Gesundheitssystems ab. Die Gesundheitssysteme westlicher industrialisierter Staaten163 weisen eine Reihe teils ähnlicher, teils unterschiedlicher Regulierungsinstrumente auf (I.) Die Untersuchung der Regulierung des deutschen Gesundheitssystems wird auf drei verschiedene Leistungsbeziehungen konzentriert: Die im sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnis unterschiedenen Beziehungen zwischen Kostenträgern und den Versicherten, zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern und zwischen Leistungserbringern und Versicherten (II.).
I. Überblick: Entwicklung westlicher Gesundheitssysteme Zwischen den auf Barmherzigkeit gegründeten Ursprüngen der Krankenversorgung im Mittelalter (1.) bis hin zum Rechtsanspruch auf Gesundheitsversorgung in den heutigen hochregulierten westlichen Gesundheitssystemen (2.) liegen mehr als 700 Jahre.164 1. Ursprünge Im Mittelalter und während des Absolutismus beruhte die Gesundheitsversorgung noch auf kirchlicher oder privater Barmherzigkeit oder der Zugehörigkeit zu Zünften und war im Übrigen abhängig von der Finanzkraft des Einzelnen.165 Während der Aufklärung und der Zeit des Liberalismus erhielt eine breitere Bevölkerungsgruppe Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung, die vorrangig auf Forschung und Lehre ausgerichtet war. Rechtsansprüche im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen wurden dem Patienten erstmals in der Reichsgerichtsrechtsprechung zuerkannt.166 Die im bürgerlich-liberalen Staat des 19. Jahrhunderts eigeninitiativ gegründeten ersten Krankenkassen wurden unter Bismarck zu einem korporatistischen System gesetzlicher Krankenversicherung ausgebaut. Im Dritten Reich wurden die Gesundheitsleistungen vor allem für deutsche Mütter ausgeweitet und die jüdische Bevölkerung schrittweise vollständig aus der Versorgung ausgeschlossen. Die Selbstverwaltungskörperschaften verloren ihre Autonomie. Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde das Bismarcksche Sozialversicherungssystem weiter ausgebaut 163 Näher zu den in dieser Arbeit nicht berücksichtigten Gesundheitssysteme sonstiger Kulturkreise siehe insbesondere die Länderanalysen der WHO, abrufbar unter http://www.who. int/countries/en/, Stand: Oktober 2012. 164 Darstellung bei Jung, S. 11 f. 165 Siehe dazu ausführlich Jung, S. 11 f. 166 Siehe insbesondere die Entscheidung des Reichsgerichts vom 31. 05. 1894, RGSt 25, 375 zur ärztlichen Aufklärungspflicht und zur Einwilligung des Patienten.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
und in England das steuerfinanzierte staatliche Versorgungssystem nach Beveridge entwickelt. Andere Staaten wiederum konzentrierten sich auf den Aufbau privater Sicherungssysteme. Mit der Kodifizierung von Rechtsansprüchen der gesetzlich Versicherten einher ging die Forderung nach mehr Eigenverantwortung des Individuums für seine Gesundheit. Der Einzelne sollte über die Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen entscheiden und sorgsam mit seiner Gesundheit umgehen, unterstützt vom Staat, sofern er wirtschaftlicher Hilfe bedurfte und sofern Gemeinwohlbelange betroffen waren (z. B. Impfungen, Seuchenschutz). Die Suche nach einem ausgewogenen Verhältnis von Eigenverantwortung und Solidarität zieht sich bis in die Gesundheitsreformen der Gegenwart. 2. Grundtypen moderner Gesundheitssysteme In verwaltungsorganisationsrechtlicher Sicht lassen sich grundsätzlich drei Grundtypen von Gesundheitssystemen unterscheiden, die heutzutage allerdings so nicht mehr in Reinform vorkommen.167 Wettbewerbliche Gesundheitssysteme – wie z. B. in den USA oder in der Schweiz – setzen insbesondere auf die freiwillige und selbstbestimmte Vorsorge durch eine private (ggf. substitutive) Krankenversicherung. Marktprozesse steuern die Allokation der Ressourcen, die im Eigentum Privater oder von non-profit-Organisationen stehen. Die Leistungsangebote, zwischen denen Wahlfreiheit und Konkurrenz besteht, werden durch risikospezifische Versicherungsprämien und Eigenzahlungen finanziert. Der Vorteil dieser Systeme wird in effizienter Ressourcenallokation und Innovationsoffenheit, der Nachteil in der Gefahr geringer Verteilungsgerechtigkeit gesehen.168 In staatlichen Gesundheitssystemen mit staatlichem Gesundheitsdienst – beispielsweise Großbritannien oder Spanien – finanzieren Steuern eine standardisierte (Grund-)Versorgung. Der Patient wird meist einem Hausarzt zugewiesen, der bei Bedarf weiterverweist (Primärarztsystem). Der Vorteil wird in einer hohen Verteilungsgerechtigkeit und geringen Gesamtkosten, der Nachteil in geringer Innovationsoffenheit gesehen.169 Korporatistische Sozialversicherungssysteme, wie in Deutschland, finanzieren sich über einkommensabhängige Beiträge, die an die Kassen der GKV zu entrichten sind.170 Das Gesundheitssystem ist geprägt durch eine dreigliedrige Struktur, be167
Überblick bei WTO, Health and Social Services, Rn. 32 f.; Hajen/Paetow/Schumacher, S. 245 f.; von Stapf-Finé/Schölkopf, S. 3 f. 168 Hajen/Paetow/Schumacher, S. 246. 169 Hajen/Paetow/Schumacher, S. 246. 170 Grundlage ist das Umlageverfahren: Die durch Beiträge aufgebrachten Mittel werden in die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen umgelegt. Die von dem Versicherungspflichtigen
C. Regulierungsinstrumente
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stehend aus den Versicherten, den Leistungserbringern und den Kostenträgern, die die Leistungen einkaufen. Die Leistungsbedingungen werden zwischen den Krankenkassen und den Verbänden der Leistungserbringer ausgehandelt. Wirtschaftliche Anreize werden für effiziente Leistungserbringung gesetzt. Die Teilnahme der Leistungserbringer an der sozialversicherungsrechtlich getragenen (finanzierten) Versorgung der Bevölkerung wird durch Bedarfsplanung reguliert. Der Vorteil wird ebenfalls in einer hohen Verteilungsgerechtigkeit, der Nachteil in der Tendenz zur Kostenexpansion gesehen.171 Neben diesen staatlichen oder parastaatlichen bzw. korporatistischen Verwaltungsorganisationsformen treten auf Finanzierungsseite zwei Grundformen hervor, das Beveridge-Modell und das Bismarcksche Sozialversicherungsmodell. Steuerfinanzierte Systeme beruhen auf dem Beveridge-Modell, in dessen Zentrum der staatliche Nationale Gesundheitsdienst steht. Er übernimmt die Finanzierung wie auch die Leistungserbringung. Grundsätzlich werden alle Bürger abgesichert und erhalten Zugang zu medizinischer Versorgung, sog. universeller Ansatz. Neben (zentral, regional und lokal erhobenen) Steuern als Finanzierungsinstrument können z. B. staatliche Zuschüsse, wie solche aus dem National Insurance Fund in Großbritannien, treten.172 Die Entrichtung von Steuern ist nicht notwendige Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankenversorgung. Der Patient kann allerdings auch aufgefordert werden, eine Zuzahlung oder Selbstbeteiligung zu zahlen. Häufig anzutreffen sind insofern Mischfinanzierungsansätze, die z. T. sogar auch Sozialversicherungsbeiträge integrieren.173 Angesichts steigender Nachfrage und Kosten begünstigten rationalisierte Leistungen und Wartezeiten in der Vergangenheit allerdings in den Gesundheitssystemen mit nationalem Gesundheitsdienst den Abschluss von privaten Zusatzversicherungen. Private Krankenversicherungen können hier allerdings nicht – wie in Deutschland – vollumfänglich an die Stelle staatlicher Absicherung treten.174 In Europa überwogen lange Zeit die steuerfinanzierten Gesundheitssysteme, da sie die Gesundheitsausgaben im Verhältnis zum BIP effektiv begrenzten. Ihr Vorteil ist die Unabhängigkeit von dem Rückgang der Beitragseinnahmen bei sinkenden Löhnen und Gehältern. Umgekehrt besteht das Risiko nicht ausreichender Mittelbereitstellung für den Gesundheitssektor im Verhältnis zu den übrigen Staatshaushaltsposten. Als Anzeichen notwendiger Sparzwänge werden insoweit immer wieder die in vielen steuersystemfinanzierten Systemen vorherrschenden Wartelisten für zu zahlenden Beiträge werden so bemessen, dass sie die innerhalb eines bestimmten Zeitraums anfallenden Ausgaben decken, siehe Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus, Lexikon der Wirtschaft, Zum Begriff: Umlageverfahren. 171 Hajen/Paetow/Schumacher, S. 246. 172 Mit Einzelheiten Schulze-Ehring, S. 1, abrufbar unter www.wip-dkv.de, Stand: Oktober 2012. 173 Hierzu auch die Übersicht bei Schaub, S. 29. 174 Nachweise dazu bei Henke/Scriba, S. 21 f.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
fachärztliche Behandlungen, insbesondere Operationen gewertet.175 Dass dies zu Lasten des allgemeinen Gesundheitszustandes der Bevölkerung gegangen wäre, ließ sich allerdings bislang nicht feststellen.176 Angesichts ökonomischer Zwänge bildete sich in der Vergangenheit zunehmend eine Mischfinanzierung heraus177, die die steuerfinanzierten den beitragsfinanzierten Systemen annähert. Die beitragsfinanzierten Systeme greifen angesichts z. T. rückläufiger Beitragseinnahmen und stetig steigender Ausgaben zunehmend allerdings auch auf zusätzliche unmittelbare staatliche Finanzierung durch allgemeine Steuern zurück.178 Beitragsfinanzierte Systeme gehen auf das Bismarcksche KrankenversicherungsModell zurück. Demnach übernehmen Krankenkassen die gesetzliche Krankenversicherung. Sie besitzen ein eigenes Budget, Managementstrukturen und zumeist einen besonderen rechtlichen Status. Die Krankenkassenstruktur, insbesondere die Zahl der Kassen, unterscheidet sich von Land zu Land allerdings erheblich. Je nach Berufsgruppen, Betriebszugehörigkeit, regionaler politischer oder religiöser Ausrichtung kann die Mitgliedschaft in der Krankenkasse gebunden sein oder Wahlfreiheit bestehen.179 Im Hinblick auf den Versicherungsleistungsumfang lassen sich in den beitragsfinanzierten Strukturen zwei Systeme unterscheiden. Neben eine universelle Pflichtversicherung, die alle Bevölkerungsgruppen mit einer Basisversicherung versieht und ihnen die Möglichkeit für (private) Zusatzversicherungen einräumt, treten insoweit Systeme, die sowohl ein gesetzliches Pflichtversicherungssystem als auch eine vollständige private Krankenversicherung bei Überschreiten einer bestimmten Jahresarbeitsentgeltgrenze zulassen, wie z. B. in Deutschland. Ergänzende Versicherungen zur solidarisch finanzierten Krankenvollversicherung, sog. Zusatzversicherungen, die in der Regel private Versicherungsunternehmen anbieten, haben in vielen EU-Ländern – infolge der Kürzung staatlicher Versicherungsleistungen
175 Zu formalen Wartelistensystemen Breyer/Klimt/Thiele, S. 39 f. Aber auch beitragsfinanzierte Systeme kennen Wartelisten allerdings meist geringeren Ausmaßes. 176 Dies wird mit dem relativ geringen Zusammenhang zwischen der Höhe der Gesundheitsausgabenposten und Bevölkerungsgesundheit erklärt. So beeinflussen vorrangig die Belastung am Arbeitsplatz, Freizeitmöglichkeiten und das individuelle Gesundheitsverhalten der Menschen den Gesundheitszustand. Dazu im Einzelnen Hajen/Paetow/Schumacher, S. 16 f. 177 Fallstudien ließen zudem Anzeichen erkennen, dass im Binnenmarkt steuerfinanzierte Systeme untereinander stärker miteinander kooperieren als mit beitragsfinanzierten Systemen. Daraus wurde gefolgert, dass neben der Annäherung der Systeme durch die gegenseitige Übernahme von Finanzierungsinstrumenten gleichzeitig die Polarisierung zwischen beiden Systemen zunehmen könnte, d. h. die gleichen Systemtypen untereinander enger zusammenwachsen könnten. 178 Vor diesem Hintergrund zur Frage, ob die Binnenmarktliberalisierung zu einem race to the bottom der europäischen Gesundheitssysteme führe, Schaub, S. 114 f. 179 Im Einzelnen dazu die Länderberichte der Europäischen Kommission, abrufbar unter http://ec.europa.eu/emploment_social/social_protection/health_de, Stand: Oktober 2012.
C. Regulierungsinstrumente
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(z. B. Zahnmedizinische Versorgung, Brillen) – inzwischen eine große Bedeutung erlangt.180 Neben Verwaltungsorganisation und Finanzierungssystemen haben sich in den letzten Jahren auch im Leistungsrecht Mischformen des Sachleistungs- und Kostenerstattungsprinzips herausgebildet.181
II. Organisationsstruktur des deutschen Gesundheitssystems Das deutsche Gesundheitswesen beruht auf einer Doppelstruktur. Es wird einerseits getragen von einem System sozialer Krankenversicherung, neben dem wiederum eine private Krankenversicherung steht. Das deutsche Gesundheitswesen wird insoweit durch drei koexistente Versicherungsformen geprägt: die Pflichtversicherung in der obligatorischen Krankenvollversicherung der GKV für ca. 77 % der Versicherten, die freiwillige Krankenvollversicherung in der GKV für ca. 10 % der Bevölkerung und schließlich die substitutive Krankenvollversicherung in der PKV, über die knapp 10 % der Bevölkerung versichert sind.182 Das deutsche Gesundheitssystem ist zudem dezentralisiert aufgebaut183 : Hauptmerkmale sind der Föderalismus und die Delegation an nichtstaatliche korporatistische Institutionen (1.) sowie eine Vielzahl von Steuerungselementen mit erheblichen Implikationen auf die Geltung der klassischen Wettbewerbsfunktionen auf den betroffenen Sektormärkten, d. h. auf die ambulante und stationäre Versorgung sowie den Krankenversicherungsmarkt selbst (2.).
180
Jüngste unionsweite Forschungsprojekte vergleichen den „Katalog“ mitgliedstaatlicher Versorgungsleistungen, sog. „health baskets“, um die Auswirkungen einer Binnenmarktöffnung auf die (Grund-)Versorgung zu eruieren; nähere Informationen zu diesem von der Europäischen Kommission finanzierten Forschungsprojekt sind abrufbar unter http://www.mig.tuberlin.de/research/healthBasket/index.html, Stand: Oktober 2012. Zur unterschiedlichen Entwicklung des Leistungsumfangs der europäischen Krankenversicherungssysteme eingehend auch Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Soziale Sicherheit in Europa, S. 2 f.; dies., The Internal Market and Health Services, S. 7. 181 Umfassender Systemvergleich der WHO-Mitglieder unter http://www.who.int/coun tries/en/, Stand: Oktober 2012; auf Unionsebene mit tabellarischen Länderübersichten des gegenseitigen Informationssystems der sozialen Sicherheit in den Mitgliedstaaten der EU und des EWR (MISSOC) der EU-Kommission, abrufbar unter http://ec.europa.eu/employment_so cial/social_protection/missoc_tables_ de.htm, Stand: Oktober 2012. 182 Ungefähr 2 % werden im Rahmen der Sozialhilfe (medizinische Hilfe) versorgt und ca. 0,2 % hatten keinen Versicherungsschutz. Die medizinische Hilfe muss aus dieser Arbeit ausgeklammert werden, ebenso wie der Großteil der Regelungen der PKV. Diese wird nur insoweit behandelt als sie Berührungspunkte mit der GKV aufweist 183 Zur Dezentralisierung im deutschen Gesundheitssystem im Einzelnen Busse/Riesberg, S. 64 f.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
1. Organisationsstruktur und Akteure Ein prägendes Merkmal des deutschen Gesundheitssystems ist die föderale Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und den Organen der Selbstverwaltung. Die Regierung hat ihre Kompetenzen an mitgliederbasierte, selbstregulierte, nicht-profitorientierte Organisationen (Körperschaften des öffentlichen Rechts und ihre Verbände) von Ausgabenträgern und Leistungserbringern delegiert, um die lokale Fachkompetenz in Entscheidungsfindung und -umsetzung einzubinden.184 Eine Regulierungsform, die als Korporatismus oder Verbänderegulierung bezeichnet wird.185 Regulierungsmaßnahmen des deutschen Gesundheitssystems werden durch ein Zusammenspiel der auf vier Ebenen im deutschen Gesundheitssystem angesiedelten Akteure getroffen, Bundesebene [a)], Länderebene [b)], Selbstverwaltungsorgane [c)] sonstige Akteure [d)]. a) Bundesebene Auf Bundesebene erarbeitet das BMG die Steuerungsmechanismen (Gesetze, Verordnungen etc.), mit denen der staatliche Rahmen des Sozialversicherungssystems gesetzt wird. Der Bundestag, ggf. auch Bundesrat, entscheidet insbesondere über Grundsatzfragen der GKV im SGB V, Fragen der Krankenhausversorgung und -finanzierung, der Arzneimittelversorgung sowie Medizin- und Blutprodukte. Darüber hinaus kommt dem Ministerium insbesondere die Aufsicht über die korporatistischen Institutionen als auch, mit Unterstützung verschiedener nachgeordneter Behörden, eine Reihe von Lizenzierungs- und Aufsichtsfunktionen, wissenschaftliche Beratungstätigkeit und Informationsdienste zu.
184
Busse/Riesberg, S. 35. Kritisch zur Verbänderegulierung Engelmann, S. 76 f. Kritisch zur Ausweitung staatlicher Regulierung Gassner, Re-Regulierung, S. 281; Badura/Hart/ Schellschmidt, S. 5 f.; Deppe, S. 12 f.; Kloepfer, S. 40; siehe darüber hinaus die Online-Umfrage von gesundheit adhoc: Viele Deutsche fürchten den Weg in die Staatsmedizin, v. 19. März 2007, abrufbar unter: http://www.gesundheit-adhoc.de/, Stand: Oktober 2012. 185 Hajen/Paetow/Schumacher, S. 88 f. Die Vor- und Nachteilen der Verbänderregulierung fassen sie anschaulich zusammen: Der Vorteil dieser Regulierungsform wird insbesondere in ihrer Flexibilität und Wettbewerbsnähe gesehen. Die Legitimation staatlicher Gesundheitspolitik werde auf diese Weise durch die unmittelbare Inkorporierung gesellschaftlicher Interessen erhöht. Die Nachteile bestehen vor allem in der Gefahr partikularer Interessenvertretung – sog. capturing –, schwerfälliger Entscheidungsprozesse aufgrund der Zustimmungspflicht vielfältiger Beteiligter sowie Intransparenz innerverbandlicher Entscheidungen als auch der Begünstigung monopolartiger Strukturen. Zur korporatistischen Steuerung im deutschen Gesundheitswesen und ihrer Zukunft, eingehend auch Gerlinger, S. 21 f.
C. Regulierungsinstrumente
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b) Länder Den Bundesländern – hier die Gesundheitsressorts der Landesministerien – obliegt vor allem die Sicherung der stationären Versorgung und des öffentlichen Gesundheitsdienstes.186 Sie sind gem. § 6 KHG für die Gewährleistung einer leistungsfähigen und bedarfsgerechten Krankenhausversorgung zuständig und stellen entsprechende Krankenhauspläne und Investitionsprogramme auf. Die Einzelheiten der Krankenhausplanung sind in den Landeskrankenhausplänen geregelt. Die Krankenkassen hingegen tragen die laufenden Betriebskosten nach Maßgabe des KHEntG und der BPflV (sog. duale Krankenhausfinanzierung). Der Grundsatz der Selbstkostendeckung der Krankenhäuser ist nach § 4 S. 1 Nr. 2 KHG idF von Art. 11 des GSG von 1993 durch einen Anspruch auf leistungsgerechte Erlöse aus Pflegesätzen, diagnosebezogenen Fallpauschalen (diagnosis related groups, sog. DRGs), Sonderentgelten sowie Vergütungen vor- und nachstationärer Behandlungen sowie ambulantes Operieren abgelöst worden.187 c) Selbstverwaltungsorgane Auf dritter Ebene steuern im Rahmen der mittelbaren Staatsverwaltung die Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts sowie ihre Verbände (4. Kapitel SGB V) – teilweise über den Gemeinsamen Bundesausschuss – die Entwicklung des Gesundheitswesens.188 Die Leistungserbringer werden von den Kassen-(Zahn-)ärztlichen Vereinigungen und ihren Verbänden, und die Ausgabenträger werden durch die Krankenkassen(-verbände) auf Landes- und Bundesebene vertreten.189 Die Spitzenverbände sollen sich über die von ihnen nach dem SGB V gemeinsam und einheitlich zu treffenden Entscheidungen einigen (§ 213 SGB V).190 Die Krankenkassen werden auf Bundesebene durch den GKV-Spitzenverband Bund der Krankenkassen gem. § 217 a SGB V vertreten. Anders als die niedergelassenen Ärzte, die durch die genannten Kassenärztlichen Vereinigungen vertreten werden, sind die Krankenhausträger in Spitzen- und Landesverbänden und auf Bundesebene in der Deutschen Krankenhausgesellschaft zusammengeschlossen. 186
Universitätsklinika unterstehen wiederum idR den Wissenschaftsressorts. Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 109, Rn. 7. 188 Zur Neugestaltung der Kassenorganisationsstrukturen, siehe Richter, S. 815. 189 Zu anderen Sozialversicherungsträgern, Kammern freier Heilberufe und sonstigen Akteuren, siehe Busse/Riesberg, S. 43 f. 190 Darüber hinaus müssen sich beispielsweise die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Landesverbänden der Krankenkassen über die Gesamtvergütung der Vertragsärzte nach dem sog. einheitlichen Bewertungsmaßstab einigen. In dessen Rahmen wird vereinfacht gesprochen jeder Leistung ein gewisser Punktwert zugeordnet, aus dem sich den am Monatsende die Vergütung jedes Vertragsarztes ergibt. 187
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
Kennzeichen der gemeinsamen Selbstverwaltung sind die Pflichtmitgliedschaft in den Einrichtungen und Personalwahlen.191 Die korporatistischen Institutionen finanzieren sich über die Beiträge ihrer Mitglieder, beispielsweise die Krankenkassen über die Krankenversicherungsbeiträge. Die Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung dürfen aber anders als private Versicherungsunternehmen grundsätzlich keine Gewinne generieren bzw. einbehalten und aus den Einnahmen Rückstellungen bilden.192 Die Höhe der Beiträge wird gem. § 241 SGB V seit dem 1. Januar 2009 gesetzlich festgelegt.193 Damit wurden Kompetenzen der Selbstverwaltung dem Staat rückübertragen und ein bisheriger Wettbewerbsparameter der Krankenkassen untereinander im Wettstreit um Versicherte – der durch die Einführung der freien Kassenwahl praktische große Bedeutung erhalten hatte194 – abgeschafft. Allerdings können die Krankenkassen, die mit den Beitragseinnahmen nicht auskommen, von ihren Versicherten einen entsprechenden einkommensunabhängigen Zusatz-„Beitrag“ verlangen, dessen Höhe rechtlich grundsätzlich nicht mehr gedeckelt ist.195 Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind in der Weimarer Republik durch die Notverordnung der Reichsregierung vom 8. Dezember 1931 zur Bündelung der Ärzteinteressen gegenüber den Krankenkassen begründet worden. Die Krankenkassen konnten seitdem lange keine Einzelverträge mit Ärzten ihrer Wahl abschließen. Sie mussten und müssen sich grundsätzlich an die regionale KV des Kassen- bzw. Vertragszulassungssitzes des jeweiligen Arztes richten (§ 72 Abs 2 Satz SGB V). Die Krankenkassen kaufen Gesundheitsleistungen über Verträge mit den Kassenärztlichen Vereinigungen ein.196 Das zwischenzeitlich eingeräumte Recht zur selektiven Vertragsgestaltung mit Gruppen von Leistungserbringern (sog. Einkaufsmodell)197 tritt als alternative Versorgungssysteme neben die Kollektivverträge. 191
Die Leistungsträger wurden gesetzlich fixiert (§§ 12, 18 – 29 SGB I, 29 f. SGB IV) und werden durch Personalwahlen legitimiert (§§ 43 f. SGB IV). 192 Nähere Informationen zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, http:// www.gkv-spitzenverband.de/Finanzierung_der_GKV.gkvnet, Stand: Oktober 2012. 193 Nach Art. 1, Nr. 17 des Gesetzes zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Finanzierungsgesetz, BGBl. 2010 Teil I, Nr. 68, S. 2309) wurde er für die Zukunft gesetzlich auf 15,5 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen fest geschrieben. 194 Allerdings war der Kassenwechsel bei Versicherungspflichtigen anlassbezogen (z. B. Arbeitgeberwechsel) und nur zum Jahresende möglich. Seit dem 1. 1. 2002 ist der Wechsel zum Ablauf des übernächsten Kalendermonats möglich, wobei die Versicherten allerdings in den 18 Folgemonaten an diese Wahl dann gebunden bleiben (§§ 173 – 175, 191 SGB V). 195 Art. 1 Nr. 18 GKV-Finanzierungsgesetz; siehe im Einzelnen die Begründung zum Gesetzentwurf BT-Drs. 17/3040, S. 27 f. 196 Z. B. Bundesmantelverträge, §§ 82 Abs. 1, 87 Abs. 1 SGB V, Gesamtverträge, § 83 SGB V, Strukturverträge § 73a SGB V. 197 Es können demnach Vereinbarungen getroffen werden mit Leistungserbringern im Rahmen von Modellvorhaben (§§ 63 ff. SGB V) oder Vereinbarungen geschlossen werden in Gestalt von Strukturverträgen (§ 73 a SGB V) oder Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern, die weder nach den landesrechtlichen Vorschriften als Hochschulkliniken anerkannt noch in den
C. Regulierungsinstrumente
117
Eine Ausnahme vom Kollektivvertragssystem galt zuvor bereits ab 1992 für den Fall der im Rahmen der Bedarfsplanung festgestellten Unterversorgung infolge Zulassungsrückgabe oder Behandlungsverweigerung durch die Vertragsärzte (§ 72a SGB V).198 Das Bedarfsplanungsrecht erlaubt die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen bei ärztlicher Unterversorgung nach § 100 SGB V und Überversorgung nach § 101 SGB V. Absolute Zulassungssperren sind allerdings nicht zulässig, sondern nur regionale Sperren.199 Darüber hinaus wird in die Berufsausübung regulierend eingegriffen, indem Zahlungen von Abfindungen durch Krankenkassen für den Verzicht auf Vertragsarztzulassungen geleistet werden können (§ 104 Abs. 3 SGB V) und Hausärzte bei der Zulassung bevorzugt berücksichtigt werden sollen (Lotsenfunktion, § 103 Abs. 4 S. 6 SGB V).200 Die Bedarfsplanung wird durch den sog. Bedarfsplan umgesetzt, den Kassenärztliche Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den entsprechenden Landesbehörden nach Maßgabe der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erlassenen Richtlinien auf Landesebene zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung aufstellen (§ 99 SGB V). Dem veröffentlichten Bedarfsplan kommt nur die Eigenschaft einer Bedarfsanalyse zu, da er keine rechtlichen Auswirkungen auf die Zulassungsfähigkeit von Ärzten im jeweiligen Planungsbereich hat. Insoweit unterscheidet er sich von dem Krankenhausbedarfsplan nach § 8 Abs. 1 S. 1 KHG, der den Kreis der öffentlich geförderten Krankenhäuser abschließend beschreibt.201 Eine dem Krankenhausplan rechtlich vergleichbare Versorgungsplanung erfolgt erst mittels Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (§§ 100, 103 SGB V). Wettbewerber müssen bei Verweigerung der Zulassung mithin gegen den Ableh-
Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (§ 109 SGB V). Auch können Versorgungsverträge mit Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen (§ 111 SGB V) oder Verträge über ambulante Behandlungen im Krankenhaus (§ 116 b SGB V), Verträge über die HilfsmittelLeistungserbringung (§ 127 Abs. 1 SGB V), Verträge mit Apotheken (§ 129 Vb SGB V), Arzneimittelrabattverträge gem. § 130a Abs. 8 Satz 1 SGB V, Verträge über die Beteiligung von strukturierten Behandlungsprogrammen (§ 137 f. SGB V), Verträge über integrierte Versorgungsformen gem. § 140 a SGB V, Verträge mit Leistungserbringern im EU-EWR-Ausland (§ 140e SGB V) als auch Verträge zur Sicherstellung der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB V sowie zur Umsetzung besonderer ambulanter ärztlicher Versorgung § 73c SGB V. Ausführlich zu Selektivverträgen Gassner, Re-Regulierung, S. 283 f. 198 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 72, Rn. 2 f. 199 BSG Urt. v. 18. März 1998, in: NZS 1999, S. 98. 200 Zur verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1 GG, siehe Boecken, S. 423 ff. 201 BVerwGE 60, S. 269, 273; 62, S. 86.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
nungsbescheid vorgehen, wobei inzidenter dann auch der Bedarfsplan überprüft werden kann.202 Durch dieses Planungsinstrumentarium soll der Ausgabenanstieg eingedämmt werden – Stichwort „angebotsinduzierte Nachfrage“203 –, Beitragssätze der GKV stabilisiert und insgesamt die hohe Qualität der Versorgung durch einen angemessenen Zugang zur ärztlichen Versorgung sichergestellt werden. Die verhältniszahlbestimmte Bedarfsplanung stellt nach deutschem Grundrechtsverständnis eine bloße Berufsausübungsregelung i.S.v. Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz dar, die durch die oben genannten Gründe zulässigerweise eingeschränkt wird, da es sich hier um eine verhältnismäßige Maßnahme aufgrund „vernünftiger Erwägungen des Gemeinwohls“ i.S. der ersten Stufe der Drei-Stufen-Theorie handelt.204 Neben die regionale Zulassungssteuerung tritt die örtliche Festlegung des Vertragsarztsitzes innerhalb eines Zulassungsbezirks oder Planungsbereichs (§ 95 Abs. 1 Satz 7 SGB V), die ebenso verfassungsrechtlich gerechtfertigt wird.205 Weitere zentrale Einrichtung des deutschen Gesundheitswesens ist der Gemeinsame Bundesausschuss (§ 91 SGB V), in dem auf Bundesebene Leistungen, sonstige Preise und Qualitätsstandards definiert werden. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist das oberste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Leistungserbringer und Kostenträger.206 Ihm gehören über diese beiden Gruppen hinaus unparteiische Mitglieder und Patientenvertreter an.207 Der Gemeinsame Bundesausschuss erlässt nach Maßgabe des Sozialgesetzbuches für fast alle Versorgungsbereiche der GKV gesetzlich bindende Richtlinien (§§ 91 Abs. 6, 92 Abs. 1 SGB V). Sie definieren den Leistungskatalog – insbesondere, ob neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aufgenommen werden –, stellen sicher, dass GKV-Leistungen angemessen, zweckmäßig und wirtschaftlich erbracht werden (§ 12 SGB V) und der Zugang von Patienten zu Gesundheitsleistungen gesichert ist. Die Rückanbindung der gemeinsamen Selbstverwaltung an die staatliche Steuerungsebene wird gewährleistet, indem alle Beschlüsse des G-BA dem Gesund-
202 Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SG B V, § 95, Rn. 7. 203 Siehe oben in Teil 2 unter B.I.1.d). 204 Zur Dreistufentheorie, BVerfGE 7, S. 377, 378, siehe den Leitsatz Nr. 6a) bis d) – Apothekenurteil. Zu Art. 12 GG und der vertragsärztlichen Bedarfsplanung näher Boecken, S. 418 ff. 205 Siehe im Einzelnen Boecken, S. 421 ff. 206 Übersicht der Gremien gemeinsamer Selbstverwaltung bei Busse/Riesberg, S. 54 f. 207 Patientenvertreter haben zumindest ein Mitberatungs- und Antragsrecht (§ 140 f SGB V). Der G-BA wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) am 1. Januar 2004 eingerichtet, abrufbar unter http://www.g-ba.de/, Stand: Oktober 2012. Er wird unterstützt von einem unabhängigen Institut für Qualitäts- und Effizienzsicherung, dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), abrufbar unter http://www.iqwig.de/, Stand: Oktober 2012.
C. Regulierungsinstrumente
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heitsministerium vorzulegen sind und nur in Kraft treten, sofern sie nicht innerhalb von zwei Monaten beanstandet werden (§ 94 Abs. 1 SGB V). d) Weitere zentrale Akteure Auf vierter Ebene werden die sonstigen Akteure tätig, d. h. Unternehmen, Organisationen und ihre Vereinigungen, Einzelpersonen. Hier – wie zunehmend auch auf der dritten Ebene – sind marktwirtschaftliche Steuerungsmechanismen verbreitet. Im ambulanten Bereich wird die vertragsärztliche Versorgung vor allem durch zugelassene Vertragsärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte mit deutscher Approbation oder entsprechendem EU-Diplom nach §§ 2 Bundesärzteordnung/ZHG erbracht. Ausländische Ärzte aus Nicht-EU-Staaten müssen die Gleichwertigkeit der Ausbildung nachweisen und die Voraussetzungen der §§ 3 Abs. 3 BÄO/ZHG (öffentliches Gesundheitsinteresse, Härtefall) erfüllen. Zur Weiterbildung und Deckung von Versorgungslücken kann eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärztlichen Berufs in Deutschland erteilt werden nach §§ 10 BÄO, § 4 Psychotherapeutengesetz, § 13 ZHG. Nach Eintragung in das Arztregister und Zulassung durch den Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) kann der Arzt dann an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen.208 Ähnliche qualitative Beschränkungen – allerdings nicht überall mit Hochschulabschlusserfordernis – des Berufszugangs finden sich auch in den übrigen reglementierten Berufen für Angehörige der Heilberufe (z. B. Ausbildung von Hebammen, Krankenschwestern und paramedizinischem Personal). Allerdings weisen diese Berufe grundsätzlich keine quantitative Beschränkung vergleichbar der ärztlichen Bedarfsplanung auf. In der stationären Versorgung gibt es keine den kassenärztlichen Vereinigungen vergleichbaren öffentlich-rechtlichen Zwangskörperschaften für Krankenhäuser. Die Krankenhäuser, die zur Versorgung von GKV-Patienten zugelassen sind (§ 108 SGB V), sind nicht zwangsweise in eine öffentlich-rechtliche Körperschaft wie bei der Kassenärztlichen Vereinigung eingebunden.209 Allein § 108a SGB V beschreibt zumindest die vorhandenen privatrechtlichen Verbandsstrukturen.210 Die Übertragung von Verhandlungskompetenzen an Verbände der Krankenhausträger ist dementsprechend nicht so ausgeprägt wie im Vertragsarztrecht. Im Krankenhausbereich werden Kollektivverträge auf Landes208 Zu den Einzelheiten der Teilnahmevoraussetzungen an der vertragsärztlichen Versorgung, siehe Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 95, Rn. 2 ff. 209 Zwischenzeitliche Vorhaben, die zugelassenen Krankenhäuser zu öffentlich-rechtlichen Körperschaften zusammenzufassen, wurden nicht realisiert. Eine den §§ 77 – 81 SGB V vergleichbare Regelung fehlt für Krankenhäuser. Näher dazu Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 340 ff. 210 Eingehend Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 340 ff.
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
ebene geschlossen zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen mit den Landeskrankenhausgesellschaften oder mit Vereinigungen der Krankenhausträger im Land. Diese umfassen insbesondere die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung (Aufnahme, Entlassung, Kostenübernahme etc) als auch Verfahren der Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung (§18 Abs. 3 S. 3 KHG, § 10 KHEntgG, § 112 SGB V). Diese Verträge sind dann allerdings nach § 112 Abs. 2 S. 2 SGB V für alle zugelassenen Krankenhäuser ungeachtet einer Mitgliedschaft im Kollektiv der Krankenhäuser (der Landeskrankenhausgesellschaften) verbindlich.211 Dennoch kann nicht von einem Monopol oder Oligopol der Landesverbände gesprochen werden, da daneben auch Vergütungsverträge auf der Ebene der Krankenhausträger selbst getroffen werden (§18 Abs. 1, S. 1 KHG i.V.m. § 17 BPflV, § 11 KHEntgG). Auf Bundesebene wiederum können der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft oder die Bundesverbände der Krankenhausträger gemeinsam Rahmenempfehlungen zum Inhalt der Verträge auf Landesebene vereinbaren (§ 112 Abs. 5 SGB V). Krankenhäuser können neben den ihnen vorbehaltenen stationären Leistungen in den gesetzlich vorgesehenen Bereichen auch ambulante Leistungen erbringen (§§ 115 ff. SGB V). Über die hier vorgesehenen leistungs- und finanzierungsrechtlichen Regelungen soll sichergestellt werden, dass keine Quersubventionierung zu Lasten der niedergelassenen Ärzte stattfindet. Darüber hinaus können Krankenhäuser den ihnen vorbehaltenen stationären Leistungsbereich „verlassen“, indem sie als Träger von Medizinischen Versorgungszentren ambulante Leistungen anbieten. Einer Quersubventionierung ist hier nach EU-Beihilfenrecht derart vorzubeugen, dass personelle und materielle Ressourcen (Räumlichkeiten und Geräte), die nach der stationären Bedarfsplanung stationärer Versorgung vorbehalten sind, und zusätzlich den ambulanten Versorgungsleistungen des MVZ zur Verfügung gestellt werden, nach marktüblichen Sätzen eingepreist und abgerechnet werden müssen. Anders sieht es hingegen aus, wenn das krankenhausbetriebene MVZ eine örtliche ambulante Unterversorgung auffangen sollte, weil die Kassenärztliche Vereinigung in einer ländlichen Region die vertragsärztliche Versorgung nicht mehr ausreichend sicherstellen könnte. Eine unzulässige Quersubventionierung wäre in diesem Fall zu verneinen.212 e) Zwischenergebnis Die Hauptakteure deutscher Gesundheitsregulierung sind die Organe der Selbstverwaltung, die ebenfalls föderal geprägt auf Landesebene (vor allem durch Verbände der Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen sowie der Lan-
211 Kritisch, da es sich um einen faktischen Beitrittszwang handele, Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 399 ff., 446 ff. 212 So Kibele, S. 1094 ff.
C. Regulierungsinstrumente
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deskrankenhausgesellschaften) und Bundesebene (u. a. Spitzenverbände der Krankenkassen und der KBV sowie dem G-BA) agieren. 2. Grundlegende Regulierungsinstrumente Die dargestellte Konzentration und Kooperation von Anbietern im Gesundheitswesen weist auf ein hohes Maß an Monopolisierung und räumlicher Marktabgrenzung im deutschen Gesundheitsmarkt hin. Im Unterschied zum Privatsektor ist die Marktmacht der Beteiligten im Gesundheitswesen ursprünglich gesetzlich angelegt, um eine effiziente Ressourcenallokation und gesellschaftlich gewünschte gerechte Redistribution der Gesundheitsressourcen zu gewährleisten. Es lassen sich fünf wesentliche, handelsrelevante zentrale Regulierungsinstrumente des deutschen Gesundheitssystems ausmachen213, die im Einzelnen bei den relevanten GATS-Regelungen näher dargestellt werden. Zum einen wird die ambulante und stationäre Versorgung durch Sicherstellungsauftrag, Bedarfsplanung und Investitionsförderung von den Organen der Selbstverwaltung und teilweise der öffentlichen Hand gewährleistet statt durch alleinige Allokation über den Marktwettbewerb. Zum anderen werden die Preise administriert für Gesundheitsdienstleistungen der GKV durch das Punktwertsystem nach EBM im Bereich ambulanter Versorgung, das Finanzierungssystem der DRGs in der stationären Versorgung sowie den Grundsatz der Beitragssatzstabilität statt einer Preiskontrolle des Wettbewerbsmarktes. Qualitäts- und Sicherheitsstandards214 wie auch der Zugang zum Versicherungssystem – soziale Krankenversicherung oder private Krankenversicherung – werden reguliert. So besteht nur oberhalb der Versicherungspflichtgrenze ein Wahlrecht. Schließlich wird trotz des grundsätzlichen Bedarfsprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung der Leistungsumfang reguliert. Damit setzt die Regulierung in allen drei Beziehungen des sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisses (Patient – Kostenträger – Arzt) an. Die zentralen Regulierungsmaßnahmen im deutschen Gesundheitssektor lassen sich vor diesem Hintergrund wie folgt zusammenfassen: – Qualitätsstandards für Technik, Behandlungen und Einrichtungen; – Einschränkung der Wahl des Versicherungssystems PKV/GKV (grundsätzlich Wahlfreiheit nur oberhalb der Versicherungspflichtgrenze); 213
In Anlehnung an Badtke, S. 146 f. Grundsätzlich sind alle Leistungserbringer in der GKV zur Qualitätssicherung verpflichtet. Im SGB V sind die Grundanforderungen geregelt. Anbieter sind sowohl zu einem internen als auch einrichtungsübergreifenden externen Qualitätsmanagement verpflichtet (§ 135a SGB V). Der G-BA konkretisiert diese Rahmenvorgaben durch verbindliche Richtlinien. Nähere Information abrufbar unter http://www.g-ba.de/institution/themenschwerpunkte/ qualitaetssicherung/, Stand: Oktober 2012. 214
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
– Regulierung der Arzneimittel-, Heil- und Hilfsmittelerstattung sowie Abrechnungsmodalitäten von Behandlungen (Sachleistungs-/Kostenerstattungsprinzip); – Berufszugangs- und Ausübungsregelungen der Heilberufe, insbesondere der akademischen Heilberufe, einschließlich des Kammerrechts; – Duale, plangeleitete Krankenhausfinanzierung (Stichwort: Quersubventionierung gewinnträchtiger Privatabteilungen durch staatliche an den Sicherstellungsauftrag zweckgebundene Krankenhausfinanzierung); – ggf. Gemeinwohlverpflichtungen für Unternehmen, benachteiligte Bevölkerungsgruppen besonders zu fördern; – gesellschaftsrechtliche Beschränkungen für die Rechtsform von Krankenhausunternehmen oder MVZ215; – Gewinn- und Re-Investitionsbeschränkungen mittels Zwangsabführung von erwirtschafteten Gewinnen an die öffentliche Hand; – Dezentralisierte Kompetenzen (Föderalismus, Korporatismus) in Genehmigungsverfahren etc.216 Im Bereich des Berufszulassungs- und Ausübungsrechts verzichtet der Gesetzgeber ab 2012 auf zwei zentrale Regulierungsinstrumente: Das Staatsangehörigkeitserfordernis für die Erteilung der Approbation für Ärzte entfällt ab 1. April 2012 mit Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes217. Bis dahin konnten Angehörige von Drittstaaten nur eine Berufserlaubnis erhalten. Das hatte zur Folge, dass sie sich nicht niederlassen und eine eigene Praxis betreiben konnten. Darüber hinaus ist zum 1. Januar 2012 mit Inkrafttreten des GKV-Finanzierungsgesetzes die Residenzpflicht für Vertragsärzte aufgehoben worden. Um die Versorgung auch in ländlichen Gegenden zu verbessern, müssen Vertragsärzte nicht mehr in unmittelbarer Nähe ihres Vertragsarztsitzes wohnen.218 Demgegenüber wurde jüngst allerdings eine neue Rechtsformbeschränkung eingeführt: MVZ dürfen nicht mehr in der Rechtsform der Aktiengesellschaft geführt werden. Zweck dieser Beschränkung ist es, mit fachlicher Leitung durch einen – wenigstens ideell an den Eid des Hippokrates gebundenen – 215
Medizinische Versorgungszentren dürfen seit Inkrafttreten des GKV-Versorgungsstrukturgesetzes am 1. Januar 2012 nicht mehr in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt und nur von Vertragsärzten, Krankenhäusern und bestimmten gemeinnützigen Einrichtungen gegründet werden, § 95 Abs. 1a SGB V. Zweck ist es zu verhindern, dass Investoren MVZs gründen und als Kapitalgeber wirtschaftlichen Einfluss auf medizinische Entscheidungen nehmen. Leiter eines MVZ muss daher immer ein Arzt sein, der im MVZ tätig und in medizinischen Entscheidungen weisungsfrei ist, BGBl. 28. März 2012, Teil I Nr. 70, Art. 1 Nr. 31 (§ 95 Abs. 1a SGB V). 216 Übersicht in Anlehnung an Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), S. 218. 217 Art. 29 ff. Anerkennungsgesetz, BGBl. 2011 Teil 1 Nr. 63 v. 12. Dezember 2011. 218 Siehe Art. 9 Nr. 8 GKV-VStG zur Änderung von § 24 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, BGBl. v. 28. März 2012, Teil I Nr. 70, 28. 12. 2011; siehe auch die Begründung des Gesetzesentwurfs zu Nummer 8 (§ 24), S. 175 f.
D. Ergebnis zu Teil 2
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Arzt sicherzustellen, dass kommerzielle Gesichtspunkte hinter medizinischen Bewertungen zurücktreten.
III. Zwischenergebnis Wesentliche Regulierungsinstrumente westlicher Gesundheitssysteme sind staatliche Monopole bzw. die Gewährung ausschließlicher Rechte an Dritte (z. B. LizenzBetreibermodelle), Preiskontrollen, berufsrechtliche Beschränkungen quantitativer Art (z. B. Bedarfsplanung) und qualitativer Art (Qualifikationsnachweise, Staatsangehörigkeitserfordernis, Wohnsitzerfordernis), Rechtsformvorschriften für Niederlassungen (z. B. Verbot des Betriebs eines MVZ als Aktiengesellschaft) , Qualitätsund Sicherheitsstandards sowie wirtschaftliche Anreize für effiziente Leistungsangebote (z. B. Zuzahlungen für Patienten zu Leistungen oder Arznei-, Heil- und Hilfsmittel, Budgetierung, Fall- statt Kopfpauschalen in der Krankenhausfinanzierung).219
D. Ergebnis zu Teil 2 Gesundheitsdienstleistungen unterscheiden sich von Dienstleistungen anderer volkswirtschaftlicher Sektoren durch besondere Charakteristika. In der Regel sind die Preise administriert, der Versorgungscharakter von Gesundheitsdienstleistungen ist in der Regel regional, Informationsasymmetrien bestehen zwischen Arzt und Patient, Patient und Krankenkasse als auch zwischen Arzt und Krankenkasse. Dies begünstigt wiederum eine angebotsinduzierte Nachfrage und geringe Preiselastizität. Darüber hinaus kennzeichnen Gesundheitsdienstleistungen Externalitäten als auch Phänomene wie moral hazard und adverse Selektionen sowie vor allem im stationären Bereich der Optionsgutcharakter. Trotz dieser Besonderheiten werden Gesundheitsdienstleistungen auf „Märkten“ angeboten. Diese unterliegen allerdings intensiver Regulierung. Die zentralen Regulierungsinstrumente des deutschen Gesundheitssystems sind Berufszugangs- und Berufsqualifikationsregelungen, Finanzierungs- und Abrechnungsmodalitäten sowie Zugangsregelungen zu Versicherungssystemen und Leistungsangeboten. Diese Regulierung ist sozialpolitisch aber auch ökonomisch motiviert und verhindert ein „Marktversagen“. Weder die besonderen Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen, noch die hochgradige Regulierung von Gesundheitsmärkten als auch die vielfältigen internationalen und europäischen Kodifikationen des Rechts auf Gesundheit stehen per se einer Liberalisierung entgegen. Entscheidend ist die Reichweite der Liberalisierung, 219 Siehe die Übersicht über dienstleistungshandelsrelevante Regulierungsinstrumente bei OECD, Trade restrictivness Index, S. 21; Karmakar, S. 44 f.; speziell im Gesundheitsbereich siehe Karmakar, S. 32 f.; speziell zur Ausgabenkontrolle im Gesundheits- und Sozialbereich siehe WTO, Health and Social Services, S. 8 (Box I).
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Teil 2: GATS-relevante Charakteristika von Gesundheitsdienstleistungen
d. h. wie weit im konkreten Fall der Regulierungsspielraum der zuständigen Stelle eingeschränkt wird. Ziel des GATS ist gem. Art. XIX GATS die schrittweise Erhöhung des Liberalisierungsstandes. Wo die Grenze der Liberalisierung zu ziehen ist bzw. sein wird, wird im nachfolgenden Abschnitt untersucht.
Teil 3
Anwendung und Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung Das GATS findet Anwendung auf Maßnahmen von WTO-Mitgliedern, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen. Gerade im Hinblick auf den Gesundheitsbereich ist es vielfach komplex, seine Grundsätze und Leitprinzipien (A.) im Hinblick auf den Anwendungsbereich (B.), und die Reichweite seiner verschiedenen Liberalisierungsverpflichtungen (C.) zu bestimmen.1
A. Auslegung des GATS im internationalen Mehrebenensystem Die Liberalisierungsentwicklung im Gemeinsamen Markt findet im Welthandelsrecht ihr globales Pendant, ohne dort jedoch die gleiche Regelungsdichte zu erreichen. Denn die WTO basiert als Internationale Organisation multilateraler Struktur auf zwischenstaatlichem Recht. Dieses zeichnet sich insbesondere dadurch aus, dass – anders als im supranationalen Unionsrecht – die Staaten bei der Entscheidungsfindung ein Vetorecht haben und nicht gegen „ihren Willen“ rechtsverbindlich zu einer bestimmten Marktöffnung verpflichtet werden können.2 Ob bei der Anwendung des GATS allerdings in diesem Sinne den Mitgliedern noch Spielraum für eine souveräne Gestaltung des Liberalisierungsprozesses belassen wird oder bereits ein Zwang zur Marktöffnung besteht, ist – allerdings nicht nur für den Gesundheitsbereich – seit langem umstritten (I.). Diese Diskussion gibt einen Einblick in Chancen und Risiken – und damit verbunden das Polarisierungspotential – des 1 Zur Unterscheidung zwischen Anwendungsbereich des GATS („Ob“ der Anwendung) und Unvereinbarkeitsprüfung einer Maßnahme („Wie“ der Anwendung) siehe die Entscheidung des Appellate Body in dem Fall Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, Bericht des Appellate Body (WT/DS139, WT/DS142), angenommen am 19. Juni 2000 (Canada-Automotive Industry, AB), Rn. 150 – 152); näher dazu auch Krajewski, National Regulation, S. 62. 2 Streinz, Rn. 115: Der Begriff „Supranationalität“ sei zwar nicht definiert, äußere sich aber in der Verbindlichkeit mehrheitlich und damit gegen den Willen einzelner Mitglieder gefasster Beschlüsse. Weitere Kriterien seien die Eigenständigkeit und der Vorrang des Unionsrechts, die unmittelbare Wirksamkeit des autonomen und breite Materien erfassenden Unionsrechts ohne dazwischentretendes nationales Recht und die finanzielle Selbstständigkeit der Union durch Eigenmittel.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
GATS. Die Art und Weise, wie sie geführt wurde und wird3, zeigt, dass auch das GATS trotz seiner grundsätzlich wirtschaftsvölkerrechtlichen Natur im Kontext des internationalen Mehrebenensystems, insbesondere der Menschenrechtskodifikationen, gesehen werden muss. Entsprechend sind bei der Auslegung auch außerhalb des Abkommens niedergelegte Grundsätze und Prinzipien heranzuziehen.4 Gemäß Art. 3 Abs. 2 des DSU sind die Auslegungsgrundsätze der Art. 31 bis 33 der Wienervertragsrechtskonvention zunächst heranzuziehen (II.). Darüber hinaus ist auch die menschenrechtliche Dimension der WTO und insoweit auch des GATS zu berücksichtigen. Bei den einschlägigen unbestimmten Rechtsbegriffen des GATS ist dementsprechend diejenige Auslegung zugrunde zu legen, die es den Mitgliedern ermöglicht, ihre menschenrechtlichen Verpflichtungen bestmöglich zu erfüllen (III.).
I. Flexibilität des GATS und Souveränität der WTO-Mitglieder Beachtlich viele Stimmen in der Literatur und in der Praxis aus dem Kreis der Nichtregierungsorganisationen vertreten die Auffassung, die komplexe Struktur des GATS beschränke direkt oder indirekt eine eigenverantwortliche Ausgestaltung der Gesundheitspolitiken durch die WTO-Mitglieder.5 Drei verschiedene Kritikansätze können hier unterschieden werden: verfahrensrechtliche, strukturelle und materiellrechtliche Einwände.6 Verfahrensrechtlich bestehe die Gefahr, dass das GATS einen grundlegend neuen und komplexen Rahmen schaffe, an dem die Mitglieder ihre Gesundheitspolitik auszurichten hätten.7 Strukturell zwinge das GATS die WTO-Mitglieder mit der Verpflichtung zu fortschreitender Liberalisierung ihre Gesundheitssysteme zu privatisieren. Dies sei der Fall, wenn zunächst auch nur in „Modellversuchen“, in der Folge dann aber flächendeckend wettbewerbliche und private Strukturen eingeführt würden. Diese Strukturen würden im Laufe der Zeit handelsrechtlich kodifiziert und
3
Siehe auch das Plädoyer zu einer differenzierten, von der bisher vielfach schwarz-weißmalenden Auseinandersetzung mit dem GATS (sog. tale of two treaties – approach: GATS is the best of treaties; it is the worst of treaties) abweichende Betrachtungsweise, Fidler/Correa/ Aginam, S. 31. 4 Krajewski, National Regulation, S. 62. 5 Howse/Tuerk, The WTO Negotiations, S. 3; nicht auf den Gesundheitssektor beschränkt und unter besonderer Berücksichtigung der neuen Verhandlungsleitlinien des GATS 2000 zu demselben Ergebnis kommend, Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 24; ebenso unter besonderer Berücksichtigung der Perspektive der Entwicklungsländer Joy/Hardstaff, S. 32 f.; Hardstaff, S. 1 ff.; Koivusalo, S. 438. 6 Überblick über den Diskussionsstand bei Fidler/Correa/Aginam, S. 26 ff. 7 Sinclair, S. 40; Gould/Joy, S. 9; Sanger, S. 69 ff.; Sinclair/Grieshaber-Otto, S. xii.
A. Auslegung des GATS im internationalen Mehrebenensystem
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die Folge sei ein praktisch unumkehrbarer sog. lock-in effect.8 Materiell-rechtlich wiederum erodiere das GATS die Fähigkeit der WTO-Mitglieder zu angemessener Regulierung ihrer Gesundheitssysteme. Dies sei vor allem auf die rechtlichen Kontrollmechanismen zurückzuführen, denen handelsbeschränkende Regelungen im GATS unterworfen werden. Dazu zählen insbesondere die Verhältnismäßigkeitsprüfung, sog. necessity test, zur Rechtfertigung innerstaatlicher, handelsbeschränkender Vorschriften.9 Belange gemeinwohlbezogener Gesundheitsversorgung könnten hier leicht hinter handelspolitische Ziele zurückgestellt werden.10 Die unausweichliche, rechtliche Verbindlichkeit dieses Rahmens, der nationale Reformen beschränkt, werde schließlich auch noch durch den mit Abschluss des WTO-Übereinkommens geschaffenen Streitbeilegungsmechanismus DSU perpetuiert.11 Dessen Spruchkörper seien zum einen nicht demokratisch legitimiert12, zum anderen setzten sie sich ausschließlich aus Handelsrechtsexperten zusammen, denen der notwendige Hintergrund komplexer gesundheitlicher Fachkenntnisse fehle.13 Zum Teil wird daher mit Nachdruck gefordert, die GATS-Verhandlungen auszusetzen und/oder eine absolute Bereichsausnahme für Leistungen der Daseinsvorsorge – einschließlich der Gesundheitsversorgung – festzulegen. Demgegenüber betont das WTO-Sekretariat die große Flexibilität des GATS. Es rühre nicht an der Verantwortung der Mitgliedstaaten, ob und wie sie Marktöffnungsverpflichtungen eingingen. Das GATS fuße auf dem Verhandlungsprinzip und überlasse es den WTO-Mitgliedern, im Rahmen der Liberalisierungsverhandlungen das konkrete Ausmaß der Öffnung ihrer Dienstleistungsmärkte zu bestimmen. Derart könnten sie grundsätzlich ihre Regulierungspolitik zur Vermeidung von Marktversagen beibehalten. Alle WTO-Mitglieder wollten schließlich durch die Liberalisierung des Dienstleistungshandels Wohlfahrtsgewinne erzielen und wenn möglich steigern. Das GATS sei insoweit der unerlässliche, von den WTO-Mitgliedern selber nach ihren Bedürfnissen gestaltete globale Rahmen eines gemeinsamen Dienstleistungshandels.14 Die gegenwärtigen Wirkungsmöglichkeiten des GATS im Gesundheitsbereich seien wegen der geringen Zahl von Marktöffnungsverpflichtungen 8 Mosebach, S. 359 f.; Pollock/Price, Rewriting Regulations, S. 1995 ff.; dies., GATS, S. 1072 ff.; Sexton, S. 29; Joy/Hardstaff, S. 29 f.; Gould/Joy, S. 8 f.; Howse/Tuerk, The WTO Negotiations, S. 3 (5); Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 75 f.; Strickner/Clarke, S. 2. 9 World Development Movement, S. 18. 10 GATSwatch.org, S. 1 ff.; Koivusalo, S. 438. 11 Näher zur Streitbeilegung in der WTO und der „Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten“ vom 15. April 1994 (BGBl. 1994 II S. 1749; ABL. 1994 L 336/234). 12 Zur ähnlich gelagerten Kritik nicht demokratisch legitimierter rechtsfortbildender Rechtsprechung zur Patientenmobilität (Sachleistungsexport ins EU-Ausland von Gesundheitsdienstleistungen) des EuGH der Europäischen Union, siehe Dettling, Ethisches Leitbild, S. 523 f. 13 Correa, S. 89 ff. 14 WTO, GATS Facts and Fiction, S. 5 f., 8 f., 11.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
nicht signifikant.15 Das GATS werde insoweit vielfach zu Unrecht für negative Entwicklungsverläufe verantwortlich gemacht.16 Die insbesondere für Entwicklungsländer schwierige Problematik der Abwanderung qualifizierter Arbeitnehmer in Industriestaaten (sog. brain drain) habe bereits vor der Geburt des GATS bestanden.17 Auch der Anstieg von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) im Gesundheitswesen sei nicht mit Abschluss des GATS, sondern vorher im Zuge der bereits bestehenden über 2000 bilateralen Investitionsabkommen angestoßen worden.18 Ein Kausalzusammenhang zwischen einem Anstieg der FDI und dem GATS sei empirisch nicht nachweisbar.19 Die lückenhafte medizinische Grundversorgung mancher WTO-Mitglieder habe vielerlei Ursachen, zumeist schwach ausgeprägte governance-Strukturen im Gesundheitswesen, und sei daher nicht monokausal dem GATS anzulasten.20 Als weiterer Beweis der Flexibilität des GATS und der umfassenden Achtung des Konzepts der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in den EU-Mitgliedstaaten wird der erfolgreiche Abschluss der jüngsten Kompensationsverhandlungen der EU mit den WTO-Partnern gewertet, die infolge der durch den Beitritt der EU-12 geänderten EU-Verpflichtungsliste notwendig geworden waren.21 Ob diese allgemeinen Einschätzungen zutreffen, ist anhand der in der Präambel des GATS verankerten Ziele zu klären. In dem vierten Erwägungsgrund der Präambel des GATS haben die Mitglieder ihr Recht ausdrücklich niedergelegt, „[…] die Erbringung von Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet zu regeln und neue Vorschriften hierfür einzuführen, um ihre nationalen politischen Ziele zu erreichen […]“. Andererseits haben sie sich bewusst in dem zweiten Erwägungsgrund nicht nur für „[…] einen multilateralen Rahmen von Grundsätzen und Regeln für den Handel mit Dienstleistungen im Hinblick auf die Ausweitung dieses Handels unter Bedingungen der Transparenz und der fortschreitenden Liberalisierung und zur Förderung des Wirtschaftswachstums aller Handelspartner […]“ entschieden, sondern auch festgehalten, „[…] so bald wie möglich einen stetig zunehmenden Grad der Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen durch aufeinander folgende Runden multilateraler Verhandlungen zu erreichen mit dem Ziel, die Interessen aller Be15
WHO/WTO, Rn. 229. Adlung/Carzaniga, S. 353. 17 Chanda, Trade, S. 161. 18 Fidler/Correa/Aginam, Rn. 51. 19 WHO/WTO, Rn. 228. 20 Entsprechende Einflussmöglichkeiten werden hier in Ländern mit schwachen Regulierungsstrukturen wie verschiedenen neuen EU-Mitgliedstaaten gesehen, WHO/WTO, Rn. 237. Teilweise wird in der Literatur das GATS nicht als Handels-, sondern als governance-Abkommen bezeichnet, um auszudrücken, dass das GATS nach und nach die Aufgaben demokratisch legitimierter Organe übernehme, Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 35. 21 Der vormalige EU-Handelskommissar Peter Mendelson erklärte insoweit: The successful conclusion of these negotiations has shown that there is sufficient flexibility under the GATS to preserve public services and cultural diversity in an enlarged EU, siehe Mandelson, S. 1. 16
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teiligten auf der Grundlage des gemeinsamen Nutzens zu fördern und ein insgesamt ausgeglichenes Verhältnis von Rechten und Pflichten unter angemessener Berücksichtigung der nationalen politischen Zielsetzungen zu gewährleisten […]“.22 Demnach bietet das GATS grundsätzlich Spielraum sowohl für die eine als auch die andere Einschätzung. Die Frage nach der Flexibilität des GATS kann mithin nur im konkreten Einzelfall in Ansehung der konkreten Umstände, unter denen das GATS zur Anwendung kommt, beantwortet werden. Für die vorliegende Arbeit bedeutet das, dass in Bezug auf das deutsche Gesundheitssystem geklärt werden muss, wie die Parameter zwischen souveräner, nationaler (Gesundheits-)Politik und GATS-Bindung gegenwärtig abgesteckt sind und ob bzw. wo ggf. die Grenze zum genannten lock-in effect überschritten ist. Dafür ist es notwendig vorab zu klären, nach welchen Grundsätzen das GATS ausgelegt und angewendet werden soll.
II. Völkervertrags- und völkergewohnheitsrechtliche Auslegung Gemäß Art. 3 Abs. 2 DSU ist das Abkommen im Lichte der hergebrachten Grundsätze völkerrechtlicher Vertragsauslegung in Artt. 31, 32 der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK)23 auszulegen. Basis sind insoweit die Grundsätze von Treu und Glauben, Wortsinn, Sachzusammenhang (unter Berücksichtigung der Präambel, etwaiger Anlagen, sonstiger relevanter Verträge oder Texte, der Anwendungspraxis oder sonstiger relevanter internationaler Vorschriften) sowie Sinn und Zweck des Vertrages (Art. 31 Abs. 1 WVRK).24 Darüber hinaus ist auch für die Auslegung des GATS „jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht“ (Art. 31 Abs. 3 b) WVRK) relevant. Hilfsweise ist zurückzugreifen auf das internationale Völkergewohnheitsrecht.25 Im Vordergrund steht hier das von dem Streitschlichtungsorgan der Revisionsinstanz
22
Erwägungsgrund 3. Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (Vienna Convention on the Law on Treaties), BGBl. 1985 II, 927. 24 Die Streitschlichtungsorgane ziehen in ihrer Entscheidungspraxis häufig unmittelbar Wörterbücher heran, siehe z. B.: die Anwendung von Art. 31 WVRK in der Entscheidung des Appellate Body European Communities – Regime for the importation, sale and distribution of Bananas, Bericht des Appellate Body (WTO/DS27/AB/R), angenommen am 25. September 1997 (EC-Bananas III, AB), Rn. 220 zur Auslegung des Begriffs „affecting“ in Art. I (1) GATS; darüber hinaus siehe auch die Anwendung von Art. 31 – 33 WVRK in der Entscheidung United States – Measures Affecting the Cross-Border Supply of Gambling and Betting Services, Bericht des Panel (WT/DS285/R), angenommen am 10. November 2004 (US-Gambling, Panel), Rn. 6.8 – 6.10. 25 Zu den Voraussetzungen des Ausnahmefalls, dass auf das Völkergewohnheitsrecht und insbesondere den Grundsatz in dubio mitius zurückgegriffen werden kann, siehe Jennings/ Watts, Oppenheim’s international law, Begriff: in dubio mitius. 23
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
im Rahmen des WTO-Regimes Appellate Body in dem Fall EC-Hormones26 zur Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen über das Austauschverhältnis von Leistungspflichten angewendete Prinzip in dubio pro mitius:27 Es wird der Willen der Vertragsparteien vermutet, dass der Vertrag möglichst schonend für den nationalen Regulierungsspielraum ausgelegt werden soll. Bei verbleibenden Unklarheiten werden also Verpflichtungen, die die staatliche Souveränität einschränken, restriktiv ausgelegt.28 Die Grenze dieser völkergewohnheitsrechtlichen Auslegung ist allerdings der in Art. XIX Abs. 1 S. 3 GATS niedergelegte Reziprozitätsgrundsatz. Demnach sind die Interessen aller Beteiligten auf der Grundlage des gemeinsamen Nutzens zu fördern und ein insgesamt ausgeglichenes Verhältnis von Rechten und Pflichten zu gewährleisten. Die WTO-Mitglieder dürfen daher die GATS-Regelungen nicht intransparent, willkürlich einzelfallbezogen und diskriminierend handhaben. Das würde im Ergebnis zu einer uneinheitlichen Anwendung des GATS in den einzelnen WTO-Mitgliedstaaten führen. Es steht den WTO-Mitgliedern mithin offen, innerhalb dieser Grenzen eine einheitliche, „meistbegünstigende“ Staatenpraxis für die Auslegung der GATS-Regelungen zu entwickeln.29 Die dem Grundsatz in dubio pro mitius entgegengesetzte Auslegungsregel ist der Grundsatz des effet utile. Demnach soll die Auslegung einer Vorschrift von dem Ansatz geprägt sein, der Vorschrift eine möglichst effektive Wirkung zu verschaffen.30 Die Regelungen des GATS müssen daher im Lichte der Ziele des GATS ausgelegt werden: Dies sind einerseits die fortschreitende Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen und andererseits die Achtung der Regulierungshoheit der WTO-Mitglieder.
III. Auslegung im Lichte der Menschenrechte Ob Menschenrechte zur Auslegung des GATS herangezogen werden können, wirft die komplexe Frage nach der menschenrechtlichen Dimension der WTO im Allgemeinen (1.) und des GATS – im Hinblick auf das Recht auf Gesundheit – in concreto (2.) auf.
26 EC-Measures concerning meat and meat products, Bericht des Appellate Body (WT/ DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R), angenommen am 16. Januar 1998 (Hormones, AB). 27 Übersetzung: „Im Zweifel das Mildere/das Günstigere“. 28 Falke, S. 6. 29 So im Ergebnis Fidler/Correa/Aginam, Rn. 96. 30 Eingehend zum effet utile im EU- und Völkerrecht Seyr, S. 94 ff.
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Neben die Liberalisierung treten bei der Austarierung von Wettbewerb und Sozialstaat Prozesse der De- und Reregulierung, die oft zusammenfallen mit Privatisierungsprozessen.31 1. Menschenrechtliche Dimension der WTO Das Verhältnis von Menschenrechten und Welthandel ist in der Vergangenheit sehr unterschiedlich beurteilt worden. Dominierte zunächst die Einschätzung, dass beide Bereiche zu trennen seien, so mehrten sich in den letzten Jahren die Stimmen, die vertreten, dass der Handel die Menschenrechte respektieren müsse, Menschenrechtsverletzungen jedoch allein im Rahmen der Menschenrechtsschutzsysteme und damit außerhalb der Handelsbeziehungen zu verfolgen seien. Noch weiter gehen die Vertreter, die Handelsbeziehungen in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Schutz der Menschenrechte sehen.32 In der Praxis schlug sich diese Entwicklung beispielsweise in einer Zunahme von Menschenrechtsklauseln in Handelsverträgen33 oder in privaten Firmenkodizes nieder.34 Bei der Gründung der WTO am 15. April 1994 war man sich ihrer menschenrechtlichen Dimension noch nicht bewusst oder hatte zumindest angenommen, sie sei mit ihrer allein handelsrechtlichen Ausrichtung „menschenrechtsneutral35. In der Folgezeit offenbarte sich allerdings die, mit der neuen und stärker verrechtlichten Welthandelsordnung gestiegene Kollisionsgefahr zwischen Freihandelsprinzipien und Menschenrechten. Die Verrechtlichung wurde maßgeblich verstärkt durch den gerichtsähnlichen Streitbeilegungsmechanismus DSU, der den Streitbeilegungsorganen auch Zwangsmittel zur Verfügung stellt. Wegen dieser Kompetenzen unterscheidet sich das WTO-Rechtssystem erheblich von den Menschenrechtskodifikationen mit ihren rechtlich stark eingeschränkten, politischen Durchsetzungsmechanismen – vor allem den Berichtspflichten und Beschwerdeverfahren.36 Einmalig ist diese Justiziabilität aber auch im Hinblick auf die Internationalen Finanzorganisationen wie z. B. Internationaler Währungsfonds, OECD oder Weltbank. Letztere sieht zumindest seit 1993 ein Panel-Verfahren für Beschwerden von durch Strukturanpassungsmaßnahmen Betroffenen vor. Allerdings
31 Zu den De- und Reregulierungsmaßnahmen in der deutschen GKV siehe oben in Teil 2 unter C. 32 Übersicht zum Meinungsstand bei Stückelberger, S. 201 f.; eingehend dazu auch JütteOvermeyer, S. 375 ff. 33 Horng, S. 677 ff. 34 Beispiel bei Stückelberger, S. 200. 35 Zum Begriff Hilf/Hörmann, S. 398 ff. 36 OHCHR, S. 4 ff.; Riedel, in: Koenig/Lorz (Hrsg.), Die Universalität der Menschenrechte, S. 105 ff. Zur Stärkung der Durchsetzung von Menschenrechten durch nationale Institutionen, siehe OHCHR/ICHRP, S. 8.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
handelt es sich um ein rein internes Aufsichtsverfahren, das der hauseigenen Administration dient, um interne Abläufe den Beschwerden entsprechend zu verändern. Die Machtfülle der WTO und ihr globaler Anspruch ist ein wesentlicher Grund für die um Funktion und Bedeutung einer internationalen Organisation bisher ungewohnt emotional geführte Auseinandersetzung.37 So ist das Meinungsspektrum weit gefächert und reicht von Stimmen, die die WTO als „Alptraum“ und „Feind der Menschenrechte“ dramatisieren38 bis hin zu Vertretern der Ansicht, sie sei als „Wegbereiter wirtschaftlicher und politischer Freiheit ein Freund und Förderer sozialer und menschenrechtlicher Belange“.39 Das Problem besteht darin, dass die WTO diese Macht tatsächlich zum Nachteil der Menschenrechte einsetzen könnte, wäre sie nicht zumindest mittelbar an die Menschenrechte gebunden.40 Die Thematik spitzt sich weiter dadurch zu, dass diese „sowohl intensive als auch extensive Ausdehnung der Freihandelsprinzipien“41 zusammenfällt mit den Bestrebungen, auch den Individualrechtsschutz im Völkerrecht auszubauen.42 Dadurch wird die Sensibilität für tatsächliche oder potentielle Kollisionen von Menschenrechten und Welthandelsordnung weiter verstärkt. Es wird in diesem Zusammenhang aber auch die Gefahr gesehen, dass die WTO zunehmend für vermeintliche Menschenrechtsverletzungen gerügt wird, es im Grunde aber um etwas anderes gehe: Unterschiedliche Auffassungen über Funktion und Kompetenzen der WTO.43 So wandten sich in der Vergangenheit vor allem Indien, Pakistan, Malaysia und Ägypten gegen die Aufnahme von Klauseln für Arbeits- und soziale Mindeststandards in das WTO-Recht, da sie protektionistisch motivierte Handelsbeschränkungen der Industrieländer befürchteten. In der Folge beanstandeten die USA, und besonders nachdrücklich auch Frankreich, dass das derart geschaffene Risiko, Standards zu unterschreiten, menschenrechtswidrig sei.44
37
Hilf/Hörmann, S. 398; Hertel, S. 102 ff. Habbard/Guiraud, S. 1 ff. 39 Zu den Möglichkeiten der WTO, die Durchsetzung der Menschenrecht zu fördern siehe z. B.: Petersmann, S. 625 – „Wegbereiter politischer Freiheit“; Stoll/Schorkopf, Rn. 758; Hilf/ Hörmann, S. 455 ff., 465; zum Verhältnis WTO und Menschenrechte siehe auch MacMillan, S. 163 ff.; Dommen, S. 1 – 50; Brassel/Windfuhr, S. 6 ff.; Cottier, S. 111 ff.; Lim, S. 275 ff.; Sautter, in: Schenk/Schmidtchen/Streit/Vanberg (Hrsg.), Jahrbuch für neue politische Ökonomie, S. 234 ff.; Thomas, S. 1399 ff.; Quintillán, S. 147 ff.; Hübner, S. 105 ff.; Hertel, S. 102 ff. 40 Dazu näher in diesem Teil 3 unter A.III.1.b). 41 So Hilf/Hörmann, S. 416. 42 Wiener Welt-Menschenrechts-Konferenz, Wiener Erklärung und Aktionsprogramm, S. 1 ff.; Fassbender, S. 1 (11 ff.). 43 So Hilf/Hörmann, S. 399. 44 Gallagher, S. 79. Zur Frage der Aufnahme von Arbeits- und Sozialstandards in die WTOÜbereinkommen, siehe insbesondere Chatton, S. 15 ff.; Blüthner, S. 8 ff. 38
A. Auslegung des GATS im internationalen Mehrebenensystem
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Das Verhältnis der WTO zu Menschenrechten ist mithin hochkomplex. Entscheidend ist insoweit zunächst zu klären, wo und wie sich WTO-Recht und Menschenrechte überhaupt berühren. Die WTO ist eine internationale Organisation und damit grundsätzlich nicht Adressat von Menschenrechtskodifikationen. Trotzdem berühren sich WTORechtssystem und Menschenrechte in mehrfacher Weise.45 Teilweise ist die WTO unmittelbar an bestimmte Menschenrechte gebunden, größtenteils aber nur mittelbar über ihre Mitglieder, soweit diese selber einer Menschenrechtsbindung unterliegen. Menschenrechte können daher im internationalen Mehrebenensystem sowohl von nationaler [a)] als auch internationaler Ebene [b) ] auf die WTO einwirken: a) Bindung der WTO an nationale Menschenund Grundrechte Die in den Verfassungen der WTO-Mitgliedstaaten verankerten Menschen- und Grundrechte können die WTO nur mittelbar binden. Denn Adressaten menschenund grundrechtlicher Verpflichtungen in den nationalen Verfassungen sind allein die jeweiligen Staaten. Allerdings lassen sich drei, in ihrer Intensität unterschiedliche
Abbildung 2: Einwirkungsmöglichkeiten der Menschenrechte in das WTO-Rechtssystem
45 Zum Verhältnis der internationalen Finanzinstitute (IMF, Weltbank u. a.) und Menschenrechte, siehe David, S. 115 ff.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Weisen ausmachen, auf die diese auf nationaler Ebene kodifizierten Menschenrechte in das WTO-Rechtssystem mittelbar einwirken können: – bei Abschluss der WTO-Übereinkommen (verfassungsrechtlich gebundene Vertragsabschlusskompetenz), – im Rahmen der Tätigkeit der von den Mitgliedstaaten in die politischen Organe der WTO entsandten Vertreter (verfassungsrechtlich gebundenes Mandat der nationalen Vertreter in den politischen Organen der WTO) und – über die Jurisdiktion der Streitbeilegungsorgane der WTO selbst. Die Staaten sind bei dem Abschluss völkerrechtlicher Verträge an ihr innerstaatliches Recht gebunden. Dementsprechend müssen sie ihre Vertragsabschlusskompetenz im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben ausüben.46 Das heißt, dass nicht durch Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages innerstaatlich verbürgte Menschen- und Grundrechtsrechtsstandards unterschritten werden dürfen. Etwaige Kompetenzverletzungen sind vor den nationalen (Verfassungs-)Gerichten zu verfolgen.47 Kein Mitgliedstaat sah bisher in den mit der Ratifikation der WTO-Übereinkommen übernommenen handelsrechtlichen Verpflichtungen eine Gefahr für seine national verbürgten Menschenrechts- und Grundrechtsverpflichtungen. Menschenrechte können darüber hinaus in der Arbeit der politischen Organe der WTO Bedeutung erlangen. Ob dies der Fall ist und wenn ja, in welchem Umfang, hängt von den Weisungen der nationalen Regierungen an ihre Vertreter vor Ort in den Gremien der WTO ab. Denn die WTO ist eine member-driven, consensus-based Organisation.48 Die wichtigsten Organe der WTO sind die sich aus nationalen Regierungsvertretern zusammensetzende Ministerkonferenz und der Allgemeine Rat. Die Mitglieder beschließen hier über ihre Vertreter im Konsensus-Verfahren, d. h. einstimmig, die Politik der WTO und ihre Umsetzung. Nationale Parlamente und die Zivilgesellschaft können daher grundsätzlich Druck auf die Regierung ausüben, in diesen politischen Gremien Menschenrechte stärker zu thematisieren.49 Die WTO ist schließlich auch über ihre Streitbeilegungsverfahren an national verbürgte Menschen- und Grundrechte rückangebunden. Die WTO-Streitbeilegungsorgane berücksichtigen national verbürgte Menschenrechte allerdings nicht unmittelbar. Denn die Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten, das DSU, schafft ein – völkerrechtlich erstmals für seine Mitglieder 46 BVerfGE 73, S. 339 (375 f.); siehe auch Hörmann, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 27, Rn. 4; Hobe, S. 144. 47 In Deutschland kämen Verfahren nach Art. 93 GG vor dem Bundesverfassungsgericht in Frage: Organstreitverfahren Art. 93 Abs. 1, Nr. 1 GG, abstrakte Normenkontrolle Art. 93 Abs. 1, Nr. 2, verfassungsrechtliche Bund-Länder-Streitigkeit Art. 93 Abs. 1, Nr. 3, Verfassungsbeschwerde Art. 93 Abs. 1, Nr. 4a GG. 48 WTO, Understanding the WTO, S. 100. 49 Jackson, S. 72.
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obligatorisches – Verfahren für zwischenstaatliche Streitigkeiten im Rahmen des WTO-Rechts.50 Streitbeilegungsorgane sind in der „Eingangsinstanz“ die Panel und in der „Rechtsmittelinstanz“ der Appellate Body. Sie arbeiten quasi-gerichtlich, da sie anstelle von Urteilen allein Empfehlungen aussprechen, die von dem sog. Dispute Settlement Body (DSB), einem übergeordneten, aus den Vertretern der WTO-Mitglieder zusammengesetzten politischen Entscheidungsgremium, angenommen werden müssen.51 National verbürgte Menschen- und Grundrechtsstandards können daher grundsätzlich sowohl über die Panel- oder Appellate Body-Berichte, als auch über die Entscheidung über die Annahme der Berichte im DSB im WTO-Rechtssystem berücksichtigt werden.52 b) Bindung der WTO an internationale Menschenund Grundrechte Die Streitbeilegungsorgane haben Völkerrecht und damit auch die internationalen Menschen- und Grundrechtskodifikationen zu beachten, soweit das streitige WTORechtsverhältnis reicht. Die Grenzen der Überprüfungsmöglichkeiten der Streitbeilegungsorgane liegen nicht starr fest. Problem ist zum einen, dass Inhalt und Umfang der internationalen Menschenrechtskodifikationen umstritten sind und zum anderen weder in der Präambel noch an anderer Stelle ausdrücklich auf Menschenrechte verwiesen wird. Zurückgegriffen werden kann allerdings auf völkergewohnheitsrechtliche Mindest-Menschenrechtsstandards (Verbot von Folter, Sklaverei, Recht auf Leben, körperliche Unverletzlichkeit, Sicherheit der Person), die für alle zwingendes Völkerrecht sind und damit auch dem WTO-Recht vorgehen.53 Bisher ist kein Zielkonflikt der WTO mit diesen elementaren Verbürgungen ausgemacht und auch keine Verletzung durch die WTO festgestellt geworden. Die WTO ist an die von ihren Mitgliedern eingegangenen Verträge zum Schutz der Menschenrechte nur mittelbar gebunden wegen der Staatengerichtetheit dieser Verträge. Nach Treu und Glauben kann den Staaten bei der Aushandlung der WTOÜbereikommen der Wille unterstellt werden, alle bereits eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen bestmöglich berücksichtigt zu haben und diese Verpflichtungen auch unter dem neu zu schaffenden Vertragssystem einhalten zu wollen.54 Das bedeutet, dass sie die WTO so errichtet haben wollen müssen, dass sie ihnen die Möglichkeit belässt, von WTO-Verpflichtungen ggf. zugunsten kollidierender internationaler Menschenrechtskodifikationen abzuweichen. Die politischen Organe der WTO sind verpflichtet, diesen Spielraum auch tatsächlich zu nutzen, 50 51 52 53 54
Vom 15. 4. 1994, BGBl. 1994 II, S. 1749; ABl. 1994 L 336/234. Hilf, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 7, Rn. 14. Siehe im Einzelnen, Hilf/Hörmann, S. 406 ff. Eingehend Petersmann, S. 634. Sog. Grundsatz der presumption of comformity, dazu Marceau, S. 804.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
insbesondere bei dem Erlass von Rechtsakten oder dem Beschluss strategischer politischer Ausrichtungen, da die überwiegende Zahl ihrer Mitglieder an die Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen gebunden ist. Um ggf. auftretende Zielkonflikte auszuräumen hat die WTO in den letzten Jahren verstärkt mit Sonderorganisationen der Vereinten Nationen zusammengearbeitet.55 Um die menschenrechtliche Bindung der WTO zu stärken wird darüber hinaus vorgeschlagen, eine Bezugnahme auf internationale Menschenrechtsstandards in die Präambel oder Satzung des WTO-Übereinkommens aufzunehmen oder eine allgemeine Beziehungsvereinbarung zwischen den internationalen Organisationen über die Achtung der grundlegenden Menschenrechtspakte zu schließen. Da nicht alle WTO-Mitglieder Vertragsparteien der internationalen Menschenrechtspakte sind, dürften die Vorschläge ergiebiger sein, die darauf drängen, beispielsweise die Einhaltung bzw. Ratifikation der Pakte zur WTO-Beitrittsvoraussetzung zu machen oder menschenrechtliche Standards durch den WTO-Streitbeilegungsmechanismus durchzusetzen.56 Um Zielkonflikte des WTO-Rechts mit Menschenrechten zu vermeiden, ist der Appellate Body in der Vergangenheit bereits dazu übergegangen zu prüfen, ob streitige unilaterale Handelsbeschränkungen rein protektionistisch motiviert oder tatsächlich aus Gründen des Menschenrechtsschutzes – wie häufig vorgetragen – gerechtfertigt sind.57 Aus eigener Kompetenz können allerdings die Streitbeilegungsverfahren Konflikte nicht lösen, die entstehen bei nichtauslegungsfähigen WTO-Normen, die direkt mit einer Menschenrechtsverpflichtung kollidieren. Hier fehlt es dann ausnahmsweise an Spielraum, um im Rahmen des WTO-Rechts menschenrechtliche Belange zu berücksichtigen.58 Ob die Menschenrechte über diese besondere Konfliktsituation hinaus zukünftig auch im Rahmen der fortschreitenden Liberalisierung gefährdet werden könnten, hängt davon ab, ob entsprechender Druck unter den WTO-Mitgliedern aufgebaut wird, ihre Märkte für öffentliche Dienstleistungen weiter zu öffnen und ob sie dadurch tatsächlich in ihrer nationalen Regulierungskompetenz – deren Ziel die Verwirklichung der Menschen- und Grundrechte ist – eingeschränkt würden. Damit hängt auch die Frage zusammen, ob die Staaten die fortschreitende Liberalisierung nutzen könnten, um sich durch Privatisierungen ihrer Verantwortung für die Daseinsvorsorge zu entziehen.59 Übereinstimmend wird allerdings angenommen, dass an die Stelle der Daseinsvorsorgepflicht in diesem Fall die Verantwortung des Staates
55
OHCHR, Human Rights and World Trade Agreements, S. 4 ff. So Hilf/Hörmann, S. 461 f. mit eingehenden weiterführenden Erläuterungen. 57 Zum Missbrauch der Menschenrechte für protektionistische Maßnahmen, siehe Windfuhr, S. 162 ff. 58 So Hilf/Hörmann, S. 420 ff. mit eingehenden weiterführenden Erläuterungen. 59 Dazu eingehend Hilf/Hörmann, S. 441. 56
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tritt, ein Mindestmaß an sozialpolitisch angemessenen, öffentlich finanzierten Dienstleistungen zu gewährleisten.60 Eine Einschätzung dieser Entwicklung ist angesichts der schleppenden DohaVerhandlungen nicht einfach, auch wenn die EU bislang keine Liberalisierungsangebote im Bereich Gesundheit unterbreitet hat.61 2. Auslegung im Lichte des Rechts auf Gesundheit Die menschenrechtliche Dimension des GATS hat insbesondere 2002 der seinerzeitige Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte Sergio Vieira de Mello62 und 2004 der seinerzeitige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen Paul Hunt63 unterstrichen. Die grundlegende Bedeutung der Menschenrechte verlange, dass Menschenrechte nicht nur als Rechtfertigungstatbestände für Handelsbeschränkungen verstanden werden, sondern auch als Ziele der Handelsliberalisierung selbst anzuerkennen sind.64 In diesem Sinne sollte auch die Verwirklichung der millenium development goals, von denen vier der acht Ziele gesundheitsbezogen sind, als zentrales Ziel nationaler und internationaler Handelspolitiken anerkannt werden.65 Vier zentrale Berührungspunkte des GATS mit Menschenrechtsbelangen sind vor diesem Hintergrund auszumachen: – Der weite Anwendungsbereich des GATS, der die Mitglieder darin einschränken könnte, ihren menschenrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. – Die Regulierungskompetenz (right to regulate) der Mitgliedstaaten, die grundsätzlich zur Umsetzung der Menschenrechtsverpflichtungen einzusetzen sei. – Die Gefahr, dass eine strenge Anwendung der im GATS vorgesehenen Rechtfertigungsanforderungen für nationale Bedürfnisprüfungen (necessity test) ebenfalls die Regulierungsbemühungen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Menschenrechte beeinträchtigen könnte. – Die Gefahr, dass Subventionstatbestände öffentlicher Dienstleistungen nicht den Anforderungen des GATS, insbesondere des Verbots der „Quersubventionierung“, standhalten.
60 Nachdrücklich Hoffmann-Riem, in: Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi (Hrsg.), Staat und Steuern, S. 54 m.w.N. 61 Dazu näher in diesem Teil 3 unter C.IV. 62 UN, Liberalisation of trade in services and human rights, Rn. 1 ff. 63 UN, The right of everyone to the enjoyment of the highest attainable standard of physical and mental health, Rn. 1 ff. 64 UN, Liberalisation of trade in services and human rights, Rn. 10. 65 UN, The right of everyone to the enjoyment of the highest attainable standard, Rn. 8.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Diese Themenkomplexe erweisen sich insbesondere im Hinblick auf das Menschenrecht auf Gesundheit als Herausforderung.66 Das Abkommen ist so auszulegen, dass es den Vertragsparteien genug Spielraum für die Einlösung der entsprechenden menschenrechtlichen Verpflichtungen belässt.67 Eine Dienstleistungsliberalisierung im Gesundheitsbereich kann damit für die Menschenrechte folgende Auswirkungen entfalten: Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels mittels der vier Dienstleistungsmodi öffnet den Gesundheitssektor einem intensiveren internationalen Wettbewerb. Die Auswirkungen dieser Liberalisierung in den WTO-Mitgliedern hängen von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Gesundheitssystems, seinem ordnungspolitischen Umfeld und dem Regulierungsniveau sowie der Infrastruktur ab. Einer möglichen Wohlfahrtssteigerung durch eine fortschreitende Liberalisierung im Gesundheitssektor steht die Gefahr gegenüber, dass der Zugang zur Gesundheitsversorgung eingeschränkt werden könnte. Beispielsweise kann mittels Telemedizin – Modus 1 – die Gesundheitsversorgung gefördert werden. Es kann darüber hinaus die Patientenmobilität – Modus 2 – vergrößert werden, indem wohlhabende ausländische Patienten durch hochqualifizierte Ärzte angezogen werden. Es können ausländische Direktinvestitionen – Modus 3 – in den einheimischen Markt die Infrastruktur und Qualität der Versorgung verbessern. Schließlich kann die Mobilität der Arbeitskräfte – Modus 4 – über stärkere Ausbildungsförderung und Auslandsaufenthalte bzw. grenzüberschreitende Ausbildungskooperationen verbessert werden. Andererseits kann auch der Zugang zur Gesundheitsversorgung vorrangig lokalen und ausländischen vermögenden Patienten vorbehalten bleiben durch die Herausbildung einer von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Patienten dominierten Versorgung.68 Dementsprechend könnten sich gerade profitable Fachbereiche medizinischer Versorgung weiter ausbreiten und dies insgesamt zu einem Überangebot für zahlungskräftige Patienten führen, die aber im Vergleich zu anderen weniger bedürftig sind, sog. cream skimming. Ebenfalls könnten Fachkräfte aus Entwicklungsländern zu zahlungskräftigeren Arbeitgebern in die Industriestaaten abwandern, sog. brain drain.69 Zudem könnten eine Unterversorgung in ländlichen Gebieten und eine Konzentration in profitablen Ballungsräumen eintreten. Die Verbesserung des Gesundheitsangebots für Patienten in einigen Staaten könnte einhergehen mit der Zunahme an Diskriminierung aufgrund des sozialen Status für andere. Das Solidarprinzip – die Umverteilung von Reich zu Arm – wäre gefährdet.
66
UN, Liberalisation of trade in services and human rights, Rn. 52 ff. Krajewski, National Regulation, S. 61. 68 UN, Liberalisation of trade in services and human rights, Rn. 47. 69 Blouin/Gobrecht/Lethbridges/Singh/Smith, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 203 ff. 67
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3. Würdigung Eine menschenrechtliche Auslegung des GATS zielt darauf, Handelsinteressen nicht zu Lasten, sondern im Lichte der Menschenrechte zu verwirklichen. Den genannten möglichen negativen Folgen ist insoweit durch eine menschenrechtsorientierte Auslegung des GATS entgegenzuwirken, um derart eine qualitativ hochwertige Versorgung, die gleichberechtigt zugänglich und nachhaltig finanzierbar ist, zu gewährleisten. Dazu muss das Abkommen so ausgelegt werden, dass den WTOMitgliedern der nötige Regulierungsspielraum verbleibt, um Handels- und Menschenrechtsverpflichtungen und -interessen auszugleichen. Zu einer menschenrechtsorientierten Auslegung des GATS verpflichtet die mittelbare Bindung der WTO an die Menschenrechtspakte alle Staaten und ggf. Internationale Organisationen, soweit sie Vertragsparteien der Pakte sind. Die Menschenrechte sind insoweit der Rahmen nationaler und internationaler Regulierung. Im Falle des Rechts auf Gesundheit gestaltet sich die Verknüpfung der Rechtsregime im internationalen Mehrebenensystem wie folgt: Das Recht auf Gesundheit verbürgt insbesondere das Recht auf Zugang zu qualitativ hochwertiger Gesundheitsversorgung. Dies wird gewährleistet durch Regulierung – in Deutschland insbesondere in Gestalt von Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen, Qualifikations- und Qualitätsstandards, Preis- und Ausgabenregulierung.70 Diese Regulierungsmaßnahmen werden von verschiedenen Regelungen des GATS erfasst, wie beispielsweise strenge Anforderungen an Bedürfnisprüfungen und dem Verbot von Quersubventionierungen – die im nachfolgenden Abschnitt eingehend untersucht werden. Das GATS darf diese Regulierungsmaßnahmen aber nicht verbieten bzw. nicht derart einschränken, dass sie eine nachhaltige Finanzierung und den gleichberechtigten Zugang beeinträchtigen. Sobald das GATS diese nationale Gesundheitsregulierung verhindert, wäre das Recht auf Gesundheit verletzt.
IV. Zwischenergebnis Die Wirkungsweise des GATS unterscheidet sich je nach Regulierungsstruktur des betroffenen Dienstleistungssektors. Die Art und Weise, wie die GATS-Liberalisierungsinstrumentarien im Gesundheitsbereich auszulegen und anzuwenden sind, ist demnach bedingt durch die sektorspezifischen Strukturen von Gesundheitsdienstleistungen. Gesundheitssysteme und -märkte sind geprägt durch die besondere, insbesondere menschenrechtliche Bedeutung des Gutes Gesundheit. Die Auswirkungen des GATS im Gesundheitsbereich sind insoweit im Lichte des internationalen Mehrebenensystems zu betrachten, das nicht zuletzt mit den Menschenrechtskodifikationen zentrale Parameter für das Austarieren von Liberalisierung und Daseinsvorsorge vorsieht. Sie konturieren die Auslegung des Anwendungsbereichs ebenso wie die Auslegung der Reichweite der konkreten Verpflichtungen des GATS. 70
Dazu oben in Teil 2 unter B.II. und C.II.
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Eine Gefahr für eine menschenrechtskonforme Anwendung des GATS kann in der eingeschränkten bzw. fehlenden Umkehrbarkeit von eingegangenen Liberalisierungsverpflichtungen liegen, sog. lock-in effect. Die Bedeutung von Menschenrechten im GATS hat sich insofern in den letzten Jahren geändert. Stand hier in der Vergangenheit zunächst vor allem das Thema „Menschenrechte durch Handelssanktionen“ im Vordergrund, so trat später auch der Ansatz „Menschenrechte durch weitere Handelsliberalisierung“ daneben. In diesem Zusammenhang wird gegenwärtig über eine stärkere Anbindung der WTO an die Menschenrechtssysteme der Vereinten Nationen diskutiert. Sei es z. B. durch Bezugnahme auf die Menschenrechtspakte in der Präambel des WTO-Übereinkommens oder durch Abschluss einer allgemeinen Beziehungsvereinbarung zwischen beiden Rechtssystemen. Ob dadurch ggf. Spannungen zwischen Handelsinteressen und Menschenrechten endgültig gelöst werden können, bleibt abzuwarten. Eine menschenrechtliche Auslegung des GATS ist jedenfalls ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
B. Anwendungsbereich des GATS Die Reichweite des Anwendungsbereichs des GATS ist bis heute nicht abschließend geklärt. Zwar bestimmt Art. I Abs. 1 GATS, dass das GATS anzuwenden ist „auf die Maßnahmen der WTO-Mitglieder, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen“.
Der Anwendungsbereich ist damit weit und fast „universell“71 gefasst. Allerdings gibt es eine horizontale und verschiedene sektorale Bereichsausnahmen, die den Anwendungsbereich wieder einschränken. Sie weisen eine Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe auf, deren Auslegung im Einzelnen umstritten ist, mit entsprechenden Folgen für die Reichweite des Anwendungsbereichs des GATS. Es fragt sich daher, ob das gesamte deutsche Gesundheitssystem dem GATS unterfällt oder ggf. die zwei Leistungssektoren der PKV und der GKV unterschiedlich bewertet werden müssen und wenn ja, anhand welcher Kriterien. Der Anwendungsbereich des GATS ist grundsätzlich eröffnet, wenn folgende Tatbestandsmerkmale erfüllt sind: Zum einen muss eine „Maßnahme“ eines Mitglieds vorliegen (I.). Mit diesem Merkmal wird zunächst der regulatorische Anwendungsbereich des Abkommens präzisiert. Das weitere Erfordernis einer „Handelsbeeinträchtigung“ legt wiederum qualitative Mindestanforderungen an den handelsrechtlichen Bezug der streitigen Maßnahmen fest (II.). Schließlich grenzen verschiedene Bereichsausnahmen den Anwendungsbereich des GATS wieder ein (III.). 71
Barth, S. 455 f.; Sauvé, S. 126.
B. Anwendungsbereich des GATS
141
I. Maßnahmen der Mitglieder Das GATS definiert „Maßnahmen der Mitglieder“ i.S.v. Art. I Abs. 1 GATS in Art. I Abs. 3 a) GATS legal. Der Ansatz ist in institutioneller (1.) als auch formeller Hinsicht (2.) denkbar weit gewählt. 1. Institutionelle Dimension des Maßnahmenbegriffs des GATS Institutionell betrachtet sind „Maßnahmen der Mitglieder“ nach Art. I Abs. 3 a) GATS alle „Maßnahmen zentraler, regionaler oder örtlicher Regierungen und Behörden sowie nichtstaatlicher Stellen in Ausübung der ihnen von zentralen, regionalen oder örtlichen Regierungen oder Behörden übertragenen Befugnisse“. GATS-relevant sind mithin alle staatlichen Maßnahmen, unabhängig von der Handlungsform und der innerstaatlich tätig werdenden Stelle. Sowohl Maßnahmen staatlicher Einrichtungen von der kommunalen72 bis zur Bundesebene als auch sonstige staatsähnliche oder private Einrichtungen mit delegierter Hoheitsgewalt, können Maßnahmen i.S.v. Art. I Abs. 3 a) ii) GATS sein.73 Die Abgrenzung zu rein privatrechtlichen Maßnahmen, die das GATS nicht erfasst, wird nach Art. XVI Abs. 1 WTO-Übereinkommen und der unter dem GATT 1947 entwickelten Praxis vorgenommen.74 Demnach können auch nicht einklagbare und unverbindliche Akte von staatlichen Stellen, wie beispielsweise Empfehlungen oder Leitlinien, als Maßnahmen i.S.d. GATS qualifiziert werden, sofern sie den notwendigen Zurechnungszusammenhang aufweisen. Dies ist der Fall, wenn die Betroffenen bei Nicht-/ Befolgen Vor- bzw. Nachteile zu erwarten haben.75 In dem deutschen, stark selbstverwaltungskörperschaftlich geprägten Gesundheitswesen76, kommen jedenfalls als staatsähnliche Einrichtungen, denen durch formalen Übertragungsakt die staatliche Aufgabe der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung übertragen wurden, grundsätzlich die Krankenkassen (und ihre Verbände), die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie der Gemeinsame Bundesausschuss in Betracht.77
72
Die Wahrung der Prinzipien kommunaler Selbstverwaltung nach Art. 28 Abs. 2 GG im Hinblick auf das GATS betonend Ausschuss der Regionen, Rn. 2.1. 73 Siehe dazu näher Ohler, in: Hermann/Ohler/Weiß (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 851 f.; Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 508. 74 Näher Zdouc, S. 111 f. 75 Japan – Trade in semi-conductors, Bericht des GATT-Panel (L/6657), angenommen am 4. Mai 1988 (Japan – Semi-conducters, GATT-Panel), BISD 35/116 (155); EEC – Regulation on Imports of Parts and Components, Bericht des GATT-Panel (L/6309), angenommen am 16. Mai 1990 (EEC – Parts and Components, GATT-Panel), BISD 37/132 (197). 76 Dazu in Teil 2 unter C.II.1.c). 77 Siehe oben in Teil 2 unter C.II.1.c).
142
Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Darüber hinaus soll nach verbreiteter Ansicht im Schrifttum auch die faktische Ausübung von Hoheitsgewalt ohne formellen Übertragungsakt als „Maßnahme“ i.S.v. Art. I Abs. 3 a) GATS qualifiziert werden können, sofern die im konkreten Fall faktisch Hoheitsgewalt ausübende Einrichtung von der Regierung unterstützt und kontrolliert, nicht aber nur toleriert wird.78 Mit diesem weiten Ansatz soll gewährleistet werden, dass das GATS nicht durch „Flucht in die Selbstverwaltung“ umgangen wird und die staatlich legitimierte Selbstregulierungspraxis vieler Dienstleistungsbranchen angemessen im GATS berücksichtigt werden kann.79 Akte ausschließlich privater Natur ohne staatliche Einflussnahme können keine „Maßnahmen“ i.S.v. Art. I Abs. 1 GATS darstellen.80 Dies ist z. B. der Fall, wenn der Staat nur den Anreiz zu der jeweiligen Handlung setzt, ohne ihre Ausübung weiter zu unterstützen, zu kontrollieren oder entsprechende Kompetenzen zu übertragen.81 Das bedeutet, dass es immer eines kausalen Bezugs bedarf, um eine Verantwortung des Staates zu begründen und die jeweilige Handlung als Maßnahme i.S.v. Art. 1 Abs. 1 GATS qualifizieren zu können. Dieses Ergebnis lässt sich auch aus Art. I Abs. 3 a) Satz 2 GATS ableiten, wonach jedes WTO-Mitglied eine Art „Aufsichtspflicht“82 trifft „bei der Erfüllung seiner Pflichten und Verpflichtungen im Rahmen des Übereinkommens […] die ihm zur Verfügung stehenden angemessenen Maßnahmen, um die Einhaltung dieser Pflichten und Verpflichtungen durch die regionalen und örtlichen Regierungen und nichtstaatliche Stellen in seinem Hoheitsgebiet zu gewährleisten“. Die WTO-Mitglieder müssen entsprechend sicherstellen, dass auch rein privatrechtliche Handlungen GATS-konform sind. Ebenso haben die WTO-Mitglieder sicherzustellen, dass Untätigkeit oder Unterlassung einer geschuldeten Maßnahme nicht gegen GATS-Verpflichtungen verstoßen.83 Die Aufsichtspflicht des Art. I Abs. 3 a) Satz 2 GATS ist letztlich auch Ausfluss des Grundsatzes völkerrechtlicher Staatenverantwortlichkeit für zurechenbare Handlungen Privater.84 Die Staaten müssen sicherstellen, dass in ihrem Territorium GATS-konform gehandelt wird. Insoweit bestimmt Art. 27 der WVRK für das Verhältnis innerstaatlichen Rechts zu der Verpflichtung, geschlossene völkerrechtliche Verträge einzuhalten, dass eine Vertragspartei „sich nicht auf ihr innerstaatliches Recht berufen [kann], um die Nichterfüllung eines Vertrags zu rechtfertigen“. Nur wenn bei Abschluss des Vertrags eine innerstaatliche Zuständigkeitsvorschrift 78
Krajewski, National Regulation, S. 63. Trebilcock/Howse, S. 282. 80 Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 55. 81 Siehe Krajewski, National Regulation, S. 65 m.w.N. 82 Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 509 f. 83 Krajewski, National Regulation, S. 65. 84 So auch Krajewski, National Regulation, S. 64; allgemein zum Grundsatz der Staatenverantwortlichkeit siehe Ipsen, § 40, Rn. 10 ff. 79
B. Anwendungsbereich des GATS
143
von „grundlegender Bedeutung“ offenkundig verletzt wurde, kann sich der Staat nach Art. 46 WVRK auf die Ungültigkeit seiner Zustimmung und mithin auf die fehlende vertragliche Verpflichtung berufen. Folge dieses extensiven Verständnisses staatlicher Verantwortung ist, dass das GATS grundsätzlich vertikal tief in die nationalen Organisationsstrukturen bis auf die lokale Ebene einwirken kann.85 Diese Konsequenz des völkerrechtlich anerkannten Grundsatzes der Staatenverantwortlichkeit ist allerdings nicht neu, sondern bereits aus dem Bereich der Menschenrechte bekannt.86 So binden die Verpflichtungen, die die Staaten mit Ratifikation der Menschenrechtspakte eingegangen sind, selbstverständlich auch regionale und lokale Gebietskörperschaften.87 Die Intensität lokaler Einwirkung des GATS – auch im deutschen Gesundheitssystem – richtet sich allerdings maßgeblich danach, ob die WTO-Mitglieder tatsächlich spezifische Marktöffnungsverpflichtungen gem. Art. XVI – XVIII GATS eingegangen sind.88 Durch die weite Auslegung des Begriffs der „Maßnahme“ ist mithin noch keine Entscheidung über die Einwirkungsintensität des GATS im Gesundheitssektor getroffen. Die weite Auslegung entspricht im Übrigen auch dem weiten universellen Anwendungsbereich des Art. I Abs. 1 iVm Abs. 3 b) GATS. Denn es wäre kontraproduktiv, verwendete man einerseits einen weiten Dienstleistungsbegriff und bezöge alle Dienstleistungssektoren und Erbringungsformen in das GATS ein, würde aber andererseits nur originär hoheitliche Maßnahmen am GATS messen. Dann könnte die raison d’être des GATS, Handelsbeschränkungen abzubauen, einfach unterlaufen werden durch Kompetenzdelegation auf eine unter- bzw. parastaatliche Organisationsebene oder durch „Flucht ins Privatrecht“ mittels (formaler) Rechtsformänderung.89 2. Formelle Dimension des Maßnahmebegriffs des GATS In formeller Hinsicht ergänzt Art. XXVIII a) GATS, dass an dem GATS „jede von einem Mitglied getroffene Maßnahme [zu messen ist], unabhängig davon, ob sie in Form eines Gesetzes, einer sonstigen Vorschrift, einer Regel, eines Verfahrens, eines Beschlusses, eines Verwaltungshandelns oder in sonstiger Form getroffen wird“. In der Entscheidung US-Gambling stellte der Appellate Body insoweit fest, dass sogar einer Verwaltungspraxis Maßnahmecharakter im Einzelfall zukommen kann.90 85 So die Bedenken von Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 13 f.; siehe auch Koivusalo, S. 437 ff., der von einer interaction between global and local governances im Gesundheitssektor spricht (S. 437). 86 Weiß, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 4, Rn. 272. 87 Dazu Fidler/Correa/Aginam, Rn. 135. 88 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 137 f. 89 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 132; zum Begriff der „Flucht ins Privatrecht“ in der deutschen Verwaltungswissenschafts vgl. statt Vieler de Wall, S. 22. 90 US-Gambling, AB, Rn. 115 ff.
144
Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Im Gesundheitswesen können daher grundsätzlich auch die Vorschriften zur Berufszulassung und Ausübung für Angehörige der Gesundheitsberufe oder zur Normung von Dienstleistungen, aber auch zur Ausgabenregulierung91 GATS-Relevanz besitzen. Derartige Regelungen finden sich vor allem im SGB I und V, dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), den Gesetzen und Verordnungen mit Bestimmungen zur Berufsqualifikation und -ausübung92 als auch den untergesetzlichen Normen der Selbstverwaltungskörperschaften (z. B. Satzungen und Rundschreiben der Krankenkassen, Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses). 3. Zwischenergebnis „Maßnahmen“ der Mitglieder i.S.v. Art. I Abs. 1 GATS sind alle staatlichen oder der öffentlichen Hand zurechenbaren Maßnahmen, unabhängig von der Handlungsform und der innerstaatlich tätig werdenden Stelle. Die WTO-Mitglieder können mithin weder durch Kompetenzdelegation auf eine unterstaatliche Verwaltungsebene noch durch „Flucht ins Privatrecht“ den Anwendungsbereich des GATS verengen. Durch diese weite Auslegung des Begriffs der Maßnahme wird die Regulierungshoheit der WTO-Mitglieder, über den Grad der Marktöffnung zu bestimmen, nicht beeinträchtigt. Denn nach der Systematik des GATS hängt das „Ob“ und „Wie“ der Marktöffnung – wie im Einzelnen noch unter Teil 3 C.II. zu zeigen sein wird – vor allem von den individuell von den WTO-Mitgliedern in den Länderlisten nach Art. XVI – XVIII GATS abzugebenden spezifischen Verpflichtungserklärungen ab.
II. Handelsbeeinträchtigung durch die Maßnahme Nicht jede der genannten Maßnahmen ist allerdings GATS-relevant. Sobald festgestellt ist, dass eine Regelung des Gesundheitswesens eine Maßnahme i.S.v. Art. I Abs. 1 GATS darstellt, ist weiter zu prüfen, ob eine GATS-relevante Form des grenzüberschreitenden Handels nach Art. I Abs. 2 GATS betroffen ist (1.) und diese Handelsform auch ausreichend intensiv durch die streitige Maßnahme betroffen ist, so dass von einer „Beeinträchtigung“ gesprochen werden kann (2.).
91
WTO, Health and Social Services, Rn. 28 ff.; Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 192; zu sonstigen Maßnahmen z. B.: fiskalischer Natur siehe Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 49; Krajewski, National Regulation, S. 64. 92 Grundsätzlich relevante Gesundheitsberufe in Deutschland sind insoweit neben Ärzten, Zahnärzten, Psychotherapeuten, Hebammen und Apothekern, die Berufsgruppen der pharmazeutisch-technischen Assistenten, der Ergotherapeuten, der Logopäden, der Rettungsassistenten, der Orthoptisten, der medizinisch-technischen Assistenten, der Diätassistenten, der Masseur und Physiotherapeuten, der Altenpfleger, der Podologen sowie der Krankenpfleger.
B. Anwendungsbereich des GATS
145
1. „Handel mit Dienstleistungen“ im Sinne des GATS Dienstleistungshandel i.S.d. GATS ist denkbar weit auszulegen. Erfasst wird grundsätzlich jede Art von Dienstleistung in jedem Sektor (Art. I Abs. 3 b), 1 Halbsatz GATS), die nach einer der vier in Art. I Abs. 2 a) – d) GATS umschriebenen Modi erbracht wird. Der räumliche Geltungsbereich des GATS erstreckt sich mithin auf alle Fälle grenzüberschreitender Erbringung.93 Anhand dieser Regelungen ist das Ursprungsland der jeweiligen Dienstleistung immer dann zu bestimmen, wenn die Abgrenzung handelsrelevanter Maßnahmen unter WTO-Mitgliedern und/oder von Drittstaaten und damit der eigentliche Urheber einer handelsbeschränkenden Maßnahme streitig ist. Diese Frage kann insbesondere bei den in andere Länder ausgelagerten Ferndiagnosen relevant werden (z. B. Teleradiologie, medizinische Transkriptionsdienstleistungen, Laboruntersuchungen).94 Die Erbringung einer Dienstleistung umfasst gem. Art. XXVIII b) GATS Produktion, Vertrieb, Vermarktung, Verkauf und Bereitstellung der Dienstleistung. Entsprechend umfassend ausgestaltet ist auch der Verhandlungsansatz der DohaHandelsrunde, demnach kein Dienstleistungssektor und kein Erbringungsmodus a priori von den Liberalisierungsverhandlungen ausgeschlossen ist. Damit sind grundsätzlich auch sämtliche Erbringungsformen von Gesundheitsdienstleistungen Gegenstand der GATS-Liberalisierung(-sverhandlungen).95 2. „Beeinträchtigung“ im Sinne des GATS Schließlich muss die Maßnahme den Dienstleistungshandel auch ausreichend intensiv betreffen, Art. XXVIII c) GATS. Eine Reihe von Entscheidungen der Streitschlichtungsorgane der WTO präzisieren die Anforderungen der Beeinträchtigungsqualität. Art. XXVIII c) GATS nennt ohne Anspruch auf Vollständigkeit verschiedene Dienstleistungserbringungsformen, die beeinträchtigt werden können: 93 Der persönliche Anwendungsbereich wird durch den völkerrechtlichen Charakter des GATS geprägt, dazu näher Ohler, in: Hermann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 846 ff. Die Mitglieder – die Staaten selbst, aber auch z. B.: die EU – sind Adressaten der GATS-Verpflichtungen. Natürliche Personen sind aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit und juristische Personen entsprechend ihres entscheidenden Geschäftssitzes in einem Mitgliedstaat, nur mittelbar Begünstigte bzw. Verpflichtete. 94 Zu dem wachsenden Wirtschaftszweig der Ferndiagnosen zwischen den USA und Indien Chandran, Financial Times Deutschland, Gesundheitswirtschaft, v. 7. 12. 2008; zur weltweiten Entwicklung Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 203 ff. 95 Die EU hat allerdings keine Liberalisierungsangebote für Gesundheitsdienstleistungen unterbreitet. Hingegen haben verschiedene Staaten, darunter die USA und China, Liberalisierungsforderungen an die EU gestellt. Zu den Dienstleistungsverhandlungen in der aktuellen Doha-Handelsrunde näher in Teil 3 unter C.IV.
146 i)
Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung […] Kauf, die Bezahlung oder die Nutzung der Dienstleistung,
ii) […] Zugang zu und die Nutzung von Dienstleistungen, die diese Mitglieder der Öffentlichkeit allgemein anbieten müssen96, iii) die Präsenz – einschließlich kommerzielle Präsenz – von Personen eines Mitglieds zur Erbringung einer Dienstleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds.
Es gibt mithin drei Dimensionen möglicher Handelsbeeinträchtigungen97, die grundsätzlich im Gesundheitsbereich auftreten können: – Maßnahmen, die die Dienstleistungserbringung zwischen Dienstleister und Empfänger faktisch oder vertraglich ausgestalten, – Maßnahmen, die die Gewährleistungsverantwortung des Staates widerspiegeln, d. h. Angebot und Zugang von Dienstleistungen der Daseinsvorsorge sicherstellen und ausgestalten sowie – Maßnahmen zur Regulierung temporärer Arbeitsmigration natürlicher Personen als auch der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung juristischer Personen. In verschiedenen Panel- und Appellate Body-Entscheidungen wurde klargestellt, dass diese Aufzählung nicht abschließend sei. Vielmehr käme grundsätzlich jede Maßnahme jeden Typs und jeder Branche in Frage98, d. h. für jeden Sachverhalt müsse unter Würdigung der Einzelfallumstände bewertet werden, ob eine handelsbeeinträchtigende Wirkung i.S. des GATS vorliege. Die Maßnahme muss nicht einmal primär eine handelsbeeinträchtigende Zielsetzung haben, sofern ihr jedenfalls eine entsprechende Auswirkung zukommt.99 Im Fall EC-Bananas III betonte der Appellate Body insoweit, dass der Begriff der Beeinträchtigung (affecting) Maßnahmen umschließt, die eine Auswirkung auf etwas haben (an effect on), und deshalb weit auszulegen sei.100 In der Entscheidung Canada-Autos stellte das Panel sogar fest, der Kläger müsse nicht beweisen, dass die Maßnahme gegenwärtig negative Auswirkungen auf Handelsströme habe, sondern allein, dass die Maßnahme geeignet ist, möglicherweise wirtschaftliche Nachteile zu bewirken.101 96 Zu der anders lautenden amtlichen Übersetzung „[…] Dienstleistungen, die diese Mitglieder der Öffentlichkeit allgemein anbieten müssen“ weist Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 510 (Fn. 82) zu Recht darauf hin, dass der englische Originaltext nicht die Dienstleistungserbringung durch die WTO-Mitglieder selbst meint, wenn es dort heißt „services which are required by those Members“. 97 Zu den verschiedenen „Ansatzpunkten“ möglicher Handelsbeeinträchtigung, siehe Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 510. 98 European Communitites – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, Bericht des Appellate Body (WT/DS27/AB/R), angenommen am 9. September 1997 (ECBananas III, AB), Rn. 280; ebenso US-Gambling, Panel, Rn. 6.251. 99 Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 28; Krajewski, National Regulation, S. 67. 100 EC-Bananas III, AB, Rn. 220. 101 Canada-Automotive Industrie, AB, Rn. 158 ff.; siehe dazu auch Zdouc, S. 111.
B. Anwendungsbereich des GATS
147
3. Zwischenergebnis Es werden keine hohen Anforderungen an die Wirkung der streitigen Maßnahme gestellt, um sie als handelsbeeinträchtigend i.S.v. Art. I Abs. 3 a) GATS qualifizieren zu können. Die Maßnahme muss nicht vorrangig eine handelsbeeinträchtigende Zielsetzung haben. Es reicht, dass von ihr überhaupt eine handelsrelevante Wirkung ausgehen kann.
III. Ausnahme vom Anwendungsbereich des GATS Angesichts der vielfachen Deregulierungs- und Privatisierungsprozesse in den WTO-Mitgliedern, musste bei Schaffung des GATS darauf geachtet werden, dass abgehoben von den einzelnen Regulierungstraditionen, der Anwendungsbereich so gefasst wird, dass das GATS in allen Rechtsordnungen der Mitglieder einheitlich angewandt wird. Ähnlich wie im Unionsrecht hat man daher im GATS sowohl sektorübergreifende als auch sektorspezifische Ausnahmen vom Anwendungsbereich vorgesehen. Für Gesundheitsdienstleistungen sind insoweit die folgenden zwei horizontalen und eine sektorspezifische Bereichsausnahme von grundlegender Bedeutung:102 Zum einen werden die Bestimmungen des GATS nicht auf „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbrachte Dienstleistungen angewandt gem. Art. I Abs. 3 b) GATS (1.). Zum anderen sind Finanzdienstleistungen, die „im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit“ erbracht werden, ausgenommen nach der lex specialis – Bereichsausnahme in Ziff. 1 b) ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen (2.). Hinzu tritt eine Bereichsausnahme für Dienstleistungen, die Teil öffentlicher Beschaffungsvorgänge i.S.v. Art. XIII Abs. 1 GATS sind (3.). 1. In Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistungen Art. I Abs. 3 b) und c) GATS bestimmen: Für die Zwecke dieses Übereinkommens […] b) schließt der Begriff „Dienstleistung“ jede Art von Dienstleistung in jedem Sektor mit Ausnahme solcher Dienstleistungen ein, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden;
102
Daneben gibt es eine weitere Bereichsausnahme für Luftverkehrsdienstleistungen in Ziff. 2 und 3 der Anlage über Luftverkehrsdienstleistungen, die allerdings ohne Relevanz für Gesundheitsdienstleistungen ist. Näher zu den Anlagen des GATS unten in Teil 3 unter C. I. Zu sämtlichen Bereichsausnahmen des GATS Falke, S. 51 ff.; mit einem Vergleich der Ausnahmetatbestände des EG-Vertrags und des GATS Wiegemann, S. 99 ff.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
c) bedeutet der Begriff „in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistung“ jede Art von Dienstleistung, die weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird.
Bereichsausnahmefähige Dienstleistungen dürfen damit weder zu „kommerziellen Zwecken“ noch „im Wettbewerb“ mit anderen Dienstleistungserbringern erbracht werden. Durch den Verweis auf Kommerzialität und Wettbewerb soll gewährleistet werden, dass sich die WTO-Mitglieder nicht ihren Verpflichtungen aus dem GATS unter willkürlicher Berufung auf die Ausübung der jeweiligen Dienstleistung mittels hoheitlicher Gewalt entziehen können. Die Frage der Reichweite der Bereichsausnahme wurde in der Vergangenheit vor allem im Hinblick auf ihre Bedeutung für Daseinsvorsorgeleistungen, den sog. public services, politisch diskutiert [a)]. Auf technischer Ebene zeigte sich wiederum, dass bereits die Anzahl der Tatbestandsmerkmale ungeklärt ist, d. h. ob neben den in Unterabsatz c) genannten Kriterien der Kommerzialität und des Wettbewerb auch noch ein „hoheitlicher Bezug“ in Art. I Abs. 3 c) und d) vorgesehen ist [b)]. Schließlich ist auch die Definition der Tatbestandsmerkmale selbst strittig [c)]. Es fehlt an einer Legaldefinition, und weder Panel noch Appellate Body haben sich bisher mit der Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe befasst. a) Hintergrund der Diskussion um GATS und die Daseinsvorsorge Ob und ggf. in welchem Umfang Dienstleistungen der Daseinsvorsorge dem GATS unterfallen, wird unterschiedlich beurteilt. Erschwert wird die Auslegung dadurch, dass es auch im GATS keine gemeingültige Definition der Dienstleistungen der Daseinsvorsorge gibt.103 Zumindest eine Reihe gemeingültiger Kriterien der in den EU-Mitgliedstaaten verwandten Daseinsvorsorgekonzepte konnte die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom 20. November 2007104 zum Teil unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des EuGH105 ausmachen: grundlegende Bedeutung für ein funktionierendes Gemeinwesen, Universalität, Kontinuität, Qualität und Erschwinglichkeit. Trotz dieser Arbeiten bleibt der Begriff der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse selbst auf Unionsebene weiterhin vage. Es wundert mithin nicht, dass auf multilateraler Ebene, mit einer noch heterogeneren Struktur der Gesundheitssysteme und – soweit überhaupt vorhanden – Daseinsvorsorgekonzepte, die Reichweite der Bereichsausnahme uneinheitlich ausfällt. Das Meinungsspektrum reicht von einem „vollumfänglichen Ausschluss sämtlicher Leistungen der Daseinsvorsorge“ über einen „funktionellen Teilausschluss je nach 103
In Art. XXVIII (c) ii) GATS ist einzig von Dienstleistungen die Rede, „die diese Mitglieder der Öffentlichkeit anbieten müssen“. 104 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, S. 3 ff. 105 Insbesondere EuGH Urt. v. 27. April 1994, Rs. C-393/92 – Almelo, Rn. 48.
B. Anwendungsbereich des GATS
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Gestalt der Dienstleistung im Einzelfall“ bis hin zu der Annahme, dass „alle Daseinsvorsorgeleistungen dem GATS unterworfen sind, die nicht kostenlos und durch öffentliche Einrichtungen erbracht werden“.106 Trotz dieser bekannten vielfältigen Auslegungsmöglichkeiten ist bisher keine verbindliche Regelung in Sicht.107 Stellungnahmen des WTO-Sekretariats oder der WTO-Mitglieder lassen weiterhin keine einheitliche Linie erkennen.108 Seinen Ausgangspunkt nahm der Streit um die Reichweite des GATS bereits in den Uruguay-Verhandlungen. Verschiedene europäische Länder sowie Japan forderten eine generelle Ausnahme aller Dienstleistungen der Daseinsvorsorge vom GATS. Hingegen vertraten verschiedene, vor allem von der Arbeitsmigration besonders betroffene Länder wie u. a. Indien, Pakistan und Ägypten, einen funktionalen Ansatz: Da das GATS grundsätzlich alle Dienstleistungssektoren umfasse und im Ausnahmefall unter bestimmten Voraussetzungen nur bestimmte Dienstleistungen vom Anwendungsbereich ausgenommen werden könnten, müsse jede Maßnahme daher einzeln auf ihre Auswirkungen im konkreten Kontext betrachtet und entschieden werden, ob sie dem Anwendungsbereich der Bereichsausnahme unterfalle oder nicht.109 Mitarbeiter der WTO haben wiederum mehrfach erklärt, dass Dienstleistungen der öffentlichen Hand durch Art. I Abs. 3 b) GATS vom Anwendungsbereich des GATS vollumfänglich ausgenommen seien.110 Auch WHO111, EU112 und OECD113 schlossen sich dieser extensiven Lesart an. Den Mitgliedstaaten stehe es frei zu bestimmen, ob und welche Dienstleistungsbereiche sie der Liberalisierung öffnen möchten. Daseinsvorsorgeleistungen seien vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen. Die Mitglieder würden nicht zur 106 Vergleiche statt Vieler die Auseinandersetzung mit der Reichweite der Bereichsausnahme im Hinblick auf Daseinsvorsorgeleistungen Krajewski, Trade Liberalization, S. 341 (342 ff.); Simon, Liberalisierung, S. 58 ff. 107 So auch Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 26; Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO – Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 59. 108 Siehe dazu im Einzelnen die Analysen bei Krajewski, National Regulation, S. 68 f. und Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 59. 109 Siehe dazu im Einzelnen die Darstellung und Analyse der Verhandlungen bei Yeates, S. 16 ff. m.w.N.; zentraler Einwand dieser Arbeitsmigrationsstaaten sei gewesen, dass die Fachkräfte häufig sowohl im Heimat- als auch im Gastland einen finanziellen Beitrag für die Sozialabsicherung leisten müssten, ohne dass sie in den industrialisierten Gastländern die Leistungen in Anspruch nehmen könnten; denn vielfach fehlten ihnen aufgrund der im Rahmen der Verpflichtungslisten des GATS vereinbarten zeitlichen Aufenthaltsbeschränkungen, die erforderlichen Mindestbeschäftigungszeiten für den Bezug von Leistungen. Gestützt auf das GATS, sollten nach Ansicht dieser Staaten diese Daseinsvorsorgeansprüche der Arbeitsmigranten verbessert werden können. 110 Adlung, Public Services, S. 3 ff.; Hartridge, Humanité v. 26 Oktober 2000. 111 WHO/WTO, Rn. 218. 112 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Trade Policy, S. 15 ff. 113 OECD, GATS: The Case for Open Services Markets, S. 65 f., 68 f.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Privatisierung der entsprechenden Dienstleistungssektoren gezwungen. Denn nicht die Rechtsnatur der Dienstleistung per se – der das GATS neutral gegenüber stehe – entscheide über die Reichweite der Liberalisierung, sondern die Mitgliedstaaten selbst. Allerdings hat auch das WTO-Sekretariat einschränkend eine verbleibende Rechtsunsicherheit eingeräumt. Der Umstand, dass die GATS-Bestimmungen bislang nur Gegenstand weniger Streitbeilegungsverfahren waren und die Verpflichtungslisten für Dienstleistungen höchst komplex sind, erschwere es zusätzlich die Rechte und Pflichten der WTO-Mitglieder im Dienstleistungsabkommen abschließend zu beurteilen.114 Der Rat für den Handel mit Dienstleistungen stellte insoweit fest, dass diese Dienstleistungen wegen des öffentlich-privaten Mischangebots in den meisten WTO-Mitgliedstaaten nicht ohne weiteres vom Anwendungsbereich des GATS ausgeschlossen seien.115 Die Europäische Kommission griff die Frage unter anderem in ihrem Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse vom 21. Mai 2003116 auf. Sie betonte die Souveränität der Mitgliedstaaten, die Anwendbarkeit des GATS auf diese Dienstleistungen steuern zu können. Demgegenüber stand und steht innerhalb der EUMitgliedstaaten die Befürchtung, dass die im Unionsrecht als „Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse“ bezeichneten Daseinsvorsorgeleistungen aus Bereichen wie beispielsweise der öffentlichen Gesundheit, Bildung und Sicherheit, durch das GATS übermäßig eingeschränkt werden könnten. Darüber hinaus wurde auf den ähnlich geformten Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) verwiesen. Demnach seien die Grundsätze der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit weder dauerhaft noch teilweise auf mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt verbundene Tätigkeiten anzuwenden. Der EuGH habe die Vorschrift sehr restriktiv ausgelegt. Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) könne somit die aus dem GATS für Drittstaaten resultierenden Rechte nicht einschränken.117 Auch in der Literatur zeigt sich ein unterschiedliches Meinungsbild.118 Die Systematik des GATS erlaube es den Mitgliedern, letztlich nur solche Dienstleis114
WTO, Opening marktes, S. 1. WTO, Report of the Meeting held on 14 October 1998, Rn. 22 (b). 116 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, Rn. 100 ff. 117 Siehe im Einzelnen die Übersicht in WTO, Structure of Commitments for Modes 1, 2 and 3, Rn. 1 ff. 118 Vergleiche statt Vieler: Krajewski, Public Services, S. 6; ders., National Regulation S. 73; Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 193 f.; Yeates, S. 11; Fidler/ Correa/Aginam, Rn. 86 ff., 125; Sanger, S. 15; World Development Movement, S. 11 ff.; Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 17 ff.; Sexton, S. 15 ff.; Wesselius, S. 12; mit Einschränkungen Ohler, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 839, der darauf hinweist, dass die WTO-Mitglieder durch Gestaltung ihrer Wettbewerbsordnung autonom entscheiden könnten, ob eine Dienstleistung „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ erbracht wird, ohne dass GATS diese Festlegung in Frage stellen könnte; im Ergebnis so auch Falke, S. 51, 57; Pollock/ 115
B. Anwendungsbereich des GATS
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tungen der Daseinsvorsorge sicher aus dem Anwendungsbereich des GATS auszunehmen, die im Rahmen absoluter Monopole zu nichtkommerziellen Zwecken erbracht werden. Diese Voraussetzungen erfüllten streng genommen nur Dienstleistungen der Daseinsvorsorge, die kostenlos für die Empfänger durch öffentliche Einrichtungen erbracht werden. Beispielhaft genannt werden Krankenhäuser in alleiniger öffentlich-rechtlicher Trägerschaft und vom Staat angestellte Ärzte – wie in staatlichen Gesundheitsdiensten üblich.119 Sobald aber ein Bereich auch nur teilweise den Marktkräften geöffnet sei, und zwei Dienstleister – und seien es auch öffentliche Dienstleister – zur Erbringung der gleichen oder ähnlichen Dienstleistung zugelassen seien, finde nach Wortlaut und Systematik grundsätzlich ein Wettbewerb statt und das GATS damit Anwendung.120 Verschiedene Länder sind angesichts dieser Rechtsunsicherheit – vorsorglich – den Weg gegangen, ausdrücklich Anwendungsvorbehalte für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge in ihren nationalen Verpflichtungslisten zu kodifizieren.121 So haben die EU-Mitgliedsstaaten in ihren horizontalen Verpflichtungsteil die Bestimmung aufgenommen, dass zumindest öffentliche Daseinsvorsorgeleistungen, sog. public utilities, in bestimmten Umfang unberührt von den Marktöffnungsverpflichtungen der dem GATS angehängten EU-Länderliste bleiben.122 Eine Initiative mehrerer EP-Abgeordneter für eine Definition und entsprechende Bereichsausnahme der Daseinsvorsorgeleistungen der EU-Mitgliedstaaten wies der Generaldirektor der WTO, Pascal Lamy, in einem offenen Brief zurück.123 Bereits innerhalb der EU gebe es kein einheitliches Rechtsverständnis der public services, so dass die Wahrscheinlichkeit gering sei, auf WTO-Ebene eine Definition zu finden. Im Übrigen hätten es die Vertragsstaaten ausdrücklich abgelehnt, eine Definition in den bisherigen Verhandlungsrunden auszuarbeiten, mit der Begründung, die unterschiedliche Ausgestaltung der Daseinsvorsorgeleistungen in ihren Rechtsordnungen wahren zu wollen und sich nicht zu einer eventuell sogar schutzstandardsenkenden Kompromissdefinition oder gar zu einer abschließenden Liste anerkannter Daseinsvorsorgeleistungen zwingen zu lassen.124
Price, Rewriting Regulations, S. 1995 ff.; dies., GATS, S. 1072 ff.; a.A. Adlung, Public Health Implications, S. 82 f.; ders., Effects, S. 1626. Eingehend zu den Auswirkungen in Kanada van Duzer, in: Curtis/Ciuriak (Hrsg.), International Trade Canada, S. 278 ff.; und speziell für Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen ders., in: Petersmann/Harrison (Hrsg.), Reforming the World Trading System, S. 167 ff.; Matthew, S. 49 ff. 119 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 194. 120 Krajewski, Trade Liberalization, S. 341 (352); Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 193 ff.; Pollock/Price, GATS, S. 1072 ff.; im Ergebnis wohl auch Yeates, S. 14. 121 Dazu näher in Teil 3 unter C.II.1.a). 122 Näher zu den horizontalen Verpflichtungen der EU in Teil 3 unter C.II.1.a). 123 Siehe Lamy, S. 1. 124 Siehe Coalition of Services Industries, S. 12 f.; Lamy, S. 1.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
b) Verhältnis von Art. I Abs. 3 b) zu c) GATS Art. I Abs. 3 c) GATS definiert den Begriff „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ des Art. I Abs. 3 b) GATS legal, denn Absatz 3 c) beginnt mit den Worten „bedeutet der Begriff ,in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistung‘, […]“. Daraus wird zum Teil in der Literatur geschlossen, der Tatbestand der Bereichsausnahme sei zweigliedrig, d. h. er sei erfüllt, sobald eine Dienstleistung weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb erbracht werde.125 Entgegen diesem zweigliedrigen Tatbestandsverständnis wird in anderen Teilen der Literatur vertreten, dass dem einleitend in Absatz 3 c) noch einmal wiederholten Teil „in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistung“ ebenfalls eine eigenständige Bedeutung zukommen müsse – mit anderen Worten: Als drittes Kriterium müsse mithin ein – wie im Einzelfall auch immer gearteter – hoheitlicher Bezug der Dienstleistung gegeben sein.126 Denn sollten tatsächlich nur Kommerzialität und Wettbewerb als Kriterien ausreichen, stelle sich die Frage, warum man sich seinerzeit nicht auf Absatz 3 b) beschränkt hat.127 Die Notwendigkeit des dritten Kriteriums hoheitlicher Bezug folge auch aus Sinn und Zweck von Absatz c): Dienstleistungen von Unternehmen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht und außerhalb eines Wettbewerbsumfelds arbeiteten, könnten nicht von vornherein vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen werden. Beispielsweise übe ein privater Monopolist, der Dienstleistungen aus Imagegründen unentgeltlich anbietet, natürlich nicht automatisch hoheitliche Gewalt aus. Eine Dienstleistung in Ausübung hoheitlicher Gewalt erfordere vielmehr immer auch eine gewisse Verbindung der Dienstleistungsausübung mit der öffentlichen Hand.128 Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Nicht jede private Tätigkeit im Gemeinwohlinteresse mit Monopolcharakter ist automatisch auch hoheitliche Gewaltausübung. Es bedarf auch hier eines positiven Anerkennungsaktes seitens der öffentlichen Hand in Form eines expliziten oder impliziten hoheitlichen Auftrags an den Privaten.129
125
So Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 503; Schmidt, S. 95. Krajewski, National Regulation, S. 69 f.; Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 64; Fidler/Correa/Aginam, Rn. 88, 91; Fidler/Drager/Correa/Aginam, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 148. 127 Nach Krajewski hätte ein solcher Absatz entsprechend einfach folgendermaßen gefasst werden können: „Services include any service in any sector except those neither supplied on a commercial basis nor in competition with one or more service suppliers“, siehe Krajewski, National Regulation, S. 71 f. 128 Krajewski, National Regulation, S. 71 f.; ders., Trade Liberalization, S. 341 (353). 129 Es ergeben sich insoweit Parallelen zur Abgrenzung der „Maßnahme eines Mitglieds“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 GATS von rein privatrechtlichen Handlungen, dazu oben in Teil 3 unter B.I.1. 126
B. Anwendungsbereich des GATS
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c) Tatbestandsmerkmale der Bereichsausnahme In Literatur und Praxis werden die Tatbestandsmerkmale „weder zu kommerziellen Zwecken“ [aa)] wie auch das Merkmal „noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht“ [bb)] und „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ [cc)] teilweise sehr unterschiedlich ausgelegt. Ergänzend können bei der Auslegung die Verpflichtungslisten, Anlagen oder Vereinbarungen nach Art. XVIII GATS herangezogen werden [dd)]. Auch die verfahrensrechtliche Frage der Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen ist für die Reichweite der Bereichsausnahme entscheidend [ee)]. aa) Kommerzialität Auf den ersten Blick scheint es naheliegend, dass Gesundheitsdienstleistungen nicht zu kommerziellen Zwecken erbracht werden, besitzen sie zumeist doch besonderen Gemeinwohlbezug130 und stehen unter besonderer berufsethischer Verantwortung, die sich in besonders starker Regulierung niederschlägt.131 Bei näherer Betrachtung der verschiedenen Auslegungsansätze zeigt sich aber, dass Gesundheitsdienstleistungen nur unter bestimmten Umständen als nichtkommerziell qualifiziert werden können. Der Begriff „Kommerzialität“ wird im GATS in verschiedenen Zusammenhängen verwandt. Ausdruck objektiver Umstandsbeschreibung der Dienstleistungserbringung ist er in Art. I Abs. 2 c) GATS. Hier bezeichnet er den Modus 3 der Dienstleistungserbringung mittels sog. „kommerzieller Präsenz“. Dieser umfasst nach Art. XXVIII d) GATS alle Arten geschäftlicher oder beruflicher Niederlassungen. Anhaltspunkte für die Auslegung des Kommerzialitätskriteriums der Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b) und c) GATS lassen sich daraus allerdings grundsätzlich nicht gewinnen. Insbesondere sollte hier nicht auf eine Beschränkung der Reichweite der Bereichsausnahme auf Modus 3-Dienstleistungen geschlossen werden. Die Kommerzialität wird in Schrifttum und Praxis unterschiedlich definiert. Zum Teil wird auf das objektive Kriterium einer – nur – gegen ein „Entgelt“ erbrachten Dienstleistung abgestellt [(1)], zum Teil werden subjektive Kriterien zugrunde gelegt wie eine „Gewinnerzielungsabsicht“ oder ein „mit der Dienstleistungstätigkeit in Kauf genommenes finanzielles Risiko“ [(2)]. Andere fordern eine „verobjektivierte Gewinnerzielungsabsicht“ [(3)]. Wieder andere greifen auf die Grundsätze des EUVergaberechts zurück [(4)]. Schließlich gibt es Vertreter, die generell die Entwicklung einer „diskriminierungsfreien Staatenpraxis“ nach passe partout-Kriterien für ausreichend erachten [(5)].
130 131
Dazu oben Teil 2 unter B.I.1. Näher dazu oben Teil 2 unter C.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
(1) Objektives Kriterium: Entgelt In Anlehnung an den Wortlaut commercial der englischen Sprachversion wird für eine kommerzielle Tätigkeit vielfach eine entgeltliche Leistungserbringung gefordert.132 Das Entgeltkriterium ist ebenfalls für den EuGH Wesensmerkmal einer Dienstleistung i.S. der europäischen Dienstleistungsfreiheit.133 Eine Gesundheitsdienstleistung ist damit dann typischerweise kommerziell, wenn sie gegen Entgelt erbracht wird. Alle Gesundheitsdienstleistungen, die nicht kostenlos im Rahmen eines staatlichen Gesundheitsdienstes angeboten oder anderweitig staatlich finanziert und für den Patienten kostenlos wären, trügen demnach kommerziellen Charakter. Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH zur Patientenmobilität fragt sich, ob auch im Welthandelsrecht das Entgelt nicht zwingend im Verhältnis DienstleisterEmpfänger entrichtet werden muss. So entschied der EuGH, dass der Modus der Abrechnung – sei es nach Sachleistungsprinzip, d. h. der Abrechnung zwischen Kostenträger (Krankenkasse) und Dienstleiser oder nach Kostenerstattungsprinzip, d. h. Direktabrechnung zwischen Angehörigen des jeweiligen Gesundheitsberufs und Patient – für die Kommerzialität keine Rolle spielen kann.134 Die besondere (solidarische) Finanzierung der Gesundheitsdienstleistungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis nehme der Dienstleistung nicht ihren wirtschaftlichen Charakter i.S. der Dienstleistungsfreiheit des AEUV.135 Im GATS finden sich insoweit ebenfalls keine Anhaltspunkte, dass das Entgelt im unmittelbaren Leistungsverhältnis – beispielsweise Arzt/Patient – entrichtet werden muss.136 Die Dienstleistung sollte damit auch im Welthandelsrecht ihren Entgeltcharakter dann behalten, wenn das Entgelt für die Behandlungsleistung im Rahmen des sozialrechtlichen Dreiecksverhältnisses in Gestalt der Krankenversicherungsbeiträge über die Kostenträger mittelbar an die Dienstleister gelangt. Sobald Beitragszahlungen, Zuzahlungen oder einbehaltene Anteile für Kostenerstattungszahlungen erbracht und damit ein Entgelt – wenn auch nur über die Mittler in Gestalt des jeweiligen Sozialversicherungsträgers – geleistet wird, wäre mithin ein kommerzieller Zweck begründet.137 132 Siehe Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 72; Schmidt, S. 96 unter Verweis auf die Definition des Oxford English Dictionary. 133 Entscheidend für den EuGH ist allerdings die sog. „Wirtschaftlichkeit“ der Dienstleistung. Zur Frage etwaiger Unterschiede zu dem welthandelsrechtlichen Kriterium der kommerziellen Zweckbestimmung, Wiegemann, S. 81 ff. 134 So auch Krajewski, National Regulation, S. 183. 135 Dazu oben in Teil 1 unter A. 136 Zu den zwischen EU-Recht und GATS bestehenden Unterschieden, die einer Übertragung der Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung zu „hoheitlichen Dienstleistungen“ auf das GATS grundsätzlich entgegenstehen, näher: Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 62 ff. 137 Im Ergebnis so wohl auch Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 218 (Fn. 6).
B. Anwendungsbereich des GATS
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(2) Subjektive Kriterien In der Entscheidung des Panels in der Rechtssache Canada-Wheat wurde festgestellt, dass kommerzielle Tätigkeiten stets geleitet sind durch das Ziel, dass der Kauf oder Verkauf einen ökonomischen Vorteil bringt.138 Im Schrifttum wird teilweise auf ein „in Kauf genommenes finanzielles Risiko“139 abgestellt. Für einen Großteil ist hingegen der mit der Dienstleistung bezweckte wirtschaftliche Erfolg entscheidend. Die Dienstleistung sei kommerziell, sofern der Dienstleister mit Gewinnerzielungsabsicht handle. Sobald die Dienstleistungserbringung allerdings nicht vorrangig von der Erzielung eines Gewinns getragen wird, sondern übergeordnete Ziele verfolgt, die – zufällig – Gewinne abwerfen, oder auch nur kostendeckend erbracht werden sollen, fehle es an der Kommerzialität.140 Fraglich ist, ob bei den grundsätzlich im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung administrierten Preisen eine Gewinnerzielungsabsicht per se nicht ausgeschlossen ist. Das do ut des-Verhältnis der Dienstleistungserbringung um der finanziellen Gegenleistung willen wird grundsätzlich nicht dadurch aufgehoben, dass ein subventionierter und/oder administrierter Preis vorliegt. Dieses Entgelt, das der Arzt für seine Behandlungsleistungen fordert, sichert in der Regel (zumindest) seine wirtschaftliche Existenzgrundlage. Neben berufsethischen Motiven ist dies damit eine wichtige wirtschaftliche Motivation seiner Dienstleistungserbringung. Eine Gewinnerzielungsabsicht ist damit grundsätzlich auch im Bereich der grundsätzlich administrierten Preise der GKV denkbar. Sofern der administrierte Preis allerdings nur kostendeckend kalkuliert ist, wäre nach diesem Ansatz auch hier die Kommerzialität zu verneinen. Beispiele grundsätzlich sogar nicht einmal kostendeckend kalkulierter Entgelte finden sich u. a. in der Krankenhausfinanzierung. Die sog. duale Krankenhausfinanzierung in Deutschland ist derart konzipiert, dass die Betriebskosten grundsätzlich durch die DRGs über die Krankenkassen und die Investitionskosten durch die Bundesländer mittels der Investitionskostenförderung finanziert werden. Die DRGs sind mithin von vornherein so kalkuliert, dass sie nicht die gesamten Kosten decken. Die Träger haben – sofern sie Plankrankenhäuser im Sinn des KHG sind – einen „Anspruch“ auf Ergänzung der Fallpauschalenfinanzierung um die Investitionskostenförderung durch die Bundesländer.141 Insoweit wäre die Kommerzialität zu verneinen. 138 Canada – Measures Relating to Exports of Wheat and Treatment of Imported Grain, Bericht des Appellate Body (WT/DS276/AB/R), angenommen am 30. August 2004 (CanadaWheat, AB), Rn. 137 ff. 139 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 194. 140 Krajewski, Trade Liberalization, S. 341 (351); Marchetti/Mavroidis, S. 530; Leroux, S. 349; Wiegemann, S. 80 f. 141 Zu der EU-beihilfenrechtlichen Bedeutung dieses finanziellen Zusammenhangs zwischen Betriebskosten- und Investitionskostenfinanzierung, die nach Ansicht eines großen Teils der Praxis die Beihilfenqualität der Investitionskostenförderung nach KHG entfallen lässt, siehe Cremer, S. 200 ff.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Bei Gesundheitsdienstleistern, die ambulante oder stationäre Behandlungen nach erhöhten, über die reine Kostendeckung hinausgehenden Sätzen der GOÄ abrechnen, dürfte hingegen eine Gewinnerzielungsabsicht grundsätzlich angenommen werden. (3) Verobjektivierte Gewinnerzielungsabsicht Da häufig subjektive Kriterien schwierig(er) nachweisbar sein dürften, ist mit vorgenanntem Ansatz ein erhöhter Grad an Rechtsunsicherheit verbunden. Daher fordern andere Stimmen im Schrifttum, die Gewinnerzielungsabsicht müsse sich nach außen in objektiven Kriterien niederschlagen.142 Es wird vorgeschlagen, die Gewinnerzielungsabsicht vor allem dann als objektiviert anzuerkennen, wenn eine „wirtschaftsstrategische Ausrichtung“143 bzw. eine „profitable Organisationsstruktur des Dienstleisters“144 vorliegt. Die avisierte Dienstleistung muss sich für den Erbringer als ökonomisch vorteilhaft darstellen. Ein derartiger ökonomischer Vorteil bestehe nun einmal vorrangig in der Erzielung eines Gewinns.145 Dabei wird nicht so weit gegangen, dass der Anbieter auch tatsächlich einen Gewinn erwirtschaften müsse.146 Er muss sein Verhalten bzw. seine Organisationsstruktur nur entsprechend ausrichten. Das sei beispielsweise der Fall, wenn sich der Dienstleister bewusst dafür entscheidet, ein Entgelt zu fordern und dessen Höhe am üblichen Marktpreis orientiert.147 In der GKV haben die Krankenkassen zwar keine Möglichkeit mehr, die Beitragssatzhöhe zu variieren, da diese seit 2009 gesetzlich festgelegt wird. Allerdings können die Krankenkassen im Falle, dass sie mit den Beitragseinnahmen nicht auskommen, einen Zusatzbeitrag verlangen. Die Höhe ist seit dem 1. Januar 2011 nicht mehr begrenzt auf 1 Prozent der beitragspflichten Einnahmen des einzelnen Versicherten. Die Krankenkassen können grundsätzlich ihre Zusatzbeiträge in beliebiger Höhe festsetzen. Um nicht Gefahr zu laufen, dass die Versicherten zu günstigeren Kassen abwandern, werden die Kassen faktisch wohl versuchen, das Verhältnis des Zusatzbeitrags zum Leistungsangebot angemessen auszugestalten.148 Im Ergebnis wird man damit die og. Orientierung an einem marktüblichen Preis-/ Leistungsverhältnis feststellen können. Allerdings sind Krankenkassen der Gesetzlichen Krankenversicherung anders als private Krankenversicherungsunterneh-
142 Adlung, Public Services, S. 9; im Ergebnis auch Zacharias, in: Wolfram/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 70 ff.; Krajewski, National Regulation, S. 70. Wiegemann, S. 81. Kritisch Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 194. 143 Adlung, Public Services, S. 9. 144 van Ryn/Heenen, S. 15 ff. 145 Leroux, S. 351. 146 Wiegemann, S. 81. 147 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 194 f. 148 Siehe oben Teil 2 unter C.II.1.c).
B. Anwendungsbereich des GATS
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men keine profitorientierten Unternehmen. Die Kommerzialität ihrer Tätigkeit ist nach dieser Auslegung daher fraglich.149 (4) Grundsätze des EU-Vergaberechts Nach den Vergaberichtlinien müssen die Einrichtungen des öffentlichen Rechts zu dem besonderen Zweck gegründet worden sein, „im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind“.150 Derartige Gemeinwohlaufgaben nicht gewerblicher Art weisen nach Ansicht des EuGH nur diejenigen Dienstleistungen auf, die eng mit der öffentlichen Ordnung und dem institutionellen Funktionieren des Staates verknüpft sind.151 Die grundsätzlich an die Selbstverwaltungsorgane delegierte Sicherung der Gesundheitsversorgung dürfte diesen Anforderungen gerecht werden. Private wiederum, die Aufgaben der Gesundheitsversorgung wahrnehmen, müssen in jedem Fall einen Auftrag nachweisen.152 Dies wird im Gesundheitswesen grundsätzlich durch die Zulassung zur GKV-Versorgung gewährleistet, sei es in Gestalt der im SGB V vorgeschriebenen Vertragsarztzulassung für niedergelassene Ärzte oder der Zulassung von Krankenhäusern und ihre Aufnahme in den jeweiligen Landeskrankenhausplan. (5) Diskriminierungsfreie Staatenpraxis Nach diesem Ansatz reicht es bereits, wenn die Handhabung des Kommerzialitätskriteriums in den WTO-Mitgliedern nicht intransparent, willkürlich einzelfallbezogen und diskriminierend gehandhabt wird. Denn das würde im Ergebnis zu einer uneinheitlichen Anwendung des GATS in den einzelnen WTO-Mitgliedern führen und gegen das Transparenzgebot und ggf. das Meistbegünstigungsgebot des GATS verstoßen. Sofern die Mitglieder aber eine entsprechend transparente, objektive und einheitliche meistbegünstigende Staatenpraxis für die Handhabung des Kommerzialitätskriteriums finden, können sie sogar Kriterien anwenden, die letztlich passe 149 Auf den Bereich des pharmazeutischen Vertriebs und der komplexen Preisbildung von Arzneimitteln wird in dieser Arbeit aus Platzgründen nicht weiter eingegangen. Im Hinblick auf Medizinprodukte kann am Rande zumindest angemerkt werden, dass die anders als bei Arzneimitteln grundsätzlich am Markt gebildeten Preise i. d. R. wohl das Kommerzialitäts- und wohl auch Wettbewerbskriterium i.S.d. GATS erfüllen dürften. 150 Art. 1b) der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, ABl. L 199 v. 9. August 1993, S. 153; Art. 1 b) der Richtlinie 93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. L 199 v. 9. August 1993, S. 54 ff.; Art. 1 b) der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, ABl. L 209 v. 24. Juli 1992, S. 1 ff. 151 EuGH-Urt. v. 15. Januar 1998, Rs. C-44/96 – Mannesmann Anlagenbau Austria AG/ Strohal Rotationsdruck GesmbH, Rn. 24. 152 Zum hoheitlichen Bezug der Dienstleistungsausübung und den Anforderungen an die Beauftragung unten in Teil 3 unter B.III.1.c).
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
partout-Charakter trügen und die Mehrheit ihrer hoheitlich erbrachten Dienstleistungen als nicht kommerziell qualifizierten.153 (6) Würdigung Die auf die Grundsätze des EU-Vergaberechts abstellende Auslegung achtete zwar die Regulierungsautonomie der Mitglieder ebenso wie die Liberalisierungsausrichtung des GATS. Sie scheint damit auch mit den völkergewohnheitsrechtlichen Auslegungsgrundsätzen wie auch dem Recht auf Gesundheit vereinbar. Aber sie birgt auch die Gefahr, die Abgrenzung zum dritten Kriterium des „hoheitlichen Bezugs“ zu verwischen. Denn entscheidender Anknüpfungspunkt für die Nicht-/ Kommerzialität ist nach diesem Ansatz die enge Verknüpfung der Dienstleistung mit der öffentlichen Ordnung und dem institutionellen Funktionieren der Dienstleistung. Der Ansatz, der eine diskriminierungsfreie Staatenpraxis nach passe partoutKriterien ausreichen lässt, begegnet bereits den praktischen Bedenken, ob es tatsächlich derartige Kriterien gibt, die alle Mitglieder anerkennen können. Es besteht die Gefahr, dass die Mitgliedstaaten hier unter Hinweis auf eine diskriminierungsfreie Praxis das Kriterium der „Kommerzialität“ beliebig weit fassen und bis zur Konturlosigkeit ausdehnen. Eine einheitliche Rechtspraxis wird dadurch nicht gefördert. Nach dem rein objektiven Ansatz wäre das Kriterium der „Kommerzialität“ allerdings sehr weit und die Bereichsausnahme insoweit höchst restriktiv gefasst. Allen Dienstleistungen des deutschen Gesundheitswesens, die über Beiträge, Zuzahlungen, Prämien oder sonstige finanzielle Leistungen der Versicherten direkt oder im Dreiecksverhältnis finanziert werden, käme kommerzieller Charakter zu. Dieser objektive Ansatz läuft daher Gefahr, der Bereichsausnahme jede praktische Bedeutung zu nehmen und das völkergewohnheitsrechtliche Effektivitätsprinzip einzuschränken. Denn die Kriterien der Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b) und c) GATS müssen kumulativ vorliegen, damit die Bereichsausnahme einschlägig ist.154 Wird ein Kriterium derart weit ausgelegt, dass es fast immer einschlägig ist, könnte die Bereichsausnahme leerlaufen. Das von Anderen wiederum befürwortete Kriterium eines „inkaufgenommenen finanziellen Risikos“ ist zu eng, denn nicht jedem avisierten oder erwirtschafteten Vorteil muss ein Risikogeschäft zugrunde liegen. Im Gesundheitsbereich stellt sich angesichts der obligatorischen Berufshaftpflichtversicherung des Arztes zudem die grundsätzliche Frage der Praxistauglichkeit dieses Kriteriums. Den Befürwortern des Kriteriums der Gewinnerzielungsabsicht ist zu Gute zu halten, dass die Gewinnerzielung durchaus ein GATS-relevanter Begriff ist. In Art. XXVIII l) GATS wird er im Zusammenhang mit der Definition „juristische 153
So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 96. Vgl. Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 64; Schmidt, S. 93. 154
B. Anwendungsbereich des GATS
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Person“ gebraucht. Demnach ist jede nach geltendem Recht verfasste Organisation unabhängig von ihrer Rechts- bzw. Organisationsform oder einer etwaigen Ausrichtung auf eine Gewinnerzielung als juristische Person i.S. des GATS zu qualifizieren. Der Nachweis der Gewinnerzielungsabsicht wird allerdings im Einzelfall schwierig zu erbringen sein, sofern sie nicht verobjektiviert wurde. Insoweit zeigt sich die besondere Problematik dieses Ansatzes. Da subjektive Ziele ohne eine gewisse Perpetuierung nach außen nur unter erheblichen Schwierigkeiten ermittelbar sind, trüge dieser Ansatz mehr Rechtsunsicherheit in den Tatbestand der Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 Abs. b) und c) GATS hinein, als dass er zur rechtlichen Klärung beitrüge. Im Ergebnis zeigt sich demnach, dass nach Wortlaut und Sachzusammenhang der Ansatz einer verobjektivierten Gewinnerzielungsabsicht angemessen erscheint. Das heißt, dass die Kommerzialität bejaht werden sollte, sobald ein Entgelt verlangt wird, das so konzipiert ist, dass eine Gewinnerzielungsabsicht erkennbar ist. Werden hingegen die Kosten der Dienstleistung nur kostendeckend angesetzt, fehlt es an der Kommerzialität. Demnach werden in dieser Arbeit alle Gesundheitsdienstleistungen, die nur auf Kostendeckungsbasis abgerechnet/finanziert werden, nicht als kommerzielle Dienstleistungen qualifiziert. Grundsätzlich sind demnach die nach privatärztlicher – in der Regel erhöhten Sätzen kalkulierte – Gebührenordnung abgerechneten Gesundheitsdienstleistungen kommerzieller Natur i.S.v. Art. I Abs. 3 c) GATS. bb) Wettbewerb Das zweite Kriterium der Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b), c) GATS zugunsten von „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ ausgeübten Dienstleistungen, setzt voraus, dass die Dienstleistung nicht im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird. Der Begriff „Wettbewerb“ wird ebenfalls nicht im GATS legal definiert. Im deutschen Sprachgebrauch bedeutet Wettbewerb die Konkurrenz der Teilnehmer auf einem Markt um Absatz von Erzeugnissen und Leistungen an Käufer.155 Unproblematisch ist insoweit der Fall, dass zwei Dienstleistungserbringer die gleiche Dienstleistung für dieselbe Gruppe von Konsumenten erbringen. Problematisch wird es, wenn, wie in der Praxis häufig, die Dienstleister nicht exakt die gleiche Dienstleistung erbringen. Es stellt sich dann die Frage, ob die Dienstleister auf demselben sog. „ relevanten Markt“ agieren.156 Grundvoraussetzung ist zunächst, dass überhaupt eine Marktsituation vorliegt, d. h. kein Monopol besteht bzw. keinem Dienstleister ausschließliche Rechte zu155
Duden, Begriff „Wettbewerb“. Krajewski, National Regulation, S. 70; so im Ergebnis auch Fidler/Correa/Aginam, Rn. 98. 156
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
stehen [(1)]. Ist annähernd eine Marktsituation gegeben, wird vielfach entweder auf die Substituierbarkeit einer Dienstleistung aus Verbrauchersicht – entsprechend den Grundsätzen der likeness von Dienstleistungen – und/oder einen Anbieterwettbewerb abgestellt [(2)]. Andere greifen auch hier wieder auf die Grundsätze des EUVergaberechts zurück [(3)] oder stützen sich auf das Konzept des one way-Wettbewerbs [(4)]. Die mittels dieser Ansätze gefundenen Lösungen sind wiederum im Lichte völkergewohnheitsrechtlicher Grundsätze und des Menschenrechts auf Gesundheit zu würdigen [(5)]. (1) Markt(ähnliche) Situation oder Monopol Bei Gesundheitsdienstleistungen, die von Dienstleistern erbracht werden, die zur GKV zugelassen sind und Leistungen nach SGB V erbringen, fehlt es grundsätzlich an einer klassischen Marktsituation. Diese Dienstleister sind infolge des Zulassungsaktes zur GKV-Versorgung Träger ausschließlicher Rechte.157 Im Schrifttum wird z. T. die Ansicht vertreten, dass diese Monopolstellung bzw. Trägerschaft ausschließlicher Rechte ausreiche, um einen Wettbewerb i.S.v. Art. I Abs. 3 c) GATS zu verneinen.158 Bereits dem Begriff nach sei hier ein „Wettbewerb“ ausgeschlossen. Dieser Ansicht nach würden Gesundheitsdienstleistungen der GKV nicht „im Wettbewerb“ erbracht. Diese weite Auslegung der Bereichsausnahme würde Erbringer von GKV-Leistungen vom Anwendungsbereich des GATS vollständig ausschließen. Fraglich ist aber, ob dieser Ansatz vor dem Hintergrund weiterhelfen kann, dass auch in der GKV in den letzten Jahren bewusst Regelungen zur Stärkung des Wettbewerbs zwischen den Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen eingeführt wurden. (2) Substituierbarkeit aus Endverbrauchersicht und Anbieterwettbewerb Erbringen zwei Dienstleister eine ähnliche Dienstleistung, heißt das aber noch nicht, dass sie im Wettbewerb stehen. Entscheidend ist vielmehr, ob sie diese Dienstleistung auch auf demselben „relevanten Markt“ anbieten. So begründet der Umstand, dass gesetzliche und private (Voll-)Versicherungsleistungen in einem System nebeneinander angeboten werden, per se noch keinen Wettbewerb. Denn beide Versicherungszweige können grundsätzlich unterschiedliche Kunden haben, so dass sich die Versicherungsunternehmen keine Kunden wegnehmen. Leistungsempfänger und Inhalt der Leistung spielen eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung, ob die Dienstleister auf dem relevanten Markt tätig sind, nicht aber die Rechtsform der Konkurrenten. Dementsprechend stellt der Wortlaut des Art. I 157
Näher dazu unten in Teil 3 unter C.II.2.a), bb). Gleiches gilt für zugelassene Dienstleister der sozialen Pflegeversicherung nach SGB IX. Für Versicherungsdienstleistungen gilt eine lex specialis – Bereichsausnahme, dazu unten in Teil 3 unter B.III.2. 158 Fidler/Correa/Aginam, Rn. 199.
B. Anwendungsbereich des GATS
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Abs. 3 c) GATS auf die Art und Weise der Dienstleistungserbringung ab, nicht aber auf den Status oder die Rechtsform des Dienstleistungserbringers.159 Zwei Leitfragen wurden bislang aufbauend auf der Panel-Spruchpraxis zur Prüfung des Kriteriums des Wettbewerbsverhältnisses entwickelt: Wird die gleiche oder eine vergleichbare Dienstleistung angeboten? Sind die angebotenen Dienstleistungen im Verhältnis zueinander Substitute oder Ergänzungen?160 Um die erste Frage beantworten zu können wird in Schrifttum und Praxis der Art. I Abs. 3 c) GATS im Zusammenhang mit den Art. II, und XVIII GATS und im Lichte von Art. III Abs. 2 GATT gelesen. Denn ebenso wie Art. I Abs. 3 c) GATS verwenden Art. II und XVIII GATS den Begriff des like service suppliers (gleiche Dienstleister). Demgegenüber stellt Art. III Abs. 2 GATT auf die Begriffe likeness (Gleichartigkeit) sowie competitiveness (Wettbewerbsfähigkeit) ab. Art. III Abs. 2 GATT behandelt die Inländerbehandlung im Steuerbereich und unterscheidet zwischen like products (gleiche Produkte) und directly competitive and substitutable products (direkt im Wettbewerb zueinander stehende und substituierbare Produkte). Die letztere Kategorie ist mithin weiter gefasst als die der sog. like products. Auf das GATS übertragen wird vorgeschlagen, den Begriff des Wettbewerbs in Art. I Abs. 3 c) GATS weit auszulegen im Sinne der Fallgruppe directly competitive and substitutable products.161 Das bedeutet, dass der Wettbewerbsbegriff in Art. I Abs. 3 c) GATS eine gewisse sog. „Substitutionselastizität“ zulässt.162 Wie weit die Elastizität – aus der Sicht des Verbrauchers zu seinem Nutzen geht –, ist nach Ansicht des Panels in dem Streitfall Japan – Alcoholic Baverages II nach den Einzelfallumständen zu entscheiden und variiert von Land zu Land.163 Darüber hinaus betonte der Appellate Body in der Entscheidung Japan-Alcoholic Beverages II, dass die Auslegung des Begriffs der „Gleichartigkeit“ nicht nur von der jeweiligen Vorschrift, in deren Zusammenhang er verwendet wird abhängt, sondern auch entscheidend durch den Zusammenhang und die Umstände geprägt wird, im Rahmen derer die Vorschrift schließlich angewendet wird.164 Entsprechend einem „Akkordeon“ könne der Begriff der „Gleichartigkeit“ in Abhängigkeit der gegebenen Umstände eng oder weit ausgelegt werden.165 Daraus wird im Schrifttum geschlossen, dass der Begriff der „gleichen Dienstleistungen“ in Art. I Abs. 3 c) GATS sowohl identische als auch unmittelbar vergleichbare und substituierbare Dienst-
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Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 195. Falke, S. 56. 161 Krajewski, National Regulation, S. 70 f. 162 Krajewski, National Regulation, S. 71. 163 Japan – Taxes on Alcoholic Beverages II, Bericht des Appellate Body (WT/ DS8, 9, 10, 11/AB/R), angenommen am 4. Oktober 1996 (Japan – Alcoholic Beverages, AB), Rn. 6.22, 6.28. 164 Japan – Alcoholic Beverages, AB, Rn. 19. 165 Japan – Alcoholic Beverages, AB, Rn. 114. 160
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
leistungen bezeichne.166 Das sei der Fall, wenn zwei Dienstleistungen den gleichen Endverbraucher haben. Insoweit ist die Reaktion der Verbraucher auf die verschiedenen am Markt angebotenen Dienstleistungen und Dienstleister entscheidend: Sobald ein höherer Preis einer Dienstleistung den Verbraucher abschreckt, diese Dienstleistung an Stelle einer anderen günstigeren Dienstleistung zu nutzen, ist die Nachfrage nach dieser Dienstleistung nicht elastisch, und beide Dienstleistungen sind nicht gleich bzw. gleichartig.167 Der vergleichende Blick in den Binnenmarkt zeigt, dass die EU-Kommission sich zur Bestimmung der Vergleichspaare im Wettbewerbsrecht des gemeinsamen Marktes, auf das ähnliche sog. „Bedarfsmarktkonzept“ stützt. Entscheidend ist auch hier primär die funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der Marktgegenseite. Der sachlich relevante Markt wird mittels der sog. „Nachfragesubstituierbarkeit“ aus Endverbrauchersicht bestimmt. Er erfasse sämtliche Erzeugnisse, die von den Verbrauchern nicht nur hinsichtlich ihres Preises, sondern auch wegen ihrer Eigenschaften und des vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.168 Dieser über den Preis als Wettbewerbsparameter hinausgehende Ansatz ist für Gesundheitsdienstleistungen besonders wichtig. Denn der i. d. R. administrierte Preis von Gesundheitsdienstleistungen eignet sich grundsätzlich nur sehr eingeschränkt als Wettbewerbsparameter.169 Darüber hinaus wird ebenfalls anknüpfend an Panel-Spruchpraxis170 entweder kumulativ oder alternativ171 auf die Anbieterkonkurrenz aus Anbieterperspektive abgestellt. Die Frage nach der Substituierbarkeit der Dienstleistung bzw. der Anbieterkonkurrenz ist in jedem der sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisse (i.S.v. eigenen Teilmärkten) gesondert zu untersuchen: Verhältnis Kostenträger – Dienstleister [(a)], Verhältnis Dienstleister – Patient [(b)], Verhältnis ambulanter – stationärer Versorgungsbereich [(c)], Anbieter von Wellnessleistungen [(d)]. (a) Wettbewerb um Versorgungsverträge und „GKV-Zulassung“ Leistungsanbieter können zum einen um die Zulassung zur Versorgung im Bereich der GKV konkurrieren. Die Teilnahme der Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen an der Versorgung im Rahmen der GKV setzt grundsätzlich sowohl im 166
Fidler/Correa/Aginam, Rn. 105. Zur Übertragung der Grundsätze zur likeness von Produkten auf den Dienstleistungssektor, näher Fidler/Correa/Aginam, Rn. 100 ff. 168 Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes, Rn. 7. 169 Dazu oben in Teil 2 unter B.I.1.a). 170 Mexico – Measures Affecting Telecommunication Services, Bericht des Panel (WT/ DS204/R), angenommen am 2. April 2004, (Mexico-Telecommunication, Panel), Rn. 7.231 ff. 171 Zuletzt Schmidt, S. 100 ff. 167
B. Anwendungsbereich des GATS
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ambulanten als auch im stationären Bereich eine gesonderte Zulassung voraus. Denn die vertrags(-zahn-)ärztliche Versorgung im Rahmen der GKV erfolgt grundsätzlich durch zugelassene Vertragsärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte mit deutscher Approbation oder entsprechendem EU-Diplom nach §§ 2 Bundesärzteordnung/ ZHG.172 Die Zulassungsentscheidung trifft im ambulanten Bereich der Zulassungsausschuss nach §§ 99 SGB V ff. in Anbetracht einer Vielzahl von Bedarfsgesichtspunkten, sog. „vertragsärztliche Bedarfsplanung“. Im stationären Bereich liegt die Entscheidung grundsätzlich bei den Ländern, deren zuständige Ausschüsse insbesondere über die Aufnahme eines Krankenhauses – unabhängig von dessen öffentlicher, privater oder freigemeinnütziger Trägerschaft – in den Krankenhausplan nach § 108 SGB V beschließen können. Die Bedarfsplanung soll den Wettbewerb um Patienten insofern regulieren, als den zugelassenen Leistungserbringern mit den ihnen innerhalb der jeweils zugewiesenen Zulassungsbezirke bzw. regionalen Krankenhausplans zugewiesenen Patientenzahlen ein mindestens existenzsicherndes Einkommen ermöglicht wird. Zum anderen können die Leistungsanbieter untereinander um den Abschluss von Versorgungsverträgen mit den Krankenkassen konkurrieren. Zugelassene Leistungsanbieter – im ambulanten Bereich die Kassen/-zahnärztlichen Vereinigungen – schließen in der Regel kollektive Verträge mit den Krankenkassen über den Einkauf von Gesundheitsdienstleistungen. Ein Wettbewerb um Versorgungsverträge mit Kostenträgern kommt dann insoweit in Betracht, als der Gesetzgeber neben Kollektivverträgen auch die Möglichkeit von selektiven Vertragsabschlüssen zwischen Leistungsanbietern und Krankenkassen – z. B. speziell im Hausarztbereich – ermöglicht. Nach § 73 b SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, eine hausarztzentrierte Versorgung über einen Wahltarif nach § 53 Abs. 3 SGB V anzubieten und seine Anwendung durch Einzelverträge mit qualifizierten Hausärzten sicherzustellen. Der Sicherstellungsauftrag der hausärztlichen Versorgung geht dementsprechend von den KVen auf die Krankenkassen über, die die „Marktstrukturverantwortung“ trifft, dass Leistungen und Einrichtungen des Sozialrechts bedürfnisgerecht funktionieren.173 Diese Gewährleistungsverantwortung ist es, die dazu führt, dass trotz des Wettbewerbs der Leistungsanbieter um entsprechende Vertragsabschlüsse mit den Krankenkassen aber kein „normaler Markt“ entsteht. Denn zu diesem „gehört typischerweise die Freiheit, vom Erwerb einer Ware überhaupt oder jedenfalls für eine gewisse Zeit abzusehen, weil die Qualität unbefriedigend oder der Preis zu hoch ist.“174 Demgegenüber aber verpflichtet der Sicherstellungsauftrag die Krankenkassen gerade über das Leistungsrecht zum Einkauf und ggf. Vorhaltung von Kapazitäten. Insoweit dürfte ein „Wettbewerb“ i.S. des GATS hier ausscheiden. 172
Zur neuen Rechtslage durch das Anerkennungsgesetz, mit dem das Staatsangehörigkeitserfordernis für approbierte Berufe entfällt, siehe oben in Teil 2 unter C.II.2. 173 Zum Übergang des Sicherstellungsauftrags auf die Krankenkassen, siehe Neumann, S. 562. 174 Siehe Neumann, S. 564.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Schließlich können Krankenhäuser um die Aufnahme in den jeweiligen regionalen Krankenhausplan und ggf. dann um die Investitionskostenförderung ihres jeweiligen Landes konkurrieren (zweite Säule der dualen Krankenhausfinanzierung).175 (b) Wettbewerb der Leistungsanbieter um Patienten In der GKV ist trotz der oben dargestellten Bedarfsplanung ein gewisser Wettbewerb der Angehörigen der Gesundheitsberufe um Patienten festzustellen. Denn die Patienten haben in der ambulanten Versorgung grundsätzlich freie Arztwahl gem. § 76 SGB V. Allerdings sind zur Vermeidung unkoordinierter Mehrfachinanspruchnahme bestimmte Beschränkungen eingeführt worden (Hausarztmodell, Praxisgebühr etc.). Aus Nachfrager- bzw. Anbietersicht ist diese Wahl zudem dadurch eingeschränkt, dass GKV-Versicherte sich nur durch Vertragsärzte bzw. zugelassene Krankenhäuser behandeln lassen können – wollen sie nicht die Kosten selber tragen. Insgesamt betrachtet, beeinträchtigen diese Einschränkungen aber das Arztwahlrecht nicht im Kern.176 In der stationären Versorgung besteht grundsätzlich – bis auf Notfälle – eine sog. „Einweisungspflicht“. Von dieser kann unter Inkaufnahme finanzieller Belastungen für den Patienten abgewichen werden. In der ärztlichen Verordnung der Krankenhausbehandlung sind in geeigneten Fällen vom Arzt zwei nächsterreichbare Krankenhäuser anzugeben (§ 73 Abs. 4, S. 3 SGB V). Sofern der Versicherte ohne zwingenden Grund trotzdem ein anderes Krankenhaus aufsuchen sollte, können ihm die evt. Mehrkosten der Behandlung, die das gewählte gegenüber dem zugewiesenen Krankenhaus berechnete, auferlegt werden (§ 39 SGB V). (c) Wettbewerb zwischen den Versorgungsbereichen „ambulant“ und „stationär“ Sektorübergreifende ambulant-stationäre Wettbewerbsverhältnisse – wiederum jeweils zwischen privaten und sozialversicherungsrechtlichen Anbietern – können bestehen zwischen: Vertragsärzten und den von Krankenhäusern betriebenen MVZ, bei vor- und nachstationären Behandlungen im Krankenhaus, bei ambulanten Operationen und (hochspezialisierten) Behandlungen im Krankenhaus, als auch bei Hochschulambulanzen, Psychiatrischen Institutsambulanzen, Sozialpädiatrischen Zentren und selektiven Versorgungsverträgen.177 Letztere unterfallen allerdings – wie noch zu zeigen sein wird – der partiellen Bereichsausnahme für Dienstleistungen des öffentlichen Beschaffungswesens nach Art. XIII GATS.178
175
Siehe auch Krajewski, National Regulation, S. 183 und oben in Teil 2 unter C.II.1.b). Näher dazu Auktor, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPK-SGB V, § 76, Rn. 4 ff. 177 Zu den zentralen Akteuren im deutschen Gesundheitssystem siehe oben in Teil 2 unter C.II.1.d). 178 Näher dazu unten in Teil 3 unter B.III.3. 176
B. Anwendungsbereich des GATS
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Verstärkt genutzt werden beispielsweise die in den 1990er Jahren eingeführten Möglichkeiten ambulanten Operierens sowie prästationärer und poststationärer Leistungen, sowie die seit 2000 ermöglichte Teilnahme an integrierten Versorgungsmodellen179 und die seit 2002 geschaffenen disease management programmes (DMPs) als auch die seit 2004 vorgesehene ambulante Versorgung für bestimmte Personengruppen mit hochspezialisiertem Behandlungsbedarf (§§ 115 ff. SGB V). Bei den integrierten Versorgungsverträgen und anderen selektiven Vertragsformen, konkurrieren vertragsärztliche Anbieter um Versorgungsverträge mit den Krankenkassen. Die Krankenkassen haben insoweit den Versorgungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen durch den Gesetzgeber übertragen erhalten.180 Die sog. Integrierte Versorgung stellt insoweit einen neuen Sektor dar. Hier kann beispielsweise ein Krankenhaus ambulante Leistungen erbringen, wenn ein gemeinsamer Vertrag mit den an dem Versorgungsmodell beteiligten Vertragsärzten geschlossen wurde.181 Das Krankenhaus kann insoweit in Konkurrenz zum Leistungsangebot niedergelassener Ärzte treten. Ein derartiges sektorübergreifendes Wettbewerbsverhältnis ist überall dort möglich, wo niedergelassene Ärzte und stationäre Einrichtungen die gleichen Leistungen erbringen können. Angesichts der doppelten Facharztschiene ist diese „Wettbewerbsgefahr“ in Deutschland besonders hoch ausgeprägt. Die potentiellen sektorübergreifenden Wettbewerbsverhältnisse lassen sich daher wie folgt zusammenfassen: – Wettbewerb zwischen einem MVZ § 95 SGB V, dessen Träger ein Krankenhaus ist gegenüber niedergelassenen Ärzten desselben Fachbereichs182 ; – Wettbewerb von vor- und nachstationären Behandlungen gem. § 115a SGB V gegenüber einem evtl. vergleichbaren Leistungsangebot niedergelassener Ärzte; – Wettbewerb von ambulanten Operationen im Krankenhaus nach § 115b SGB V, die ebenfalls im Rahmen einer Praxis eines niedergelassenen Arztes erbracht werden könnten; – Wettbewerb von ambulanten Behandlungen durch spezialisierte Krankenhausärzte gem. § 116 SGB bzw. seltener Erkrankungen gem. § 116 b SGB V; – Wettbewerb des Leistungsangebots von Hochschulambulanzen gem. § 117 SGB V, psychiatrischen Institutsambulanzen gem. § 118 SGB V, sozialpädiatri179
Seit 2004 müssen Integrierte Versorgungsmodelle nicht mehr sektorübergreifend sein, aber zumindest aus verschiedenen Kategorien von Leistungserbringern innerhalb eines Sektors bestehen (z. B.: Ärzte und ambulante Pflegedienste), Busse/Riesberg, S. 130. 180 Näher zum „Einkaufsmodell“ Neumann, S. 561. 181 Kuhlmann, S. 16. 182 Diese Konstellation lag dem Beihilfenbeschwerdeverfahren dem Verband niedergelassener Ärzte MEDI Deutschland zugrunde, Pressemitteilung MEDI Deutschland vom 22. November 2007, abrufbar unter www.medi-med-union.de/pdf/EV-2007-22-20071122-EUEingabe.pdf., Stand: Oktober 2012.
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schen Zentren gem. § 119 SGB V mit ggf. vergleichbaren stationären Versorgungsangeboten; – Wettbewerb bei sog. Integrierten Versorgungsverträgen gem. § 140d SGB V mit nicht zu diesen Verträgen zugelassenen Anbietern, die vergleichbare Leistungen bieten.183 (d) Wettbewerb im Bereich von Wellness- und Schönheitsleistungen Ein in der Regel unbeschränkter ambulanter und stationärer Versorgungswettbewerb findet um Privatpatienten statt. Sonstige – nicht medizinische – Gesundheitsdienstleistungen (Sektor 12 SSC-Liste), d. h. Wellness- und Schönheitsleistungen, die von gewerberechtlich zugelassenen Anbietern erbracht werden, werden grundsätzlich privatfinanziert. Die Angebote sind hier aus Endverbrauchersicht in der Regel substituierbar. Ein Anbieterwettbewerb findet statt. Ein Wettbewerbsverhältnis i.S.d. GATS ist hier unproblematisch gegeben. (e) Zwischenergebnis Nach den Grundsätzen der likeness von Dienstleistungen werden sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung Gesundheitsdienstleistungen im Wettbewerb erbracht. Abgesehen von dem Wettbewerb privatliquidierender Angehöriger der Gesundheitsberufe um Privatpatienten und im Bereich von nichtmedizinischen Wellnessleistungen, findet auch ein – durch die Bedarfsplanung allerdings bis zu einem gewissen Grad eingeschränkter – Wettbewerb der Leistungsanbieter der GKV um Patienten statt. Daneben sind eine Reihe weiterer konkurrierender Versorgungsbereiche festzustellen, insbesondere im Rahmen der in den letzten Jahren vom Gesetzgeber immer stärker geförderten Formen ambulanter Behandlungsmöglichkeiten in Krankenhäusern. Schließlich tritt daneben der im stationären Bereich gegebene trägerneutrale Wettbewerb um die Aufnahme in den jeweiligen Landeskrankenhausplan und entsprechende Investitionskostenförderung. (3) Rückgriff auf die Grundsätze des EU-Vergaberechts Die Überlegung, auf die Richtlinien des Vergaberechts bei der Kommerzialität des Dienstleistungszwecks zurückzugreifen, wird teilweise im Schrifttum auch bei dem Kriterium des „Wettbewerbs“ in Ansatz gebracht. Das EU-Vergaberecht ist nur auf Einrichtungen des öffentlichen Rechts anwendbar, die den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art dienen. Das sind solche, die eng mit der öffentlichen Ordnung und dem institutio183 Der Fall des § 116a SGB V dürfte nicht dazu zählen, da es um ambulante Behandlungen durch Krankenhäuser gerade bei einer Unterversorgung mit vertragsärztlichen Angeboten geht.
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nellen Funktionieren des Staates verknüpft sind. Wettbewerb an sich reicht nach Ansicht des EuGH nicht aus, um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art von vornherein zu verneinen, soweit andere als wirtschaftliche Erwägungen die Dienstleistungserbringung bestimmen.184 Hier zeigt sich der Unterschied zum GATS: Nach dem Wortlaut des Art. I Abs. 3 c) GATS ist bereits das Vorliegen eines irgendwie gearteten Wettbewerbsverhältnisses ausreichend, um auszuschließen, dass eine „in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistung“ vorliegt. Im Schrifttum wird angenommen, dass das Wettbewerbsverhältnis auch nicht dann anders zu bewerten sei, wenn im Einzelfall der Wettbewerber eine Dienstleistung zu anderen als wirtschaftlichen Zielen erbringt.185 Die Dienstleistung behalte ihren Wettbewerbscharakter. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. I Abs. 3 c) GATS ist dem Ansatz insoweit zuzustimmen. Es kommt allein auf die Art der Erbringung der Dienstleistung an und nicht auf eventuelle mit der Dienstleistungserbringung verfolgte nicht-/wirtschaftliche Ziele. Im Ergebnis führt dieser Ansatz damit zu keiner anderen Bewertung der Wettbewerbsverhältnisse im deutschen Gesundheitssystem als nach den vom Appellate Body im GATT entwickelten Grundsätzen der like products. (4) Konzept des one way-Wettbewerbs Teilweise wird auf das Konzept des one way-Wettbewerbs rekurriert, das das Panel in der Entscheidung Mexico-Telecommunications entwickelte.186 Nach diesem Ansatz treten private Anbieter immer dann in Wettbewerb mit öffentlichen Anbietern, wenn private Anbieter um Versicherte werben. Sofern die öffentlichen Anbieter aber nicht auf diesen Wettbewerb reagieren, sei ein Wettbewerbsverhältnis abzulehnen und sie behielten ihren Status hoheitlicher Gewaltausübung. Koexistenz dürfe nicht verwechselt werden mit Wettbewerb ieS von Art. I Abs. c) GATS. (5) Würdigung Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass auch GKV-Behandlungen dem Anwendungsbereich des GATS unterfallen können sollen. Die demgegenüber bisher verbreitete Annahme einer grundsätzlich umfassenden Ausnahme für alle GKVLeistungen geht allerdings an den rechtlichen Vorgaben des WTO-Rechts als auch des bisherigen Verhandlungsverhaltens der EU-Mitgliedstaaten vorbei. Ihre Stellungnahmen im Rahmen der Verhandlungsausschüsse als auch die Eintragung eines public utilities-Vorbehalts sind grundsätzlich Zeugnis einer restriktiven Auslegung 184
EuGH-Urt. v. 10. November 1998, Rs. C-360/96, Rn. 43 ff. So Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 503. 186 van Duzer, in: Curtis/Ciuriak (Hrsg.), Trade Policy Research 2004, S. 395; ebenso Adlung, Trade in Healthcare, S. 229 f. 185
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
der Bereichsausnahme – und damit extensiven Fassung des Wettbewerbskriteriums. Sollten diese WTO-Mitglieder nun konträr zu ihrem positivierten Willen eine generell weite Auslegung der Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b), c) GATS fordern, käme dies einem venire contra factum proprium gleich. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Rückschlüsse, die aus diesem Vorbehalt für die Auslegung der Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b), c) GATS gezogen werden können, letztlich auf die Sicht der EU-Mitgliedstaaten beschränkt bleiben. Denn der von den EU-Mitgliedstaaten in ihre Verpflichtungsliste eingetragene Vorbehalt kann keine für alle WTO-Mitglieder geltende Auslegung der Bereichsausnahme von Art. I Abs. 3 b), c) GATS begründen. Den Eintragungen der WTO-Mitglieder in ihre Verpflichtungslisten kommt nur ein Aussagegehalt in Bezug auf Marktzugang und Inländerbehandlung des jeweiligen nationalen Marktes des eintragenden WTO-Mitglieds zu. Eine restriktive Auslegung des Wettbewerbskriteriums und damit eine weite Bereichsausnahme kann schließlich – anders als bei dem Kriterium der „Kommerzialität“ – auch nicht mit dem Grundsatz in dubio pro mitius begründet werden. Denn anders als bei der Kommerzialität gibt es beim Wettbewerbskriterium die oben genannten handfesten Grundsätze – in Gestalt der like products-Regeln –, die zur Auslegung des GATT entwickelt wurden, entsprechend auch im GATS heranzuziehen sind und zu eindeutigen Ergebnissen führen. Spielraum für eine Zweifelsauslegung ist insoweit nicht gegeben. Auch nach dem effet utile-Grundsatz ist hier eine weite Auslegung des Wettbewerbskriteriums und enge Fassung der Bereichsausnahme notwendig, um die Ziele des GATS zu verwirklichen. Das Recht auf Gesundheit steht einer differenzierenden, weiten Auslegung des Wettbewerbskriteriums und entsprechend eng gefassten Bereichsausnahme nicht entgegen. Der Umstand, dass die genannten Gesundheitsdienstleistungen dem Anwendungsbereich des GATS unterfallen bedeutet noch nicht, dass hier umfassend die Märkte zu öffnen sind und sich die WTO-Mitglieder ihrer Regulierungskompetenz beraubt und in der Erfüllung ihrer menschenrechtlichen Verpflichtungen eingeschränkt sehen müssen. Denn über die konkrete Marktöffnung eines Dienstleistungssektors bzw. einer Unter- und Kleingruppe entscheidet das Mitglied autonom durch die Ausgestaltung der Eintragungen in seine Verpflichtungsliste. cc) Hoheitlicher Bezug der Dienstleistungserbringung Um in den Anwendungsbereich der Bereichsausnahme zu fallen, muss eine Maßnahme zusätzlich zur fehlenden Kommerzialität und dem fehlenden Wettbewerb auch einen hoheitlichen Bezug aufweisen. Hoheitliche Gewalt üben zunächst einmal alle staatlichen und staatsähnlichen Stellen i.S.v. Art. I Abs. 2 a) i) ii) GATS aus. Wie der hoheitliche Bezug darüber
B. Anwendungsbereich des GATS
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hinaus ausgestaltet sein muss, ist ungeklärt.187 Ein Rückgriff auf die Legaldefinition hoheitlicher Gewaltausübung in Ziff. 1 b) der Anlage zu Finanzdienstleistungen verbietet sich, da diese Definition lex specialis für Finanzdienstleistungen ist und sich daher nicht für die Auslegung der horizontalen – sektorübergreifenden – Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b), c) GATS eignet.188 Ein einheitliches Begriffsverständnis der hoheitlichen Gewaltausübung gibt es weder unter EU – geschweige denn unter den WTO-Mitgliedern. Bereits in den durch den Binnenmarkt noch relativ einheitlich geprägten Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten ist der Begriffsinhalt hoheitlicher Dienstleistungen stark unterschiedlich national geprägt. Dies zeigt die Diskussion um die Reichweite des Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) und die damit bereits oben im Rahmen der allgemeinen Diskussion um GATS und Daseinsvorsorge vorgestellte Frage, ob die EU-Staaten unter Verweis auf Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) die Rechte von WTO-Drittstaaten einschränken könnten.189 Nach Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) sollen Tätigkeiten in Ausübung öffentlicher Gewalt von der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ausgenommen werden. Zunächst ist festzustellen, dass Art. I Abs. 3 b) GATS ihm nachempfunden worden ist.190 Allerdings enthält Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) anders als Art. 1 Abs. 3 b) und c) GATS keine Legaldefinition des Begriffs der öffentlichen Gewalt – und bietet dem EuGH daher mehr Freiheit, Erwägungen des Allgemeininteresses einzubringen.191 Hingegen werden WTO-Panel und Appellate Body bei der Auslegung des Begriffs der „hoheitlichen Gewalt“ in Art. 1 Abs. 3 b) GATS an die Legaldefinition in Art. 1 Abs. 3 c) GATS und die Bedeutung der dort genannten Begriffe „Kommerzialität“ und „Wettbewerb“ in Art. 1 Abs. 3 c) GATS in Verbindung mit dem Begriff „kommerzielle Präsenz“ in Art. 1 Abs. 2 c) GATS eng gebunden.192 Die umfassende Judikatur des EuGH zu Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) zeigt allerdings auch die Schwierigkeit, mangels Legaldefinition eine allgemeinverträgliche Auslegung für alle EU-Mitgliedstaaten finden zu müssen.193 Ausnahmeregelungen müssten sich auf Tätigkeiten beschränken, denen per se eine unmittelbare und 187 Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 60 ff. 188 Dazu näher auch unten in Teil 3 unter B.III.1.c), bb), (5) sowie Teil 3 unter B.III.2. Anders Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 68. 189 Siehe Teil 3 unter B.III.1.a). 190 „The original proposal to make it clear that governmental services were not covered [in the Uruguay Round GATS] came from the EU and it was not controversial.“, so Hartridge, WTO Secretariat, S. 2; Krajewski, Trade Liberalization, S. 341 (363). 191 Wiegemann, S. 101. 192 Krajewski, Trade Liberalization, S. 341 (366). 193 EuGH Urt. v. 31. Mai 2001, Rs. C-283/99 – Kommission/Italien, Rn. 20 unter Bezugnahme auf Urt. v. 29. Oktober 1998, Rs. C-114/97 – Kommission/Spanien, Rn. 35, 39; eingehend zu Art. 45 EG Bröhmer, in: Calliess/Ruffert (Hrsg.), EUV/EGV, Art. 45, Rn. 2 ff.
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spezifische Teilnahme an öffentlicher Gewaltausübung inhärent sei. Das EU-Begriffsverständnis fällt mithin sehr eng aus, da praktisch nur Befugnisausübung im staatlichen Über-Unterordnungsverhältnis erfasst wird. Der WTO-Ansatz muss allerdings weiter sein, da er im Zusammenhang mit den anderen zwei Kriterien „Kommerzialität“ und „Wettbewerb“ zu lesen ist, die Art. 51 AEUV (ex-Art. 45 EG) nicht kennt.194 Hoheitliche Gewalt wird demnach immer dann ausgeübt, wenn ein hinreichend enger Bezug der Tätigkeit zur öffentlichen Hand besteht. Es bedarf eines positiven Anerkennungsaktes seitens der öffentlichen Hand in Form eines expliziten oder impliziten hoheitlichen Auftrags an den Privaten, um den hoheitlichen Bezug herzustellen.195 Es fragt sich, welche Anforderungen an diesen Akt im Einzelnen zu stellen sind. Das ist z. B. entscheidend für gemeinnützige Dienstleister, die – typischerweise ohne staatliche Beauftragung –, tätig werden im Allgemeininteresse nach § 52 AO und dafür steuerlich privilegiert werden. Soll bereits eine steuerliche Privilegierung reichen? Dann übte allerdings jeder gemeinnützige Verein eine Tätigkeit mit hoheitlichem Bezug aus. Das Ergebnis erscheint fraglich. Ein gemeinnütziger Verein, der sich beispielsweise der Altenpflege widmet, übt grundsätzlich nur eine Tätigkeit mit Gemeinwohlbezug aus. Hoheitlicher Bezug tritt erst hinzu, wenn der Verein z. B. Vertragspartner der gesetzlichen Pflegekassen wird, d. h. von diesen durch Vertrag zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen wurde gem. §§ 72 f. SGB XI und nun die Pflegeleistungen des Bedürftigen gegenüber den gesetzlichen Pflegekassen abrechnen kann. Dementsprechend übt ein Verein, der nicht Vertragspartner der gesetzlichen Pflegekassen ist, keine Dienstleistung mit hoheitlichem Bezug aus und unterfiele – sofern die anderen Kriterien „Kommerzialität“ und „Wettbewerb“ erfüllt wären – dem Anwendungsbereich des GATS. Bei einem Vertragsarzt oder einem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhausträger könnte man zwar auch über den Zulassungsakt eine entsprechende hoheitliche Betrauung mit der Gemeinwohlaufgabe, solidarisch in der GKV Versicherte zu versorgen, konstruieren. Sobald allerdings die Leistungserbringung kommerziell bzw. im Wettbewerb erfolgt, fallen diese Gesundheitsdienstleistungen grundsätzlich in den Anwendungsbereich des GATS. dd) Sonstige Anhaltspunkte für die Auslegung der Bereichsausnahme Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung der Bereichsausnahme der Art. I Abs. 3 b) und c) GATS könnten zum einen die Anlage zu Finanzdienstleistungen [(1)], zum anderen die von einigen WTO-Mitgliedern in ihren Verpflichtungslisten ausdrück194
Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. I GATS, Rn. 63. 195 Es ergeben sich insoweit Parallelen zur Abgrenzung der „Maßnahme eines Mitglieds“ i.S.v. Art. 1 Abs. 1 GATS von rein privatrechtlichen Handlungen.
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lich eingetragenen Bereichsausnahmen zugunsten öffentlicher Dienstleistungen [(2)] sowie schließlich das Referenzpapier zu Basistelekommunikationsdienstleistungen [(3)] bieten. (1) Die Anlage zu Finanzdienstleistungen Ziff. 1 b) der Anlage zu Finanzdienstleistungen erwähnt zwar im Zusammenhang mit sozialen Sicherheitssystemen ebenfalls Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Allerdings handelt es sich hier um eine den Besonderheiten des Finanzdienstleistungssektors angepasste und daher grundsätzlich nur begrenzt auf andere Sektoren – geschweige denn auf die horizontale für alle Dienstleistungssektoren geltende Bereichsausnahme des Art. 1 Abs. 3 b) – übertragbare bzw. verallgemeinerbare Definition.196 Im Übrigen definiert auch sie ebenfalls nicht den Begriff Wettbewerb.197 Entscheidende Anhaltspunkte für die Auslegung der horizontalen Bereichsausnahme des GATS lassen sich der Anlage für Finanzdienstleistungen daher grundsätzlich nicht entnehmen. (2) Daseinsvorbehalte in Verpflichtungslisten verschiedener WTO-Mitglieder Im Schrifttum wird darüber hinaus zur Auslegung der Bereichsausnahme in Art. I Abs. 3 b), c) GATS teilweise sowohl auf den in die EU-Verpflichtungsliste aufgenommenen, horizontalen Vorbehalt zugunsten von Daseinsvorsorgedienstleistungen, sog. public utilities-Vorbehalt, als auch sektorspezifische entsprechende Bereichsausnahmen in den Länderlisten – beispielsweise von Mexiko, Malaysia und den EUMitgliedstaaten Polen, Lettland und Slowenien – zurückgegriffen.198 Die Verpflichtungslisten hätten zwar nur Aussagekraft für den Marktöffnungswillen des jeweiligen WTO-Mitglieds und nicht den Auslegungsansatz der Gesamtheit der WTO-Mitglieder. Nichtsdestotrotz könne aus dem Umstand, dass die Staaten es für notwendig hielten, die horizontalen Bereichsausnahmen ausdrücklich zu kodifizieren, geschlossen werden, dass sie grundsätzlich den Anwendungsbereich des GATS weit und die Bereichsausnahme nach Art. I Abs. 3 b), c) GATS restriktiv auslegen.199 Teilweise wird im Schrifttum den in die Verpflichtungslisten eingetragenen sektorspezifischen Ausnahmen jegliche Aussagekraft abgesprochen mit dem Hin-
196
So Falke, S. 66; im Ergebnis ebenso Krajewski, National Regulation, S. 72 f. Näher Adlung, Trade in Healthcare, S. 230; Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 196; näher zur Anlage zu Finanzdienstleistungen und der Bedeutung dieser sektoralen Bereichsausnahme für Krankenversicherungsdienstleistungen in Teil 3 unter B.III.2. 198 Krajweski, National Regulation, S. 72. 199 Krajewski, National Regulation, S. 72. 197
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weis, dass ihre Eintragung systemwidrig sei.200 Wenn Mitglieder bestimmte Dienstleistungen der öffentlichen Hand vorbehalten wollten, müssten sie diese Ausnahmen als Marktzugangsbeschränkung i.S.v. Art. XVI GATS in die zweite Säule der Verpflichtungslisten eintragen. Da das GATS der Rechtsnatur der Dienstleistung neutral gegenüber steht, könne der Gesundheitssektor eben gerade nicht generell in einen öffentlichen und einen privaten Teil unterteilt werden. Die Systematik des GATS knüpfe allein an den Umstand an, ob ein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Dienstleistern bzw. Dienstleistungen besteht und ob diese Dienstleistungen zu kommerziellen Zwecken erbracht werden. Die einzige Aussage, die der Eintragung mithin entnommen werden könne, sei die, dass die spezifischen Verpflichtungen die eingetragenen Dienstleistungen nicht in dem Umfang abdeckten, als sie von der öffentlichen Hand erbracht werden. Folge dieses Ansatzes sei es, dass der Anwendungsbereich der spezifischen Verpflichtungen dann von dem Umfang der von der öffentlichen Hand erbrachten Dienstleistungen abhänge. Die Mitgliedstaaten hätten es in der Hand, die Reichweite der spezifischen Verpflichtungslisten nach Belieben jederzeit zu verändern. Die strengen Bedingungen des offiziellen Änderungsverfahrens nach Art. XXI GATS wären leicht zu umgehen. Sollte ein Mitglied sich die Erbringung bestimmter Dienstleistungen gänzlich vorbehalten wollen, so sollte es daher überhaupt keine Eintragung zu dieser Dienstleistung machen.201 Unter systematischen Gesichtspunkten handele es sich bei dem public utilitiesVorbehalt nicht um eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des GATS, sondern nur um einen eingeschränkten Marktöffnungsvorbehalt für Dienstleistungen des Modus 3, die von Monopolisten oder Dritten mit ähnlichen Rechten erbracht werden.202 Rückschlüsse auf die Reichweite der Bereichsausnahme lassen sich damit eigentlich nicht ziehen. Einzig kann festgehalten werden, dass die Mitgliedstaaten, die einen public utilities-Vorbehalt in ihre Verpflichtungslisten für notwendig hielten und eingetragen haben, die Bereichsausnahme in Art. I Abs. 3 b), c) GATS zugunsten hoheitlich erbrachter Dienstleistungen eng auslegen müssen. Denn sie sahen sich genötigt, einen gesonderten Vorbehalt gegenüber den Marktöffnungsverpflichtungen des Art. XVI ff. GATS für öffentliche Dienstleistungen in ihren Länderlisten niederzulegen. Dementsprechend nehmen sie an, dass das GATS diese Dienstleistungen grundsätzlich umfasst. Mit der Eintragung des public utilities-Vorbehalts in dem horizontalen Teil ihrer Liste, haben sie insoweit ihre Daseinsvorsorgedienstleistungen zumindest von den Verpflichtungen des Teils III des GATS freigestellt. Demnach kann die Reichweite der Bereichsausnahme in Art. I Abs. 3 b), c) GATS nicht umfassend sein und für sämtliche Daseinsvorsorgeleistungen gelten.
200 201 202
Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 200. Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 201. Krajewski, Bilateral free trade agreements, S. 34.
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(3) Referenzpapier zu Regulierungsprinzipien im Bereich der Basistelekommunikationsdienste Schließlich wird das Referenzpapier zu Regulierungsprinzipien im Bereich der Basistelekommunikationsdienste für die Auslegung der Bereichsausnahme herangezogen, sog. Reference Paper on Regulatory Principles.203 In dem Referenzpapier werden allerdings nur Prinzipien und Definitionen für Basistelekommunikationsdienstleistungen niedergelegt, die von einer großen Zahl von Mitgliedern als zusätzliche Verpflichtungen i.S.v. Art. XVII GATS in ihre nationalen Verpflichtungslisten eingetragen worden sind. In dem Papier wird allein der ordnungspolitische Rahmen mit Regeln beispielsweise zum Schutz des Wettbewerbs, zu Universaldienstleistungen und zur öffentlichen Zugänglichkeit von Lizenzierungskriterien festgeschrieben. Es wird aber nicht der Begriff des „Wettbewerbs“ der Dienstleistungen im Hinblick auf eventuell mit ihrer Erbringung verbundene Ausübung hoheitlicher Gewalt präzisiert.204 (4) Zwischenergebnis Anhaltspunkte für die Auslegung der horizontalen Bereichsausnahme des GATS lassen sich grundsätzlich nicht bzw. nur stark eingeschränkt aus den Länderlisten bzw. sektorspezifischen Anhängen des GATS gewinnen. ee) Beweislastverteilung unter Art. I Abs. 3 b), c) GATS Die Reichweite der Bereichsausnahmevorschrift des Art. I Abs. 3 b), c) GATS hängt nicht nur von der Auslegung ihrer Tatbestandsmerkmale ab, sondern wird in der Praxis auch entscheidend von der Frage geprägt, wer in einem eventuellen Streitbeilegungsverfahren zu beweisen hätte, dass das GATS Anwendung findet (und seine Handelsinteressen durch die streitige Maßnahme beeinträchtigt sind) bzw. ob die Bereichsausnahme greift. Insoweit ist auf die Beweislastregelungen des DSU zurückzugreifen. Im DSU gibt es zwei Grundbeweislastregeln: Jede Partei hat ihre Behauptung einer Rechtsverletzung durch eine andere Partei zu belegen.205 Hintergrund dieser ersten Regel ist die durch die Souveränität der WTO-Mitglieder begründete Annahme, dass alle Mitglieder sich grundsätzlich rechtmäßig verhalten.206 Der vortragende Kläger hat prima facie den Beweis für die Rechtsverletzung durch den Beklagten zu erbringen.207 Die
203 204 205 206 207
Näher dazu unten Teil 3 eingangs. Krajewski, National Regulation, S. 73. Siehe beispielsweise die Entscheidung EC-Bananas III, AB, Rn. 37 f. Näher Weiß, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 4, Rn. 290. EC-Bananas III, AB, Rn. 38, 60.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
zweite Regel lautet, dass die Partei, die sich auf eine Ausnahme beruft, das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen zu beweisen hat.208 Nach dieser Regel hätte das WTO-Mitglied, das geltend machen möchte, dass eine bestimmte Gesundheitsdienstleistung nicht an dem GATS zu messen ist, zu belegen, dass die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind.209 Wäre Art. I Abs. 3 b), c) GATS als eine Bereichsausnahme anzusehen, hätte Deutschland demnach, in einem Streitbeilegungsfall um den Zugang zum deutschen Gesundheitsmarkt, zu beweisen, dass die jeweilige Gesundheitsdienstleistung „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ i.S. von Art. I Abs. 3 b) GATS erbracht und damit nicht vom GATS erfasst wird. Die Pflicht (Beweislast) zu rechtfertigen, dass eine Handlung trotz anders lautender GATS-Vorschriften zulässig ist, wurde in verschiedenen Panel- und Appellate Body-Entscheidungen allerdings nur den WTO-Mitgliedern auferlegt, die wegen eines Verstoßes gegen WTO-Vorschriften verurteilt wurden. In diesen Fällen ging es nicht mehr um die Frage, „ob“ das jeweilige WTO-Regime überhaupt Anwendung findet, sondern nur noch „wie“ – und zwar, ob von bestimmten Vorschriften abgewichen werden kann unter bestimmten Umständen. Bei der Auslegung von Art. I Abs. 3 b), c) GATS geht es hingegen nicht um die Frage, ob gegen GATS-Recht verstoßen wurde und dieser Verstoß gerechtfertigt werden kann – beispielsweise aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Gesundheit oder Sicherheit gem. Art. XIV GATS.210 Entscheidend ist hier vielmehr, ob das GATS-Regime überhaupt Anwendung findet auf die streitige Dienstleistung. Das heißt, Art. I Abs. 3 b), c) GATS betrifft die vorgelagerte Frage nach der Reichweite des Anwendungsbereichs des GATS und ist damit kein Rechtfertigungstatbestand.211 Für die Qualifikation des Art. I Abs. 3 b), c) GATS als Bereichsausnahme und nicht als Rechtfertigungstatbestand spricht auch, dass die Ausübung hoheitlicher Gewalt in Art. XIV GATS nicht als Tatbestand aufgeführt ist. Die Aufzählung der
208 EC-Trade Description of Sardines, Bericht des Appellate Body (WT/DS231/AB/R), angenommen am 23. Oktober 2002 (EC-Sardines, AB), Rn. 275 ff.; auch im Verfahren USGambling bestätigte der Appellate Body in Rn. 289, dass es den USA oblag zu beweisen, dass die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung ihrer Handelsbeschränkung gem. Art. XIV lit. a) GATS vorlag; siehe auch Weiß, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 4, Rn. 290; zur Beweislastverteilung bei der Durchsetzung von DSB-Entscheidungen, siehe ders., a.a.O., Rn. 316, 322. 209 Zur Beweislastverteilung bei Ausnahmebestimmungen im Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen, ABl. 1994 L 336/40, siehe die Entscheidung Hormones, AB, Rn. 98, 104, 109; siehe entsprechend das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, ABl. 1994 L 336/156. 210 Zur engen Auslegung der allgemeinen Ausnahmevorschriften aus Gründen der Gesundheit des GATT (Art. XX (b) GATT) und des GATS (Art. XIV (b) GATS), siehe auch Ohler, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 885 f. 211 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 110.
B. Anwendungsbereich des GATS
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Rechtfertigungstatbestände in Art. XIV GATS aber ist abschließend, und die Tatbestände werden restriktiv ausgelegt.212 Der Bereichsausnahmecharakter von Art. I Abs. 3 b), c) GATS hat zur Folge, dass sich die Beweislastverteilung umkehrt, d. h. der Kläger muss beweisen, dass die strittige Dienstleistung in den Anwendungsbereich des GATS fällt. Dementsprechend hat das WTO-Mitglied, das der Ansicht ist, dass eine Gesundheitsdienstleistung am GATS zu messen ist, zu beweisen, dass sie nicht der Bereichsausnahme unterfällt. Ein klagendes WTO-Mitglied müsste also belegen, dass eine Dienstleistung des deutschen Gesundheitsmarktes nicht die Voraussetzungen der Bereichsausnahme erfüllt. Aufschlussreich für die Verlagerung der Beweislastverteilung von dem Beklagten auf das klagende WTO-Mitglied ist auch das Streitbeilegungsverfahren EC-Asbestos. Das WTO-Panel hatte die kanadische Regierung in der Annahme bestätigt, Frankreich habe gegen den Inländerbehandlungsgrundsatz verstoßen, indem es ausländische asbesthaltige Produkte anders behandelte (Verkaufsverbot im Inland) als nicht asbesthaltige inländische Produkte, obwohl beide „gleichartige“ Produkte i.S.v. Art. III GATT seien. Die Beweislast habe damit bei der EU gelegen zu belegen, dass das Verkaufsverbot Frankreichs zum Schutz der Gesundheit notwendig und damit zu rechtfertigen gewesen sei (Art. XX(b) GATT). Der Appellate Body entschied hingegen, dass die Beweislast nicht der EU, sondern vielmehr Kanada oblegen habe. Da Kanada sich auf die Verletzung des Inländerbehandlungsgrundsatzes in Art. III GATT berief, hätte es nachweisen müssen, dass die seiner Ansicht nach zu Unrecht ungleich behandelten asbest- und nichtasbesthaltigen Produkte „gleichartig“ seien – mit anderen Worten: Anstatt dass die EU die Gefährlichkeit der asbesthaltigen Produkte habe nachweisen müssen, hätte es Kanada oblegen nachzuweisen, dass die asbesthaltigen Produkte nicht gefährlich seien. Ein Nachweis, den Kanada nicht geführt hat und auch nicht führen konnte. Da von nichtasbesthaltigen Produkten keine bzw. nicht dieselben Gesundheitsgefahren ausgehen wie von asbesthaltigen Produkten, seien nach Ansicht des Appellate Body beide Produktgruppen auch nicht gleichartig.213 Diese Verlagerung der Beweislast wird im Schrifttum insoweit begrüßt, als sie die Möglichkeit eröffnet, gesundheitsschutzrechtliche Belange noch stärker berücksichtigen zu können.214 Denn sofern der Kläger, der z. B. ein handelsbeschränkendes Verkaufsverbot eines anderen WTO-Mitglieds angreift, nicht nachweisen muss, dass das verbotene Produkt gesundheitlich unbedenklich ist, bestehe die Gefahr, dass handelsrechtliche Belange eventuell entgegenstehenden Gesundheitsschutzinteres212 So Cottier/Delematsis/Diebold, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. XIV GATS, Rn. 4 ff., 9. 213 European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, Bericht des Appellate Body (WT/DS135/AB/R), angenommen am 5. April 2001 (ECAsbestos, AB). 214 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 112, 119.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
sen vorgehen. Denn der Beklagte ist in der defensiven Situation gehalten, einen prima facie bewiesenen Verstoß gegen handelsrechtliche Vorschriften zu entkräften215, d. h. aus gesundheitsschutzrechtlichen Gründen rechtfertigen zu müssen mittels einer als Rechtfertigungstatbestand grundsätzlich restriktiv auszulegenden Norm.216 Eine derartige Verlagerung der Beweislastverteilung unter Art. I Abs. 3 b), c) GATS würde die Bereichsausnahme zugunsten hoheitlicher, weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb erbrachter Dienstleistungen stärken ohne gegen Wortlaut oder Systematik des Art. I Abs. 3 b), c) GATS zu verstoßen. Daher wird im Schrifttum u. a. auch vorgeschlagen, dass die WTO-Mitglieder diese Beweislastverteilung in einer entsprechenden Staatenpraxis festlegen könnten.217 Mit einer derartigen Staatenpraxis würden sie ihren Verantwortungsvorbehalt bei der Anwendung des GATS unterstreichen und die Flexibilität des GATS und den Charakter des GATS als member driven organisation unter Beweis stellen. Anders als eine ebenfalls diskutierte inhaltliche Präzisierung, welche Dienstleistungen solche in Ausübung hoheitlicher Gewalt sein sollten, hat dieser Ansatz den Vorteil, dass die WTO-Mitglieder sich nicht auf konkrete Dienstleistungen festlegen müssen. Vielmehr können sie verfahrensrechtlich ihren Kompetenzvorbehalt absichern und es im konkreten Streitfall darauf ankommen lassen, ob die Voraussetzungen der Bereichsausnahme – insbesondere das Wettbewerbsverhältnis der Dienstleistungserbringung – gegeben sind. ff) Zwischenergebnis Die drei vom GATS vorgegebenen Kriterien der Bereichsausnahme „Kommerzialität“, „Wettbewerb“ und „hoheitlicher Bezug“ sind angesichts ihrer begrifflichen Unbestimmtheit durch den Rückgriff auf eine Vielzahl geschriebener und ungeschriebener Auslegungsgrundsätze bzw. im GATS unmittelbar niedergelegter Regelungen wie folgt auszulegen: Das Merkmal der „Kommerzialität“ der Dienstleistung sollte bei der Anwendung auf Gesundheitsdienstleistungen im Zweifel nach völkergewohnheitsrechtlichem Grundsatz restriktiv ausgelegt werden. Demnach wären grundsätzlich nur privatliquidierte Gesundheitsdienstleistungen kommerzielle Dienstleistungen. Das Merkmal des „Wettbewerbs“ ist hingegen im Lichte der vom Appellate Body zu Art. III GATT entwickelten Grundsätze der like products sowie in Anbetracht der von verschiedenen Mitgliedern in ihre Verpflichtungslisten eingetragenen public utilities-Vorbehalte weit auszulegen. Demnach unterfallen Gesundheitsdienstleistungen, die von Vertragsärzten wie auch von privatliquidierenden Ärzten erbracht 215 Zu der Rolle des Beklagten angesichts der prima facie Beweisführung des Klägers, siehe Argentina – Measures Affecting Imports of Footwear, Textiles, Apparel and Other Items, Bericht des Appellate Body (WT/DS56/AB/R), angenommen am 27. März 1998 (Argentina – Textiles and Apparel, AB), Rn. 61. 216 Dazu eingehend Sinclair/Greishaber-Otto, S. 37. 217 So zB. Fidler/Correa/Aginam, Rn. 120.
B. Anwendungsbereich des GATS
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werden, grundsätzlich nicht der Bereichsausnahme zugunsten hoheitlich erbrachter Dienstleistungen. „Hoheitlicher Bezug“ ist immer dann gegebenen, wenn ein hinreichend enger Zusammenhang der Tätigkeit zur öffentlichen Hand besteht. Dafür bedarf es eines nicht unbedingt formalisierten staatlichen Anerkennungsaktes. Angesichts der verbleibenden Unsicherheiten bei der Auslegung der Bereichsausnahmekriterien sollte rechtspraktisch darüber hinaus Art. I Abs. 3 b), c) GATS verfahrensrechtlich so ausgelegt werden, dass die Beweislast dafür, ob eine Maßnahme dem Tatbestand des GATS oder der Bereichsausnahme unterfällt, dem WTOMitgliedstaat obliegt, der sich auf die eventuelle Marktöffnungsverletzung beruft. d) Zwischenergebnis zur Reichweite der Bereichsausnahme Die Struktur der Bereichsausnahme für „in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistungen“ ist komplex, und die Auslegung der einzelnen Kriterien fehlende „Kommerzialität“, fehlender „Wettbewerb“ und nachgewiesener „hoheitlicher Bezug“ ist bisher nicht rechtsverbindlich geklärt. Fest steht nur, dass es angesichts dieser Tatbestandsmerkmale nicht auf die Rechtsform oder den Status des Dienstleistungsanbieters oder des Dienstleistungsempfängers oder die Art der Dienstleistung ankommt. Entscheidend ist, dass die Dienstleistung nicht im Wettbewerb mehrerer Dienstleister und zu kommerziellen Zwecken erbracht wird. Es kommt mithin auf das Ziel, die Umstände und die Bedingungen an, unter denen die Dienstleistungen erbracht werden. Diese Voraussetzungen dürften insbesondere Gesundheitssysteme mit staatlichem Gesundheitsdienst erfüllen, d. h. also soweit die Ärzte beim Staat angestellt sind und dem Patienten keine Arztwahlfreiheit zukommt. Im deutschen Gesundheitssystem stellt sich die Lage anders dar. Hier ist eine differenzierte Betrachtungsweise notwendig, da es grundsätzlich „nebeneinander“ stehende privat- und sozialversicherungsrechtliche Leistungsbereiche gibt. Die Kriterien der horizontalen Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b), c) GATS sind insofern im Hinblick auf drei Leistungsbeziehungen zu untersuchen: Dienstleister/Versicherter, Dienstleister/ Kostenträger, Kostenträger/Versicherter. Vorliegend wurden die ersten zwei Beziehungen des sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisses untersucht. Die Bereichsausnahme ist insoweit nach den vorgenannten Auslegungsansätzen nicht einschlägig, da i. d. R. der Wettbewerb zu bejahen ist und darüber hinaus teilweise auch ein weiteres bzw. alle drei Kriterium nicht erfüllt werden. Das Verhältnis Kostenträger/Versicherter betrifft nicht die leistungsrechtliche Seite, sondern vielmehr versicherungsrechtliche Fragen. Diese werden nachfolgend gesondert untersucht, da das GATS im Bereich der Finanzdienstleistungen insoweit Sonderregelungen vorsieht.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
2. Lex specialis Bereichsausnahme Im Bereich der Finanzdienstleistungen gilt eine besondere, sektorale Bereichsausnahme218, deren Auslegung ebenfalls nicht unumstritten ist. Gemäß Ziff. 1 b) ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen findet das GATS keine Anwendung auf sog. „Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit“. Anlage zu Finanzdienstleistungen (1) Geltungsbereich und Begriffsbestimmung a) Diese Anlage gilt für Maßnahmen, welche die Erbringung von Finanzdienstleistungen beeinträchtigen. Bezugnahmen auf die Erbringung einer Finanzdienstleistung in dieser Anlage betreffen die Erbringung einer Finanzdienstleistung im Sinne des Artikels I Absatz 2 des Übereinkommens. b) Für die Zwecke des Artikels I Absatz 3 Buchstabe b) des Übereinkommens hat der Begriff „in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbrachte Dienstleistungen“ folgende Bedeutung: i)
[…]
ii) Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems der sozialen Sicherheit oder einer staatlichen Alterssicherung iii) sonstige Tätigkeiten, die von einer öffentlichen Stelle für Rechnung oder aufgrund Gewährleistung oder unter Einsatz der finanziellen Mittel der Regierung ausgeübt werden. c) Gestattet ein Mitglied, dass eine Erbringer von Finanzdienstleistungen eine der unter Buchstabe b) Ziffer i) oder ii) erwähnten Tätigkeiten im Wettbewerb mit öffentlichen Stellen oder Erbringern von Finanzdienstleistungen ausüben, so umfasst der Begriff „Dienstleistungen“ für die Zwecke des Artikels I Absatz 3 Buchstabe b) des Übereinkommens solche Tätigkeiten. d) Artikel I Absatz 3 Buchstabe c) des Übereinkommens gilt nicht für Dienstleistungen, die in den Geltungsbereich dieser Anlage fallen. […] (5) Begriffsbestimmungen Für die Zwecke dieser Anlage a) ist eine Finanzdienstleistung jede Dienstleistung finanzieller Art, die von einem Finanzdienstleistungserbringer eines Mitglieds angeboten wird. Finanzdienstleistungen schließen alle Versicherungsdienstleistungen und versicherungsbezogenen Dienstleistungen sowie alle Bank- und sonstigen Finanzdienstleistungen (ausgenommen Versicherungsdienstleistungen) ein. Finanzdienstleistungen schließen folgende Tätigkeiten ein: Versicherungsdienstleistungen und versicherungsbezogene Dienstleistungen i)
Direktversicherung (einschließlich Mitversicherung): A) Lebensversicherung;
218 So auch Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 196; im Ergebnis wohl auch Ohler, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 839 (Fn. 46).
B. Anwendungsbereich des GATS
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B) Sachversicherung; ii) Rückversicherung und Retrozession; iii) Versicherungsvermittlung wie Leistungen von Versicherungsmaklern und -agenturen; iv) Versicherungsbezogene Hilfsdienstleistungen wie Beratung, Versicherungsmathematik, Risikobewertung und Schadensregulierung; […] b) ist ein Erbringer von Finanzdienstleistungen jede natürliche oder juristische Person eines Mitglieds, die Finanzdienstleistungen erbringt oder zu erbringen wünscht; jedoch umfasst der Begriff „Erbringer von Finanzdienstleistungen“ keine öffentlichen Stellen […]. c) bedeutet „öffentliche Stelle“ i) eine Regierung, Zentralbank oder Währungsbehörde eines Mitglieds oder eine im Eigentum eines Mitglieds stehende oder von ihm beherrschte Einrichtung, die hauptsächlich mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben oder von Tätigkeiten für hoheitliche Zwecke befasst ist, jedoch keine Einrichtung, die hauptsächlich mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen zu kommerziellen Bedingungen befasst ist […].
Fraglich ist, ob Krankenversicherungsdienstleistungen in den Anwendungsbereich der Anlage zu Finanzdienstleistungen fallen [a)], ob die sektorale Bereichsausnahme zugunsten gesetzlicher Systeme sozialer Sicherheit eröffnet ist [b)] und ob eventuell die „Rückausnahme“ gem. Ziff. 1 c) der Anlage zu Finanzdienstleistungen einschlägig ist, die die Reichweite der Bereichsausnahme insoweit wieder einschränken kann [c)]. a) Anwendungsbereich der Anlage zu Finanzdienstleistungen Gesundheitsdienstleistungen in Gestalt von Krankenversicherungsdienstleistungen sind als Finanzdienstleistungen i.S.v. Ziff. 5 a) der Anlage zu qualifizieren, wenn sie Dienstleistungen „finanzieller Art“ sind und von einem Finanzdienstleistungserbringer eines Mitglieds angeboten werden. Finanzdienstleistungserbringer können nach Ziff. 5 b) keine „öffentlichen Stellen“ sein. Öffentliche Stelle wiederum ist nach Ziff. 5 c) u. a. jede von einem GATS-Mitglied beherrschte Einrichtung, die „hauptsächlich mit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben oder von Tätigkeiten für hoheitliche Zwecke befasst ist, jedoch keine Einrichtung, die hauptsächlich mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen zu kommerziellen Bedingungen befasst ist […]“. Versicherungsleistungen der GKV sind unstreitig Dienstleistungen finanzieller Art, wenn es um die Absicherung von Behandlungsleistungen im Wege der Kostenerstattung geht, d. h. der Patient die ausgelegten Behandlungskosten, von dem jeweiligen Versicherungsträger (zumindest anteilig) erstattet bekommt (§ 13 SGB V). Aber auch bei den im Rahmen des Sachleistungsprinzips abgesicherten Behandlungsleistungen ist ein finanzieller Dienstleistungscharakter nicht ausge-
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schlossen, wenn man die Ratio der Rechtsprechung des EuGH zur Patientenmobilität heranzieht. Der finanzielle Charakter – die Entgeltlichkeit – der Dienstleistung wird demnach nicht dadurch aufgehoben, dass Dienstleistung und Entgelt in unterschiedlichen Rechtsbeziehungen des sozialversicherungsrechtlichen Dreiecksverhältnisses geleistet werden. Das Sachleistungsprinzip lässt nach Ansicht des EuGH nicht die „Entgeltlichkeit“ der Behandlungsdienstleistung entfallen. Diese wird im Rahmen des Sachleistungsprinzips nicht unmittelbar von dem Patienten vergütet. Vielmehr erhält der Arzt von den Kassenärztlichen Vereinigungen ein nach dem EBM bemessenes Entgelt. Dieses Entgelt ist wiederum Gegenstand der Vergütungsverhandlungen der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen, die wiederum Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds erhalten, der u. a. aus den Versicherten-(Arbeitnehmer-)Beiträgen gespeist wird. Vorliegend geht es zwar nicht um die Behandlungsleistung des Arztes, sondern um die Versicherungsleistung der Krankenkassen. Dies lässt allerdings wiederum nicht den Konnex der Entgeltlichkeit entfallen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist es unerheblich, in welchem Verhältnis im konkreten Fall die Dienstleistung ausgetauscht wird, solange im Rahmen einer Gesamtbetrachtung das Entgelt (hier grundsätzlich die Versicherungsbeiträge) die Dienstleistungserbringung abgilt. Die Entgeltlichkeit der Versicherungsdienstleistung wird vorliegend durch die finanziellen Zuweisungen an die jeweilige Krankenkasse aus dem Gesundheitsfonds begründet, der wie gesagt u. a. durch die Versichertenbeiträge getragen wird. Aber selbst wenn man nicht auf das EU-Recht rekurriert, sondern allein auf Wortlaut, Sinn und Zweck der Anlage abstellt, ergibt sich keine zwingende Beschränkung dahingehend, dass nur die unmittelbare monetäre Zuwendung als Finanzdienstleistung i.S.d. der Anlage qualifiziert werden kann.219 Vielmehr spricht für eine extensive Auslegung gerade auch der Umstand, dass in der nichtabschließenden Aufzählung des Ziff. 5 a) iii, iv) auch die (entgeltliche) Vermittlung von Versicherungen oder versicherungsbezogene Hilfsdienstleistungen, wie die Beratung, eine „Finanzdienstleistung“ i.S. der Anlage darstellen. „Finanzdienstleister“ dürften im Krankenversicherungsbereich grundsätzlich private Krankenversicherungsunternehmen sein. Krankenkassen hingegen sind grundsätzlich öffentliche Stellen, da sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts durch gesetzlichen Auftrag – hauptsächlich – verpflichtet sind unter der Rechtsaufsicht der öffentlichen Hand gem. §§ 43 ff. SGB IV die öffentliche Daseinsvorsorgeaufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung im Umfang des SGB V zu erfüllen. Die Krankenversicherungsdienstleistungen der GKV werden nicht etwa deshalb zu kommerziellen Bedingungen erbracht, weil sie letztlich gegen Entgelt in Gestalt der Beiträge nach §§ 220 ff. SGB V geleistet werden. Denn Kommerzialität setzt auch hier – wie bei Art. I Abs. 3 c) GATS – eine perpetuierte Gewinnerzielungsabsicht voraus. Diese fehlt den Krankenkassen, die keine Gewinne erzielen und nur unter gewissen Bedingungen Rücklagen gem. § 261 SGB V bilden dürfen. 219
A.A. Schmidt, S. 102.
B. Anwendungsbereich des GATS
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Krankenkassen sind damit keine Finanzdienstleister i.S.d. Anlage. Das heißt allerdings nicht, dass die Bereichsausnahme vom GATS für gesetzliche Systeme öffentlicher Sicherheit nicht für Krankenkassen gilt. Vielmehr bestimmt die Anlage, dass Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit, die durch andere Dienstleister als Finanzdienstleister i.S.d. Anlage erbracht werden, grundsätzlich nicht in den Anwendungsbereich des GATS fallen – es sei denn, dass diese Finanzdienstleister – d. h. Anbieter von Finanzdienstleistungen, die in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich der Anlage fallen – ebenfalls diese Tätigkeiten ausüben dürfen. Dann „ziehen“ diese Finanzdienstleister praktisch die Dienstleister, die Tätigkeiten im Rahmen gesetzlicher Systeme sozialer Sicherheit erbringen, in den Anwendungsbereich des GATS „hinein“. Nur in diesem Fall unterfielen Krankenkassen damit dem Anwendungsbereich des GATS. Die konkreten Voraussetzungen, nach denen die Bereichsausnahme und ggf. auch ihre Rückausnahme für die gesetzlichen Krankenkassen Anwendung finden, werden nachfolgend geprüft. b) Tätigkeiten i.R. eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit Tätigkeiten, die „im Rahmen eines gesetzlichen Systems der sozialen Sicherheit“ erbracht werden, sind nach Ziff. 1 b) ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen aus dem Anwendungsbereich des GATS ausgenommen. Der Begriff „Gesetzliche Systeme sozialer Sicherheit“ bezeichnet gesetzliche öffentliche Systeme, deren Zweck es ist, das „Fehlen oder die erhebliche Reduktion des Arbeitseinkommens aufgrund verschiedener Notfälle (namentlich Krankheit, Mutterschaft, Arbeitsunfall Arbeitslosigkeit, Invalidität, Alter und Tod des Haupternährers) auszugleichen, Menschen eine Gesundheitsversorgung bereitzustellen und Familien mit Kindern Beihilfen zu gewähren“.220
Der Begriff „gesetzlich“ kann somit in verschiedener Hinsicht ausgelegt werden. Im organisations- und statusbezogenen Sinne kann mit dem Begriff „gesetzlich“ jede von einer gesetzlichen Krankenkasse erbrachte Dienstleistung bezeichnet werden.221 Damit wäre die Ausnahmevorschrift denkbar weit gefasst. Dieser Ansatz steht allerdings im Widerspruch zu dem Wortlaut der Ziff. 1 c) der Anlage, der ebenfalls – wie Art. I Abs. 3 b), c) GATS – auf die Art und Weise der Erbringung der Dienstleistung und nicht die Rechtsform oder Organisation des Dienstleistungserbringers abstellt. Darüber hinaus könnte der Begriff „gesetzlich“ aber auch auf die obligatorische Versicherungspflicht in Deutschland abzielen. Ergebnis dieser weiten Auslegung wäre allerdings, dass jegliche Versicherungsleistung, mit der dieser Versicherungspflicht nachgekommen wird – sei es durch eine gesetzliche Krankenkasse, sei es durch ein privates Versicherungsunternehmen – der Bereichsausnahme unterfiele 220 221
ILO, World labour report 2000, S. 29 f. In diesem Sinne Yeates, S. 12.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
und vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen wäre. Diese Auslegung ginge an der Rechtswirklichkeit vorbei, da der privatversicherungsrechtliche Markt gerade kein System sozialer Absicherung gegen Krankheit wie die GKV ist. Die PKV ist vielmehr ein auf das Kapitalisierungsprinzip und die risikoäquivalente Tarifkalkulation gestütztes Versicherungssystem. Angemessen erscheint es daher, den Begriff „gesetzlich“ so auszulegen, dass die sozialen Sicherungssysteme erfasst werden, für die eine gesetzliche Verpflichtung zur Versicherung besteht. Das sind die Arbeitnehmer, deren Jahresarbeitseinkommen unterhalb der Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) liegen und die in der GKV pflichtversichert sind. c) Rückausnahme: Erbringung der Tätigkeit im Wettbewerb Eine Art Rückausnahme sieht allerdings Ziff. 1 c) der Anlage vor. Sobald ein Mitglied seinen Erbringern von Finanzdienstleistungen erlaubt, eine der in i) oder ii) genannten Tätigkeiten im Wettbewerb mit öffentlichen Stellen oder Erbringern von Finanzdienstleistungen auszuüben, fehlt es an einer „Ausübung hoheitlicher Gewalt“ und das GATS findet Anwendung.222 Auf Gesundheitsdienstleistungen übertragen bedeutet dies: WTO-Mitglieder können zulassen, dass ihre Finanzdienstleister Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit anbieten, die grundsätzlich von öffentlichen Stellen erbracht werden. Die demzufolge auftretende Konkurrenz zwischen öffentlicher Stelle und Finanzdienstleister ist als „Wettbewerb“ i.S. der Anlage und im Ergebnis des GATS zu qualifizieren. Er führt dazu, dass diese Tätigkeiten insoweit nicht mehr in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Diese Tätigkeiten unterfallen dann dem Anwendungsbereich des GATS. Weitere, wenn auch nicht sehr detaillierte Anforderungen an das konkrete Wettbewerbsverhältnis lassen sich darüber hinaus Ziff. 5 b) der Anlage zu Finanzdienstleistungen entnehmen.223 Demnach reicht auch ein potentieller Wettbewerb der Dienstleistungserbringung aus, da der Dienstleister – egal ob natürliche oder juristische Person – die Finanzdienstleistung nur zu erbringen wünschen muss (Interessenbekundungsklausel). Die Interessenbekundung eines Dienstleisters kann demnach bereits zu einem „potentiellen Wettbewerbsverhältnis“ führen, das für einen „Wettbewerb“ i.S.v. Ziff. 1 lit. c) der Anlage zu Finanzdienstleistungen ausreicht. Im Schrifttum wird insoweit zu bedenken gegeben, dass die Annahme potentiellen Wettbewerbs auf dem Markt vertretener Finanzdienstleister die Bereichsausnahme zugunsten der sozialen Sicherheit jeder praktischen Wirksamkeit beraube.224 222 223 224
So auch Falke, S. 67. Krajewski, National Regulation, S. 73. Yeates, S. 13.
B. Anwendungsbereich des GATS
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Dem ist zu entgegnen, dass diese sog. „Interessenbekundungsklausel“ den Anwendungsbereich des GATS auf die Systeme sozialer Sicherheit – und vorliegend auf die gesetzliche Krankenversicherung – nicht qualitativ (strukturell) ausweitet. Denn solidarische Versicherungsleistungen innerhalb des SGB V-Katalogs für Pflichtversicherte werden auch weiterhin nur von der GKV, nicht aber der PKV erbracht werden können. Die PKV kann nur Interesse bekunden, Leistungen in Bereichen zu erbringen, die ihr der Gesetzgeber öffnet. Aus Sicht des GKV-Versicherten werden die Leistungen des SGB V von denjenigen Leistungen der PKV auch trotz Interessenbekundungsklausel weiter verschieden sein. Denn der GKV-Versicherte kann sich nur durch Vertragsärzte behandeln lassen – möchte er die Behandlungskosten nicht selber tragen –, wohingegen dem PKV-Patienten eine Versorgung im Rahmen des GKV-Systems verschlossen ist. Um den Wettbewerbsbegriff zu präzisieren bietet es sich an, ebenso wie bei der horizontalen Bereichsausnahme des Art. I Abs. 3 b), c) GATS eine differenzierende, an die Art und Weise der Dienstleistungserbringung anknüpfende Betrachtungsweise zugrunde zu legen. In Anlehnung an die oben bereits dargelegten Grundsätze zur likeness auf die auch hier zurückgegriffen werden kann, ist mithin zu fragen, ob aus Verbrauchersicht die Versicherungsleistungen der GKV auf demselben relevanten Markt angeboten werden, wie PKV-Versicherungen. Dazu müssten beide Versicherungsleistungen aus Verbrauchersicht substituierbar sein. Ergänzend kann aus Anbieterperspektive gefragt werden, ob ein Konkurrenzverhältnis zu anderen Anbietern vorliegt. Diese Prüfung gestaltet sich höchst komplex, da die GKV nicht einen einzigen Gesamtmarkt darstellt, sondern bei näherer Betrachtung verschiedene Leistungsangebote für unterschiedliche Personenkreise vorhält. Diese Komplexität hat der EuGH in seiner Rechtsprechung zum funktionalen Unternehmensbegriff gesondert für den Anbietermarkt als auch für den Nachfragemarkt herausgearbeitet. Die von ihm entwickelten Grundsätze bieten wertvolle Anhaltspunkte für die vorliegende Prüfung im Rahmen des GATS, auch wenn sie natürlich nicht deckungsgleich auf ein multilaterales Handelsabkommen übertragen werden können.225 Nach einer kurzen Darstellung der für die Bewertung der Tätigkeiten von Krankenkassen entscheidenden Grundsätze des EuGH zum funktionalen Unternehmensbegriff und Würdigung dieser Grundsätze im Lichte des GATS [aa)] werden dann die verschiedenen Leistungsangebote der GKVauf einen eventuellen Anbieterbzw. Nachfragewettbewerb untersucht. Als Versicherungsdienstleistungen der GKV, die entsprechend zu prüfen sind, kommen die Krankenvollversicherung der gesetzlich Pflichtversicherten [bb)], die Wahltarife [cc)] sowie Zusatzversicherungen [dd)] als auch die freiwillige Versicherung von Personen mit Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze [ee)] in Betracht. 225 Für eine strikt getrennte nationale, europarechtliche und multilaterale Betrachtung Schmidt, S. 108 f.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
aa) Anwendung des funktionalen Unternehmensbegriffs des EuGH Der EuGH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass „jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung“ ein Unternehmen i.S.v. Art. 101 ff. AEUV ist.226 Jeder der Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anbietet, wird wirtschaftlich tätig.227 Es fehlt allerdings an einer unternehmerischen Betätigung, wenn der Begünstigte ausschließlich ihm gesetzlich zugewiesene soziale Aufgaben wahrnimmt, soweit die Leistungserbringung von Gesetzes wegen unabhängig von der Beitragshöhe unter vollständiger Umsetzung des Solidaritätsgrundsatzes erfolgt. Insofern sind nach Auffassung des EuGH nur die unmittelbar mit der Durchführung der Sozialversicherung verbundenen Aufgaben von der Anwendung des Wettbewerbsrechts ausgenommen, weil deren Durchführung durch das Solidaritätsprinzip gekennzeichnet ist. Demgegenüber unterfallen die Rechtsbeziehungen, in denen nach wirtschaftlichen Aspekten gehandelt wird, dem Wettbewerbsrecht.228 Dementsprechend fehlt gesetzlichen Krankenkassen die Unternehmenseigenschaft, wenn sie einen rein sozialen Zweck verfolgen und keine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben. Dies sei der Fall, soweit sie ihre auf dem Grundsatz der nationalen Solidarität beruhende Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht ausübten und die Leistungen von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbringen.229 Diese Kriterien weisen gewisse Überschneidungen auf mit den auch im GATS für eine „Tätigkeit in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ bzw. „im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit“ entscheidenden Kriterien der sozialen Zweckausrichtung der Tätigkeit, ihrer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht und dem gesetzlich/hoheitlichen Bezug der jeweiligen Tätigkeit. Der EuGH betonte darüber hinaus allerdings auch, es sei nicht auszuschließen, dass die gesetzlichen Krankenkassen außerhalb ihrer Aufgaben rein sozialer Art im Rahmen der Verwaltung des deutschen Systems der sozialen Sicherheit auch sonstige Tätigkeit ausübten, die keinen sozialen, sondern einen wirtschaftlichen Zweck verfolgen.230 Die enge wechselseitige Beziehung von Mischtätigkeiten sieht der EuGH in den Fällen, in denen beispielsweise Nebentätigkeiten nicht von der rein sozialen Haupttätigkeit der Krankenkassen getrennt werden können. Darüber hinaus führte er aus, dass bei der Beurteilung des Wesens der Einkaufstätigkeit von Sys226
Vgl. statt vieler Urt. v. 23. April 1993, Rs. C-41/90 – Höfner u. Elser/Macrotron, Rn. 21. 227 Vgl. Urt. v. 22. Januar 2002, Rs. C-218/00 – CISAL/INAIL, Rn. 23. 228 Vgl. Urt. v. 17. Februar 1993, verb. Rs. C-159 u. C-160/91 – Poucet und Pistre, Rn. 18 f.; Urt. v. 21. September 1999, Rs. C-219/97 – Maatschappij Drijvende Bokken, Rn. 68, 71 ff.; Urt. v. selben Tag, Rs. C-115/97 bis 117/97 – Brentjens, Rn. 78/82 ff.; Urt. v. 21. September 1999, Rs. C-67/96 – Albany, Rn. 78 ff.; Urt. v. 12. September 2000, Rs. C-180/98 bis C-184/98 – Pavlov, Rn. 109 ff. 229 Vgl. Urt. v. 16. März 2004, Rs. C-264/01 – AOK-Bundesverband u. a., Rn. 47. 230 Vgl. Urt. v. 16. März 2004, Rs. C-264/01 – AOK-Bundesverband, Rn. 58.
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temen sozialer Sicherheit der Kauf eines Erzeugnisses nicht von dessen späterer Verwendung getrennt werden kann. Der wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Verwendung des erworbenen Erzeugnisses bestimme zwangsläufig den Charakter der Einkaufstätigkeit selbst.231 Diese Grundsätze entwickelte er anhand von Fällen, die den „Nachfragewettbewerb“ betrafen. Die o.g. Entscheidungen betrafen Krankenversicherungsträger, die als Nachfrager – nach Arzneimitteln im Fall des AOK-Bundesverbands bzw. nach medizinischem Material im Fall des spanischen Sozialversicherungsträgers – auftraten. Da Angebot und Nachfrage ökonomisch und rechtlich zwei grundverschiedene Tätigkeiten sind, muss bei der Frage der Anwendung des Wettbewerbsrechts im Sozialrecht differenziert werden, ob die beteiligten Sozialversicherungsträger im Leistungserbringungsbereich als Nachfrager oder im Versicherungsbereich als Anbieter gegenüber den Versicherten tätig werden. Im Hinblick auf die hier besonders relevante Perspektive der Versicherungsangebote hat der EuGH wiederum differenzierte Grundsätze gerade im Bereich der Alters-, Kranken- und Unfallvorsorge entwickelt. Er stellt in diesen Fällen allein auf den Charakter der von den Krankenkassen angebotenen Leistungen ab. Sobald ein sozialer Zweck mit der angebotenen Leistung verfolgt und dabei der Solidaritätsgrundsatz verwirklicht werde, liege keine wirtschaftliche Tätigkeit vor.232 Der Solidaritätsgrundsatz wird zum einen verwirklicht, wenn ein Ausgleich zwischen den Generationen, Gesunden und Kranken und verschiedenen Einkommensbeziehern, Kinderlosen und Familien stattfindet. Private Versicherer berechnen demgegenüber ihre Beiträge risikoäquivalent. Zum anderen ist eine Umlagefinanzierung Ausdruck des Solidaritätsgrundsatzes in der GKV. Anders als nach dem Kapitaldeckungsprinzip der PKV, bei dem – idealtypisch – die jeweils eingezahlten Beiträge am Kapitalmarkt angelegt und Ausgaben aus den Erträgen dieser Anlageform finanziert werden, werden im Umlageverfahren die Ausgaben des Kalenderjahres durch die eingehenden Beiträge der Versicherten umgehend finanziert. Darüber hinaus ist auch der Versicherungszwang in der Vollversicherung als Zugangsvoraussetzung zur Wahl eines GKV-Wahltarifs Wesensmerkmal des Solidarprinzips.233 Sofern es sich bei der zu beurteilenden Tätigkeit um eine sowohl solidarische als auch typischerweise privatversicherungsrechtliche Merkmale aufweisende Tätigkeit
231
Vgl. Urt. v. 11. Juli 2006, Rs. C-205/03 – FENIN, Rn. 26. Urt. v. 17. Februar 1993, verb. Rs. C-159/91 und C-160/91 – Poucet/Pistre; Urt. v. 21. September 1999, C-67/96 – Albany; Urt. v. 21. September 1999, Rs. C-219/97 – Bokken; Urt. v. selben Tag, Rs. C-115/97 bis C-117/97 – Brentjens’ Handelsonderneming BV; Urt. v. 12. September 2000, Rs. C-180/98 bis C-184/98 – Pavlov; Urt. v. 16. November 1995, Rs. C-244/94 – Fédération francaise; Urt. v. 22. Januar 2002, Rs. C-218/00 – Cisal. 233 Zu den Grundprinzipien von GKV und PKV, siehe das Lexikon des AOK-Bundesverbands. Abrufbar unter www.aok-bv.de/lexikon/, Stand: Oktober 2012. 232
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handelt, ist nach der Rechtsprechung des EuGH eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen.234 Grundsätzlich können einzelne Elemente der PKV, die ins GKV-(Wahltarif-) System eingeführt werden, ebenso wenig die Unternehmenseigenschaft der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse begründen wie umgekehrt die Umsetzung des Solidaritätsprinzips automatisch ausreicht, um die Unternehmenseigenschaft zu verneinen. Allerdings gibt es PKV-Elemente, die in jedem Fall eine Unternehmenseigenschaft begründen: Freiwilligkeit einer Versicherung und das Kapitalisierungsprinzip. Sobald diese Elemente der PKV vorliegen, reichen weder soziale Zweckverfolgung, noch fehlende Gewinnerzielungsabsicht, noch Elemente des Solidaritätsprinzips, um die Unternehmenseigenschaft zu verneinen. Kein derart „hartes“ Kriterium ist die Berücksichtigung risikoäquivalenter Elemente bei der Festsetzung der Beiträge. Hier lässt der EuGH Spielraum zur Argumentation: Solange das jeweilige Versicherungssystem obligatorisch ist und es nicht auf dem Kapitalisierungsprinzip basiert, ist der solidarische Charakter des Leistungssystems vorherrschend. Solange ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Höhe der Tarife und den gewährten Leistungen fehlt, liegt ebenso eine solidarische Finanzierung vor. Selbst wenn mithin ein Tarif nach Alterskohorten gestaffelt ist, eine Gesundheitsprüfung vorsieht oder nach Geschlecht differenziert, wird der dadurch eigentlich begründete risikoäquivalente Zusammenhang zugunsten von Solidarelementen unterbrochen, wenn – die Höhe des Beitrags jedenfalls nicht streng proportional zum versicherten Risiko festgesetzt wird (z. B. Höchstbetragsdeckelung); – die Beiträge nicht nur auf der Grundlage des mit der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verbundenen Risikos berechnet wird, sondern auch nach Maßgabe der Einkünfte des Versicherten; – die Höhe der gewährten Leistungen nicht notwendig proportional zu den Einkünften des Versicherten ist, weil für die Berechnung der Leistungen nur die Gehälter berücksichtigt werden, die zwischen einem Mindest- und einem Höchstbetrag liegen, entsprechend dem nationalen Durchschnittseinkommen (verringert oder erhöht um 30 %).235 Nach diesen Grundsätzen hängt mithin die Qualifikation der von gesetzlichen Krankenkassen angebotenen Leistungen als unternehmerische Tätigkeiten im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts insbesondere davon ab, ob PKV-Elemente bei der Tarifkonzeption (Alter, Morbidität, Geschlecht) verwendet werden und diese Elemente nicht wieder durch Höchstbetragsdeckelung oder Heranziehung sonstiger nicht ri-
234 Urt. v 16. November 1995, Rs. C-244/94 – Fédération francaise, Rn. 16, 18, 21; Urt. v. 22. Januar 2002, Rs. C-218/00 – Cisal, Rn. 37, 38. 235 Urt. v. 22. Januar 2002, Rs. C-218/00 – Cisal, Rn. 39, 40.
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sikoäquivalenter Kriterien „neutralisiert“ werden. Denn in diesen Fällen tritt das Solidarprinzip wieder beherrschend in den Vordergrund.236 Es sind keine Gründe ersichtlich, im Bereich des GATS einen diesen EuGHGrundsätzen gegenüber strengeren Bewertungsmaßstab anzulegen und der sozialen Zweckbestimmung weniger Durchschlagkraft als auf EU-Ebene zu zusprechen. Vielmehr gebieten gerade die Auslegungsgrundsätze von Treu und Glauben, Wortsinn, Sachzusammenhang als auch des Grundsatzes in dubio pro mitius sowie eine den menschenrechtlichen Verpflichtungen besonders Rechnung tragende Auslegung, hier eine Lösung zu finden, die den mitgliedstaatlichen sozialversicherungsrechtlichen Regulierungsspielraum bestmöglich erhält. bb) Krankheitsvollversicherung gesetzlich Pflichtversicherter Ob die Krankheitsvollversicherung der GKV „im Wettbewerb“ erbracht wird i.S. des GATS ist in zweifacher Hinsicht zu prüfen. Zum einen ist insoweit das Verhältnis der PKV-Unternehmen zu den gesetzlichen Krankenkassen zu untersuchen, zum anderen das Verhältnis der gesetzlichen Krankenkassen untereinander. Versicherte unterhalb der „Versicherungspflichtgrenze“ gem. § 6 SGB V können sich nicht in der PKV versichern. Für diese Versicherten besteht gem. § 5 Abs. 1 SGB V die Pflicht zur Vollversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese Versicherten fragen mithin keine private Krankheitsvollversicherung nach. Für diese Versicherten sind höchstens private Zusatzversicherungen interessant, die unter cc) besprochen werden. Auch aus Anbietersicht liegt kein Konkurrenzverhältnis zwischen PKV-Unternehmen und den Gesetzlichen Krankenkassen vor, da PKVUnternehmen keine Vollversicherungen für GKV-Pflichtversicherte anbieten können. Ein Wettbewerb zwischen PKV und GKV besteht insoweit nicht. Ob hingegen aber für gesetzlich Pflichtversicherte ein Wettbewerb i.S. des GATS unter den gesetzlichen Krankenkassen um die Pflichtversicherten besteht, bedarf näherer Untersuchung. Dafür könnte die Einführung der Kassenwahlfreiheit 1996 gem. § 173 SGB V sprechen, dagegen wiederum der gesetzlich festgelegte einheitliche Beitragssatz. Ein Wettbewerb zwischen den Krankenkassen um Versicherte wurde allerdings auf anderer Ebene eingeführt: Zum einen können die Krankenkassen, die mit den ihnen aus dem Gesundheitsfonds zugewiesenen Finanzbeiträgen nicht auskommen, einen Zusatzbeitrag erheben. Zum anderen können sie ihre Angebot in Gestalt von Wahlleistungen gem. § 53 SGB V diversifizieren. Fraglich ist insoweit aber, ob hier nicht der Risikostrukturausgleich gem. § 266, 267 SGB V letztlich jeglichen Wettbewerb wieder „neutralisiert“. Er dient dem Ausgleich „schlechter Risiken“ zwischen den Krankenkassen. Kassen, die hohe Ausgaben wegen der besonderen Struktur ihres Versichertenkreises haben (z. B. 236
Urt. v. 22. Januar 2002, Rs. C-218/00 – Cisal, Rn. 39 ff.
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Alter), bekommen zum Erhalt ihrer (wirtschaftlichen) Handlungsfähigkeit Ausgleichszahlungen.237 Diese Zahlungen stehen grundsätzlich jeder Krankenkasse mit finanzieller Sonderbelastung offen. Wie oben ausgeführt, reicht nach der Rechtsprechung des EuGH238 nicht die Einführung vereinzelter Wettbewerbselemente in ein System solidarischer Sicherung, um deren solidarischen Charakter der Versicherungsleistung im gemeinsamen Markt aufzuheben. Seiner Ansicht nach sind Krankenkassen insoweit keine Unternehmen im Sinne des EU-Wettbewerbsrechts, als sich ihr Leistungsangebot auf den gesetzlichen Leistungskatalog des SGB V beschränkt. Die Finanzierung dieses Leistungsangebots wird im Ergebnis solidarisch durch den Risikostrukturausgleich abgesichert. Die Wettbewerbselemente dienen im Grunde als Anreiz, die Krankenkassen insgesamt zu ressourceneffizientem Wirtschaften anzuhalten und damit nachhaltig das GKV-System insgesamt zu sichern – unabhängig davon, ob man ihre diesbezügliche Tätigkeit aus EU-rechtlicher oder multilateraler Perspektive betrachtet. Der intendierte Wettbewerb der Krankenkassen dient damit dem Ziel des Systemerhalts der Solidarversicherung in einem von dem klassischen Marktwettbewerb abweichenden Reglementierungsrahmen. Ein „Wettbewerb“ i.S. des GATS liegt damit nicht vor. cc) Wahltarife Die mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz eingeführte Möglichkeit für gesetzliche Krankenkassen sog. Wahltarife anzubieten, wirft die zentrale Frage auf, ob die Krankenkassen mit dem Angebot der Wahltarife noch Aufgaben ihrer solidarischen Krankenversicherung wahrnehmen oder vielmehr im Segment der privaten Versicherer tätig werden und damit ihre Leistungen im Wettbewerb mit den Privatversicherern erbringen. Die Annäherung der GKV über Wahltarife an die PKV ist damit angesprochen.239 Über Wahltarife nach § 53 SGB V sollen die Krankenkassen seit dem 1. April 2007 den Versicherten finanzielle Anreize zu mehr Eigenverantwortlichkeit im Umgang mit der eigenen Gesundheit bzw. Krankheit setzen.240 Bei den Wahltarifen wird im Ergebnis die Beitragshöhe an die individuellen Risiken der Versicherten geknüpft. Sie müssen sich durch ihre Einsparpotenziale selbst finanzieren (sog. Aufkommensneutralität, § 53 Abs. 9 SGB V). Durch Rechenschaftspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden i.S. des § 92 ff. SGB IV – den Versicherungsämtern 237
Siehe GKV-WSG, BT-Drs. 12/3608, S. 117 f. Siehe Urt. v. 16. März 2004, Rs. C-264/01 – AOK-Bundesverband u. a., Rn. 47 ff. 239 Für eine wettbewerbliche Tätigkeit sprechen sich vor allem aus Klaue/Schwintowski, S. 92 ff. Die in dieser Arbeit nichtabschließend klärbare Frage ist u. a. Gegenstand eines Beihilfebeschwerdeverfahrens vor der EU-Kommission. 240 FraktE BT-Drs. 15/1525, S. 71. Übersicht und Vergleich der von den 10 größten Krankenkassen angebotenen Wahltarife bei Ulrich/Riedel/Rolle/Worringer, S. 12 ff., 65 f. Die Absätze 1 bis 5 sowie 8 und 9 sind zum 1. April 2007, die Absätze 6 und 7 hingegen erst am 1. Januar 2009 in Kraft getreten. 238
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und dem Bundesversicherungsamt – soll vermieden werden, dass Wahltarife durch die übrigen Versicherten quersubventioniert werden.241 Wahltarife können zum einen in Gestalt sog. „versorgungsbezogener Wahltarife“ (§ 53 Abs. 3 SGB V) angeboten werden, die auf die Modernisierung der Versorgung abzielen. Beispielsweise können im Rahmen sog. integrierter Versorgungsverträge gem. § 140a ff. SGB V medizinische Versorgungssektoren mit dem Ziel einer Versorgung aus einer Hand verzahnt werden. Die Krankenkassen und Leistungserbringer schließen Einzelverträge ab und finanzieren sich über ein gemeinsames Budget. Ebenso können chronisch kranke Versicherte teilnehmen an strukturierten Behandlungsprogrammen i.S.v. § 137 f. SGB V (disease management programmes – DMPs), oder an einer „Hausarztzentrierten Versorgung“ nach § 73b SGB V (Bindung an einen Hausarzt gegen beispielsweise Aufhebung der Praxisgebühr) als auch an Praxisnetzen im Rahmen von Modellvorhaben zur Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Vergütungs- und Finanzierungsformen gem. § 63 ff. SGB V.242 Möglich sind aber auch „monetäre Wahltarife“ nach § 53 Abs. 1, 2, 4 bis 7 SGB V als Satzungsleistung der gesetzlichen Krankenkassen. Sie können Prämien und Selbstbehalttarife, Zuzahlungsermäßigungen, Beitragsrückzahlungen bei Leistungsfreiheit, Kostenerstattungstarife (z. B. für Chefarztbehandlung/Ein- und Zweibettzimmer)243 sowie Tarife für die Kostenübernahme für Arzneimittel der besonderen Therapieeinrichtungen als auch Tarife für Leistungsbeschränkungen anbieten. Beitragsprämien können ausgezahlt werden, wenn Krankenkassen mit den aus dem Gesundheitsfonds zugewiesenen Mitteln einen Überschuss erwirtschaften.244 Diese finanziellen oder leistungsrechtlichen Anreize der Wahltarife führen nach Teilen der Literatur zu einer derartigen Lockerung des Solidaritätsgrundsatzes, dass die gesetzlichen Krankenkassen bei dem Angebot dieser Wahltarife unternehmerisch tätig werden und damit eine EU-wettbewerbsrechtlich relevante Tätigkeit ausüben.245 241 FraktE BT-Drs. 16/31, S. 109 (zu Absatz 8). Kritisch zur praktischen Durchsetzbarkeit Thüsing, S. 452. 242 AOK-Bundesverband, Lexikon abrufbar unter www.aok-bv.de/lexikon/, Stand: Oktober 2012. 243 FraktE BT-Drs. 16/3100, S. 108 f. (zu Absatz 4): Abrechnungsmöglichkeit zu 2,3-fachen Satz der GoÄ/GoZ und Einpreisung der Mehrkosten gegenüber Sachleistungen in entsprechend kalkulierten Prämienzahlungen des Versicherten. 244 Zentraler Parameter im Wettbewerb der Krankenkassen soll allerdings der Zusatzbeitrag gem. §§ 269, 270 SGB V i. V. m. §§ 31 – 34 RSAV i. V. m. evt. Zuzahlungsermäßigungen sein. Bei den Zusatzbeiträgen handelt es sich um Nachforderungen an die Versicherten einer Krankenkasse infolge risikobedingter Mehrausgaben dieser Krankenkasse, die nicht durch wirtschaftliches Handeln aufgefangen werden können und daher auf die Versicherten der jeweiligen Krankenkasse umgelegt werden. 245 Kingreen, Soziale und private Krankenversicherung, S. 149 zum sog. „schleichender Systemwechsel“; siehe auch Gassner, Re-Regulierung, S. 285, der von einer Relativierung des Solidarprinzips und Infragestellung der Immunisierung der Krankenkassen gegenüber dem EU-
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Bei dem „Selbstbehalttarif“ nach § 53 Abs. 1 bestehe beispielsweise die Gefahr, dass die Solidarität zwischen Versicherten mit gutem/schlechtem Gesundheitszustand ausgehöhlt wird, da sich Gesunde zu geringeren Kosten versichern können als Kranke. Bei geringem Krankheitsrisiko ist die jährliche Ersparnis größer als die persönlich zu zahlenden Gesundheitskosten. Durch das „Entziehen“ der Gesunden aus dem Volltarif wird dieser im Ergebnis für die Kranken teurer, die im Volltarif verbleiben. Zudem kann ein Mitglied mit Selbstbehalt- oder Beitragsrückerstattungstarif, das älter wird, bei steigendem Behandlungsbedarf zurück in den Volltarif wechseln – was in der PKV nicht möglich wäre. Die Solidargemeinschaft werde belastet durch diese Mitglieder, die in ihrer früheren Versicherungszeit keinen Solidarbeitrag leisten.246 Dem wird entgegnet, dass die Grundfeste der solidarischen Finanzierung durch die Wahltarife nicht berührt würden.247 Privatversicherer könnten entsprechende Tarife in ihren marktwirtschaftlichen Strukturen nicht erbringen.248 Zudem werden die Wahltarife der GKV im Gegensatz zu PKV-Angeboten betragsmäßig begrenzt (z. B. durch Höchstgrenzen bei Selbstbehalten und Prämienzahlungen). Dadurch werde ebenfalls verhindert, dass „der den Grundsätzen der privaten Krankenversicherern angenäherte Anteil den gesamten Status der Versicherung maßgeblich prägt“.249
Im Übrigen fange bei diesen Wahltarifen letztlich der Risikostrukturausgleich die Marktvorteile auf, die durch eventuell marktwirtschaftlich ausgerichtete Wahltarife den jeweiligen Krankenkassen ggf. entstehen. Ein derartiger Finanzausgleich fehlt den privaten Versicherungsunternehmen. Daher fehle es hier letztlich an einer risikojustierten Strukturannäherung an die PVK. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass im Falle unterkalkulierter Wahltarife die Gefahr einer zwangsweisen solidarischen Haftung der gesamten gesetzlichen Krankenversicherungsgemeinschaft bestehe. Der Tarif wäre zu schließen und die Verluste durch die Einnahmen der jeweiligen Krankenkasse aufzufangen. Dieser Schlussfolgerung ist allerdings entgegenzuhalten, dass der Gesetzgeber eine derartige „Umlage“ des finanziellen Risikos der Wahltarife in § 53 Abs. 9 SGB V untersagt hat. Ein derartiger Verlustausgleich dürfte darüber hinaus unter Quersubventionierungsgesichtspunkten auch höchst bedenklich im Hinblick auf das EU-Beihilfenrecht sein. Zwischenzeitlich hat hier der Gesetzgeber – nicht zuletzt vor dem Hintergrund eines von der Allianz und weiteren u. a. bei der EU-Kommission eingelegten und derzeit noch nicht entKartellrecht spricht. Kritisch zum Angebot von privaten Zusatzversicherungen durch gesetzliche Krankenversicherungen wegen kompetenz- und wettbewerbsrechtlicher Bedenken, von Maydell/Karl, S. 64 ff., 94 ff. 246 Thüsing, S. 455. 247 Bernhardt, in: Felix (Hrsg.), Auswirkungen des GKV-WSG auf Versorgungsstruktur und Wettbewerbsordnung, S. 97. 248 Bernhardt, in: Felix (Hrsg.), Auswirkungen des GKV-WSG auf Versorgungsstruktur und Wettbewerbsordnung, S. 97. 249 Höfler, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 53, Rn. 54.
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schiedenen Beihilfebeschwerdeverfahrens – Klarstellungsbedarf gesehen. Mit dem Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung hat er die Anforderungen des Abs. 9 zum 1. Januar 2011 verschärft. Die GKV muss nunmehr alle drei Jahre der zuständigen Aufsichtsbehörde ein versicherungsmathematisches Gutachten über die Entwicklung der Finanzierungsbedingungen vorlegen. Entsprechende Kritik wurde auch bei den Wahltarifen geäußert, mit denen Kosten für Arzneimittel besonderer Therapieeinrichtungen nach § 53 Abs. 5 SGB V, Kranken-(tage-)-geld oder ein Kostenerstattungstarif nach § 53 Abs. 4 SGB V gewährt werden. So können bei den Kostenerstattungstarifen eine Chefarztbehandlung und Unterbringung im Zweibettzimmer in Anspruch genommen werden. Sofern diese Behandlung allerdings nach dem 2,3-fachen Satz der GoÄ/GoZ abgerechnet werden kann und die Mehrkosten gegenüber der Abrechnung im Sachleistungsprinzip in entsprechend kalkulierte Prämienzahlungen des Versicherten eingepreist werden250, weicht die Abrechnung(-shöhe) streng genommen von dem gesetzlich vorgesehen Leistungs-/Abrechnungsmodus der GKV (§ 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V) ab.251 Die nach erhöhten privatärztlichen Tarifen abzurechnende Chefarztbehandlung und Ein-/Zwei-Bettzimmerleistungen sind keine dort genannten sozialversicherungsrechtlichen Regelsach- und Dienstleistungen. Chefarztbehandlung und Zweibettzimmer sind nur dann SGB V-Leistungen, wenn sie medizinisch notwendig sind. Sie werden dann in Einzelfällen gewährt (§ 39 SGB V) und stellen mithin keine Regelleistungen dar. Darüber hinaus stellt § 13 Abs. 2 S. 9 SGB V klar, dass ein Erstattungsanspruch maximal in Höhe der Vergütung besteht, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung trägt. Teile der Literatur sehen daher hier eine „Abkehr vom Solidarausgleich“ und eine Ersetzung durch privatversicherungsrechtliche Elemente, die unvereinbar sei „mit der Legitimationsidee der Sozialversicherung“ und gegen die „objektive Systemgerechtigkeit“ verstoße.252 Dem ist wiederum entgegenzuhalten, dass zum einen die oben genannten Leistungen auch vor Einführung der Wahltarife schon im Rahmen der GKV angeboten wurden.253 Zum anderen unterscheidet das Wahltarifangebot der GKV sich von der PKV grundsätzlich durch die strenge Akzessorietät der Wahltarife zur GKV-Vollversicherung. Alle Wahltarife des § 53 SGB V sind streng akzessorisch zur GKVVollversicherung der gesetzlich oder freiwillig in der GKV Versicherten. Bei dem Angebot der Wahltarife handelt es sich aus der Sicht eines verständigen Nachfragers bzw. Verbrauchers als auch der Sicht der Anbieter – der gesetzlichen Krankenkassen – letztlich nur um Variationen der den Tarifen zugrunde liegenden Krankheitsvoll-
250
FraktEntwurf BT-Drs. 16/3100, S. 108 f. (zu Absatz 4). Höfler, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 53, Rn. 29. 252 Isensee, S. 450 ff. („präterlegale Sonderangebote“); Thüsing, S. 455. 253 Siehe insbesondere den Kostenerstattungstarif gem. § 13 SGB V. 251
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
versicherung bei der GKV.254 Die Möglichkeit zur Wahl von beispielsweise Kostenerstattung oder auch Selbstbehalt besteht nur, sofern eine „Grund“-Krankheitsvollversicherung bei der jeweiligen Krankenversicherung besteht, die den Wahltarif anbietet. Wahltarife können nicht allein stehen. Das heißt anders als bei den von der PKV angebotenen Zusatzversicherungen, die der ganzen Bevölkerung angeboten werden können, können die gesetzlichen Krankenkassen ihre Wahltarife nur den bei ihnen bereits Versicherten anbieten. Eine Nachfrage nach Wahltarifen i.S.v. § 53 SGB V gibt es nur seitens der GKV-Versicherten und der freiwillig bei einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Person, nicht aber von Privatversicherten. Diese haben bei den Privatversicherern andere „eigene“ Tarife. PKV-Unternehmen können keine Wahltarife nach § 53 SGB V anbieten. Damit ist im Hinblick auf die PKV-Versicherten jedenfalls weder die Nachfrageseite noch die Angebotsseite substituierbar. Diese hochkomplexe Frage kann in dieser Arbeit nicht abschließend geklärt werden. Zusammenfassend kann hier aber Folgendes festgehalten werden: Sofern der Inhalt der Wahltarife nach § 53 SGB V über den SGB V-Leistungskatalog hinaus gehen und mit dem Versicherungsangebote der PKV tatsächlich deckungsgleich sein sollte, läge insoweit zumindest für GKV-Versicherte wohl eine Substituierbarkeit bzw. ein Anbieterwettbewerb GKV/PKV vor. In diesem Fall müsste nach den oben genannten Grundsätzen eine wettbewerbliche Tätigkeit i.S. des GATS angenommen werden. dd) Private Zusatzversicherung Private Zusatzversicherungen sind gem. § 194 Abs. 1a SGB V Versicherungen, die PKV-Unternehmen anbieten. Die jeweilige gesetzliche Krankenkasse tritt hier gegenüber ihrem interessierten Versicherten nur als Maklerin auf.255 Dass es sich bei den Zusatztarifen um ein aliud gegenüber den Wahltarifen handelt, stellt auch der Umstand klar, dass § 194 Abs. 1 a SGB V zusammen mit den Vorschriften zu den Wahltarifen durch das GKV-WSG geschaffen wurde. Ausweislich der Gesetzesbegründung ging es dem Gesetzgeber nicht um die Verkürzung des Anwendungsbereichs von § 194 Abs. 1a SGB V, sondern darum, „die Wahlfreiheit für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhöhen“.256 Ziel ist der GKV-interne „sozialrechtliche“ Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen. Zudem wird den gesetzlichen Krankenkassen nach § 30 Abs. 1 SGB IV untersagt, selber Zusatzversicherungen anzubieten. Allerdings können sie in ihren Satzungen vorsehen, dass sie den Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen vermitteln können. Gegenstand dieser Verträge können insbesondere die Wahlarztbehandlung im Krankenhaus, der Ein- oder Zweibettzuschlag im Krankenhaus sowie eine Aus254 255 256
So Klaue/Schwintowski, S. 70. Klaue/Schwintowski, S. 11 ff. BT-Drs. 16/3100, S. 108.
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landskrankenversicherung sein. Auch die nicht mehr vom gesetzlichen Solidarversicherungskatalog des SGB Vangebotenen optischen Sehhilfen und der Großteil der Zahnbehandlungen können privat derart zusatzversichert werden. Diese privaten Zusatzversicherungen werden von den Privatversicherungsunternehmen gem. § 1 VAG erbracht. Krankenkassen können diese Zusatzversicherungen vermitteln gem. § 194 Abs. 1 a SGB V. Da hier allerdings keine solidarischen Leistungen angeboten werden, lässt sich eine Sonderbehandlung gegenüber den Privatversicherungsunternehmen durch eine Einschränkung der Wettbewerbsrechtsgeltung für die Zusatzversicherungen der Krankenkassen nicht rechtfertigen. Die Vermittlung von diesen Zusatzversicherungen ist eine Intervention der Krankenkassen auf den Zusatzversicherungsmarkt der PKV, die dafür spricht, „dass es sich dabei um Leistungen handelt, bei denen ein soziales Schutzbedürfnis nicht in dem Maße gegeben ist, dass der Verbleib dieser Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung geboten wäre“.257
Zusatzversicherungen sind nicht zwingend akzessorisch zu einer Krankheitsvollversicherung. Beispielsweise kann eine Zusatzversicherung für eine Brille oder Krankentagegeld auch ohne Krankheitsvollversicherung geschlossen werden. Bei den Zusatztarifen handelt es sich mithin nicht um „Variationen“ der Krankheitsvollversicherung. Stattdessen gibt es einen seit längerer Zeit bestehenden Markt an Zusatzversicherungen, der von PKV-Unternehmen bedient wird. Den gesetzlichen Krankenkassen ist dieser Markt verschlossen. Sie können nach § 30 Abs. 1 SGB IV nicht auf diesem Markt als Anbieter tätig werden, sondern nur nach § 194 Abs. 1a SGB V „makeln“. Allerdings steht es den GKV-Versicherten frei, statt der gemakelten Zusatzversicherung eines Privatversicherers, mit dem die jeweilige gesetzliche Krankenkasse vertragliche Beziehungen unterhält, einen dritten, sonstigen Privatversicherer zu bemühen. Aus der Sicht des Endverbrauchers steht mithin die von seiner gesetzlichen Krankenversicherung über deren privaten Vertragspartner angebotene Zusatzversicherung neben den Zusatzversicherungsangeboten sonstiger Privatversicherer. Die Konditionen werden allerdings bei der über eine gesetzliche Krankenversicherung gemakelten Zusatzversicherung i. d. R. günstiger sein als diejenigen des Drittunternehmens. Zwingend ist dies aber nicht. Eine derartige alternative Zusatzversicherung kann aus Sicht des Verbrauchers durchaus eine „echte Alternative“ zu der gemakelten Zusatzversicherung sein, wenn sie einen anderen Leistungsschwerpunkt setzt, der für den Versicherten besonders interessant ist. Daher ist ein relevanter Markt der Zusatzversicherungen anzunehmen, auf dem die gesetzlichen Krankenversicherungen zusammen mit einem privaten Vertragspartner gegenüber anderen privaten Vertragspartnern in Wettbewerb treten. Die über gesetzliche Krankenversicherungen gemakelten Zusatzversicherungen unterfallen mithin nicht der Bereichsausnahme der Anlage zu Finanzdienstleistungen. 257 von Maydell/Karl, S. 66 f. mit eingehender Analyse der Rechtsprechung des EuGH zum Unternehmensbegriff u. a. zu Zusatzrentensystemen.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
ee) Freiwillige Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse Ein Konkurrenzverhältnis besteht darüber hinaus im Bereich der freiwilligen Versicherung bei einer gesetzlichen Krankenkasse, d. h. bei Versicherten, die die Versicherungspflichtgrenze überschreiten und daher von der Pflichtversicherung in der GKV befreit sind. Den Versicherten, die die allgemeine Versicherungspflichtgrenze (Jahresarbeitsentgeltgrenze) überschreiten258, steht ein Wahlrecht zu, sich freiwillig weiter bei einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern gem. § 9 SGB V oder in die PKV zu wechseln (§ 12 VAG).259 Nach den Grundsätzen zur likeness und der Substituierbarkeit aus Endverbrauchersicht, bieten hier PKV und GKV ihre Leistungen ebenfalls auf demselben relevanten Markt an. Die Kunden können grundsätzlich frei wählen. Es gibt eine Nachfrage nach Krankheitsvollversicherung von solchen Personen, die nicht pflichtversichert sind. GKV und PKV bieten auf der Angebotsseite derartige Versicherungen den Nachfragern an. Die genannten Wanderungsbewegungen zeigen, dass die Konsumenten die Versicherungsleistungen für austauschbar halten. Hinzutreten im Übrigen auch weitere Regelungen, die PKV und GKV annähern. Wer in der PKV den seit 1. Januar 2009 eingeführten Basistarif wählt, erhält zudem ein der GKV nachempfundenes Leistungsangebot.260 Der freiwillig in der GKV weiter Versicherte erhält ebenso einen Arbeitgeberzuschuss gem. § 257 SGB V wie er auch Privatversicherten zusteht (§ 257 Abs. 2a SGB V). Die Versicherung freiwilliger Mitglieder durch die GKV fällt nach diesen Grundsätzen nicht unter die Bereichsausnahme des GATS. ff) Zwischenergebnis zur Anwendbarkeit der Rückausnahme Die Krankheitsvollversicherung in der GKV wie auch die von Krankenkassen innerhalb des gesetzlichen Leistungskatalogs der GKV angebotenen Wahltarife sind weder aus Nachfragesicht mit dem PKV-Versicherungsangebot substituierbar noch treten GKV und PKV bzw. die gesetzlichen Krankenkassen untereinander in einen Anbieterwettbewerb. Die Rückausnahme ist damit nicht eröffnet. Demgegenüber dürften die von der GKV gemakelten, von PKV-Unternehmen angebotenen privaten Zusatzversicherungen sowie das Angebot freiwilliger Versicherung in der GKV von Arbeitnehmern mit einem Jahreseinkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze nicht mehr als Teil der solidarischen Versicherung der GKV qualifiziert werden können. Die Rückausnahme greift hier, da sie aus Endverbrauchersicht wie auch aus Anbieterperspektive „im Wettbewerb“ mit anderen Anbietern erbracht werden. 258
2008: 48.150 E/Jahr bzw. 4.012,50 E/monatlich. So gab es 2010 227.700 Übertritte zur PKV und 153.200 Abgänge zur GKV, siehe Verband der privaten Krankenversicherung, S. 28. 260 Siehe Teil 2 unter B.II.4.b). 259
B. Anwendungsbereich des GATS
195
d) Zwischenergebnis zur Reichweite der Bereichsausnahme Die Bereichsausnahme der Anlage zu Finanzdienstleistungen umfasst grundsätzlich die gesetzliche Vollversicherung in der GKV, einschließlich der im Rahmen des SGB V-Leistungskatalogs angebotenen Wahltarife. Das GATS findet nur auf die der Rückausnahme unterfallenden privaten Zusatzversicherungen sowie der freiwilligen Versicherung in der GKV Anwendung. 3. Partielle Bereichsausnahme i.R. öffentlicher Beschaffungsvorgänge Nach Art. XIII Abs. 1 GATS finden einzelne, allerdings zentrale Vorschriften des GATS261 keine Anwendung auf Gesetze, sonstige Vorschriften oder Verpflichtungen in Bezug auf die öffentliche Beschaffung von Dienstleistungen, die für staatliche Zwecke beschafft werden und nicht zum kommerziellen Wiederverkauf oder zur Nutzung bei der Erbringung von Dienstleistungen zum kommerziellen Verkauf bestimmt sind.262 Derartige Dienstleistungen können u. a. auch Gesundheitsdienstleistungen sein.263 Voraussetzung ist, dass die Krankenkassen diese Leistungen zur Versorgung ihrer Versicherten einkaufen. Darunter fallen zum einen die in den letzten Jahren vom Gesetzgeber eingeführten Möglichkeiten selektiver Vertragsgestaltung von Krankenkassen in der ambulanten Versorgung im Rahmen des Einkaufsmodells.264 Zum anderen dürften entsprechend auch (selektive) Versorgungsverträge der Krankenkassen mit Krankenhäusern i.S.v. § 108 Nr. 3 SGB V aus den gleichen Erwägungen der partiellen Bereichsausnahme unterfallen.
IV. Ergebnis zum Anwendungsbereich des GATS Der Geltungsbereich des GATS bzw. seine Ausnahmen können restriktiv und extensiv ausgelegt werden. Die Anwendbarkeit des GATS auf Gesundheitsdienstleistungen der GKV (leistungsrechtlich wie krankenversicherungsrechtlich betrachtet) kann danach theoretisch von einem vollständigen Ausschluss bis hin zu einer differenzierten Anwendung reichen. Die Untersuchung der Bereichsausnahme hoheitlich erbrachter Dienstleistungen im Lichte des internationalen Mehrebenensystems zeigte allerdings, dass eine vollständige Bereichsausnahme für Gesundheitsdienstleistungen rechtlich nicht haltbar ist. Vielmehr ist eine differenzierende 261
Meistbegünstigung Art. II, Marktzugang Art. XVI, Inländerbehandlung Art. XVII. Eingehend zu Art. XIII und Verweis auf das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. XIII GATS, Rn. 7 ff. 263 Zacharias, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO- Trade in Services, Art. XIII GATS, Rn. 1. 264 Zu den selektiven Vertragsoptionen für Krankenkassen oben in Teil 2 unter C.II.2. 262
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Betrachtungsweise notwendig, die – ohne Ansehung der Organisationsform oder Rechtsnatur des Dienstleisters – darauf abstellt, ob ein Dienstleister seine Leistung in einem wie auch immer gearteten Wettbewerb mit anderen Dienstleistern zu kommerziellen Zwecken erbringt. Unter Anwendung dieses Auslegungsansatzes lassen sich folgenden drei „relevante Märkte“ von Dienstleistungen des deutschen Gesundheitssystems ausmachen, auf die das GATS grundsätzlich anzuwenden ist: – die ambulante Versorgung, – die stationäre Versorgung, – den Bereich der Krankenversicherungsdienstleistungen, hier aber nur begrenzt auf die drei Untersegmentierungen: PKV-Versicherungen (substitutive Krankenversicherung), freiwillige Versicherungen bei einer gesetzlichen Krankenkasse oberhalb der Versicherungspflichtgrenze § 9 SGB V/§ 12 VAG und der Markt der Zusatzversicherungen i.S.v. § 194 Abs. 1a SGB V. Es sei an dieser Stelle noch einmal darauf hingewiesen, dass der diesem Ergebnis zugrunde gelegte differenzierte Auslegungsansatz bisher nicht rechtlich verbindlich auf multilateraler Ebene verankert wurde. Insoweit verbleibt weiterhin eine Rechtsunsicherheit bei der Auslegung der Bereichsausnahme zu Lasten der WTOMitglieder, die nicht „sicher“ sind vor eventuellen Beschwerden im Rahmen des WTO-Streitbeilegungsmechanismus. Einerseits birgt diese „Auslegungsunsicherheit“ die Gefahr, dass das GATS ggf. auf eine erheblich größere Anzahl von nationalen Regulierungsvorschriften im deutschen Gesundheitssystem letztlich angewandt werden könnte, als bei Abschluss der Uruguay-Runde avisiert war. Andererseits birgt diese „Unbestimmtheit“ aber auch die Chance, das GATS den Bedürfnissen nationaler Regulierung entsprechend flexibel auszulegen und anzuwenden. Eine Möglichkeit, die Rechtsunsicherheit bei der Frage der Reichweite des Anwendungsbereichs von GATS zu verringern ohne den nationalen Regulierungsspielraum durch materiellrechtliche Regelungen zu verringern, bestände zum Beispiel darin, multilateral eine verfahrensrechtliche Regelung zu verankern: Die Beweislast, ob eine Maßnahme dem Tatbestand des GATS oder der Bereichsausnahme unterfällt, sollte dem WTO-Mitgliedstaat obliegen, der sich auf die eventuelle Marktöffnungsverletzung beruft. Im Übrigen ist der Umstand, dass das GATS auf eine Gesundheitsdienstleistung anzuwenden ist, nicht mit tatsächlichen Marktöffnungsverpflichtungen gleichzusetzen. Diese Frage hängt vielmehr von der Reichweite der von den WTO-Mitgliedern in eigener Verantwortung in die nationalen Verpflichtungslisten ggf. eingetragenen Marktöffnungsverpflichtungen ab, die Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts sind.
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
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C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung Das GATS ruht auf vier Säulen, die unterschiedliche Pflichten umfassen. Die erste Säule umfasst mit den „Allgemeinen Pflichten und Disziplinen“ die für alle WTO-Mitglieder und daher horizontal oder top down265 geltenden verfahrensrechtlichen Vorschriften zu Transparenz- und Informationspflichten sowie materiellrechtliche Verpflichtungen266, vor allem das Meistbegünstigungsprinzip (Art. II GATS) und die Anforderungen an innerstaatliche Regelungen (Art. VI GATS). Die zweite Säule bilden die spezifischen oder bottom up-Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, in denen sie festlegen, zu welchen Mindestbedingungen Wettbewerbern anderer WTO-Mitgliedstaaten Marktzugang und Inländerbehandlung gewährt werden soll (Artt. XVI, XVII, XVIII GATS). Die ersten beiden Bereiche sind stark miteinander verzahnt entgegen der klaren Unterteilung des GATS-Textes in „Teil II: Allgemeine Verpflichtungen“ und „Teil III: Spezifische Verpflichtungen“. Viele Vorschriften des Teils II enthalten allgemeine Verpflichtungen, die nur im Zusammenspiel mit den spezifischen Verpflichtungen aus Teil III „aktiviert“ werden können.267 Die Reichweite und Bedeutung dieser „besonderen“ allgemeinen Verpflichtungen – die sog. Annexpflichten – erschließt sich daher nur in Zusammenschau mit den spezifischen Verpflichtungen des Teil III des GATS. Deshalb werden diese Annexpflichten zusammen mit den spezifischen Verpflichtungen dargestellt werden. Die dritte Säule schließlich enthält Bestimmungen zur fortschreitenden Liberalisierungsverpflichtung und die vierte Säule den institutionellen Rahmen des GATS, der u. a. die Errichtung des Rates für den Handel mit Dienstleistungen (Council for Trade in Services, Art. XXIV GATS) vorsieht und die Regelungen zur Streitbeilegung auf das GATS erstreckt (Art. XXIII GATS). Die WTO-Mitglieder haben mit bzw. seit dem Inkrafttreten des GATS 1995 eine Vielzahl von zusätzlichen Dokumenten beschlossen, die eine Vielzahl der GATSVorschriften in allen vier Säulen konkretisieren. Diese zusätzlichen Dokumente lassen sich in fünf Regelungsebenen unterteilen: Zunächst erschließt sich die Verpflichtungsintensität der spezifischen Verpflichtungen und ihrer Annexverpflichtungen aus Teil II und III des GATS erst im Zusammenspiel des GATS-Textes mit den angehängten nationalen Verpflichtungslisten zum Marktöffnungsstand (sog. schedules). Diese Listen sind gem. Art. XX Abs. 3 265
Fidler/Correa/Aginam, Rn. 68. So die Unterscheidung von Fidler/Drager/Correa/Aginam, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), Internationaler Trade in Health and the GATS, S. 150. 267 So Adlung, Public Services, S. 6; Fidler/Drager/Correa/Aginam, in: Blouin/Drager/ Smith (Hrsg.), International Trade in Health and the GATS, S. 157. 266
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
GATS ebenso wie die sog. Anlagen zum GATS gem. XXIX GATS ein wesentlicher, integraler Bestandteil des GATS-Übereinkommens selbst.268 Die Listen bestehen aus zwei Teilen, den spezifischen horizontalen Verpflichtungen in Teil 1 der Listen (sog. fast track, cluster oder horizontal commitments)269 und den sektorspezifischen Verpflichtungen in dem 2. Teil der Verpflichtungslisten. Die Verpflichtungen der EU-Mitgliedstaaten sind in einer Liste zusammengefasst, eine Lösung, die dem Umstand der geteilten Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und der EU in Handelsfragen Rechnung trägt.270 Neben den allgemeinen Anlagen (zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen sowie zu Ausnahmen von Artikel II GATS) stehen die sektorspezifischen Anlagen u. a. für Finanz- und Telekommunikationsdienstleistungen.271 Die daneben tretenden ebenfalls sektorspezifischen Protokolle sind wiederum rechtlich selbstständige Übereinkommen, die einzelne GATS-Sektoren konkretisieren und insbesondere das Inkrafttreten der ihnen beigefügten mitgliedstaatlichen Listen mit spezifischen Verpflichtungen zu konkreten Sektoren bestimmen.272 Eine vierte Regelungsebene273 bilden schließlich sonstige dem GATS beigefügte Vereinbarungen und Erklärungen. Für Gesundheitsdienstleistungen sind hier besonders wichtig das Referenzpapier zu Telekommunikationsdienstleistungen (Reference Paper on Regulatory Principles) mit grundlegenden Wettbewerbsprinzipien als auch die Vereinbarung zu Finanzdienstleistungen (Understanding on Commitements in Financial Services). Daneben tritt auf fünfter Stufe schließlich das WTO-Sekundärrecht, d. h. das von den WTO-Organen gesetzte Recht (Mitteilungen, Erklärungen und notes des WTO-Sekretariats, der Arbeitsgruppen, des Rates für den Handel mit Dienstleistungen). Die nachfolgende Tabelle stellt die für Gesundheitsdienstleistungen wichtigsten primärrechtlichen Regelungen des GATS noch einmal zusammen:274 268 Zur Systematik von Übereinkommen und ergänzenden Regelungen Ohler, in: Hermann/ Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 835 ff. 269 Koivusalo, S. 442. 270 Dazu näher im Zusammenhang mit der built-in agenda des Verfahrens zur Änderung der Listen spezifischer Verpflichtungen unten in Teil 3 unter C.IV. 271 Darüber hinaus gibt es im Transportbereich zu den Untersektoren Luft- und Seeverkehrsdienstleistungen zwei weitere Anlagen. Eingehend zu der Anlage für Luftverkehr Köbele, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Annex on Air Transport Services, Rn. 1 ff., zur Anlage für Seeverkehrsdienstleistungen Parameswaran, in: Wolfrum/Stoll/ Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Annex on Negotiations on Maritime Services, Rn. 1 ff. 272 Ohler, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 836; vgl. Stoll/ Schorkopf, Rn. 570. 273 Anders Ohler, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 837, der nur von einem Drei-Ebenen-Modell spricht und die sonstigen zusätzlichen Verpflichtungen und Erklärungen nicht mit einbezieht. 274 Sekundärrechtliche Akte mit besonderer Bedeutung für Gesundheitsdienstleistungen sind u. a. die Leitlinien für den Abschluss spezifischer Verpflichtungen unter dem GATS
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
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Tabelle 6 Sonderregelungen mit Relevanz für Gesundheitsdienstleistungen Dienstleis- Anlagen275 tungssektor
Protokolle276
Alle
Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen; Anlage zu Ausnahmen von Artikel II GATS277
Drittes Protokoll zum Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen)278
Finanzdienstleistungen
Anlage zu Finanzdienstleistungen; Zweite Anlage zu Finanzdienstleistungen
Zweites u. Fünftes Protokoll zum Allg. Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen279
Weitere Vereinbarungen der WTO-Mitglieder
Vereinbarung über die Verpflichtung bei Finanzdienstleistungen (Understanding on Commitments in Financial Services)280; zusätzliche Verpflichtung der seinerzeitigen Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitglieder (Anhang zur Verpflichtungsliste der seinerzeitigen EG zu Finanzdienstleistungen gem. Art. XVIII GATS)281
(Guidelines for the Scheduling of specific Commitments under the General Agreement on Trade in Services (GATS); siehe dazu auch insbesondere die Anmerkung des WTO-Sekretariats zu zusätzlichen Verpflichtungen nach Art. XVIII GATS, WTO, Additional Commitments under article XVIII of the GATS, Rn. 1 ff. 275 Diese Anlagen datieren v. 15. April 1994, da sie mit dem GATS in Marrakesch verabschiedet wurden, BGBl. 1994 II, S. 1643; ABl. 1994 L 336, 190. 276 Ein als „Erstes Protokoll“ bezeichnetes Protokoll ist nicht in Kraft getreten, da es allein für den Fall vorgesehen war, dass die von einigen Entwicklungsländern verspätet eingereichten Verpflichtungen nicht mehr in das Urugay-Übereinkommen hätten integriert werden können, dazu http://www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/s_negs_posturuguay_e.htm, Stand: Oktober 2012. 277 Näher zu der Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen Bast, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Annex on Movement of Natural Persons Supplying Services Under the Agreement, Rn. 1 ff., sowie zu der sog. Anlage zu Ausnahmen von Artikel II GATS Wolfrum, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Annex on Article II Exemptions, Rn. 1 ff. 278 Drittes Protokoll v. 6. Oktober 1995, ABl. EG 1996 L 167/43, in Kraft getr. am 26. Juli 1996. 279 2. Protokoll v. 6. Oktober 1995, ABl. EG Nr. L 167 v. 6. Juli 1996, 25, in Kraft getr. am 1. September 1995, BGBl. 1995, S. 5. Protokoll v. 27. Februar 1998, ABl. EG Nr. L 20 v. 27. Januar 1999, 53, in Kraft getr. am 1. März 1999, BGBl. 1999 II S. 312. 280 Entscheidung des Ministerrates vom 15. März 1995, Doc. LT/UR/U/1 – Understanding on Commitments in Financial Services. 281 ABl. EG 1994 L 336/190, BGBl. 1994 II, S. 1643.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Tabelle 6 (Fortsetzung) Dienstleis- Anlagen275 tungssektor Telekommunikationsdienstleistungen
Anlage zur Telekommunikation; Anlage zu Verhandlungen über Basistelekommunikation
Protokolle276
Weitere Vereinbarungen der WTO-Mitglieder
Viertes Protokoll zum Allg. Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen282
Referenzpapier zu Regulierungsprinzipien (Reference Paper on Regulatory Principles283), zusätzliche Verpflichtungen der seinerzeitigen EG und ihrer Mitgliedstaaten gem. Art XVIII GATS284, Mitteilung der seinerzeitigen EG zur Klassifikation im Telekommunikationssektor v. 10. 2. 2005 (Communication from the EC, Classification in the Telecom Sector under the WTO-GATSFramework, TN/S/W/27, S/CSC/W/ 44)
Quelle: Erweiterte Darstellung in Anlehnung an Hernekamp, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 21, Rn. 4 ff.
Die Entwicklungsgeschichte dieser ergänzenden, im Rahmen der Uruguay-Verhandlungsrunde erarbeiteten Regimes zeichnet sich durch strukturelle Gemeinsamkeiten als auch sektorspezifische Besonderheiten aus, die auch die kontroversen Dienstleistungsverhandlungen der Doha-Handelsrunde entscheidend prägen. Insbesondere die sektorspezifischen Anlagen spiegeln die Problembereiche, in denen während der Uruguay-Verhandlungen selbst keine Einigung über die Geltung des GATS erzielt werden konnte.285 Sie enthalten Begriffsbestimmungen und Sonderregelungen zum GATS, um den Eigenarten der komplexen Dienstleistungen verschiedener Sektoren gerecht zu werden. Neben der oben bereits genannten Anlage zu Finanzdienstleistungen kann auch die Anlage zur Telekommunikation für die im Zusammenhang mit IT-Technik erbrachten Gesundheitsdienstleistungen (Telemedizin/e-health) Bedeutung entfalten.286 Ein eigenes Sonderregime für Gesundheit gibt es hingegen nicht.287 282 Vom 15. April 1997, ABl. EG Nr. L 347 v. 18. Dezember 1997, 45, in Kraft getreten am 5. Februar 1998, BGBl. 1998 II, S. 877. 283 Beschlossen am 24. April 1996 zu Basistelekommunikationsdienstleistungen, deutsche Fassung abgedruckt in BGBl. 1997 II, S. 1989, 1993. 284 Die EU sowie die USA und Japan richteten ihre für Basistelekommunikationsdienstleistungen zusätzlich nach Art. XVIII GATS übernommenen Verpflichtungen an dem Referenz-Papier aus; die Listen sind abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012. 285 Zu den sektorspezifischen Verhandlungen Senti, S. 60 f. 286 Zu der Anlage näher Gao, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Annex on Negotiations on Basic Telecommunications, Rn. 1 ff. 287 Das einzige Land, das überhaupt zusätzliche Verpflichtungen in seine Länderliste eingetragen hat nach Art. XVIII GATS ist Malaysia, dazu unten näher in Teil 3 unter C.II.1.b), dd).
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
201
Um die Einwirkungsintensität des GATS auf das deutsche Gesundheitssystem darzustellen, muss im ersten Schritt geklärt werden, in welchem Umfang die „allgemeinen Pflichten und Disziplinen“ (I.) sowie die von Deutschland eingegangenen spezifischen Verpflichtungen für Gesundheitsdienstleistungen gegenwärtig gelten – und inwieweit hier ggf. Rechtstheorie und -praxis auseinander klaffen (II.). In der Handelspraxis können diese Pflichten unter Rekurs auf Ausnahmetatbestände zum Schutz der Gesundheit und der Zahlungsbilanz sowie der Wahrung der Sicherheit allerdings eingeschränkt werden (III.). Schließlich gilt es, die fortschreitende Liberalisierung (sog. built-in agenda) auch im Gesundheitsbereich zu skizzieren (IV.) und in Zusammenhang mit dem institutionellen GATS-Rahmen zu stellen (V.).
I. Allgemeine Pflichten und Disziplinen des GATS Die erste Säule des GATS umfasst allgemeine Liberalisierungspflichten, die für jede Maßnahme, die den Handel mit Dienstleistungen betrifft und jedes Mitglied verbindlich sind und daher auch als top down oder horizontale Pflichten und Disziplinen bezeichnet werden288 : – Prinzip der Meistbegünstigung und Ausnahmen, Art. II GATS i.V.m. der Anlage zu Ausnahmen von Art. 2 GATS; – Transparenzpflichten, Art. III Abs. 1, 4 GATS; – Bestimmte innerstaatliche Regelungen, Art. VI Abs. 2 a), b) GATS; – Monopolkontrollregelungen, Art. VIII Abs. 1 GATS; – Anerkennung ausländischer Qualifikationen, Art. VII GATS; – Konsultationspflichten für wettbewerbsbehindernde Geschäftspraktiken (außerhalb des Anwendungsbereichs von Art. VIII GATS), Art. IX Abs. 2 GATS und handelsverzerrende Subventionen, Art. XV Abs. 2 GATS.
Die Reichweite auch dieser Vorschriften ist nicht abschließend geklärt und steht teilweise höchst unterschiedlicher Bewertung offen. So wird insbesondere das Meistbegünstigungsprinzip einerseits als grundlegende Errungenschaft des internationalen Handels – auch für den Gesundheitsdienstleistungshandel – begrüßt289, von anderer Seite wiederum als schwerwiegende Gefährdung eigenverantwortlicher nationaler Gesundheitspolitiken eingestuft.290 Entscheidend für die Bewertung dieser allgemeinen Vorschriften des Teil II des GATS für Gesundheitsdienstleistungen ist zunächst die Untersuchung der unterschiedlichen Reichweite der verfahrensrechtlichen (1.) und materiellrechtlichen 288
So Fidler/Correa/Aginam, Draft Legal Review, Rn. 148; Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 196 f. 289 Adlung/Carzaniga, S. 355; WTO, GATS Facts and Fiction, S. 9. 290 Sanger, S. 72; World Development Movement, S. 14 ff.; Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 45 ff., 63 ff.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
allgemeinen Pflichten und Disziplinen (2.). Nicht alle dieser in Teil II des GATS niedergelegten Verpflichtungen sind allerdings auch „echte“ horizontale Pflichten. Die verfahrensrechtlichen und materiellen Pflichten, die ihre Wirkung erst im Zusammenspiel mit den spezifischen Verpflichtungen des Teil III des GATS (Marktöffnungsverpflichtungen in den Länderlisten im Anhang zum GATS) entfalten, sind deren Annexpflichten und werden daher zusammen mit diesen untersucht werden unten in Teil 3 unter C.II. 1. Allgemeine verfahrensrechtliche Pflichten Verfahrensrechtliche Pflichten des GATS sind zunächst Veröffentlichungs- und Auskunftspflichten über nationale Vorschriften und Verfahren.291 Daneben tritt aber auch das Recht, Vorschriften anderer Mitglieder dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen unter bestimmten Umständen anzuzeigen [a)]. Darüber hinaus sind Verhandlungs- und Konsultationspflichten der WTO-Mitglieder unter einander als auch gegenüber verschiedenen WTO-Institutionen und anderen Internationalen Organisationen vorgesehen [b)]. Diese Vorschriften sind Ausdruck des Transparenzprinzips im GATS. Ihrer Natur nach haben diese Vorschriften grundsätzlich weniger Einwirkungspotential als materielle Verpflichtungen. Nichtsdestotrotz ist nicht zu verkennen, dass sie „Wegbereiter“ der materiellrechtlichen Verpflichtungen und insbesondere deren Durchsetzung sind.292 So besteht z. B. die Verpflichtung der WTO-Mitglieder, neue den Dienstleistungshandel wesentlich betreffende Vorschriften an den Rat für den Handel mit Dienstleistungen zu notifizieren. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass der aktuelle Marktöffnungsstand gegenüber den anderen WTO-Mitgliedern transparent gehalten wird. Derart besteht für ausländische interessierte Wettbewerber z. B. die Möglichkeit, Vor- und Nachteile eines eventuellen Markteintritts abzuschätzen. Die WTO-Mitglieder haben entsprechend die Möglichkeit, auf mögliche restriktive und protektionistische Maßnahmen zu reagieren, entweder in dem sie in einem Streitbeilegungsverfahren die eventuelle Handelsbeeinträchtigung geltend machen oder sich im Rahmen der fortlaufenden Liberalisierungsverhandlungen für eine weitere Marktöffnung einsetzen.293 Darüber hinaus dienen Verfahrenspflichten aber auch dazu, grundsätzlich die Beteiligung und das Vertrauen der Vertragsparteien in eine ordnungsgemäße und angemessene Umsetzung der Vertragspflichten zu stärken.294 291 Zur Unterscheidung in verfahrensrechtliche und materielle allgemeine Pflichten und Disziplinen und ebenso verfahrensrechtliche und materielle spezifische Verpflichtungen (inklusive Annexpflichten) Fidler/Correa/Aginam, Draft Legal Review, S. 70 f., 99 f., 102 f.; ebenso im Ergebnis Krajewski, National Regulation, S. 127. 292 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 286. 293 Dazu Barth, S. 455. 294 Siehe Fidler/Correa/Aginam, Rn. 286.
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
203
a) Veröffentlichungs-, Auskunfts- und Unterrichtungspflichten u. a. Jedem WTO-Mitglied obliegt es, an den Rat für den Handel mit Dienstleistungen wie auch an andere WTO-Mitglieder bestimmte Informationen unter bestimmten Umständen zu übermitteln.295 Für Gesundheitsdienstleistungen sind – wie für die übrigen Sektoren – alle der nachfolgend zusammengestellten Transparenzpflichten von Bedeutung. Den WTO-Mitgliedern obliegt es zum einen Informationen zur Regulierung ihrer Dienstleistungsbranchen zu veröffentlichen: Art. III [Transparenz] (1) Jedes Mitglied veröffentlicht umgehend und, von Notstandssituationen abgesehen, spätestens zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens alle einschlägigen allgemeingültigen Maßnahmen, die sich auf die Anwendung dieses Übereinkommens beziehen oder sie beeinträchtigen. Internationale Übereinkünfte, die für den Handel mit Dienstleistungen gelten oder ihn beeinträchtigen und die ein Mitglied unterzeichnet hat, sind ebenfalls zu veröffentlichen. (2) Ist eine Veröffentlichung nach Absatz 1 nicht durchführbar, so ist die Information auf andere Weise öffentlich zugänglich zu machen.
Informationsrelevante Regulierungsvorschriften können beispielsweise Zulassungsvoraussetzungen und -verfahren für Krankenhäuser und Berufsausübungsregelungen für Angehörige der Gesundheitsberufe im ambulanten Bereich, Anforderungen an (WTO-weite, unionsweite) Ausschreibungsverfahren, Regelungen zu ethischen Standards und ihre Durchsetzung sein.296 Zum anderen besteht die Verpflichtung, Auskunftsersuchen anderer Mitglieder über handelsrelevante Maßnahmen oder internationale Übereinkünfte umgehend zu beantworten: Art. III Abs. 4 [Auskunftspflicht] (4) Jedes Mitglied beantwortet umgehend alle Ersuchen eines anderen Mitglieds um bestimmte Auskünfte über jede seiner allgemein geltenden Maßnahmen oder internationalen Übereinkünfte im Sinne des Absatzes 1. Ferner richtet jedes Mitglied eine oder mehrere Auskunftsstellen ein, die andere Mitglieder auf Ersuchen über alle derartigen Angelegenheiten sowie die der Notifikationspflicht nach Absatz 3 unterliegenden Angelegenheiten im einzelnen unterrichten […].
Die praktische Bedeutung dieser Verpflichtung ist bislang – jedenfalls in dem bislang außerhalb des Zentrums offensiver Handelsinteressen stehenden Gesundheitsbereich – gering. So hat es bislang keinen Fall eines an Deutschland im Gesundheitsbereich gerichteten offiziellen Auskunftsersuchens eines anderen Mitglieds gegeben. 295 Zu den Rechten und Pflichten des Transparenzprinzips nach GATS, siehe Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 521 ff. 296 Beispiele bei Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 197.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Die WTO-Mitglieder haben darüber hinaus auch ein Anzeigerecht von Maßnahmen anderer Mitglieder, die sich ihrer Meinung nach auf das GATS auswirken:297 Art. III Abs. 5 [Anzeigerecht] (5) Jedes Mitglied kann dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen jede Maßnahme eines anderen Mitglieds notifizieren, die nach seiner Auffassung die Wirkungsweise dieses Übereinkommens berührt.
In der Praxis ist von diesem Anzeigerecht – nicht zuletzt angesichts der politischen Brisanz – jedenfalls im Gesundheitsbereich noch kein Gebrauch gemacht worden. Eine Ausnahme von den Veröffentlichungspflichten des Art. III GATS wird für vertrauliche Informationen gem. Art. IIIbis GATS gemacht: Art. IIIbis [Offenlegung vertraulicher Informationen] Dieses Übereinkommen verpflichtet die Mitglieder nicht, vertrauliche Informationen, deren Offenlegung die Durchsetzung von Gesetzen behindern oder sonst dem öffentlichen Interesse widersprechen würde oder die berechtigten kommerziellen Interessen bestimmter öffentlicher oder privater Unternehmen schädigen würde, zur Verfügung zu stellen.
Ob eine Information als vertraulich einzustufen ist, richtet sich nach der Rechtsordnung des jeweiligen WTO-Mitglieds.298 Unterrichtungspflichten der WTO-Mitglieder an den Rat für den Handel mit Dienstleistungen betreffen die Anerkennung ausländischer Qualifikationsnachweise (Art. VII Abs. 4) oder die Ausgestaltung von Monopolen und die Erteilung von ausschließlichen Rechten (Art. VIII Abs. 3, 5 GATS), Maßnahmen zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen und der Außerkraftsetzung dieser Maßnahmen (Art. XIVbis Abs. 2 GATS), für den Abschluss von Übereinkommen über wirtschaftliche Integration (Art. V Abs. 7 GATS) und integrierte Arbeitsmärkte (Art. Vbis lit. b) GATS) und schließlich beim Ablauf einer Ausnahme zum Meistbegünstigungsgebot, wenn die jeweilige Maßnahme in Einklang mit dem GATS gebracht worden ist (Ziffer 7 der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II): Art. VII Abs. 4 [Anerkennung] (4) Jedes Mitglied a) unterrichtet den Rat für den Handel mit Dienstleistungen innerhalb von 12 Monaten nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens für das Mitglied über seine bestehenden Aner297
Als Korrekturinstrument zu dem weiten Beurteilungsspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Ausnahme von den Transparenzpflichten zugunsten von z. B. vertraulichen Informationen zusteht, bezeichnet diese Notifikationspflicht Schmidt, S. 144. 298 Zu den Implikationen der Transparenzpflicht für Entwicklungshilfe- sowie Investitionspolitik in Entwicklungsländern, siehe Mashayekhi/Julsaint/Tuerk, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 27 f.; zu Begriff und Konzept der good governance im Gesundheitswesen siehe auch BMZ, S. 9. Zu den Gefahren des Konzepts im Zusammenhang mit Investitionsprogrammen in Entwicklungsländern, siehe die Studie der OECD, Governance Indicators, S. 7 ff.
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kennungsmaßnahmen und erklärt, ob diese Maßnahmen auf der Grundlage von Vereinbarungen oder Absprachen nach Absatz 1 [betr. Anerkennung von Ausbildungs- Berufserfahrungsnachweisen etc.] getroffen wurden; b) unterrichtet den Rat für den Handel mit Dienstleistungen umgehend und möglichst weit im Voraus über die Aufnahme von Verhandlungen über eine Vereinbarung oder Absprache nach Absatz 1, um anderen Mitgliedstaaten ausreichende Gelegenheit zu geben, ihr Interesse an der Teilnahme an solchen Verhandlungen zu bekunden, bevor diese in eine entscheidende Phase treten; c) unterrichtet den Rat für den Handel mit Dienstleistungen umgehend, wenn es neue Anerkennungsmaßnahmen beschließt oder bestehende erheblich ändert und erklärt, ob diese Maßnahmen auf der Grundlage von Vereinbarungen oder Absprachen nach Absatz 1 getroffen wurden. Art. VIII Abs. 3 [Monopole und Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten] (3) Auf Antrag eines Mitglieds, das Grund zu der Annahme hat, dass der Dienstleistungserbringer eines anderen Mitglieds mit Monopolstellung im Widerspruch zu Absatz 1 oder 2 handelt, kann der Rat für den Handel mit Dienstleistungen das für die Einsetzung, Unterhaltung oder Ermächtigung dieses Erbringers verantwortliche Mitglied ersuchen, spezifische Informationen über die entsprechenden Tätigkeiten zu liefern. Art. VIII Abs. 5 [Anwendbarkeitserklärung der Vorschriften für Monopole im Falle von ausschließlichen Rechten] (5) Dieser Artikel gilt auch für Fälle von Dienstleistungserbringern mit ausschließlichen Rechten, sofern ein Mitglied formal oder tatsächlich a) eine kleine Zahl von Dienstleistungserbringern ermächtigt oder einsetzt oder b) den Wettbewerb unter diesen Erbringern in seinem Hoheitsgebiet in erheblichem Maß unterbindet. Art. V Abs. 7 [Notifizierung von Übereinkommen über wirtschaftliche Integration] a) Mitglieder, die Vertragsparteien einer in Absatz 1 genannten Übereinkunft sind, notifizieren dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen umgehend jede derartige Übereinkunft sowie jede Erweiterung oder wesentliche Änderung der Übereinkunft. Sie stellen dem Rat ferner alle von ihm angeforderten einschlägigen Informationen zur Verfügung. Der Rat kann eine Arbeitsgruppe einsetzen, die eine solche Übereinkunft oder die Erweiterung oder Änderung einer solchen Übereinkunft prüft und dem Rat berichtet, ob sie mit diesem Artikel vereinbar ist. b) Mitglieder, die Vertragsparteien einer in Absatz 1 genannten Übereinkunft sind, die auf der Grundlage eines Zeitplans durchgeführt wird, berichten dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen regelmäßig über die Durchführung. Der Rat kann zur Prüfung dieser Berichte eine Arbeitsgruppe einsetzen, wenn er eine solche Gruppe für notwendig erachtet. c) Auf der Grundlage der Berichte der unter den Buchstaben a und b genannten Arbeitsgruppen kann der Rat gegebenenfalls Empfehlungen an die Vertragsparteien richten.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Art. Vbis [Notifizierung von Übereinkommen über die Integration von Arbeitsmärkten] Dieses Übereinkommen hindert seine Mitglieder nicht daran, Vertragspartei einer Übereinkunft zu sein, welche die volle Integration der Arbeitsmärkte zwischen oder unter den Vertragsparteien der Übereinkunft herbeiführt, unter der Voraussetzung, dass die Übereinkunft a) Staatsangehörige der Vertragsparteien von der Pflicht zur Beschaffung von Aufenthaltsund Arbeitserlaubnissen freistellt; b) dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen notifiziert wird. Art. XIVbis Abs. 2 [Unterrichtung über Maßnahmen zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen] (2) Der Rat für den Handel mit Dienstleistungen wird über Maßnahmen nach Absatz 1 Buchstaben b und c und deren Aufhebung so ausführlich wie möglich unterrichtet. Ziff. 7 Anlage zu Art. II [Auslaufen einer Ausnahmevorschrift] Ein Mitglied notifiziert dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen bei Ablauf des Zeitraums, für den die Ausnahme gewährt worden ist, dass die seinen Verpflichtungen nicht entsprechende Maßnahme mit Artikel II Absatz 1 des Übereinkommens in Einklang gebracht worden ist.
Im Übrigen sind Kontaktstellen einzurichten, um die Entwicklungs- (Art. IV Abs. 2 GATS) bzw. technische Zusammenarbeit (Art. XXV GATS) zu erleichtern: Art. IV Abs. 2 [Zunehmende Beteiligung der Entwicklungsländer] (2) Die entwickelten Länder, die Mitglieder sind, und soweit wie möglich auch andere Mitglieder errichten innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens Kontaktstellen, um den Dienstleistungserbringern aus Entwicklungsländern, die Mitglieder sind, den Zugang zu die jeweiligen Märkte betreffenden Informationen über […] kommerzielle und technische Aspekte der Erbringung von Dienstleistungen […] zu erleichtern. Art. XXV Abs. 1 [Technische Zusammenarbeit] Dienstleistungserbringer von Mitgliedern, die einer solchen Hilfe bedürfen, haben Zugang zu den Dienstleistungen der in Artikel IV Absatz 2 genannten Kontaktstellen.
Die Anforderungen, die an die Mitglieder bei der Umsetzung dieser allgemeinen Transparenzpflichten gestellt werden können, dürfen – wie auch in den übrigen Sektoren – nicht zu unverhältnismäßigem, bürokratischen Mehraufwand für Bundesund Landesministerien sowie ggf. nachgeordnete Bundes- bzw. Landesbehörden im Gesundheitsbereich führen.299
299 Näher dazu Fidler/Correa/Aginam, Rn. 289; insbesondere zu Entwicklungsländern, siehe Gould/Joy, S. 16 f.; eingehend auch Krajewski, National Regulation, S. 126 f.
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
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b) Verhandlungs- und Konsultationspflichten Das GATS verpflichtet die WTO-Mitglieder entsprechend dem in Erwägungsgrund 3 genannten Ziel einen „stetig zunehmenden Grad an Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen“ zu erreichen, zu weiteren Liberalisierungsverhandlungen und Konsultationen in verschiedenen Bereichen. Viermal werden die WTOMitglieder verpflichtet, zusätzliche multilaterale Disziplinen für den Dienstleistungshandel zu erarbeiten (Artt. VI Abs. 4, X Abs. 1, XIII Abs. 2, XV). Die für Gesundheitsdienstleistungen ggf. zukünftig wichtigste verfahrensrechtliche Verpflichtung steht in Art. VI Abs. 4 GATS mit dem Auftrag, gemeinsame Regeln (Disziplinen) als Rahmen für innerstaatliche Regulierung des Dienstleistungshandels zu entwickeln300 : Art. VI Abs. 4 [Innerstaatliche Regelungen] (4) Um zu gewährleisten, dass Maßnahmen, die Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse betreffen, keine unnötigen Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen darstellen, erarbeitet der Rat für den Handel mit Dienstleistungen mit Hilfe der von ihm gegebenenfalls eingesetzten geeigneten Gremien alle notwendigen Disziplinen. […]
Dieser Auftrag impliziert materiellrechtliche, an spezifische Verpflichtungen geknüpfte Pflichten, deren umstrittene Struktur, Reichweite und Bedeutung für Gesundheitsdienstleistungen und vor allem für die nationalen Gesundheitspolitiken daher in Teil 3 unter C.II. näher untersucht wird. In den übrigen drei Fällen handelt es sich um left-overs der Uruguay-Verhandlungen. Die strittigen Bereiche „Notstandsmaßnahmen“ (Art. X Abs. 1 GATS), „öffentliches Beschaffungswesen“ (Art. XIII Abs. 2 GATS) und „Subventionen“ (Art. XV GATS) sollten nach Abschluss des GATS einer Lösung zugeführt werden: Art. X Abs. 1 [Notstandsmaßnahmen] (1) Entsprechend dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung werden multilaterale Verhandlungen über die Frage von Notstandsmaßnahmen geführt.[…] Art. XIII Abs. 2 [Öffentliches Beschaffungswesen] Innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens finden multilaterale Verhandlungen über die öffentliche Beschaffung von Dienstleistungen im Rahmen dieses Übereinkommens statt. Art. XV Abs. 1, 2 [Subventionen] (1) Die Mitglieder erkennen an, dass Subventionen unter bestimmten Umständen zu Verzerrungen im Handel mit Dienstleistungen führen können. Die Mitglieder nehmen zur Vermeidung derartiger handelsverzerrender Auswirkungen Verhandlungen zur Ausarbeitung der erforderlichen multilateralen Disziplinen auf. […]
300
Bisher gibt es sie nur für Wirtschaftsprüfer (accountancy services).
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(2) Ein Mitglied, das sich durch eine Subvention eines anderen Mitglieds beeinträchtigt sieht, kann dieses Mitglied um Konsultationen über diese Frage ersuchen. Ein solches Ersuchen wird wohlwollend geprüft.
Den Mitgliedstaaten ist die Subventionierung ihrer inländischen Dienstleister grundsätzlich nicht nach Art. XV GATS untersagt. Sie sind jedoch gehalten „zur Vermeidung handelsverzerrender Auswirkungen Verhandlungen zur Ausarbeitung der erforderlichen multilateralen Disziplinen“ und „Ausgleichsverfahren“ aufzunehmen. Die Mitgliedstaaten, die sich einer handelsverzerrenden Subventionspraxis ausgesetzt sehen, können zwar ein Konsultationsersuchen an das jeweilige Mitglied stellen, das das Gesuch allerdings nur „wohlwollend“ zu prüfen hat.301 Der Gesundheitssektor wird in vielen Mitgliedsstaaten (quer-)subventioniert, um eine umfassende Krankenversorgung zu gewährleisten. Ob sie auch zu Handelsbeeinträchtigungen führen, ist unter Würdigung der Einzelfallumstände zu bewerten.302 Bisher hat es dazu noch kein Verfahren vor dem Appellate Body gegeben. Besonders relevant für den Gesundheitsbereich und sein stark national reguliertes Berufsrecht für Angehörige der Gesundheitsberufe ist die gegenseitige Anerkennung von Qualifikationen. Die Mitglieder mit entsprechendem Interesse sollen sich gegenseitig an eventuellen Verhandlungen über Vereinbarungen zur gegenseitigen Anerkennung beteiligen:303 Art. VII Abs. 2 [Anerkennung] (2) Ein Mitglied, das Vertragspartei einer bestehenden oder künftigen Vereinbarung oder Absprache nach Absatz 1 ist, gibt anderen interessierten Mitgliedern ausreichende Gelegenheit, über den Beitritt zu einer solchen Vereinbarung oder Absprache zu verhandeln oder ähnliche mit ihm auszuhandeln. Sofern ein Mitglied eine Anerkennung autonom gewährt, gibt es jedem anderen Mitglied ausreichende Gelegenheit nachzuweisen, dass die Ausbildung, Berufserfahrung, Zulassungen, Beglaubigungen oder Anforderungen, die im Hoheitsgebiet des anderen Mitglieds erworben beziehungsweise erfüllt worden sind, anzuerkennen sind.
Es handelt sich hier angesichts des fakultativen Charakters nicht um eine echte multilaterale Verhandlungspflicht.304 Nicht zur Verhandlung, jedoch zumindest zur Konsultation staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen sind die WTO-Mitglieder gehalten nach Art. VII Abs. 5, um gemeinsame internationale Normen und Kriterien für die Anerkennung und Ausübung von Dienstleistungsberufen zu entwickeln:
301
Dazu näher Fidler/Correa/Aginam, Rn. 294 ff. Siehe Teil 3 unter B.II. 303 Zu materiellen Verpflichtungsgehalt von Art. VII unten in Teil 3 unter C.I.2. 304 Siehe Fidler/Correa/Aginam, Rn. 306; zum materiellen Verpflichtungsgehalt von Art. VII, siehe unten Teil 3 unter C.II. 302
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Art. VII Abs. 5 [Konsultationspflicht] (5) […] Die Anerkennung soll so weit wie möglich auf multilateral vereinbarten Kriterien beruhen. Die Mitglieder arbeiten in geeigneten Fällen mit entsprechenden zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Organisationen zusammen, um gemeinsame internationale Normen und Kriterien für die Anerkennung sowie gemeinsame internationale Normen für die Ausübung der entsprechenden gewerblichen Tätigkeiten und Berufe im Dienstleistungsbereich zu erarbeiten und anzunehmen.
Für den Gesundheitsbereich werden vor allem im Bereich der Krankenschwestern und in sonstigen Pflegeberufen bereits vielfältige Anstrengungen unternommen.305 Eine der schwächsten Kooperationspflichten sieht Art. IX Abs. 2 vor für den Fall, dass ein WTO-Mitglied Konsultationen mit einem anderen Mitglied über bestimmte Geschäftspraktiken führen möchte: Art. IX Abs. 2 [Geschäftspraktiken] (2) Jedes Mitglied nimmt auf Antrag eines anderen Mitglieds Konsultationen mit dem Ziel auf, die [Wettbewerb behindernden] Praktiken zu beseitigen. Das angesprochene Mitglied prüft den Antrag gründlich und wohlwollend und wirkt dadurch mit, dass es öffentlich zugängliche, nicht vertrauliche Informationen von Belang für die betreffende Angelegenheit zur Verfügung stellt […].
Diese Kooperationspflicht rundet die Vereinbarung der Mitgliedstaaten gem. Art. IX Abs. 1 GATS ab, anzuerkennen, „dass gewisse Geschäftspraktiken von Dienstleistungserbringern, soweit sie nicht unter Artikel VIII fallen, den Wettbewerb behindern und damit den Handel mit Dienstleistungen beschränken können“. Besonders relevant können diese Vorschriften für jüngst liberalisierte Bereiche sein, in denen etablierte Dienstleister den Gesundheitsmarkt faktisch weiterhin dominieren. Sollte ein WTO-Mitgliedstaat mit Deutschland gem. Art. IX Abs. 2 GATS in Konsultationen treten, um eine Regelung als handelsbeschränkende Praktik zu rügen, wäre Deutschland allerdings nicht verpflichtet dem Begehren stattzugeben. Art. IX Abs. 2 GATS verpflichtet nur zur gründlichen und wohlwollenden Prüfung des Antrags. Das betreffende Mitglied hat ggf. öffentlich zugängliche Informationen bereitzustellen.306 Abgrenzungsfragen zu Art. VIII GATS könnten sich beispielsweise stellen, wenn ein Wettbewerber in der deutschen Preisfestsetzung für Vertragsärzte eine unzulässige Preiskalkulation sähe. Diese Praxis hat zwar grundsätzlich handelsbeschränkenden Charakter. Da die Aushandlung der vertragsärztlichen Vergütung (des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes) allerdings Teil des GKV-monopolisierten Bereichs ist, wäre statt Art. IX Abs. 2 GATS der Anwendungsbereich des Art. VIII GATS eröffnet.
305 306
Näher dazu in Teil 3 unter C.I.2.b). Ähnlich im Ergebnis Fidler/Correa/Aginam, Rn. 308.
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Aus dem Gesundheitsbereich ist kein Fall bekannt, in dem ein Mitgliedstaat die Regulierung/-spraxis eines Gesundheitssystems eines anderen Mitgliedstaates bisher gerügt hat. c) Würdigung GATS generiert eine Reihe von allgemeinen Verfahrenspflichten zur Information, Unterrichtung, Konsultation und Kooperation. Eine erste Gruppe von Verfahrenspflichten betreffen Informationspflichten und Anforderungen an die Ausgestaltung administrativer Verfahren. Derartige allgemeine, nicht an spezifische Verpflichtungen anknüpfende Pflichten sind Art. III Abs. 1, 2 GATS (Veröffentlichungspflichten), Art. III Abs. 4 GATS (Auskunftspflichten), Art. IIIbis GATS (Beschränkung: keine Verpflichtung zur Offenlegung vertraulicher Informationen), Art. IV Abs. 2 GATS (Einrichtung von Kontaktstellen für Entwicklungszusammenarbeit), Art. VII Abs. 4 GATS (Informationspflicht für beabsichtigten Abschluss von Anerkennungsvereinbarungen), Art. XXV GATS (Einrichtung von Kontaktstellen für die technische Zusammenarbeit). Diese Vorschriften sind Ausdruck des Transparenzansatzes des GATS. Unter ihnen nimmt Art. IIIbis GATS eine Sonderstellung ein, da er die Auskunftspflicht wieder einschränkt. Er grenzt materiell-rechtlich die Pflichten der WTO-Mitglieder unter GATS ein, indem er klarstellt, dass die WTO-Mitglieder keine vertraulichen Informationen im Rahmen der Verpflichtungen des GATS preiszugeben brauchen. Insgesamt legen diese Transparenzverpflichtungen den betroffenen Gesundheitsbehörden zwar eine gewisse Verwaltungslast auf. Die Verpflichtungen dürften aber den Regulierungsspielraum des deutschen Gesundheitsgesetzgebers bzw. der Selbstverwaltung nicht unverhältnismäßig einschränken. Die zweite Gruppe von Verfahrenspflichten sind Verhandlungs- und Konsultationspflichten. Zu den Verhandlungspflichten zählen Art. VI Abs. 4 GATS (technische Verpflichtung zur Aushandlung von Disziplinen für innerstaatliche Regulierung) und Art. X Abs 1 GATS (multilaterales Verhandlungsmandat zu Notstandsmaßnahmen) sowie Art. XIII Abs. 2 GATS (multilaterales Verhandlungsmandat zum öffentlichen Beschaffungswesen) und Art. XV GATS (multilaterales Verhandlungsmandat zur Subventionspolitik). Diese Verpflichtungen zur Aushandlung multilateraler weiterer Regelungen im Bereich der left overs der UruguayRunde sind Ausdruck der built-in agenda des GATS. Die Verhandlungen sind sorgsam zu führen angesichts ihres Potentials, grundsätzlich auch den nationalen Regulierungsspielraum einzuschränken. Gesundheitsbelange sind soweit ersichtlich allerdings (noch) nicht unmittelbar betroffen. Zu den Konsultationspflichten zählen Art. VII Abs. 2 GATS (Unterrichtung über beabsichtigten Abschluss von Anerkennungsvereinbarungen), Art. VII Abs. 5 GATS (Kooperationspflicht mit Internationalen Organisationen, NGOs) und Art. IX Abs. 2 GATS (Konsultationspflicht gegenüber Mitgliedern, die wettbewerbsbehindernde Geschäftspraktiken geltend machen). Der Konsultationscharakter ist für diese Ver-
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pflichtungen kennzeichnend, entsprechend gering ist ihre Auswirkung. Art. VII Abs. 2 GATS kommt nur geringe Intensität zu, da nur die Mitgliedstaaten betroffen sind, die freiwillig Anerkennungsvereinbarungen abgeschlossen haben. Es werden keine multilateralen, sondern nur bilaterale Vereinbarungen getroffen. Art. VII Abs. 5 enthält weniger eine Pflicht zur Zusammenarbeit, denn eine Pflicht zu gegenseitigen Konsultationen von Internationalen Organisationen und Nichtregierungsorganisationen. Art. IX Abs. 2 GATS schließlich kommt ebenfalls geringe Intensität zu, da das betroffene Mitglied nur den Vortrag zu angeblich unlauteren Geschäftspraktiken von dem anderen WTO-Mitglied anhören und intern prüfen muss. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann eine Beeinträchtigung souveräner, nationaler Gesundheitspolitik durch diese Transparenzvorschriften nicht festgestellt werden.307 Ein erheblicher bürokratischer Mehraufwand ist nach gegenwärtiger Rechtslage nicht durch die Veröffentlichungs-, Auskunfts- und Unterrichtungspflichten für das deutsche Gesundheitssystem zu befürchten. Die Verhandlungs- und Konsultationspflichten beschränken nicht die Autonomie der deutschen Gesundheitsregulierung. Die Verpflichtungen haben nur marginale Auswirkungsintensität. Ein Zielkonflikt mit dem Recht auf Gesundheit kann nicht festgestellt werden. 2. Allgemeine materiell-rechtliche Pflichten Materielle Verpflichtungen sind das Meistbegünstigungsprinzip [a)], sowie bestimmte Grundsätze, die bei der Anerkennung von Qualifikationsnachweisen nach Art. VII Abs. 3 GATS zu berücksichtigen sind [b)] als auch die Verpflichtung zur Monopolkontrolle gem. Art. VIII Abs. 1, 5 GATS [c)] und zur Einrichtung von Kontrollinstanzen, die prüfen, ob Verwaltungsentscheidungen, die den Handel mit Dienstleistungen betreffen, angemessen, objektiv und unparteiisch angewendet werden [d)]. a) Meistbegünstigungsprinzip gem. Art. II GATS und Ausnahmen Gem. Art. II Abs. 1 GATS muss jedes WTO-Mitglied grundsätzlich die Handelsvorteile, die es einem anderen Land im Dienstleistungsverkehr gewährt, auch den übrigen WTO-Mitgliedern gewähren, sog. Meistbegünstigungsprinzip (most favoured nation principle) [aa)], soweit nicht eine der vielfältigen Ausnahmemöglichkeiten greift [bb)].308
307
So auch Fidler/Correa/Aginam, Rn. 309. Der Unterschied zum GATT besteht darin, dass dort das Meistbegünstigungsprinzip nur für die Waren, nicht aber die Hersteller und Lieferanten gilt. Im GATS hingegen ist nicht nur die Diskriminierung der Dienstleistungen, sndern auch der Dienstleister durch das Meistbegünstigungsprinzip untersagt, siehe Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 511. 308
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Art. II GATS (1) Jedes Mitglied gewährt hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter dieses Übereinkommen fallen, den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt. (2) Ein Mitglied kann eine Maßnahme, die mit Absatz 1 nicht vereinbar ist, unter der Voraussetzung aufrechterhalten, dass diese Maßnahme in der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II aufgeführt ist und die Bedingungen jener Anlage erfüllt. (3) Dieses Übereinkommen ist nicht dahingehend auszulegen, dass einem Mitglied das Recht verwehrt wird, angrenzenden Ländern Vorteile zu gewähren oder einzuräumen, um, beschränkt auf unmittelbare Grenzgebiete, den Austausch von örtlich erbrachten und genutzten Dienstleistungen zu erleichtern.
aa) Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsprinzips Das Meistbegünstigungsprinzip findet Anwendung, wenn zwei oder mehr Dienstleistungen oder Dienstleister aus unterschiedlichen WTO-Mitgliedern auf denselben Markt eines anderen WTO-Mitglieds drängen und dieses WTO-Mitglied anderen Ländern – Drittstaaten oder anderen WTO-Mitgliedern – bereits Zugang gewährt.309 Auf das Meistbegünstigungsprinzip kann sich mithin ein WTO-Mitglied bzw. ein ausländischer Wettbewerber nicht berufen, wenn der jeweilige Dienstleistungsmarkt des anderen WTO-Mitglieds vollumfänglich ausländischen Dienstleistungen oder Anbietern verschlossen ist. Das bedeutet, dass dort, wo z. B. ein Gesundheitsmarkt gegenüber ausländischen Gesundheitsdienstleistungen bzw. -dienstleistern verschlossen ist, das Meistbegünstigungsprinzip gar keine Wirkung entfalten kann.310 Im Gesundheitsbereich bedeutet das, dass beispielsweise ein ausländischer Krankenhausinvestor eines WTO-Mitglieds gestützt auf das Meistbegünstigungsprinzip Zugang zu dem Krankenhausmarkt eines anderen zweiten WTO-Mitglieds verlangen kann, wenn dieses Mitglied den Dienstleistungsanbietern aus Drittstaaten oder einem anderen dritten WTO-Mitglied privilegiert Zugang gewährt. Will das zweite WTO-Mitglied den Bedarf seiner stationären Versorgung in einem ländlichen Gebiet durch gemeinnützige ausländische Träger decken und öffnet er deshalb den entsprechenden Anbietern aus dem Drittstaat oder dem anderen dritten WTO-Mitglied seinen Krankenhausmarkt, nicht aber den allein gewinnorientiert organisierten Anbietern des ersten WTO-Mitglieds, so verletzt das zweite WTO-Mitglied das Meistbegünstigungsprinzip. Das zweite WTO-Mitglied, das dem dritten WTOMitglied Zugang zu seinem Krankenhausmarkt gewährt, muss diese Marktzugangsrechte grundsätzlich auf Dienstleistungen und Dienstleister der anderen WTOMitglieder – hier insbesondere des ersten WTO-Mitglieds – zu denselben Bedin309 Eingehend Wolfrum, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. II GATS, Rn. 5. 310 Eingehend Fidler/Correa/Aginam, Rn. 155.
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gungen ausweiten.311 Es sei denn, dieses zweite WTO-Mitglied hat eine Ausnahme vom Meistbegünstigungsprinzip für den Krankenhaussektor in seinen Anhang zu Art. II GATS aufgenommen, ein regionales Wirtschaftsabkommen nach Art. V GATS mit Sonderregelungen zum Krankenhaussektor geschlossen oder spezifische Marktzugangsverpflichtungen für Krankenhausdienstleistungen nach Art. XVI, AXVII GATS in seiner nationalen Verpflichtungsliste abgeschlossen. Schließlich könnte sich das erste WTO-Mitglied natürlich auch nicht auf das Meistbegünstigungsprinzip berufen, wenn das zweite WTO-Mitglied seinen Dienstleistungsmarkt (bzw. hier konkret seinen Krankenhausmarkt) gegenüber keinem Land geöffnet hätte. Ein weiterer Anwendungsfall des Meistbegünstigungsprinzips, in dem es aber praktisch nicht zum Zuge kommt, liegt vor, sollte ein Mitglied eine Dienstleistungserbringung beschränken und damit das Meistbegünstigungsprinzip „verletzen“, um beispielsweise die Gefahr des brain drain eines anderen Mitglieds zu beheben. Ein WTO-Mitglied öffnet nach Modus 4 den Angehörigen von Gesundheitsberufen eines zweiten und dritten WTO-Mitglieds seinen Arbeitsmarkt. Da das zweite WTO-Mitglied aber nach kurzer Zeit einen Arbeitskräftemangel im Gesundheitsbereich verzeichnet, schränkt das erste WTO-Mitglied Modus 4 gegenüber dem zweiten WTO-Mitglied insoweit wieder ein. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer aus dem zweiten und dritten WTO-Mitglied verletzt zwar rechtlich das Meistbegünstigungsprinzip, wird praktisch aber nicht von dem zweiten WTO-Mitglied verfolgt werden, da sie ja gerade in seinem Interesse erfolgt. Das Meistbegünstigungsprinzip tritt – wie bereits im ersten Beispiel angedeutet – zurück, falls ein Mitglied spezielle Marktzugangsbeschränkungen i.S. von Art. XVI GATS (z. B. quantitative Beschränkungen oder Bedürfnisprüfung der Dienstleistungen oder Dienstleister) für den betreffenden Dienstleistungssektor vorsieht: Der ausländische Anbieter beispielsweise von telemedizinischen Dienstleistungen kann sich nicht auf das Meistbegünstigungsprinzip stützen, um Marktzugang zu verlangen, wenn der Marktzugang ausländischer Anbieter von einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung des jeweiligen inländischen Marktes abhängig gemacht wird i.S.v. Art. XVI Abs. 2 a) GATS. In diesem Fall geht die speziellere Vorschrift zum Marktzugang vor. Sofern das WTO-Mitglied diese spezielle Marktzugangsbeschränkung für telemedizinische Dienstleistungen in seine dem GATS angehängte Verpflichtungsliste entsprechend Art. XVI GATS eingetragen hat, ist die Marktzugangsbeschränkung grundsätzlich legitim. Allerdings darf auch diese spezielle Marktzugangsbeschränkung nicht diskriminierend im Verhältnis zu den anderen WTO-Mitgliedern angewandt werden (Art. XVI Abs. 1).312 311
Dazu Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 197. Es handelt sich hier wiederum um die Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots des Meistbegünstigungsprinzips, siehe Fidler/Correa/Aginam, Draft Legal Review, Rn. 156. Näher zu den spezifischen Marktzugangsverpflichtungen nach Art. XVI GATS in Teil 3 unter C.II.1. 312
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Der Tatbestand des Meistbegünstigungsprinzips ist – als allgemeines Diskriminierungsverbot – grundsätzlich sehr weit gefasst: Erfasst werden alle Maßnahmen, die in den Anwendungsbereich des GATS fallen. Allerdings gilt nach dem eindeutigen Wortlaut von Art. II Abs. 1 GATS das Diskriminierungsverbot nur für Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer; Dienstleistungsempfänger der WTO-Mitglieder können sich nicht auf das Meistbegünstigungsprinzip berufen, wenn sie in einem WTO-Mitglied Dienstleistungen (diskriminierungsfrei) nutzen möchten.313 Darüber hinaus werden nur „gleiche“ bzw. „gleichartige“ Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer vor Diskriminierung geschützt. Die bereits dargelegten314, von dem Appellate Body zur likeness von Produkten im GATT entwickelten Grundsätze werden soweit möglich auch hier auf das GATS übertragen. Im Schrifttum wird darüber hinaus gefordert, ebenfalls im Tatbestand des Art. II Abs. 1 GATS zu berücksichtigen, ob die Dienstleistungen in einem Wettbewerbsverhältnis, zueinander stehen. Das Meistbegünstigungsprinzip315 sei nicht nur im GATT, sondern auch im Dienstleistungshandel anzuwenden316, da die „Gleichartigkeit“ nach den Grundsätzen des Appellate Body immer im Gesamtzusammenhang der jeweiligen Vorschrift und ihrer Anwendung auszulegen sei.317 Es sei gerade im Dienstleistungshandel besonders notwendig zu prüfen, ob zwischen den Dienstleistungen ein „Wettbewerbsverhältnis“ bestehe, da derart der individuelle Charakter jeder Dienstleistung „neutralisiert“ und ein Vergleich ermöglicht werde. Denn anders als in der Warenproduktion fallen Erbringung und Konsum einer Dienstleistung notwendig zusammen.318 Dienstleistungen werden daher nicht zuletzt aus der Sicht des Empfängers durch den Dienstleister stärker individuell geprägt als es bei – im Übrigen heute überwiegend maschinell hergestellten – Waren der Fall ist.319 Das GATS selbst verpflichtet an verschiedenen Stellen die WTO-Mitglieder dazu sicherzustellen, dass das Marktverhalten der im Wettbewerb agierenden in- und ausländischen Dienstleister u. a. im Einklang mit dem Diskriminierungsverbot des MNF-Prinzips steht. So dürfen beispielsweise gem. Art. VIII Abs. 1, 2, 5 GATS Dienstleister, die eine Monopolstellung oder ausschließliche Rechte innehaben, diese Sonderrechte innerhalb als auch außerhalb der privilegierten Rechtsstellung nicht in einer mit Art. II GATS unvereinbaren Weise gebrauchen.320
313
So Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 512. Siehe oben Teil 3 unter B.III.1.c), bb), (2). 315 EC-Asbestos, AB, Rn. 99. 316 Befürwortend Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 513 f; Koehler, S. 104 f. Im Ergebnis ebenso Fidler/Correa/Aginam, Rn. 166. 317 Japan – Alcoholic Beverages, AB, Rn. 114. 318 Zum uno acto-Prinzip oben in Teil 2 unter B.I.1. 319 So Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 514; näher zu den Charakteristika der Dienstleistung Teil 2 unter B.I.1. 320 So Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 514. 314
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Auf der Rechtsfolgenseite wird ebenfalls der weite Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsprinzips deutlich, da nicht nur de jure-, sondern auch de factoDiskriminierungen untersagt sind, und das selbst dann, wenn die Maßnahme tatsächlich weder Marktanteile noch das Handelsvolumen nachteilig beeinträchtigt.321 Es besteht daher die Gefahr, dass im Gegensatz zu einer tatbestandlich niedergelegten, und damit offensichtlichen de jure-Diskriminierung – z. B. aufgrund der Staatsangehörigkeit, faktische Diskriminierungen vielfach nicht vorhergesehen werden können. Der Regulierungsspielraum der Mitglieder aber könnte durch eine dementsprechend weite Anwendung des Meistbegünstigungsprinzips sehr stark eingeschränkt werden.322 Darüber hinaus wird im Schrifttum auf die Gefahr hingewiesen, das Meistbegünstigungsprinzip könnte zu einem lock-in effect führen, da allen Wettbewerbern anderer WTO-Mitglieder in nicht diskriminierender Weise der heimatliche Markt geöffnet werden müsse. Sobald ein WTO-Mitglied sich dann aber entschließe, seine bisherige Handelspolitik ändern zu wollen, wäre dies nicht nur gegenüber dem Verhandlungspartner, sondern auch gegenüber allen multilateralen Vertragspartnern durchzusetzen, was angesichts der entsprechend erhöhten Zahl ausländischer Wettbewerber geringe Erfolgsaussichten habe.323 Dem ist zu recht entgegnet worden, dass das Meistbegünstigungsprinzip nicht automatisch die Anzahl der ausländischen Wettbewerber erhöhe, sondern nur demjenigen ausländischen Wettbewerber als „Anspruchsgrundlage“ für eine ebenso vorteilhafte Behandlung diene, wie sie jedem anderen Land durch das fragliche WTO-Mitglied gewährt wird, von dem sich der ausländische Wettbewerber diskriminiert sieht.324 bb) Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip mit Gesundheitsbezug Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip sind, teilweise sogar ausdrücklich, aus Gesundheitsschutzgründen möglich. Die Ausnahmetatbestände sind zum Teil sehr unterschiedlicher Rechtsnatur. So kommen zunächst zeitlich beschränkte unilaterale Begünstigungen gem. Art. II Abs. 2 GATS i.V.m. der Anlage zu Ausnahmen von Art. II GATS in Betracht [(1)]. Darüber hinaus bietet Art. VII Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 GATS den WTO-Mitgliedern die Möglichkeit in Abweichung vom Meistbegünstigungsprinzip Sondervereinbarungen zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen gem. VII GATS zu treffen [(2)]. Schließlich sieht das GATS eine Reihe 321 Näher zur de facto-Diskriminierung Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 515. 322 Zur Reichweite der de facto-Diskriminierung unter Art. XVII GATS näher unten in Teil 3 unter B.II.1.b), cc). 323 So Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 46 ff. 324 Näher zur kritischen Auseinandersetzung des Schrifttums mit dem Meistbegünstigungsprinzip Fidler/Correa/Aginam, Rn. 175.
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sog. horizontaler Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip vor.325 Dazu gehören insbesondere Art. II Abs. 3, V, Vbis und XIII Abs. 1 GATS, die als dauerhafte, nicht verhandlungsbedürftige Ausnahmen zulässig sind, wenn es um grenzgebietsnahen Dienstleistungsverkehr, die Mitgliedschaft in regionalen wirtschaftlichen Integrationsprozessen – wie z. B. der EU – oder das öffentliche Beschaffungswesen geht [(3)]. (1) Ausnahme gem. Art. II Abs. 2 GATS Zwar sind nach dem Meistbegünstigungsprinzip alle WTO-Mitglieder grundsätzlich sofort und bedingungslos gleich zu behandeln (Art. II Abs. 1 GATS). Allerdings haben sich die WTO-Mitglieder mit Art. II Abs. 2 GATS die Möglichkeit vorbehalten, Ausnahmen von dem Meistbegünstigungsprinzip vorzusehen. Derart konnte ein „Trittbrettfahrertum“ verhindert werden, dem die WTO-Mitglieder mit weitgehend liberalisierten Dienstleistungsmärkten ausgesetzt wären angesichts einer bedingungslosen Meistbegünstigungspflicht auch für Dienstleistungen und -erbringer aus anderen Ländern mit erheblich weniger weit für ausländische Wettbewerber geöffneten Dienstleistungsmärkten.326 Sofern ein WTO-Mitglied heute oder in der Zukunft – u. a. im Gesundheitsbereich – eine grundsätzlich nicht mit dem Meistbegünstigungsprinzip vereinbare Maßnahme beibehalten will, hat es diese allerdings nach Art. IX Abs. 3 des WTOÜbereinkommens als sog. waiver zu beantragen (Ziff. 2 der Anlage zu Ausnahmen von Art. II GATS). Deutschland hat sich keine gesundheitsspezifischen Ausnahmen in der Anlage 2 zu Art. II GATS vorbehalten. Meistbegünstigungsausnahmen mit ausdrücklichem Gesundheitsbezug sind aber beispielsweise von Österreich, Ungarn und den USA in die Liste zu der Anlage zu Art. II GATS aufgenommen. So hat Österreich eine Ausnahme vom Meistbegünstigungsprinzip bei Transportdienstleistungen des Straßengüterverkehrs aus Gründen des Gesundheitsschutzes festgeschrieben.327 Darüber hinaus gibt es Mitglieder mit Ausnahmevorbehalten für spezielle Gesundheitsdienstleistungen, die bereits zuvor bilaterale Abkommen im Sozialschutzbereich getroffen hatten. Für Dienstleistungen der Angehörigen von Gesundheitsberufen (Sektor 1.A. der SSC-Liste) haben u. a. Costa Rica, die Dominikanische Republik, Honduras, Panama, die Türkei und Venezuela entsprechende 325 Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 20, Rn. 80; näher zu diesen horizontalen Ausnahmen im Hinblick auf Gesundheitsdienstleistungen, siehe Fidler/Correa/Aginam, Rn. 438 ff. 326 Zur sog. free rider-Problematik bei den GATS-Verhandlungen zu Finanzdienstleistungen näher von Bogdandy/Windsor, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Annex on Financial Services, Rn. 7. 327 Listen der Ausnahmen von Art. II GATS abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012. Zu den Gesundheitsschutzbezogenen Ausnahmen anderer WTO-Mitglieder näher Fidler/Correa/Aginam, Rn. 442 ff.
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Ausnahmen vorgesehen.328 So wird bei diesen Staaten beispielsweise die Berufszulassung ausländischer Zahnärzte, Physiotherapeuten, Ärzte und Krankenschwestern von einer reziproken Verpflichtung in den übrigen Mitgliedstaaten abhängig gemacht. Meistbegünstigungsausnahmen sind aber auch z. B. zum Schutz eines Mitgliedstaates vor dem bereits oben angesprochenen Phänomen des sog. brain drain möglich.329 So kann ein Mitgliedsstaat A, der seinen Arbeitsmarkt für Angehörige der Gesundheitsberufe nach Modus 4 geöffnet hat, den Marktzugang für Ärzte, Krankenschwestern u. ä. eines bestimmten Mitgliedstaates beschränken, um die Versorgungssicherheit dieses Mitgliedstaates durch Personalmangel nicht zu gefährden. Dieser Mitgliedstaat wird allerdings schwerlich die tatsächliche Diskriminierung gegenüber den übrigen Mitgliedstaaten rügen, da die Ausnahme von dem Meistbegünstigungsprinzip in seinem Interesse und insofern meist auf sein Betreiben von dem Mitgliedstaat A in dessen Anlage zu Ausnahmen von Art. II GATS aufgenommen wurde.330 Festzuhalten ist, dass die Listen der Ausnahme von Artikel II GATS Ausnahmen aufweisen, die die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zumindest mittelbar berühren können. Denn die Ausnahmen sind zumeist weit gefasst und sind entweder auf alle Dienstleistungssektoren oder alle Dienstleistungen eines Subsektors bezogen. Sofern in Deutschland offensive Handelsinteressen für die Gesundheitsdienstleistungsmärkte anderer Länder bestehen, sind die Ausnahmen der entsprechenden WTO-Mitglieder zu prüfen, die sowohl den Handel mit Dienstleistungen der gesundheitsrelevanten Sektoren als auch die vorübergehende Arbeitsmigration nach Modus 4 einschränken. Darüber hinaus können die folgenden für alle EU-Staaten bestimmten sektorübergreifenden Ausnahmen mittelbar grundsätzlich auch für den Zugang der Angehörigen von Gesundheitsberufen zum deutschen Gesundheitsmarkt Bedeutung entfalten: – Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip für Maßnahmen im Rahmen von zukünftigen bilateralen Abkommen zwischen der EU und San Marino, Monaco, Andorra und dem Vatikan, die das Niederlassungsrecht für juristische und natürliche Personen vorsehen und diese natürlichen Personen von dem Erfordernis einer Arbeitserlaubnis ausnehmen; – Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip für Maßnahmen in bilateralen Abkommen zwischen der EU und der Schweiz, die die Freizügigkeit sämtlicher natürlicher Personengruppen vorsehen.331 328
Siehe WTO, Health and Social Services, Table 5, S. 28. Eingehend Fidler/Correa/Aginam, Rn. 178. 330 Siehe Fidler/Drager/Correa/Aginam, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 152. 331 Die von der EU eingetragenen Ausnahmen sind abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012. 329
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Das bedeutet, dass die Privilegierung der Niederlassung und der Personenfreizügigkeit der EU-Mitgliedstaaten gegenüber der Schweiz, San Marino, Monaco, Andorra und dem Vatikan im Verhältnis zu anderen WTO-Mitgliedern nicht als Zunichtemachung oder Schmälerung von Handelsvorteilen und damit nicht als Verstoß gegen GATS qualifiziert werden kann. (2) Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen, Art. VII Abs. 1 GATS Um den Angehörigen von Gesundheitsberufen die Aufnahme des Berufs in anderen WTO-Mitgliedstaaten zu erleichtern, können sie untereinander die von den Dienstleistungserbringern eines WTO-Mitglieds in einem anderen Land erworbenen beruflichen Qualifikationen, Genehmigungen und Beglaubigungen anerkennen. Da die von den verschiedenen Mitgliedern aufgestellten Zulassungs-, Genehmigungsund Zertifikationskriterien und Standards erheblich voneinander abweichen, erlitten die ausländischen Dienstleister ohne gegenseitige Anerkennung einen erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber den inländischen Marktteilnehmern. Die Anerkennung kann durch Erlass einseitiger Maßnahmen, sei es in Gestalt eines Abkommens – sog. mutual recognition agreements (MRAs) oder einer Vereinbarung zwischen den Mitgliedern erfolgen: Art. VII Abs. 1 [Anerkennung] Zum Zweck der vollständigen oder teilweisen Erfüllung der Normen oder Kriterien für die Ermächtigung, Zulassung oder Beglaubigung von Dienstleistungserbringern und vorbehaltlich der Voraussetzungen in Absatz 3 kann ein Mitglied die Ausbildung oder Berufserfahrung, die Anforderungen oder die Zulassungen oder Beglaubigungen, die in einem bestimmten Land erworben, erfüllt beziehungsweise erteilt worden sind, anerkennen. Diese Anerkennung, die im Wege der Harmonisierung oder auf andere Weise erreicht werden kann, kann auf einer Vereinbarung oder Absprache mit dem betreffenden Land beruhen oder autonom gewährt werden
Art. VII Abs. 1 GATS ist genereller Natur, entfaltet seine Wirksamkeit mithin auch ohne spezifische Verpflichtungseintragungen. Während es also Abs. 1 zulässt, dass die WTO-Mitglieder ausländische Dienstleister bei der Frage des „Ob“ der Anerkennung ihrer Berufsqualifikationen aufgrund von Vereinbarungen oder autonomer Regelungen diskriminieren, verbietet Abs. 3 eine diskriminierende Ausgestaltung des Anerkennungsverfahrens („Wie“).332 Die Mitglieder können mithin vom Meistbegünstigungsprinzip abweichende Sonderregelungen im Bereich der Anerkennung von Qualifikationen vereinbaren. Angesichts der höchst unterschiedlichen Regelungen der Berufsqualifikationen ist Gegenstand dieser „Anerkennung“ die Frage, ob unterschiedlichen Anforderungen „gleichwertig“ sind. Eine derart vereinbarte oder autonom gewährte Anerkennung gilt dann nicht als „günstige Behandlung“ i.S. des Meistbegünstigungsgrundsat332 Fidler/Correa/Aginam unterscheiden in diesem Sinne substantive discrimination und procedural discrimination, Fidler/Correa/Aginam, Rn. 456.
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zes.333 Sie ist mithin nicht bedingungslos und unverzüglich auf alle anderen Handelspartner zu übertragen. Der Meistbegünstigungsgrundsatz findet demnach auf Art. VII GATS-Vereinbarungen keine Anwendung. Um allerdings bilaterale Einzelwege zu verhindern, trifft die WTO-Mitglieder, die Vertragsparteien einer bestehenden oder zukünftigen Vereinbarung über die Anerkennung von Berufsqualifikationen sind, die – bereits oben in Teil 3 unter C.I.1. genannte – frühzeitige Konsultationspflicht nach Art. VII Abs. 2 S. 1 GATS. Sie haben anderen interessierten Mitgliedern ausreichend Gelegenheit einzuräumen, über den Beitritt zu einer solchen Vereinbarung oder Absprache zu verhandeln oder ähnliche mit ihnen auszuhandeln. Der ermessensgetragene Ansatz des Art. VII Abs. 1 GATS gewährleistet umfassenden Spielraum für die nationale Regulierung, auch im Gesundheitsbereich. (3) Horizontale Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip im Gesundheitsbereich Im Übrigen können die WTO-Mitglieder angrenzenden (Dritt-)Ländern Begünstigungen im kleinen Grenzverkehr mit örtlich erbrachten und genutzten Dienstleistungen einräumen nach Art. II Abs. 3 GATS. Hiervon ist beispielsweise entlang der Grenze zwischen den USA und Mexiko Gebrauch gemacht worden. Übereinkünfte über wirtschaftliche Integrationen (Art. V GATS) sowie über integrierte Arbeitsmärkte (Art. Vbis GATS) sind ebenfalls vom Meistbegünstigungsprinzip ausgenommen und erlauben den beteiligten WTO-Staaten eine ausgewählte Vorzugsbehandlung der jeweiligen Länder.334 Es werden mithin keine Verpflichtungen zum Handeln statuiert, sondern Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt. Es stellt sich einerseits die Frage, ob die nach Art. V GATS gestellten Mindestanforderungen für derartige Übereinkünfte eventuell das Einfallstor für weitgehende Auswirkungen durch einmal geschlossene Übereinkünfte auf die nationale Gesundheitspolitik bereiten. Vorgeschrieben ist nämlich, dass sie sowohl über einen „beträchtlichen sektoralen Geltungsbereich“ verfügen müssen, als auch dass der Inländerbehandlungsgrundsatz335 angewandt werden muss. Andererseits könnte es auch sein, dass diese doch hohen Hürden per se den Abschluss entsprechender Übereinkommen unwahrscheinlich machen könnten, da die WTO-Mitglieder vor einer derart weitgehenden Bindung zurückschrecken. Der Vergleich mit ähnlichen bereits bestehenden Übereinkommen – beispielsweise in dem bilateralen NAFTA-Abkommen im Abschnitt für Investitionen – zeigt, dass die 333 In diesem Sinne auch Falke, Normung und Dienstleistungen, S. 138; Fidler/Correa/ Aginam, Rn. 456. 334 Näher zu Art. V GATS Cottier/Molinuevo, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTOTrade in Services, Art. V GATS, Rn. 2 und zu Art. Vbis GATS siehe Bast, in: Wolfrum/Stoll/ Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. Vbis GATS, Rn. 5. 335 Zum Inländerbehandlungsgrundsatz gem. Art. XVII GATS näher unten in Teil C unter C.II.1.b), cc).
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treibende Kraft dieser teilweise weitreichenden Abkommen die dort verankerten Individualrechtsschutzmöglichkeiten sind.336 Unternehmen und nicht die Staaten „setzen“ dort die Übereinkommensverpflichtungen durch. Derart weitgehend ist aber demgegenüber die vom GATS vorgesehene Verrechtlichung der Art. V-Übereinkommen nicht, da das WTO-Regime allein staatengerichtet ist.337 Schließlich findet das Meistbegünstigungsprinzip nach Art. XIII Abs. 1 GATS auch keine Anwendung auf die Beschaffung von (Gesundheits-)Dienstleistungen durch staatliche Stellen für hoheitliche Zwecke. Die Reichweite der Ausnahme wird wie auch die Bereichsausnahme zu Art. I Abs. 3 b), c) GATS durch die Auslegung des Merkmals des „hoheitlichen Zwecks“ bestimmt, denen die Dienstleistungsbeschaffung zu dienen hat. Allerdings ist Art. XIII Abs. 1 GATS präziser und bestimmt, dass die Dienstleistungen nicht für den kommerziellen Wiederverkauf oder für die Verwendung bei der Dienstleistungserbringung zum kommerziellen Kauf bestimmt sein dürfen. Im Ergebnis muss auch hier die Dienstleistungserbringung „eng mit der öffentlichen Ordnung“ als auch dem „institutionellen Funktionieren des Staates“ verbunden sein.338 cc) Würdigung Das Einwirkungspotential des Meistbegünstigungsprinzips ist beschränkt. Ein gewisses „Risiko“ besteht allerdings darin, dass es auch nicht vorhersehbare de factoDiskriminierungen verbietet. Das bedeutet, dass Wettbewerber Maßnahmen angreifen könnten, die bisher als rechtlich unproblematisch eingeschätzt und daher nicht gelistet wurden. Im Ergebnis verbleibt für das Meistbegünstigungsprinzip im Gesundheitsbereich praktisch nur ein sehr geringer Anwendungsbereich. Zum einen muss die fragliche Gesundheitsdienstleistung überhaupt dem GATS unterfallen. Es dürfen für diese Gesundheitsdienstleistung keine spezifischen Marktöffnungsverpflichtungen eingetragen sein und auch die nach Art. II Abs. 2 GATS eingetragenen Ausnahmen bzw. sonstigen (horizontalen) Ausnahmen dürfen nicht greifen.339 Im Übrigen werden in der Praxis im Gesundheitsbereich – wie auch in anderen Dienstleistungssektoren – dann doch Anbieter aus EU-Drittstaaten gegenüber In- bzw. EU-ausländischen Anbietern diskriminiert und nicht die vom Meistbegünstigungsprinzip avisierte Konstellation der Diskriminierung zwischen zwei WTO-/Drittstaaten verwirklicht. 336 Zu den Implikationen bilateraler und regionaler Investitionsübereinkommen für Gesundheitssysteme und -politikgestaltung, siehe Fidler/Correa/Aginam, Rn. 584 ff. 337 Zur Beteiligung Dritter (auch natürlicher Personen) in DSU-Streitbeilegungsverfahren mittels sog. „Amicus Curiae Briefs“, d. h. sachverständiger Vorträge Dritter, die auch aus dem Umfeld der Parteien selbst kommen können, siehe Umbricht, S. 773 ff. 338 Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 521. 339 Die tatsächliche Durchschlagkraft des Meistbegünstigungsprinzips wird schließlich auch durch die unten in Teil 3 unter C.III. näher untersuchten Rechtfertigungstatbestände nach Art. XIV GATS eingeschränkt, sofern denn tatsächlich eine Verletzung des Meistbegünstigungsprinzips vorliegen sollte.
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b) Nichtdiskriminierende Ausgestaltung der Anerkennungsverfahren von Qualifikationsnachweisen Ergänzend zu der im Rahmen der Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip dargestellten Möglichkeit der Mitglieder nach Art. VII Abs. 1 GATS, Regelungen betreffend die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen zu treffen, sieht Art. VII Abs. 3 GATS die materiell-rechtlichen Anforderungen an derartige Vereinbarungen bzw. autonom gewährte Anerkennungen vor: Art. VII Abs. 3 GATS Ein Mitglied darf die Anerkennung nicht in einer Weise gewähren, die bei der Anwendung seiner Normen oder Kriterien für die Ermächtigung, Zulassung oder Beglaubigung von Dienstleistungserbringern ein Mittel zur Diskriminierung zwischen verschiedenen Ländern oder eine verdeckte Beschränkung des Handels mit Dienstleistungen darstellen würde.
Art. VII Abs. 3 GATS bestimmt, dass die Anerkennung weder in diskriminierender noch anderweitig den Handel beschränkender Weise erfolgen darf.340 Dies ist eine besondere Ausformung des Diskriminierungsverbots für die Anwendung von Normen und Kriterien für die Ermächtigung, Zulassung oder Beglaubigung von Dienstleistungserbringern.341 Der Rat für den Handel mit Dienstleistungen hat Leitlinien zum Abschluss der Vereinbarungen über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen im Bereich Rechnungs- und Wirtschaftsprüfung, nicht aber für Gesundheitsdienstleistungen verabschiedet.342 Verschiedene WTO-Mitglieder haben sich in der Vergangenheit positiv gegenüber dem Abschluss von MRAs im Dienstleistungsbereich geäußert.343 Deutschland ist im Gesundheitsbereich den Weg autonomer Regelung der Anerkennung gegangen. Vereinfacht wird die Anerkennung im Bereich der reglementierten Gesundheitsberufe durch die Berufsqualifikationsrichtlinie 2005/36/EG. Das heißt, es wird dem Drittstaatsangehörigen ausreichend Gelegenheit gegeben durch eine Prüfung und ggf. die Anrechnung von Berufserfahrung nachzuweisen, dass die Ausbildung, Berufserfahrung, Zulassungen, Beglaubigungen oder Anforderungen, die in seinem Hoheitsgebiet erworben worden sind, anerkannt werden können. Die stärksten Bemühungen im Gesundheitsbereich, um Vereinbarungen von Kriterien auf multilateraler Ebene zur Anerkennung von Zulassungserfordernissen, Ausbildungen und Berufserfahrungen i.S.v. Art. VII Abs. 5 S. 1 GATS zu verwirklichen, unternehmen derzeit die internationalen Interessenvertretungen der 340 Siehe dazu im Einzelnen auch Ohler, in: Hermann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 883; Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 525 ff. 341 Näher Falke, S. 139. 342 WTO, Guidelines, S. 1. 343 Beispielsweise WTO, Mutual Recognition Agreements, Rn. 6. Im Warenverkehr hat die EU hat derzeit mit sieben Staaten entsprechende MRAs geschlossen, abrufbar unter http://ec. europa.eu/enterprise/international/doc_en.htm, Stand: Oktober 2012.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Krankenschwestern und Pflegeberufe.344 Ziel dieser Arbeit der Mitglieder mit zwischen- und nichtstaatlichen Organisationen ist es, „soweit wie möglich“345 gemeinsame multilaterale Kriterien und Standards zu entwickeln und die Anerkennung darauf oder auf entsprechend berufsständische Regelungen möglichst weltweiten Zuschnitts zu stützen. Derart soll verhindert werden, dass unterschiedliche Anerkennungsmethoden und -praktiken der WTO-Mitglieder zu Nachteilen für die Dienstleistungserbringer in anderen WTO-Mitgliedern – in den Pflegeberufen vor allem der Schwellen- und Entwicklungsländer – führen. Da Art. VII Abs. 1 GATS nicht zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen zwingt, wird hier die Entscheidungskompetenz der WTO-Mitglieder grundsätzlich gewahrt.346 Angesichts des Anreizcharakters dieser Vorschrift, multilaterale Bemühungen um eine Harmonisierung von Standards und Kriterien für Lizenzen und Zertifizierung von Dienstleistungserbringern voranzutreiben, lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass für die Zukunft hier ein potentielles Einfallstor erheblicher internationaler Regulierung nationaler Qualitätsstandards besteht.347 Die Wahrscheinlichkeit dürfte allerdings gering sein, wie der rechtsvergleichende Blick auf die Diskussion im EU-Binnenmarkt zu Qualitätsindikatoren für Gesundheitssysteme der EU-Mitgliedstaaten zeigt. Denn die Mitgliedstaaten achten sowohl im Laufe des im Rahmen der OMK geführten Verhandlungsprozesses als auch bei der Beratung von Legislativdossiers sehr genau darauf, dass in diesem als Kernbereich der Organisation mitgliedstaatlicher Gesundheitssysteme identifizierten Bereich nur freiwillige Konsultationen und Erfahrungsaustausch gefördert werden, nicht aber ein verbindliches einheitliches Regime erarbeitet wird.348 Entsprechend wird auch auf multilateraler Ebene verfahren. c) Monopolkontrolle, Art. VIII Abs. 1, 5 GATS Die Monopolregelungen des GATS sind von großer Bedeutung für die Gesundheitsregulierung. Da gerade Monopolisten bzw. Anbieter mit ausschließlichen Rechten in vielen Ländern Dienstleistungen der Daseinsvorsorge erbringen, insbesondere des Gesundheitswesens wie z. B. die Gesundheitsversorgung innerhalb der GKV, wurden hier Befürchtungen geäußert, GATS könnte insoweit die nationale Gesundheitsregulierung unzulässig beschränken.349
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Dazu die Präsentation von Benton, Folien 1 ff. Diese Einschränkung findet sich demgegenüber im TBT- oder SPS-Übereinkommen nicht, dazu Falke, S. 139 f. 346 Im Ergebnis so auch Fidler/Correa/Aginam, Rn. 192, 457. 347 Ebenso Fidler/Correa/Aginam, Rn. 458. 348 Zur OMK oben in der Einführung. 349 So u. a. Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 60; vgl. ergänzend auch WTO, Public Services and the GATS, S. 15 m.w.N. 345
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Hier ist zunächst festzuhalten, dass jede einem Monopol bzw. in Ausübung eines ausschließlichen Rechts erbrachte Gesundheitsdienstleistung der Bereichsausnahme des GATS nach Art. I Abs. 3 b), c) GATS unterfällt und damit außerhalb des Anwendungsbereichs des GATS steht, soweit sie nicht zu kommerziellen Zwecken erbracht wird. Das zweite Kriterium der Bereichsausnahme, das „Wettbewerbsverhältnis“, ist bei derartigen Dienstleistungen bereits nach der Definition des „Monopols“ bzw. des „ausschließlichen Rechts“ nicht erfüllt.350 Für monopolisierte Versicherungsdienstleistungen findet dementsprechend GATS über die Bereichsausnahme nach Ziff. 1 b), ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen keine Anwendung. Darüber hinaus ist festzustellen, dass GATS per se nicht die Aufrechterhaltung von Monopolen bzw. die Ausübung von gewährten ausschließlichen Rechten verbietet. Allerdings sind die Tätigkeiten von Dienstleistern mit Monopolstellung bzw. mit ausschließlicher Rechtsbetrauung, die Dienstleistungen erbringen, an Art. VIII Abs. 1, 5 GATS zu messen: Art. VIII Abs. 1, 5 GATS [Monopole und Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten] (1) Jedes Mitglied gewährleistet, dass ein Dienstleistungserbringer mit Monopolstellung im Hoheitsgebiet des Mitglieds bei der Erbringung dieser Dienstleistung auf dem entsprechenden Markt nicht in einer Weise handelt, die mit den Pflichten des Mitglieds nach Artikel II sowie mit seinen spezifischen Verpflichtungen unvereinbar ist. (5) Dieser Artikel gilt auch für Fälle von Dienstleistungserbringern mit ausschließlichen Rechten, sofern ein Mitglied formal oder tatsächlich a) eine kleine Zahl von Dienstleistungserbringern ermächtigt oder einsetzt und b) den Wettbewerb unter diesen Erbringern in seinem Hoheitsgebiet in erheblichem Maß unterbindet.
Monopole dürfen gem. Art. VIII Abs. 1 GATS nicht so ausgestaltet sein, dass sie mit den Pflichten des Mitglieds nach Artikel II sowie mit den spezifischen Verpflichtungen unvereinbar sind. Die Vorschrift sucht damit sektorübergreifende Verzerrungen durch Monopole in jedem Fall zu verhindern, d. h. innerhalb des relevanten Marktes als auch außerhalb des monopolisierten Bereichs und unabhängig davon, ob für eine Dienstleistung eine spezifische Marktöffnungsverpflichtung eingetragen wurde oder nicht.351 Die WTO-Mitglieder trifft insoweit über ihre Monopole und Träger ausschließlicher Rechte [aa)] eine umfassende Aufsichtspflicht [bb)].352 aa) Begriff: Monopole u. a. GATS erfasst einerseits öffentliche Monopole und andererseits Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten. Öffentliche Monopole liegen vor, wenn einem Dienstleistungserbringer, unabhängig davon, ob er in öffentlicher oder pri350 351 352
Fidler/Correa/Aginam, Rn. 199. WTO, Public Services and the GATS, S. 15. Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 545.
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vater Rechtsform organisiert ist, de jure oder de facto für eine Dienstleistung oder einen Sektor ein Monopol für das Hoheitsgebiet des jeweiligen Dienstleisters verliehen wurde.353 Die Geschäftspraktiken hingegen von Dienstleistern, denen ein Monopolrecht nicht verliehen wurde, sondern die sich eine Monopolstellung im Wettbewerb mit anderen Dienstleistern selber aufgebaut haben, werden nicht an Art. VIII GATS, sondern an Art. IX GATS gemessen.354 Dem Dienstleistungserbringer mit ausschließlicher Rechtsposition i.S.v. Art. VIII Abs. 5 GATS muss diese de jure oder de facto ebenfalls verliehen worden sein. Eine ausschließliche Rechtsposition liegt vor, wenn ein Mitglied formal oder tatsächlich einer kleineren, begrenzten Zahl von Dienstleistungserbringern dieses Recht verleiht und den Wettbewerb unter diesen Erbringern in seinem Hoheitsgebiet in erheblichem Maß unterbindet (sog. öffentliches Oligopol).355 Sowohl das Monopol als auch die ausschließliche Rechtsposition zeichnet sich dadurch aus, dass die jeweilige Dienstleistung nicht mehr durch jeden Dienstleistungserbringer erbracht werden kann, der die erforderliche Qualifikation besitzt, sondern durch hoheitlichen Akt nach exogenen Faktoren.356 In der GKV sind neben den zur GKV-Versorgung zugelassenen stationären Einrichtungen, der Gemeinsame Bundesausschuss, die Kassenärztlichen Vereinigungen als auch die Vertragsärzte und sonstige zur GKV-Versorgung zugelassene Angehörige der Gesundheitsberufe sowie Apotheker Träger ausschließlicher Rechte. Ihre Aufgabe ist die Sicherung der Krankenversorgung der gesetzlich Versicherten, die ihnen durch besonderen quasi-hoheitlichen Akt übertragen wurde.357 Keine Dienstleistungserbringer mit ausschließlichen Rechten sind hingegen streng genommen die Krankenkassen, da diese mit der Erbringung sozialversicherungsrechtlicher Leistungen nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht bereits vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen sind.358 Den Kassenärztlichen Vereinigungen ist im ambulanten Bereich eine Sonderrechtsposition zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung eingeräumt, sog. Sicherstellungsauftrag gem. § 75 SGB V. Diese dürfte sie als Trägern ausschließlicher 353 Schlussfolgerung aus der Legaldefinition des „Erbringers einer Dienstleistung mit Monopolstellung“ in Art. XXVIII lit. h) GATS, vgl. Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTOHandbuch, S. 545. 354 Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 545. 355 Thomas/Meyer, S. 221. 356 Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 545. 357 Zu den Anforderungen an den Übertragungsakt siehe Bigdeli/Rechsteiner, in: Wolfrum/ Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. VIII GATS, Rn. 39. 358 Im Ergebnis ebenso Bigdeli/Rechsteiner, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTOTrade in Services, Art. VIII GATS, Rn. 8: „[…] public monopolies that provide education, health, and similar services to the public and do not function on a commercial basis are outside of the scope of GATS in general and Art. VIII in particular.“. Diese Ausführungen dürften auch für Dienstleistungsanbieter mit ausschließlichen Rechten gelten, da gem. Art. VIII Abs. 5 alle Vorschriften zu Monopolen auch auf diese anzuwenden sind.
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Rechte i.S.d. GATS qualifizieren, auch wenn diese Rechtsposition nicht zuletzt durch das den Krankenkassen eingeräumte Recht zur selektiven Vertragsgestaltung direkt mit den Leistungserbringern wieder eingeschränkt wurde.359 Auch die durch gesonderten Zulassungsakt zur GKV-Versorgung zugelassenen Angehörigen der Gesundheitsberufe kommen grundsätzlich als Sonderrechtsträger i.S.v. Art. VIII GATS in Betracht. Die Zulassung trifft der Zulassungsausschuss, der aus Ärzten der Kassenärztlichen Vereinigungen als auch Krankenkassenvertretern bestehen, nach §§ 99 SGB V ff. in Anbetracht einer Vielzahl von Bedarfsgesichtspunkten (sog. Bedarfsplanung). Das deutsche Monopol der Apotheker zum Vertrieb von Arzneimitteln360 dürfte ebenfalls als Sonderrecht i.S.v. Art. VIII GATS zu qualifizieren sein. bb) Umfang der Missbrauchsaufsicht Die Mitglieder sind gehalten einzuschreiten, sobald eine mit den aus dem Meistbegünstigungsprinzip resultierenden Verpflichtungen des betreffenden WTOMitglieds unvereinbare Ausübung der Tätigkeit des begünstigten Dienstleisters sowohl innerhalb als auch außerhalb des privilegierten Bereichs droht.361 Die Verpflichtungen des Art. VIII Abs. 1 GATS könnten folglich den Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung beschränken, wenn die durch Monopol- und ausschließliche Rechtsgewährung ausgelöste Missbrauchsaufsicht dazu führte, dass die entsprechend „beliehenen“ Anbieter die ihnen übertragenen Daseinsaufgabeverpflichtungen, d. h. eine ausgewogene, allen zugängliche und qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, nicht mehr (in gleichem Maße) nach kämen. Das heißt für die privilegierten inländischen Anbieter und ihre Dienstleistungserbringung müsste es wichtig sein, dass gerade die ausländischen Anbieter diskriminiert werden. Die Diskriminierung nach Art. VIII Abs. 1 GATS setzt aber voraus, dass bei der Erbringung der Dienstleistung auf dem relevanten Markt einem Dienstleistungsempfänger aus einem anderen WTO-Mitglied eine weniger günstige Behandlung zu Teil wird durch den Verkauf der Dienstleistung als sie Dienstleistungsempfänger erfahren, die aus einem anderen Land als dem Sitzland des Monopolisten bzw. des ausschließlichen Rechtsträgers stammen. Der weitere Fall, dass auch beim Einkauf von Dienstleistungen Dienstleister aus anderen WTO-Mitgliedern benachteiligt werden gegenüber Dienstleistern aus Ländern, die nicht Sitzland des Monopolisten
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Siehe oben in Teil 2 unter C.II.1.c). Siehe zur sog. Apothekenpflicht §§ 43 ff. Arzneimittelgesetz. 361 Zum Umfang der Missbrauchsaufsicht, sofern spezifische Verpflichtungen in die Länderlisten eingetragen wurden unten in Teil 3 unter C.II.2.a), bb). Zur Frage im EU-Recht, ob über das Wettbewerbs- oder das Vergaberecht eingeschritten werden muss im Gemeinsamen Markt, eingehend Bernhardt, in: Felix (Hrsg.), Auswirkungen des GKV-WSG auf Versorgungsstruktur und Wettbewerbsordnung, S. 89 ff., 110. 360
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sind, erfasst hingegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Meistbegünstigungsprinzips in Art. II GATS.362 Zur Veranschaulichung sei auf das Beispiel eines Monopolisten verwiesen, der dem Käufer 1 eine Dienstleistung zu geringerem Preis bei gleicher Qualität verkauft als dem Käufer 2. Die beiden Käufer müssen zum einen selber vergleichbare Dienstleister sein bzw. vergleichbare Dienstleistungen erbringen. Zum anderen muss Käufer 2 von einem WTO-Mitglied stammen, das Handelsbeziehungen im Sinne von Art. I GATS unterhält. Käufer 1 schließlich kann ein Dienstleister sein aus jedem anderen Land mit Ausnahme desjenigen, in dem der Monopolist sitzt. Bislang werden wie bereits oben zum Meistbegünstigungsprinzip aus EU bzw. deutscher Sicht ausgeführt, im Gesundheitsbereich aber weniger verschiedene WTO-Mitglieder, sondern wenn, dann Anbieter aus Drittstaaten diskriminiert im Verhältnis zu In- bzw. EU-ausländischen Dienstleistern. Dieser Fall aber wird nicht vom Meistbegünstigungsprinzip – weder in Art. VIII Abs. 1 GATS noch in Art. II GATS erfasst. In diesem Sinne wird zurecht gefolgert, dass Art. VIII Abs. 1 GATS für Monopolisten und Träger ausschließlicher Rechte im Gesundheitssektor augenscheinlich keine „Gefahr“ darstellt.363 d) Einrichtungen von Kontrollverfahren Der Handel mit Dienstleistungen wird meist nicht durch Maßnahmen beschränkt, die direkt an den Grenzübertritt knüpfen wie z. B. Zölle. Stattdessen wirkt sich eher innerstaatliche (Über-)Regulierung handelsbeschränkend aus. Wenn die Zulassung, z. B. ein medizinisches Laboratorium zu führen, an bestimmte Qualitäts- und Sicherheitsstandards geknüpft wird, die ausländische Dienstleister nicht erfüllen, können letztere die Dienstleistung nicht erbringen. Folglich besteht ein Spannungsverhältnis zwischen innerstaatlicher Regulierung und der Liberalisierung des Dienstleistungshandels.364 Daher stellt das GATS bestimmte Anforderungen an die Ausgestaltung innerstaatlicher Regelungen. Die meisten dieser Anforderungen gelten allerdings nur für Bereiche, in denen sich die Mitgliedstaaten bereits durch spezifische Verpflichtungen besonders gebunden haben. Art. VI Abs. 2 lit. a), b) GATS enthält die einzigen allgemeinen Verpflichtungen, insbesondere administrativer Art, zur innerstaatlichen Regulierung: Art. VI Abs. 2 a, b GATS [Innerstaatliche Regulierung] a) Jedes Mitglied unterhält oder richtet, sobald dies praktisch durchführbar ist, gerichtliche, schiedsrichterliche oder administrative Instanzen oder Verfahren ein, die auf Antrag eines betroffenen Dienstleistungserbringers die umgehende Überprüfung von Verwaltungsent362 363 364
Fidler/Correa/Aginam, Rn. 203. Fidler/Correa/Aginam, Rn. 206. So Krajewski, National Regulation, S. 9 ff.; siehe auch Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 19.
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scheidungen mit Auswirkungen auf den Dienstleistungshandel oder in begründeten Fällen geeignete Abhilfemaßnahmen gewährleisten. Können solche Verfahren nicht unabhängig von den Behörden durchgeführt werden, die für die Verwaltungsentscheidung zuständig sind, so trägt das Mitglied Sorge dafür, dass die Verfahren tatsächlich eine objektive und unparteiische Überprüfung gewährleisten. b) Buchstabe a) ist nicht dahingehend auszulegen, dass ein Mitglied solche Instanzen oder Verfahren auch dann einzurichten hat, wenn dies mit seiner verfassungsmäßigen Struktur oder seiner Rechtsordnung unvereinbar ist.
Die Mitgliedstaaten sind demnach verpflichtet, „gerichtliche, schiedsrichterliche oder administrative Instanzen oder Verfahren“ im Einklang mit dem nationalen Verfassungsrecht zu unterhalten oder einzurichten, „die auf Antrag eines betroffenen Dienstleistungserbringers die umgehende Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen mit Auswirkungen auf den Dienstleistungshandel oder in begründeten Fällen geeignete Abhilfemaßnahmen gewährleisten.“ Diese Anforderungen des GATS werden von den meisten WTO-Mitgliedern – darunter Deutschland365 – unproblematisch erfüllt. Für diese Staaten ist die Vorschrift mithin von geringer Regelungsintensität.366
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Verfahrensbeispiele: Für niedergelassene Vertragsärzte sind administrative Verfahren bei Fragen des Leistungsrechts (Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots etc.) vorgesehen in § 106 Abs. 4 SGB V vor den Prüfungsausschüssen – bzw. seit 1. Januar 2008, den gemeinsamen Prüfstellen und in zweiter Verwaltungsinstanz vor den Beschwerdeausschüssen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Landesverbänden der Krankenkassen vorgesehen. Im gerichtlichen Verfahren besteht die Möglichkeit der Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Beschwerdeausschusses zum Sozialgericht, näher Murawski, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPKSGB V, § 106, Rn. 102 ff. In Zulassungsfragen zur vertragsärztlichen Versorgung bestehen entsprechende Zulassungs- und Beschwerdeausschüsse (z. B.: Zulassungsverordnung für Vertragsärzte in der im Bundesgesetzblatt Teil III, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 13 des Gesetzes vom 28. Mai 2008 (BGBl. I S. 874). Die Krankenhausträger, die nicht in den Krankenhausplan aufgenommen sind, können gegen den Bescheid über die Aufnahme oder Nichtaufnahme in den Krankenhausplan – nach erfolglosem Widerspruch – auf dem Verwaltungsrechtsweg vorgehen gem. § 8 Abs. 1 S. 4 KHG. Auch die Kündigung des Planstatus gegenüber einem Plankrankenhaus oder einer Hochschulklink kann vor dem Verwaltungsgericht mit der Anfechtungsklage angegriffen werden gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz SGG, § 40 VwGO). Die Klage auf Abschluss eines Versorgungsvertrags nach § 108 Nr. 3 SGB V ist vor dem Sozialgericht zu erheben gem. § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG in Verbindung mit einer Anfechtungsklage gegen die Versagung und einer Leistungsklage auf Abgabe der auf Vertragsschluss gerichteten Erklärung (§ 54 Abs. 1, 4 SGG), eingehend Murawski, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPK-SGB V, § 106, Rn. 107 ff. Gegen die Kündigung des Versorgungsvertrags besteht die Möglichkeit der Anfechtungsklage vor dem Sozialgericht (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG, näher Hänlein, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPK-SGB V, §§ 108 – 110, Rn. 24 ff. Fragen im Bereich der Berufsqualifikationen (Antrag/Entzug Approbation etc.) sind auf verwaltungsverfahrensrechtlichem/-gerichtlichem Weg vor den Landesbehörden bzw. Verwaltungsgerichten zu klären. 366 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 206; Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 47; so im Ergebnis auch Fidler/Drager/Correa/Aginam, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 154; Fidler/Correa/Aginam, Rn. 196.
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Art. VI Abs. 4 GATS enthält an sich allgemeine sowohl verfahrensrechtliche als auch materielle Verpflichtungen des GATS. Wegen des engen inhaltlichen Zusammenhangs mit Art. VI Abs. 5 GATS (einer Annexverpflichtung) wird sie der Übersichtlichkeit halber weiter unten zusammen mit Art. VI Abs. 5 und 6 GATS erläutert. e) Zusammenfassung GATS sieht vier allgemeine materielle Verpflichtungen vor: Art. II GATS (Meistbegünstigungsprinzip), Art. VI Abs. 2 GATS (Einrichtung von Kontrollverfahren zur Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen mit handelsbeschränkender Wirkung für Dienstleister), Art. VI Abs. 4 GATS (Auftrag Disziplinen mit Mindestanforderungen für Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse zu erarbeiten), Art. VII Abs. 3 GATS (Nichtdiskriminierende Ausgestaltung der Anerkennungsverfahren von Berufsqualifikationen), Art. VIII Abs. 1 und 5 GATS (Auskunftspflichten über Tätigkeiten von Monopolisten und Trägern ausschließlicher Rechte). Das Meistbegünstigungsprinzip besitzt ein gewisses Einwirkungspotential, da es nicht nur de jure sondern auch de facto-Diskriminierungen erfasst. Da Letztere versteckter sind, kann das Diskriminierungsverbot im Einzelfall weiterreichen, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die tatsächliche Bedeutung für den Gesundheitsbereich ist allerdings gering. Denn das Meistbegünstigungsprinzip kommt nur zur Anwendung, soweit die konkrete Gesundheitsdienstleistung überhaupt dem GATS unterfällt und keine spezifischen Verpflichtungen für diese Gesundheitsdienstleistung in die nationale Verpflichtungsliste eingetragen wurden und schließlich auch keine der von Deutschland vorbehaltenen Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip einschlägig ist. Sollte das Meistbegünstigungsprinzip greifen und eventuell verletzt sein, müsste auch eine Rechtfertigung nach Art. XIV GATS ausgeschlossen sein. Art. XIV b) GATS sieht ausdrücklich einen Rechtfertigungstatbestand zum Schutz der öffentlichen Gesundheit vor, auf den zur Absicherung des Spielraums der deutschen Gesundheitsregulierung rekurriert werden kann. Die Möglichkeit – und nicht Verpflichtung – nach Art. VII Abs. 3 GATS für Mitglieder Vereinbarungen zur Anerkennung von ausländischen Berufsqualifikationen abzuschließen bzw. diese autonom anzuerkennen, begrenzt den nationalen Regulierungsspielraum nicht. Die in Art. VII Abs. 3 GATS gestellte Anforderung, dass entsprechende Verfahren nichtdiskriminierend ausgestaltet sein müssen, sind vom deutschen Gesetzgeber ebenfalls eingehalten. Deutschland regelt die Anerkennung ausländischer Qualifikationen autonom und gibt den Betroffenen die Möglichkeit, ihre Kenntnisse nachzuweisen in einer Prüfung und durch Berufspraxis.367 Die Verpflichtung nach Art. VIII Abs. 1, 5 GATS, Monopole bzw. aus367 Siehe das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen, BGBl. 2011, Teil 1, Nr. 63 v. 12. 12. 2011; nähere Informationen dazu auch abrufbar unter www.bmbf.de/15644.php, Stand: Oktober 2012.
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schließlich gewährte Rechte nur im Einklang mit dem Meistbegünstigungsprinzip (und eventuellen spezifischen Verpflichtungen) auszuüben, ist zwar angesichts der weitestgehend monopolisierten Strukturen des deutschen Gesundheitswesens, für die deutsche Gesundheitsregulierung von Bedeutung. Der status quo der Organisation der GKV achtet diese Vorgaben aber. Derzeit ist kein Fall augenscheinlich, in dem die deutsche Gesundheitsregulierung zwischen WTO- und/oder Drittstaatsanbietern diskriminieren müsste, um ihre Regulierungsziele im monopolisierten Bereich zu verwirklichen. Die Trennlinie einer evt. Diskriminierung verläuft wenn dann zwischen In-bzw. EU-ausländischen und EU-Drittstaatsanbietern. Diese Diskriminierung unterfällt allerdings nicht dem Meistbegünstigungsprinzip in Art. VIII Abs. 1 i.V.m. Art. II GATS. Eine unverhältnismäßige Einschränkung der nationalen Regulierungshoheit ist damit zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich. Ein Zielkonflikt mit dem Recht auf Gesundheit lässt sich nicht ausmachen. Art. VI Abs. 4 GATS ist eigentlich keine echte materielle Verpflichtung. Vielmehr wird der Rat für den Handel mit Dienstleistungen mandatiert, notwendige Disziplinen für Maßnahmen, die Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse betreffen, zu erarbeiten. Den Mitgliedern wird damit nur indirekt die Verpflichtung auferlegt, sich an den Arbeiten des Rates zu beteiligen. Eine Einschränkung nationaler Regulierungshoheit ist darin nicht zu sehen, denn die Mitglieder entscheiden eigenverantwortlich über das „Ob“ und „Wie“ entsprechender Disziplinen und können diese entsprechend den ihnen obliegenden Gewährleistungsverpflichtungen des Rechts auf Gesundheit ausgestalten. Allerdings ist der lock-in effect nicht zu unterschätzen, der einmal beschlossenen Disziplinen innewohnt. Angesichts der großen Unterschiede der Gesundheitssysteme der WTO-Mitglieder sind gemeinsame Disziplinen im Gesundheitsbereich auf absehbare Zeit nicht realistisch. Art. VI Abs. 2 GATS wiederum ist die einzige der Normen zu innerstaatlichen Regelungen, die weder an eine spezifische Verpflichtung gebunden ist, noch die Verpflichtung generiert, weitere Regelungen zu erarbeiten. Die Mitglieder werden angehalten, gerichtliche, schiedsrichterliche oder administrative Instanzen oder Verfahren vorzusehen, um Verwaltungsentscheidungen überprüfen zu können, die den Handel mit Dienstleistungen betreffen. Da Deutschland die entsprechenden Abhilfemaßnahmen gewährleistet, impliziert das GATS für Deutschland keine weitere Verpflichtung zum Tätigwerden. Mit dem Ziel dieser Norm – ein faires und angemessenes Verwaltungsverfahren zu gewährleisten – kann kein Zielkonflikt mit dem Recht auf Gesundheit festgestellt werden. 3. Ergebnis Die allgemeinen Verpflichtungen des GATS gelten für alle nicht hoheitlich erbrachten Gesundheitsdienstleistungen. Die tatsächliche Relevanz dieser Allgemeinen Pflichten und Disziplinen für die Gesundheitssysteme der WTO-Mitgliedstaaten ist
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bislang gering. Die allgemeinen – verfahrensrechtlichen und materiellrechtlichen – Verpflichtungen haben bisher keine rechtspraktischen Auswirkungen auf die GKV. Einzig über das Meistbegünstigungsprinzip besteht die „theoretische“ Möglichkeit, dass ausländische Wettbewerber eine de jure- oder de facto-Diskriminierung rügend, weitergehenden Zugang zum deutschen Gesundheitsmarkt verlangen könnten. Allerdings ist der Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsprinzips im deutschen Gesundheitssystem beschränkt. Zum einen sind Fälle, in denen es für die Gesundheitsregulierung darauf ankäme, zwischen verschiedenen WTO-/und oder Drittstaatsdienstleistern zu differenzieren, derzeit nicht augenscheinlich. Zum anderen sind in die deutsche Verpflichtungsliste umfassende spezifische Marktöffnungsvorbehalte eingetragen, die Art. II GATS verdrängen. Schließlich bestehen weitere (horizontale) Ausnahmemöglichkeiten. Zudem gibt es die Rechtfertigungsmöglichkeit eines Diskriminierungsverstoßes nach Art. XIV GATS, und hier zugunsten öffentlicher Gesundheitsbelange nach Art. XIV b) GATS. Die Verpflichtungen, die der innerstaatlichen Regulierung des Dienstleistungshandels Grenzen setzen, sind, soweit nicht an spezifische Verpflichtungen gekoppelt, ohne weitere Durchschlagkraft. Insbesondere Art. VI Abs. 4 GATS enthält eine rein verfahrensrechtliche Pflicht zur Verhandlung weiterer Disziplinen für Lizenzerteilung, Qualifikationen und Regulierung technischer Standards. Für Gesundheitsdienstleistungen gibt es bisher – wie noch zu zeigen sein wird – keine entsprechenden Disziplinen. Allerdings sind diese Verhandlungen wie auch die übrigen Verpflichtungen an Verhandlungen teilzunehmen, um weitere Disziplinen für Notstandsmaßnahmen (Art. X Abs. 1 GATS), für das öffentliche Beschaffungswesen (Art. XIII Abs. 2 GATS) und Subventionen (Art. XV GATS) zu erarbeiten, aufmerksam zu begleiten. Der Abschluss entsprechender, unterschätzter Disziplinen birgt die Gefahr des lock-in. Die übrigen horizontalen verfahrensrechtlichen Pflichten sehen vor allem Konsultationen, Kooperationen, Aufsicht und Informationsweitergabe in verschiedenen Fällen vor, die nicht die souveräne, nationale Gesundheitsregulierung beeinträchtigen.
II. Die spezifischen Verpflichtungen der nationalen Listen (schedules) Entscheidend für den konkreten Grad der Marktöffnung sind die in den nationalen Verpflichtungslisten eingetragenen Marktöffnungsverpflichtungen der Mitglieder. Die Marktöffnung der Gesundheitsdienstleistungen ist im Vergleich zu den übrigen GATS-Sektoren mit am geringsten. Zusammen mit dem Bereich Bildung sind 2005 nur 39 % der WTO-Mitglieder spezifische Verpflichtungen für Gesundheitsdienstleistungen der Sektoren 1 und 8 eingegangen.368 368
WTO, Turning Hills into Mountains, S. 8.
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Mit den Listen sollen die WTO-Mitglieder ihren Marktöffnungsstand transparent halten. Der genaue Marktöffnungsstand lässt sich allerdings nicht einfach aus der Anzahl der Eintragungen ablesen, da die nach Abschluss des WTO-Abkommens 1995 ergangene nationale Gesetzgebung der WTO-Mitglieder idR den konkreten Marktöffnungsgrad des jeweiligen Mitglieds „weiterentwickelt“ haben dürfte. Neben den verschiedenen Modi der Dienstleistungserbringung und Dienstleistungssektoren ist auch nach der Art der Verpflichtung (Marktzugang-, Inländer- oder zusätzliche Verpflichtung) und dem Grad der Verpflichtung zu unterscheiden. Entscheidend ist auch, dass der Eintragung spezifischer Verpflichtungen nicht in allen Sektoren und Modi die gleiche (wirtschaftliche) Bedeutung zukommt. Ist die Frage der Liberalisierung der Dienstleistungen von Krankenschwestern und Hebammen unter Modus 4 (Arbeitsmigration) von erheblicher Relevanz für die Arbeitsmärkte, so ist die Marktöffnung im gleichen Sektor unter Modus 1 eine vernachlässigbare Größe, da Hebammen und Krankenschwestern grundsätzlich nicht schwerpunktmäßig mittels Telemedizin arbeiten. Ebenso kann die beschränkende Wirkung ein und derselben handelsbeschränkenden Maßnahme – z. B. einer diskriminierenden Subvention – in unterschiedlichen Sektoren erheblich variieren. Nachfolgend wird der deutsche Marktöffnungsstand im Gesundheitsbereich anhand der in die deutsche Verpflichtungsliste eingetragenen sog. spezifischen Verpflichtungen (commitments) (1.) im Zusammenspiel mit verschiedenen an sie rückgebundenen allgemeinen Pflichten, sog. Annexpflichten, untersucht (2.). 1. Spezifische Verpflichtungen: Marktzugang, Inländerbehandlung u. a. Wenn ein Mitglied bestimmte Gesundheitsdienstleistungen liberalisieren möchte, muss es gemäß dem sog. Positivlistenansatz369 zunächst entscheiden, welche Subsektoren in die nationale Liste (schedules of commitments – Art. XX) aufgenommen werden sollen.370 Anschließend muss der Grad der Marktöffnung danach bestimmt werden, ob und in welchem Umfang ausländischen Wettbewerbern Marktzugang nach Art. XVI GATS und/oder eine inländergleiche Behandlung i.S.v. Art. XVII GATS oder zusätzliche Verpflichtungen nach Art. XVIII GATS oder auch horizontale Verpflichtungen und Vorverpflichtungen gewährt werden. Diese Entscheidung ist für jede Dienstleistungserbringungsform (Modus 1 bis 4) zu treffen.
369
Von einem negativ list approach sprechen hingegen Fidler/Correa/Aginem, Draft Legal Review, Rn. 349, weil hier hauptsächlich Marktzugangsbeschränkungen, die aufrechterhalten werden sollen, eingetragen werden. 370 Allerdings dürfen dies keine Dienstleistungen i.S.v. Art. XIII GATS sein.
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Der Grad der konkreten Marktöffnungsverpflichtung wird grundsätzlich mit folgenden Bezeichnungen angegeben:371 – keine (none): Verpflichtung zu ausnahmsloser Gewährung von Marktzugang und Inländerbehandlung; – ungebunden (unbound): Grundsätzlich Ausnahme des jeweiligen (Teil-)Sektors von den Marktzugangs- und Inländerbehandlungspflichten, d. h. der (Teil-)Sektor wird überhaupt nicht geöffnet; – keine außer … (none, except …): grundsätzlich bleibt Markt verschlossen bis auf die Teilöffnung eines explizit genannten Sektors; – außer … (except): Marktöffnung bis auf explizit genannte Dienstleistungen des gelisteten Sektors.
Nach Eintragung einer spezifischen Verpflichtung in eine Länderliste hat der Mitgliedstaat dann den Dienstleistungen und Dienstleistern eines anderen Mitglieds eine nicht ungünstigere Behandlung (Bestimmungen, Beschränkungen, Bedingungen) zukommen zu lassen, als diejenige, die er in seiner Liste festgelegt hat. Wenn ein Mitglied einen Sektor dem Markt öffnet ohne ausdrücklich in die Listen Vorbehalte aufzunehmen, darf es beispielsweise den Handel nicht mehr beeinflussen durch Beschränkungen der Anzahl der Dienstleistungserbringer oder Beschränkungen des Gesamtwerts der Dienstleistungsgeschäfte oder Bestimmung bestimmter oder Beschränkung auf bestimmte Arten rechtlicher Unternehmensformen (vgl. Art. XVI Abs. 2 GATS). Darüber hinaus können Mitglieder vorläufige und/oder dauerhafte Ausnahmen von den allgemeinen Verpflichtungen vereinbaren, Zusatzregelungen teilweise oder ganz übernehmen und Ergänzungsabkommen vereinbaren, in denen sie Geschwindigkeit und Umfang dieser zusätzlichen Liberalisierungsverpflichtungen bestimmen. Den Mitgliedstaaten steht es damit offen zu bestimmen, ob – und wenn ja welche – einzelnen Dienstleistungen diesen GATS-Regelungen unterworfen werden sollen. Allerdings sind einmal gemachte Liberalisierungsschritte nur im Rahmen eines Ausgleichsmaßnahmeverfahrens gem. XXI GATS nach einer Dreijahresfrist nach Inkrafttreten der betreffenden spezifischen Verpflichtung wieder änder- bzw. aufhebbar. Ein Änderungsbedürfnis kann sich beispielsweise ergeben aufgrund überholender technischer Entwicklungen. Bedeutung und Auswirkungen des Art. XXI GATS werden im Schrifttum recht kritisch gesehen, obwohl das Verfahren gerade die Flexibilität des GATS unter Beweis stellen soll. So wird argumentiert, dass das Kompensationsverfahren und die mit ihm behaftete Unsicherheit über die Ausgestaltung der „Ausgleichsverpflichtungen“ im Zweifel die WTO-Mitglieder eher davon abhalte, Verpflichtungen zu ändern, selbst wenn dies im Interesse bestimmter (öffentlicher) Sektoren wäre.372 Zumindest an dieser Stelle trete damit die regula371
Zur Terminologie siehe die Erläuterungen der WTO unter http://www.wto.org/english/ tratop_e/serv_e/guide1_e.htm, Stand: Oktober 2012; in dieser Arbeit verwandte deutsche Übersetzung in Anlehnung an Falke, S. 97. 372 World Development Movement, S. 17; Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 34 f.
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torische Autonomie der Mitgliedstaaten und die Flexibilität des GATS sowie seine Sensibilität für nationale Allgemeinwohlinteressen hinter das wirtschaftliche Ziel der Handelsliberalisierung zurück.373 Die besondere Bedeutung bzw. Gefahr des Art. XXI GATS für die nationale Gesundheitsregulierung hänge damit davon ab, wie die WTO-Mitglieder das „Krisenmanagement“ bei der Eintragung von spezifischen Verpflichtungen betrieben. Zwar ständen den Mitgliedern grundsätzlich sämtliche übrige GATS-Sektoren zur Verfügung, um Ausgleichsverpflichtungen anzubieten für eventuelle Änderungen, die ein Mitglied ggf. bei Gesundheitsdienstleistungen vornehmen möchte. Allerdings sei dieser Einwand eher theoretischer Natur, da die übrigen Sektoren bis auf Bildungsdienstleistungen bereits viel weiter geöffnet sind als der Gesundheitssektor, so dass es hier schwieriger sein dürfe dort neue Felder für noch weitergehende Marktöffnungsverpflichtungen zu finden. Darüber hinaus schränkten nach diesen Vertretern sonstige Verpflichtungen aus anderen Abkommen, insbesondere bilateraler Investitionsabkommen, das Feld möglicher Ausgleichsverpflichtungen zusätzlich ein.374 In der Praxis sind bisher wie oben dargelegt keine für Gesundheitsdienstleistungen eingetragenen spezifischen Verpflichtungen im Wege von Kompensationsverhandlungen geändert worden. Das mag die These der Autoren stützen. Nicht von der Hand zu weisen ist jedenfalls die gerade umgekehrt bestehende Gefahr, dass der Gesundheitssektor angesichts seines vergleichbar bisher geringen Verpflichtungs-/ Marktöffnungsgrads bei Kompensationsverhandlungen wegen der Rücknahme oder Änderung von Verpflichtungen in anderen Sektoren durchaus als Rückzugsraum für Ausgleichsverpflichtungen genutzt werden könnte. Die Untersuchung des Marktöffnungsstandes im Gesundheitssektor wird mit einem allgemeinen Überblick über die Marktöffnungsverpflichtungen der WTOMitglieder für Gesundheitsdienstleistungen je nach Erbringungsmodus begonnen [a)]. Anschließend wird der deutsche Marktöffnungsstand für Gesundheitsdienstleistungen anhand der deutschen Verpflichtungsliste im Einzelnen dargestellt [b)]. a) Marktöffnungsverpflichtungen im Gesundheitsbereich Im Jahr 2003 hatten 62 WTO-Mitglieder Verpflichtungen im Rahmen der medizinischen Leistungen (Sektor 1.h. SSC-Liste) eingetragen. An zweiter Stelle folgen die Krankenhausdienstleistungen (Sektor 8.A. SSC-Liste) mit 52 Staaten. Im Bereich der pflegerischen Dienstleistungen und der Dienstleistungen der Hebammen (Sektor 1.j SSC-Liste) verpflichteten sich 34 Staaten. In den sonstigen gesundheitsbezogenen Dienstleistungen (Sektor 8.B. SSC-Liste) liegt die Verpflichtungsrate bei 22 Staa-
373 374
Fidler/Correa/Aginem, Rn. 432, 436. Fidler/Correa/Aginem, Rn. 432, 434 f.
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ten.375 Der Schwerpunkt der Verpflichtungen bei Gesundheitsdienstleistungen liegt damit auf kapitalintensiven und hochqualifizierten kurativen Dienstleistungen statt den personalintensiven pflegenden und sonstigen Dienstleistungen. Der Grund für dieses generell niedrige Niveau abgeschlossener Verpflichtungen wird einerseits in den in vielen WTO-Gesundheitssystemen vorherrschenden öffentlichen Monopolen gesehen, in deren Rahmen die Gesundheitsdienstleistungen entweder kostenlos oder nicht zu Marktpreisen angeboten werden. Bezogen auf die Art der grenzüberschreitenden Erbringung der Gesundheitsdienstleistungen entfallen ca. 41 % auf Modus 1-Dienstleistungen, ca. 38 % auf Modus 3, ca. 20 % auf Modus 2-Dienstleistungen und nur ca. 1 % der Verpflichtungen auf Modus 4-Dienstleistungen. Die nachfolgende Übersicht über die Marktöffnungsverpflichtungen im Bereich der Distanzdienstleistungen [aa)], der Patientenmobilität [bb)], der Niederlassung [cc)] sowie der Arbeitnehmermobilität [dd)] soll einen Eindruck geben, wo die WTO-Mitglieder bisher Chancen und Risiken der Marktöffnungsverpflichtungen für Gesundheitsdienstleistungen sahen. aa) Modus 1 Bisher verpflichteten sich die Mitgliedstaaten nur verhalten im Bereich der Distanzdienstleistungen. Die bedeutensten Verpflichtungen unter Modus 1 (i.V.m. Modus 2) beschränken die Übertragbarkeit von Krankenversicherungsansprüchen. Eine derartige Beschränkung haben beispielsweise die Vereinigten Staaten für Krankenhausdienstleistungen. Angesichts der Entwicklung der Telemedizin und -diagnostik ist es möglich, dass die Mitglieder in Zukunft sich stärker unter Modus 1 verpflichten werden. Gegenwärtig bestehen allerdings insoweit noch große Vorbehalte gegen eine umfassendere Nutzung der neuen Informations- und Telekommunikation angesichts von etwaigen Regelungslücken, Interoperabilitätsfragen und vor allem ungeklärten Datenschutzfragen.376 Eine Vertiefung der Liberalisierung nach Modus 1 hängt entscheidend von dem Ergebnis der Diskussion ab, die um die Standardisierung und Zertifizierung von e-health-Gesundheitsdienstleistungen, ethische Fragen und Datenschutz sowie verschiedene rechtliche Fragen von der Kontrolle der Internettransaktionen, z. B. des Verkaufs verbotener Medikamente, bis hin zum Haftungsrecht geführt wird.377
375 Analyse von Adlung/Carzangia, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 89, die allerdings Versicherungsdienstleistungen (Sektor 7.A. SSC-Liste) nicht miteinbezieht. 376 WHO/WTO, Rn. 220; Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/ Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 203 f. 377 Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 204 ff., 229.
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Darüber hinaus fällt der hohe Anteil an Nichtöffnungseintragungen („unbound“) unter Modus 1 auf. Es handelt sich hier fast um die Hälfte der Eintragungen zu medizinischen Gesundheitsdienstleistungen (medical and dental services – 29 bzw. 62), 20 von 34 Eintragungen der Dienstleistungen von Krankenschwestern und Hebammen (midwives, nurses etc.) und 35 zu 52 der Krankenhausdienstleistungen sowie 10 von 22 aus dem Bereich der sonstigen Gesundheitsdienstleistungen (other human health services). In diesen Verhältnisangaben spiegelt sich der im internationalen Handel derzeit noch eher geringe Stellenwert von e-health wieder. Angesichts des zunehmenden Einsatzes der IT-Technik wird der Dienstleistungserbringung unter Modus 1 jedoch großes wirtschaftliches Potential zuerkannt. Nichtsdestotrotz ergeben sich im Rahmen von e-health-Fragen der Sicherung von Qualität und (technischen) Standards sowie vertrags- und haftungsrechtliche Aspekte. In der Praxis werden Vorschläge diskutiert, dass einheimische Dienstleister nur mit staatlich zertifizierten Anbietern telemedizinischer Dienstleistungen zusammenarbeiten und/oder Versicherungen abschließen sollten, um sich für den Fall von Kunstfehlern und anderen Schlechtleistungen abzusichern. Zudem sollten Gerichtsstandsvereinbarungen in die Dienstleistungsverträge integriert werden können.378 bb) Modus 2 Die meisten Staaten sind Verpflichtungen im Bereich der Patientenmobilität eingegangen. Bei der Betrachtung der Intensität der Verpflichtungen fällt auf, dass die höchste Zahl an uneingeschränkten Marktzugangsverpflichtungen auf Modus 2 und hier auf Krankenhausdienstleistungen entfällt. Sämtliche Industriestaaten verpflichteten sich insoweit Auslandsbehandlungen ihrer Staatsangehörigen nicht zu beschränken. Trotz des hohen Liberalisierungsgrades haben sich die Mitgliedstaaten nicht sämtlicher Regulierungsmöglichkeiten begeben. Die Steuerung der ins Ausland „abwandernden“ Verbraucher erfolgt z. B. durch den Ausschluss der Kostenerstattung für Auslandsbehandlungen (ausdrücklich z. B. die Vereinigten Staaten für Krankenhausbehandlungen, Moldavien für private zahn-/medizinische Dienstleistungen und Dienstleistungen von Krankenschwestern und Hebammen) oder Subventionen. Mit der weitgehenden Liberalisierung der Dienstleistungserbringung nach Modus 2 kompensieren viele Staaten die weitgehende Beschränkung der Arbeitsmigration und Auslandsinvestitionen. Schwellenländer wie Mexiko, Marokko oder Tunesien sehen hier aufgrund ihrer geographischen Nähe zu großen industriellen Exportstaaten Marktpotential für medizinische Langzeitbehandlungen.379 Das Hauptproblem einer weiteren Liberalisierung der Gesundheitsdienstleistungen im 378
Adlung/Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 90. 379 Adlung/Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 88; näher auch WTO-Workshop 2005 zu Modus 2, abrufbar unter http://www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/sym_april05_e/sym_april05_e.htm, Stand: Oktober 2012.
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Bereich des Modus 2 wird in den unterschiedlichen Qualitätsstandards, Zugangsmöglichkeiten, Preisen und landestypischen Versorgungsgewohnheiten und Behandlungsentgeltsystemen der WTO-Mitglieder gesehen.380 cc) Modus 3 Angesichts der starken Monopolisierung der meisten Gesundheitssysteme ist die Zahl der Verpflichtungen für Auslandsinvestitionen im Gesundheitsbereich unter Modus 3 im Vergleich zu anderen Sektoren besonders gering. Anders als im Bereich der Telekommunikation oder Finanzdienstleistungen äußerten die Mitglieder auch wenig wirtschaftliches Interesse, die Marktöffnung im Gesundheitsbereich Sektor 8. voranzutreiben. Die Schwierigkeit bei der Folgenabschätzung entsprechender Liberalisierungsverpflichtungen auf die Versorgungs- und Qualitätsstruktur im Gesundheitssektor schreckt(e) viele Staaten ab. Andererseits wird Modus 3 als Schlüsselmodus für die Liberalisierung der Gesundheitssysteme gesehen.381 Die Marktöffnung für Auslandsinvestitionen bietet nicht nur die Möglichkeit, Personalengpässe und anderweitige Ressourcenknappheit abzubauen, sondern auch des Know-how-Transfers. Viele Verpflichtungen in Modus 3 sind zudem horizontal und beschränken den ausländischen Kapitalanteilserwerb an inländischen Unternehmen oder den Erwerb von Land und Immobilien.382 Viele Mitglieder erachten es für den Abschluss weiterer Verpflichtungen im Bereich Investitionen im Gesundheitsbereich als unentbehrlich, zunächst die Datenerhebung und Folgenabschätzung von Auslandsinvestitionen im Hinblick auf Finanzierung, universellen Zugang zur Gesundheitsversorgung, ihre Qualität und Quantität soweit sozio-ökonomische Faktoren zu verbessern.383 dd) Modus 4 Die höchste Zahl eingeschränkter Liberalisierungsverpflichtungen weist daher neben Modus 3 auch Modus 4 und damit die Arbeitnehmermobilität auf. Darüber hinaus hat in Modus 4 kein WTO-Mitgliedstaat in den Gesundheitsdienstleistungssektoren384 eine uneingeschränkte Marktzugangs- oder sonstige Verpflichtung 380 Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 212 ff., 229. 381 Adlung/Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 87. 382 Listen abrufbar unter www.wto.org/english/tratop_e/serv_e/serv_commitments_e/htm, Stand: Oktober 2012. 383 Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 216 ff., 230. 384 Nicht eingeschlossen Finanzdienstleistungen.
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abgeschlossen. Dieser Umstand ist Ausdruck der weitgehend territorial abgegrenzten Arbeitsmärkte zwischen den WTO-Mitgliedern. Zwar verzeichnen viele Industriestaaten in bestimmten Sektoren einen Arbeitskräftedefizit – z. B. der Krankenschwestermangel in Großbritannien385 –, die gleichzeitig hohe eigene Arbeitslosenzahlen bewog viele Industriestaaten allerdings, ihre Beschäftigungsmärkte gegenüber Drittstaaten bislang tendenziell eher geschlossen zu halten. Sektorübergreifende Verpflichtungen haben die Mehrzahl der Mitglieder unter Modus 4 eingetragen. Häufig wird die Zahl ausländischer Arbeitnehmer in einem Unternehmen beschränkt. b) Deutscher Marktöffnungsstand im Gesundheitswesen Die Marktöffnungsverpflichtungen betreffen im Einzelnen sektorübergreifende horizontale Verpflichtungen [aa)], sektorpezifische Verpflichtungen zu Marktzugang nach Art. XVI GATS [bb)], Inländerbehandlung gem. Art. XVII GATS [cc)], zusätzliche Verpflichtungen nach Art. XVIII GATS [dd)] und schließlich sog. Vorverpflichtungen [ee)]. aa) Horizontale Verpflichtungen Horizontale Verpflichtungen umfassen meist Beschränkungen der Zahl natürlicher ausländischer Dienstleister, die in inländischen Unternehmen beschäftigt werden dürfen, wie auch der ausländischen Kapitalbeteiligungen an inländischen Unternehmen, der Rechtsform der Niederlassung, der Subventionsvergabe oder des Erwerbs von Land und Immobilien. Zudem werden hier Vorbehalte für die Gewährung von Monopol- oder ausschließlichen Rechten, Daseinsvorsorgeleistungen (sog. public utilities) und Wohnsitzerfordernisse eingetragen. Unter Modus 4 sehen typische horizontale Eintragungen im Bereich Marktzugang Kontingente der Zahl zulässiger ausländischer Angestellter in inländischen Unternehmen vor.386 Eintragungen zur Inländerbehandlung unter Modus 4 hingegen treffen meist Regelungen zu Ausbildungen und Spracherfordernissen. Beschränkungen des Kapitalanteil-, Land- oder Immobilienerwerbs durch ausländische Unternehmen wurden hingegen in der Liste der EU-Mitgliedstaaten unter Modus 3 und in die zweite Spalte der Länderlisten als Marktzugangsbeschränkungen eingetragen.387 385
Mit weiteren Beispielen Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/ Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 227. 386 Allerdings betreffen viele dieser Eintragungen den Austausch von Auszubildenden oder unternehmensintern versetztem Personal. Damit hängt die Reichweite dieser Modus 4-Eintragungen erheblich davon ab, inwieweit die Möglichkeit zur Errichtung von Niederlassung nach Modus 3 für das betroffene Unternehmen in anderen Mitgliedstaaten besteht. Entwicklungsländer sind insoweit gegenüber Industrieländern tatsächlich benachteiligt. 387 Untersuchung der horizontalen Eintragungen sämtlicher WTO-Mitglieder bei Adlung/ Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 94.
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Für deutsche Gesundheitsdienstleistungen sind grundsätzlich die folgenden horizontalen EU-Eintragungen relevant: Die EU-Staaten behalten sich im Modus 3 das Recht vor, Monopole und Träger aussschließlicher Rechte im Daseinsvorsorgebereich von Marktzugangs- und Inländerbehandlungsverpflichtungen unberührt zu lassen (sog. public utilities-Vorbehalt).388 Im Bereich staatlicher Subventionierung sollen natürliche Personen aus EUDrittstaaten und Tochtergesellschaften von Firmen aus EU-Drittstaaten ausgeschlossen werden können. Ebenso werden EU-Niederlassungen von Drittstaatsunternehmen den Tochtergesellschaften von Drittstaaten mit Sitz in der EU nicht gleichgestellt. Den EU-Mitgliedstaaten bleibt es allerdings unbenommen im Einklang mit EU-Recht auch die Niederlassungen von Drittstaatsunternehmen zu privilegieren. „Ungebunden“ stellen sich die EU-Mitglieder bei Subventionen für Forschung und Entwicklung. Die Erbringung einer Dienstleistung oder ihre Subventionierung innerhalb des öffentlichen Sektors soll insoweit auch weiterhin zulässig sein. Arbeitsmigration wird nur unter engen Voraussetzungen zugelassen, die unter Modus 4 in der zweiten und dritten Spalte der Verpflichtungslisten eingetragen sind. Die EU-Mitgliedstaaten behalten sich insoweit vor, grundsätzlich ungebunden zu bleiben, „außer für Maßnahmen, die die Einreise in einen Mitgliedstaat und den vorübergehenden Aufenthalt der im Einzelnen aufgezählten Dienstleister betreffen. Alle sonstigen Voraussetzungen im Recht der Union und der Mitgliedstaaten für Einreise, Aufenthalt, Beschäftigung und Maßnahmen der sozialen Sicherheit gelten weiter, einschließlich der Vorschriften über Aufenthaltsdauer, Mindestlöhne und Tarifverträge. Verpflichtungen in Bezug auf die Freizügigkeit gelten nicht, wenn durch den damit verbundenen Personenverkehr eine Störung oder anderweitige Beeinträchtigung arbeitsrechtlicher bzw. betrieblicher Streitigkeiten oder Verhandlungen bezweckt oder bewirkt wird“.389
Für sog. „unternehmensintern versetzte Beschäftigte“ aus Drittstaatsunternehmen mit Auslandsniederlassung in Deutschland gilt der Marktzugang bzw. die Inländerbehandlung nur unter folgenden Bedingungen390: 388 Eingehend zur Reichweite des EU public utilities-Vorbehalts, siehe Krajewski, Bilateral free trade agreements, S. 34 ff. 389 Siehe Verpflichtungsliste der EU-Mitgliedsstaaten abrufbar unter www.wto.org/english/ tratop_e/serv_e/serv_commitments_e.htm, Stand: Oktober 2012. 390 Eigene Übersetzung der original englischsprachigen Liste sektorspezifischer Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaften, TN/S/O/EEC/Rev.1, v. 29. Juni 2005 in Anlehnung an die Übersetzung der früheren Liste (Angebot v. 29. April 2003) von Falke, Normung und Dienstleistungen, S. 176 ff. Diese Liste gibt den Stand der EU25-Verpflichtungen vom 29. Juni 2005 wieder und ist das derzeit noch offizielle überarbeitete Angebot der EU im Rahmen der Doha-Runde. Gegenwärtig wird die offizielle Annahme der neuen EU27-Liste vorbereitet. Die deutschen Eintragungen zu Gesundheitsdienstleistungen haben sich durch den Beitritt von Bulgarien und Rumänien nicht geändert. Es werden in der neuen Liste der EU27
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– entweder muss die natürliche Person bei einer im Hoheitsgebiet eines WTO-Mitgliedstaats niedergelassenen juristischen Person (ausgenommen einer gemeinnützigen Organisation) beschäftigt sein oder als Partner fungieren – nicht aber als Mehrheitsaktionär –, und dies schon – gerechnet ab dem Jahr des Zugangs – seit mindestens einem Jahr. Oder die natürliche Person wird zur Erbringung einer Dienstleistung mittels einer gewerblichen Niederlassung vorübergehend in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates versetzt; – die betreffende juristische Person muss ihren Hauptgeschäftssitz in einem WTO-Mitgliedstaat mit Ausnahme der Union und ihrer Mitgliedstaaten haben und die Versetzung muss zu einer Betriebsstätte (Tochtergesellschaft, Zweitniederlassung, Büro) dieser juristischen Person erfolgen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat vergleichbare Dienstleistungen erbringt); – eine wirtschaftliche Bedürfnisprüfung findet nicht statt, dafür muss die natürliche Person aber bestimmte Qualifikationen aufweisen: – Führungskraft, die vorrangig die Betriebsstätte leitet, unter der allgemeinen Aufsicht des Vorstands oder der Aktionäre bzw. Anteilseigner steht und Weisungen hauptsächlich von ihnen erhält; max. Aufenthaltsdauer drei Jahre; – Spezialist mit hoher formeller Qualifikation (z. B. Hochschulabschluss) und außergewöhnlichen Kenntnissen, die für Betrieb, Forschung oder Verwaltung des Unternehmens unerlässlich sind; max. Aufenthaltsdauer drei Jahre; – Graduierte Trainees: Dienstleister mit Hochschulabschluss, die aus Karrieregründen oder zur Ausbildung in Geschäftstechniken oder -methoden entsandt werden im Rahmen eines Traineeprogramms; max. Aufenthaltsdauer zwölf Monate.
Für sog. „Geschäftsreisende“ gilt, dass Einreise und vorübergehender Aufenthalt – ohne wirtschaftliche Bedürfnisprüfung – für einen Zeitraum von bis zu 90 Tagen innerhalb eines Jahres erlaubt sind, sofern – die Personen als Vertreter eines Dienstleistungserbringers vorübergehend zum Abschluss von Verträgen über Dienstleistungen einreist, diese aber nicht selber erbringt; – Personen, die in leitender Stellung arbeiten und für die kommerzielle Präsenz in einem EU-Mitgliedstaat verantwortlich sind, sofern sie nicht selbst die Dienstleistung erbringen und das sie beschäftigende Unternehmen weder einen Vertreter noch ein Büro oder eine Niederlassung in diesem Mitgliedstaat der EU hat.
Bei sog. „Vertragsdienstleistern“ wird gefordert, dass – das vorübergehend diese nat. Person beschäftigende Unternehmen keine kommerzielle Präsenz in einem EU-Mitgliedstaat hat; – das Unternehmen mit dem Abnehmer in dem betreffenden Mitgliedstaat einen Vertrag zur Erstellung einer Dienstleistung innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwölf Monaten abgeschlossen hat; lediglich die Verpflichtungen der beiden EU-Mitgliedstaaten (zu Gesundheitsdienstleistungen) ergänzt. Eine deutsche Sprachfassung wird im Amtsblatt C der Europäischen Union veröffentlicht. In der WTO sind allerdings weiterhin nur, entsprechend den drei Amtssprachen der WTO, die englische, französische und spanische Sprachfassung verbindlich.
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– der Dienstleistungsvertrag mit den Gesetzen, Vorschriften und Anforderungen der EU und des Mitgliedstaates übereinstimmen muss, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll; – die den Zugang begehrende natürliche Person bei dem Dienstleistungserbringer mindestens ein Jahr lang unmittelbar vor dem beantragten Aufenthalt beschäftigt gewesen sein muss; – die Dauer des vorübergehenden Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat ist auf einen kumulierten Zeitraum von nicht länger als einem halben Jahr, einem Jahr oder auf die Dauer des Vertrags begrenzt, wenn Letztere kürzer ist; – die natürliche Person hohe Qualifikationen besitzen muss, nämlich einen Universitätsabschluss oder eine technische Qualifikation mit einem vergleichbaren Anforderungsniveau, eine Berufsqualifikation entsprechend den Gesetzen, Vorschriften oder Anforderungen der EU oder des Mitgliedstaates, in dem die Dienstleistung erbracht wird und eine wenigstens dreijährige Berufserfahrung in dem einschlägigen Sektor; beispielsweise könnte eine Ausschreibung oder öffentlicher Anschlag dem Vertragsschluss vorgelagert werden; Qualifikationen aus Drittstaaten können einer Gleichwertigkeitsprüfung unterworfen werden; – die Erlaubnis nur für die in dem Vertrag bezeichnete Dienstleistung gilt, die einem der ausdrücklich aufgezählten 22 Sektoren entstammen muss;391 – die Anzahl der Personen nicht größer sein darf, als zur Erfüllung des Dienstleistungsauftrages erforderlich ist; – soweit nicht anderes bestimmt ist, die zahlenmäßigen noch festzulegenden Höchstgrenzen für Zahlen der Arbeitsmigranten gelten.
Die Marktöffnung für sog. „freiberuflich Tätige“ soll nur unter folgenden Einschränkungen vorgesehen werden: – eine natürliche Person ist freiberuflich mit der Erbringung einer Dienstleistung auf dem Territorium eines WTO-Mitglieds außerhalb der EU befasst; – sie hat von einem Dienstleistungsempfänger in einem Mitgliedstaat der EU einen Auftrag zur Erbringung einer Dienstleistung erhalten, dessen Erfüllung nicht länger als zwölf Monate beansprucht; – der Dienstleistungsvertrag muss mit den Gesetzen, Vorschriften und Anforderungen der EU und des Mitgliedstaates übereinstimmen, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll; – die Dauer des vorübergehenden Aufenthaltes in dem betreffenden Mitgliedstaat ist auf einen kumulierten Zeitraum von nicht länger als einem halben Jahr oder auf die Dauer des Vertrages begrenzt, wenn Letztere kürzer ist; – die natürliche Person muss hohe Qualifikationen besitzen nämlich entweder einen Universitätsabschluss oder eine technische Qualifikation mit einem vergleichbaren Anforderungsniveau, oder eine Berufsqualifikation entsprechend den Gesetzen, Vorschriften oder Anforderungen der EU oder des Mitgliedstaates, in dem die Dienstleistung erbracht wird, und eine wenigstens sechsjährige Berufserfahrung in dem einschlägigen 391
Gesundheitsdienstleistungen sind hier nicht aufgelistet.
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Sektor; beispielsweise könnte eine Ausschreibung oder öffentlicher Anschlag dem Vertragsschluss vorgelagert werden; – die Erlaubnis gilt nur für die Dienstleistung, die Gegenstand des Vertrages ist und sich auf einen abschließenden Katalog von Tätigkeiten bezieht;392 – soweit nicht anders bestimmt, gelten die zahlenmäßigen noch festzulegenden Höchstgrenzen für die Zahl der Arbeitsmigranten.
Im Hinblick auf die Inländerbehandlung sehen die horizontalen Verpflichtungen vor, dass – die Gewährung von Beihilfen der EU oder eines Mitgliedstaates beschränkt werden kann auf juristische Personen, die in einen Mitgliedstaat oder in einem bestimmten Territorium eines Mitgliedstaates angesiedelt sind, oder im Falle von natürlichen Personen auf Angehörige von Mitgliedstaaten der EU; – die EU-Richtlinien über die Anerkennung von Diplomen nicht für die Angehörigen von Drittstaaten gelten und dass das Recht, eine reglementierte freiberufliche Dienstleistung in einem Mitgliedstaat zu erbringen, nicht das Recht verleiht, sie auch in einem anderen Mitgliedstaat zu erbringen; – das Recht, eine regulierte berufliche Dienstleistung in einem Mitgliedstaat erbringen zu dürfen, kein entsprechendes Recht in einem anderen Mitgliedstaat gewährt; – Investitionen nicht beschränkt werden; – die Gründung von Zweigniederlassungen, Vertretungen und Repräsentanzen als auch von Tochtergesellschaften beschränkt werden kann; – für den Erwerb von Immobilien in den Bundesländern Berlin, Schleswig-Holstein und Saarland von Ausländern eine Genehmigung verlangt werden kann und dass seit 1994 diese Genehmigung höchstwahrscheinlich nur noch vom Land Berlin verlangt werde.
Die Öffnung der Gesundheitsdienstleistungsmärkte wird durch diese weitgehenden horizontalen Verpflichtungen stark eingeschränkt. Besondere Bedeutung besitzen die Modus 4-Beschränkungen für die EU-Mitgliedstaaten und damit Deutschland. Sofern – wie im nachfolgenden Abschnitt gezeigt werden wird – der Arbeitsmarkt für die jeweilige Gesundheitsdienstleistung nicht bereits grundsätzlich verschlossen gehalten wird, wird der entsprechende Arbeitsmarkt entsprechend diesen horizontalen Verpflichtungen stark eingeschränkt geöffnet. bb) Marktzugangsverpflichtung, Art. XVI GATS Ziel des Art. XVI GATS ist es, nationale Märkte ausländischen Dienstleistern und Dienstleistungen zu öffnen, wenn der Zugang zum einheimischen Markt inländischen Anbietern – wenn auch nur beschränkt – geöffnet wurde.
392
Gesundheitsdienstleistungen sind hier nicht aufgezählt.
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Art. XVI [Marktzugang] (1) Hinsichtlich des Marktzugangs durch die in Artikel I definierten Erbringungsarten gewährt jedes Mitglied den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die nach den in seiner Liste393 vereinbarten und festgelegten Bestimmungen, Beschränkungen und Bedingungen vorgesehen ist. (2) In Sektoren, in denen Marktzugangsverpflichtungen übernommen werden, werden die Maßnahmen, die ein Mitglied weder regional noch für sein gesamtes Hoheitsgebiet aufrechterhalten oder einführen darf, sofern in seiner Liste nichts anderes festgelegt ist, wie folgt definiert: a) Beschränkungen der Anzahl der Dienstleistungserbringer in Form von zahlenmäßigen Quoten, Monopolen oder Dienstleistungserbringern mit ausschließlichen Rechten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung; b) Beschränkungen des Gesamtwerts der Dienstleistungsgeschäfte oder des Betriebsvermögens in Form zahlenmäßiger Quoten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung; c) Beschränkungen der Gesamtzahl der Dienstleistungen oder des Gesamtvolumens erbrachter Dienstleistungen durch Festsetzung bestimmter zahlenmäßiger Einheiten in Form von Quoten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung394; d) Beschränkungen der Gesamtzahl natürlicher Personen, die in einem bestimmten Dienstleistungssektor beschäftigt werden dürfen oder die ein Dienstleistungserbringer beschäftigen darf und die zur Erbringung einer spezifischen Dienstleistung erforderlich sind und in direktem Zusammenhang damit stehen, in Form zahlenmäßiger Quoten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung; e) Maßnahmen, die bestimmte Arten rechtlicher Unternehmensformen oder von Gemeinschaftsunternehmen beschränken oder vorschreiben, durch die ein Dienstleistungserbringer eine Dienstleistung erbringen darf und f) Beschränkungen der Beteiligung ausländischen Kapitals durch Festsetzung einer prozentualen Hoechstgrenze für die ausländische Beteiligung oder für den Gesamtwert einzelner oder zusammengefasster ausländischer Investitionen.
Die WTO-Mitglieder sind nach Art. XVI GATS allerdings nicht verpflichtet, ausländischen Dienstleistungen und Dienstleistern umfassenden Marktzugang zu gewähren. Sie sind aber gehalten, nicht von den Marktöffnungszugeständnissen, die 393 [Amtliche Anmerkung] „Geht ein Mitglied eine Marktzugangsverpflichtung in Bezug auf die Erbringung einer Dienstleistung durch die in Artikel I Absatz 2 Buchstabe a) genannte Erbringungsart ein und stellt der grenzüberschreitende Kapitalverkehr einen wesentlichen Teil der Dienstleistung selbst dar, so ist das Mitglied dadurch verpflichtet, diesen Kapitalverkehr zuzulassen. Geht ein Mitglied eine Marktzugangsverpflichtung in Bezug auf die Erbringung einer Dienstleistung durch die in Anteil I Absatz 2 Buchstabe c) genannte Erbringungsart ein, so ist das Mitglied dadurch verpflichtet, entsprechende Kapitaltransfers in sein Hoheitsgebiet zuzulassen.“ 394 [Amtliche Erläuterung] „Buchstabe c) gilt nicht für Maßnahmen eines Mitglieds, die Vorleistungen für die Erbringung von Dienstleistungen beschränken.“
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sie in die Verpflichtungslisten eingetragen haben, zum Nachteil der ausländischen Dienstleister abzuweichen. Art. XVI GATS wird im Schrifttum teilweise als zu weitgehend kritisiert, da er über das reine Diskriminierungsverbot des Art. XVII GATS (Inländerbehandlung) hinausgehe.395 Allerdings wird andererseits festgestellt, dass Art. XVI GATS auch wiederum noch kein umfassendes Gebot effektiven Marktzugangs enthalte angesichts der vielfältigen Ausnahmemöglichkeiten für nationale Dienstleistungsbeschränkungen, sofern sie nach Art. XVI Abs. 2 gelistet werden.396 Gegenwärtig zielt der Verpflichtungsgehalt des Art. XVI GATS darauf, dass die Mitglieder nationale quantitative Beschränkungen im Hinblick auf die Dienstleistungserbringer, des Gesamtwerts oder -volumens oder der Gesamtzahl der Dienstleistungen als auch Beschränkungen bestimmter Arten rechtlicher Unternehmensformen oder bestimmter Beteiligungsformen ausländischen Kapitals in die Verpflichtungslisten einzutragen haben, wenn sie sie aufrecht zu erhalten suchen (list it or lose it-Ansatz).397 Trotz der Aufzählung der zu listenden Beschränkungen in Art. XVI Abs. 2 GATS, ist die Reichweite des Art. XVI GATS umstritten, wie nicht zuletzt die jüngste Entscheidung in dem Rechtsstreit US-Gambling offenbart hat. Zunächst wird daher untersucht, welche nationalen „Beschränkungen“ nach Art. XVI GATS überhaupt zu listen sind [(1)], bevor dann die oben in Teil 2 vorgestellten deutschen Regulierungsinstrumente auf ihre Marktzugangsrelevanz untersucht werden [(2)]. (1) Reichweite des Art. XVI GATS Ob die Aufzählung des Art. XVI Abs. 2 GATS abschließend ist, ist umstritten. Fraglich ist nämlich, ob die Mitgliedstaaten auch in der Aufzählung nicht genannte, den Marktzugang aber faktisch ebenso beschränkende Maßnahmen in ihre Listen aufzunehmen haben. Entsprechend wäre der potentiell marktzugangsrelevante Kreis der Regelungen des deutschen Gesundheitssystems weiter zu ziehen und damit wegen der ggf. umfassenderen „Listungs“-pflicht der Einwirkungsgrad des GATS auf das deutsche Gesundheitssystem intensiver. Die Frage der Reichweite des Art. XVI GATS war jüngst Gegenstand des Streitbeilegungsverfahrens US-Gambling. Die USA hatten versehentlich in ihrer Verpflichtungsliste freien Marktzugang für Wett- und Glücksspieldienstleistungen gewährt, obwohl insbesondere das Online-Wett- und Glücksspiel aus Gründen des Minderjährigenschutzes und zur Vorbeugung vor Betrugsgefahr in einigen USBundesstaaten verboten worden war. Dieses Verbot ist aber nicht als „Marktzugangsbeschränkung“ in die amerikanische Verpflichtungsliste eingetragen worden. Panel und Appellate Body qualifizierten das inländische Verbot als eine in ihrer 395 396 397
Gould/Joy, S. 11 f.; Sanger, S. 55; Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 52 ff. Wiegemann, S. 249. Fidler/Correa/Aginemn, Rn. 354.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Wirkung einer quantitativen Beschränkung gleich kommenden Regelung, die in die Liste hätte eingetragen werden müssen. Das Verbot sei nämlich nach Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS zu listen gewesen, da es eine sog. Nullquote (zero quota) darstelle, weil ausländischen Dienstleistern die Dienstleistungserbringung unmöglich gemacht wurde. Eine Nullquote habe, wenn sie auch selbst keine Zahl sei, doch zumindest die Eigenschaften und damit Auswirkungen einer Zahl.398 Das müsse für eine Pflicht zur Auflistung nach Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS ausreichen, da es „absurd“ sei, nur Maßnahmen dann als gegen Art. XVI GATS verstoßend zu qualifizieren, wenn die Marktzugangsbeschränkung in Zahlen niedergelegt ist, obwohl das Ergebnis gleich sei.399 Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS benenne zwar nicht ausdrücklich eine Nullquote, umfasse das Verbot einer Nullquote aber implizit. Es sei nur deshalb nicht in Absatz 2 lit a) ausdrücklich aufgenommen worden, weil ein Mitglied, das in diesem Dienstleistungssektor ein vollständiges Verbot des Marktzugangs (also eine Nullquote) aufrechterhalten wollte, diesen Sektor erst gar nicht in seine Liste spezifischer Verpflichtungen aufgenommen hätte und deshalb auch keine Ausnahme nach Art. XVI Abs. 2 GATS hätte eintragen müssen.400 Im Übrigen würden auch die sog. „Richtlinien zur Erstellung der Listen spezifischer Verpflichtungen“ von 1993401 dieses Ergebnis bestätigen, da dort unter Rn. 6 lit. a als Beispiel für eine Beschränkung nach Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS gerade eine Beschränkung, die als Equivalent zu einer Nullquote zu qualifizieren sei, genannt werde.402 Die Entscheidungen von Panel und Appellate Body sind in der Literatur stark kritisiert worden.403 Weder der Wortlaut noch der innere Zusammenhang des Art. XVI GATS lasse es zu, nur auf eine nur beispielhafte Aufzählung von Beschränkungen in Absatz 2 lit. a) – f) zu schließen. Auch die vom Appellate Body bemühten Richtlinien ließen einzig den Schluß zu, dass die Aufzählung des Art. XVI Abs. 2 GATS gerade abschließend sei. Zum Wortlaut und inneren Zusammenhang des Absatzes lit. a) – f) wird zunächst ausgeführt, dass nur solche Beschränkungen des Marktzugangs verboten seien, die einer der in Art. XVI Abs. 2 GATS explizit genannten Formen von Beschränkungen entsprächen. Lediglich faktische Auswirkungen, die derjenigen einer quantitativen
398
US-Gambling, AB, Rn. 227. US-Gambling, Panel, Rn. 6.332. 400 US-Gambling, Panel, Rn. 6.331; US-Gambling, AB, Rn. 234. 401 Die Richtlinien wurden am 3. September 1993 bzw. 30. November 1993 von dem GATT-Sekretariat als „ergänzendes Auslegungsmittel“ i.S.v. Art. 32 Wiener Vertragsrechtskonvention für die Auslegung der Länderlisten entwickelt, siehe WTO, Scheduling, Rn. 1 ff.; WTO, Addendum, Rn. 1 ff.; siehe auch die überarbeitete Version vom 23. März 2001 WTO, Guidelines, Rn. 1 ff. Zur Bedeutung der Richtlinien als Auslegungshilfe US-Gambling, AB, Rn. 196. 402 US-Gambling, AB, Rn. 237, 249. 403 Eingehend mit einem aktuellen Überblick über den Meinungsstand Wiegemann, S. 238 ff. 399
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Beschränkung gleich kommen, seien nicht ausreichend.404 Art. XVI Abs. 2 GATS sei insoweit eindeutig, da es dort am Anfang der Aufzählung heiße, „die Maßnahmen, die ein Mitglied weder regional noch für sein gesamtes Hoheitsgebiet aufrechterhalten oder einführen darf, […] werden wie folgt definiert […]“.
Absatz 2 definiert mithin die Bestimmungen, Beschränkungen und Bedingungen, die nach Abs. 1 in die Verpflichtungslisten aufzunehmen sind. Ebenso heißt es in den Art. XVI Abs. 2 lit. a) – f) GATS, dass die dort genannten Beschränkungen gegen Art. XVI verstoßen, wenn sie in Form von zahlenmäßigen Quoten, Monopolen, ausschließlichen Rechten oder einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung erfolgen. Der Verweis auf die „Form“ und die anschließende konkrete Benennung der listungspflichtigen Beschränkungen ließe nur den Schluss einer abschließenden Aufzählung zu.405 Panel und Appellate Body folgerten zu Unrecht aus dem inneren Zusammenhang der Unterabsätze, dass Unterabsatz a) ein implizites Verbot einer Nullquote enthalte. Zum einen sei der Umstand, dass die USA den Sektor der Wett- und Glücksspielleistungen gelistet hatten, obwohl sie die Online-Erbringung dieser Dienstleistungen – also Modus 1 im Sinne des GATS – eigentlich nicht freigeben wollten, wahrscheinlich auf die im Zeitpunkt des Abschlusses des GATS nicht absehbare, schnelle technische Entwicklung zurückzuführen, die es nunmehr ermöglichte, die Telekommunikationsmittel auch für das grenzüberschreitende Wett- und Glücksspiel einzusetzen. Zudem zeige sich die Schwäche der Argumentation von Panel und Appellate Body im Hinblick auf die in Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS u. a. aufgezählte Beschränkungsart „Monopole“. Sobald ein Mitgliedstaat in einem Sektor ein Monopol vorsieht bzw. beibehalten möchte, hätte es streng nach der Argumentation der Streitschlichtungsorgane, einfach diesen Sektor nicht in die Verpflichtungsliste aufzunehmen und entsprechend auch kein Monopol zu listen. Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS benenne aber gerade Monopole als zu listende Beschränkungen des Marktzugangs. Der Ansatz der Streitschlichtungsorgane sei daher nicht schlüssig, denn sonst hätten die Mitglieder die Monopole nicht in Unterabsatz a) ausdrücklich benannt.406 Im Übrigen könne es entgegen Panel und Appellate Body auch nicht auf die (mittelbare) quantitativen Auswirkungen sonstiger nicht in Art. XVI Abs. 2 GATS gelisteten beschränkenden nationalen Regelungen ankommen, da streng genommen jeder Marktzugangsbeschränkung quantitative Wirkung zukomme. Beschränkungen, die ursprünglich qualitativ angelegt seien, bekämen in dem Augenblick mittelbar quantitative Auswirkungen, in dem sie den Marktzutritt ausländischer Anbieter beschränkten und damit deren Anzahl auf dem heimischen Markt verringerten. 404 Krajewski, National Regulation, S. 84; ebenso mit eingehender Untersuchung der Entscheidungen des Panel und des Appellate Body Wiegemann, S. 238 ff. 405 Wiegemann, S. 238 ff. 406 Wiegemann, S. 243 m.w.N.
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Dann wären aber sämtliche nationalen Marktzugangsbeschränkungen zu listen.407 Ein strenges Anknüpfen an die quantitativen Auswirkungen jeglicher Beschränkung auch über die Aufzählung in Art. XVI Abs. 2 lit. a) – f) GATS genannten Beschränkungen hinaus, höhle damit aber Art. VI Abs. 5 GATS aus.408 Dieser regelt die Zulässigkeit qualitativer marktzugangsbeschränkender Erfordernisse, Verfahren, technischer Normen und Zulassungen. Diese qualitativen Marktzugangsbeschränkungen sind zulässig, solange die mit ihnen verbundene Belastung des Marktzutritts der ausländischen Dienstleister oder Dienstleistungen nicht über das notwendige Maß hinausgeht. Eine eventuell mit ihnen verbundene quantitative Marktzugangsbeschränkung ist nach Art. VI Abs. 5 GATS irrelevant. Aus diesem Umstand wird im Schrifttum gefolgert, dass es über die in Art. XVI Abs. 2 lit. a) – f) GATS aufgezählten Beschränkungen nicht auf die quantitative beschränkende Auswirkung sonstiger Maßnahmen ankommen könne. Entscheidend für die Auswahl der in den Unterabsätzen a) – f) GATS gelisteten Beschränkungen gegenüber anderen Beschränkungen sei, dass sie prima facie Ausdruck puren Protektionismus seien.409 Die Väter des GATS wollten diese Beschränkungstatbestände aufgrund ihres besonders handelsbeeinträchtigenden Potentials grundsätzlich verbieten und nur die Möglichkeit offen halten, die Vermutung protektionistischer Zielsetzung einer Beschränkung im Einzelfall widerlegen zu können.410 Da die Beweislast in Art. VI Abs. 5 GATS gerade umgekehrt geregelt ist – die in Art. VI Abs. 5 GATS genannten Maßnahmen sind prima facie zulässig – werde durch die weite Auslegung des Art. XVI Abs. 2 GATS seitens Panel und Appellate Body die beweisverfahrensrechtliche Privilegierung der nach Art. VI Abs. 5 GATS prima facie zulässigen qualitativen Beschränkungen ausgehöhlt.411 Schließlich wird im Hinblick auf die vom Appellate Body bemühten Richtlinien zur Auslegung der Verpflichtungslisten von 1993 betont, dass das in Rn. 6a der Richtlinien von 1993 bzw. in Rn. 12a der überarbeiteten Version der Richtlinien von 2001 genannte Beispiel der Nullquote sich auf eine Maßnahme bezog, deren Wirkung das Äquivalent einer Nullquote darstellt, die Folge eines Nationalitätserfordernisses für Dienstleister war.412 In der Entscheidung US-Gambling gehe es aber stattdessen um eine Nullquote, die Folge eines zum Schutz der Qualität der 407 Pauwelyn verweist insoweit auf das Beispiel einer nationalen Regelung, die die Marktzugangslizenz für ausländische Versicherungsunternehmen an den Nachweis einer Kapitalrücklage knüpft. Ohne Nachweis erhält der ausländische Anbieter mithin keine Lizenz und damit keinen Marktzugang, so dass über die Lizenzvergabe die Anzahl der ausländischen Marktteilnehmer reguliert wird. Der qualitativen Anforderung einer Kapitalrücklage komme damit mittelbar auch der Charakter einer quantitativen Marktzugangsbeschränkung zu, siehe Pauwelyn, S. 160. 408 So Wiegemann, S. 244 ff. 409 Wiegemann, S. 245. 410 Näher Ortino, S. 142 f. 411 So Wiegemann, S. 246. 412 Eingehend Wiegemann, S. 247.
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Dienstleistung getroffenen Verbots der Online-Wett- und Glücksspiele war. Bei dem Nationalitätserfordernis trifft die Beschränkung der jeweiligen Dienstleistungserbringung mithin nur Ausländer, bei der in US-Gambling streitigen qualitativ motivierten Nullquote hingegen, wird die Dienstleistungserbringung auch für Inländer beschränkt.413 Diese Nullquote besitze mithin einen legitimen, nicht protektionistischen Zweck, der die Anwendung des milderen Art. VI Abs. 5 GATS rechtfertige.414 Dem extensiven Ansatz von Panel und Appellate Body, der im Ergebnis auf eine umfassende Listungspflicht hinauslaufen würde, kann in der Tat nicht zugestimmt werden. Denn nur der restriktive Ansatz wahrt die Systematik der unterschiedlichen Beweislast und Privilegierung zwischen Art. VI Abs. 5 und Art. XVI GATS. Einzig dieser Ansatz wird dem in der Präambel niedergelegten übergeordneten Auftrag gerecht, einen Ausgleich zwischen dem Ziel der Verwirklichung eines freien Dienstleistungshandels und der regulatorischen Souveränität der Mitgliedstaaten zu finden. Nach Ansicht des Appellate Body sind allerdings Ziel und Zweck der Präambel bei der Auslegung der Reichweite des Art. XVI GATS nicht entscheidend. Dem kann wiederum nicht gefolgt werden. Die Regelungen des GATS – zumal eine für die Autonomie der Mitglieder so grundlegende Regelung wie die Frage des Marktzugangs – sollte im Lichte der den Mitgliedern obliegenden Rechte und Pflichten des internationalen Mehrebenensystems, insbesondere der menschenrechtlichen Verpflichtungen – gesehen werden. Den Mitgliedern muss der notwendige regulatorische Spielraum zugestanden werden, um diese Verpflichtungen zu erfüllen. Eine umfassende, über den Wortlaut des Art. XVI GATS hinausgehende Listungs-Verpflichtung würde diesen Spielraum der Mitglieder zu stark einschränken, da letztlich jede Vorschrift nationaler Gesundheitsregulierung, die ausländischen Anbietern oder Dienstleistungen den Marktzutritt verwehrt, deren Zahl auf dem heimischen Markt verringert. Auch qualitativen Regelungen kommt damit mittelbar auch immer eine quantitative marktzugangsbeschränkende Wirkung zu. Um nicht umfassenden Marktzugang gewähren zu müssen, müssen in gelisteten Sektoren folglich sämtliche Regelungen in die Verpflichtungsliste aufgenommen werden. Sofern dies nicht oder nur lückenhaft geschieht, da beispielsweise im Zeitpunkt der Listung eine mittelbar quantitative Auswirkung mangels entsprechender technischer Entwicklung nicht bekannt ist oder einfach übersehen wurde, besteht die Gefahr, dass ein anderes Mitglied vor dem Streitschlichtungsorgan der WTO für seine Wettbewerber auf umfassenden Zugang zum deutschen Gesundheitssystem in bisher den Vertragsdienstleistern vorbehaltene Bereiche der Versorgung im Rahmen der solidarisch finanzierten gesetzlichen Krankenversicherung drängen könnte. Das aber würde die 413 414
Pauwelyn, S. 164. Wiegemann, S. 247.
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nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung überfordern als auch die hohe Qualität der Gesundheitsversorgung gefährden. (2) Beispiele für listungspflichtige Marktzugangsbeschränkungen Nach Art. XVI Abs. 2 GATS sind Regelungen der Gesundheitssysteme zu listen, die die Anzahl der Dienstleistungserbringer einschränken gem. Art. XVI Abs. 2, a), insbesondere: – jährlich aufgestellte Quoten für niedergelassene Ärzte415, – Nullkontingente für Dienstleistungserbringer (z. B. Hebammen wie in der deutschen Verpflichtungsliste416), – Monopolrechte oder ausschließliche Rechte für Dienstleistungserbringer beispielsweise für den Arzneimittelvertrieb durch Apotheken oder wie oder exklusive (Versorgungs-) Nutzungsrechte für private Investoren im Gegenzug für deren Investitionen in Kliniken417.
Ebenso sind wirtschaftliche Bedürfnisprüfungen, sog. economic needs tests, zu listen. Die wirtschaftliche Bedürfnisprüfung wird in der Literatur – eine Legaldefinition oder entsprechende „Rechtsprechung“ fehlt – als Prüfung der wirtschaftlichen Notwendigkeit ausgelegt.418 Mithin muss die Auswahl der ausländischen Dienstleister nach Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten erfolgen. Nach Unterabsatz b) sind Beschränkungen des Gesamtwerts des Dienstleistungsgeschäfts oder des Betriebsvermögens (zum Beispiel von Krankenhäusern oder Versicherungsunternehmen) oder nach Unterabsatz c) Beschränkungen der Gesamtzahl der Dienstleistungen oder des Gesamtvolumens der entsprechenden Dienstleistungen beispielsweise in Form von Beschränkung der Anzahl hochspezialisierter Geräte in einer Region/in einem Krankenhaus419 in die Verpflichtungsliste aufzunehmen. Darüber hinaus sind nach Unterabsatz d) Beschränkungen der Gesamtzahl natürlicher Personen, die im Gesundheitssektor oder von einem Dienstleister beschäftigt werden dürfen, zu listen. Sobald die Beschränkungen nicht alle Dienstleister oder Dienstleistungen betreffen, besteht demnach keine Pflicht zur Listung nach den Unterabsätzen b) – d). Der Unterschied zu Unterabsatz a) besteht darin, dass er die Dienstleister selbst – juristische oder natürliche Personen – beschränkt, die Unterabsätze b) – d) hingegen quantitative Beschränkungen vorsehen, die an andere Umstände als den Dienstleister selbst anknüpfen. 415 Beispiel aus den Richtlinien zur Erstellung der Liste spezifischer Verpflichtungen von 2001, Rn. 12. 416 Zur deutschen Verpflichtungsliste eingehend unten in Teil 3 unter C.II.1.b), cc). 417 Beispiel bei Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 201. 418 Siehe Krajewski, National Regulation, S. 88 f. 419 Beispiel bei Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 201.
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Darüber hinaus kommen in Gesundheitssystemen durchaus auch die nach Unterabsatz e) zu listenden Beschränkungen vor, die die Art der rechtlichen Unternehmensformen betrifft, beispielsweise in Gestalt von Rechtsformbeschränkungen für Krankenhausträger, niedergelassene Ärzte oder Kostenträger. Ungeklärt ist hier, ob nur die Unternehmensformbeschränkungen bestimmter Rechtsnatur (Gesetz, Verordnung, Satzung etc.) oder unabhängig davon sämtliche Regelungen, die die Rechtsform beschränken, zu listen sind.420 Auch hier empfiehlt sich eine restriktive Auslegung zugunsten eines größtmöglichen Spielraums der Mitgliedstaaten. Auch die Beschränkung der Beteiligung ausländischen Kapitals durch Festsetzung prozentualer Höchstgrenzen für ausländische Beteiligungen z. B. bei Kliniken oder Versicherungsunternehmen, oder für den Gesamtwert einer oder zusammengefasster ausländischer Investitionen nach Art. XVI Abs. 2 lit. f) GATS sind zu listen. Vor allem in den Verpflichtungslisten der Schwellen- und Entwicklungsländer sind derartige Eintragungen zu finden.421 Deutschland hat hierzu nichts gelistet. (3) Stand deutscher Marktzugangsverpflichtungen Deutschland hat neun differenzierte Marktzugangsbeschränkungen für Gesundheitsdienstleistungen eingetragen, sieben unbound-Eintragungen für eine vollständige Marktabschottung des jeweiligen Modus und fünf none-Eintragungen für eine ausdrückliche umfassende Marktöffnung des jeweiligen Modus. Das heißt allerdings nicht, dass die deutschen Gesundheitsmärkte umfassend multilateral geöffnet sind. Vielmehr handelt es sich bei einer Vielzahl der Eintragungen entweder um Ausnahmen vom Anwendungsbereich des GATS oder um materiell-rechtlich nicht sehr weitreichende Liberalisierungsverpflichtungen. Einen Überblick über die Eintragungen gibt der in Anhang 2 dieser Arbeit beigefügte Auszug der deutschen Marktzugangsverpflichtungen für Gesundheitsdienstleistungen aus der dem GATS angehängten Verpflichtungsliste der Europäischen Union, die die jeweiligen Verpflichtungen der einzelnen EU-Mitgliedstaaten zusammenfasst. Dem Listenauszug lässt sich folgendes Marktöffnungsbild entnehmen: Aufgenommen in die deutsche Liste sind im Gegensatz zu der ursprünglichen Liste von 1995 inzwischen sämtliche in der SSC-Liste aufgeführten Untergruppen von Gesundheitsdienstleistungen. Der Marktöffnungsgrad in den Untergruppen changiert zwischen dem bei sämtlichen Gesundheitsdienstleistungen unbeschränkten Modus 2 – dem klassischen Fall des ausländischen Patienten, der sich in Deutschland behandeln lässt – und dem bis auf Versicherungsdienstleistungen – überall verschlossenen Modus 1 („ungebunden“). Für die Modi 3 und 4 hat sich Deutschland, sofern nicht von vornherein ein „Ungebunden“-Vorbehalt eingetragen wurde, erhebliche Marktzugangsbeschränkungen (zumeist über die horizontalen Verpflichtungen) vorbehalten. Für die meisten Untergruppen wird der Marktzugang mithin 420 421
Krajewski, National Regulation, S. 91 ff. Beispielsweise China, Indien, Ghana.
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sehr stark beschränkt, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Wirkliche Öffnungsverpflichtungen sind in den wenigsten Fällen, und wenn dann zumeist in Modus 2, eingetragen. Da die Listen aber nur Mindeststandards der Marktöffnung wiedergeben, bedeutet das, dass Deutschland im Bedarfsfall natürlich auch diese Märkte (weiter) öffnen kann. Eine tatsächlich „liberalisierungsfreundlichere“ Marktgestaltung als in den Listen niedergelegt, ist immer möglich. Die nachfolgend dargestellten deutschen Eintragungen zu den Sektoren 1.A.h [(a)], 1.A.j [(b)], 1.A.k [(c)], 1.F.k) 4 [(d)], 7.A.a [(e)], 8.A. und B [(f)], 8.C.D. und 12 [(g)] und 12 [(h)] sind immer im Lichte der horizontalen Eintragungen zu lesen. (a) Sektor 1.A.h Deutschland hat medizinische, zahnmedizinische Dienstleistungen und Dienstleistungen von Hebammen teilweise ausländischen Anbietern geöffnet, d. h. teilweise Marktöffnungsverpflichtungen eingetragen. Für Modus 1 ist allerdings ein „Ungebunden“-Vorbehalt festgehalten, d. h. Deutschland behält sich vor, den Markt gegenüber ausländischen Anbietern grundsätzlich verschlossen zu halten. Modus 2 ist hingegen vollumfänglich geöffnet, d. h. Patienten aus Deutschland können ins Ausland und ausländische Patienten nach Deutschland, um Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Modus 3 ist nur unter starken Einschränkungen geöffnet. Unter Modus 3 fallen hier alle Tätigkeiten von Angehörigen der Gesundheitsberufe mit Niederlassung. Demgegenüber fallen vorübergehende Tätigkeiten von Angestellten und Tätigkeiten von Selbstständigen ohne Niederlassung unter Modus 4. Ärzte, die mithin nicht in eigener Praxis, sondern im Krankenhaus bzw. MVZ tätig werden, sind daher unter Modus 4 zu subsumieren – auch wenn sie diese Tätigkeit mehrere Jahre und daher im strengen Wortsinne nicht mehr unbedingt vorübergehend ausüben. Ebenso sind selbständige Ärzte, die an einem anderen Ort ihrer Niederlassung praktizieren – z. B. der aus den USA nach Deutschland eingeflogene amerikanische Arzt – unter Modus 4 zu fassen. Eine klare Definition der „vorübergehenden Tätigkeit“ i.S.v. Modus 4 gibt es nicht. Entscheidend dürften die zeitliche Beschränkung (Zeitvertrag) und fehlende Niederlassung im Empfangsstaat sein. Der Zugang unter Modus 3 wird zum einen nur natürlichen Personen gewährt. Zum anderen behält sich Deutschland eine wirtschaftliche Bedürfnisprüfung für Ärzte und Zahnärzte vor, die zur Behandlung gesetzlich krankenversicherter Personen zugelassen sind.422 Entscheidungskriterium ist, ob eine bestimmte Region mit Ärzten und Zahnärzten unterversorgt ist. Das heißt, dass ein ausländischer Arzt, der zur Berufsausübung in Deutschland berechtigt ist, zwar in jedem Fall Privatpatienten behandeln kann, eine Vertragsarztzulassung zur Behandlung von GKV-Patienten 422 Kritisch gegenüber einer Listung der Bedarfsplanung der Vertragsärzte in Modus 3 Schmidt, S. 162 f.
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hingegen nur nach der üblichen Bedürfnisprüfung erhält. Ausländische Anbieter werden daher weniger in den Ballungszentren als in den neuen Bundesländern potentielle Tätigkeitsfelder finden können, angesichts des dort in den letzten Jahren zunehmenden Ärztemangels. Für Modus 4-Dienstleistungen hat sich Deutschland ebenfalls keinen Marktöffnungsverpflichtungen unterworfen. Nur unter den engen Voraussetzungen der horizontalen Verpflichtungen (bestimmte Dienstleister, zeitlich begrenzt und auf bestimmte Tätigkeiten beschränkt) dürfen unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende auf den deutschen Markt. Zudem war bis April 2012 ein Staatsangehörigkeitserfordernis für Ärzte und Zahnärzte vorgesehen. Dieses war für Ärzte in § 3 BÄO niedergelegt, als eine der Voraussetzung für die Erteilung der Berufsausübungszulassung (Approbation). Im Zuge der Umsetzung der Berufsqualifikations-Richtlinie 2005/36/EG in innerstaatliches Recht wurde das Staatsangehörigkeitserfordernis im Hinblick auf EUStaatsangehörige gelockert. Drittstaatsangehörige konnten weiterhin mangels Inbzw. EU-Staatsangehörigkeit keine Approbation erhalten. Ihnen wurde bis zum 31. März 2012 jeweils immer nur eine Berufserlaubnis teilt. Diese ist im Unterschied zur Approbation zeitlich befristet und kann auf bestimmte Tätigkeiten und Beschäftigungsstellen beschränkt werden (§ 10 BÄO). Beispielsweise ist eine Niederlassung in eigener Praxis mit einer Berufserlaubnis nicht möglich. Ausländische Ärzte konnten daher beispielsweise nur als Angestellte in Krankenhäusern oder MVZs tätig werden – insoweit dann aber unbeschränkt, vorausgesetzt sie erfüllten die übrigen (insbesondere aufenthaltsrechtlichen) Voraussetzungen. Mit dem am 1. April 2012 in Kraft getretenen Anerkennungsgesetz ist diese Beschränkung aufgehoben. Demnach können auch Drittstaatsangehörige die die rechtlichen Bedingungen erfüllen, eine Approbation erhalten. Die Verpflichtungsliste könnte daher bei der nächsten Revision angepasst werden. Derzeit ist noch ein Staatsangehörigkeitserfordernis als Marktzugangsbeschränkung in der deutschen Länderliste nach Art. XVI GATS gelistet. Staatsangehörigkeitserfordernisse können nur mit besonderem Begründungsaufwand als eine quantitative Beschränkung i.S. des Art. XVI GATS ausgelegt werden: Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten würden vom inländischen Markt ausgeschlosssen und damit im Ergebnis eine Einfuhrquote erreicht, die bei Null liegt. Die abschließende Aufzählung der als Marktzugangsbeschränkung nach GATS relevanten Beschränkungen gem. Art. XVI Abs. 2 GATS spricht gegen eine derartige indirekte Erweiterung des Tatbestandes. Vielmehr ist ein Staatsangehörigkeitserfordernis eine klassische nach Art. XVII GATS zu listende Einschränkung der Inländerbehandlung und daher grundsätzlich in Spalte 2 der Länderliste zu listen. Die gegenwärtige Verpflichtungsliste trägt darüber hinaus § 3 Abs. 3 BÄO a.F. Rechnung, der vorsieht, dass auf das Staatsangehörigkeitserfordernis im Interesse der öffentlichen Gesundheit ausnahmsweise verzichtet werden kann. Für Zahnärzte gilt Entsprechendes (§§ 2, 13 Zahnheilkundegesetz). Vertragsdienstleistern und
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
freiberuflich Tätigen soll der Marktzugang hingegen vollumfänglich verwehrt werden können. Nur unternehmensintern versetzte Beschäftigte und Geschäftsreisende haben Zugang zum deutschen Markt unter den in den horizontalen Verpflichtungen genannten zeitlichen und qualifikationsbezogenen Voraussetzungen. Für Hebammen gilt zwar keine Bedürfnisprüfung, jedoch eine Beschränkung auf natürliche Personen sowie eine sog. Nullquote. Dabei handelt es sich um eine nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfende aber ebenso effiziente Marktabschottung. Folge ist, dass für Hebammen der deutsche Arbeitsmarkt für Anbieter mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands verschlossen gehalten werden kann. Theoretisch hat nach innerstaatlichem Recht jeder die Möglichkeit in Deutschland zu praktizieren, der die Erlaubnis für die Berufsausübung nach bestandener Prüfung hat bzw. dessen ausländische Qualifikationen anerkannt worden sind (§§ 1, 15, 16 Hebammenausbildungs- und Prüfungsverordnung).423 Allein durch die Reduktion der Zahl der zulässigen ausländischen Arbeitsmigranten auf dem deutschen Markt auf Null wird der Zugang aber faktisch verschlossen. Die Marktabschottung wird zum einen mit der Sättigung des Arbeitsmarktes, zum anderen aber auch mit einer besonderen kulturhistorischen Prägung des Berufsbildes der Hebamme und des Geburtspflegers verbunden. Es besteht hier eine besonders intime Beziehung zur Patientin. Bisher wurde daher den einheimischen Arbeitskräften Vorrang vor Arbeitsmigranten anderer Kulturkreise gewährt. In diesem Sinne wurde auch gegenüber den neuen EUMitgliedstaaten im EU-Beitrittsvertrag weiterhin der Arbeitsmarktzugang durch Übergangsfristen beschränkt. (b) Sektor 1.A.j Für Krankenschwestern, Physiotherapeuten und paramedizinisches Personal ist der Marktzugang gegenüber Modus-1-Dienstleistungen verschlossen gehalten. Demgegenüber sind für Dienstleistungen der Modi 2 und 3 keine Marktzugangsbeschränkungen vorgesehen. Im Bereich des Modus 4 dürfen wiederum allein Entsandte und Geschäftsreisende unter den in den horizontalen Verpflichtungen genannten engen Bedingungen auf den deutschen Arbeitsmarkt. Gegenüber Vertragsdienstleistern und freiberuflich Tätigen behält sich Deutschland vor, den Markt vollständig geschlossen zu halten. (c) Sektor 1.A.k Während der Marktzugang für Dienstleistungen von Apothekern nach Modus 1 verschlossen bleibt, ist er nach Modus 2 wiederum uneingeschränkt geöffnet. Die gewerbliche Niederlassung nach Modus 3 wird dahin gehend beschränkt, dass nur natürlichen Personen Marktzugang gewährt wird. Diese Eintragung stellt 423 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Hebammen und Entbindungspfleger in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1987 (BGBl. I S. 929), zuletzt geändert durch Artikel 11 des Gesetzes vom 2. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2686).
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mithin i.S.v. Art. XVI Abs. 2 lit. e) GATS klar, dass nur eine bestimmte Art rechtlicher Unternehmensform der in Deutschland betriebenen Apotheken zulässig ist. Die in der ursprünglichen Liste von 1995 eingetragene Verpflichtung, dass die „Eröffnung“ eines Apothekenbetriebs nur eingeschränkt durch Übernahme einer bereits seit drei Jahren betriebene Apotheke möglich ist (§ 2 Apothekengesetz), wurde gestrichen. Diese Eintragung sollte sicherstellen, dass große ausländische Ketten/Investoren am Markteintritt gehindert werden. Nunmehr findet sich in der Liste stattdessen der Hinweis auf eine wirtschaftliche Bedürfnisprüfung (necessity test). Das ist missverständlich, da nach deutscher Rechtssystematik in Deutschland genommen keine „Bedarfsanalyse“ vor Eröffnung einer Apotheke stattfindet. Allerdings ist der Begriff der „wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung“ hier handelsrechtlich und damit grundsätzlich weiter auszulegen. Darunter gefasst werden kann auch das deutsche, eine zahlenmäßige Beschränkung enthaltende Mehrbesitzverbot, d. h. dass ein Apotheker nur bis zu drei Filialapotheken betreiben darf. Nach Modus 4 wird unternehmensintern versetzten Personen und Geschäftsreisenden nur unter den engen Voraussetzungen der horizontalen Verpflichtungen Marktzugang gewährt. Darüber hinaus ist auch hier wiederum das bis zum 31. März 2012 auch für Apotheker noch geltende Staatsangehörigkeitserfordernis eingetragen. Das Staatsangehörigkeitserfordernis ist insoweit missverständlich, als nur klar gestellt werden soll, dass nach § 2 Apothekengesetz nichtdeutsche Dienstleister anderen Anforderungen, insbesondere im Hinblick an Qualifikationsnachweise, unterliegen als deutsche Staatsbürger. Auch hier wäre wie oben an eine Anpassung der Listen zu gegebener Zeit zu denken. Vertraglichen Dienstleistern und freiberuflich Tätigen wird wiederum kein Marktzugang gewährt. (d) Sektor 1.F.k) Deutschland hat sich vorbehalten, keinerlei Verpflichtungen im Hinblick auf Marktzugang für Vermittlungsdienste von Pflegepersonal u. a. zu übernehmen. (e) Sektor 7.A.a Für Krankenversicherungsdienstleistungen, die ebenfalls von der EU-Liste umfasst sind, sind keine unmittelbaren Verpflichtungen eingetragen. Dennoch sind auch die allgemeinen Eintragungen für die Krankenversicherungsleistungen, die dem GATS unterfallen – substitutive PKV-Versicherung, Zusatzversicherungen und das freiwillige Versicherungsangebot der GKV oberhalb der Versicherungspflichtgrenze –, von Bedeutung. Für alle Finanzdienstleistungen – und damit auch die in den Anwendungsbereich des GATS fallenden Krankenversicherungsdienstleistungen – gelten die allgemeinen sektorspezifischen Einschränkungen: In der Liste sind für alle Finanzdienstleistungen allgemeine Rechtsformerfordernisse für direkte Zweigstellen in EU-Mitgliedstaaten von Drittstaatsunternehmen niedergelegt. Entsprechende Versicherungsdienstleister müssen etwa besondere Anforderungen an Sicherheiten und
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Einlagen, getrennte Kapitalausstattung und die Anforderung erfüllen, dass die technische Rückstellungen bildenden Vermögenswerte und mindestens ein Drittel der Solvabilitätsspanne in dem betreffenden Mitgliedstaat belegen sein müssen. Ein Mitgliedstaat darf diese Beschränkungen nicht auf in anderen Mitgliedstaaten der Union niedergelassene Tochtergesellschaften von Unternehmen aus Drittländern anwenden, es sei denn, diese Beschränkungen können im Einklang mit dem Unionsrecht auch auf Gesellschaften oder Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten angewandt werden. Von zentraler Bedeutung ist darüber hinaus die Verpflichtung, eine besondere Rechtsform einzuhalten. Finanzinstitutionen, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates gegründet worden sind, müssen in der Regel und ohne Diskriminierung eine bestimmte Rechtsform haben. Darüber hinaus kann die Marktzulassung neuer Finanzdienstleistungen oder -produkte vom Bestehen und von der Einhaltung eines Regulierungsrahmens abhängig gemacht werden, mit dem die in Artikel 2 Absatz a des Anhangs „Finanzdienstleistungen“ genannten Ziele verwirklicht werden sollen. Schließlich ist in der Liste festgehalten, dass ein Teil der EU-Mitgliedstaaten zusätzliche Verpflichtungen im Bereich Finanzdienstleistungen eingeht in Gestalt der sog. „Vereinbarung über Verpflichtungen im Bereich der Finanzdienstleistungen“.424 Es wurden für die Modi 1 bis 3 keine Marktzugangsbeschränkungen eingetragen. Der Öffnung von Modus 3 kommt insofern die größte wirtschaftliche Bedeutung zu, da sie es ausländischen Versicherungsunternehmen erlaubt, im Einklang mit den genannten Vereinbarungen gewerbliche Niederlassungen in Deutschland zu gründen. Für Modus 4 ist im Hinblick auf unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende ein „Ungebunden“-Vorbehalt vorgesehen mit Verweis auf die horizontalen Einschränkungen. Gegenüber Vertragsdienstleistern und freiberuflich Tätigen behält man sich allerdings vor, den Marktzugang gänzlich zu versagen. Der Umstand, dass der Finanzdienstleistungssektor mit zu einem der am weitestgehend liberalisierten Sektoren zählt, betrifft im Übrigen nicht die Sozialversicherung, da er über die Bereichsausnahme der Anlage zu Finanzdienstleistungen vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen ist.425 (f) Sektor 8.A. und B. Im Bereich der gesundheitsbezogenen und sonstigen Gesundheitsdienstleistungen verbleibt Deutschland in Modus 1 ungebunden und sieht hingegen für die Modi 2 und 3 keine Eintragungen vor. Im Bereich von Modus 4 wird bei den Sektor 8.A.Dienstleistungen und bei unternehmensintern versetzten Personen und Geschäftsreisenden im Rahmen der horizontalen Verpflichtungen eingeschränkter Marktzugang gewährt – die steigende Zahl von ausländischen, in deutschen Krankenhäusern tätigen Ärzten belegt diese Marktöffnung –, wohingegen Sektor 8.B.-Dienstleis424 425
Siehe dazu unten in Teil 3 unter C.II.1.b), dd). Siehe oben in Teil 3 unter B.III.2.
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tungen vollständig ungebunden sind. Bei Vertragsdienstleistern und freiberuflich Tätigen verbleibt Deutschland in beiden Teilsektoren ungebunden. Auch hier kommt der vollständigen Öffnung von Modus 3 die größte wirtschaftliche Bedeutung zu. Allerdings machen ausländische Krankenhausinvestoren bisher von dem Marktzutrittsrecht so gut wie keinen Gebrauch. Ausländische Anbieter schreckt im Kern der hohe Grad an Regulierung durch die komplexen Instrumente der Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung als auch die Verpflichtungen, die die an sich lukrative sozialrechtliche Einbeziehung der Krankenhäuser als Leistungserbringer in das GKV-System mit sich bringen. Dieses öffentlich-rechtliche Regulierungssystem übernimmt anstelle eines Marktwettbewerbs die Steuerung des Krankenhausmarktes.426 Zwar werden in diesem Regulierungssystem durchaus Wettbewerbsanreize gesetzt mit der Ausgestaltung des DRGSystems, der Nicht-/Aufnahme in den Krankenhausplan, Einkaufsmodellen, Qualitätsmanagement, Ressourcen, Investitionen und dem Erwerb von Krankenhäusern. Die damit geschaffenen Spielräume werden allerdings letztlich als wettbewerbsneutral eingestuft, da ihnen keine marktsteuernde Funktion übertragen sei bzw. allein ein Regulierungswettbewerb in Gestalt eines „öffentlich-rechtlich induzierten Rationalisierungsdrucks“ intendiert sei. Dieser habe keinen Eigenwert und unterscheide sich in Wirkung und Funktion von einem Marktwettbewerb.427 (g) Sektor 8.C.D. und 12 Erfasst werden unter sozialen Dienstleistungen nur Genesungs- und Erholungsheime sowie Seniorenheime. Während der Marktzugang Modus 1-Dienstleistungen verschlossen bleibt, werden in Modus 2 und 3 keine Beschränkungen vorgesehen. Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende verbleiben bei den Sozialdienstleistungen auf die engen horizontalen Marktöffnungsverpflichtungen beschränkt. Im Bereich der sonstigen Dienstleistungen wird hingegen nach Modus 4 gar kein Marktzugang gewährt. Vertragsdienstleistern und freiberuflich Tätigen wird weder im Bereich der 8.C.-Dienstleistungen noch der 8.D-Dienstleistungen Zugang gewährt. (h) Sektor 12 Erstmals sind in der EU-intern überarbeiteten Verpflichtungsliste der EU vom 29. Juni 2005 nun auch Wellness-Dienstleistungen und nichttherapeutische Massagen in der Untergruppe 12 gelistet. Soweit die Dienstleistungen allerdings nicht mehr nur der physischen Entspannung und dem Wohlbefinden, sondern auch medizinischen oder rehabilitativen Zwecken dienen, wie beispielsweise therapeutische Massagen und Thermalkuren, unterfallen sie je nach Ausgestaltung den Untergruppen 1.A.j) und oder 8. 426 Eingehend zu dem vor dem Hintergrund verbleibenden Anwendungsspielraum für das Institut der nationalen bzw. unionsrechtlichen Fusionskontrolle Badtke, S. 157 ff. 427 Badtke, S. 174.
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Die Listung hat zum einen klarstellende Funktion, dass diese Dienstleistungen von den medizinischen indizierten Leistungen zu trennen sind. Zum anderen sind hier weitergehende Marktöffnungsverpflichtungen als bei den Sektor 1- und 8Dienstleistungen eingegangen worden, da Modus 2 und vor allem 3 keinerlei Einschränkungen verzeichnen. Das Schutzbedürfnis fällt aufgrund des vorrangigen Wellness-Charakters der Leistungen ohne erhebliche Eingriffe in die körperliche Integrität geringer aus. Die Marktöffnung fällt für Friseur- und Kosmetikdienstleistungen gleich aus. (4) Würdigung Fraglich ist, ob die zentralen Regulierungsinstrumente der gesetzlichen Krankenversicherung quantitative Marktzugangsbeschränkungen i.S.v. Art. XVI GATS sind. In Betracht kommen hier insbesondere die Zulassung von Krankenhäusern zur Versorgung der GKV-Versicherten und ihre Investitionskostenförderung [(a)], die Vertragsarztzulassung [(b)], die Vorabgenehmigung für Drittstaatsbehandlungen [(c)], Reformmaßnahmen der letzten Jahre, die die Grenze zwischen GKV und PKV verschoben haben [(d)], und sonstige in Teil 2 herausgearbeitete Regulierungsinstrumente des deutschen Gesundheitssystems [(e)]. a) Krankenhausplanung Fraglich ist, ob die regionale Krankenhausplanung als quantitative Beschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 GATS zu qualifizieren ist. In den Krankenhausplan können nur zugelassene Krankenhäuser i.S.v. § 108 SGB V aufgenommen werden. In der Literatur wird diskutiert, ob die Krankenhausplanung eventuell als Beschränkung i.S.v. lit. a) oder lit. c) qualifiziert werden könnte, im Ergebnis wird jedoch beides verneint. Gem. lit. c) müsste die Gesamtzahl bzw. das Gesamtvolumen des deutschen Krankenhauswesens beschränkt werden. Dies sei nicht der Fall, da die Krankenhausplanung nur die zur GKV-Versorgung zugelassenen stationären Träger betrifft. Es werde daher nur ein Teilmarkt nicht aber der gesamte deutsche Krankenhausmarkt428 bzw. nur die Anzahl der zugelassenen Krankenhäuser, nicht aber die Gesamtzahl der in Deutschland erbrachten Krankenhausdienstleistungen429 reguliert. Dem ist zuzustimmen. Zulassungs- und Planungsinstrumente beschränken nur den Zugang zur Versorgung der GKV-Patienten für ausländische Anbieter, nicht aber auch den Zugang zum Privatklinikmarkt. Weder die Gesamtzahl noch das Gesamtvolumen der deutschen stationären Versorgungsleistungen werden hier beschränkt. Aber auch lit. a), der eine Beschränkung der Anzahl der Dienstleistungserbringer an sich – mittels Quote, Bedürfnisprüfung etc. – ausreichen lässt, sei nicht erfüllt, weil der Planungsschlüssel der Krankenhauspläne nicht nur auf mengenmäßige 428 429
Krajewski, National Regulation, S. 187. Schmidt, S. 187.
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Bettenzahlen im Verhältnis zur regionalen Bevölkerung abstellte, sondern eben auch weitere, insbesondere soziale Faktoren miteinbeziehe.430 In der Tat liegt der Planungsentscheidung eine komplexe Abwägung zugrunde, die die Bettenzahlen nach Versorgungsdisziplinen, speziellen Behandlungsleistungen und/oder Ausrüstung mit bestimmten hochspezialisiserten Geräten etc. ins Verhältnis zur Zahl der regionalen Bevölkerung und u. a. ihrer nach bestimmten Grundsätzen veranschlagten Morbidität setzt. Daraus aber abzuleiten, die Berücksichtigung derartiger Faktoren würde über die Grenzen einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 GATS hinaus gehen, weil die Entscheidung „nicht nur anhand mengenmäßiger Quoten durch eine Wirtschaftlichkeitsprüfung“ getroffen werde431, scheint eine zu enge Auslegung. Zum einen müssen die Beschränkungsformen „Quoten“ und „wirtschaftliche Bedürfnisprüfung“ (also der economic needs test) auseinander gehalten werden. Dass es sich hierbei jeweils um zwei verschiedene Beschränkungsformen handelt, zeigt nicht zuletzt der Wortlaut der diese Begriffe als verschiedene Beschränkungsformen nennenden Aufzählung in Art. XVI Abs. 2 a) GATS. Zum anderen ist es nicht möglich, den oben genannten Faktoren, die einen engen Bezug zu sozialpolitischen Zwecken aufweisen, die „Quantitäts“-Eigenschaft vollständig abzusprechen; dies auch schon deshalb nicht, weil der Begriff der „wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung“ von den Streitbeilegungsorganen der WTO denkbar weit ausgelegt werde.432 Auch legen ihn andere Vertreter der Literatur weit aus, indem sie ihn als Prüfvorgang einer staatlichen oder betrauten Einrichtung beschreiben. Auf der Grundlage wirtschaftlicher Erwägungen werde über den Marktzugang entschieden. Die Bedürfnisprüfung habe daher typischerweise den Charakter eines assessment of the need of the domestic market.433 Für Bedürfnisprüfungen gebe es keine Standardformen. Allerdings sei allen gemein, dass der Bedarf des heimischen Marktes evaluiert werde und abhängig von dem Ergebnis neue Anbieter ggf. zugelassen würden.434 Das dürfte auch auf die Krankenhausplanung zutreffen, da die Landesbehörden das „Bedürfnis“ ihres regionalen Krankenhausmarktes in zahlenmäßigen Größen festsetzen. Ebenso wie die Bettenzahlen etc. werden auch die sozial-, insbesondere morbiditätsbezogenen Planungserwägungen nicht im Einzelfall nach dem konkreten Versorgungsbedürfnis einer Person ad personam, sondern aufgrund eines grundsätzlich versorgungsempirischen und bevölkerungsentwicklungsbezogenen zahlenmäßigen Planschlüssels angesetzt und in eine versorgungswirtschaftliche Gesamtabwägung einbezogen. Es sind keine Anhaltspunkte im GATS ersichtlich, die es ausschlössen, diese Abwägung als auf „quantitativen Erwägungen“ beruhend zu 430
Schmidt, S. 187. So Schmidt, S. 187. 432 US-Gambling, AB, Rn. 231 – 232. 433 So Delimatsis/Molinuevo, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. XVI GATS, Rn. 49. 434 So Delimatsis/Molinuevo, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. XVI GATS, Rn. 49. 431
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qualifizieren. Die Ausgestaltung dieser Abwägung ist natürlich sektorspezifisch geprägt. Wiederum ist aber nicht erkennbar, dass das GATS verböte, den horizontal für alle Dienstleistungssektoren geltenden Wirtschaftsbegriff nicht sektorspezifisch auszulegen. Das heißt, dass bei einer Bedürfnisprüfung i.S. des GATS im Gesundheitsbereich durchaus gesundheitswirtschaftliche und versorgungswirtschaftliche Parameter anzulegen sind. Festzuhalten ist damit, dass die Entscheidung über die Aufnahme in den Krankenhausplan durchaus als „wirtschaftliche Bedürfnisprüfung“ i.S.v. Art. XVI Abs. 2 a) GATS qualifiziert werden könnte. Allerdings ist kein entsprechender Vorbehalt in die deutsche Verpflichtungsliste eingetragen. Demgegenüber haben zB. Belgien, Frankreich, Italien, Portugal und Spanien Vorbehalte für ihre Krankenhausplanung kodifiziert.435 Das heißt, dass man entweder 1995 die deutsche Krankenhausplanung nicht als Marktzugangsbeschränkung iSv Art. XVI Abs. 2 GATS qualifizierte; sofern man damals überhaupt annahm, dass die damals noch fast vollständig durch Krankenhäuser in öffentlicher Hand erbrachte stationäre Versorgung im Rahmen der GKV in den Anwendungsbereich des GATS fiele. Oder aber man könnte die Krankenhausplanung unter den horizontalen public utilities-Vorbehalt der Verpflichtungsliste der seinerzeitigen EG subsumiert haben. Diese Klausel erfasst u. a. auch Gesundheitsdienstleister, denen besondere Rechte im Rahmen der Daseinsvorsorge übertragen wurden, verbunden mit besonderen entsprechenden Pflichten.436 In der Literatur wird vertreten, dass wirtschaftliche Bedürfnisprüfungen nicht von diesem public utilitiesVorbehalt erfasst würden, sondern nur Monopole und ausschließliche Rechte Privater.437 Gegen diese restriktive Auslegung spricht der Wortlaut der erläuternden Fußnote: „[…] Exclusive rights on such services are often granted to private operators, for instance operators with concessions from public authorities, subject to specific service obligations. Goven that public utilities often also exist at the sub-central level, detailed and exhaustive sector-specific scheduling is not practical.“438
Die Begriffe often and for instance stellen klar, dass der public utilities-Vorbehalt nicht abschließenden Charakters ist. Daher dürfte sie auch die (trägerneutrale) Aufnahme von Krankenhäusern in den Krankenhausplan nach entsprechend ver435
Die Länderlisten sind abrufbar unter http://tsdb.wto/org/, Stand: Oktober 2012. Beispielsweise listet Belgien seinen Vorbehalt wie folgt: „The number of beds and use of heavy medical equipment is limited on the basis of a health plan. The needs test is in function of the degree of specialization, their capacity and equipment. The criteria are fixed arithmetical rules or formulae designed to calculate the needs in function of the population, age scale, death rate and geographical spread“. 436 „Economic activities considered as public utilities at a national or local level may be subject to public monopolies or to exclusive rights granted to private operators.“ Liste abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012. 437 Krajewski, National Regulation, S. 187 ff. 438 Liste abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012.
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sorgungsplanerischer Prüfung umfassen. Denn dieser sog. Planstatus verleiht den Krankenhäusern das besonere Recht, Investitionskostenförderung zu beantragen. Gleichzeit müssen sie mittels der sog. ggf. (teil-)finanzierten Kapazitäten die Versorgung von GKV-Versicherten im Plangebiet entsprechend sicherstellen. Diese Auslegung, dass die deutsche Krankenhausplanung von den Verpflichtungen des Art. XVI GATS ausgenommen sei über den public utilities-Vorbehalt, bestätigt nicht zuletzt auch die Mitteilung der EU-Kommission zu ihrem überarbeiteten Dienstleistungsangebot von 2005: „This cannot be construed as offering in any way the privatization of public undertakings nor as preventing the EC from regulating public services in order to meet national policy objectives.“439
Schließlich bekräftigt auch der neue Listungsansatz im CARIFORUM-Abkommen diese Auslegung. In der EU-Länderliste heißt es in Subsektor 13: „Health and social services (only privately funded services).“440
Verwiesen wird zusätzlich auf den horizontalen public utilities-Vorbehalt. Das könnte man im Umkehrschluss dahin gehend deuten, dass die genannten Dienstleistungssektoren (Krankenhaus, Rettungsdienste, Pflege- und sonstige Sozialdienstleistungen), die im Rahmen der GKV erbracht und nicht (vollständig) privat finanziert werden, nicht von den Verpflichtungen erfasst sind. Es dürfte hier insoweit beim CARIFORUM-Abkommen trotz des anderen Listungsansatzes im Grunde bei diesen Dienstleistungen das gleiche Liberalisierungsergebnis in der (Handels-) Praxis erzielt werden, wie unter GATS.441 Der status quo der Vorbehalte dürfte nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht damit beibehalten worden sein. Der „neue“ Listungsansatz wird demnach als Präzisierung und nicht Abweichung der GATSVorbehalte ausgelegt. Abschließend ist im Zusammenhang mit der Krankenhausplanung auch die Investitionskostenförderung der Plankrankenhäuser bei der Frage einer Marktöffnung zu prüfen. Mit der Aufnahme in den regionalen Krankenhausplan erhält der jeweilige Träger den Planstatus und vor allem den damit verbundenen Rechtsanspruch nach KHG und Landes-KHG auf Investitionsförderung im Rahmen der Programmförderung.442 Allerdings stellt die grundsätzlich auf Plankrankenhäuser begrenzte Förderfähigkeit keine quantitative Marktzugangsbeschränkung dar i.S.v. Art. XVI
439 Siehe TN/S/O/EEC/Rev. 1, Conditional Offer, v. 29. Juni 2005, abrufbar unter http:// docsonline.wto.org/, Stand: Oktober 2012. 440 Siehe S. 1642, 1659 des CARIFORUM-Abkommens, abrufbar unter http://eurlex.euro pa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2008:289:0003:1955:EN:PDF, Stand: Oktober 2012. 441 Mit weiteren Argumenten dafür als auch dagegen Adlung, Trade in Healthcare, S. 233 f. 442 Kein Anspruch besteht bei der Einzelförderung, bei der dem Land ein Auswahlermessen zukommt – abgesehen von den Ausnahmefällen einer Ermessensreduktion auf Null.
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Abs. 2 GATS, sondern ist eine Frage der nachfolgend zu untersuchenden Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS. (b) Bedarfsplanung für Vertragsärzte Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenversicherungssysteme werden nach regionalem Versorgungsbedürfnis zugelassen. Zugrunde gelegt wird hier stark vereinfacht ein Bevölkerungsschlüssel. Diese Art der Prüfung stellt eine quantitative Beschränkung dar. Allerdings ist sie in Deutschland nicht Voraussetzung, um als niedergelassener Arzt tätig zu werden. Daher praktiziert eine beschränkte Anzahl von Ärzten ohne diese Zulassung (privatärztliche Versorgung) – und behandelt allerdings auch keine gesetzlich krankenversicherten Patienten. Anders als im stationären Sektor hat Deutschland den vertragsärztlichen Bedarfsplanungsvorbehalt bei der Zulassung der Vertragsärzte in seiner Verpflichtungsliste aufgeführt. Im Schrifttum wird teilweise vertreten, dass es sich hier wie bei dem stationären Planungserfordernis nicht um eine quantitative Beschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 GATS handele und daher auch keiner Listung bedürfe.443 Es werde insbesondere weder die Zahl der Dienstleister nach Abs. 2 lit. a) beschränkt, noch die Gesamtzahl der Ärzte in der ambulanten Versorgung nach Abs. 2 lit. c). Dem kann nicht gefolgt werden. Die Bedarfsplanung in der ambulanten Versorgung knüpft an die Person des (Vertrags-)Arztes an. Der Vertragsarztsitz wird dem jeweiligen Arzt ad personam zugeteilt, sofern keine Überversorgung festgestellt und der Zulassungsbezirk gesperrt ist.444 Diese Art der Prüfung erfolgt auf der Grundlage eines Bedarfsplans. Der Bedarfsplan umfasst eine Übersicht über die Zahl der zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzte. Er gliedert sich nach Planungsbereichen und Facharztgruppen und enthält darüber hinaus Angaben über die zur Bedarfsdeckung erforderlichen Zahl und Verteilung der Ärzte der verschiedenen Fachgruppen. Nach den sog. Bedarfsplanungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen wird der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad grundsätzlich ermittelt auf der Grundlage des in Deutschland seit 1990 bestehenden Versorgungsstandes als Verhältnis der Zahl der zugelassenen Ärzte einer Arztgruppe zur Bevölkerung.445 Auch hier liegt wiederum eine wirtschaftliche Bedarfsanalyse 443 Krajewski, National Regulation, S. 187, mit weiteren Erläuterungen zu den Folgen dieser Auslegung. Demnach wäre die Gefahr einer de facto-Diskriminierung der ausländischen Anbieter gegeben, denen faktisch mit der Begrenzung auf den Privatklinikmarkt ca. 90 % der deutschen Bevölkerung und ihrer stationären Versorgung im Rahmen der GKV verschlossen wäre. Den ausländischen Anbietern bliebe nur der Weg, sich an ihren Sitzstaat zu wenden, der gegen Deutschland dann eine non-violation complaint gem. Art. XXIII Abs. 3 GATS anstrengen könnte, um die im Vertrauen auf den nach der Länderliste insoweit unbeschränkten Marktzugang entgangenen Gewinn geltend zu machen. 444 Zur Versagung infolge Überversorgung gem. § 101 SGB V, siehe im Einzelnen Hess, in: Leitherer (Hrsg.), Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, SGB V, § 101 Rn. 2; Boecken, S. 419 ff. 445 Murawski, in: LPK-SGB V, § 99, Rn. 3, 9.
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vor, die auch Faktoren mit sozialwirtschaftlicher Zwecksetzung berücksichtigt.446 Das spricht allerdings nicht gegen die Annahme einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung i.S.d. GATS. Die sozial-, insbesondere morbiditätsbezogenen Planungserwägungen werden nicht im Einzelfall nach dem konkreten Versorgungsbedürfnis einer Person ad personam, sondern aufgrund eines grundsätzlich versorgungsempirischen und bevölkerungsentwicklungsbezogenen Planschlüssels angesetzt. Nach diesem Ansatz ist (auch) die gesundheitswirtschaftliche Bedarfsplanung im ambulanten Bereich als Beschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS zu listen. (c) Genehmigungserfordernis von Drittstaatsbehandlungen In der EU-Liste sind keine Marktzugangsbeschränkungen für Krankenversicherungsdienstleistungen im Modus 2 eingetragen. Patientenmobilität müsste demnach frei gewährt werden. Dennoch sieht § 18 SGB V einen umfassenden Genehmigungsvorbehalt447 für Drittstaatsbehandlungen vor. Fraglich ist, ob diese Regulierungsmaßnahme nicht eine quantitative Marktzugangsbeschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 GATS darstellt. Die Vorabgenehmigung, so sie denn versagt wird, legt dem Versicherten die Finanzierungslast der Drittstaatsbehandlung auf, sofern er nicht eine private Auslandskrankenversicherung hat. Eine drohende Eigenfinanzierung der Drittstaatsbehandlung ist grundsätzlich geeignet den Versicherten von der grenzüberschreitenden Behandlung abzuschrecken. Inländische bzw. ggf. EU-Anbieter würden insoweit gegenüber den Anbietern von Drittstaatsbehandlungen privilegiert. Der EuGH hat zu grenzüberschreitenden Behandlungen im Binnenmarkt in seiner Patientenmobilitätsrechtsprechung geurteilt, dass ein Genehmigungsvorbehalt grundsätzlich eine Einschränkung des Binnenmarktes darstellt, die nur unter bestimmten Umständen gerechtfertigt werden kann. Dazu zählt die Gefährdung der finanziellen Stabilität der Gesundheitssysteme und einer allgemein zugänglichen, qualitativ hochwertigen Versorgung. Eine Vorabgenehmigung sei daher dort gerechtfertigt, wo z. B. ein erhöhter Planungsaufwand besteht, um das Versorgungssystem zu erhalten. Die Vorabgenehmigung dürfe dann versagt werden, wenn eine für den Patienten ebenso wirksame, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung rechtzeitig bei einem Vertragspartner im Inland erlangt werden kann.448 Ein genereller Genehmigungsvorbehalt für ambulante Leistungen ist demnach grundsätzlich unvereinbar mit den Grundfreiheiten.
446 Schmidt, der aufgrund dieser „sozialen“ Kriterien eine „wirtschaftliche Bedürfnisprüfung“ im stationären Bereich ablehnte, nimmt hingegen hier im ambulanten Bereich ohne nähere Begründung eine Bedürfnisprüfung an, siehe Schmidt, S. 189. 447 Entgegen der in der Praxis gängigen Terminologie handelt es sich rechtlich streng genommen um ein Zustimmungserfordernis, da der Kostenträger vorab der Inanspruchnahme die Übernahmefähigkeit der Kosten prüft. 448 EuGH Urt. v. 12. Mai 2003, Rs. C-385/99 – Müller-Fauré und van Riet, Rn. 80.
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Nach GATS wäre das für ambulante wie stationäre Drittstaatsbehandlung geltende Genehmigungserfordernis unzulässig, wenn es eine quantitative Marktzugangsbeschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 GATS darstellte und dennoch nicht in die nationale Länderliste aufgenommen worden wäre. Die Abschreckungswirkung einer selbst zu finanzierenden Drittstaatsbehandlung ist potentiell geeignet die Zahl der Drittstaatsbehandlungen zu reduzieren. Damit liegt aber noch keine der abschließend aufgezählten Marktzugangsbeschränkungen i.S.v. Art. XVI Abs. 2 GATS vor. Zum einen wird nicht i.S.v. lit. a) die Anzahl der Dienstleistungserbringer in Form von zahlenmäßigen Quoten, Monopolen oder Dienstleistungserbringern mit ausschließlichen Rechten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung beschränkt.449 In der Literatur wird teilweise vertreten, dass im Kontext des Modus 2 dem Verbraucher – hier der Patient – die Wirtschaftlichkeitsprüfung auferlegt wird.450 Da insbesondere § 18 SGB V keine derartige Verpflichtung des Versicherten vorsehe, seien die Anforderungen von Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS nicht erfüllt. Dieser Ansatz ist in seiner Schlussfolgerung konsequent und im Ergebnis zustimmungswürdig. Aber selbst wenn man nicht soweit geht, und die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeitsprüfung nach lit. a) bei dem Patienten, sondern bei dem Kostenträger ansiedelt, dürfte § 18 SGB V nicht die Anforderungen einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 lit. a) SGB Verfüllen. § 18 SGB V sieht keine strenge Wirtschaftlichkeitsprüfung des ausländischen Anbieters vor. Vielmehr wird es in das Ermessen der Krankenkassen gestellt, die Zustimmung ggf. zu verweigern, sofern eine vergleichbare Inlandsbehandlung in medizinisch vertretbarem Zeitrahmen verfügbar ist. Damit soll gerade auch dem qualitativen – nicht von Art. XVI GATS erfassten –, in der Einzelperson des Versicherten begründeten besonderen Versorgungsbedürfnis Rechnung getragen werden können. Es geht anders als bei der oben angesprochenen Bedarfsplanung bei der Zulassung von Leistungsanbietern zur GKV-Versorgung nicht um eine bedarfsplanerische Systementscheidung, sondern um eine am Bedürfnis des Versicherten orientierte Versorgungsentscheidung ad personam. Aber auch wenn man hier statt des Versicherten insoweit auf den ausländischen Leistungserbringer schaut, ergibt sich kein anderes Ergebnis: Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne des SGB V erfolgt gerade bei Auslandsanbietern, die nicht dem deutschen Sozialversicherungssystem angeschlossen sind, nicht. Erst recht intendiert demnach § 18 SGB V keine Beschränkung des Gesamtwerts der Drittstaatsbehandlungen i.S.v. lit. b). Schließlich wird offensichtlich auch nicht die Gesamtzahl bzw. das Gesamtvolumen der Auslandsbehandlungen mittels Quoten oder Bedürfnisprüfung eingeschränkt (lit. c) oder die Gesamtzahl der in dem Sektor der jeweiligen Auslandsbehandlung beschäftigten natürlichen Personen (lit. d), die Rechtsform der Dienst449 450
Krajewski, National Regulation, S. 88 f. So Schmidt, S. 183.
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leistungsausübung (lit. e) oder die Beteiligung ausländischer Unternehmen (lit. f) beschränkt. Das Genehmigungserfordernis des § 18 SGB V stellt damit keine Marktzugangsbeschränkung i.S.v. Art. XVI GATS dar und braucht – ungeachtet eventuell rechtstatsächlich die Inanspruchnahme von Drittstaatsbehandlungen senkender Auswirkungen – nicht gelistet zu werden. (d) Grenzverschiebung zwischen GKV und PKV Fraglich ist, ob ggf. Reformmaßnahmen der letzten Jahre, die die Grenzen zwischen GKV und PKV verschoben haben, zu listen sind. Zum einen wurde der Wechsel in die PKV mit dem GKV-Wettbewerbstärkungsgesetz zwischenzeitlich an strengere Voraussetzungen geknüpft. Art. 1 Nr. 3 des Reformgesetzes änderte den bisherigen § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V dahingehend, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen sein muss („Dreijahresfrist“). Ob diese Regelung eine verfassungswidrige Ausweitung der GKV gegenüber den Privatversicherern darstellte, denen Marktanteile entzogen werden451, ist umstritten. Dem wird entgegen gehalten, die Maßnahme habe der nachhaltigen Finanzierung der GKV gedient und sei damit Ausdruck des Solidaritätsprinzips gewesen. Die Verschiebung der Grenze zur PKV habe das duale Krankenversicherungssystem nicht grundsätzlich geändert.452 Den Privatversicherern sei kein Hauptgeschäftsfeld entzogen worden, sondern es sei nur der Zeitpunkt der Versicherungsfreiheit um drei Jahre hinaus geschoben worden.453 Ausländische Versicherer könnten sich angesichts der Marktöffnung in Modus 3 für Versicherungsdienstleistungen ebenfalls auf den Standpunkt stellen, die Drei-JahresRegelung vorenhalte ihnen wechselwillige Versicherte. Es fragt sich, ob diese Regelungen nicht ggf. nach Art. XVI Abs. 2 a) GATS zu listen gewesen wären. Die 3-Jahres-Regelung war keine Marktzugangsbeschränkung nach Unterabsatz a), weil sie nur an die Person des Dienstleistungsempfängers, nicht aber den Dienstleistungserbringer anknüpfte. Ebenso wenig handelte es sich um eine zahlenmäßige Quote, mit der die Gesamtzahl der Dienstleistungsgeschäfte beschränkt werden sollte i.S.v. lit. b). Die Beschränkung wurde nicht zahlenmäßig, sondern zeitlich bestimmt. Die Zahl der Wechselwilligen sollte nicht beschränkt werden. Vielmehr wurde hier eine zeitliche Beschränkung aufgestellt, die das Geschäftsfeld der PKV nicht im Kern einschränkte. Aus dem gleichen Grund dürfte auch keine Beschränkung der Gesamtzahl der Dienstleistungen oder das Gesamtvolumen erbrachter Dienstleistungen durch Festsetzung bestimmter zahlenmäßiger Einheiten in Form von Quoten oder des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung i.S.v. Abs. 2 c) vorliegen. 451
In diesem Sinne grundsätzlich kritisch Boetius, S. 297 ff. Musil, S. 117; Richter, S. 810. 453 So die Gesetzesbegründung zu Art. 46 II in der BT-Drs. 16/3100 v. 26. Oktober 2006, S. 210. 452
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Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz als auch dem GKV-OrgWG wurden darüber hinaus die individuellen Zuzahlungsbeiträge der Versicherten gem. § 61 ff. SGB V zu Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln sowie zur häuslichen Krankenpflege und die Beitragsbemessungsgrenze454 erhöht. Diese Verschiebung der Grenze zwischen PKV und GKV dürfte hingegen zu marginal ausfallen, als dass hier die Intensität einer Beschränkung erreicht wäre. Mit dieser geringfügigen Anpassung wurde nur die „Reallohn“-Entwicklung aufgefangen. Abschließend sei noch auf die Reformüberlegungen in Richtung Bürgerversicherung verwiesen. Eine nach Art. XVI Abs. 2 a) zu listende Monopolregelung wäre wohl das Vorhaben, die GKV in eine die gesamte Bevölkerung umfassende Grundpflichtversicherung umzustrukturieren und durch private Zusatzversicherungen zu ergänzen. Allerdings dürfte ein derartiges Vorhaben auch bereits nach innerstaatlichem Recht problematisch sein im Hinblick auf den Entzug von „Rechtspositionen“ der Privatversicherer. Hingegen dürfte das Modell einer Bürgerversicherung, in der ein „Tarif Bürgerversicherung“455 geschaffen würde, zu dem alle Krankenkassen in Deutschland – sowohl Gesetzliche als auch Private – Zugang hätten, im Hinblick auf Art. XVI GATS nicht problematisch sein. Nach den in der Vergangenheit vorgestellten Vorschlägen soll im Grunde die private Krankenversicherung nicht auf Zusatzversicherungen beschränkt werden wie in dem ersten Beispiel, sondern könnte ebenfalls wie die GKV eine Vollversicherung im „Bürgertarif“ anbieten. Diese Konzeption öffnete den Privatversicherern den „GKV-Markt“. Die im Gegenzug angedachten Einschränkungen der Vertragsfreiheit (einheitlich einkommensbasierte Beiträge, Pflichtleistungskatalog, Kontrahierungszwang, Sachleistungsprinzip) unterfielen soweit ersichtlich keiner der Beschränkungstatbestände des Art. XVI Abs. 2 GATS. (e) Sonstige Regulierungsinstrumente Nicht um Beschränkungen im Sinne des Art. XVI Abs. 2 GATS handelt es sich zum einen bei der Konzession gem. § 30 GewO für den Betrieb von Privatkliniken, als auch den Berufsqualifikationsvoraussetzungen und Verfahren sowie medizinischen Sicherheits- und Qualitätsstandards. Diese Vorschriften knüpfen an die Qualität und nicht an die Quantität, Rechtsform oder Kapitalanteile ausländischer Investoren an. Diese Vorschriften sind, sofern sie diskriminierend ausgestaltet sind, an Art. XVII GATS, ansonsten an Art. VI Abs. 5 GATS zu messen.456 Ebenfalls nicht der quantitativen Beschränkung des Art. XVI Abs. 2 GATS, sondern der Sicherung der Qualität der Versorgung dienen Hausarztverträge, be454 Rechtsgrundlage ist § 226 SGB V für gesetzlich Versicherte und § 240 SGB V für freiwillig Versicherte. 455 Projektgruppe Bürgerversicherung des SPD-Parteivorstandes, S. 5 ff. 456 Rn. 10 und 11 der Richtlinien zur Erstellung der Listen spezifischer Verpflichtungen von 2001. Zu den qualitativen Beschränkungen nach Art. VI:5 GATS näher unten in Teil 3 unter C.II.2.
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sondere Behandlungsprogramme oder Integrierte Versorgungsverträge, an denen GKV-Versicherte teilnehmen können. Sofern diese diskriminierend ausgestaltet sind, unterfallen sie ggf. Art. XVII GATS, anderenfalls grundsätzlich Art. VI Abs. 5 GATS. Eine Rechtsformbeschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 d) GATS wurde mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz am 1. Januar 2012 eingeführt: MVZ dürfen nicht mehr in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft geführt werden. Zum Schutz der Patienten vor einseitiger Ausrichtung auf wirtschaftliche Gesichtspunkte muss der Leiter eines MVZ nunmehr entweder ein Vertragsarzt, ein Krankenhaus oder eine gemeinnützige Einrichtung sein gem. § 95 SGB V.457 Diese Beschränkung müsste eigentlich im Subssektor 1 A h) in Modus 3 gelistet werden. Allerdings dürfte auch diese Beschränkung bei weiter Auslegung des public utilities-Vorbehalts erfasst und damit „freigestellt“ sein. (5) Zwischenergebnis Art. XVI Abs. 2 GATS zählt abschließend die quantitativen Beschränkungen auf, die gelistet werden müssen, wenn sie in einem liberalisierten Sektor beibehalten werden können sollen. Nur die Regelungen, die der Form nach in Art. XVI Abs. 2 GATS aufgezählt sind, sind zu listen, sofern sie nicht diskriminierend ausgestaltet sind und im Falle der Unterabsätze b) – d) entweder den Gesamtwert der Dienstleistungsgeschäfte oder die Gesamtzahl an Dienstleistungen oder der natürlichen Personen umfassen. Problematisch an dem list it or lose it-Ansatz des Art. XVI GATS ist, dass technische Entwicklungen die Struktur bestimmter Dienstleistungssektoren in kurzer Zeit so verändern können, dass Eintragungen in die Verpflichtungsliste unvorhergesehen notwendig werden können, um Lücken in bisher bewusst geschlossen gehaltenen Dienstleistungssektoren auch weiterhin geschlossen zu halten. Gelistet ist von Deutschland die vertragsärztliche Bedarfsplanung als quantitative Beschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 a). Die Zulassung der Krankenhäuser zur GKVVersorgung und die Bindung der Investitionsförderung an die Aufnahme in einen Landeskrankenhausplan ist hingegen nicht gelistet. Ob die Krankenhausplanung eine Bedürfnisprüfung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS darstellt, ist umstritten. Materiell-rechtliche aber auch handelspraktische Gründe sprechen dafür, sie als Bedürfnisprüfung zu qualifizieren und zu listen. Bis dahin ist der deutsche sozialrechtliche Krankenhausmarkt allerdings nicht uneingeschränkt geöffnet, da der public utilities-Vorbehalt insoweit als eine Art „horizontaler Auffangtatbestand“ greift. cc) Grundsatz der Inländerbehandlung, Art. XVII GATS Art. XVII GATS ist die spezifische Ausprägung des allgemeinen Diskriminierungsverbots des GATS, wie es in dem Meistbegünstigungsprinzip zum Ausdruck 457
Siehe näher zu dieser jüngsten Gesetzesänderung oben in Teil 2 unter C.II.2.
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kommt, die die Nichtdiskriminierung gleichartiger WTO-ausländischer Dienstleister und -leistungen untereinander gebietet.458 Art. XVII (1) In den in seiner Liste aufgeführten Sektoren gewährt jedes Mitglied unter den darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalten den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds hinsichtlich aller Maßnahmen, welche die Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen, eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern gewährt.459 (2) Ein Mitglied kann das Erfordernis des Absatzes 1 dadurch erfüllen, dass es Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds eine Behandlung gewährt, die mit der, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern gewährt, entweder formal identisch ist oder sich formal von ihr unterscheidet. (3) Eine formal identische oder formal unterschiedliche Behandlung gilt dann als weniger günstig, wenn sie die Wettbewerbsbedingungen zugunsten von Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern des Mitglieds gegenüber gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds verändert.
Auch ausländischen Gesundheitsdienstleistungen und Angehörigen der Gesundheitsberufe ist demnach gem. Art. XVII Abs. 1 GATS von einem Mitgliedstaat eine nicht weniger günstige Behandlung zu gewähren, als er seinen eigenen gleichen Dienstleistungen und Dienstleistern gewährt. Wie diese zwei Tatbestandsmerkmale „Ungleichbehandlung“ und „Gleichheit der Dienstleistungen bzw. Dienstleister“ zu bestimmen sind, ist im Einzelnen noch nicht abschließend geklärt. Die „Ungleichbehandlung“ kann nach Art. XVII Abs. 2, 3 GATS zum einen de jure erfolgen – expressis verbis an die Staatsangehörigkeit anknüpfend. Derart diskriminierende Maßnahmen kommen vor allem im Bereich von Subventionen und Steuern vor, die oftmals auf einheimische oder zumindest im Inland niedergelassene Anbieter begrenzt werden, im Technologietransferbereich durch eine für Ausländer begrenzte Lizenzvergabe, Registrierung oder sonstige Genehmigung, oder aber auch Inlandsherstellungsklauseln. Diese Beschränkungen haben oftmals die Form von Standards oder quantitativen Einfuhrbestimmungen.460
458 Zum Nichtdiskriminierungsprinzip als dem „roten Faden“ des GATS, siehe Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 20, Rn. 61. 459 [Amtliche Ergänzung] „Spezifische Verpflichtungen, die nach diesem Artikel übernommen worden sind, werden nicht so ausgelegt, dass ein Mitglied Ausgleich für etwaige naturgegebene Wettbewerbsnachteile gewähren muss, die sich daraus ergeben, dass die betreffenden Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer aus dem Ausland stammen.“ 460 Fidler/Correa/Aginam, S. 127; Krajewski, National Regulation, S. 116.
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Zum anderen kann de facto diskriminiert werden durch eine Schlechterstellung, die an ein zunächst neutrales Unterscheidungskriterium anknüpft.461 Nur bei der de facto-Diskriminierung stellt sich mithin die Notwendigkeit, die Gleichheit der betreffenden Dienstleistungen und Dienstleister zu bestimmen.462 Bei der Bestimmung der „Gleichheit“ orientiert man sich auch hier wieder an den für das GATT von dem Appellate Body entwickelten Kriterien („physische Eigenschaften, Produktklassifikation, Endgebrauch als auch Geschmack und Gewohnheit der Verbraucher“).463 „Gleichheit“ im Sinne von „miteinander konkurrierend und gegeneinander austauschbar“ aus.464 Ungeklärt ist, wie die „Ungleichbehandlung“ der de facto-Diskriminierung im Einzelnen ausgestaltet sein muss. Teilweise wird im Schrifttum eine enge Auslegung vertreten. In Anlehnung an die sog. indirekte Diskriminierung im EU-Recht sei eine de facto-Diskriminierung dann zu bejahen, wenn die Beschränkungen unabhängig von der Staatsangehörigkeit greifen, aber ausschließlich oder vorwiegend Ausländer bei der Erbringung von Dienstleistungen behindern.465 Der EuGH definiert de factoDiskriminierungen als „alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen“, wie eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierung.466 Nach dieser engen Auslegung liegt mithin eine de facto-Diskriminierung vor, wenn z. B. eine Vorschrift den Erwerb von Land von einem Wohnsitzerfordernis abhängig macht, besondere Spracherfordernisse (z. B. regionale Dialekte) für eine bestimmte Dienstleistung zwingend vorschreibt oder eine vorherige inländische Berufserfahrung für die Ausübung eines Berufs in dem jeweiligen Land voraussetzt.467 Diese Voraussetzungen können meist Inländer leichter erfüllen als ausländische Bewerber. Der Begriff der de461 So auch die Richtlinien für die Eintragung spezifischer Verpflichtungen des Rats für den Handel mit Dienstleistungen, WTO, Guidelines, Rn. 13. 462 So urteilte der GATT-Panel in der Rechtssache Indonesia – Certain Mesures Affecting the Automobile Industry, Bericht des Panel (WT/DS54, WT/DS55, WT/DS59 und WT/DS64), v. 2. Juli 1998 (Indonesia-Automobile, Panel), Rn. 14.113. 463 Der zum GATT entwickelte sog. aim and effects-Test, demnach Ziele und Auswirkungen der Maßnahme bei der Gleichheitsprüfung von Produkten zu berücksichtigen seien, wurde allerdings vom Appellate Body nicht auf das GATS übertragen, siehe EC-Bananas III, AB, Rn. 241, eingehend Krajewski, National Regulation, S. 99 f. 464 Näher Krajewski, National Regulation, S. 98 ff.; Mattoo, S. 127 ff.; eingehend auch Fidler/Correa/Aginem, Rn. 374 ff.; Wiegemann, S. 142 f., 147 ff. Allerdings ist der Besonderheit Rechnung zu tragen, dass anders als das GATT das GATS sich nicht nur auf die gleichen „Dienstleistungen“, sondern auch „Dienstleister“ bezieht. In der Literatur wird daher z. T. vertreten, sich nur auf die Dienstleistungen oder den Dienstleistungserbringer zu fokussieren, andere lehnen dies als eine künstliche Trennung ab und plädieren für eine kumulative Prüfung, eingehend Krajewski, National Regulation, S. 105 f.; Wiegemann, S. 143 ff. 465 Krajewski, National Regulation, S. 114; Eeckhout, in: de Burca/Scott (Hrsg.), The EU and the WTO, S. 233 f. 466 Beispielsweise EuGH, Urt. v. 3. Juni 1992, Rs. C-360/89 – Kommission/Italien (öffentliche Bauaufträge), Rn. 11. 467 Diese und weitere Beispiele bei Krajewski, National Regulation, S. 108.
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facto-Diskriminierung wird allerdings auf Maßnahmen beschränkt, deren formaldiskriminierungsähnliche Auswirkungen vorhersehbar sind.468 Es wäre den Mitgliedern schwerlich möglich de facto diskriminierende Regelungen zu listen, wenn die de facto diskriminierende Wirkung der Maßnahme nicht absehbar für das jeweilige Mitglied war. Es dürfen aber nach Art. XVII GATS nur solche Maßnahmen zu listen sein müssen, die ein Mitglied auch listen kann. Das bedeutet, dass die handelsbeschränkende Wirkung vorhersehbar sein muss. Demgegenüber fassen andere Stimmen im Schrifttum den Begriff der de factoDiskriminierung weiter. Unter Bezugnahme auf das allgemeine Beschränkungsverbot des EU-Rechts, seien auch im GATS formal nicht differenzierende, aber ausländische Dienstleistungen bzw. Dienstleister unverhältnismäßig belastende Maßnahmen als de facto-Diskriminierung zu erfassen.469 Es wird mithin eine Erforderlichkeitsprüfung (necessity test) in Art. XVII GATS verortet.470 Jede Maßnahme, die für den ausländischen Dienstleister oder die ausländische Dienstleistung belastender ist als notwendig, stelle eine de facto-Diskriminierung dar.471 Der Nachteil dieses Ansatzes ist, dass dadurch der Verbotstatbestand des GATS weit ausgedehnt und der nationale Regulierungsspielraum erheblich eingeengt wird. Im EU-Recht gibt es die Möglichkeit den EU-Mitgliedstaaten ihren Spielraum zu erhalten. So erweiterte der EuGH auf Rechtfertigungsebene die in Art. 52 AEUV (exArt. 46 Abs. 1 EG) geschriebenen Rechtfertigungsgründe um sog. „zwingende Gründe des Allgemeininteresses“.472 Um die Regulierungshoheit auch der GATSMitglieder nicht zu sehr einzuschränken, wird im GATS ebenso das Korrektiv über die Erweiterung der Rechtfertigungsgründe des Art. XIV GATS gefordert. 468
Krajewski, National Regulation, S. 113 f. Teilweise wird hier die Möglichkeit gesehen, den aims and effects-Test des GATT, den der Appellate Body im Rahmen der Gleichheitsprüfung nicht auf das GATS übertrug, bei der Frage der „weniger belastenden Auswirkung“ in das GATS einzuführen, Porges/Trachtmann, S. 783 ff.; Howse/Türk, in: de Burca/Scott (Hrsg.), The EU and the WTO, S. 283 f.; Cossy, S. 28. Ehring prägte hier den sog. asymmetric impact-Test, Ehring, S. 921 ff. Demnach liege eine de facto-Diskriminierung nur vor, wenn die Gruppe der gesamten ausländischen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer durch eine Maßnahme prozentual stärker belastet wird als die Gruppe der gesamten inländischen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer. Im Ergebnis wohl zustimmend Wiegemann, S. 158, 214, unter Verweis auf EC-Asbestos, AB, Rn. 100. 470 Teilweise wird die offizielle Fußnote im Vertragstext zu Art. XVII Abs. 1 GATS als Beweis herangezogen: „Spezifische Verpflichtungen, die nach diesem Artikel übernommen worden sind, werden nicht so ausgelegt, dass ein Mitglied für etwaige naturgegebene Wettbewerbsnachteile Ausgleich gewähren muss, die sich daraus ergeben, dass die betreffenden Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer aus dem Ausland stammen.“ Sobald mithin bei einer den Dienstleistungshandel weniger beschränkende Maßnahme der Wettbewerbsnachteil für die ausländischen Dienstleistungen bzw. Dienstleister fortbestehe, müsse dieser Nachteil folglich als naturgegebenen angesehen werden, Verhoosel, S. 91; insoweit kritisch Krajewski, National Regulation, S. 111. 471 Mattoo, S. 131 ff.; Verhoosel, S. 51 ff. 472 EuGH, Urt. 20. Februar 1979, Rs. 120/78 – Cassis de Dijon, Rn. 8. 469
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Diese Erweiterung begegnet in Teilen des Schrifttums Bedenken. Weder hätten die Streitbeilegungsorgane diesen Weg bisher beschritten473, noch sei die Zielrichtung gleich den Grundfreiheiten (Freizügigkeit) und den Diskriminierungsprinzipien des GATS (Diskriminierungsverbot, nicht aber allgemeines Handelsbeschränkungsverbot).474 Darüber hinaus verwische bei dieser Auslegung die Abgrenzung gegenüber Art. VI Abs. 4 GATS.475 Nach Art. VI Abs. 4 GATS sollen Disziplinen erarbeitet werden, die sicherstellen, dass innerstaatliche Regelungen zu Qualifikationserfordernissen und -verfahren, technischen Normen und Zulassungserfordernissen keine unnötigen Hemmnisse für den Dienstleistungshandel sind. Bis zu ihrer Verabschiedung sieht Art. VI Abs. 5 GATS vor, dass die Mitgliedstaaten jedenfalls keine derartigen innerstaatlichen Regelungen anwenden, die etwaige in die Verpflichtungsliste eingetragenen Verpflichtungen nichtig machen oder beeinträchtigen. Da Art. VI GATS nur auf nichtdiskriminierende Vorschriften Anwendung findet, verwischt die Abgrenzung zu Art. XVII GATS, sollte diese als allgemeines Beschränkungsverbot weit ausgelegt werden.476 Hinzu tritt, dass Art. VI GATS bereits eine Erforderlichkeitsprüfung („necessity test“) vorsieht. Sollte aber Art. XVII GATS als „Beschränkungsverbot“ ausgelegt werden und damit ebenfalls eine derartige Prüfung umfassen, bestünde keine Notwendigkeit mehr, die genannten Disziplinen nach Art. VI Abs. 4 GATS zu erarbeiten. Jede unverhältnismäßige Maßnahme wäre bereits als Verletzung des Inländerbehandlungsgrundsatzes zu qualifizieren. Eine derartige Auslegung, die Art. VI Abs. 4 GATS leer laufen ließe, verstieße gegen den Grundsatz des effet utile, d. h. dass die Auslegung einzelner Normen des Vertrags nicht zulasten der Wirksamkeit anderer Normen desselben Vertrags gehen darf . Die enge Auslegung ist vorzugswürdig. Der weite Ansatz beschränkt die Regulierungsautonomie der Mitglieder, ohne dass die Möglichkeit eines Korrektivs auf Rechtfertigungsebene besteht. Der Grundsatz in dubio pro mitius wie auch die Auslegung im Lichte des Rechts auf Gesundheit gebieten hier eine autonomieschonende Definition der de facto-Diskriminierung. Vor diesem Hintergrund sind die deutschen Eintragungen in die Verpflichtungsliste zur Inländerbehandlung [(1)] als auch die Anlage zu Telekommunikationsdienstleistungen [(2)] zu würdigen. (1) Stand deutscher Inländerbehandlungsverpflichtung Sektor 12-Dienstleistungen sind vollständig ungebunden, ebenso sämtliche Modus 1-Dienstleistungen – mit Ausnahme des Bereichs der Vermittlungsdienstleistungen von Gesundheitspersonal und Versicherungsdienstleistungen. 473 Kritisch gegenüber diesem Ansatz und mit einer eingehenden Würdigung Wiegemann, S. 206 ff. 474 Krajewski, National Regulation, S. 109 f. 475 Krajewski, National Regulation, S. 110 ff. 476 So mit eingehender Würdigung Krajewski, National Regulation, S. 111 f.
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Ausländische Wettbewerber sollen hingegen nicht ungünstiger als Inländer behandelt werden in den Modi 2 und 3 im Rahmen sämtlicher Dienstleistungen bis auf 8.B., 8.D. und 12. Es liegt nahe, dass diese Untergruppen wegen ihres Auffangtatbestandscharakters und der Vielzahl an Berufen, die ihnen damit unterfallen können, verschlossen gehalten werden sollen. Derart kann die mit der Unbestimmtheit verbundene Unsicherheit über die Reichweite einer eventuellen Marktöffnung beschränkt gehalten werden. Im Bereich der Arbeitsmigration findet unter den engen horizontalen Voraussetzungen für unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende in allen Sektoren der Inländerbehandlungsgrundsatz Anwendung mit Ausnahme der ungebundenen gehaltenen Sektoren 8.B./D. und 12. Eine Übersicht gibt der in Anhang 4 zu dieser Arbeit beigefügte Listenauszug zur Inländerbehandlung. Im Gesundheitssektor sind eine Vielzahl von Privilegien zugunsten nationaler Gesundheitsanbieter meist im Zusammenhang mit der Teilnahme an solidarisch finanzierten Versicherungssystemen vorhanden. Diese müssen, sobald der Sektor in die Liste aufgenommen wurde, ausdrücklich entweder sektoral oder horizontal freigestellt werden. Beispielsweise müssten Privilegien der Krankenhausfinanzierung auch auf ausländische Anbieter erstreckt werden, sofern die Mitgliedstaaten den Sektor 8.A. in ihre Liste aufgenommen haben, hier oder aber in den horizontalen Verpflichtungen keinen entsprechenden Vorbehalt zu dem jeweiligen Modus in die dritte Spalte ihrer Länderverpflichtungslisten eingetragen haben. Andere vergleichbare Sonderrechte stellen beispielsweise Steuererleichterungen, leichtere Lizenzvergabe und geringere Qualifikationserfordernisse, Subventionen für inländische Dienstleister, Technologietransfer- und Ausbildungserleichterungen als auch Förderung von Immobilienerwerb dar.477 Besonders Subventionen im Rahmen des Modus 3 sind im Gesundheitsbereich von Relevanz für die Verpflichtung zur Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS. So stellt die Investitionskostenförderung beispielsweise von deutschen Plankrankenhäusern gem. §§ 8 ff. KHG eine Subvention dar, die grundsätzlich trägerneutral diskriminierungsfrei ausgestaltet ist.478 Eine de facto-Diskriminierung gegenüber einem ausländischen Krankenhaus kann darin gesehen werden, dass es ausländischen Anbietern schwerer fallen dürfte in den Bedarfsplan eines Bundeslandes i.S.v. § 6 KHG aufgenommen und damit in den Genuss der Investitionskostenförderung zu gelangen.479 Allerdings ist, wenn auch nicht im sektorspezifischen Teil der EULänderliste, sondern innerhalb der horizontalen Beschränkungen eine entsprechende Beschränkung der Fördermöglichkeiten ausländischer Anbieter vorgesehen. Haben 477 Übersicht bei Fidler/Correa/Aginam, Rn. 383 mit Verweis auf die Richtlinien zur Erstellung der Listen spezifischer Verpflichtungen, Rn. 13 ff. 478 Eingehend zur Qualifikation der Investitionskostenförderung sowie des Abschlusses von Versorgungsverträgen gem. § 108 Nr. 3, 109 SGB V als Subventionen i.S.v. GATS, Schmidt, S. 208 ff. 479 Weitere Beispiele bei Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 201.
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sich die EU-Mitgliedstaaten aber de jure die Möglichkeit der Ungleichbehandlung im Bereich von Subventionen vorbehalten, so werden davon auch eventuelle de facto-Diskriminierungen im Bereich der Investitionskostenförderung erfasst.480 Im Rahmen des Modus 4 haben sich die EU-Mitgliedstaaten mit dem Eintrag, dass „soweit Subventionen natürlichen Personen zur Verfügung gestellt werden, […] dies auf Staatsangehörige eines Mitgliedstaates beschränkt werden [kann]“, die Freiheit vorbehalten, die Förderung natürlicher Personen im Bereich der Arbeitsmigration auf EU-Mitgliedstaatsangehörige beschränken zu können. Darüber hinaus wurde – was wichtig ist für die Angehörigen von Gesundheitsberufen – ausdrücklich ausgeschlossen, dass die EU-Berufsqualifikationsrichtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Befähigungsnachweisen auch für Drittstaatsangehörige gilt. Zudem berechtigt die in einem EU-Mitgliedstaat ausgestellte Erlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit nicht auch zur Ausübung derselben in den übrigen EUMitgliedstaaten. Ein beispielsweise in Belgien angestellter Arzt aus einem Drittstaat müsste mithin für die vorübergehende Anstellung in einem MVZ in Deutschland erneut eine deutsche Arbeitserlaubnis beantragen. Bezeichnenderweise handelt es sich bei diesen Vorbehalten gegenüber der Verpflichtung zur Inländerbehandlung nur um horizontale Eintragungen. Die sektorspezifischen Eintragungen zu Art. XVII GATS beschränken sich hingegen auf „Ungebunden“-Erklärungen bzw. sehen keine Einschränkungen vor, offenbar weil die horizontalen Einschränkungen bereits derart weit reichen, dass es keiner sektorspezifischer Erklärungen mehr bedarf. So decken im Bereich der Arbeitsmigration die horizontalen Beschränkungen den gesamten Bereich des staatlich oder tarifvertraglich geregelten Arbeitsschutzes ab, wodurch keine sektorspezifischen Eintragungen mehr notwendig sind.481 Unter sektoralen Gesichtspunkten ist interessant, dass weder bei Versicherungsdienstleistungen noch den ambulanten Gesundheitsdienstleistungen der Angehörigen der Gesundheitsdienstleistungen (Sektor 1) im Modus 2 keine deutschen Eintragungen zu Krankenversicherungsleistungen gemacht wurden. Fraglich ist, ob hier nicht der umfassende Genehmigungsvorbehalt für Drittstaatsbehandlungen nach § 18 SGB V zu listen ist. Denn es könnte die Gefahr bestehen, dass Dienstleister aus Drittstaaten gegenüber inländischen bzw. EU-ausländischen Anbietern diskriminiert werden, weil der Kostenübernahme der Drittstaatsbehandlung in jedem Fall vorab durch den Versicherungsträger zugestimmt werden muss und die Zustimmung nur im Falle heimischen Systemversagens gewährt werden muss. Für EU-Fälle hat der EuGH einen umfassenden Genehmigungsvorbehalt für grenzüberschreitende ambulante Behandlungen grundsätzlich als binnenmarktwidrig eingestuft. In der Literatur wird insofern vertreten, dass auch im Rahmen des GATS die EU-Mitgliedstaaten zum Sachleistungsexport – Kostenerstattung für 480 481
Näher zu den horizontalen Beschränkungen unten in Teil 3 unter C.II.1.b), aa). Falke, S. 98.
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Drittstaatsbehandlungen – verpflichtet seien.482 Die in soweit in § 18 SGB V vorgesehenen Vorschriften, die eine Übernahme auf Fälle des nationalen Systemversagens beschränken, würden eine Ungleichbehandlung ausländischer Anbieter i.S.v. Art. XVII GATS darstellen und seien ohne Listung unvereinbar mit dem GATS – vorbehaltlich einer eventuellen Rechtfertigungsmöglichkeit nach Art. XIV GATS. Insoweit ließe sich der vom EuGH im Binnenmarkt entwickelte Grundsatz heranziehen, dass der Patient davon abgehalten werde eine Behandlungsleistung im Ausland in Anspruch zu nehmen, wenn seine Kosten nicht von seiner Krankenversicherung übernommen werden. Der Zugang zu Anbietern aus Drittstaaten sei dementsprechend erschwert, ihre Dienstleistungserbringung würden im Ergebnis diskriminiert. Die Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen müssten hier insoweit gesondert neben der versicherungsrechtlichen Seite der Krankenkassen betrachtet werden.483 Der Differenzierung zwischen versicherungsrechtlicher und leistungsrechtlicher Seite ist grundsätzlich zuzustimmen. Finanzdienstleistung, für die hier die Bereichsausnahme von den GATS-Verpflichtungen gilt, ist hier in concreto die (nachträgliche) Finanzierung der Drittstaatsbehandlung, d. h. Kostenabwicklung über die Kostenerstattung (Kostenträgerperspektive). Daneben tritt das Leistungsrecht, d. h. die Behandlungsleistung z. B. eines Arztes. Ohne Finanzierungsicherheit wird der Patient leicht abgehalten, Behandlungsleistungen in Drittstaaten nachzusuchen. Der Patient ist allerdings nicht gehindert, sich im Ausland im Rahmen einer privaten Auslandskrankenversicherung behandeln zu lassen. Sollte er aber eine derartige Versicherung nicht abgeschlossen haben, ist eine Auslandsbehandlung auf eigene Rechnung keine wirkliche Alternative zur Inlandsbehandlung. Der EuGH hat daher in der Verweigerung der Kostenerstattung bzw. in der Vorabgenehmigungspflicht ambulanter EU-Auslandsbehandlungen eine (potentielle) Behinderung der passiven Dienstleistungsfreiheit gesehen. Gegen die in der Literatur nun vertretene Annahme, eine Drittstaatsbehandlung sei grundsätzlich mit einer bei demselben Krankheitsbild ansetzenden Inlandsbehandlung gleich i.S.v. Art. XVII GATS484, spricht allerdings nicht zuletzt die im GATS anders als im EU-Recht fehlende berufsrechtliche Harmonisierung der Dienstleister. Im Binnenmarktrecht darf wegen der Harmonisierung der Berufsqualifikationen nicht mehr die qualitative Vergleichbarkeit der Inlandsbehandlung mit der durch einen nach EU-ausländischen Standards ausgebildeten Angehörigen der EU-harmonisierten Berufe die Vergleichbarkeit von den Kostenträgern abgelehnt werden. Nur bei ernsthaften und konkreten Zweifeln an der Qualität und Sicherheit der Behandlung darf insoweit die Genehmigung bzw. Kostenübernahme verweigert werden gem. Art. 8 der Richtlinie zur Patientenmobilität. Angesichts der – teilweise sogar höchst – unterschiedlichen Ausbildungsstandards der WTO-Mitglieder wird 482 483 484
Dazu Krajewski, Patientenmobilität, S. 7 ff. Im Ergebnis wohl so auch Schmidt, S. 206 f. Schmidt, S. 206 f.
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vorbehaltlich eines evt. bilateralen Abkommens zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen – streng genommen eine ungleiche Dienstleistung anzunehmen sein. Der Tatbestand der Inländerbehandlung greift demnach nicht. Für diese Auslegung spricht darüber hinaus noch ein weiteres systematisches Argument. Zwischen Binnenmarkt und GATS besteht ein für die vorliegende Frage zentraler rechtssystematischer Unterschied. Im Binnenmarktrecht gibt es keine Bereichsausnahmemöglichkeit für Systeme sozialer Sicherheit von den Grundfreiheiten. Nur auf Rechtfertigungsebene besteht die Möglichkeit, Binnenmarktbeschränkungen nachträglich zu legitimieren, sofern die finanzielle Stabilität des Sozialversicherungssystems oder die qualitativ hochwertige Versorgung in Gefahr gerät. Demgegenüber sieht das GATS wie gezeigt bereits auf Tatbestandsebene eine Bereichsausnahme vom Anwendungsbereich für gesetzliche Systeme sozialer Sicherheit vor. Diese für die Sozialversicherung grundlegenden Vorschriften des GATS und auch seiner Anlage zu Finanzdienstleistungen würden ausgehöhlt, wenn über die Länderlisteneintragungen zu Dienstleistungssektoren mit Sachzusammenhang zu den Tätigkeiten der gesetzlichen Systeme sozialer Sicherheit – und damit auf einer systematisch nachgelagerten Prüfungsebene –, die Sozialversicherung entgegen der für sie geltenden Bereichsausnahme dennoch im Ergebnis den weitreichenden Liberalisierungsverpflichtungen des GATS unterworfen werden könnte, im gewissen Sinne also wieder in den Anwendungsbereich des GATS hereingezogen würde. Eine derartige Auslegung widerspräche nicht nur den völkergewohnheitsrechtlichen Auslegungsgrundsätzen, sondern wäre auch höchst problematisch im Lichte des Grundrechts auf Gesundheit. (2) Anlage zu Telekommunikationsdienstleistungen Für telemedizinische Gesundheitsdienstleistungen von ggf. zukünftiger Bedeutung – gegenwärtig ist Modus 1 in allen Sektoren der ambulanten und stationären Gesundheitsdienstleistungssektoren, einschließlich sozialer Dienstleistungen ungebunden – ist die Ausprägung des Inländerbehandlungsgrundsatzes in Gestalt der Anlage zur Telekommunikation.485 Anlage zur Telekommunikation (5) Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten und deren Nutzung a)
485
Jedes Mitglied stellt sicher, dass jedem Diensteanbieter eines anderen Mitglieds zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen das Recht auf Zugang zu öffentlichen Telekommunikationsnetzen und -diensten und auf deren Nutzung für die Erbringung eines in der Liste des betreffenden Mitglieds aufgeführten Dienstes eingeräumt wird. Diese Pflicht gilt unter anderem für die Buchstaben b) bis f)486.
Dazu auch Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 201 f. [Amtliche Erläuterung:] „Es gilt als vereinbart, dass sich der Begriff „nichtdiskriminierend“ auf Meistbegünstigung und Inländerbehandlung im Sinne des Übereinkommens bezieht und in der für diesen Sektor üblichen Auslegungsform verwendet wird als „Bedingungen, die nicht weniger günstig sind als diejenigen, die einem anderen Nutzer von gleichen öffent486
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
b) Jedes Mitglied stellt sicher, dass Diensteanbietern eines anderen Mitglieds das Recht auf Zugang zu allen öffentlichen Telekommunikationsnetzen oder -diensten einschließlich privater Mietleitungen und deren Nutzung eingeräumt wird, die innerhalb der Grenzen des Mitglieds oder grenzüberschreitend angeboten werden, und stellt zu diesem Zweck vorbehaltlich der Buchstaben e) und f) sicher, dass derartige Diensteanbieter die Genehmigung erhalten für i)
den Ankauf oder die Anmietung und den Anschluss von End- oder sonstigen Geräten, die an das Netz angeschlossen werden und die der Diensteanbieter zur Bereitstellung der Dienste benötigt;
ii) den Anschluss privater Mietleitungen oder von Privatleitungen an öffentliche Telekommunikationsnetze und -dienste oder an Leitungen eines anderen Diensteanbieters oder von ihm gemietete Leitungen und iii) die Verwendung von Betriebsprotokollen ihrer Wahl, die nicht zu denjenigen gehören, die zur Sicherung der Verfügbarkeit öffentlicher Telekommunikationsnetze und -dienste erforderlich sind, bei der Erbringung eines Dienstes. c)
Jedes Mitglied stellt sicher, dass Diensteanbieter eines anderen Mitglieds die öffentlichen Telekommunikationsnetze und -dienste für die Übertragung von Informationen sowohl innerhalb der Grenzen als auch grenzüberschreitend, auch für unternehmensinterne Kommunikationen dieser Diensteanbieter, sowie für den Zugang zu Informationen, die im Hoheitsgebiet eines beliebigen Mitglieds, in Datenbanken oder auf andere Weise in maschinenlesbarer Form gespeichert sind, nutzen können. Jede neue oder geänderte Maßnahme eines Mitglieds, die eine derartige Nutzung wesentlich beeinträchtigt, unterliegt der Notifikations- und Konsultationspflicht gemäß den einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens.
Die Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet, die öffentlichen Telekommunikationsnetze und -dienste und deren Nutzung jedem Diensteanbieter eines anderen Mitgliedsstaates zu angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen zugänglich zu machen, Art. 5 lit. a) GATS. Ebenso muss ausländischen Dienstleistern die Möglichkeit eröffnet werden, sowohl über Privatleitungen Zugang zu Telekommunikationsnetzen zu erhalten als auch End- oder sonstige Geräte anmieten oder kaufen zu können, die notwendig für die Nutzung der Telekommunikationsinfrastruktur erforderlich sind, Art. 5 lit. b) GATS. Schließlich müssen die Mitglieder auch sicherstellen, dass die Dienstleister innerund zwischenstaatlich die Infrastruktur zur unternehmensinternen Kommunikation nutzen können und insbesondere weltweiten Zugang zu Datenbanken erhalten, Art. 5 lit c) GATS. Die Liberalisierung des Telekommunikationssektors ist auch ein wichtiger Faktor für eine stärkere Nutzung der IT-Technik im Gesundheitsbereich. Allerdings ist der bisher erreichte Liberalisierungsgrad im Telekommunikationsbereich noch weit von lichen Telekommunikationsnetzen oder -diensten unter gleichen Umständen eingeräumt werden“.
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einer umfassenden multilateralen Liberalisierung entfernt. Zudem ist die Digitalisierung von Dienstleistungen außerhalb des Telekommunikationssektors noch eine verhältnismäßig neue Branche gegenüber den klassischen Dienstleistungen, die erst langsam in der Handelspraxis als multilaterales Thema wahrgenommen wird. Im Rahmen einer etwaigen zukünftigen Diskussion um eine verstärkte Liberalisierung im Modus 1 wäre im Bereich von Telematikdienstleistungen beispielsweise die in § 296a SGB V vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der Beschränkung von Telematikdiensteanbietern von Bedeutung. Im Gesetz anbieterneutral und damit wohl im Hinblick auf das Inländerbehandlungsgebot des Art. XVII GATS unbedenklich ausgestaltet, könnte diese Beschränkung allerdings eine quantitative Beschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 lit. a) GATS darstellen; vorausgesetzt die Abwägung, die einer eventuellen Beschränkung zugrunde liegt, wäre als wirtschaftliche Bedürfnisprüfung zu qualifizieren. Viele Mitgliedstaaten, darunter die EU, die Vereinigten Staaten, Japan, Kanada, Australien und Singapur haben die besondere Bedeutung weiterer Liberalisierungsschritte in dem Telekommunikationssektor in der aktuellen Doha-Handelsrunde betont, so dass abzuwarten bleibt, ob und welche neuen Impulse sich hier von den e-health-Bereich ergeben werden.487 (3) Zwischenergebnis De jure diskriminierende Maßnahmen i.S.v. Art. XVII GATS finden sich insbesondere im Bereich von Subventionen, Steuern und Technologietransfer. Von praktisch größerer Bedeutung sind allerdings de facto-Diskriminierungen. Die Reichweite des Begriffs ist nicht abschließend geklärt. Sollte er als Beschränkungsverbot mit Erforderlichkeitsprüfung ausgelegt werden, wäre der nationale Regulierungsspielraum der Mitglieder erheblich eingeschränkt. Daher wird in dieser Arbeit eine enge Auslegung unterstützt, die nur Maßnahmen erfasst, die an nichtdiskriminierende Merkmale anknüpfen, deren handelsbeschränkende Wirkung vorhersehbar ist, beispielsweise Wohnsitzerfordernis oder Berufserfahrung im Inland, Sprachkentnnisse. Die deutsche Verpflichtungsliste umfasst eine Reihe dieser Regulierungsmaßnahmen. Besonders relevant im Gesundheitsbereich sind die Subventions- und Qualifikationsbeschränkungen. Für den Krankenhaussektor ist der gelistete Subventionsvorbehalt von grundlegender Bedeutung, da allein Plankrankenhäuser nach §§ 8, 9 KHG in den Genuß der Investitionskostenförderung kommen können. Wichtig für die Angehörigen von Gesundheitsberufen ist darüber hinaus, dass die EU-Mitgliedstaaten ausdrücklich ausgeschlossen haben, dass die EU-Berufsqualifikationsrichtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Befähigungsnachweisen auch für Drittstaatsangehörige gilt. Zudem berechtigt die in einem EU487
WTO, Liberalization of Telecommunication Services, Rn. 2: „To promote further liberalization of this sector, we encourage elimination of MFN exemptions for telecommunications services. We believe such liberalization will pave the way for continued innovation, prosperity and growth by making it easier for countries to embrace the Information Society while leveraging their strengths in relation to international trade.“
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Mitgliedstaat ausgestellte Erlaubnis zur Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit nicht auch zur Ausübung derselben in den übrigen EU-Mitgliedstaaten. Schließlich war der bis vor Kurzem für ärztliche Tätigkeiten gelistete Staatsangehörigkeitsvorbehalt zur Inländerbehandlung grundlegend, da demnach im deutschem Recht eine Approbation nur Deutsche bzw. EU-Angehörige erhalten konnten, Drittstaatsangehörige hingegen auf eine zeitlich befristete Berufserlaubnis beschränkt waren. dd) Zusätzliche Verpflichtungen nach Art. XVIII GATS Die WTO-Mitglieder können darüber hinaus auch für Maßnahmen, die den Dienstleistungshandel beeinträchtigen und nicht nach Art. XVI GATS oder Art. XVII GATS zu listen sind, „Verpflichtungen aushandeln, einschließlich Maßnahmen in Bezug auf Qualifikations-, Normen- oder Zulassungsfragen“. Derartige zusätzliche spezifische Verpflichtungen sind von den Mitgliedern, die sie übernehmen, in ihre Listen aufzunehmen (Art. XVIII S. 2 GATS), um die notwendige Transparenz für die übrigen Mitglieder herzustellen. Anders als die Verpflichtungen von Art. XVI, XVII GATS, die automatisch Anwendung finden, sobald ein Sektor ohne ausdrücklichen Vorbehalt in die nationale Verpflichtungsliste aufgenommen worden ist, sind die Mitglieder im Rahmen des „Auffangtatbestandes“488 des Art. XVIII GATS gehalten, sowohl den Umfang der Verpflichtungen sowie deren entsprechende Einschränkungen genau in der Liste zu beschreiben. Die EU-Mitgliedstaaten haben bisher nur in den Sektoren Telekommunikation und Finanzdienstleistungen weitere Vereinbarungen nach Art. XVIII GATS in ihre Verpflichtungslisten eingetragen.489 bzw. ihr angehängt. Von der EU wurde darüber hinaus zunächst vorgeschlagen, für das öffentliche Beschaffungswesen eine vierte Kategorie spezifischer Verpflichtungen zu entwickeln bevor sie 2006 dann einen Vorschlag für eine eigenständige Anlage zum öffentlichen Beschaffungswesen unterbreitete.490 Diese Vereinbarungen dienen als Orientierungsmaßstab. Diejenigen Mitglieder, die in dem jeweiligen Sektor zusätzliche Verpflichtungen i.S.v. Art. XVIII GATS eingingen, richteten ihre nationale Regulierung an den entsprechenden Vereinbarungen aus. Im Bereich der Versicherung verpflichtet sich beispielsweise die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten in dem der EU-Verpflichtungsliste angehängten Anhang zu „zusätzlichen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten“, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Versicherungsregulierungs- und -aufsichtsbehörden dieser Mitgliedstaaten zu gewährleisten und sie in ihren Anstrengungen zu unterstützen, verbesserte Aufsichtsstandards zu fördern. Dazu zählen unter anderem die Verfahren zur Bearbeitung von Anträgen zu ver-
488 489 490
Falke, S. 87. Abrufbar unter http://tsdb.wto/org/, Stand: Oktober 2012. WTO, Government Procurement in Services, Rn. 2 ff.
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bessern, Fristen von sechs Monaten durchzusetzen und Begründungsanforderungen zu verbessern. Bisher gibt es keine entsprechende Vereinbarung für Gesundheitsdienstleistungen. Angesichts der schleppenden Arbeiten an multilateralen Disziplinen zu Zulassungs-, Qualifikations- und technischen Standardisierungsragen unter Art. VI Abs. 4 GATS, ist es auch eher unwahrscheinlich, dass die WTO-Mitglieder zukünftig im Gesundheitsbereich den Weg über Art. XVIII GATS gehen könnten, um gemeinsame Prinzipien für eine Annäherung und weitere Liberalisierung der Gesundheitsdienstleistungen zu entwickeln.491 Eine derartige Erklärung allein schon der EU-Mitgliedstaaten ist wohl in absehbarer Zeit unwahrscheinlich. Zwar haben sie in dem dem Vertrag von Lissabon angehängten Protokoll zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse gemeinsame Grundsätze, Ziele und Werte ihrer Sozial- und Gesundheitssysteme niedergelegt. Die im Einzelnen – wie sich auch wieder in den Verhandlungen der Richtlinie zur Patientenmobilität zeigte – vor allem sehr unterschiedlich ausgestalteten Leistungs-, Kostenabrechnungs-, Haftungs-, Qualitäts- und Sicherheitsregimes sowie e-health-Standards der EU-Mitgliedstaaten sind bereits derart unterschiedlich, dass eine gemeinsame Erklärung auf multilateraler Ebene zu Zulassungs-, Qualifikations- und technischen Standardisierungsfragen, die mehr als nur den Hinweis auf den nationalen Kompetenzvorbehalt in diesen Regulierungsfragen zum Inhalt hätte, in absehbarer Zeit (politisch) wohl nicht in Frage käme. Malaysia hat bisher als einziges WTO-Mitglied überhaupt nach Art. XVIII GATS eine zusätzliche Verpflichtung für Gesundheitsdienstleistungen des Sektors 1.A. eingetragen.492 Der Eintrag beschränkt sich allerdings auf die Sprachanforderungen für den Qualifikationsnachweis, der zur Erbringung medizinischer Dienstleistungen nach Modus 4 berechtigt: „4) The qualifying examination to determine the competence and ability to supply the service will be conducted in the English language.“
ee) Sog. Vorverpflichtungen Im Gegensatz zum Telekommunikationssektor wurden bisher bei Gesundheitsdienstleistungen keine sog. Vorverpflichtungen (precommitments) eingegangen. Dabei handelt es sich um Verpflichtungen, die Liberalisierungsziele festhalten, die Liberalisierung selbst allerdings erst für einen späteren Zeitpunkt vorsehen. Diese Vorverpflichtungen unterscheiden sich von den spezifischen Verpflichtungen nach 491 Fidler/Correa/Aginem, Rn. 389; so auch Krajewski, National Regulation, S. 185. In der Arbeitsgruppe für innerstaatliche Regelungen wird bis jetzt auch keine entsprechende Initiative vorbereitet. 492 Medical speciality services: covering forensic medicine, nuclear medicine, geriatrics, microvascular surgery, neurosurgery, cardiothorasic surgery, plastic surgery, clinical immunology and oncology, traumatology, anaesthesiology, intensive care specialist, child psychiatry and physical medicine (93122), abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012.
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Art. XVI-XVIII GATS nicht durch den Grad ihrer rechtlichen Verbindlichkeit, sondern allein durch den Liberalisierungszeitpunkt. Im Rahmen der schwierigen Liberalisierungsverhandlungen zum Telekommunikationssektor hatten mehr als die Hälfte der seinerzeitigen WTO-Mitglieder, die Verpflichtungen in diesem Sektor eingegangen sind, auf dieses Institut zurückgegriffen.493 Teile des Schrifttums sehen in den Vorverpflichtungen nunmehr die adäquate Möglichkeit, um die in vielen Mitgliedstaaten angestoßenen langfristigen Reformen der Gesundheitssysteme in die multilateralen Dienstleistungsverhandlungen einzubinden. Die Mitgliedstaaten könnten zunächst die Öffnung bestimmter Gesundheitsmärkte planen und die entsprechenden Folgen über längere Zeit abschätzen, bevor es zum tatsächlichen Liberalisierungsschritt komme.494 Ob dieser Weg tatsächlich in der Praxis politisch gangbar sein wird, bleibt fraglich. Bislang gibt es nur ein WTO-Mitglied, das zumindest verhandlungs- nicht aber materiell-rechtliche Zusatzverpflichtungen eingetragen hat. Mazedonien erklärte sich in der ursprünglichen dem GATS 1995 angefügten Länderliste für Dienstleistungen der Untergruppen 1.A.h), j) und 8.A. für vollständig ungebunden und hat gleichzeitig eine Vorverpflichtung zur Aufnahme von Verhandlungen in Spalte 3 eingetragen: „The reform process is ongoing. FYROM will negotiate taking commitments after 1 January 2004“.
Es bleibt abzuwarten, ob die Doha-Verhandlungen hier eine Wende bringen und weitere WTO-Mitglieder sich hier engagieren werden. ff) Zwischenergebnis Das deutsche Gesundheitswesen ist dem internationalen Handel weitestgehend verschlossen. Eine Vielzahl von horizontalen und sektorspezifischen Marktöffnungsbeschränkungen sind von Deutschland bzw. EU-weit in der dem GATS angehängten Länderliste eingetragen. Die zentralen Regulierungsinstrumente der deutschen sozialen Krankenversicherung sind insoweit handelsrechtlich in den Listen grundsätzlich abgedeckt. Demgegenüber weitestgehend liberalisiert sind Krankenversicherungsdienstleistungen. Das gilt allerdings nur für private Kranken- und Pflegeversicherungsleistungen. Sozialversicherungsrechtliche Leistungen unterfallen der Bereichsausnahme der Ziff. 1 b) ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen und sind vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen. 493 Zu diesen Verpflichtungen sui generis im Telekommunikations- aber auch Finanzdienstleistungssektor siehe Hernekamp, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 21, Rn. 5, 8 ff., 21 ff. 494 Adlung/Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 94 f.
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2. Annexpflichten Die verfahrens- und materiellrechtlichen Pflichten, die ihre Wirkung erst im Zusammenspiel mit diesen vorgenannten spezifischen Verpflichtungen des Teils III des GATS entfalten, sind sog. Annexpflichten zu den vertikalen, spezifischen Verpflichtungen. Ebenso wie bei den horizontalen Verpflichtungen sind auch hier materiell rechtliche [a)] und verfahrensrechtliche [b)] Annexpflichten differenziert zu prüfen, um zu sehen, wie weit das GATS auf die nationalen Gesundheitssysteme, insbesondere die GKV gegenwärtig einwirkt. a) Materiellrechtliche Annexpflichten Haben sich die Mitgliedstaaten in bestimmten Sektoren zu einer Marktöffnung verpflichtet, dürfen die innerstaatlichen Regelungen diese nicht ohne weiteres wieder einschränken. Das GATS stellt insofern besondere Anforderungen sowohl an die nationale Regulierung des Dienstleistungshandels in Art. VI Abs. 4 und 5 GATS – teilweise auch Art. VI Abs. 6, der sowohl materiell- als auch verfahrensrechtliche Verpflichtungen enthält [aa)] als auch an die Ausgestaltung innerstaatlicher Monopole in Art. VIII Abs. 2 und 4 GATS [bb)] sowie den Pflichten, die im Zusammenhang mit Zahlungen und Übertragungen bei laufenden Geschäften in Sektoren mit Marktöffnungsverpflichtungen zu beachten sind nach Art. XI GATS [cc)]. Diese Vorschriften werden in der trade&health-Diskussion mit am kontroversesten diskutiert. Vielfach werden in ihnen die zentralen Vorschriften gesehen, die die staatliche Regulierungsverantwortung grundlegend untergraben (könnten).495 aa) Grenzen innerstaatlicher Regulierung Angesichts der oben benannten, von vielen Mitgliedstaaten für Gesundheitsdienstleistungen eingetragenen spezifischen Verpflichtungen, erlangen die materiellrechtlichen Annexpflichten des Art. VI Abs. 4 und 5 GATS für die vorliegende Arbeit besondere Bedeutung: Art. VI Abs. 4, 5 GATS (4) Um zu gewährleisten, dass Maßnahmen, die Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse betreffen, keine unnötigen Hemmnisse für den Handel mit Dienstleistungen darstellen, erarbeitet der Rat für den Handel mit Dienstleistungen mit Hilfe der von ihm gegebenenfalls eingesetzten geeigneten Gremien alle notwendigen Disziplinen. Diese Disziplinen sollen sicherstellen, dass solche Erfordernisse unter anderem a)
auf objektiven und transparenten Kriterien wie Kompetenz und Fähigkeit zur Erbringung der Dienstleistung beruhen;
495 Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 63 ff.; Sanger, S. 69 ff.; World Development Movement, S. 5 ff.; Equinet u. a., S. 3 f.
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b) nicht belastender sind als nötig, um die Qualität der Dienstleistung zu gewährleisten; c)
im Fall von Zulassungsverfahren nicht an sich die Erbringung der Dienstleistung beschränken.
a)
In Sektoren, in denen ein Mitglied spezifische Verpflichtungen eingegangen ist, wendet das Mitglied bis zum Inkrafttreten der für diese Sektoren nach Absatz 4 erarbeiteten Disziplinen keine Zulassungs- und Qualifikationserfordernisse oder technischen Normen an, welche die spezifischen Verpflichtungen in einer Weise nichtig machen oder beeinträchtigen, i) die mit den in Absatz 4 Buchstabe a), b) oder c) beschriebenen Kriterien nicht vereinbar ist und ii) die zu dem Zeitpunkt, zu dem die spezifischen Verpflichtungen in diesen Sektoren übernommen wurden, von dem Mitglied vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte.
b) Bei der Beurteilung, ob ein Mitglied die Pflicht nach Absatz 5 Buchstabe a erfüllt, sind die von dem Mitglied angewendeten internationalen Normen entsprechender internationaler Organisation496 zu berücksichtigen.
Zum Schutz vor Überregulierung in liberalisierten Bereichen sehen Art. VI Abs. 4 und 5 GATS unterschiedliche Schranken für innerstaatliche Regelungen vor, deren Reichweite im Einzelnen umstritten ist. Bereits die Begriffe der Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse sind rechtlich unbestimmt und bergen eine gewisse Rechtsunsicherheit in der Anwendung. Beispielsweise können darunter die Zulassungsverfahren für Vertragsärzte und Krankenhäuser zur Teilnahme an der Versorgung der GKV-Patienten gefasst werden. Sie knüpfen bei Vertragsärzten an eine bestimmte Qualifikation an (Berufszulassung durch Approbation) und nehmen eine qualifikationsunabhängige wirtschaftliche Bedürfnisprüfung vor (Kassenzulassung). Bei Krankenhäusern wird ähnlich durch das Zulassungsverfahren institutionell gesichert, dass zum einen die Qualität der Dienstleister und Dienstleistungen, zum anderen der wirtschaftliche Bedarf vorliegen.497 Nicht an Art. VI Abs. 4, 5 GATS zu messen sind hingegen Preiskontrollen und Budgetdeckelungen zur Sicherung der Finanzierung der Gesundheitsversorgung, da sie keine Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse darstellen.498
496 [Amtliche Erläuterung] „Der Begriff ,entsprechende internationale Organisationen‘ bedeutet internationale Gremien, denen die entsprechenden Organe zumindest aller Mitglieder der WTO angehören können.“ 497 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 202 ff. 498 Ebenso wenig werden quantitative Beschränkungen von Art. VI:4, 5 GATS erfasst. Das heißt allerdings nicht, dass sie unbedenklich sind. Vielmehr greift hier die bereits oben dargelegte Marktzugangsverpflichtung des Art. XVI:2 GATS ein.
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In Abs. 4 und 5 sehen verschiedene Kritiker eine „Gefährdung demokratischer Entscheidungsfindung“499 und eine „Bedrohung zentraler Gesundheitsregulierung“500. Die größten Bedenken bestehen insoweit gegenüber der Regelung, dass innerstaatliche Regulierung „nicht belastender als nötig sein darf, um die Qualität der Dienstleistungserbringung zu gewährleisten“.501 Befürchtet wird, dass die Souveränität der nationalen Verwaltungen, Maßnahmen zum Schutz öffentlicher Gemeinwohlinteressen – eingeschlossen Gesundheit – zu ergreifen, eingeschränkt werden könnte. Nicht demokratisch legitimierte Internationale Organisationen könnten übermäßigen Einfluss bei der Festsetzung nationaler (Gesundheits-)Standards erlangen.502 Insoweit wird auf die Frage einzugehen sein, ob diese Erforderlichkeitsprüfung in Art. VI Abs. 4 b) GATS (sog. necessity test)503 ähnlich streng angewendet werden muss, wie die Erforderlichkeitsprüfung im Rahmen des Rechtfertigungstatbestands von Warenhandelsbeschränkungen zugunsten der menschlichen Gesundheit in Art. XX b) GATT. Eine angebliche „Nachrangigkeit“ gesundheitlicher Belange wird angesichts des Auftauchens der Erforderlichkeitsprüfung auch im GATS befürchtet.504 Andererseits ist zu untersuchen, ob und inwiefern die andere Struktur des Erforderlichkeitstests in Art. VI GATS gegenüber Art. XX b) GATT eine abweichende Auslegung rechtfertigt. So wird zum einen in Art. VI Abs. 4 b) GATS das Ziel genannt, dass die Qualität der Dienstleistung durch nicht belastender als nötig ausgestaltete Regulierung zu gewährleisten ist. Wie der Begriff der Qualität zu fassen ist, ob er insbesondere i.w.S. auch einen gerechten, umfassenden Zugang zur Gesundheitsversorgung umfasst oder nur restriktiv auszulegen ist und technische Qualitätsfragen betrifft, ist ungeklärt – entscheidet aber erheblich über die Durchschlagskraft zukünftiger Disziplinen auf den nationalen Regulierungsspielraum. Zum anderen wird durch Verankerung der Erforderlichkeitsprüfung an sich in Art. VI GATS impliziert, dass auch Vorschriften, die nicht einmal gegen GATS verstoßen müssen – wie dies der Fall bei Art. XX b) GATT und dem ihm nachempfundenen Art. XIV b) GATS ist –, in ihrer Wirkungsweise am GATS zu messen sind. Dies ist eine neue Dimension der Liberalisierung, da innerstaatliche Maßnahmen ggf. beschränkt werden können, die weder diskriminierend sind, noch grundlegende GATS-Prinzipien verletzen.505 Dieser Ansatz scheint mit dem aus499
Sinclair, S. 81; in diesem Sinne auch Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 69. Equinet u. a., S. 3. 501 Im Ergebnis so auch Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 49; Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 13 ff. 502 Howse/Türk, The WTO Negotiations, S. 3 f. 503 „The necessity test – especially the requirement that regulatory measures be no more trade restrictive than necessary – is the means by which an effort is made to balance between two potentially conflicting priorities: promoting trade expansion versus protecting the regulatory rights of governments“, WTO, Application of the Necessity Test, S. 3 ff. 504 Equinet u. a., The GATS Threat to Public Health, S. 3. 505 Siehe Fidler/Correa/Aginam, Rn. 227. 500
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drücklich in der Präambel den Mitgliedstaaten zuerkannten „right to regulate“ zu kollidieren, da er nicht nur dazu führt, dass GATS-Verpflichtungen das „Wie“ der Regulierungsausübung (i.S.v. Verfahrensvorschriften) betreffen, sondern auch die Frage aufwirft, „was“ Gegenstand innerstaatlicher Regulierung sein darf.506 Der nachfolgend zu untersuchende Anwendungsbereich von Art. VI Abs. 4 und 5 GATS unterscheidet sich im Einzelnen erheblich. Während Art. VI Abs. 4 den Rat für den Handel mit Dienstleistungen mandatiert, neue Disziplinen zu erarbeiten für die Anwendung von Qualifikations- und entsprechenden Vorschriften [(1)], beschränkt Art. VI Abs. 5 GATS die Mitglieder bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt in Bereichen mit gelisteten spezifischen Verpflichtungen, Maßnahmen mit bestimmten Auswirkungen zu ergreifen [(2)]. (1) Beschränkung nationaler Regulierung nach Art. VI Abs. 4 GATS Art. VI Abs. 4 GATS zielt auf den Abbau von Handelsbeschränkungen in Gestalt der gerade auch im Gesundheitswesen grundlegenden Qualifikationserfordernisse, -verfahren und Zulassungserfordernisse. Allerdings gibt es bislang und auf absehbare Zeit keine Disziplinen für Gesundheitsdienstleistungen. Daher hat Art. VI Abs. 4 GATS auf absehbare Zeit keine tatsächlichen Auswirkungen auf die nationale Gesundheitsregulierung. Seine potentielle Bedeutung darf dennoch nicht unterschätzt werden. Sollten einmal Disziplinen beschlossen sein, so stellt sich zunächst die Frage, ob die Disziplinen als allgemeine Verpflichtungen (ähnlich dem Meistbegünstigungsprinzip) – und damit für alle WTO-Mitglieder – gelten, oder ob sie nur auf spezifische Verpflichtungen beschränkt bleiben und damit nur für solche Mitglieder Wirkung entfalten, die überhaupt für den jeweiligen (Sub-)Sektor spezifische Verpflichtungen eingetragen haben [(a)]. Zum anderen ist ungeklärt, wie umfänglich die Erforderlichkeitsprüfung ausfällt, d. h. ob neben den in Art. VI Abs. 4 a) – c) GATS genannten auch noch sonstige Kriterien als legitime Ziele der Erforderlichkeitsprüfung in Betracht kommen [(b)]. Besondere Bedeutung kommt insoweit der eng verbundenen Frage zu, ob nicht das Recht auf Gesundheit zu einer weiten Auslegung des Qualitätsziels in Art. VI Abs. 4 b) GATS verpflichtet [(c)]. Schließlich ist neben der Zielbestimmung der Erforderlichkeitsprüfung bisher ungeklärt, welche Anforderungen an ein eventuell milderes Mittel zur Erreichung dieses Ziels zu stellen sind. Damit wird die Frage aufgegriffen, ob die strenge Auslegung des Art. XX b) GATT in der bisherigen Praxis auch tatsächlich auf Art. VI Abs. 4 GATS zu übertragen ist [d)]. (a) Reichweite evtl. zukünftiger Disziplinen Der Wortlaut von Art. VI Abs. 4 GATS legt nahe, dass etwaige zukünftige Disziplinen nicht auf die Mitglieder mit gelisteten spezifischen Verpflichtungen beschränkt werden. Es wird allgemein formuliert, „keine unnötigen Hemmnisse für den 506
Dazu Fidler/Correa/Aginam, Rn. 228.
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Handel mit Dienstleistungen“ zuzulassen. In Art. VI Abs. 1 und 5 GATS wird hingegen ausdrücklich eine Beschränkung auf den Handel mit Dienstleistungen, für die spezifische Verpflichtungen eingetragen wurden, genannt. Im Umkehrschluss müsste der fehlende entsprechende Hinweis in Abs. 4 mithin gegen eine Beschränkung sprechen.507 In der Staatenpraxis wird entgegen dem Wortlaut der Anwendungsbereich des Abs. 4 eng gezogen. Das bedeutet, dass die einzig bisher erarbeiteten Disziplinen für Wirtschaftsprüfer508 nur auf die Mitglieder angewendet werden, die entsprechende spezifische Verpflichtungen eingetragen haben509, die echte Marktöffnungsverpflichtungen sind und nicht nur Beschränkungsvorbehalte. Den Mitgliedern soll es allerdings unbenommen bleiben zu beschließen, die Disziplinen i.S. allgemeiner Verpflichtungen anzuwenden. Damit kann festgehalten werden, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Auswirkungen für Gesundheitsdienstleistungen zu befürchten sind mangels entsprechender Disziplinen. Sollten derartige Disziplinen erarbeitet werden, wendete man sie nach derzeit gängiger Staatenpraxis nur auf die Mitglieder mit einschlägigen spezifischen Verpflichtungen an, die den Charakter echter Marktöffnungsverpflichtung haben. Das heißt, dass die Durchschlagkraft der Disziplinen entscheidend von der Reichweite dieser spezifischen Verpflichtungen abhängen wird. Für die Mitglieder ohne entsprechende Verpflichtungen hätte Art. VI Abs. 4 GATS mithin weiterhin keine Auswirkung. (b) Umfang des Kriterienkatalogs in Art. VI Abs. 4 GATS Abs. 4 listet in lit. a) – c) drei Kriterien zukünftiger Disziplinen auf: Erstens objektive, transparente Kriterien wie beispielsweise Kompetenz und Fähigkeit zur Erbringung der Dienstleistung; zweitens keine stärkere Belastung als nötig, um die Qualität der Dienstleistung zu gewährleisten (Erforderlichkeitsprüfung); drittens keine Ausgestaltung von Zulassungsverfahren derart, dass die Dienstleistungserbringung an sich beschränkt wird. Da es nur unter anderem diese Erfordernisse sind, die den Rahmen für die innerstaatliche Regulierung sicherstellen sollen, ist der Katalog der Erforderlichkeitskriterien nicht abschließend. Diese Kriterien erinnern in gewissem Sinne an die Voraussetzungen, die die Dienstleistungsrichtlinie EG/2006/123 für den Binnenmarkt aufstellt.510 Gesundheits- und Sozialdienstleistungen sind nach Art. 3 in Verbindung mit Erwägungsgrund 22 vom Anwendungsbereich ausgenommen, um ihren sektorspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen. Diesem Ziel dienen die Verhandlungen der Richtlinie über die Rechte der Patienten in der grenzüberschreitenden Gesund507
Vgl. Fidler/Correa/Aginam, Rn. 233. WTO, Disciplines on Domestic Regulation in the Accountancy Sector, Rn. 1 ff. 509 WTO, GATS Fact and Fiction, S. 14. 510 Nähere Informationen abrufbar unter der Seite http://www.dienstleisten-leicht-gemacht. de/, Stand: Oktober 2012. 508
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heitsversorgung. Diese Erwägungen gelten natürlich ebenso auf multilateraler Ebene: Sollte im Gesundheitsbereich überhaupt Bedarf eines Tätigwerdens gesehen werden, dann in Gestalt sektorspezifischer, nicht aber horizontaler Disziplinen. Die Reichweite der Erforderlichkeitsprüfung kann entsprechend groß ausfallen und mithin fast sämtliche Bereiche innerstaatlicher Regulierung erfassen, je nach den zusätzlichen Kriterien, die in die Disziplinen aufgenommen werden. Das birgt natürlich grundsätzlich wiederum Gefahren für den Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung. Allerdings werden nach dem in der WTO nach Art. IX Abs. 1 WTO-Übereinkommen geltenden Konsensverfahren Beschlüsse nur mit Zustimmung sämtlicher Mitglieder gefasst. Die Zustimmung gilt als abgegeben, sofern nicht ausdrücklich protestiert wird. Jedes Mitglied hat mithin die (politische) Verhandlungskompetenz, Disziplinen mit ggf. seiner Ansicht nach zu weitgehenden Kriterien der Erforderlichkeitsprüfung abzulehnen und damit scheitern zu lassen. (c) Qualitätszielbestimmung i.R. der Erforderlichkeitsprüfung In Art. VI Abs. 4 b) GATS wird als Ziel der Erforderlichkeitsprüfung die Gewährleistung der Qualität der Dienstleistung durch eine nicht mehr als nötig belastende nationale Regulierung genannt. Dieser Rechtsbegriff ist in der Literatur wegen der mit seiner Unbestimmtheit verbundenen unabsehbaren Auswirkungen für den Spielraum nationaler Regulierung scharf kritisiert worden.511 Je nachdem, ob diese Prüfung weit zu fassen ist und auch das Ziel eines gerechten Zugangs zu einer umfassenden und nachhaltig finanzierten Gesundheitsversorgung umfasst oder nur restriktiv auszulegen ist und technische Qualitätsfragen betrifft, wird der Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung erheblich eingeschränkt. Nachfolgend wird diese Problematik an einigen Beispielen erläutert. Sollten Disziplinen für Gesundheitsdienstleistungen tatsächlich erarbeitet worden sein, und ein Mitglied hätte echte spezifische Verpflichtungen gelistet, könnten Regelungen, die nicht nur technischen Qualitätssicherungszielen dienen, nach der oben genannten engen Auslegung einer Erforderlichkeitsprüfung nicht standhalten. Würden Panel ggf. Appellate Body hier streng nach Art. 31 der WVK am Wortlaut orientiert argumentieren, wäre die Erforderlichkeit von Regelungen fraglich, die z. B. eine nonprofit-Ausrichtung eines Krankenhauses fordert, damit allein das Wohl der Patienten im Vordergrund steht. Ebenso fraglich wäre ein Kontrahierungszwang für Krankenhäuser, alle eine Behandlung begehrenden Patienten aufzunehmen, unabhängig von ihrer versicherungsrechtlichen Absicherung gegen Krankheit. Diese Regelungen dienen vorrangig dem Ziel des umfassenden Zugangs zur Gesundheitsversorgung, nicht aber eines technischen Qualitätsschutzes. Nur mittelbar dienen sie auch der Qualität der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Auch Regelungen, die die finanzielle Zugänglichkeit sichern sollen, indem z. B. Höchstpreise für Grundver511
Nicolaiidis/Trachtmann, S. 260.
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sorgungsleistungen gesetzt werden, sähen sich vor demselben Dilemma: Sie dienten nur mittelbar der Qualität der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung.512 Diese Ziele wären nach enger Auslegung des Abs. 4 b) keine legitimen Ziele der Erforderlichkeitsprüfung einer etwaigen für dieses Beispiel fingierten Disziplin. An dieser Stelle ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass diese Regelung ausländische Anbieter ebenso wie Inländische schlechter stellt und damit nicht diskriminiert. Sobald eine Diskriminierung vorläge, wäre Art. XVII GATS Prüfungsmaßstab, nicht aber mehr Art. VI GATS – vorausgesetzt, dass entsprechende spezifische Verpflichtungen gelistet wurden.513 Durch diese enge Auslegung des Qualitätsziels wäre der den Mitgliedern nach der Präambel des GATS sowie auch Art. XIX Abs. 2 S. 1 GATS zugestandene Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung aufgehoben. Dies widerspräche dem allgemeinen Grundsatz, dass allen Regelungen eines Abkommens Wirksamkeit zukommen muss und ihr diese nicht durch die Auslegung anderer Normen desselben Abkommens genommen wird. Auch wiederspräche es Punkt 3 der Verhandlungsleitlinien für die Dienstleistungsverhandlungen des GATS-Rates514 als auch in der Ministererklärung von Doha515, in denen ebenfalls das right to regulate niedergelegt ist. Auch Art. 3 Abs. 2 DSU wäre durch eine entsprechend nachteilige Auslegung der Streitbeilegungsorgane für den Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung verletzt. Denn nach Art. 3 Abs. 2 S. 3 DSU können die Streitbeilegungsorgane „die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen enthaltenen Rechte und Pflichten weder ergänzen noch einschränken“.
Vor allem aber wäre eine derartige enge Auslegung des Qualitätsziels in Art. 4 b) GATS unvereinbar mit einer an dem Recht auf Gesundheit orientierten Auslegung. Dieses verpflichtet, einen gerechten Zugang zu umfassender (Grund-)Gesundheitsversorgung von bestmöglicher Qualität zu gewährleisten. Den WTO-Mitgliedern muss mithin der Spielraum verbleiben die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Verpflichtung nachzukommen. Ein Zielkonflikt zwischen Handelsabkommen und Recht auf Gesundheit entsteht in dem Augenblick, in dem diese Ziele nicht als legitime Ziele im Rahmen einer Erforderlichkeitsprüfung nach GATS anerkannt werden.516 Ein derartiger Konflikt ist durch eine weite Auslegung des Be512
Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 204 f. Anders im EU-Recht, wo das Gebot der „Inländerbehandlung“ allgemeingültig ist. Als „Diskriminierung“ wird hier die Ungleichbehandlung von EU-In-/Ausländern bezeichnet und grundsätzlich verboten. Das Gebot der Inländerbehandlung umfasst darüber hinaus auch zwingend die Verpflichtung, verschiedene Ausländer im Verhältnis untereinander ebenfalls nicht zu diskriminieren. Damit ist das Meistbegünstigungsprinzip ebenfalls Teil des unionsrechtlichen Diskriminierungsverbots. Der Liberalisierungsansatz der EU ist damit weiter als der des GATS, Einzelheiten bei Wiegemann, S. 118 ff. 514 WTO, Guidelines and Procedures for the Negotiations, Rn. 1 ff. 515 WTO, Ministerial Conference Doha, Rn. 6, 7. 516 Zu den Anforderungen an das „mildere Mittel“ und eventuell diesbezüglichen Zielkonflikten im anschließenden Abschnitt. 513
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griffs der Qualität in Art. VI Abs. 4 b) GATS im Lichte des Rechts auf Gesundheit beizulegen. Schließlich erscheint die enge Auslegung des Qualitätsbegriffs in Art. VI Abs. 4 b) GATS in der Praxis unwahrscheinlich angesichts des den Disziplinen für Wirtschaftsprüfer zugrunde gelegten weiten Ansatzes, die Ziele der Erforderlichkeitsprüfung nicht abschließend zu benennen: „legitimate objectives are, inter alia, the protection of consumers (which includes all users of accounting services and the pulic generally), the quality of the service, professional competence, and the integrity of the profession“.517
Eine ebensolche Tendenz lässt sich dem Vorschlag der internationalen Vereinigung der Krankenschwestern (ICN) entnehmen, die Wirtschaftsprüfer-Disziplinen entsprechend auch für Pflegeberufe entwickelten: „According to ICN, such regulation should: [b]e based on clear definitions, [p]rovide and be limited to those controls and restrictions necessary to meet their objectives, [b]e sufficiently broad and flexible to achieve their objectives and permit freedom for innovation, growth, and change; [p]romote universal standards of performance and foster professional identity and mobility to the fullest extent compatible with local needs and circumstances; [p] rovide honest and just treatment for those parties regulated.“518
Schließlich sei noch einmal darauf hingewiesen, dass das skizzierte Szenario derart weitreichender Einflussnahme des GATS auf die deutsche Gesundheitsregulierung auf absehbare Zeit unwahrscheinlich ist. Zum einen werden keine Disziplinen für Gesundheit auf multilateraler Ebene verhandelt. Zum anderen wäre eine derart enge Auslegung des Qualitätsziels in Art. VI Abs. 4 b) etwaiger Disziplinen durch die Streitbeilegungsorgane in einem eventuellen Verfahren angesichts der entgegenstehenden Auslegungsgrundsätze nicht wahrscheinlich. Abschließend sei angemerkt, dass der Maßstab für innerstaatliche Regulierung nach Art. VI Abs. 4 GATS mithin nicht nur durch die nichtabschließende Aufzählung der Kriterien in Abs. 4 a) – c) vorgegeben wird, sondern durch die weite Auslegung des Qualitätskriteriums im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung in Abs. 4 b) noch verstärkt wird. Die etwaigen Disziplinen könnten mithin fast sämtliche Bereiche innerstaatlicher Regulierung erfassen, je nach den zusätzlichen Kriterien, die in die Disziplinen aufgenommen werden. Das birgt zusätzliche Gefahren für den Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung. Allerdings ist auch hier wie bereits oben unter (b) darauf hinzuweisen, dass es den Mitgliedern, angesichts ihres aus Art. IX Abs. 1 WTO-Übereinkommen ableitbaren Veto-Rechts, freisteht, die Disziplinen grundsätzlich so zu verhandeln, dass ihre nationale Regulierungssouveränität geringstmöglich eingeschränkt wird.
517
WTO, Disciplines on Domestic Regulation in the Accountancy Sector, Rn. 2. Vorschlag der ICN vorgetragen auf dem Workshop der WTO 2004 zu innerstaatlicher Regulierung, WTO, Workshop on Domestic Regulation, Folien 1 ff. 518
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(d) Anforderungen an eine „mildere“ Alternativmaßnahme Nicht nur über die legitimen Ziele der Erforderlichkeitsprüfung in Art. VI Abs. 4 b) GATS besteht Unsicherheit, auch die Anforderungen an eine weniger handelsbeschränkende Alternativmaßnahme sind ungeklärt. Der Umstand, dass die Erforderlichkeitsprüfung in Art. XIV b) GATS dem Art. XX b) GATT nachempfunden wurde, und auch in Art. VI 4 b) GATS die Formulierung nicht belastender als nötig verwandt wird, wurde teilweise derart gedeutet, dass dieselbe strenge Erforderlichkeitsprüfung wie in Art. XX b) GATT bei Art. VI Abs. 4 b) GATS anzuwenden ist. Die Streitschlichtungsorgane entschieden zu Art. XX GATT, die strittige Maßnahme müsse die geringstmögliche handelsbeschränkende Maßnahme darstellen, die dem betroffenen WTO-Mitglied vernünftigerweise zur Verfügung steht. Demnach sei eine Maßnahme eines WTO-Mitglieds dann nicht erforderlich, wenn es 1.) ein milderes Mittel gibt als die streitigen Maßnahmen, das 2.) ebenso effektiv das jeweilige legitime Ziel verwirklichen kann und das 3.) dem WTO-Mitglied auch unter vertretbarem Aufwand zur Verfügung steht. Der Beweis, dass das erste und dritte Kriterium erfüllt ist, falle dem Beschwerde führenden Mitglied nach Einschätzung der Streitschlichtungsorgane in der Regel nicht schwer, denn selbst komplexere oder kostenaufwendigere Maßnahmen zur Umsetzung einer weniger handelsbeschränkenden Maßnahmen seien noch als vertretbare zur Verfügung stehende Alternativmaßnahmen zu qualifizieren.519 Diese strenge Wertung der Streitbeilegungsorgane zu Lasten gesundheitsmotivierter Rechtfertigung wird in der Literatur kritisch gesehen.520 Allerdings wird in den Ausführungen der Streitschlichtungsorgane zum Effektivitätskriterium im Fall ECAsbestos eine gewisse Lockerung zugunsten von Gesundheitsbelangen gesehen. Die Effektivität einer Maßnahme wird allgemein in Ansehung der Bedeutung des verfolgten Ziels bewertet. Der Appellate Body erkannte an, dass der Schutz der menschlichen Gesundheit von grundlegender Bedeutung ist und stellte entsprechend strenge Anforderungen an die Effektivitätsprüfung.521 Daraus wird im Schrifttum zwar nicht gefolgert, dass Gesundheitsbelange grundsätzlich abwägungsfest im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung seien. Allerdings wird – zu Recht – betont, dass angesichts des überragend wichtigen Ziels des menschlichen Gesundheitsschutzes, strenge Anforderungen an die Effektivität eventueller Alternativmaßnahmen zu stellen sind.522 In der Praxis stellt sich vor diesem Hintergrund – um bei den oben genannten Beispielen zu bleiben – insoweit die Frage, ob als milderes Mittel gegenüber einer zwingenden Vorschrift einer non-profit-Organisationsform für Krankenhäuser nicht 519 520 521 522
EC-Asbestos, AB, Rn. 8.207. Fidler/Correa/Aginam, Rn. 253. EC-Asbestos, AB, Rn. 172 – 174. Näher zur Erforderlichkeitsprüfung in Art. XIV GATS unten in Teil 3 unter C.III.1.
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einfach regelmäßige Qualitätskontrollen ausreichen würden, um sicherzustellen, dass die Qualität der Versorgung nicht unter der gewinnorientierten Ausrichtung des Krankenhauses leidet. In dieser Hinsicht wäre auch zu überlegen, ob nicht anstelle eines Kontrahierungszwangs für Krankenhäuser, finanzielle Anreize, alle behandlungsbedürftigen Patienten unabhängig von ihrer finanziellen Leistungskraft zu behandeln, ein entsprechend milderes Mittel wären, um eine universale (Grund-) Versorgung zu gewährleisten. Im Schrifttum werden insofern für den stationären Bereich Vergütungsverfahren diskutiert, die unmittelbar an die erbrachte Leistung und nicht an Tagespauschalen anknüpfen, um keinen Anreiz zu bieten, die Patienten möglichst lange vor Ort zu behalten.523 Letztlich begegnen diese Erwägungen aber dem Problem, dass alternative weniger handelsbeschränkende Maßnahmen für bestehende nationale Regelungen nicht ohne Beachtung der komplexen Gesamtzusammenhänge der Gesundheitssysteme gesucht werden können. Maßnahmen, die für sich genommen unverhältnismäßig scheinen, können im Hinblick auf eine nachhaltige Finanzierung der Gesundheitssysteme gerechtfertigt erscheinen. Es fragt sich, ob und wenn ja wann, auf die einzelne Maßnahme oder den Gesamtzusammenhang abzustellen ist. Insoweit kommt der Beweislastverteilung in einem Streitverfahren wiederum entscheidende Bedeutung zu. Im Zweifel hat der Mitgliedstaat, der die Handelsbeschränkung vor dem DSB geltend macht, nachzuweisen, dass ein milderes Mittel existiert. Denn Art. VI GATS ist keine Ausnahmevorschrift wie Art. XIV GATS, die grundsätzlich dem Antragsgegner die Beweislast auferlegt. Diese Privilegierung des die streitige Maßnahme ergreifenden Mitgliedstaates findet sich auch in Art. 3 des Reference Papers on Regulatory Principles wieder. Demnach hat jedes Mitglied das Recht, „die Art der Verpflichtung zu Universaldienstleistungen festzulegen, die es beizubehalten wünscht“.
Das WTO-Sekretariat regte 1999 an, die Erforderlichkeitsprüfung in Art. VI Abs. 4 GATS in Anlehnung an Art. XX b) GATT auszulegen.524 Auch in den Disziplinen für Wirtschaftsprüfer heißt es „Members shall ensure that such measures are not more trade-restrictive than necessary to fulfil a legitimate objective“.525
Verschiedene Mitglieder teilten trotzdem in der Vergangenheit mit, dass sie eine Übertragung der GATT-Auslegungsgrundsätze auf Art. VI Abs. 4 GATS ablehnen.526 Den insoweit geäußerten Befürchtungen, dass gesundheitliche Belange gegenüber Handelsinteressen nachrangig gewichtet werden und daher die innerstaat523 524 525 526
Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 205. WTO, Article VI:4 of the GATS, Rn. 9, 12. WTO, Disciplines on Domestic Regulation in the Accountancy Sector, Rn. 2. WTO, The Necessity Test, Rn. 1 ff.
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liche Regulierungsautonomie eingeschränkt oder sogar aufgehoben werden könnte, ist zu entgegnen, dass nunmehr die Ausführungen der Streitschlichtungsorgane zu dem Effektivitätskriterium in dem Fall EC-Asbestos Anzeichen für eine besondere Berücksichtigung der grundlegenden Bedeutung von Gesundheitsbelangen erkennen lassen. Ungeachtet dessen kann gegen die Übertragung der GATT-Auslegung der strukturelle Unterschied von Art. XX GATT und Art. VI GATS ins Feld geführt werden. Nicht nur werden in Art. VI Abs. 4 b) GATS andere legitime Ziele genannt, sondern den Mitgliedern wird in Art. VI Abs. 4 GATS bei der Ausarbeitung der Disziplinen die oben genannte entscheidende Verhandlungsmacht im Rahmen des Konsensualverfahrens zuerkannt. Diesen Verhandlungsspielraum würden sie aufgeben, wenn sie der (automatischen) Übertragung der zu Art. XX b) GATT entwickelten Grundsätze auf die Auslegung der Erforderlichkeitsprüfung in Art. VI Abs. 4 b) GATS zustimmen würden. Aus rechtlichen, denn aus gesundheitspolitischen Gründen wird damit letztlich die Übertragung abzulehnen sein. Bei der Prüfung, ob die nationale Maßnahme nicht mehr belastet als zur Qualitätssicherung der Dienstleistung erforderlich, rekurriert der Appellate Body nunmehr auf eine Art Verhältnismäßigkeitsprüfung.527 Er bekräftigte erneut, dass es allein den Mitgliedstaaten zustehe, über das nationale Gesundheitsschutzniveau zu entscheiden. Allerdings dürften die nationalen Regelungen nicht handelsprotektionistischen Zwecken dienen. Die Maßnahme sei insoweit im Hinblick auf eine Reihe von Faktoren, insbesondere eventuell verfolgter Gemeinwohlinteressen, abzuwägen.528 Die Europäische Union hat diesen Ansatz in ihr jüngst vorgeschlagenes concept of proportionality aufgenommen: […] A measure should be considered not more traderestrictive/not more burdensome than necessary if it is not disproportionate to the objective[s] pursued. This means that the degree of trade-restrictiveness meeting the requirements of necessity will depend on, and be assessed against, the specific objective[s] pursued, while the validity, or rationale, of the policy objective[s] must not be assessed […].529
Die Maßnahme muss demnach verhältnismäßig im Hinblick auf das jeweils verfolgte Ziel sein, ohne dass dieses selbst zu bewerten ist. Im Unterschied zum necessity test wird bei diesem neuen Ansatz nicht auf die „geringere handelsbeschränkende Wirkung“ der Maßnahme abgestellt. Denn dieser Ansatz beschränkt von vornherein die Auswahl an alternativen Regulierungsinstrumenten. 527 Korea – Measures affecting imports of freh, chilled and frozen beef, Bericht des Appellate Body (WTO-Dok. WT/DS161, WT/DS169), angenommen am 10. Januar 2001 (Korea – Beef, AB), Rn. 159 ff. Ob die Prüfung allerdings auch eine Angemessenheitsprüfung umfasst ist bisher nicht geklärt. Zur Frage des Umfangs der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Art. VI:4 S. 2 lit. b) GATS, siehe Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 20, Rn. 104. 528 Korea – Beef, AB, Rn. 159 ff. Siehe dazu auch Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 46. 529 Siehe dazu die Darstellung bei WTO, Domestic Regulation: Necessity and Transparency, Rn. 17.
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Vorteil dieses Ansatzes für den Gesundheitsdienstleistungshandel ist, dass er den Mitgliedstaaten möglicherweise eine größere Flexibilität im Umgang mit Maßnahmen zum Schutz bedeutender Gemeinwohlgüter – wie der Gesundheit – ermöglicht. Allerdings ist fraglich, ob mit dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung tatsächlich besser den Schwierigkeiten der Folgenabschätzung bei der Regulierung der Gesundheitssysteme begegnet werden kann. Im Schrifttum wird daher vorgeschlagen, das GATS um eine Regelung zu ergänzen, die diejenigen Maßnahmen konkretisiert, die GATS-kompatibel sind, obwohl sie den Handel mit Gesundheitsdienstleistungen einschränken. Diese Regelung solle vorsehen, dass alle Maßnahmen, die das Funktionieren der Systeme sozialer Sicherheit gewährleisten, zulässig sein sollten.530 Der Nachweis einer derartigen „Beziehung“ solle an die Stelle des necessity test treten. Dieser Ansatz wird Art. XX lit. c) und e) GATT entnommen. Diese Ausnahmetatbestände sehen vor, dass die Maßnahme nicht „zur“ Zielerreichung notwendig sein muss, sondern sie „hinsichtlich“ des Schutzgutes ergriffen werden soll, sog. Erfordernis des relating to. Eine enge und tatsächliche Bindung der Maßnahme zu dem Schutzgut tritt an die Stelle der Notwendigkeit der Maßnahme zur Erreichung des Ziels.531 Allerdings müsste dann dieses Konnexitätsmerkmal des Art. XX lit. c) und e) GATT in die Systematik des GATS integriert werden können, das diese Differenzierung gerade nicht vornimmt. Die Übertragbarkeit hängt entscheidend davon ab, ob die Mitgliedstaaten hier bewusst eine materiell rechtlich unterschiedliche Regelung des Waren- und Dienstleistungshandels treffen wollten. Aufschluss geben bereits Wortlaut und Systematik des Art. XX GATT selbst. Während das relating toErfordernis für den Schutz von Naturschätzen gilt, sieht Art. XX GATT z. B. für den Gesundheitsschutz und die öffentliche Sittlichkeit das Notwendigkeitskriterium vor. Es könnte nun argumentiert werden, dass Schutzgüter, die „nur“ in einer „Beziehung“ zu einer Maßnahme stehen müssen, leichter einschränkbar sind, als solche Güter, bei denen die Notwendigkeit der Maßnahme zur Zielerreichung nachgewiesen werden muss. Es ist allerdings nicht überzeugend, warum Maßnahmen zum Schutz von Naturschätzen leichter zu rechtfertigen sein sollen als zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Im Schrifttum wird nun darauf verwiesen, dass eine unterschiedliche Gewichtung der Schutzgüter des Art. XX GATT dem unterschiedlichen Wortlaut daher nicht zu entnehmen ist.532 Diesem Ansatz folgend sind dann aber auch keine Gründe erkennbar, warum das relating to-Erfordernis nicht auf den Dienstleistungshandel übertragen werden können sollte. Zugegebenermaßen wird festzuhalten sein, dass das relating to-Erfordernis eine andere inhaltliche Prüfung verlangt als das Notwendigkeitskriterium, das die Mitgliedstaaten für den Gesundheitsschutz vorgesehen haben. Eine etwaige Änderung des Prüfungsumfangs sollten allerdings die 530 531 532
Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 213. Siehe dazu auch Bender, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 10, Rn. 80. So Bender, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 10, Rn. 80.
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Mitglieder aus Gründen der Rechtsklarheit möglichst schriftlich niederlegen. Es bleibt fraglich, ob die stockende Doha-Handelsrunde hier Neuerungen bringen wird. (2) Nationale Regulierung nach Art. VI Abs. 5 GATS Bis zum Abschluss der durch den Rat zu erarbeitenden Disziplinen533, können die WTO-Mitglieder die innerstaatlichen Regulierungsmaßnahmen anderer WTOMitglieder nur nach Art. VI Abs. 5 GATS angreifen. Bis zum Abschluss etwaiger Disziplinen trifft Art. VI Abs. 5 GATS Übergangsregelungen im Sinne einer Stillstandsvereinbarung.534 Demnach sind die Anforderungen des Abs. 5 für innerstaatliche Regulierung auf alle Sektoren, in denen Mitglieder spezifische Verpflichtungen gelistet haben, anzuwenden bis endgültige Disziplinen erarbeitet wurden. Den aktuellen Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung zieht Abs. 5 in zweifacher Hinsicht: Die Zunichtemachung und Schmälerung der aufgrund der spezifischen Verpflichtungen vernünftigerweise erwartbaren Handelsvorteile durch innerstaatliche Regulierung soll vermieden werden [(a)]. Orientierungsmaßstab der handelsrechtlichen Verträglichkeit innerstaatlicher Regulierung sind bis zum Inkrafttreten internationale Standards [b)]. (a) Temporäre Verpflichtungen nach Abs. 5 a) GATS Wie auch Abs. 4 findet Abs. 5 a) nur Anwendung auf spezifische Verpflichtungen, die zur Marktöffnung verpflichten und nicht nur Beschränkungsvorbehalte listen. Denn auch Abs. 5 a) ist keine allgemeine Verpflichtung des GATS wie beispielsweise das Meistbegünstigungsprinzip. Ein Mitglied kann sich nun auf Abs. 5 a) berufen, wenn ein anderes WTO-Mitglied zum einen neben der genannten Art spezifischer Verpflichtungen, innerstaatliche Regulierungsmaßnahmen vorsieht, die Zulassungs- oder Qualifikationserfordernisse oder technische Normen betreffen. Da diese unbestimmten Rechtsbegriffe auch in Abs. 5 nicht definiert werden, ist der Anwendungsbereich von Abs. 5 ebenfalls denkbar weit angelegt. Zum anderen müssen durch die Regulierung die spezifischen Verpflichtungen in einer Weise zunichte gemacht oder geschmälert werden, die gegen die in Abs. 4 genannten Kriterien verstößt und die vernünftigerweise im Zeitpunkt des Abschlusses der spezifischen Verpflichtungen nicht erwartet werden konnten. Die genannten drei Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Abs. 5 gilt mithin nicht für Regulierungsmaßnahmen, die bereits vor Eintragung der spezifischen Verpflichtung bestanden.
533
In der Arbeitsgruppe für innerstaatliche Regulierung wurden bereits verschiedene Vorschläge unterbreitet, siehe z. B.: WTO, Proposal for Disciplines on Licensing Procedures, Rn. 1 ff. 534 Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 20, Rn. 106.
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Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Schmälerung bzw. Zunichtemachung wird auf das GATT rekurriert. Entweder werden demnach durch Verletzung der GATT-Vorschriften (Art. XIII Abs. 1 a) GATT) oder ohne Verletzung (Art XIII Abs. 1 b) GATT) Handelsvorteile entsprechend entzogen. Dieses Konzept ist allerdings nicht deckungsgleich auf Art. VI Abs. 5 a) GATS übertragen worden. Zum einen erfasst es nur die Entziehung von Handelsvorteilen ohne Verletzung von GATS-Verpflichtungen (non-violation nullification and impairment-Konzept). Zum anderen ist die Ergänzung der vernünftigerweise im Zeitpunkt des Abschlusses der Verpflichtungen nicht erwartbaren Zunichtemachung oder Schmälerung der spezifischen Verpflichtung eine zusätzliche Verpflichtung, die das GATT-Konzept nicht kennt.535 Nach Art. VI Abs. 5 a) GATS können demnach keine innerstaatlichen Regelungen angegriffen werden, die bereits zum Abschluss der spezifischen Verpflichtungen bestanden. Der Anwendungsbereich des Abs. 5 beschränkt sich mithin einerseits auf die Anwendung neuer Regulierungsmaßnahmen, die Zulassungs- und Qualifikationserfordernisse oder technische Normen betreffen und für die spezifische Verpflichtungen eingetragen wurden. Zum anderen erfasst er die Änderung von Praktiken zur Anwendung von bereits bestehenden Regulierungsmaßnahmen, für die spezifische Verpflichtungen eingetragen wurden.536 Sobald also beispielsweise ein Qualifikationserfordernis nach Abschluss spezifischer Verpflichtungen von einem Mitglied A eingeführt worden ist und das Erfordernis auch nur eines der in Art. VI Abs. 4 a) – c) GATS genannten Erfordernisse nicht erfüllt und durch diesen Verstoß die Handelsvorteile aufgrund der spezifischen Verpflichtungen für ein Mitglied B geschmälert oder zunichtegemacht sind, könnte Mitglied B das Qualifikationserfordernis angreifen. Allerdings obläge ihm die Beweislast nachzuweisen, dass das Qualifikationserfordernis tatsächlich nach Listung der spezifischen Verpflichtung von Mitglied A erlassen worden ist. Mitglied B könnte sich dann auf die Vermutungsregelung des Art. VI Abs. 5 a) ii) GATS berufen, d. h. vortragen, dass zu dem Zeitpunkt, zu dem die spezifischen Verpflichtungen in dem jeweiligen Sektor übernommen wurden, es (Mitglied B) vernünftigerweise nicht habe erwarten müssen, dass Mitglied A ein Qualifikationserfordernis mit derartiger Wirkung erlassen wird. Mitglied A könnte diese Vermutung ggf. relativ leicht widerlegen, wenn es einen engen Zusammenhang darlegen kann zwischen dem inkriminierten Qualitätserfordernis und Qualitätsregulierung, die vor der Listung der spezifischen Verpflichtung erlassen wurde.537 Die Beweisführung des Mitglieds B wird umso schwerer, wenn Mitglied A seine Qualifikationsregulierung
535
Fidler/Correa/Aginam, Rn. 267 ff. mit einem weiteren Vergleich zum non-violation, nullification or impairment-Konzept des Art. 3. 8 DSU, der negativ ausfalle, da es sich hier nicht um eine materielle, sondern rein prozessrechtliche Regelung handele. 536 Fidler/Correa/Aginam, Rn. 265. 537 Fidler/Correa/Aginam, Rn. 277.
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auf internationale, allseits bekannte Standards zurückführen kann538, auf die im nachfolgenden Abschnitt näher eingegangen wird. Festzuhalten ist, dass dieses Beispiel zeigt, was für einen engen Rahmen das GATS innerstaatlicher Regulierung in Abs. 5 anlegt und wo ggf. Spielräume durch Auslegung oder Prozesstaktik zu schaffen sind. Wegen der mit der Unsicherheit über die Reichweite der Auslegung des Art. VI Abs. 5 a) drohenden Gefährdung für den nationalen Regulierungsspielraum, wird Art. VI Abs. 5 GATS aber im Ergebnis zu Recht als grundsätzlich problematisch angesehen.539 Für den deutschen Gesundheitssektor folgt daraus zum einen, dass die Vielzahl der im Sozialrecht bereits vor 1995 niedergelegten grundlegenden Qualifikationsund Zulassungserfordernisse nicht an Art. VI Abs. 5 GATS gemessen werden müssen.540 Aber auch diejenigen GKV-Regelungen, die erst später in Kraft getreten sind, bleiben unberührt angesichts der in der EU-Liste horizontal und sektoral eingetragenen weitgehenden Marktöffnungsvorbehalte für das deutsche sozialversicherungsrechtliche Gesundheitssystem. Denn Art. VI Abs. 5 GATS schlägt nur dort durch, wo auch tatsächlich Marktöffnungsverpflichtungen übernommen wurden. (b) Berücksichtigung internationaler Standards Standards, die von internationalen Gremien erarbeitet worden sind, z. B. der OECD541, denen die entsprechenden Organe zumindest aller Mitglieder der WTO angehören, sind bei der Beurteilung innerstaatlicher Regulierung nach Art. VI Abs. 5 a) GATS zu berücksichtigen. In einem Streibeilegungsverfahren sollen sie allerdings nicht besonders gewichtet werden müssen. Allerdings wird im Schrifttum vorgeschlagen in der Beweisführung den Umstand zu berücksichtigen, wenn Mitglieder diese Standards unmittelbar anwenden und sich nicht nur an diesen orientieren. Damit würde der Anreiz des Art. VI Abs. b) GATS an die Mitglieder, die Arbeit an entsprechenden Standards auf internationaler Ebene zu unterstützen, noch verstärkt.542 Diesem Ansatz ist zuzustimmen. Die derart vorangetriebenen Standards können sich die WTO-Mitglieder auch in eventuellen Streitbeilegungsverfahren zunutze machen. Denn die Standards, auf die ein WTO-Mitglied seine innerstaatliche Regulierung gründet, würden die Verteidigung dieser Regelungen gegen eventuelle auf Art. VI Abs. 5 a) GATS gestützte Angriffe stärken. Zum einen wäre die Erforderlichkeit der Maßnahme zum Schutz menschlicher Gesundheit offenbar und zum anderen hätte man mit einer derartigen Regulierung vernünftigerweise rechnen 538
Art. VI Abs. 5 b) GATS schafft allerdings keine keine generelle Beweiserleichterungsregel, wie sie das SPS- oder TBT-Abkommen kennen, dazu Fidler/Correa/Aginam, Rn. 278 f. 539 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 266. 540 IdS auch Schmidt, S. 227 f. 541 Siehe OECD, Strengthening Regulatory Transparency, S. 3 ff. 542 Fidler/Correa/Aginam, Rn. 281.
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müssen; vorausgesetzt natürlich, die in Bezug genommen internationalen Standards wären vor Listung der spezifischen Verpflichtungen beschlossen worden. (3) Würdigung Art. VI Abs. 4 und 5 GATS weisen grundsätzlich erhebliches Regulierungspotential für den Gesundheitsbereich auf, dessen Reichweite im Einzelnen nur schwer abschätzbar ist. Die Mitgliedstaaten werden zwar nicht gehindert, innerstaatliche Regelungen zum Schutz von Gesundheit und anderen Gemeinwohlbelangen zu ergreifen. Entscheidend sind die Auslegung und Anwendung der Erforderlichkeitsprüfung des Art. VI Abs. 4 b) GATS, für die es allerdings bis zum heutigen Tag keine einheitlichen Grundsätze gibt. Wird das Ziel, die Qualität der Dienstleistung durch nicht belastender als nötig ausgestaltete Regulierung zu gewährleisten, eng ausgelegt im Sinne eines technischen Qualitätsschutzes, so bestünde die Gefahr, dass bei tatsächlichem Abschluss von Disziplinen der Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung unzulässig aufgehoben werden könnte. Nicht zuletzt im Lichte des Menschenrechts auf Gesundheit ist hier damit eine weite Auslegung vorzugswürdig, die Regulierungsspielraum gewährleistet, um einen gerechten, umfassenden Zugang zur Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Es scheint auf absehbare Zeit unwahrscheinlich, dass sich die Mitgliedstaaten auf Disziplinen gem. Art. VI Abs. 4 Satz 1 GATS oder sonstige konkretisierende Regelungen im Gesundheitsbereich einigen werden. Die Gefahr, durch Disziplinen den innerstaatlichen Regulierungsspielraum zu begrenzen, erscheint zu hoch. Daher verbleibt für die Rechtspraxis eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit. Die in Art. VI Abs. 5 b) GATS enthaltenen Ansätze einer gewissen international auf freiwilliger Basis beruhenden Standardisierung erscheinen aus beweislastrechtlichen Gründen erwägenswert. Allerdings darf es hier aus kompetenzrechtlichen Gründen keine Harmonisierung geben. Die verbindliche Festlegung von Qualitätsstandards muss weiterhin jedem Mitglied selbst überlassen bleiben. Durch die Erarbeitung von Disziplinen i.S.v. Art. VI Abs. 4 GATS auch für den Gesundheitsbereich könnte die Gefahr einer unter qualitativen Gesichtspunkten unerwünschten Deregulierung im Gesundheitsbereich drohen. Zudem wird damit der diskretionäre Handlungsspielraum nationalstaatlicher Gesundheitsregulierung eingeengt. Auf der Grundlage entsprechender Disziplinen müsste jedes WTO-Mitglied seine Gesundheitsregulierung angesichts des weiten Anwendungsbereichs von Art. VI GATS mehr oder weniger fast umfassend auf WTO-Kompatibilität prüfen lassen, wenn er sich nicht der ökonomischen Sanktionierung durch Schiedsgerichtsverfahren aussetzen wollte. Qualifikations- und Zulassungserfordernisse, die bereits vor 1995 bestanden, sind allerdings nicht an Abs. 5 zu messen. Der praktische Anwendungsbereich des Abs. 5 im deutschen Gesundheitsbereich ist damit erheblich begrenzt.
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bb) Monopolkontrolle nach Art. VIII GATS Während Art. VIII Abs. 1 GATS den Missbrauch von Monopol- und ausschließlichen Rechten innerhalb des relevanten Marktes, für den spezifische Verpflichtungen eingetragen wurden, verbietet, zielt Art. VIII Abs. 2 GATS darauf ab, sektorübergreifende Quersubventionierung zu verhindern, d. h. Monopolisten oder Träger ausschließlicher Rechte dürfen ihre Sonderrechtsposition ebenfalls nicht außerhalb des monopolisierten Bereichs missbrauchen. Auch im Bereich von Dienstleistungen, die spezifischen Marktöffnungsverpflichtungen unterfallen, verbietet GATS weder die Aufrechterhaltung noch die Einführung von Monopolen bzw. ausschließlichen Rechten. Vielmehr sind die Tätigkeiten von Dienstleistern mit Monopolstellung bzw. mit ausschließlicher Rechtsbetrauung, die Dienstleistungen erbringen, die Gegenstand spezifischer Marktöffnungsverpflichtungen sind, an Art. VIII Abs. 2 und 4 GATS zu messen: Art. VIII Abs. 2, 4 GATS (2) Tritt ein Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mit Monopolstellung entweder direkt oder über ein verbundenes Unternehmen bei der Erbringung einer Dienstleistung außerhalb seines Monopolbereichs im Wettbewerb auf und unterliegt diese Dienstleistung spezifischen Verpflichtungen dieses Mitglieds, so gewährleistet das Mitglied, dass der Erbringer seine Monopolstellung nicht missbraucht, indem er in seinem Hoheitsgebiet in einer Weise handelt, die mit diesen Verpflichtungen unvereinbar ist. (4) Gewährt ein Mitglied nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens Monopolrechte hinsichtlich der Erbringung einer Dienstleistung, die seinen spezifischen Verpflichtungen unterliegt, so unterrichtet dieses Mitglied den Rat für den Handel mit Dienstleistungen spätestens drei Monate vor der beabsichtigten Gewährung der Monopolrechte; es gilt Artikel 2, 3 und 4.
Art. VIII Abs. 2 GATS hat doppelfunktionalen Charakter543 : Unmittelbar richtet sich die Norm an die WTO-Mitglieder und gibt ihnen auf zu kontrollieren, dass kein Missbrauch stattfindet. „Gewährleisten“ i.S.v. Abs. 2, 2 Halbsatz impliziert in diesem Sinne das Beaufsichtigen und Einschreiten sobald eine Beeinträchtigung der spezifischen Verpflichtungen des betreffenden WTO-Mitglieds durch die Tätigkeit des begünstigten Dienstleisters sowohl innerhalb oder außerhalb des privilegierten Bereichs droht. Mittelbar wird derart auch eine Verpflichtung für die privilegierten Dienstleister geschaffen, ihre privilegierte Marktstellung nicht zu missbrauchen. Art. VIII Abs. 4 GATS wiederum sieht ein spezifisches Kompensationsverfahren vor, für den Fall, dass Monopol- bzw. ausschließliche Rechte zukünftig gewährt werden sollen. Art. VIII GATS zielt mithin nicht nur auf die Einschränkung bestehender Monopole, sondern bezweckt wie Art. VIII Abs. 4 GATS zeigt, auch nach der Liberalisierung eines Sektors die Entstehung neuer Monopole zu unterbinden. An dieser Stelle zeigt sich die Unterschiedlichkeit des Konzepts der Liberalisierung ge543 Zu diesem Dualismus, siehe auch Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 545.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
genüber demjenigen der Privatisierung. Die Privatisierung betrifft die Änderung der Rechtsform der Dienstleistungserbringung.544 Das GATS hingegen zielt auf die Einführung von Wettbewerb in bisher verschlossene Wirtschaftssektoren. Die Rechtsnatur der Sektorregulierung, ob öffentlich oder privat ist unerheblich, solange sie nicht handelsbeeinträchtigend ist. Die Praxis zeigt, dass in der Vergangenheit allerdings Liberalisierungsprozesse häufig von Privatisierungsprozessen begleitet wurden.545 Anders als Art. VIII Abs. 1 GATS verlangt Art. VIII Abs. 2 GATS, von den WTOMitgliedern die Gewährleistung, dass der Dienstleister mit Monopol- oder ausschließlichen Rechten seine Dienstleistungen im Einklang mit den in die nationalen Länderlisten eingetragenen spezifischen Verpflichtungen ausübt [(1)]. Spezielle Anforderungen gelten darüber hinaus für die Gewährung zukünftiger Monopol- oder ausschließlicher Rechte [(2)]. (1) Kontrolle bestehender Monopole Den WTO-Mitgliedern obliegt die Aufsicht darüber, dass der Dienstleister, der eine Dienstleistung außerhalb des Monopolbereichs im Wettbewerb erbringt, im Einklang mit den eingetragenen Marktöffnungsverpflichtungen handelt. Der Dienstleister kann seine Monopol- bzw. ausschließlichen Rechte überschreiten, indem er entweder seine herkömmliche Dienstleistung außerhalb des räumlichen oder sonstig beschränkten Geltungsbereichs des Monopols oder der ausschließlichen Rechtsposition ausübt oder indem er eine andere Dienstleistung zu derjenigen ausübt, für die er das Monopol- bzw. die ausschließliche Rechtsposition verliehen bekommen hat. In jedem Fall muss allerdings die Dienstleistung des Monopolisten bzw. des Trägers ausschließlicher Rechte Gegenstand von Marktöffnungsverpflichtungen sein. Die Regelungen des deutschen Gesundheitswesens sind entsprechend an Art. VIII Abs. 2 GATS zu messen. Nach den §§ 115 ff. SGB V darf es nicht zu einer unzulässigen Quersubventionierung der ambulanten Leistungen durch Ressourcen kommen, die nach stationärer Bedarfsplanung für die stationäre Versorgung vorgesehen waren. Der Wettbewerb zu den niedergelassenen Ärzten wird durch besondere leistungsrechtliche und abrechnungsrechtliche Vorkehrungen geschützt. Der oben ebenfalls erwähnte Fall der krankenhausbetriebenen MVZ muss ganz in diesem Sinne durch eine getrennte Finanzierung (Vermietung von räumlichen, gegenständlichen, personellen Ressourcen) transparent gehalten werden, um einen Missbrauch der den Plankrankenhäusern im stationären Bereich zuerkannten Rechte (Finanzierung der Investitionskosten nach KHG) gegenüber den nicht staatlich geförderten niedergelassenen Ärzten zu vermeiden. Ein Missbrauch ist da erst recht ausgeschlossen, wo kein Wettbewerb zu niedergelassenen Ärzten besteht, d. h. in den
544 545
Zu den verschiedenen Formen der Privatisierung oben in Teil 2 unter A.IV. Dazu auch Ruiz-Fabri/Crontiras, S. 47.
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Fällen, in denen beispielsweise ein Plankrankenhaus ein MVZ betreibt, um eine vertragsärztliche Unterversorgung in einer dünnbesiedelten Region aufzufangen. Sofern der Monopolist oder der Träger ausschließlicher Rechte seine herkömmliche Dienstleistung oder eine neue Dienstleistung außerhalb des monopolisierten Bereichs ausüben können soll, ist entsprechend sicherzustellen, dass es hier nicht um eine Erweiterung des Monopols selbst bzw. der ausschließlichen Rechte geht. Auch hier kommen die oben bereits angesprochenen Wahltarife ins Spiel. Sie dürften nach Art. VIII Abs. 2 GATS nicht so ausgestaltet werden, dass sie wettbewerbsverzerrende Quersubventionierung gegenüber dem Leistungsangebot der PKV darstellen.546 (2) Kontrolle der Errichtung neuer Monopole Art. VIII Abs. 4 GATS setzt den mitgliedstaatlichen Gesundheitsreformen insoweit Grenzen, als die Vergabe neuer Monopolrechte an Gesundheitsdienstleister in Bereichen, in denen die Mitglieder spezifische Verpflichtungen eingegangen sind, strengen Anforderungen unterworfen werden. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die WTO-Mitglieder frei sind, neue Monopol- bzw. ausschließliche Rechte zu gewähren in Sektoren, die nicht Gegenstand spezifischer Marktöffnungsverpflichtungen sind.547 Im Bereich spezifischer Marktöffnungsverpflichtungen muss das Mitglied den GATS-Rat bis spätestens drei Monate vor Einführung der beabsichtigten Gewährung der Monopolrechte informieren. Erforderlich ist dann auch eine Änderung der Verpflichtungsliste, in deren Folge zu prüfen ist, ob Ausgleichsverfahren gegenüber möglicherweise durch die Listenänderung Handelsnachteile erfahrende Mitglieder stattzufinden haben und ggf. eine Kompensationszahlung zu leisten ist. Sollten die Kompensationsverhandlungen erfolglos bleiben, kann das beschwerte WTO-Mitglied auch ein Streitschlichtungsverfahren initiieren (Art. XXI Abs. 3 a) GATS. Schließlich muss jedwede Kompensationsregelung über das Meistbegünstigungsprinzip auch allen übrigen WTO-Mitgliedern zugutekommen (Art. XXI Abs. 2 b) GATS. Die Folgen, die eine Ausweitung der Monopol- bzw. ausschließlichen Rechte mit sich brächten, wären mithin erheblich. Diese restriktiven Bedingungen, unter denen neue Monopol- und ausschließliche Rechte nur gewährt werden dürfen, lassen
546 Zur Frage etwaiger wettbewerbsverzerrender Quersubventionierung siehe oben in Teil 3 unter B.III.2.c)cc). Sollte diese Frage nicht zuletzt im Rahmen der bei der EU-Kommission von der Allianz u. a. eingelegten Beihilfebeschwerde positiv entschieden werden, dürfte wohl eine etwaige Quersubventionierung auch mit Art. VIII GATS unvereinbar sein. Dann wäre zu prüfen, ob diese nicht nach Art. XIV GATS gerechtfertigt werden könnte. Zu den Rechtfertigungsmöglichkeiten siehe in Teil 3 unter C.III. 547 Fidler/Correa/Aginam, Rn. 211.
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es mithin unwahrscheinlich erscheinen, dass die Mitgliedstaaten (bewusst) entsprechende weitergehende Rechte gewähren.548 Diese Vorschrift war und ist Gegenstand heftiger Kritik. Die Kompensationszahlungen beeinträchtigten die Kompetenz der Mitglieder, souverän über die Frage zukünftiger innerstaatlicher Organisationsformen zu entscheiden. Da die Anforderungen des Abs. 4 die Wahl monopolisierter Organisationsstrukturen somit erschwerten, sei das GATS gerade nicht neutral gegenüber der innerstaatlichen Organisation und Wirtschaftsform der Mitgliedstaaten.549 Die Kritik ist grundsätzlich berechtigt. Der Gesetzgeber wird in der Wahl seiner Instrumente eingeschränkt, um eine ausgewogene, qualitativ hochwertige, allgemein zugängliche und nachhaltig finanzierbare Versorgung zu gewährleisten. Es wäre beispielsweise nicht ohne Kompensationsverfahren möglich, die GKV in eine die gesamte Bevölkerung umfassende Grundversicherung umzustrukturieren und durch private Zusatzversicherungen zu ergänzen. Allerdings dürfte ein derartiges Vorhaben auch bereits nach innerstaatlichem Recht problematisch im Hinblick auf die Rechtsposition der Privatversicherer sein, wie bereits die Verfassungsbeschwerde verschiedener Privater Krankenkassen insbesondere gegen den Basistarif und die dreijährige Wechselfrist für GKV-Patienten in die PKV zeigt.550 Hingegen dürfte das Modell einer etwaigen Bürgerversicherung, in der ein „Tarif Bürgerversicherung“551 geschaffen würde, zu dem alle Krankenkassen in Deutschland – sowohl Gesetzliche als auch Private – Zugang hätten, aus GATS-rechtlicher Sicht je nach konkreter Ausgestaltung weniger problematisch sein. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen dürften allerdings nicht auf das Angebot von Zusatzversicherungen beschränkt bleiben, sondern müssten ebenfalls wie die GKV eine Vollversicherung im „Bürgertarif“ anbieten dürfen. Es wurde darüber hinaus in der Vergangenheit angedacht, die bisherige Vertragsfreiheit der Privatversicherer erheblich einzuschränken durch insbesondere einheitlich einkommensbasierte Beiträge (Zahlung nach Leistungsfähigkeit aus Erwerbs- und Kapitaleinkommen), Kontrahierungszwang (keine Gesundheitsprüfung) und einen gesetzlichen Katalog aller medizinisch notwendigen Leistungen, die zu 100 % zu versichern seien sowie die flächendeckende Einführung des Sachleistungsprinzips. Diese Beschränkungen wären allerdings keine nach Art. XVI Abs. 2 GATS zu listende Beschränkungen. Soweit ersichtlich wären damit auch keine, den Inländerbehandlungsgrundsatz nach Art. XVII GATS beeinträchtigende (über die horizontalen Verpflichtungsvorbehalte hinausgehende) Regelungen impliziert. Damit wäre die Bedeutung von Art. VIII Abs. 4 GATS für entsprechende Reformvorhaben gering – soweit eben keine
548
So im Ergebnis auch Ruiz Fabri/Crontiras, S. 47. Sanger, S. 106; Sinclair/Griesbaber-Otto, S. 62 f.; Equinet u. a., S. 3. Von einem quid pro quo-Verfahren sprechen Fidler/Correa/Aginam, Rn. 212. 550 BVerfG, 1 BvR 825/08, Beschluss vom 10. Juni 2009. 551 Projektgruppe Bürgerversicherung des SPD-Parteivorstandes, S. 5 ff. 549
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Marktöffnungsverpflichtungen beeinträchtigt, d. h. wieder rückgängig gemacht würden. Zwar bleibt es den WTO-Mitgliedern grundsätzlich unbenommen, Marktöffnungsverpflichtungen drei Jahre nach Vereinbarung auch wieder aufzuheben, dies allerdings nur unter den engen Voraussetzungen des Art. XXI GATS, der insbesondere Kompensationsverhandlungen vorsieht. Davor besteht die Möglichkeit nach Art. X Abs. 2 GATS bis zum Abschluss multilateraler Verhandlungen über die Frage von Notstandsmaßnahmen, spezifische Verpflichtungen aufzuheben, sofern gegenüber dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen begründet wird, dass die Änderung oder Rücknahme nicht bis zum Ablauf der Dreijahresfrist aufgeschoben werden kann.552 Bei der Untersuchung der Auswirkungen von Art. VIII Abs. 4 GATS darf schließlich auch die Bedeutung von bilateralen oder regionalen Investitionsabkommen nicht unterschätzt werden. Derartige Verträge sehen Schutzklauseln für ausländische Direktinvestitionen vor, die unter anderem Kompensationszahlungen für Enteignungen des ausländischen Investors umfassen. Sobald ein WTO-Mitglied nach Art. VIII Abs. 4 GATS Monopolrechte auszuweiten gedenkt, wird es in Bedrängnis gegenüber seinen Verpflichtungen aus den Investitions(schutz)abkommen kommen.553 Untersuchungen der Investitionsschutzklauseln des NAFTA auf die Kanadische Gesundheitsregulierung ergaben, dass die Kompensationszahlungsverpflichtung für Enteignungen sich sehr negativ auswirkte. Die Option, öffentliche Versorgungselemente des Kanadischen Gesundheitssystems auszuweiten, erwies sich als unpraktikabel. Einmal getroffene Deregulierungsmaßnahmen konnten nicht ohne Entschädigungsverhandlungen rückgängig gemacht werden.554 Derartige Fallkonstellationen sind für die deutsche Gesundheitsregulierung nicht augenscheinlich. Nichtsdestotrotz ist im Hinterkopf zu behalten, dass offensichtlich bilateralen oder regionalen Investitionsschutzabkommen ganz erhebliche Auswirkungen auf die nationale Gesundheitsregulierung zukommen kann. (3) Würdigung Die beschränkende Wirkung des Art. VIII Abs. 4 GATS hält sich für die deutsche Gesundheitsregulierung gegenwärtig in Grenzen. Zu beachten ist allerdings, dass dies eine Momentaufnahme ist, die durch im Rahmen der built-in agenda ggf. zu-
552 Das in Art. X Abs. 1 Satz 2 GATS vorgesehene Auslaufen der Regelung in Absatz 2 drei Jahre nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens ist von dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen verlängert worden bis zu dem Zeitpunkt, in dem die multilateralen Verhandlungen über die Notstandsmaßnahmen abgeschlossen sein sollten, WTO, Fourth Decision on Negotiations on Emergency Safeguard Measures, Rn. 3. 553 Dolzer/Stevens, S. 97 f. 554 Johnson, S. 29.
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künftig verdichteten Marktöffnungsverpflichtungen auch im Gesundheitsbereich überholt werden kann.555 Bisher wurde vor den WTO-Streitbeilegungsorganen jedenfalls noch kein Verstoß gegen Art. VIII Abs. 1, 2. Alt. GATS geltend gemacht. Dies mag weniger daran liegen, dass die Rechtslage der WTO-Mitglieder mit dem GATS tatsächlich uneingeschränkt vereinbar ist. Vielmehr sind hier verschiedene Gründe ursächlich. Zum einen ist das GATS insgesamt bislang nur bis zu einem vergleichbar geringen Grad verrechtlicht im herkömmlichen Sinne.556 Zum anderen sind die WTO-Mitglieder sehr zurückhaltend, das GATS im Gesundheitsbereich anzuwenden, bzw. seine Anwendung von anderen Mitgliedstaaten einzufordern. Die Gesundheitssysteme vieler WTO-Mitglieder weisen monopolistische Strukturen auf, die allerdings zunehmend dem Wettbewerb geöffnet werden. Der Erfolg eines Streitbeilegungsverfahrens im Bereich von Art. VIII GATS wegen eventuellen Missbrauchs von Monopol- bzw. ausschließlichen Rechten, wäre zum einen wegen der rechtlichen Unsicherheit angesichts der weiten, ungeklärten Auslegungsspielräume der Vorschrift und der Bereichsausnahme zu hoheitlichen Dienstleistungen riskant. Zudem böte es erhebliche politische Brisanz. Ein derartiges Vorgehen zöge nämlich erhebliche öffentliche Aufmerksamkeit nach sich, deren Auswirkung auf die stockenden Doha-Verhandlungen nicht absehbar wäre. Ggf. wäre es schwer politisch vermittelbar, wenn gegenüber WTO-Mitgliedern Marktrechte in diesen sensiblen Bereichen eingefordert bzw. sogar eingeklagt würden, in den Verhandlungen aber auf eine umfassende Bereichsausnahme das eigene Gesundheitssystem betreffend gedrängt wird. cc) Zahlungen und Übertragungen im Rahmen laufender Geschäfte Ebenfalls zu den materiell rechtlichen Annexpflichten mit grundsätzlich weitem Anwendungsbereich zählt Art. XI Abs. 1 GATS, da die Mitglieder verpflichtet werden, auf eine Beschränkung internationaler Übertragungen und Zahlungen im Rahmen laufender Geschäfte zu verzichten, die mit ihren spezifischen Verpflichtungen zusammenhängen. Gesundheitsbezüge sind bei Art. XI Abs. 1 GATS in den unterschiedlichsten Konstellationen denkbar. Der weite Anwendungsbereich der Vorschrift wurde insoweit wiederum in dem Fall US-Gambling unter Beweis gestellt, da hier die Rechtfertigung handelsbeschränkender Vorschriften u. a. aus Gesundheitsschutzgründen ein Streitpunkt war. Die klagende Partei Antigua hatte vorgebracht, dass die den grenzüberschreitenden Online-Wett- und Glücksspieldienstleistungshandel (Modus 1) beschränkenden USamerikanischen Vorschriften u. a. gegen Art. XI GATS verstießen. Die amerikanischen Behörden würden zu Unrecht den Zahlungsverkehr beschränken bei nichtautorisierten Wetten und Glückspielen, die von außerhalb der USA angesiedelten 555 556
Zur built-in agenda unten in Teil 3 unter IV. Näher dazu Kulkarni, S. 251 f.
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Unternehmen angeboten würden. Die Vereinigten Staaten führten zur Verteidigung der Beschränkungen den Rechtfertigungsgrund Schutz menschlicher Gesundheit, des Art. XIV lit. b) GATS ins Feld. Auch wenn das Panel letztlich Art. XI GATS mangels Beweisen als Anspruchsgrundlage ablehnte557, betonte es noch einmal ausdrücklich, dass nichtsdestotrotz auch Art. XI GATS grundlegende Bedeutung bei der Wahrung und Umsetzung des materiellen Gehalts eingetragener spezifischer Verpflichtungen zukomme.558 Ein umgekehrter originärer Gesundheitsbezug des Art. XI GATS – Gesundheit nicht als Rechtfertigungsgrund, sondern als Gegenstand der beeinträchtigten Dienstleistung – wäre ebenfalls denkbar. Eine Gesundheitsdienstleistung – beispielsweise eine grenzüberschreitende Versicherungsleistung – könnte angesichts der internationalen Finanzkrise zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gem. Art XIV lit. a) GATS oder zur Gewährleistung der Sicherheit gem. Art. XIV lit. c) ii) GATS eingeschränkt werden. Im Einzelfall gälte es dann zu prüfen, ob hier alternativ ggf. auch kumulativ Art. XVI GATS verletzt wäre. Denn nach der amtlichen Fußnote 8 zu Art. XVI Abs. 1 GATS erfasst bei einer für eine Modus 1Dienstleistung eingetragene spezifischen Marktzugangsverpflichtung auch der grenzüberschreitende Kapitalverkehr einen wesentlichen Teil der Dienstleistung selbst. Folglich wird das Mitglied verpflichtet, diesen Kapitalverkehr zuzulassen. Entsprechendes gilt in dem Fall, dass ein Mitglied eine Marktzugangsverpflichtung für eine Modus 3-Dienstleistung eingeht, denn dann ist das Mitglied dadurch verpflichtet, entsprechende Kapitaltransfers in sein Hoheitsgebiet zuzulassen.559 Festgehalten werden kann, dass gesundheitsbezogene Fragestellungen im internationalen Zahlungsverkehr eher keine Rolle spielten. Nach der Entscheidung USGambling ist nicht auszuschließen, dass die Öffentlichkeit entsprechend sensibilisiert dieser Verknüpfung zunehmend mehr Aufmerksamkeit schenken wird. dd) Bewertung und Zwischenergebnis GATS generiert fünf materiellrechtliche Annexpflichten: Art. VI Abs. 5 (Verpflichtung Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse nicht handelsbeschränkend anzuwenden), Art. VI Abs. 6 (Gewährleistung angemessener Qualifikationskontrollverfahren), Art. VIII Abs. 2 (kein Missbrauch von Monopol- oder ausschließliche Rechte für Dienstleistungen, die spezifischen Verpflichtungen unterliegen), Art. VIII Abs. 4 (Notifizierung der beabsichtigten Monopolrechtsgewährung und Führen von Entschädigungsver557
US-Gambling, Panel, Rn. 6.441. US-Gambling, Panel, Rn. 6442. Der Appellate Body äußerte sich in seiner am 20. April 2005 angenommenen Entscheidung nicht zu diesem Punkt, da die USA die Panel-Entscheidung insoweit nicht beanstandet hatten. 559 Markierte Abschnitte sind der amtlichen deutschen Übersetzung der Fußnote 8 zu Art. XVI Abs. 1 GATS entnommen, BGBl. 1994 II S. 1643; ABl. 1994 L 336/190. 558
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handlungen), Art. XI Abs. 1 (Verzicht auf die Beschränkung internationaler Übertragungen und Zahlungen im Rahmen laufender Geschäfte). Die Verbotsvorschriften Art. VI Abs. 5 (Verbot handelsbeschränkender Anwendung innerstaatlicher Regulierung) und XI Abs. 1 GATS (Verbot der Beschränkung des internationalen Zahlungsverkehrs) haben den weitesten Anwendungsbereich. Demgegenüber sind Art. VIII Abs. 2, VIII Abs. 4 und VI Abs. 6 GATS viel enger gefasst, da sie Monopolisten (bzw. über die Verweisnorm des Art. VIII Abs. 5 GATS auch Trägern ausschließlicher Rechte) den Missbrauch ihrer Rechtsstellung untersagen und die Vorhaltung angemessener Qualifikationskontrollverfahren für freie Berufe vorschreiben, die spezifischen Marktöffnungsverpflichtungen unterliegen. Ob Art. VIII Abs. 2 GATS die nationale Gesundheitsregulierung gefährdet, hängt maßgeblich – wie auch bereits bei dem Meistbegünstigungsprinzip in Art. VIII Abs. 1 GATS – davon ab, ob die Verletzung der eingetragenen Marktöffnungsverpflichtung tatsächlich notwendig ist, um die Ziele nationaler Gesundheitsregulierung umzusetzen. Im deutschen Gesundheitswesen ist derzeit keine derartige Notwendigkeit ersichtlich. Die Marktöffnungsverpflichtungen bzw. -vorbehalte sind so gesetzt, dass der Gesundheitsregulierung der notwendige Spielraum verbleibt. Art. VIII Abs. 4 GATS ist hingegen grundsätzlich bedenklicher, da er Kompensationszahlungen bei Ausweitung bestehender oder Einführung neuer Monopolbzw. ausschließlicher Rechte vorsieht. Diese Regelung kann die Kompetenz der Mitglieder, über die Frage zukünftiger innerstaatlicher Organisationsformen souverän zu entscheiden, einschränken. Die Anforderungen des Abs. 4 können die Wahl monopolisierter Organisationsstrukturen beschränken. Für die deutsche Gesundheitsregulierung sind gegenwärtig jedoch keine konkreten beschränkenden Auswirkungen feststellbar. Zu beachten ist allerdings, dass dies natürlich nur eine Momentaufnahme ist, die durch im Rahmen der built-in agenda ggf. zukünftig verdichtete Marktöffnungsverpflichtungen auch im Gesundheitsbereich überholt werden kann. Die deutsche Gesundheitsregulierung wird durch Art. VI Abs. 6 GATS ebenfalls nicht grundlegend eingeschränkt, da Qualifikationskontrollverfahren für die Angehörigen freier Gesundheitsberufe in Deutschland existieren. Konkrete materielle Anforderungen stellt das GATS hier nicht. Über die Formulierung „angemessene Verfahren“ kann der nationale Regulierungsstandard uneingeschränkt angewandt werden. b) Verfahrensrechtliche Annexpflichten Das GATS sieht sechs verfahrensrechtliche Annexpflichten vor, die, sobald ein Mitglied spezifische Verpflichtungen für einen Dienstleistungs-(Sub-)Sektor eingetragen hat, aufleben und den Dienstleistungshandel in dieser Branche begleiten. Während Art. VI Abs. 6 GATS sowohl materiell- als auch verfahrensrechtliche Pflichten umfasst [aa)], dienen die übrigen Pflichten grundsätzlich „allein“ der Transparenz: Anforderungen an die Gestaltung von Genehmigungsverfahren nach
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VI Abs. 1 und 3 GATS [bb)] und besondere Unterrichtungspflichten nach Art. III Abs. 3 GATS, Art. VIII Abs. 4 und 5 GATS sowie nach Art. X Abs. 2 GATS [cc)]. aa) Qualifikationskontrollverfahren Art. VI Abs. 6 GATS nimmt eine Sonderrolle ein, da es die einzige Vorschrift ist, die einen Doppelcharakter mit sowohl verfahrens- als auch materiellrechtlichen Pflichten besitzt und die Qualität der Dienstleistungserbringung zu verbessern zielt. Art. VI Abs. 6 [spezifische Verpflichtungen für Dienstleistungen freier Berufe] (6) In Sektoren, in denen spezifische Verpflichtungen für Dienstleistungen freier Berufe übernommen werden, sieht jedes Mitglied angemessene Verfahren vor, um sich hinsichtlich der Kompetenz der Berufsangehörigen der anderen Mitglieder zu vergewissern.
Die Mitgliedstaaten werden verfahrensrechtlich gehalten, für die freien Berufe, deren Dienstleistungssubsektoren spezifische Marktöffnungsverpflichtungen aufweisen, Verfahren obligatorischer Qualifikationskontrollen vorzusehen. Die verfahrensrechtliche Verpflichtung des Art. VI Abs. 6 GATS ist nicht von großer Intensität angesichts des unbestimmten Rechtsbegriffs de „angemessenen“ Verfahren. Sie geht nicht über das Verbot diskriminierender und willkürlicher Verwaltung hinaus.560 Sie schränkt mithin weder den nationalen Regulierungsspielraum ein, noch legt sie den nationalen Behörden unverhältnismäßige Verwaltungslasten auf. bb) Transparente Verfahrensgestaltung Als Verpflichtungen verfahrensrechtlicher Natur (disciplines of a procedural nature) wurden die Pflichten des Art. VI Abs. 1 und 3 GATS in dem Fall USGambling von dem Panel561 beschrieben: Art. VI Abs. 3 [Unterrichtungspflichten] (3) Bedarf die Erbringung einer Dienstleistung, für die eine spezifische Verpflichtung übernommen wurde, der Genehmigung, so unterrichten die zuständigen Behörden eines Mitglieds innerhalb einer angemessenen Frist nach der Vorlage eines nach den innerstaatlichen Gesetzen und sonstigen Vorschriften als vollständig erachteten Antrags den Antragsteller über die Entscheidung über den Antrag. Auf Antrag des Antragstellers unterrichten die zuständigen Behörden des Mitglieds diesen unverzüglich über den Stand der Bearbeitung des Antrags.
Abs. 1 zielt weniger auf die betreffenden, allgemein geltenden Maßnahmen denn auf ihre Anwendung (to the administration of these measures). Abs. 3 wiederum verpflichtet die Mitglieder zu einem transparenten Verfahren (due process obliga560 561
So auch Krajewski, National Regulation, S. 128. US-Gambling, Panel, Rn. 6.432.
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tions) bei der Überwachung der Genehmigungsverfahren der betreffenden Dienstleistungen, für die spezifische Verpflichtungen eingegangen worden sind.562 Angemessene Fristen zur Unterrichtung über die Entscheidung – auf Antrag auch unverzüglich – sind vorzusehen. In diesem Sinne müssen beispielsweise Ärzte und Krankenhäuser, die zu den jeweiligen Sozialversicherungssystemen der WTO-Mitglieder zugelassen werden möchten, unverzüglich über den Stand ihrer Genehmigungsverfahren informieren. Diese Erfordernisse erfüllen die Zulassungsverordnungen im ambulanten Bereich563 als auch die Zulassungsverfahren in der stationären Versorgung.564 Art. VI Abs. 1 GATS umfasst keine tiefgreifende Verpflichtung. Sie geht in ihrer Intensität nicht über das Verbot diskriminierender und willkürlicher Verwaltung hinaus. Es schränkt weder den Regulierungsspielraum ein, noch legt sie den nationalen Behörden unverhältnismäßige Verwaltungslasten auf. cc) Unterrichtungs- und andere Pflichten Darüber hinaus stipuliert das GATS verschiedene Unterrichtungs- bzw. Informations- oder Notifikationspflichten.565 Neben den speziellen Informationspflichten, die das GATS für die Gewährung von Monopolrechten (Art. VIII Abs. 4 GATS) und ausschließlichen Rechte an ausgewählte Dienstleister (Art. VIII Abs. 4 GATS) und für die Rücknahme oder Änderung von Verpflichtungen in Notstandssituationen (Art. X Abs. 2 GATS), vorsieht, ist insbesondere die allgemeine Informationspflicht nach Art. III Abs. 3 GATS von praktischer Bedeutung. Art. III Abs. 3 GATS legt den WTO-Mitgliedern eine allgemeine Informationspflicht gegenüber dem Rat für den Handel mit Dienstleistungen auf. Anders als die „interne“ Veröffentlichungspflicht nach Art. III Abs. 1 GATS, die jedes Mitglied verpflichtet innerhalb seines Hoheitsgebiets für die notwendige Veröffentlichung der handelsbedeutsamen Maßnahmen zu sorgen, muss nach Abs. 3 extern an die WTO (den Rat) notifiziert werden. Diese Informationspflicht wird angesichts des Umfangs der erforderlichen Notifikation im Schrifttum teilweise für weniger einschneidend 562
US-Gambling, Panel, Rn. 6.432. Siehe die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte vom 28. Mai 1957 (BGBl I 1957, 572, 608) sowie die Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte vom 28. Mai 1957 (BGBl I 1957, 582). 564 Krankenhäuser, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung stationäre Krankenhausbehandlung erbringen möchten, müssen ebenfalls zugelassen werden. Das erfolgt bei Häusern, die in die Landeskrankenhauspläne aufgenommen wurden bzw. bei Hochschulkliniken (§ 108 Nr. 1, 2 SGB V) über eine gesetzliche Fiktion nach § 109 Abs. 1 S. 2 SGB V. Auf die Zulassung von Hochschulkliniken und Plankrankenhäusern werden die Regeln über die Wirkung des sog. „Versorgungsvertrags“ – dem Zulassungsakt für Versorgungsvertragskrankenhäuser i.S.v. § 108 Nr. 3 SGB V angewendet, näher Hänlein, in: Kruse/Hänlein (Hrsg.), LPK-SGB V, §§ 108 – 110, Rb. 1 ff. 565 Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 523. 563
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erachtet als die Veröffentlichungspflicht nach Art. III Abs. 1 GATS.566 Dies erscheint fraglich. Zumeist besteht national bereits eine Veröffentlichungspflicht. Für das Notifikationsverfahren müsste hingegen ein neues Verwaltungsverfahren eingeführt werden, mit dem die zu notifizierenden Informationen abgefragt und übermittelt werden. Gegenstand der Notifizierungspflicht nach Art. III Abs. 3 GATS sind Änderungen nationaler Vorschriften, die den Dienstleistungshandel betreffen und hinter dem status quo des in den Verpflichtungslisten niedergelegten Marktöffnungsstandes zurückbleiben. Notifizierungspflichtig ist die Einführung neuer oder die Änderung bestehender Gesetze, oder sonstiger Vorschriften oder Verwaltungsrichtlinien eines Mitglieds, die den Handel mit Dienstleistungen wesentlich betreffen, für die das Mitglied spezifische Marktöffnungsverpflichtungen i.S.v. Art. XVI, XVII oder XVIII GATS eingegangen ist. Wann der Handel wesentlich betroffen ist, definiert das GATS nicht. Zwischen EU-Kommission und EU-Mitgliedstaaten hat sich insofern eine gemeinsame Verwaltungspraxis herausgebildet, nach der nur Vorschriften zu notifzieren sind, die den internationalen Dienstleistungshandel einschränken, nicht aber solche, die ihn erleichtern oder ausweiten. In der Vergangenheit wurden daher nur solche Sachverhalte gemeldet, die eine eindeutige Regulierungsrelevanz aufwiesen, wie z. B. die Einführung einer Erlaubnispflicht für bestimmte Dienstleistungen oder eine erhebliche Verschärfung ihrer Genehmigungsanforderungen. Für den Bereich der Gesundheitsdienstleistungen ist diese Notifikationspflicht vor allem aus folgenden Gründen ohne besondere praktische Bedeutung: Die Ursache liegt zum einen in dem begrenzten Anwendungsfeld des GATS im Gesundheitsbereich bzw. den weitgehenden Vorbehalten und Beschränkungen in der deutschen Verpflichtungsliste für Gesundheitsdienstleistungen. Für die verbleibenden geöffneten Sektorbereiche mit Gesundheitsbezug ist zunächst von grundsätzlicher Bedeutung, dass die Reformen der letzten Jahre durch Einführung von Wettbewerbselementen in Richtung mehr Marktöffnung zielten.567 Zudem handelte es sich bei vielen neuen Regelungen um Maßnahmen der Qualitätssicherung und -verbesserung zum Verbraucher-/Patientenschutz, die den Marktzugang mithin nicht berühren.568 Schließlich sind eine Vielzahl von Reformen der letzten Jahre auch Umsetzungsakte von EU-Binnenmarktrecht, das – aufgrund des Kohärenzgebots zwischen EU-Binnenmarktrecht und WTO-Recht – nicht hinter dem bisherigen Marktöffnungsstand zurückbleiben sollte. Die multilaterale Marktöffnung nach WTO-Recht darf wiederum nicht weiter gehen als die Binnenmarktliberalisierung. 566
Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 523. Beispiele: Möglichkeit der Krankenkassen, Einzelverträge mit EU-ausländischen Gesundheitsdienstleistern abzuschließen Art. 140e SGB V, Kostenerstattung für EU-Auslandsbehandlungen nach § 13 Abs. IV, V SGB V. 568 Beispiele: Maßnahmen (Informationspflichten u. a.) zur Sicherung und Qualität der Leistungserbringung im neunten Abschnitt des SGB V. Freiwillige Teilnahmemöglichkeit an Hausarztverträgen, besonderen Behandlungsprogrammen und Integrierten Versorgungsverträge für GKV-Versicherte – keine Marktöffnungsrelevanz. 567
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Letztlich darf auch nicht unterschätzt werden, dass eventuell handelsrelevante Regelungen eben von wesentlicher Regelungsintensität für den internationalen Gesundheitsdienstleistungshandel sein müssen. Angesichts der geringen Marktöffnung des deutschen Gesundheitssektors aufgrund der weitreichenden Vorbehalte bzw. Marktöffnungsbeschränkungen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedenfalls keine Regelung ersichtlich, die den internationalen Dienstleistungshandel wesentlich einschränkt. Eine andere Frage ist in diesem Zusammenhang, ob der in der Verpflichtungsliste eingetragene Marktöffnungsstand dem tatsächlichen Marktöffnungsstand entspricht. Denn die Listen geben nur den Mindestgrad der Marktöffnung an. Die Mitglieder können nämlich über die Marktöffnungsverpflichtungen der Listen hinausgehen und proaktiv handelsbeeinträchtigende Maßnahmen abschaffen. Diese Maßnahmen sind nach der benannten Verwaltungspraxis allerdings nicht an den Rat zu notifizieren. Daher können der kodifizierte und der tatsächliche Marktöffnungsstand voneinander abweichen. Diese Diskrepanz ist grundsätzlich allerdings nicht mit dem Ziel des Transparenzprinzips des GATS vereinbar. Das Inkorporierungsgebot, das Ausdruck dieser Notifikationspflicht des Art. III Abs. 3 GATS ist, bezweckt gerade Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Die Verpflichtungslisten dienen insoweit dem Zweck der Urkundlichkeit und Einsichtbarkeit jeder Marktöffnungsänderung. Es fragt sich daher, ob diese Praxis der tolerierten Abweichung der handelsrechtlichen Praxis von dem kodifizierten Handelsrechtstand eine Durchbrechung der Länderliste569 oder nur als Wandel der Rechtswirklichkeit einzuordnen ist. Sinn, Zweck und Systematik der Listen und auch die Wortlautauslegung sprechen dafür, dass die Mitglieder in den Verpflichtungslisten die zu liberalisierenden Sektoren benennen und die Marktöffnungsbeschränkungen abbilden, die aufrechterhalten oder eingeführt werden dürfen sollen. Beschränkungen, die aufrechterhalten oder eingeführt werden, sind aber etwas anderes als Handelserleichterungen, die eingeführt werden. Erleichterungen können keine Änderungen i.S.v. Art. XVI ff. GATS sein, da sie den Handel nicht weiter beschränken. Die EU-Praxis, Erleichterungen nicht zu kodifizieren, ist mithin trotz des Unterschieds zwischen Listenstand und Rechtswirklichkeit völkerrechtlich nicht zu beanstanden. Eine derartige Praxis allein ist auch rechtspraktisch, da der Bürokratieaufwand der Aktualisierung der Listen minimiert wird, ohne dass das Informationsbedürfnis Interessierter beschnitten wird, denn die Rechtsänderungen sind viel zeitnäher in den amtlichen nationalen Veröffentlichungsquellen nachzulesen. Zudem wäre eine umfassende Notifikationspraxis ggf. problematisch im Hinblick auf die Vorschriften zur Änderung oder Rücknahme spezifischer Verpflichtungen nach Art. XXI GATS. Bei jeder Änderung der Verpflichtungsliste ist zu prüfen, ob Ausgleichsmaßnahmen infolge der Listenänderung für die anderen WTO569 In Anlehnung an den Begriff der „Verfassungsdurchbrechung“, die nach dem „Gebot der Textänderung durch Gesetz“ gem. Art. 79 Abs. 1 GG unzulässig ist, Pieroth, in: Jarass/Pieroth (Hrsg.), GG, Art. 79 Rn. 2 f.
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Mitglieder, die eventuelle Handelsnachteile durch die Änderungen erfahren, ergriffen werden müssen. Dieses Risiko wird mit der gängigen EU-Praxis, die darauf hinaus läuft, Änderungen der Verpflichtungslisten möglichst zu vermeiden, minimiert. In ihrer Stoßrichtung – neue handelsbeschränkende Normen transparent zu machen – ist diese formlose Notifizierungspflicht nach Art. III Abs. 3 GATS bis zu einem gewissen Grad vergleichbar mit dem allerdings streng formalisierten Verfahren der Veröffentlichung von Notifizierungen anderer WTO-Mitglieder aus dem Bereich des Warenhandels nach dem Übereinkommen über technische Handelshemmnisse (TBT-Übereinkommen). Die Mitglieder sind hier verpflichtet dem WTO-Sekretariat die Entwürfe nationaler technischer Vorschriften und Konformatitätsbewertungsverfahren zu jeglichen Erzeugnissen zu notifizieren. Insoweit bestehen strenge Informationsverfahrens- und Fristvorschriften, um es allen WTOMitgliedern zu erlauben, die jeweiligen Entwürfe technischer Vorschiften und Konformitätsbewertungsverfahren des notifizierenden Landes vor ihrer Verabschiedung zu prüfen und so sicherzustellen, dass die notifizierten Entwürfe den Grundsätzen des TBT-Übereinkommens entsprechen.570 An diesem Beispiel lässt sich erneut ersehen, dass der multilaterale Warenhandel vielfach stärker verrechtlicht ist als der multilaterale Dienstleistungshandel. dd) Zusammenfassung zu den verfahrensrechtlichen Annexpflichten Verfahrensrechtliche Annexpflichten sind Art. III Abs. 3 (Notifizierung von handelsbeschränkenden Maßnahmen), Art. VI Abs. 1 (angemessene, objektive und unparteiische Ausgestaltung der Maßnahmen betreffend den Handel mit Dienstleistungen, die spezifischen Verpflichtungen unterliegen), Art. VI Abs. 3 (Unterrichtungspflichten in Genehmigungsverfahren), Art. VI Abs. 6 (Einrichtung von Qualifikationskontrollverfahren), Art. VIII Abs. 4 (Notifizierung der beabsichtigten Monopolrechtsgewährung und Führen von Entschädigungsverhandlungen), Art. X Abs. 2 (Notifizierung der Absicht, spezifische Verpflichtungen zu ändern). Diese Verpflichtungen finden nur Anwendung, soweit spezifische Verpflichtungen eingetragen worden sind. Bis auf Art. VI Abs. 6 zielen die Vorschriften ausschließlich auf Transparenz. Art. VI Abs. 6 hingegen betrifft mehr Verwaltungseffizienz und Fachkenntnisse, da hier WTO-Mitglieder, die spezifische Verpflichtungen für berufsbezogene Dienstleistungen eingegangen sind, verpflichtet sind, angemessene Verfahren zu gewährleisten, um die Qualifikation der Dienstleister anderer Mitglieder zu bemessen. Das Ziel des GATS, Transparenz, Verwaltungseffizienz und entsprechende Fachkenntnis zu fördern, steht in keinem Zielkonflikt mit dem Recht auf Gesundheit. 570 Kostenloser und öffentlich zugänglicher Informationsservice für die Veröffentlichung von Notifizierungen aller WTO-Mitglieder abrufbar unter http://ec.europa.eu/enterprise/tbt/, Stand: Oktober 2012.
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Gleiches gilt für gewisse durch die Notifizierungspflichten entstehende Verwaltungslasten, die nicht unverhältnismäßig erscheinen. Gerade auch das gewährte Recht nach Art. IIIbis GATS, keine vertraulichen Informationen preisgeben zu müssen, ist dafür Beweis. Nichts anderes gilt für Ar. VI Abs. 6 GATS, dessen Verpflichtung, angemessene Qualifikationskontrollverfahren vorzusehen, gerade darauf abzielt, die Qualität der Gesundheitsversorgung auf einem möglichst hohen Stand zu halten. c) Zwischenergebnis zu den spezifischen Annexpflichten Fünf der verfahrensrechtlichen Annexpflichten (Artt. III Abs. 3, VI Abs. 1 und 3, VIII Abs. 4, X Abs. 2 GATS) sind Transparenzvorschriften. Art. VI Abs. 6 GATS hingegen ist eine (mittelbare) Qualitätsverbesserungsnorm, die gleichzeitig verfahrens- als auch materiellrechtliche Pflichten birgt. Art. VI Abs. 4 GATS ist eigentlich zwar keine Annexpflicht, wurde aber der Anschaulichkeit halber zusammen mit Art. VI Abs. 5 GATS untersucht. Mangels gesundheitsspezifischer Disziplinen besitzt er aber keine praktische Relevanz. Art. VI Abs. 5 lit. a) GATS birgt grundsätzliches Einwirkungspotential auf die nationale Gesundheitspolitik, allerdings nur für Regelungen, die bereits bei Eintragung der spezifischen Verpflichtungen bestanden. Art. VIII Abs. 4 GATS kann zukünftig erheblich den Gestaltungsspielraum nationaler Gesundheitsregulierung reduzieren, sollten im Rahmen der built-in agenda weitere spezifische Marktöffnungsverpflichtungen gelistet werden. 3. Zusammenfassung Gegenwärtig ist die praktische Relevanz der Annexpflichten gering. Zwar fordern die Art. VI Abs. 4, 5 und 6 GATS die WTO-Mitglieder zu engerer Zusammenarbeit auch im Gesundheitsbereich auf. Sie könnten daher den nationalen Regulierungsspielraum einschränken. Dies gilt aber nur, sofern entsprechende Disziplinen mit Anforderungen an Qualitäts- und Sicherheitsstandards erarbeitet würden. Derzeit ist nicht ersichtlich, dass die WTO-Mitglieder Interesse an gemeinsamen Disziplinen im Gesundheitsbereich hätten. Auch Art. VIII Abs. 4 GATS hat keine weiteren Auswirkungen auf das deutsche Gesundheitssystem. Dieser schränkt die Ausweitung von Monopolen und Schaffung von neuen Monopolen über den bislang in den Verpflichtungslisten niedergelegten status quo ein. Allerdings sind die geltenden zentralen Regulierungsinstrumente der GKV handelsrechtlich in der EU-Länderliste umfassend abgebildet. Es ist nicht ersichtlich, dass die gegenwärtigen Monopolrechte oder monopolgleichen Rechte im deutschen Gesundheitssystem über diese weiten Vorbehalte hinausgehend ausgedehnt werden sollten.
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
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III. Ausnahmen von den GATS-Pflichten Sofern Maßnahmen des deutschen Gesundheitssektors ggf. nicht mit GATS vereinbar sein sollten, ist schließlich eine Rechtfertigung über die Ausnahmetatbestände zum Schutz der Gesundheit nach Art. XIV (1.) sowie sonstiger Gründe (2.) zu prüfen. 1. Allgemeine Ausnahmen aus Gesundheitsschutzgründen Verbleibende handelsbeschränkende Maßnahmen nationaler Gesundheitssysteme können gerechtfertigt werden, wenn sie zum Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen, zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung als auch der Einhaltung von geschriebenem Recht erforderlich sind. Darüber hinaus darf die Anwendung der Maßnahmen die Dienstleistungserbringung in den Mitgliedstaaten nicht willkürlich oder unberechtigt diskriminieren, sog. chapeau des Art. XIV GATS571: Art. XIV lit. a – c) GATS Unter der Voraussetzung, dass Maßnahmen nicht in einer Weise angewendet werden, die ein Mittel zu willkürlicher oder unberechtigter Diskriminierung unter Ländern, in denen gleiche Bedingungen herrschen, oder eine verdeckte Beschränkung für den Handel mit Dienstleistungen darstellen würde, darf dieses Übereinkommen nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es die Annahme oder Durchsetzung von Maßnahmen eines Mitglieds verhindert, a) die erforderlich sind, um die öffentliche Moral oder die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten572 ; b) die erforderlich sind, um das Leben oder die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen zu schützen; c) die erforderlich sind, um die Erhaltung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften zu gewährleisten, die nicht im Widerspruch zu diesem Übereinkommen stehen […].
Der Anwendungsbereich des Art. XIV GATS ist in engem Zusammenhang mit Art. VI GATS zu sehen. Qualifikations- und Zulassungserfordernisse sowie technische Standards, die gegen Art. VI GATS verstoßen, können nach Art. XIV GATS gerechtfertigt werden, wenn sie einen der aufgezählten legitimen Zwecke verfolgen und dem chapeau entsprechen. Darüber hinaus können auch alle Maßnahmen, die gegen spezifische Marktzugangsverpflichtungen sowie Inländerbehandlung- und Meistbegünstigungsgrundsatz des GATS verstoßen, nach Art. XIV GATS gerechtfertigt werden. Sollte beispielsweise der Kostenerstattungstarif nach § 53 Abs. 4 SGB V den sozialversi571
Siehe auch den Überblick bei WHO/WTO, Rn. 21 – 23, 76. [Amtliche Erläuterung:] „Die Ausnahmeregelung in bezug auf die öffentliche Ordnung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn eine wirkliche, ausreichend schwerwiegende Bedrohung der Grundwerte der Gesellschaft vorliegt.“ 572
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cherungsrechtlichen Leistungskatalog verlassen und seine Ausgestaltung unvereinbar mit den Monopolvorschriften des Art. VI GATS sein, wäre insoweit eine mögliche Rechtfertigung nach Art. XIV GATS zu prüfen. Entscheidend ist, ob diese Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, gem. Art. XIV lit. b) GATS [a)], zur Einhaltung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften, gem. Art. XIV lit. c) GATS [b)] oder zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Moral oder öffentlichen Ordnung, gem. Art. XIV lit. a) GATS [c)] erforderlich sind. In jedem Fall muss darüber hinaus der chapeau des Art. XIV, Halbsätze 1 – 5 GATS erfüllt sein [d)]. a) Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit Die WTO-Mitglieder können Maßnahmen, die mit den allgemeinen Verpflichtungen des GATS unvereinbar sind, zum Schutz u. a. der menschlichen Gesundheit aufrechterhalten. Sofern die innerstaatlichen Regelungen der mitgliedstaatlichen Gesundheitssysteme zur Organisation einer angemessenen Gesundheitsversorgung erforderlich sind, dienen sie dem Schutz des menschlichen Lebens und der Gesundheit und kommen grundsätzlich für eine Rechtfertigung in Frage. So sind ausschließliche oder exklusive Rechte im Rahmen der Krankenhausplanung, die die Finanzierung von Krankenhausinvestitionen absichern, erforderlich, falls sonst angesichts der hohen Kosten und langfristigen Amortisationsperspektiven, entsprechende Investitionen ausblieben.573 Nicht nach Art. XIV lit. b) GATS können aber nationale Maßnahmen gerechtfertigt werden, die die öffentliche Finanzierung einschränken und zur Rationierung der Gesundheitsversorgung führen. Entscheidend ist damit auch im Rahmen von Art. XIV lit. b) GATS die Frage, welche innerstaatlichen Regelungen „erforderlich sind“ (necessity test). Die mitgliedstaatlichen Regelungen dürfen demnach den Handel nur soweit beschränken als es zur Erreichung der Schutzinhalte erforderlich ist. Der Appellate Body hat insofern den ähnlich gelagerten Rechtfertigungstatbestand im Warenhandel konkretisiert. Art XX lit. b) GATT bezieht sich auf Maßnahmen zum Schutze des Lebens und der Gesundheit von Menschen. Nur solche Maßnahmen seien gerechtfertigt, für die keine weniger einschneidenden und gleich effektiven Regelungen gefunden werden könnten. Im Hinblick auf die mitgliedstaatliche Kompetenz, eigenverantwortlich das nationale Gesundheitsschutzniveau festzulegen, seien an die Alternativmaßnahmen im Einzelfall hohe Anforderungen zustellen.574 Der necessity test sei insofern besonders flexibel anzuwenden in Fällen, in denen die streitigen nationalen Regelungen dem Schutz grundlegender Gemeinwohlgüter dienen.575 Im Fall US-Gambling, in dem zum ersten Mal Art. XIV 573 574 575
Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 208. EC-Asbestos, AB, Rn. 172 ff. Korea-Beef, AB, Rn. 162 ff.
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GATS zur Interpretation stand, übertrugen Panel und Appellate Body diesen Ansatz auf Art. XIV lit. b) GATS.576 Im Schrifttum wird der Ansatz z. T. kritisch577 gesehen, überwiegend aber übernommen.578 Der Ausnahmetatbestand des Art. XIV lit. b) GATS sollte entsprechend dem Ansatz des Appellate Body extensiv ausgelegt werden. Demnach sollten nationale Maßnahmen gerechtfertigt werden, solange nicht eine erhebliche Einschränkung der Gesundheitsversorgung zum Nachteil der Gesundheit der Versicherten durch die nationale Maßnahme festgestellt wird. Dieser weite Ansatz kommt der Praxis entgegen, da es meist schwer fällt, mildere Mittel zu bestehenden handelsbeschränkenden Maßnahmen mitgliedstaatlicher Gesundheitssysteme zu finden angesichts ihrer komplexen Regelungszusammenhänge. Gerade die Folgenabschätzung gesundheitsausgabenbegrenzender (Reform-)Vorschriften gestaltet sich schwierig, und ihre Nachhaltigkeit ist nicht selten umstritten. b) Einhaltung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften Auf der Grundlage dieses Ausnahmetatbestandes mit Generalklausel579-Charakter können sich nationale Maßnahmen im Rahmen mitgliedstaatlicher Gesundheitssysteme rechtfertigen lassen, die zur Einhaltung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften erforderlich sind, welche mit dem GATS vereinbar sind. Entscheidend für die Reichweite des Ausnahmetatbestandes ist die Auslegung des Begriffs Einhaltung der nationalen Gesetze oder sonstigen Vorschriften. Fraglich ist, ob damit die Einhaltung der nationalen Vorschriften und die Umsetzung der bestehenden Regelungen gemeint sind, oder auch weitere ggf. GATS-inkompatible Maßnahmen ergriffen werden können unter Hinweis auf das zu erreichende nationale Regelungsziel. Dass würde bedeuten, dass immer dann, wenn das Ziel eines mit dem GATS vereinbaren Gesetzes nicht durch die Umsetzung der Vorschriften dieses Gesetzes erreicht werden kann, der Erlass weiterer Vorschriften mit dem Hinweis auf das nationale Regelungsziel gerechtfertigt werden könnte, auch wenn diese Maßnahmen nicht mit dem GATS vereinbar sind. Zur Konkretisierung dieses Ausnahmetatbestandes kann wiederum auf die Entscheidungspraxis des Appellate Body zu dem entsprechenden Ausnahmetatbestand des Warenhandels, Art. XX lit. d) GATT rekurriert werden. Gerechtfertigt werden 576
US-Gambling, Panel, Rn. 6.477 sowie Rn. 7.312 – 327. GATSWatch.org, GATS; Equinet u. a., The GATS Threat to Public Health, S. 3. Siehe auch die Forderung einer Neuverhandlung und -fassung des Art. XIV lit. b) GATS von Sinclair/ Grieshaber-Otto, S. 39. 578 Luff, in: Mattoo/Sauvé (Hrsg.), Domestic Regulation, S. 208; Cottier/Delimatsis/Diebold, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTO-Trade in Services, Art. XIV GATS, Rn. 55 ff.; Krajewski, National Regulation, S. 159; im Ergebnis ebenso Fidler/Correa/Aginam, Rn. 477; Michaelis, in: Hilf/Oeter (Hrsg.), WTO-Recht, § 20, Rn. 109 ff.; Pitschas, in: Prieß/Berrisch (Hrsg.), WTO-Handbuch, S. 548. 579 Ohler, in: Herrmann/Weiß/Ohler (Hrsg.), Welthandelsrecht, § 18, Rn. 885. 577
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können demnach Maßnahmen, die zur Anwendung von Gesetzen oder sonstigen Vorschriften erforderlich sind. Der Appellate Body legt den Begriff Anwendung restriktiv aus. Die Ausnahme rechtfertige nur mitgliedstaatliche Maßnahmen, die GATT-kompatible nationale Vorschriften umsetzten. Weitere nationale Maßnahmen, die zur Verwirklichung der mit den nationalen Regelungen bezweckten Ziele notwendig aber nicht mit dem GATT vereinbar seien, könnten nicht mit Art. XX lit. d) GATT gerechtfertigt werden.580 Überträgt man diese Grundsätze auf Art. XIV lit. c) GATS, kommen hier Maßnahmen in Frage, die die Sozialgesetzgebung der Mitgliedstaaten umsetzen und mit dem GATS und den spezifischen Verpflichtungen vereinbar sind. c) Öffentliche Moral, öffentliche Ordnung Dieser Rechtfertigungsgrund ist bereits nach der amtlichen Anmerkung zum GATS sehr restriktiv auszulegen. Ob es Umstände gibt anzunehmen, dass eine wirkliche, ausreichende schwerwiegende Bedrohung der Grundwerte der Gesellschaft vorliegt i.S.v. Art. XIV lit. a) GATS, die die Aufrechterhaltung einer handelsbeschränkenden Maßnahme mitgliedstaatlicher Gesundheitssysteme rechtfertigt, ist sehr fraglich. Einfacher erscheint es, auf den Rechtfertigungsgrund lit. b) zu rekurrieren, der die Gesundheit ausdrücklich erwähnt.581 Diese konkrete Abgrenzung zwischen lit. a) und b) im Falle einer krankenversicherungsrechtlichen oder allgemeineren gesundheitssystembezogenen Handelsbeschränkung hat bisher noch nicht zur Streitentscheidung vor einem Panel oder dem Appellate Body angestanden.582 Jedenfalls dürften alle Maßnahmen, die die Aufrechterhaltung der Grundfeste der Systeme sozialer Sicherheit bezwecken, unter diesen Ausnahmetatbestand fallen. d) Chapeau Die Maßnahmen der Mitglieder dürfen nicht derart angewendet werden, dass die Dienstleistungserbringung in den übrigen Mitgliedern diskriminiert oder verdeckt beschränkt wird.583 580 Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, Bericht des Panel (WT/DS31/R), angenommen am 14. 3. 1997 (Canada-Periodicals, Panel), Rn. 5.9: „[…] Canada’s view will inherently lead to a situation where ,[w]henever the objective of a law consistent with the General Agreement cannot be attained by enforcing the obligations under that law, the imposition of further obligations inconsistent with the General Agreement could then be justified under Article XX(d) on the grounds that this secures compliance with the objectives of that law‘ […]“; EEC – Parts and Compoments, Panel, Rn. 5.16 ff. 581 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 465. 582 In der Panel-Entscheidung im Fall US-Gambling hatte die Reichweite von Art. XIV lit. a) und lit. c) GATS u. a. zur Diskussion gestanden, siehe US-Gambling, Panel, Rn. 6.455 – 6.535 sowie Rn. 7.266 – 276. 583 Eingehend Cottier/Delimatsis/Diebold, in: Wolfrum/Stoll/Feinäugle (Hrsg.), WTOTrade in Services, Art. XIV GATS, Rn. 70 ff.
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Auch die Auslegung des Chapeau von Art. XIV GATS orientiert sich wieder an Art. XX GATT.584 Insoweit wird an dieser Stelle auf die Ausführungen zu Art. VI Abs. 4 GATS verwiesen. In der Entscheidung US-Gambling rekurrierte das Panel – und in diesen Punkten gefolgt vom Appellate Body – auch bei der Auslegung von Art. XIV lit. a) GATS auf den necessity test der Asbestos-Entscheidung und stellte bei der Auslegung des Chapeau die oben genannten Verhältnismäßigkeitserwägungen an.585 Andere Ansätze, wie die Forderung einer Neufassung von Art. XIV GATS586 oder die Vereinbarung von Übereinkommen, um die in Art. XIV GATS aufgezählten Rechtsgüter zu schützen587, sind gegenwärtig und in absehbarer Zeit jedenfalls für den Gesundheitsbereich nicht absehbar. 2. Sonstige allgemeine Ausnahmen mit Gesundheitsrelevanz Theoretisch ist es auch möglich, dass WTO-Mitglieder etwaige handelsbeeinträchtigende Maßnahmen ihrer Gesundheitssysteme unter Berufung auf die Ausnahmen zur Wahrung der nationalen und internationalen Sicherheit stützen gem. Art. XIVbis GATS. Bereits unter dem GATT wurde in den seltensten Fällen der korrelierende Art. XXI GATS bemüht, da an den Nachweis absehbar hohe Anforderungen gestellt werden würden. Entsprechendes wird für das GATS gelten.588 Demgegenüber könnten die Erfahrungen unter GATT noch eher dafür sprechen, dass ggf. auch im GATS einmal auf waiver gem. Art. IX Abs. 3 des WTO-Übereinkommens zurückgegriffen werden könnte, um nationale, handelsbeeinträchtigende Gesundheitsregelungen zu rechtfertigen. Die Wahrscheinlichkeit ist allerdings auch hier nicht groß, da die Ministerkonferenz den waiver im Konsensus-Verfahren oder mit einer dreiviertel Mehrheit beschließen muss.589
584
US-Gambling, Panel, Rn. 6.581; WTO, US-Gambling, Panel, Rn. 7.338, 343 ff. US-Gambling, Panel, Rn. 6.608. Das Panel stellte allerdings im Ergebnis fest, dass es Alternativen zu der handelsbeschränkenden amerikanischen Maßnahme gegeben hätte, die die beklagten USA nicht ausgeschöpft hätten, US-Gambling, Panel, Rn. 6.492; 6.533 – 6.543; 6.564 – 6.565. Der Appellate Body bestätigte den Rekurs auf die Grundsätze der AsbestosEntscheidung, sah darüber hinaus aber von den USA den prima facie-Beweis erbracht, kein „milderes Mittel“ zur Hand gehabt und damit den necessity test erfüllt zu haben. Entsprechend habe das klagende Mitglied Antigua es versäumt nachzuweisen, dass es geeignete alternative Maßnahmen gegeben hätte, US-Gambling, AB, Rn. 308, 326. 586 Sinclair/Grieshaber-Otto, S. 39. 587 United States – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, Bericht des Appellate Body (WT/DS58/AB/R), angenommen am 6. November 2001 (US-Shrimps, AB), Rn. 119 ff. 588 Ebenso Fidler/Correa/Aginam, Rn. 496. 589 Siehe Fidler/Correa/Aginam, Rn. 497. 585
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Schließlich können nach Art. XII zum Schutz der Zahlungsbilanz Handelsverpflichtungen unter bestimmten Umständen eingeschränkt werden. 3. Würdigung und Zwischenergebnis Ausnahmen von den Verpflichtungen des GATS sind Art. II Abs. 2 (Ausnahmen gemäß Liste), Art. II Abs. 3 (Ausnahme für Grenzgebiete), Art. IIIbis (vertrauliche Informationen), Art. V (wirtschaftliche Integration), Art. Vbis (Integrierte Arbeitsmärkte), Art. X Abs. 2 (Notstandsmaßnahmen), Art. XII (Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz), Art. XIII Abs.1 (Öffentliches Beschaffungswesen), Art. XIV (Allgemeine Ausnahmen), Art. XIVbis (Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit). Für Gesundheitsdienstleistungen von besonderer Bedeutung sind insoweit die allgemeinen Ausnahmen nach Art. XIV. Rechtfertigen können die Mitglieder nicht verpflichtungskonforme nationale Gesundheitsregelungen insbesondere durch Rekurs auf den allgemeinen Ausnahmetatbestand des Art. XIV lit. b) GATS. Darüber hinaus kämen auch Art. XIVbis GATS bei einer Gefährdung der nationalen und internationalen Sicherheit als auch Art. XII Abs. 1 GATS bei drohenden schwerwiegenden Zahlungsbilanzstörungen in Frage. Letzterer erlaubt es den Mitgliedern, den Handel mit Dienstleistungen auch in Sektoren einzuschränken, in denen sie spezifische Verpflichtungen eingegangen sind. Denn diese Störungen könnten ggf. das wirtschaftliche und finanzielle Gleichgewicht der Gesundheitssysteme gefährden. Die Anforderungen, diesen mittelbaren Zusammenhang zu beweisen, dürften allerdings wie in den vorangegangenen Fällen ebenfalls denkbar hoch sein.590 Allerdings ist festzuhalten, dass der Rekurs auf diese Art. XIV-„Defense“ zwar den Einfluss des GATS etwas abmildern kann. Allerdings kann der Handlungsspielraum nationaler Gesundheitsregulierung in einmal geöffneten Sektoren nicht wieder uneingeschränkt hergestellt werden.591 Denn zum einen ist die Ausnahmemöglichkeit an die vorgestellten abschließend genannten legitimen Ziele gebunden (insbesondere öffentliche Ordnung, Schutz der menschlichen Gesundheit). Andere Regulierungsziele wie beispielsweise Verbraucherschutz, Sicherung des Zugangs zu Universaldienstleistungen berechtigten damit nicht zur Einschränkung von GATSVerpflichtungen. Zum anderen ist die Rechtfertigung einer strengen Erforderlichkeitsprüfung unterworfen.
IV. Built-in agenda Das in Art. XIX GATS festgeschriebene Ziel der fortschreitenden Liberalisierung in regelmäßigen Handelsrunden fünf Jahre nach Inkrafttreten des GATS, gilt 590 591
Fidler/Correa/Aginam, Rn. 498. Krajewski, National Regulation, S. 196.
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grundsätzlich für alle Dienstleistungssektoren und damit auch für Gesundheitsdienstleistungen (1.). Angesichts des bislang niedrigen Marktöffnungsstands bei Gesundheitsdienstleistungen ist es aber durchaus möglich, dass im Laufe der Doha Development Agenda weitere Marktzugeständnisse für Gesundheitsdienstleistungen gelistet werden. Die Änderung der Listen, dessen Verfahren in Art. XXI GATS niedergelegt ist, wirft zwischen EU-Kommission und dem Rat erhebliche Fragen unionsrechlicher Kompetenzverteilung, unter anderem im Hinblick auf Gesundheitsdienstleistungen, auf (2.). 1. GATS 2000 und Gesundheitsdienstleistungen Gesundheitsdienstleistungen stehen auch in den fortschreitenden Liberalisierungsverhandlungen wieder eher am Rande der allgemeinen Aufmerksamkeit.592 Nachdem im Januar 2000 die neue Dienstleistungsverhandlungsrunde eröffnet worden war, einigte man sich im März 2001 auf entsprechende Leitlinien und Verfahren entsprechend den Vorgaben des Art. XIX Abs. 3 GATS.593 Die Dienstleistungsverhandlungen sind Teil der multilateralen Verhandlungen der im November desselben Jahres eröffneten Doha Development Agenda. Bis März 2003 sollten die initial offers abgegeben werden. Nach verhaltenem Erfolg wurden die Verhandlugen im Juli 2004 erneut belebt und eine Frist zur Unterbreitung von revised offers bis Mai 2005 gesetzt. Auf der Ministerkonferenz im Dezember 2005 hatte man die zentralen Prinzipien der Dienstleistungsverhandlungen noch einmal bestätigt, allerdings wurde kurz danach im Juli 2006 die Doha Handelsrunde ausgesetzt und erst im Januar 2007 wieder aufgenommen. Gesundheitsdienstleistungen sind von den Liberalisierungsverhandlungen nicht ausgenommen. Art. XIX GATS beschränkt den Ansatz, die nachteiligen Auswirkungen von Maßnahmen auf den Handel mit Dienstleistungen zu vermindern oder zu beseitigen, nicht auf bestimmte Dienstleistungssektoren. In diesem Sinne hat auch der Rat für den Handel mit Dienstleistungen in seinen Leitlinien zu den GATS 2000Verhandlungen niedergelegt, dass „[t]here shall be no priori exclusion of any service sector or mode of supply“.594
Damit gilt, dass grundsätzlich auch im Gesundheitsbereich schrittweise ein höherer Stand der Liberalisierung anzustreben ist. Allerdings findet dieser Prozess mit dem Ziel statt, die Interessen aller Beteiligten auf der Grundlage des gemeinsamen Nutzens zu fördern und ein insgesamt ausgeglichenes Verhältnis von Rechten und
592
Von einem non-event bzw. einer verpassten Chance sprechen insofern Adlung/Carzaniga, in: Blouin/Drager/Smith, International Trade in Health Services and the GATS, S. 99. Allgemein zu GATS 2000 siehe auch Sauvé/Stern, in: Sauvé/Stern (Hrsg.), GATS 2000, S. 1 ff. 593 WTO, Guidelines and Procedures for the Negotiations, Rn. 1 ff. 594 WTO, Guidelines and Procedures for the Negotiations, Rn. 5.
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Pflichten zu gewährleisten. Wie weit der Auftrag der built-in agenda geht und wo ihre Grenzen verlaufen, ist allerdings offen. In ihrem überarbeiteten Liberalisierungsangebot vom 10. Juni 2003 hatte die EU keine neuen Verpflichtungen für Gesundheitsdienstleistungen aufgenommen. Sie betonte, dass die sonstigen unterbreiteten Angebote nicht auf die Privatisierung öffentlicher Einrichtungen zielten und auch die Kompetenz der Mitglieder, den Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge zu regulieren, nicht eingeschränkt werden sollte.595 In 39 Angeboten (von 53 WTO-Mitgliedern), die Mitte November 2003 veröffentlich wurden, enthielten ebenfalls nur wenige Verpflichtungen zu Gesundheitsdienstleistungen. Auch die horizontalen Verpflichtungsangebote und Angebote in Modus 4 wurden nicht als besonders weitreichend eingestuft. Insgesamt fielen die zwischen März 2003 und August 2005 gemachten Liberalisierungsangebote sehr beschränkt aus. Bis Juni 2005 hatte sogar mehr als ein Drittel der Mitgliedstaaten, darunter insbesondere die Mehrheit der afrikanischen Staaten und sämtliche am wenigsten entwickelte Staaten, noch keine Liberalisierungsangebote unterbreitet.596 Angesichts der schleppenden Verhandlungen schlug die Kommission daher 2005 einen neuen Verhandlungsmodus, die sog. benchmarkOffensive, vor. Demnach sollen die WTO-Mitglieder sich verpflichten, in einem Mindestangebot eine bestimmte Zahl zu liberalisierender Unter-Sektoren vorzulegen. Zudem sollen weitergehende plurilaterale Verhandlungen eingeführt werden.597 Gesundheitsdienstleistungen spielten auch hier wiederum keine wesentliche Rolle. Auf der Grundlage eines im Mai 2008 erarbeiteten Sachstandsberichts fand im Juli 2008 schließlich eine sog. Services Signalling-Konferenz zum Stand und den Perspektiven der Dienstleistungsverhandlungen statt.598 Hier zeigte sich, dass anders als die EU-Mitgliedstaaten verschiedene Mitglieder, darunter die Vereinigten Staaten, durchaus bereit sind, neue Verpflichtungen für Krankenhaus- und sonstige gesundheitsbezogene Dienstleistungen einzugehen, eingeschlossen physischer Wellness-Leistungen (traditionelle asiatische Medizin und Thai-Massagen). Ein Mitglied erklärte, seine Marktzugangsbeschränkungen in Modus 3 für sämtliche Gesundheitsdienstleistungen aufheben zu wollen. Darüber hinaus bekundeten einige Mitglieder Interesse an Marktöffnungsverpflichtungen im Modus 3 und 4 für Privatkliniken sowie Spa- und Wellness-Dienstleistungen als auch traditionelle Chinesische Medizin.599 595
WTO, Conditional Initial Offer, S. 1 ff. Näher zu den Verhandlungen, siehe WTO, Public Services and the GATS, S. 7. 597 European Commission, Non Paper on Complementary Methods for the Services Negotiations, S. 1 ff. Kritisch zur benchmark-Offensive siehe auch Dickhaus/Scherrer, S. 8. 598 Stand und Hintergrund der Dienstleistungsverhandlungen abrufbar unter http://www. wto.org/english/tratop_e/serv_e/s_negs_e.htm, Stand: Oktober 2012. 599 WTO, Services Signalling Conference, Rn. 30 f. 596
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Bei der Frage, ob neue Marktöffnungsverpflichtungen zu erwägen sind, ist darauf zu achten, dass neben möglichen handelsrechtlichen Vorteilen durch Gesundheitsdienstleistungsimport- und Export auch der Regulierungsspielraum der Mitgliedstaaten angemessen gewahrt wird, d. h. sie dürfen nicht gezwungen werden, die Organisation ihrer Gesundheitssysteme und die medizinische Versorgung neu strukturieren – insbesondere privatisieren zu müssen. Eine weitere Marktöffnung der Gesundheitsdienstleistungen im Bereich der sozialen Sicherungssysteme auf multilateraler Ebene ist vor diesem Hintergrund bislang keine Option für die meisten EUMitgliedstaaten, darunter auch Deutschland.600 Der weitere Ablauf der Doha-Handelsrunde bleibt trotz fehlender Marktöffnungsangebote der EU im Gesundheitsbereich grundsätzlich spannend. Denn in früheren Verhandlungsrunden hat sich gezeigt, dass gegen Ende der Handelsrunden Verhandlungspakete geschnürt werden, in denen offensive Interessen in anderen Sektoren – beispielsweise im Telekommunikations- oder Finanzsektor – zulasten von Sektoren durchgesetzt werden, die nicht im ursprünglichen oder selbst überarbeiteten Verhandlungsangebot zur Disposition gestellt waren. Auch wenn die Verpflichtung fortschreitender Handelsliberalisierung bisher nicht die Autonomie nationaler Gesundheitspolitik einschränkte, wird von verschiedenen Seiten davor gewarnt, dass auch Gesundheitsdienstleistungen zukünftig mehr ins Blickfeld multilateraler Liberalisierungsanstrengungen geraten könnten.601 Das Interesse verschiedener Industriestaaten am Export bestimmter gesundheitsbezogener Dienstleistungen als auch die Probleme, die Entwicklungs- und Schwellenländer vielfach mit ihren Gesundheitssystemen und ihrer Infrastruktur haben, könnte das Interesse an fortschreitender Marktöffnung im Nord-/Südgefälle stärken. Nicht zuletzt könnten Gesundheitsdienstleistungen auch im Rahmen von Verhandlungsdeals ins Spiel gebracht werden im Gegenzug für weitere Marktzugeständnisse, beispielsweise im Agrar- und/oder Textilbereich.
2. Änderung der Verpflichtungslisten Eine Änderung der Liste spezifischer Verpflichtungen kann sowohl notwendig werden beim Abschluss einer Handelsrunde oder aber auch bei Einzelfallanlässen, wie beispielsweise den EU-Erweiterungsrunden.602 Die EU hatte anlässlich der Erweiterung 2004 eine konsolidierte Liste der GATSVerpflichtungen für die EU-25 bei der WTO notifiziert und inhaltlich die bisherigen 600 Ob gg f. bei bilateralen und regionalen Abkommensverhandlungen über den Stand der GATS-Verpflichtungen hinausgegangen wird – sog. GATS+-Verpflichtungen abgeschlossen werden, bleibt abzuwarten. 601 So Fidler/Correa/Aginam, Rn. 337 ff.; im Ergebnis auch Krajewski, National Regulation, S. 95. 602 Näher zum ad-hoc-Verfahren zur individuellen Änderung der Verpflichtungslisten, WTO, Incorporation of Commitments, Rn. 2 ff.
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Verpflichtungslisten dieser Staaten denjenigen der alten Mitgliedstaaten angepasst.603 Die verschiedenen ursprünglichen Listen (eine Liste für die seinerzeitigen EG-12 und eine für die seit 1995 der damaligen EG beigetretenen weiteren Staaten) sind zu einer Verpflichtungsliste der EU-25 vereinigt worden. Kompensationsverhandlungen hatte die EU insoweit mit 17 anderen WTO-Mitgliedern zu führen. Die Ausgleichsmaßnahmen betrafen die Herausnahme der Bereiche Telekommunikation und unternehmensbezogene Dienstleistungen aus der Ausnahme für öffentliche Dienstleistungen. Inzwischen sind die Verhandlungen in der WTO über die neue konsolidierte Liste spezifischer Marktöffnungsverpflichtungen im Dienstleistungssektor für die 25 EU-Mitgliedstaten abgeschlossen. Für Deutschland haben sich hier keine materiellen Änderungen ergeben. Innerhalb der EU wird derzeit das interne Verfahren für das Inkrafttreten der neuen Liste durchgeführt. Infolge des Beitritts von Bulgarien und Rumänien hat im Oktober 2007 ein entsprechendes Verfahren für diese beiden neuen Mitgliedstaaten begonnen. Die Änderung der Listen ist unter unionsrechtlichen Kompetenzgesichtspunkten nicht unumstritten. Es waren unter anderem Gesundheitsdienstleistungen, die anlässlich des WTO-Beitrittsverfahrens Vietnams die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen EU-Kommission und Rat in Handelssachen erneut aufwarfen. Denn der geographische Anwendungsbereich der seinerzeit gemeinschaftsrechtlichen spezifischen Verpflichtungen von u. a. Gesundheitsdienstleistungen wird durch den WTO-Beitritt Vietnams auf dieses Land ausgedehnt. Und auch Vietnam übernahm entsprechende spezifische Verpflichtungen. Mit einer derartigen Änderung – insbesondere Ausweitung – der Verpflichtungslisten der Mitglieder, stellt sich insoweit die Frage nach der Abgrenzung von EU- und mitgliedstaatlichen Kompetenzen. Grundsätzlich vertritt die EU im Bereich der Außenpolitik im Rahmen des ihr vom Rat erteilten Verhandlungsmandates ihre Mitglieder gegenüber den anderen WTO-Staaten und internationalen Organisationen. Die EU-Kommission führt die Verhandlungen im Benehmen und mit einem zu ihrer Unterstützung vom Rat bestellten besonderen Ausschuss – dem Handelsausschuss – nach Maßgabe der Richtlinien, die ihr der Rat erteilt hat (Art. 207 Abs. 3, UAbs. 2 und 3 AEUV; exArt. 133 Abs. 3, Unterabs. 2 EG). Hier findet die detaillierte Abstimmung zwischen der EU-Kommission und den EU-Mitgliedstaaten statt. Der Rat beschließt bei der Ausübung der ihm übertragenen Befugnisse grundsätzlich mit qualifizierter Mehrheit (Art. 207 Abs. 4 UAbs. 1 AEUV; ex-Art. 133 Abs. 4 EG). Das Einstimmigkeitserfordernis galt bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon beim Abschluss horizontaler Abkommen sowie für Abkommen in Bereichen, in denen zuvor keine EU-internen Regelungen erlassen wurden.604
603 604
WTO, Communication from the European Communities and its Member States, S. 3 ff. Müller-Ibold, in: Lenz/Borchardt (Hrsg.), EU-Verträge, Art. 207 Rn. 68.
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
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Nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon beschließt der Rat nunmehr einstimmig über die Aushandlung und den Abschluss von Abkommen über den Dienstleistungsverkehr, über Handelsaspekte des geistigen Eigentums oder über ausländische Direktinvestitionen, wenn das betreffende Abkommen Bestimmungen enthält, bei denen für die Annahme interner Vorschriften Einstimmigkeit erforderlich ist (Art. 207 Abs. 4 UAbs. 2 AEUV). Für Gesundheitsdienstleistungen gilt aufgrund des neu eingefügten Art. 207 Abs. 4 UAbs. 3 b) AEUV ebenso wie für Sozial- und Bildungsdienstleistungen das Einstimmigkeitsprinzip, sobald das jeweilige Abkommen die einzelstaatliche Organisation dieser Dienstleistungen ernsthaft stören und die Verantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für ihre Erbringung beeinträchtigen könnten. Dieser von den Mitgliedstaaten zu führende Beweis wird erheblichen Begründungsanforderungen unterworfen und entsprechend schwierig sein. Daher dürften neben diesen explizit aufgezählten Fällen – auch für Gesundheitsdienstleistungen – eine Art dritte Fallgruppe von großer Bedeutung sein, in der de facto das Einstimmigkeitsprinzip gilt: Die Fälle, in denen „gemischte Abkommen“ von der EU und den Mitgliedstaaten abzuschließen sind. Gemischte Abkommen sind notwendig, wenn neben der Materie der Gemeinsamen Handelspolitik zugleich andere Materien betroffen sind, die nicht vom Anwendungsbereich der Gemeinsamen Handelspolitik erfasst sind, sondern in den Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten fallen und die zumindest noch nicht weitestgehend harmonisiert sind. Wegen des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung reicht es für die Notwendigkeit eines gemischten Abkommens aus, dass eine Regelung des Abkommens dem mitgliedstaatlichen Kompetenzvorbehalt unterfällt, auch wenn diese Bestimmung von untergeordneter Bedeutung ist.605 Sofern die Gesundheitsversorgung Gegenstand von Handelsabkommen ist, müsste diese wegen der grundsätzlich ausgeschlossenen Harmonisierung im Gesundheitsbereich insoweit eine gemischte Zuständigkeit der Union und ihrer Mitgliedstaaten (Art. 207 Abs. 6 AEUV) begründen. Der innerunionsrechtliche Handel mit Gesundheitsdienstleistungen ist nämlich – anders als z. B. der Binnenhandel mit Arzneimitteln – bis auf die Berufsqualifikationen von Angehörigen der Gesundheitsberufe nach der Richtlinie 2000/36 und Kapitel II der Patientenmobilitätsrichtlinie nicht harmonisiert. Der mitgliedstaatliche Kompetenzvorbehalt nach Art. 168 Abs. 7 AEUV kommt hier zum Tragen, der für die Festlegung der Gesundheitspolitik, die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gilt. Diese mitgliedstaatliche Verantwortung umfasst nicht nur die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung, sondern auch die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel. 605
So Generalanwältin Kokott, Schlussanträge vom 26. März 2009, Rs. C-13/07 – Kommission/Rat, Rn. 113, 119, 150 f., 169. Eine einvernehmliche Mitwirkung der Mitgliedstaaten an der Seite der Gemeinschaft sei erforderlich, sobald und soweit die in Art. 133 Abs. 6 Unterabs. 2 EG aufgelisteten Bereiche betroffen sind, und zwar gleichviel, ob das betreffende Handelsabkommen zu einer Harmonisierung nationalen Rechts führt oder nicht.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Die Aushandlung und der Abschluss eines Abkommens mit Regelungen zum Gesundheitsdienstleistungshandel als auch die Änderung eines solchen Abkommens, z. B. durch Änderung der nationalen Verpflichtungslisten der EU-Mitgliedstaaten im Bereich der Gesundheitsdienstleistungen, bedürfen mithin de facto immer eines einstimmigen Ratsbeschlusses.
V. Institutioneller Rahmen Einen institutionellen Rahmen erhält das GATS durch den GATS-Rat, den sog. Council for Trade in Services (CTS) und seine Unterorgane. Der Rat überwacht einerseits die Anwendung der Vorschriften des Dienstleistungsregimes, das eine Vielzahl von Notifikationspflichten der WTO-Mitglieder an den Rat vorsieht, z. B. IX Abs. 2, XVAbs. 2, XXI Abs. 1, b) GATS. Zudem „verwaltet“ er die Länderlisten zu Ausnahmen von Art. II GATS und ist für die Verhandlungen zur fortschreitenden Liberalisierung zuständig. Die Verhandlungen werden von einem besonderen Ausschuss, dem so genannten Trade Negotiating Committee (TNC) geleitet, das alle zwei bis drei Jahre tagt. Vorsitzender ist der jeweilige WTO-Generaldirektor ex officio. Seit 1. September 2005 ist es der vormalige EU-Handelskommissar Pascal Lamy. 7 Verhandlungsgruppen sind thematisch gebildet worden. Gesundheitsdienstleistungen werden verhandelt in der Gruppe 7 „Dienstleistungen“. Die sich u. a. mit Aspekten der Gesundheitsdienstleistungen beschäftigende Untergruppe des GATS Rats ist z. B. die Negotiating Group on Natural Persons. Fragen der Arbeitsmigration unter dem Modus 4 für Krankenschwestern und Ärzte aus Entwicklungsländern in die Industrieländer werden hier unter anderem behandelt. Aber auch in anderen Gremien wie z. B. der Working Party on GATS Rules, die sich u. a. mit Fragen des öffentlichen Beschaffungswesens und Subventionen beschäftigt, können Aspekte des Handels mit öffentlichen Gesundheitsdienstleistungen relevant werden.606 Institutionell ist die Anbindung des Dienstleistungsregimes an das WTO-Streitbeilegungsverfahren gem. Art. XXIII Abs. 1 GATS hervorzuheben. Allerdings haben sich Mitgliedstaaten bisher mit Streitverfahren im Dienstleistungsbereich zurückgehalten. Für Gesundheitsdienstleistungen hat es bisher noch kein einziges Verfahren gegeben. Gesundheitsschutzbelange waren hingegen zuletzt in dem mehrfach zitierten Fall US-Gambling von Relevanz.
606
WTO, Government Procurement, Abschnitt 2.
C. Pflichten des GATS als Rahmen nationaler Gesundheitsregulierung
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VI. Ergebnis zu Teil 3 GATS findet grundsätzlich auf alle Dienstleistungen des deutschen Gesundheitssystems Anwendung, die nicht in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Demnach sind nur die Versicherungsdienstleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung – ebenso wie beispielsweise die soziale Pflegeversicherung – als Tätigkeiten gesetzlicher Systeme sozialer Sicherheit vom Anwendungsbereich des GATS ausgenommen. Die substitutive Krankenversicherung in der PKV, Zusatzversicherungen, aber auch die freiwillige Versicherung in der GKV von Arbeitnehmern mit Einkünften oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze fallen hingegen in den Anwendungsbereich des GATS ebenso wie sämtliche Gesundheitsdienstleistungen, die von den Angehörigen der Gesundheitsberufe in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland erbracht werden. Der deutsche Gesundheitsmarkt ist insoweit nämlich nicht als einheitlicher Markt zu würdigen, sondern muss nach der volkswirtschaftlichen Sektorklassifikation der Vereinten Nationen, auf die das GATS in den entscheidenden Grundzügen zurückgreift, in Versicherungsdienstleistungen sowie Gesundheitsdienstleistungen der ambulanten Versorgung, der stationären Versorgung, den Sozialdienstleistungen und sonstiger Dienstleistungen mit Gesundheitsbezug differenziert betrachtet werden. Diese Differenzierung deckt sich bis zu einem gewissen Teil mit der Unterscheidung der Leistungsbeziehungen im sozialrechtlichen Dreiecksverhältnis. Auch hier sind die Rechtsbeziehungen von Kostenträgern und Versicherten sowie Anbietern von Behandlungsleistungen und Versicherten als auch von Kostenträgern und den Anbietern zu unterscheiden. Soweit also Gesundheitsdienstleistungen in den Anwendungsbereich des GATS fallen, ist seine Regelungsintensität sehr flexibel. Den Mitgliedern stehen verschiedene Instrumente zur Verfügung, um die Anwendung je nach Regulierungsintensität und Sensibilität des Dienstleistungssektors und ggf. eher offensiven oder defensiven Handelsinteressen abzustufen. Grundsätzlich GATS-relevante Regulierung des deutschen sozialversicherungsrechtlichen Gesundheitssystems sind insoweit Bedarfsplanungsinstrumente, Rechtsform- und Investitions- bzw. Subventionierungsbeschränkungen sowie Qualifikations- und Qualitätsstandards. Die entsprechende Anwendungsflexibilität ist zum einen in dem Vertrag selbst angelegt. So entscheiden die Mitgliedstaaten im Rahmen eines abgestuften individuellen Verpflichtungsmechanismus über den Grad der Öffnung ihrer Gesundheitsdienstleistungsmärkte durch die Listung von bestimmten Sektoren, deren Märkte geöffnet werden sollen mit der Möglichkeit, sich gleichzeitig Einschränkungen vorbehalten zu können. Die Vorbehalte können sektorspezifisch als auch horizontal – wie insbesondere der EU-weite public utilities-Vorbehalt – erfolgen. Ebenso können die Mitglieder Ausnahmen vom Meistbegünstigungsprinzip in einer entsprechenden Anlage vereinbaren.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Innerstaatliche Vorschriften zu Qualitätserfordernissen und technischen Standards können grundsätzlich ebenso beibehalten werden wie Monopole und die Übertragung von Sonderrechten an bestimmte Dienstleistungserbringer. So entfalten die Anforderungen an innerstaatliche Regulierung nach Art. VI GATS gegenwärtig für den deutschen Gesundheitssektor keine Auswirkungen. Zum einen sind keine besonderen Disziplinen im Gesundheitsbereich vereinbart. Zum anderen gelten die Anforderungen nur für erst nach 1995 geltende Regelungen und hier auch nur insoweit als tatsächlich Marktöffnungsverpflichtungen übernommen wurden. Dies ist jedoch für die GKV nicht der Fall. Deren Regulierungsinstrumente sind entweder bereits durch die Bereichsausnahmen von den Liberalisierungspflichten des GATS ausgenommen oder in weitreichenden Marktöffungsvorbehalten in der Länderliste abgebildet. Sogar neue handelsbeschränkende(re) Maßnahmen können die Mitgliedstaaten erlassen, sofern sie erforderlich sind, um die Qualität der Gesundheitsdienstleistungserbringung zu gewährleisten. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist allerdings, in Anlehnung an die Rechtsprechung des Appellate Body im Bereich des Warenverkehrs, zu prüfen, ob sich weniger handelsbeschränkende aber ebenso effektive Maßnahmen zu der jeweiligen mitgliedstaatlichen Vorschrift bieten. Dem liegt eine Einzelfallabwägung zu Grunde, die gerade im Gesundheitsbereich höchst komplex ausfallen dürfte. Allein verfahrensrechtliche Verpflichtungen wie Transparenz- und Konsultationspflichten gelten für alle Mitglieder uneingeschränkt. Schließlich können mitgliedstaatliche Maßnahmen, die mit den GATS-Vorschriften unvereinbar sein sollten, nach Art. XIV GATS gerechtfertigt werden, sofern sie zum Schutz eines der in Art. XIV a) bis e) GATS aufgezählten Ziele erforderlich sind und weder ausländische Gesundheitsdienstleistungen und Angehörige von Gesundheitsberufen willkürlich oder ungerechtfertigt diskriminieren noch versteckt beschränken. Dabei handelt es sich beispielsweise um Regelungen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Finanzierung der Systeme sozialer Sicherheit. Zum anderen bieten sich für eine abgestufte Anwendung die vom GATS zahlreich verwandten unbestimmten Rechtsbegriffe an, die als „Einfallstor“ einer weiten „menschenrechtsfreundlichen“ Auslegung dienen können: fi betreffend die Reichweite der Bereichsausnahmen vom GATS: – in Ausübung hoheitlicher Gewalt, kommerzielle Zwecke, im Wettbewerb (siehe Art. I Abs. 3 b), c) GATS); – Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems der sozialen Sicherheit (siehe Ziff. 1 b), ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen); fi betreffend die grundlegenden Verpflichtungen des GATS: – Meistbegünstigungsprinzip gem. Art. II Abs. 1 GATS: Gleichheit von Dienstleistungen und Dienstleistern;
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– Informations- und Notifizierungspflichten nach Art. III Abs. 1, 3 GATS: Veröffentlichung von einschlägigen, allgemeingültigen Maßnahmen; Rechtsänderungen, die den Dienstleistungshandel wesentlich betreffen; – Anforderungen an die innerstaatliche Regulierung nach Art. VI GATS: Angemessenheit von innerstaatlicher Regulierung, insbesondere von Genehmigungs- und Kompetenzkontrollverfahren; Vermeidung unnötiger Hemmnisse für den Dienstleistungshandel durch Qualifikationserfordernisse und -verfahren, technische Normen und Zulassungserfordernisse; Erarbeitung von Disziplinen, die sicherstellen, dass innerstaatliche Regulierung unter anderem auf objektiven, transparenten und verhältnismäßigen Kriterien beruht, insbesondere nicht mehr belastender sind als nötig, um die Qualität der Dienstleistung zu sichern; – Regelungen gegenseitiger Anerkennung von Qualifikationen nach Art. VIII GATS: Harmonisierung oder auf andere Weise; ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten; – Monopolkontrolle nach Art. VIII GATS: Unvereinbarkeit mit Meistbegünstigungsprinzip und spezifischen Verpflichtungen; den Wettbewerb in erheblichem Maß beschränkend; – Einschränkungen von Marktzugangsverpflichtungen nach Art. XVI Abs. 2 GATS (insbesondere wirtschaftliche Bedürfnisprüfung) und Inländerbehandlungspflicht nach Art. XVII GATS (Gleichheit von Dienstleistern und Dienstleistungen); fi betreffend den Rechtfertigungstatbestand des Art. XIV b) GATS: eine zum Schutz menschlicher Gesundheit erforderliche Beschränkung; fi betreffend die built-in agenda und institutionelle Bestimmungen: – Reichweite der Verpflichtung zu fortschreitender Liberalisierung nach Art. XIX Abs. 1, 2 GATS: Schrittweise Erhöhung des Liberalisierungsstandes; Verminderung und Beseitigung nachteiliger Auswirkungen; Erreichung effektiven Marktzugangs; angemessene Berücksichtigung nationaler politischer Zielsetzungen; – Änderungsverfahren nationaler Verpflichtungslisten nach Art. XXI Abs. 2 GATS: Notwendige Ausgleichsmaßnahmen; allgemeines Maß gegenseitig vorteilhafter Verpflichtungen; – Nichtverletzungsbeschwerde nach Art. XXIII Abs. 3 GATS: Handelsvorteil, der vernünftigerweise zu erwarten war; zunichte machen oder schmälern.
Gegenwärtig sind viele Mitglieder keine materiellrechtlichen Liberalisierungsverpflichtungen für Gesundheitsdienstleistungen eingegangen. Die existierenden Verpflichtungen sind zudem nicht sehr weitreichend, da zumeist umfassende Öffnungsvorbehalte eingetragen wurden. Sofern zukünftig Marktöffnungsverpflichtungen eingegangen werden sollten, ist zu berücksichtigen, dass nicht nur Meistbegünstigungsprinzip, Marktzugangs- und Inländerbehandlungsgrundsatz Anwendung finden, sondern auch entsprechende Annexverpflichtungen – in Gestalt von besonderen Anforderungen an die innerstaatliche Regulierung von u. a. Qualitäts- und Sicherheitsstandards als auch die Monopolkontrolle bzw. Kontrolle der Ausübung ausschließlicher Rechte entsprechend beauftragter Dienstleistungserbringer.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
GATS kann dann, aber auch nur dann, in die mitgliedstaatliche Regelungsautonomie für die Gesundheitssysteme eingreifen. Bis dahin verbleibt die Bedeutung des GATS im Gesundheitsbereich marginal. In der Handelspraxis wird GATS insoweit keine Liberalisierungsaufgabe beigemessen, sondern eher eine unterstützende Rolle.607 Es sorgt mit der Listung von Marktöffnungsvorbehalten für eine gewisse Transparenz, welche Regulierungsinstrumente im Gesundheitssystem überhaupt liberalisierungsrelevant sind und dass bzw. wie weit die Märkte im Zweifel geschlossen sind. Allerdings geben die Länderlisten des GATS nicht genau den rechtspraktischen Marktöffnungsgrad wieder, da es zum einen den Mitgliedern freisteht über den in den Listen niedergelegten Mindestliberalisierungstand hinaus zu gehen. Zum anderen können die Listen immer nur den Rechtsbestand zum Kodifikationszeitpunkt wiedergeben und müssen, um den zwischenzeitlich erreichten Stand der nationalen Rechtsentwicklung abzubilden, im Rahmen der Handelsrunden dann in einem entsprechend formalisierten Verfahren angepasst werden.
D. Würdigung der Ergebnisse im Lichte des Rechts auf Gesundheit Inhalt des Rechts auf Gesundheit in seiner Teilverbürgung des „Rechts auf Gesundheitsversorgung“ ist es, die „Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Qualität der Gesundheitsversorgung“ der Bevölkerung sicherzustellen. Die bei Reformen und Verhandlungen im Rahmen der WTO zu berücksichtigenden Leitprinzipien, die Ausdruck der menschen- und grundrechtlichen Verbürgungen des Rechts auf Gesundheit sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: Versicherungspflicht, Universalität, Solidarität, präventiver Gesundheitsschutz bzw. -förderung, Humanität sowie gesundheitliche Eigenverantwortung und Selbstbestimmtheit des Patienten. Die grundsätzlichen Chancen und Gefahren, die eine Liberalisierung des Handels von Gesundheitsdienstleistungen in jedem der vier Modi für das Recht auf Gesundheit bietet, lassen sich wie folgt zusammenfassen608 : Modus 1 bietet die Chance, die Gesundheitsversorgung in abgelegenen und unterversorgten Gebieten zu verbessern. Die Gefahr besteht darin, dass z. B. ungeklärte datenschutz- oder haftungsrechtliche Fragen die Versorgungsqualität beeinträchtigen können. Modus 2 bietet dem Behandlungsland die Möglichkeit zusätzlicher Einnahmen durch die in seinem Territorium für ausländische Patienten erbrachten Gesundheitsdienstleistungen. Der Nachteil wird vor allem darin gesehen, dass eine ausländische (zahlungskräftige) Klientel zu Lasten der für die inländische Bevölkerung zur Verfügung gestellten Ressourcen behandelt wird (Zwei-Klassen-Medizin 607
So auch Adlung, Trade in Healthcare, S. 231 f. In Anlehnung an die Untersuchungen von Blouin/Gobrecht/Lethbrigdes/Singh/Smith/ Warner, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 203 ff. 608
D. Würdigung der Ergebnisse im Licht des Rechts auf Gesundheit
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durch unkontrollierten in-flow). Modus 3-Öffnungen können die Möglichkeit neuer Arbeitsplätze und Zugang zu neuen Technologien schaffen. Sie können im Gegenzug aber ebenfalls das Risiko einer zwei Klassen-Versorgung bergen. Folge könnte hier ein staatsinternes sog. brain drain zu Lasten der öffentlichen Versorgung sein. Modus 4 schließlich bietet den Arbeitsmigranten die Möglichkeit, Arbeitsplätze in Ländern mit höheren Verdienstmöglichkeiten und besseren Arbeitsbedingungen zu suchen. Im Umkehrschluss könnten im Heimatland eine Abwanderung von Arbeitskräften, entsprechend sinkende Investitionen in Ausbildung und letztlich Arbeitskräftemangel die Gesundheitsversorgung gefährden.609 Diese Risiken sind für die deutsche Gesundheitsversorgung nach dem gegenwärtigen geringen Stand der deutschen Marktöffnungsverpflichtungen nicht zu befürchten, da wie oben dargestellt nicht zuletzt die entsprechenden Regulierungsinstrumente im Rahmen der GATS-Systematik handelsrechtlich in der EULänderliste abgebildet sind. Dennoch geben diese Beispiele einen Eindruck davon, wie wichtig es ist, das GATS – gerade im Hinblick auf eventuelle weitere Liberalisierungsverhandlungen – so auszulegen, dass den Staaten genug Spielraum eigenverantwortlicher Gesundheitsregulierung verbleibt. Der zur Erfüllung des sozialstaatlichen Sicherstellungsauftrags dem deutschen Gesetzgeber grundsätzlich zugestandene weite Gestaltungsspielraum darf nicht beeinträchtigt werden. Die Anwendung des GATS darf insbesondere nicht die an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1 GG ausgerichteten Leitlinien für das gesetzgeberische Ermessen berühren: – bedarfswirtschaftliche Ausrichtung der vertragsärztlichen und stationären GKV-Krankenversorgung, – Anerkennung der bestehenden Vielfalt und Vielgestaltigkeit der Leistungsträger in dem pluralistisch ausgerichteten Gemeinwesen in der stationären Versorgung (Trägerpluralität) und dem freien Berufsbild der niedergelassenen Ärzte, – Gewährleistung der Autonomie der Träger und Dienstleister im ambulanten Sektor im Rahmen der Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems, – Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität bei der Leistungserfüllung der stationären Versorgung, – Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Grenzen gegenüber der Finanzierung des Versorgungssystems der GKV.610
Um diesen Spielraum zu erhalten, wurden in dieser Arbeit die dargelegten unbestimmten Rechtsbegriffe im Abkommenstext als auch die spezifischen Verpflichtungen zugunsten der größtmöglichen Souveränität der Mitglieder ausgelegt.
609 Smith/Blouin/Drager, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 236. 610 Aufzählung in Anlehnung an Quaas/Zuck, § 23 Rn. 24.
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Teil 3: Auswirkungen des GATS auf die gesetzliche Krankenversicherung
Im Hinblick auf eventuelle zukünftige Liberalisierungsverhandlungen ist der im System des GATS angelegte lock-in effect zu bedenken. Einmal gemachte Liberalisierungszugeständnisse können rechtlich nur in einem aufwändigen Verfahren und politisch nur schwerlich wieder zurückgenommen werden. Im deutschen Gesundheitsssystem ist jedenfalls gegenwärtig kein Liberalisierungsstand festgeschrieben, der die Erfüllung der menschenrechtlichen Gewährleistungsverpflichtungen des Rechts auf Gesundheit erschwert. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt besteht mithin kein Zielkonflikt zwischen dem GATS und dem Menschenrecht auf Gesundheit. Durch die bisher geringfügige Marktöffnung im Gesundheitswesen sind weder die Preise für Gesundheitsdienstleistungen gestiegen, noch hat sich das Angebot verknappt oder ist die Qualität gesunken, noch wurden bestimmte Reformvorhaben beschränkt oder gar verhindert.
Thesen und Zusammenfassung 1. Der Gesundheitsbereich ist ein immer noch vor allem nationalstaatlich geprägter Sektor. Grenzüberschreitende Bedeutung erlangt die Gesundheitsversorgung zunehmend im Binnenmarkt. Demgegenüber zeigt die multilaterale Ebene des GATS bislang noch keine größeren Auswirkungen. Die Bedeutung des GATS im Gesundheitsbereich liegt gegenwärtig weniger in der weiteren Liberalisierung als in der Förderung der Transparenz bestehender Regulierungsinstrumente und Marktbeschränkungen. Demgegenüber nimmt auf EU-Ebene der Binnemarkt für Gesundheitsdienstleistungen u. a. mit der Richtlinie „Patientenmobilität“ bereits konkrete Formen an. Diese unterschiedlichen Stoßrichtungen auf EU- und Welthandelsebene dürften auf absehbare Zeit bleiben. Denn auf EU-Ebene gibt es grundsätzlich nur zwischen drei Grundstrukturen changierende Gesundheitssystemtypen – Beveridge, Bismarck und privatfinanzierte Systeme. Auf multilateraler Ebene besteht hingegen eine viel größere Vielfalt an Gesundheitssystemen. Die Unterschiede der Systemorganisation und nichtzuletzt auch der gesundheitsethischen Prägungen zwischen den WTO-Mitgliedern sind auf absehbare Zeit hier jedenfalls zu groß für gemeinsame Marktöffnungsschritte. Das GATS schreibt den Mitgliedstaaten nicht die Wahl eines bestimmten Gesundheitssystems, insbesondere nicht die Art seiner Finanzierung (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Privatversicherung) vor. Es belässt den Mitgliedern die Möglichkeit, ihre nationalen Regulierungssysteme umfassend beizubehalten. Es verlangt allerdings, diese dann für alle WTO-Mitglieder transparent zu machen. Entschließt sich ein Mitglied, einen Dienstleistungssektor dem Markt ggf. auch nur in Teilbereichen zu öffnen, sind diese – teilweisen – Marktöffnungsverpflichtungen in die Länderlisten einzutragen. Ebenso sind Vorbehalte zur Aufrechterhaltung entsprechender Regulierungsinstrumente in diesen Sektoren dort aufzuführen. Das GATS definiert Gesundheitsdienstleistungen nicht. Vielmehr erfasst es sie enumerativ über die entsprechend der volkswirtschaftlichen Sektortrennung vom GATT-Sekretariat entwickelten Klassifikationsliste SSC. Jedem Sektor sind Auffangtatbestände zugeordnet, so dass jede Gesundheitsdienstleistung nach der SSCListe klassifizierbar ist. Für die Beurteilung der Auswirkungen des GATS auf das deutsche Gesundheitssystem sind nicht nur die Gesundheitsdienstleistungen relevant, die in der SSC-Liste namentlich als „Gesundheitsbezogene und soziale Dienstleistungen“ (Sektor 8) geführt werden. Vielmehr umfassen auch die Sektoren „1. Unternehmensbezogene Dienstleistungen“, „7. Finanzdienstleistungen“ und
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Thesen und Zusammenfassung
„12. Sonstige nicht anderweitig erfasste Dienstleistungen“ beurteilungserhebliche Gesundheitsdienstleistungen: – Sektor 1 A/F: Dienstleistungen von Zahn-/Humanmedizinern und sonstigen Angehörigen der Gesundheitsberufe inklusive Apothekern, Physiotherapeuten, Hebammen und Sanitätern wie auch Dienste der Vermittlungsagenturen von Gesundheitspersonal; – Sektor 7 A: Versicherungsdienstleistungen (u. a. Krankenversicherungsdienstleistungen, die nicht im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit erbracht werden); – Sektor 8 A – D: Krankenhaus-, Soziale und andere der Gesundheit dienende Dienstleistungen, z. B. Labordienstleistungen, Krankentransporte; – Sektor 12: Kosmetische und Wellness-Dienstleistungen. 2. Die Wirkungsweise des GATS ist abhängig von den Besonderheiten des jeweiligen Dienstleistungssektors, auf den es Anwendung findet. Gesundheitsdienstleistungen werden charakterisiert durch eine hohe Regulierungsintensität, die effizienter Ressourcenallokation und gesellschafts- wie sozialpolitisch motivierter Redistribution dient. Die Regulierungsdichte im Gesundheitsbereich verhindert grundsätzlich, dass Gesundheitsmärkte Wettbewerbsmärkte sind. Die zentralen Instrumente, die einen Marktwettbewerb im klassischen Sinne im deutschen Gesundheitssystem einschränken, sind: – Sicherstellungsauftrag, Bedarfsplanung und plangeleitete Investitionsförderung von den Organen der Selbstverwaltung und z. T. auch direkt von der öffentlichen Hand gewährleistete ambulante und stationäre Krankenhausversorgung statt Allokation durch einen uneingeschränkten Marktwettbewerb; – sog. „administrierte“ Preise für Gesundheitsdienstleistungen der GKV durch das Punktwertsystem nach EBM, die Fallpauschalenfinanzierung über DRGs sowie der Grundsatz der Beitragssatzstabilität statt einer Preiskontrolle des Wettbewerbsmarktes; – starke Qualitätsregulierung neben der Qualitätskontrolle durch den Wettbewerbsmarkt; – Pflichtversicherung unterhalb der Versicherungspflichtgrenze statt Wahlfreiheit auf dem Anbietermarkt; – Leistungsangebotsregulierung statt Gestaltung des Leistungsumfangs entsprechend der Nachfrage; – Risikostrukturausgleich zwischen den gesetzlichen Krankenkassen statt unternehmensbezogener Risikoverteilung. 3. Die Reichweite der Anwendung des GATS ist vielfach noch ungesichert, da es eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe verwendet. Deren Auslegung ist
Thesen und Zusammenfassung
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rechtlich nicht geklärt. Die Spruchpraxis der WTO-Streitbeilegungsorgane konzentrierte sich bislang vor allem auf das GATT. Im Weltdienstleistungsrecht steht man hier erst am Anfang. Es finden sich in sämtlichen Kapiteln des GATS „Einfallstore“ für seine weite, den Spielraum nationaler Gesundheitsregulierung aufrechterhaltende Auslegung. Die wichtigsten Einfallstore finden sich in den Bereichsausnahmevorschriften Art. I Abs. 3 b), c) GATS sowie Ziff. 1 b) ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen als auch in den Tatbeständen der zentralen Liberalisierungsverpflichtungen (Art. II, III, VI, VIII, XVI, XVII GATS). Große Bedeutung kommt daneben auch der Rechtfertigungsebene (Art. XIV GATS), den Vorschriften der built-in agenda und dem institutionellen Rahmen zu. 4. Bei der Auslegung des GATS sind sowohl die allgemeinen geschriebenen und ungeschriebenen völkervertraglichen Auslegungsgrundsätze als auch die Menschen- und Grundrechtsverpflichtungen zu berücksichtigen. Der Gewährleistungsgehalt des Rechts auf Gesundheit verpflichtet zu einer den Spielraum der deutschen Gesundheitsregulierung möglichst schonenden Auslegung. Das bedeutet, dass die GATS-Pflichten grundsätzlich entsprechend restriktiv auszulegen sind. Die menschenrechtsbezogene Auslegung des GATS sucht eventuelle Zielkonflikte mit Maßnahmen der Mitglieder, die bei der Verwirklichung eines zunehmenden Grads an Liberalisierung des Dienstleistungshandels auftreten können, zugunsten der Menschenrechte zu lösen. Daher ist im konkreten Fall derjenigen Auslegung zu folgen, die den Mitgliedern die größtmögliche Souveränität bei der Umsetzung ihrer GATS-Pflichten belässt. Inhalt des Rechts auf Gesundheit – in seiner Teilverbürgung des „Rechts auf Gesundheitsversorgung“ – ist es, die „Verfügbarkeit, Zugänglichkeit und Qualität der Grundversorgung“ der Bevölkerung sicherzustellen. Deutschland ist als Signatarstaat der internationalen Menschenrechtskodifikationen insoweit gehalten, einen gleichberechtigten Zugang und eine nachhaltige Finanzierung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Der dem deutschen Gesetzgeber zur Erfüllung dieser in den sozialstaatlichen Sicherstellungsauftrag eingefassten Verpflichtungen zugestandene weite Gestaltungsspielraum darf nicht beeinträchtigt werden. Insoweit darf die Anwendung des GATS grundsätzlich nicht die an den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 Abs. 1 GG ausgerichteten Leitlinien für das gesetzgeberische Ermessen einschränken: – bedarfswirtschaftliche Ausrichtung der vertragsärztlichen und stationären GKVKrankenversorgung, – Anerkennung der bestehenden Vielfalt und Vielgestaltigkeit der Leistungsträger in der stationären Versorgung (Trägerpluralität) und dem freien Berufsbild der niedergelassenen Ärzteschaft,
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– Gewährleistung der Autonomie von Trägern und Dienstleistern im ambulanten Sektor im Rahmen der Funktionsfähigkeit des Versorgungssystems, – Anwendung des Grundsatzes der Subsidiarität bei der Leistungserfüllung der stationären Versorgung, – Beachtung der gesamtwirtschaftlichen Grenzen gegenüber der Finanzierung des Versorgungssystems der GKV. 5. Der Anwendungsbereich des GATS erfasst sämtliche Sektoren, die Gesundheitsdienstleistungen betreffen. Ausgenommen sind die Gesundheitsdienstleistungen, die „in Ausübung hoheitlicher Gewalt“ im Sinne von Art. 1 Abs. 3 b), c) GATS oder als „Tätigkeiten im Rahmen eines gesetzlichen Systems sozialer Sicherheit“ nach Ziff. 1 b) ii) der Anlage zu Finanzdienstleistungen erbracht werden. In Ausübung hoheitlicher Gewalt werden Dienstleistungen erbracht, wenn sie weder „zu kommerziellen Zwecken“ noch „im Wettbewerb mit anderen Dienstleistern“ und mit „hoheitlichem Bezug“ ausgeführt werden. Kommerzialität wird nach dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Ansatz derart definiert, dass der Dienstleister mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt haben muss. Die Gewinnerzielungsabsicht muss sich wiederum in einer „wirtschaftsstrategischen Ausrichtung“ bzw. einer „profitablen Organisationsstruktur“ des Dienstleisters verobjektivieren. Das ist dann der Fall, wenn die Dienstleistung gegen ein Entgelt geleistet wird, das die Kosten der Dienstleistungserbringung deckt. Bei der Auslegung des Wettbewerbskriteriums ist auf die Grundsätze der likeness von Dienstleistungen zurückzugreifen. Diese Grundsätze wurden vom Appellate Body in Anlehnung an die like products-Doktrin im GATT entwickelt. In diesem Sinne ist nach der Substituierbarkeit der ambulanten, stationären, versicherungsrechtlichen oder sonstigen Gesundheitsdienstleistung bzw. der Dienstleister aus Endverbrauchersicht zu fragen. Darüber hinaus wird darauf abgestellt, ob ein Anbieterwettbewerb vorliegt. Das GATS ist nach dieser differenzierenden Auslegung der Bereichsausnahme grundsätzlich auf folgende Gesundheitsdienstleistungen des deutschen Gesundheitswesens anwendbar: – in Sektor 1 A: Alle Dienstleistungsanbieter; – in Sektor 7 A: PKV-Versicherungen; freiwillige Versicherungen bei einer gesetzlichen Krankenkasse für Versicherte mit einem Einkommen oberhalb der Versicherungspflichtgrenze; Zusatzversicherungen nach § 194 Abs. 1a SGB V; – in Sektor 8: Alle Dienstleistungsanbieter; – Sektor 12: Sämtliche gewerblichen Wellness- und Schönheitsdienstleistungen. 6. Ob die spezifischen GATS-Verpflichtungen nach Art. XVI, XVII und XVIII GATS nationaler Gesundheitsregulierung den nötigen Spielraum bieten, hängt
Thesen und Zusammenfassung
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von den einzelnen Marktöffnungsverpflichtungen ab, die jedes Mitglied in seine Verpflichtungsliste einträgt. Das GATS beschränkt Deutschland also nicht per se darin, eigenverantwortlich Organisation und Erbringung der Gesundheitsversorgung im Rahmen der GKV entsprechend den Gewährleistungsverpflichtungen des Rechts auf Gesundheit zu regulieren. Um sich den notwendigen Regulierungsspielraum zu erhalten, muss Deutschland alle Regulierungsmaßnahmen, die nach Art. XVI, XVII und ggf. XVIII GATS handelsrelevant sind, in seine Verpflichtungsliste eintragen. Die Gesundheitsreformen dürfen hinter diesen Marktöffnungsverpflichtungen nicht zurückbleiben. Denn nach dem lock in effect können einmal getroffene Liberalisierungsvereinbarungen nur im Rahmen von Ausgleichsmaßnahmeverhandlungen geändert werden. Das GATS gebietet weder die Auflösung noch die Einschränkung der sozialen Krankenversicherungssysteme und etwaiger monopolistischer oder vergleichbarer Strukturen. Monopole können mit dem GATS vereinbar sein, weil das GATS den Mitgliedstaaten explizit die Möglichkeit an die Hand gibt, entsprechende Ausnahmen von den allgemeinen Verpflichtungen festzuschreiben. Das GATS drängt mithin weder die Staaten im Verhältnis zum Markt per se zurück, noch unterwirft es im Allgemeininteresse wirkende Universaldienstleister uneingeschränkt dem Wettbewerb. Die Pflichtenintensität ist viel geringer als im EU-Binnenmarkt. Den Mitgliedern steht anders als im EU-Recht die Möglichkeit offen, in ihre Verpflichtungslisten umfassende Marktöffnungsvorbehalte einzutragen. Darüber hinaus gilt im GATS anders als im EU-Recht grundsätzlich kein umfassendes Diskriminierungsverbot. Der Inländerbehandlungsgrundsatz gilt im GATS nur, soweit die Mitglieder entsprechende Verpflichtungen in ihre nationalen Listen eingetragen haben. Im Übrigen sind die Mitglieder nur an den Meistbegünstigungsgrundsatz gebunden, soweit sie sich nicht auch hier eine Ausnahme vorbehalten haben. 7. Der derzeitige Marktöffnungsstand ist für Gesundheitsdienstleistungen in der deutschen Verpflichtungsliste gering. Die vielzähligen Eintragungen in den Gesundheitsdienstleistungssektoren und den angrenzenden Sektoren der Telekommunikations- und Finanzdienstleistungen mit Gesundheitsbezug enthalten überwiegend Vorbehalte (z. B. Freizeichnung von jeglicher Marktöffnung, Vorbehalt von Bedürfnisprüfungen, Niederlassungsbeschränkungen oder Staatsangehörigkeitserfordernis). Die deutsche Verpflichtungsliste enthält neun differenzierte Marktzugangsbeschränkungen für Gesundheitsdienstleistungen, sieben „Unbound“-Eintragungen für eine vollständige Marktabschottung und fünf „None“-Eintragungen in den verschiedenen Modi für eine ausdrückliche umfassende Marktöffnung verschiedener Gesundheitsdienstleistungen. Im Einzelnen verpflichtet sich Deutschland, Marktzugang und Inländerbehandlung in unterschiedlicher Abstufung zu gewähren gegenüber folgenden (Sub-)Sektoren: Zahn-/Humanmedizinern und Hebammen, Krankenpflegepersonal, Krankengymnasten und Sanitätern, Apothekern, Vermittlungsdiensten von Pflegepersonal und sonstigem Personal, für Krankenversiche-
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rungsdienstleister außerhalb gesetzlicher Systeme sozialer Sicherheit, Krankenhäuser sowie für soziale Dienstleistungen und schließlich auch für Friseur-, Kosmetik- und Wellnessdienstleister. Diese Marktöffnung wird weiter eingeschränkt durch sektorunspezifische allgemeine horizontale Verpflichtungen. Deutschland hat wie auch die anderen EUMitgliedstaaten hier vor allem von folgenden Regulierungsinstrumenten Gebrauch gemacht: Monopole und Sonderrechte für Daseinsvorsorgeeinrichtungen in Modus 3 (sog. public utilities-Vorbehalt), Beschränkung der Beihilfen auf Unternehmen mit EU-Niederlassungen, Ausschluss der automatischen Anerkennung von Berufsqualifikationen aus EU-Drittstaaten und ferner Beschränkung der Arbeitsmigration in Modus 4 auf besonders qualifizierte Dienstleister (unternehmensintern versetzte Beschäftigte, Geschäftsreisende, Vertragsdienstleister, freiberuflich Tätige). Darüber hinaus prägen den deutschen Marktöffnungsstand zwei zentrale Besonderheiten: Zum einen wird nur im Versicherungssektor Marktzugang für Distanzdienstleistungen in Modus 1 gewährt. In den übrigen Sektoren bleibt Deutschland in Modus 1 ungebunden. Der liberale Ansatz in Sektor 7.A. liegt in der Natur der Versicherungsdienstleistung an sich begründet, deren klassisches Betätigungsfeld die Distanzdienstleistung ist. Versicherungsdienstleistungen der GKV sind von dieser Marktöffnung allerdings nach Ziff. 1 a) ii) der Anlage Finanzdienstleistungen ausgenommen. Zum anderen wird die Bedarfsplanung für Vertragsärzte/Vertragszahnärzte gelistet, da es sich hier um eine quantitative Beschränkung i.S.v. Art. XVI Abs. 2 a) GATS handelt. Das Staatsangehörigkeitserfordernis für die Approbationserteilung nach deutschem ärztlichen Berufszulassungsrecht wird als Beschränkung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS gelistet. Drittstaater konnten bis zum Inkrafttreten des Anerkennungsgesetzes am 1. April 2012 daher nur eine zeitlich begrenzte Berufserlaubnis für eine ärztliche Tätigkeit in Deutschland erhalten, aber keine Approbation. Die Krankenhausplanung wiederum kann im Rahmen der weiten Auslegung des public utilities-Vorbehalts beibehalten werden. Gleiches gilt für die neue Beschränkung der Rechtsform für MVZ. Denn seit dem 1. Januar 2012 dürfen diese aus Gründen vor allem des Patientenschutzes nicht mehr als Aktiengesellschaften betrieben werden. 8. Die rechtspraktische Bedeutung des Grundsatzes der Inländerbehandlung für die deutsche Gesundheitsregulierung liegt weniger in der Gefahr de jure als de facto diskriminierender Vorschriften. Statt ausdrücklich an die Staatsangehörigkeit anzuknüpfen – was sich zumeist bereits aus unionsrechtlichen Gründen verbietet –, sind es die auf den ersten Blick scheinbar neutralen Unterscheidungsmerkmale, die in der Praxis von großer Bedeutung sind. Diese Vorschriften können ausländische Wettbewerber de facto diskriminieren. Entsprechende Auswirkungen nationaler Regulierung sind insoweit bei eventuellen weiteren Liberalisierungsschritten zu berücksichtigen. Die WTO-Mitglieder haben daher umfassende Vorbehalte in ihre Länderlisten eingetragen.
Thesen und Zusammenfassung
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Eine de facto-Diskriminierung gegenüber einem ausländischen Krankenhausträger kann darin gesehen werden, dass es ausländischen Anbietern schwerer fallen dürfte, in den Bedarfsplan eines Bundeslandes (§ 6 KHG) aufgenommen zu werden und damit die Voraussetzungen einer eventuellen Investitionskostenförderung zu erfüllen. Diese Benachteiligung wäre allerdings GATS-rechtlich legitim, da die EUMitgliedstaaten im horizontalen Teil der EU-Verpflichtungsliste einen Fördervorbehalt für EU-Inländer festgehalten haben. Darüber hinaus haben die EU-Mitgliedstaaten ausdrücklich ausgeschlossen, dass die EU-Berufsqualifikationsrichtlinie zur gegenseitigen Anerkennung von Befähigungsnachweisen auch für Drittstaatsangehörige gilt. Zudem berechtigt die in einem EU-Mitgliedstaat ausgestellte Erlaubnis eines Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nicht auch zu deren EU-weiter Ausübung. Ein beispielsweise in Belgien angestellter Arzt aus einem Drittstaat muß mithin für die vorübergehende Anstellung in einem MVZ in Deutschland grundsätzlich eine deutsche Arbeitserlaubnis beantragen. 9. Über die Regelungen zum Marktzugang und zur Inländerverpflichtung könnte der Spielraum deutscher Gesundheitsregulierung ggf. durch sog. Nichtverletzungsbeschwerden (non-violation complaints) gem. Art. XXIII GATS unter Druck geraten. Ausländische Anbieter können im Wege der sog. Nichtverletzungsbeschwerde – non-violation complaint – gem. XXIII Abs. 3 GATS vorgehen. Sie müssten nachweisen, dass die aufgrund von Eintragungen in die Verpflichtungslisten erwarteten Handelsvorteile nicht gewährt werden, weil ein Mitglied hinter seinen Liberalisierungsverpflichtungen zurückbleibt. Allerdings kann das betroffene WTO-Mitglied selbst nach festgestellter Verletzung von Handelsinteressen in einem derartigen Verfahren nicht unmittelbar zur Aufhebung der ursächlichen nationalen Regulierung verpflichtet werden, wohl aber ggf. zu einer Kompensationszahlung. Die beteiligten WTO-Mitglieder haben in Nichtverletzungsbeschwerdeverfahren grundsätzlich einvernehmlich nach einer Lösung zu suchen. Letztlich dürfte damit von der Höhe der Kompensationszahlung die Anpassung der nationalen Regulierung abhängen. 10. Die allgemeinen Verpflichtungen des GATS wirken auf die deutsche Gesundheitsregulierung in geringerer Intensität als die spezifischen Marktöffnungsverpflichtungen. Innerhalb der allgemeinen Verpflichtungen reichen die materiellrechtlichen Annexpflichten am weitesten, während die allgemeinen Konsultationspflichten die schwächsten Pflichten sind. Ein Zielkonflikt mit dem Recht auf Gesundheit lässt sich hier gegenwärtig nicht feststellen. Die deutsche Gesundheitsregulierung wird nicht durch allgemeine Verpflichtungen, insbesondere die Vorschriften zur innerstaatlichen Regulierung des Art. VI GATS, eingeschränkt. Zum einen gibt es keine entsprechenden Disziplinen für Gesundheitsdienstleistungen. Zum anderen ist der größte Teil der Qualitäts- und Qualifikationsstandards in Deutschland bereits vor Inkrafttreten des GATS kodifiziert worden. Aber auch für die erst nach Abschluss des GATS 1995 in Kraft ge-
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Thesen und Zusammenfassung
tretenden nationalen Vorschriften folgen keine Einschränkungen durch Art. VI GATS. Denn die mit Abschluss des GATS in die deutsche Länderliste eingetragenen Marktöffnungsvorbehalte sind insoweit umfassender Natur. Auch im Bereich der Monopolvorschriften sieht es ähnlich aus. Ob Art. VIII Abs. 2 GATS die nationale Gesundheitsregulierung einschränken könnte, hängt maßgeblich – wie auch bereits bei dem Meistbegünstigungsprinzip in Art. VIII Abs. 1 GATS – davon ab, ob die Verletzung der eingetragenen Marktöffnungsverpflichtung tatsächlich notwendig ist, um die Ziele nationaler Gesundheitsregulierung umzusetzen. Im deutschen Gesundheitswesen ist derzeit keine derartige Notwendigkeit ersichtlich. Die Marktöffnungsverpflichtungen bzw. -vorbehalte sind so gesetzt, dass der Gesundheitsregulierung der notwendige Spielraum verbleibt. Art. VIII Abs. 4 GATS ist dagegen bedenklicher, da er Kompensationszahlungen bei Ausweitung bestehender oder Einführung neuer Monopol- bzw. ausschließlicher Rechte vorsieht. Diese Regelung kann die Kompetenz der Mitglieder, über die Frage zukünftiger innerstaatlicher Organisationsformen einschränken. Die Anforderungen des Abs. 4 können durchaus die Wahlfreiheit bei der Ausgestaltung monopolisierter Organisationsstrukturen beschränken. Für jede Neuvermessung der Parameter zwischen Wirtschafts- und Sozialversicherungsrecht kann damit grundsätzlich Art. VIII Abs. 4 GATS relevant werden. 11. Die Möglichkeit, handelsbeschränkende Maßnahmen der Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen rechtfertigen zu können, ist geeignet, den Einfluss des GATS auf die nationale Gesundheitsregulierung zu begrenzen. Sie stellt allerdings in einem einmal geöffneten (Unter-)Sektor nicht wieder die volle nationale Regulierungssouveränität her. Die Rechtfertigungsmöglichkeiten des Art. XIV GATS sind in zweifacher Hinsicht beschränkt. Zum einen gibt es Kategorisierungen nach Fallgruppen. Die wichtigsten Fallgruppen sind vorliegend die öffentliche Ordnung und der Schutz der menschlichen Gesundheit. Andere Regulierungsziele wie beispielsweise Verbraucherschutz oder Sicherung des Zugangs zu Universaldienstleistungen, berechtigen nicht zur Einschränkung von GATS-Verpflichtungen. Zum anderen ist die Rechtfertigung einer strengen Erforderlichkeitsprüfung unterworfen. 12. Der Ansatz fortschreitender Liberalisierung der built-in agenda des GATS erstreckt sich grundsätzlich auch auf Gesundheitsdienstleistungen, zeigt aber bislang keine tatsächlich praktischen Auswirkungen. Grundsätzlich ist auch im Gesundheitsbereich schrittweise ein höherer Stand der Liberalisierung anzustreben. Denn Art. XIX GATS gilt sektorüberschreifend. Das heißt, die nachteiligen Auswirkungen von Maßnahmen auf den Handel mit Dienstleistungen sollen umfassend vermindert oder beseitigt werden. Die built-in agenda des GATS verfolgt das Ziel, die Interessen aller Beteiligten auf der Grundlage des gemeinsamen Nutzens zu fördern und ein insgesamt ausgeglichenes Verhältnis von Rechten und Pflichten zu gewährleisten. Nach allgemein völkervertragsrecht-
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licher wie auch speziell menschenrechtlicher Auslegung ist auch hier der Regulierungsspielraum der Mitgliedstaaten bei den Verhandlungen weiterer Liberalisierungsverpflichtungen angemessen zu wahren. Das heißt: Die Mitglieder dürfen sich nicht Verpflichtungen unterwerfen, die sie darin einschränken könnten, eine allgemein zugängliche, qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Eine weitergehende Liberalisierung nach GATS wird dann – nicht nur für das deutsche Gesundheitssystem – interessant, wenn die Rolle privater Dienstleister gestärkt wird und man auf den Wettbewerb zwischen nationalen und ausländischen Anbietern setzt, um eine effizientere Ressourcenallokation zu ermöglichen und z. B. den Zugang zu neuer, im Inland nicht erhältlicher Technologie oder sonstigen Leistungsangeboten zu erschließen. Das GATS selbst zwingt aber nicht zu einer derartigen Umstrukturierung – insbesondere Privatisierung – der Gesundheitsversorgung. Die WTO-Mitglieder lassen bislang grundsätzlich kein Interesse an einer weitergehenden Liberalisierung auf multilateraler Ebene im Gesundheitsbereich erkennen. Bei der Frage, ob weitere Liberalisierungsverpflichtungen im Gesundheitsbereich angemessen sind, sind die vielfältigen Auswirkungen des GATS auf das Gesundheitssystem und angrenzende eng verbundene Bereiche zu berücksichtigen. Eine weitere Stärkung des Wettbewerbs zwischen GKV und PKV, wie sie in den Reformdiskussionen thematisiert wird, zieht jedenfalls nicht automatisch eine weitergehende Marktöffnung nach dem GATS im deutschen Gesundheitssystem nach sich. Entscheidend zu beachten ist insoweit, dass einmal übernommene Liberalisierungsverpflichtungen den Rahmen für weitere nationale Reformen vorgeben. Hinter diesen status quo eines Mindestmarktöffnungsstandes nach dem GATS kann nicht wieder zurückgegangen werden ohne Ausgleichsmaßnahmeverhandlungen.
Anhang 1: Erbringungsformen von Gesundheitsdienstleistungen nach Art. 57 AEUV Ausdrücklich in Art. 57 AEUV genannte Erbringungsformen
Abgeleitete Erbringungsformen
Aktive/positive Passive/negative KorrespondenzDienstleistungs- Dienstleistungs- dienstleistung freiheit freiheit
Auslandsbedingte Dienstleistung (1)
Auslandsbedingte Dienstleistung (2)
Leistungserbringer z. B. Arzt oder Rettungswagen begibt sich in den Mitgliedstaat des Leistungsempfängers Patient.
Arzt und Patient sind in demselben Mitgliedstaat ansässig, die Leistung wird jedoch im EUAusland erbracht z. B. Digitalisierung eines Röntgenbildes, Anfertigung einer Prothese.
Arzt und Patient überschreiten zwecks Behandlung gemeinsam die Grenze eines anderen Mitgliedsstaates und kehren nach der Behandlung in ihren Ursprungsstaat zurück.
Der Patient begibt sich in den Mitgliedstaat des Arztes anlässlich eines Urlaubs oder gezielt für eine Behandlung.
Patient und Arzt verbleiben in ihren Mitgliedstaaten, nur die Dienstleistung überschreitet die Grenze z. B. eine telefonische ärztliche Beratung oder Ferndiagnose.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Holoubek, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, Art. 49, Rn. 47 ff. m.w.N.
Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen Die ersten drei Spalten auf der linken Seite stellen die Untergliederung der SSCListe dar. Die rechte Spalte enthält die Beschreibung der Dienstleistung der CPCListe der Vereinten Nationen, auf die die Verpflichtungslisten verweisen. SSC-Liste des GATT-Sekretariats Sektor
Untergruppe
A. ProfesSektor 1: sog. Business sional services services
CPC-Liste der Vereinten Nationen1 Kleinstgruppen
Definition der jeweiligen Dienstleistung
h.) Medical and dental services (Verweis auf 9312 CPCprov.)
Medical and dental services (9312): General medical services (93121): prevention, diagnosis and treatment by doctors of medicine of physical and/or mental diseases of a general nature, such as consultations, injections (limited and/or periodical), physical check-ups etc.; these services are not limited to specified or particular conditions, diseases or anatomical regions; they can be provided in general practitioners’ practices, and also delivered by out-patient clinics, attached to firms, schools etc.
1 Da die SSC-Liste des GATT-Sekretariats (MTN.GNS/W/120) und damit die in die im Rahmen des GATS von den Mitgliedern eingegangenen Verpflichtungen auf die alte CPCprov (Provisional Central Product Classification) verweisen, wird in dieser Arbeit ebenfalls mit der Version CPCprov. gearbeitet. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die zwischenzeitlich erarbeitete Version CPC Ver.2 an verschiedenen Stellen stärker ausdifferenziert wurde entsprechend den technischen und rechtlichen Entwicklungen.
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Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen
Spezialised medical services (93122): diagnosis and treatment services by doctors of medicine of diseases of a specific nature, delivered in a specialists’ practice or health institution (including hospital in-/out-patient clinics); [exclusion: services of medical laboratories are classified in subclass/93199 (Other human health services n.e.c.); Dental Services (93123): diagnosis and treatment services of diseases affecting the patient’s theeth of aberrations in the cavity of the mouth, and services aimed at the prevention of development of dental diseases, including dental surgery even when given in hospitals to inpatients); j.) Services provided by midwives, nurses, physiotherapists and para-medical personnel (Verweis auf 93191 CPCprov.)
Deliveries and related services, nursing services, physiotherapeutic and para-medical service (93191): Services such as supersvision during pregnancy and childbirth and the supervision of the mother after birth; services in the field of nursing (without admission) care, advice and prevention for patients at home; the para-medical services are services in the field of physiotherapy, ergotherapy, occupational therapy, speech therapy, homeopathy, acupuncture, nutrition instructions, etc.).
Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen
k.) Other (e. g. supply of pharmaceutical goods to the general public (pharmacists)2
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Sales on a fee or contract basis of pharmaceutical and medical goods and cosmetics (62117): – Wholesaling services by commission agents, commodity brokers, auctioneers and other wholesalers who trade on behalf of others, of pharmaceutical and medical goods and cosmetics (goods classified in CPC 352, 353, 481). Wholesale trade services of pharmaceutical and medical goods and cosmetics (6225): – Pharmaceutical and medical goods (62251), – Surgical and orthopaedic instruments and devices (62252), – Perfumery, cosmetics and soaps (62253). Retail sales of pharmaceuticals and medical goods and cosmetics (6321; see wholesale).
F. Other business services
k.) Supply services of […] nursing and other personnel (Verweis auf CPCprov. 872)
– Supply services of nursing personnel (87206): Services consisting in supplying on a fee or contract basis to the clients, whether on a temporary or long-term basis, nursing personnel hired by the supplier, who pays their emoluments. Included are supply services of nurses, nursing assistants and other health care aides. – Supply services of other personnel (87209): Not elsewhere classified.
2 Die Ordnungsziffer „k“ wird in der offiziellen Verpflichtungsliste der Europäischen Union (wohl) versehentlich nicht mit aufgeführt. Die Liste ist abrufbar unter http://tsdb.wto.org/, Stand: Oktober 2012.
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Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen
Sektor 7: sog. Financial services
A. All insurance and insurance-related services
a.) Life, accident and health Insurance (812; including reinsurance) and pension fund insurance services services, except compulsory (Verweis auf 8121)3 social security services, classified in troup 913): – Non-Life insurance services (8129): ~ Acccident and health insurance services (81291): Insurance underwriting services consisting in making payments for covering expenses due to accident or sickness by the policy holder; – Compulsory social security services (913): ~ Sickness, maternity or temporary disablement benefits (91310): public administrativ services for sickness, maternity or temporary disablement benefit affairs; administrative and operational services for social security affairs, involving provision of benefits for loss of income due to sickness, childbirth or temporary disablement. ~ Governments employee pension schemes; old-age, disability or survivors’ benefits other than for government employees (91320): public administrative services for government employee pension schemes, and for old-age, disability or survivors’ benefits other than for government employees; administrative and operational services for retirement, pension
3 Der Verweis auf CPC (prov) Code 8121 (Life insurance and pension fund services) ist missverständlich, da Krankenversicherungsdienstleistungen unter CPC (prov) Code 8129 (Non-life insurance services) geführt werden; entsprechend ist in der Tabelle insoweit nur die Subklassifikation Code 81291 dargestellt.
Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen
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and disability plans for government employees and their survivors, including government social assistance schemes to compensate for permanent loss of income due to partial or full disablement. d.) Services auxiliary to insurance (including brokage and agency services)
Sektor 8: sog. Health related and social services4 (other than those listed under 1.A. h – j)
A. Hospital services (Verweis auf CPCprov. 9311)
Services auxiliary to insurance and pension funding (8140): Services closely related to management of insurance and pension funding. – Human health services (931): ~ Hospital services (93110): services delivered under the direction of medical doctors chiefly to in-patients, aimed at curing, restoring and/or maintaining the health of a patient; hospital services comprise medical and paramedical services, nursing services, laboratory and technical services including radiological and anaesthesiological services, etc.; prison hospital services; ~ Services delivered by hospital out-patient clinics are classified in subclass 93121 (general medical services) or 93122 (specialised medical services); dental services are classified in subclass 93123; ambulance services are classified in subclass 93192]; – Military defense services (91240): Public administrative services for military defence affairs, e. g. services for health activities for military personnel.
4 Soziale Dienstleistungen werden in dieser Arbeit nur insoweit behandelt, als Rehabilitations- und Pflegedienstleistungen betroffen sind.
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Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen
B. Other human health services (Verweis CPCprov. 9319 other than 93191)
Other human health services (9319): Ambulance services (93192): general and specialised medical services delivered in the ambulance; Residential health facilities services other than hospital services (93193): combined lodging and medical services not carried out under the supervision of a medical doctor located on the premises; Other human health services (93199) in the field of: morphological or chemical pathology, bacteriology, virology immunology etc, and services not elsewhere classified, such as blood collection services.
C. Social services (Verweis auf CPCprov. 933)
Social services with accommodatio (93311, 93312, 93319): welfare services deliveries through residential institutions to old persons and the handicapped and children and other clients; other social services with accommodation; Social services without accommodation (93321, 93322, 93323, 93324, 93329): child day-care services, guidance and counseling services related to children; welfare services not delivered through residential institutions; vocational rehabilitation services – excluding services where the education component is predominant); other social services without accommodation).
D. Other [Keine nähere Beschreibung (health related services and social services) vorhanden]
Anhang 2: Volkswirtschaftliche Klassifikation von Gesundheitsdienstleistungen
Sektor 12 Other Services not included elsewhere (Verweis auf CPCpro. 95+ 97+98+99)
[Mit Gesundheitsbezug nur:] cosmetic treatment, manicure, pedicure services, hairdressing services – physical well-beeing services, other beauty treament services
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Cosmetic treatment, manicuring and pedicuring services (Subclass 9722); Physical well-being services (Subclass 9723: physical, well-being services such as delivered by Turkish baths, sauna and steam baths, solarium, spas, reducing and slimming salons, fitness centers, massage (excluding therapeutic massage) and the like. This subclass does not include: medical treatment services, cf. 931); Other beauty treatment services (Subclass 9729: personal hygiene, body care, depilation, treatment with ultraviolet rays and infra-red rays and other hygiene services. This subclass does not include: medical treatment services, cf. 931); Hairdressing and barbers’ services (Subclass 9721).
Quelle: Eigene Darstellung aufbauend auf WTO, Services Sector Classification List, Note by the Secretariat, MTN.GNS/W/120 vom 10. Juli 1991; UNSD, CPCprov.; WTO, Health and social services, S. 22; Nielson, in: Blouin/Drager/Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 133 f.; Falke, S. 176 ff.
Daneben treten die in der CPC-Systematik als sog. öffentlichen Dienstleistungen in CPC Code 91 gelisteten Dienstleistungssektoren mit Gesundheitsbezug CPC Code 911 administrative services of the government (91122, 91123), auf die die SSCListe des GATT-Sekretariats allerdings nicht verweist.5
5
CPCprov.Code: 91122: „Administrative health care services […]; exclusion: Sickness benefit services are classified in subclass 91310 (Sickness, maternity or temporary disablement benefits); CPCprov. Code: 91123 – Administrative housing and community amenity […]“. Das entspricht CPC Ver. 2 Code 91122: „Public administrative services related to health care […]; this subclass does not include: public administrative services related to sickness, maternity or temporary disablement benefit schemes, cf. 91310; provision of social services, with or without accommodation, cf. 932, 933, 934, 935; Code 91123: […] Public administrative services related to housing and community amenities: public administrative services related to rent control and eligibility standards for state-subsidized housing; public administrative services related to housing for the general public or for people with special needs […]“.
Anhang 3: Gesundheitsdienstleistungen nach den vier Erbringungsmodi Modus 1 Art. 1 Abs. 2 lit. a)
Modus 2 Art. 1 Abs. 2 lit. b)
Modus 3 Art. 1 Abs. 2 lit. c)
Modus 4 Art. 1 Abs. 2 lit. d)
Grenzüberschreitende Erbringung (Cross-border Supply)
Inanspruchnahme im Ausland (Consumption Abroad)
Kommerzielle Niederlassung (Commercial Presence)
Präsenz natürlicher Personen (Presence of natural Persons)
Erbringung einer Dienstleistung aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds;
Erbringung einer Dienstleistung im Hoheitsgebiet eines Mitglieds an den Dienstleistungsnutzer eines anderen Mitglieds;
Erbringung einer Dienstleistung durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds;
Erbringung der Dienstleistung durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels Präsenz natürlicher Personen eines Mitglieds im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds;
Beispiel: 1.) eHealth (insbesondere Telemedizin z. B. in Gestalt der Telediagnostik u. a.); 2.) Angebot von Versicherungen oder Leistung von Zahlungen auf Versicherungen seitens einer Gesellschaft an einen Versicherten, der in einem anderen Mitgliedsstaat lebt.
Beispiel: 1.) Krankenhausbehandlung im Ausland; 2.) Leistungen einer Versicherungsgesellschaft werden in deren Niederlassungsstaat von einem dortigen Ausländer in Anspruch genommen.
Beispiel: 1.) Direktinvestitionen in Krankenhausunternehmen im Ausland; 2.) Versicherungsgesellschaft richtet Auslandsniederlassung bzw. eine dortige Zweigstelle ein.
Beispiel: Klinikpersonal oder Angestellte eines Versicherungsunternehmens wechseln in Auslandsniederlassung.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Blouin/Gobrecht/Lethbridge/Singh/Smith/Warner, in: Blouin/Drager/ Smith (Hrsg.), International Trade in Health Services and the GATS, S. 203 ff.
Anhang 4: Listenauszug – Stand der deutschen Marktzugangsverpflichtungen Erbringungsweisen
[(1)] Grenzüberschreitend [(2)] Nutzung im Ausland [(3)] Gewerbliche Niederlassung [(4)] Präsenz natürlicher Personen
Sektor oder Teilsektor
Beschränkung des Marktzugangs
1.A.h) Dienstleistungen von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen (CPC 9312, Teil von CPC 93191)
1) Ungebunden 2) Keine 3) Zugang wird nur natürlichen Personen gewährt. Wirtschaftliche Bedürfnisprüfung für Ärzte und Zahnärzte, die zur Behandlung gesetzlich krankenversicherter Personen zugelassen sind. Entscheidungskriterium ist, ob eine bestimmte Region mit Ärzten/Zahnärzten unterversorgt ist. 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: Staatsangehörigkeitserfordernis für Ärzte und Zahnärzte; auf dieses Erfordernis kann im Interesse der öffentlichen Gesundheit ausnahmsweise verzichtet werden. Nullquote für Hebammen; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden
1.A.j) Dienstleistungen von Krankenpflegepersonal, Krankengymnasten und Sanitätern (Teil von CPC 93191 […])
1) Ungebunden 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: [Keine Eintragungen für DE]; Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
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Anhang 4: Stand der deutschen Marktzugangsverpflichtungen
Erbringungsweisen
[(1)] Grenzüberschreitend [(2)] Nutzung im Ausland [(3)] Gewerbliche Niederlassung [(4)] Präsenz natürlicher Personen
1.A.k.) Versorgung der Öffentlichkeit mit Arzneimitteln (Apotheker)
1) Ungebunden 2) Keine 3) Wirtschaftliche Bedürfnisprüfung. Soweit die Gründung von Apotheken von einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung abhängt, werden folgende Hauptkriterien berücksichtigt: Bevölkerung, Zahl der bereits bestehenden Apotheken und deren geografische Dichte. Zugang wird nur natürlichen Personen gewährt. Gründung neuer Apotheken eingeschränkt und nur durch Übernahme einer bestehenden Apotheke möglich. 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: Staatsangehörigkeitserfordernis. Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden. 1) Ungebunden 2) Ungebunden 3) Ungebunden 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
1.F.k.) Vermittlung von Pflegepersonal und sonstigem Personal (CPC 87204, 87205, 87206, 87209)
7.A. Versicherungs- und versicherungsbezogene Dienstleistungen1
1) [implizit unbeschränkt für Krankenversicherungen, da nur Beschränkungen für Verkehr eingetragen] 2) [implizit unbeschränkt für Krankenversicherungen, da nur Beschränkungen für Verkehr eingetragen] 3) Keine
1 Zusätzlich gelten für alle Finanzdienstleistungen allgemeine sektorspezifische Verpflichtungen als auch sog. zusätzliche Verpflichtungen i.S.v. Art. XVIII GATS.
Anhang 4: Stand der deutschen Marktzugangsverpflichtungen
Erbringungsweisen
8.A. Krankenhausleistungen (alle Mitgliedstaaten außer LV, PL und SI: CPC 9311. […])
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[(1)] Grenzüberschreitend [(2)] Nutzung im Ausland [(3)] Gewerbliche Niederlassung [(4)] Präsenz natürlicher Personen 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingung: [keine Eintragungen für DE]; Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden. 1) Ungebunden 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: [keine Eintragungen für DE]; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
8.B. Sonstige Gesundheitsleistungen […]
1) Ungebunden 2) und 3) Ungebunden 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden: Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
8.C. Dienstleistungen im Bereich Soziales (Alle Mitgliedstaaten außer AT, EE, LT und LV: Nur Genesungs- und Erholungsheime sowie Seniorenheime […].
1) Ungebunden 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: [keine Eintragungen für DE]; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
8.D. Sonstige Gesundheitsdienstleistungen
1) Ungebunden 2) Ungebunden 3) Ungebunden
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Anhang 4: Stand der deutschen Marktzugangsverpflichtungen
Erbringungsweisen
[(1)] Grenzüberschreitend [(2)] Nutzung im Ausland [(3)] Gewerbliche Niederlassung [(4)] Präsenz natürlicher Personen 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
12. Andere Dienstleistungen – Friseurleistungen (CPC 97021), – Kosmetikleistungen (einschließlich Maniküre und Pediküre) (CPC 97022), – Sonstige Kosmetik- und Fußpflegeleistungen, (CPC 97029)
1) Ungebunden. 2) – 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
– Wellness-Dienstleistungen und nichttherapeutische Massage soweit sie der physischen Entspannung und dem Wohlbefinden dienen und nicht medizinischen oder rehabilitativen Zwecken* (part of CPC ver.1.0 97230)
1) Ungebunden 2) – 3)Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden. *Therapeutische Massagen und Thermalkuren unterfallen den medizinischen und den Gesundheitsdienstleistungen sowie Dienstleistungen, die von Krankenschwestern, Physiotherapeuten und paramedizinischem Personal erbracht werden.
Quelle: Eigene Darstellung
Anhang 5: Listenauszug – Stand der deutschen Verpflichtungen zur Inländerbehandlung Erbringungsweisen
[(1)] Grenzüberschreitend [[(2)]] Nutzung im Ausland [(3)] Gewerbliche Niederlassung [(4)] Präsenz natürlicher Personen
Sektor oder Teilsektor
Inländerbehandlung
1.A.h) Dienstleistungen von Ärzten, Zahnärzten und Hebammen (CPC 9312, Teil von CPC 93191)
1) Ungebunden 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: [keine Eintragungen für D]1; Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
1.A.j) Dienstleistungen von Krankenpflegepersonal, Krankengymnasten und Sanitätern (Alle Mitgliedstaaten außer AT, FI, LV, PL und SE: Teil von CPC 93191 […])
1) Ungebunden 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: [keine Eintragungen für D]; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
1 Ergänzung der Verfasserin an dieser und entsprechend gekennzeichneten nachfolgenden Stellen.
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Anhang 5: Stand der deutschen Verpflichtungen zur Inländerbehandlung
1.A.k) Versorgung der Öffentlichkeit mit Arzneimitteln (Apotheker)
1) Ungebunden 2) Keine 3 Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingungen: Wohnsitzerfordernis. Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
1.F.k) 4 Vermittlung von Pflegepersonal und sonstigem Personal (CPC 87204, 87205, 87206, 87209)
1) Keine 2) Keine 3) Keine 4) Ungernehmensintern versetze Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
7.A. Versicherungs- und versicherungsbezo- 1) Keine gene Dienstleistungen 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen, vorbehaltlich der folgenden besonderen Bedingung: [keine Eintragungen für DE]; Vertragliche Dienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden. 1) Ungebunden 8.A. Krankenhausleistungen (alle Mitgliedstaaten 2) Keine 3) Keine außer LV, PL und SI: CPC 9311. […]) 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden, außer den im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ aufgeführten Beschränkungen; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden. 8.B. Sonstige Gesundheitsleistungen […]
1) Ungebunden 2) Ungebunden 3) Ungebunden 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
Anhang 5: Stand der deutschen Verpflichtungen zur Inländerbehandlung
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8.C. Dienstleistungen im Bereich Soziales (Alle Mitgliedstaaten außer AT, EE, LT und LV: Nur Genesungs- und Erholungsheime sowie Seniorenheime […].
1) Ungebunden 2) Keine 3) Keine 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden sofern im Abschnitt „Horizontale Verpflichtungen“ nicht anders angegeben; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
8.D. Sonstige Gesundheitsdienstleistungen
1) Ungebunden 2) Ungebunden 3) Ungebunden 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
12. Andere Dienstleistungen – Friseurleistungen (CPC 97021) – Kosmetikleistungen (einschließlich Maniküre und Pediküre) (CPC 97022) – Sonstige Kosmetik- und Fußpflegeleistungen, (CPC 97029)
1) Ungebunden 2) – 3) Ungebunden 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
– Wellness-Dienstleistungen und nichttherapeutische Massage soweit sie der physischen Entspannung und dem Wohlbefinden dienen und nicht medizinischen oder rehabilitativen Zwecken* (Teil von CPC ver.1.0 97230)
1) Ungebunden 2) – 3) Ungebunden 4) Unternehmensintern versetzte Personen und Geschäftsreisende: Ungebunden; Vertragsdienstleister: Ungebunden; Freiberuflich Tätige: Ungebunden.
Quelle: Eigene Darstellung
*Therapeutische Massagen und Thermalkuren unterfallen den medizinischen und den Gesundheitsheitsdienstleistungen sowie Dienstleistungen, die von Krankenschwestern, Physiotherapeuten und paramedizinischem Personal erbracht werden.
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Stichwortverzeichnis Adverse Selektion 71, 77, 79, 108, 123 Akteure (des Gesundheitswesens) 114, 119 f. Allgemeine Pflichten des GATS 197, 201 f., 229 ff. Ambulante Dienst-/Leistungen siehe Ambulante Versorgung Ambulante Versorgung 44 ff., 49 ff., 60 ff., 107 ff., 113, 115, 119 ff., 156, 162 ff., 196, 203, 224, 260 ff., 272 ff., 296, 304, 321, 325, 328 ff. Anbieterwettbewerb 160, 166, 192, 194, 330 Anerkennung von Berufsqualifikationen siehe Berufsqualifikation Angebotsinduzierte Nachfrage 71, 74 f., 79, 108, 118, 123 Anlage zu Ausnahmen von Art. 2 GATS 199, 201, 204, 212, 216 f. Anlage zu Finanzdienstleistungen 46, 147, 169 ff., 178 ff., 193 f., 199 f., 223, 254, 273, 278, 322, 329 f. Anlage zu Telekommunikationsdienstleistungen 198, 200, 269, 273 Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen 56, 198 f. Anlage zum öffentlichen Beschaffungswesen 276 Annexpflicht 197, 202, 231, 279, 300 ff., 307 f., 333 Arbeitsmigration 52, 56, 146, 149, 217, 231, 235, 238, 270 f., 320, 332 Ausübung hoheitlicher Gewalt 46, 64, 143, 147 f., 150, 152 f., 159, 167, 171 ff., 176 ff., 182, 184, 195, 220, 224, 229 f., 300, 320 f., 330
Bedarfsplanung 70, 111, 117 ff., 123, 139, 163 f., 166, 225, 250, 260 ff., 265, 296, 321, 328, 332, 354
Bedürfnisprüfung iS des GATS 106, 137, 139, 213, 239, 242, 245, 248, 250, 256 ff., 261 ff., 265, 275, 280, 323, 331, 345 f. Beeinträchtigung 140, 144 ff., 202, 208, 211, 238, 295 Bereichsausnahme 46, 127, 140, 147 ff., 151 ff., 158 ff., 164, 168 ff., 181 ff., 193 ff., 220, 223, 254, 272, 278, 300, 322, 329, 330 Berufsqualifikation 66, 123, 144, 218 f., 221 f., 227 f., 240, 251, 264, 271 ff., 319, 332 f. Beweislastverteilung 173 ff., 288 Built-in agenda 201, 210, 299 f., 302, 308, 314 f., 323, 329, 334 CPA-Liste CPC-Liste
44 42 ff., 47 ff., 52, 61, 337 ff.
Daseinsvorsorge 23, 63 ff., 127 f., 136, 139, 146, 148 ff., 169, 171 f., 180, 222, 237 f., 258, 316, 332 Deregulierung 66, 147, 294, 299 Dienstleistungshandel siehe Handel mit Dienstleistungen Direktinvestition 52, 55 ff., 59, 128, 138, 299, 319 Disziplinen 197, 201 f., 207 f., 210, 228 ff., 257, 269, 277, 279, 280 ff., 286, 288 ff., 294, 308, 322 f., 333 eHealth 52 f., 57, 72, 200, 234 f., 275, 275, 344 Eigenverantwortung 94, 102 f., 110, 324 Endverbrauchersicht 160, 162, 166, 194, 330 Entgelt 38 f., 41, 57, 115, 152 ff., 159, 180, 236, 330 Erforderlichkeitsprüfung 268 f., 275, 281 ff., 294, 322, 334 Externalitäten 71, 76, 108, 123
380 Freiwillige Versicherung 253, 321, 330
Stichwortverzeichnis 183, 194 f., 196,
GATS 2000 315 Gesetzliche Krankenversicherung 24, 28 f., 30 f., 40 f., 44 ff., 50, 52, 54 f., 58, 63, 65 f., 71 f., 75, 77 f., 80 f., 88, 94 ff., 98 f., 102 ff., 106, 109 ff., 113 ff., 121 f., 125, 131, 140, 154 ff., 160, 162 ff., 166 f., 179 f., 182 f., 185 ff., 190 ff., 222, 224 f., 229 ff., 247, 250, 253, 255 f., 258 ff., 262 ff., 271 ff., 278 f., 283, 293, 298, 305, 308, 312, 321 f., 325, 328 ff., 331, 335, 346 Gesetzliches System sozialer Sicherheit siehe System sozialer Sicherheit Gesundheitsdienstleistung 23 f., 26 ff., 31 ff., 35 ff., 51 f., 53 ff., 70 ff., 73 f., 78 f., 91 ff., 99 f., 103, 108, 121, 123, 139, 145, 147, 153 f., 159 f., 162 f., 166, 168, 170, 174 ff., 179, 182, 195 f., 198 ff., 203, 207, 212, 216 f., 220 f., 223, 228 ff., 233 ff., 238, 241, 249 f., 254, 266, 271 ff., 277, 279, 282 ff., 290, 301, 305 f., 314, 315 ff., 326 f., 330 f., 333 f., 337 ff., 347 f., 351 Gewinnerzielungsabsicht 152 f., 155 f., 158 f., 180, 184, 186, 330 GKV siehe gesetzliche Krankenversicherung GKV-Zulassung 162 Gleichberechtigter Zugang 106 Grundrechte 81, 85 ff., 92, 107, 133 ff. Handel mit Dienstleistungen 24, 30 ff., 39 ff., 58 ff., 64, 125, 128, 140, 145 ff., 150, 197 ff., 211, 214, 217, 221, 226 f., 229 f., 247, 269, 276, 279, 282 f., 290, 295, 299 f., 304 f., 307, 309, 314 f., 323, 334 Handelsbeschränkung 33, 132, 136 f., 143, 228, 231, 268 f., 281 f., 288, 312 ff. Handelsliberalisierung siehe Liberalisierung Handelssanktion 133, 140 Hoheitliche Aufgaben siehe Ausübung hoheitlicher Gewalt Hoheitliche Dienstleistungen siehe Ausübung hoheitlicher Gewalt
Informationsasymmetrie 71 ff., 76 f., 79, 108, 123 Inländerbehandlung 31, 56, 65, 161, 168, 175, 197, 219, 231 f., 237 f., 241, 243, 251, 260, 265, 269 ff., 273, 275 f., 285, 298, 309, 323, 331 f., 349 Jahresarbeitsentgeltgrenze 182, 194, 263, 321
80, 98, 112,
Kommerzialität 148, 152 ff., 157 ff., 166, 168 ff., 176 f., 180, 330 Krankenhausplanung 106, 115, 255 ff., 265, 310, 332 Krankenversicherungsdienstleistungen 40, 45 f., 179 f., 196, 253, 261, 278, 328 Krankheitsvollversicherung 112 f., 183, 185, 187, 192 ff., 264, 298 Länderliste siehe Verpflichtungsliste Leistungsrecht 37, 83 f., 87 f., 107, 113, 163, 177, 189, 195, 227, 272, 296 Liberalisierung 24 f., 27, 30 ff., 54, 62 ff., 75 ff., 88, 105, 123 ff., 130 f., 136 ff., 140, 145, 149 f., 158, 201 f., 207, 226, 231 ff., 249 f., 259, 273 ff., 277 f., 281, 285, 295 f., 305, 314 ff., 320, 322 ff., 329, 331 ff. List it or lose it-Ansatz 243, 265 Lizenz 114, 123, 173, 222, 230, 266, 270 Lizenzvergabe siehe Lizenz Lock-in effect 127, 129, 140, 215, 229 Marktfehler 32, 62, 70 f., 79, 108 Marktöffnung 23 ff., 30 f., 33, 42 f., 45 f., 47 f., 52, 56, 58, 61, 125, 127, 143 f., 151, 168, 171 f., 177, 196 f., 202, 220, 223, 230 ff., 236 f., 240, 242, 249 ff., 254 ff., 259, 263, 270, 278 f., 283, 291, 293, 295 ff., 299 f., 302 f, 305 f., 308, 315 ff., 322 ff., 331 ff. Marktpreis 71, 108, 156, 234 Marktversagen 32, 62 f., 70, 79, 108, 123, 127 Marktzugang 30 f., 56, 66, 168, 172, 197, 212 f., 217, 231 f., 238, 242 ff., 261,
Stichwortverzeichnis 266 ff., 274 ff., 282, 285, 287 ff., 304 ff., 309, 316, 323, 331 f., 345 ff. Maßnahme iS des GATS 64, 66, 125, 139 ff., 152, 168, 170, 173, 178, 196, 201 ff., 210 ff., 226 ff., 238, 242 ff., 261, 266 ff., 274 ff., 282, 285, 287 ff., 304 ff., 318, 322 f., 329 f., 334 Mehrebenensystem 28, 31, 35, 64, 125 f., 133, 139, 247 Meistbegünstigungsprinzip 197, 201, 211 ff., 225 f., 265, 282, 291, 302, 321 f., 334 Menschenrechte 80 f., 100, 107, 130 ff., 143, 329 Monopol 31, 67, 79, 114, 120 ff., 151 f., 159 f., 172, 205, 209, 211, 214, 222 ff., 228 f., 234, 236, 237 f., 242, 245, 248, 258, 262, 264, 295 ff., 300 ff., 307 ff., 321 ff., 331 ff. Monopolkontrolle 201, 211, 222, 295, 323 Monopolstellung siehe Monopol Moral hazard 71, 76 f., 108, 123 Niederlassung siehe Niederlassungsfreiheit Niederlassungsfreiheit 24, 28, 38, 52, 55 ff., 60, 72, 74, 79, 150, 153, 169, 217 f., 234, 237, 238 f., 241, 250, 252 ff., 331 f., 349 Öffentliche Beschaffungsvorgänge siehe Vergaberecht One way-Wettbewerb 160, 167 Optionsgutcharakter 71, 78, 108, 123 Patientenmobilität 29 f., 32, 40, 50, 52, 54, 75, 77, 79, 138, 154, 180, 234 f., 261, 272, 277, 319, 327 Pflichtversicherung 26, 80, 97 f., 112, 158, 194, 264, 328 PKV siehe private Krankenversicherung Prävention 40, 54, 60, 82, 84, 88, 91, 94, 101, 102 Preiselastizität 74 f., 79, 123 Private Krankenversicherung 27 f., 55, 58, 77, 99, 110 ff., 116, 121, 187, 193 ff., 261, 264, 298 Privatisierung 23, 26, 63, 67 ff., 87, 136, 147, 150, 296, 316, 335
381
Quersubventionierung siehe Subvention Rat für den Handel mit Dienstleistungen 150, 202 ff., 229, 267, 282, 295, 299, 304, 315 Recht auf Gesundheit 32 f., 80 ff., 102 f., 105, 107 f., 137 ff., 158, 229, 269, 282, 285 f., 294, 307, 324 ff., 329 ff. Referenzpapier zu Regulierungsprinzipien im Bereich der Basistelekommunikationsdienste 171, 173, 198, 200 Regulierung 31 ff., 58, 61 ff., 69 ff., 77 ff., 100, 104 f., 107 ff., 117 ff., 127, 130 f., 136 ff., 142, 144, 146 f., 153, 158, 168, 173, 179, 187, 196 f., 199 f., 203 f., 205, 207, 209 ff., 213, 215, 217, 219, 221 ff., 225 ff., 233, 235, 247, 254 ff., 268, 275 ff., 289 ff., 299, 301 ff., 307 ff., 314 f., 317, 321 ff., 327 ff. Rehabilitations- und Pflegeleistungen 31, 47 f., 51, 93 Reregulierung 63, 66 f., 131 Rückausnahme 179, 182, 194 f. Schedules siehe Verpflichtungsliste Schönheitsoperationen 47 f. Selbstbestimmtheit 103, 110, 324 Selbstverwaltungsorgan 71, 114 f., 157 Solidarität siehe Solidaritätsgrundsatz Solidaritätsgrundsatz 23, 94 ff., 103, 110, 184 f., 189 f., 263, 324 Souveränität 31, 33, 72, 126, 130, 150, 173, 247, 325, 329, 334 SSC-Liste 42 ff., 51, 61, 166, 216, 233 f., 249, 327, 337, 343 Stationärer Sektor 26, 29, 39, 44 f., 48 f., 51 f., 58, 60, 72, 78, 82, 95, 107 f., 113, 115, 119 ff., 156, 163 ff., 196, 212, 224, 256, 258, 260 f., 273, 288, 296, 304, 321, 325, 328 f., 330 Subvention 67, 78, 120, 122, 137, 139, 155, 174, 189 f., 201, 207 f., 210, 230 f., 237 f., 266, 270 f., 275, 295 ff., 320 f. Subventionsvergabe siehe Subvention System sozialer Sicherheit 46, 81 ff., 88 f., 92, 94 f., 97, 102, 107, 147, 171, 178 ff., 181 ff., 238, 273, 290, 312, 321 ff., 328, 330, 332
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Stichwortverzeichnis
Telekommunikationsdienstleistungen siehe Anlage zu Telekommunikationsdienstleistungen Unternehmensbegriff
47, 183 f., 193
Vergaberecht 153, 157 f., 160, 166, 225 Verpflichtungsliste 24, 42, 45, 47 f., 52, 69, 128, 149, 151, 153, 168, 170 ff., 176, 196 ff., 213, 228, 230 f., 233, 238, 243, 245 ff., 251, 255, 258, 265, 270, 275 f., 297, 305 ff., 317 f., 320, 323, 331, 333, 337, 339 Versicherungspflicht 80, 94, 97 ff., 103, 110, 116, 121, 181 ff., 187, 194, 196, 253, 324, 328, 330 Versorgungsverträge 162 ff., 189, 195, 265, 270
Vertragsarzt 115, 117 ff., 122, 157, 176, 253, 256, 260, 265 Vorverpflichtung 231, 277 f. Wahltarife 183, 188 ff., 194, 297 Wellness-Dienstleistungen 47 f., 51 f., 162, 166, 255 f., 316, 328, 330, 332, 348, 351 Wettbewerb 23 f., 28, 62, 65 ff., 70 f., 75 ff., 93, 97, 99, 105 f., 110, 113 ff., 121, 126, 131, 138, 148, 150 ff., 157, 159 ff., 176 ff., 182 ff., 192 ff., 196, 198, 201 f., 205, 209 f., 212, 214 f., 218, 220, 223 ff., 230 f., 247, 255, 263 f., 266, 268, 270, 295, 296, 297, 300, 305, 322 f., 328, 330 ff., 335 Wettbewerbsordnung siehe Wettbewerb Zusatzversicherung 106, 111 f., 183, 187, 190 ff., 253, 264, 298, 321, 330