Die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles [1 ed.]

Ein Beitrag zur Erforschung der Geschichte des Bewusstseinsproblems in der Antike. Im vorliegenden Buch stellt Klaus Oeh

276 28 9MB

German Pages 294 [314] Year 1962

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Titel
Schmutztitel
Impressum
Vorwort
Inhalt
EINLEITUNG
ERSTER TEIL: DIE PLATONISCHE NOETIK UND DIANOETIK
Erster Abschnitt: Der Rückverweis der Aristotelischen Urteilslehre auf die Platonische Grundlegung und das Urteil als zentrales Thema der Dianoetik überhaupt
1. Der dialektische Ursprung und das Selbstverständnis der Aristotelischen Logik
2. Die Doppelseitigkeit des Urteils und die bestimmte Unterscheidung der logischen und der psychischen Seite desselben
3. Das Parallelismus-Schema von Sein, Denken und Sprache
Zweiter Abschnitt: Die Antisthenische Erkenntnistheorie und Logik als polemisches Stimulans für die Explikation der Platonischen Urteilslehre
1. Das Einfache und das Zusammengesetzte
2. Der erkenntnistheoretische Singularismus
3. Die problemgeschichtlichen Vorläufer der Antisthenischen Dogmen
Dritter Abschnitt: Die sachlichen Voraussetzungen der Platonischen Urteilslehre
1. Die Ideenkommunikation als der zureichende Grund für die Möglichkeit der Prädikation
2. Die onomatische Hermeneutik des Seins
3. Der innere und der äußere Logos
Vierter Abschnitt: Die Platonische Urteilslehre
1. Die Einheit des Urteils
2. Die Intentionalität des Urteils
3. Die Psychologie des Urteils
Fünfter Abschnitt: Die Platonische Noetik und die Beziehung zwischen noetischem und dianoetischem Denken
1. Der Begriff des Wissens vom Wissen und das Problem des philosophischen Selbstbewußtseins
2. Das noetische Denken
3. Der noologische Singularısmus
4. Das Problem der Wahrheitssicherung
ZWEITER TEIL: DIE ARISTOTELISCHE NOETIK UND DIANOETIK
Erster Abschnitt: Elemente und Grundzüge der Aristotelischen Logik des Urteils
1. Die Bestimmungen von Subjekt, Prädikat und Urteil
2. Die Einheit des Urteils
3. Der Doppelaspekt der Kopula und das Existenzurteil
4. Das Parallelismus-Schema und die ontologische Stufung
Zweiter Abschnitt: Die Aristotelische Psychologie des Urteils
1. Die Entstehung des Urteils
2. Das Vermögen zur Einheit des Gedachten
Dritter Abschnitt: Ontologie und Erkenntnistheorie des dianoetischen Denkens
1. Präliminarien zu “Metaphysik Θ 10°
2. Die kategoriale Ontologie und ihre modalen Prinzipien
3. Das reale Ansichsein und das Sein des Wahren und des Falschen
Vierter Abschnitt: Ontologie und Erkenntnistheorie des noetischen Denkens
1. Das Unzusammengesetzte
2. Die einfache Apprehension des noetischen Denkens und die νόησις νοήσεως
3. Der noologische Singularismus
4. Die reinen εἴδη als Gegenstände des noetischen Denkens
5. Die nicht zusammengesetzten Substanzen (μὴ συνϑεταὶ οὐσίαι) als ὅπερ ὄντα und die Bedeutung von ὅπερ im philosophischen Sprachgebrauch des Aristoteles
6. Zur Aristotelischen Theorie der Definition
7. Die Zusammenfassung der Ergebnisse in Metaphysik Θ 10. 1051 b 33 — 1052 a 4'
Fünfter Abschnitt: Die Komplementarität von noetischem und dianoetischem Denken und das Problem des Bewußtseins
1. Die Übereinstimmung des Gedachten mit dem Seienden
2. Die von Platon und Aristoteles erreichte Bewußtseinsstufe und die Grenzen ihrer Phänomenologie des Bewußtseins
ANHANG
Literatur
Sachverzeichnis
Index verborum
Verzeichnis der Autoren und Stellen
Recommend Papers

Die Lehre vom noetischen und dianoetischen Denken bei Platon und Aristoteles [1 ed.]

  • Commentary
  • readable on e-ink device
  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

| ZETEMATA

MONOGRAPHIEN ZUR KLASSISCHEN ALTERTUMSWISSENSCHAFT HEFT

29

KLAUS OEHLER

DIE LEHRE VOM NOETISCHEN UND DIANOETISCHEN BEI PLATON

DENKEN

UND

ARISTOTELES

1962

VERLAG

C-H-BECK MÜNCHEN

ZETEMATA MONOGRAPHIEN ZUR

KLASSISCHEN IN

KARL

BÜCHNER,

ALTERTUMSWISSENSCHAFT

GEMEINSCHAFT

HELLFRIED

DAHLMANN,

HERAUSGEGEBEN ERICH

BURCK

UND

HEFT

MIT

HANS 29

ALFRED

VON DILLER

HEUSS

DIE UND

LEHRE

NOETISCHEN

DIANOETISCHEN PLATON

EIN

VOM

BEITRAG DES

UND

ZUR

DENKEN

BEI

ARISTOTELES

ERFORSCHUNG

DER

GESCHICHTE

BEWUSSTSEINSPROBLEMS IN

DER

ANTIKE

VON

KLAUS

C.

H. BECK'SCHE

OEHLER

VERLAGSBUCHHANDLUNG

MÜNCHEN

1962

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft ©

C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung

(Oscar

Beck) München

Gedruckt in der C. H. Beck’schen Buchdruckerei Nördlingen

1962

MEINEN

ELTERN

VORWORT Den nachfolgenden Ausführungen liegt meine Habilitationsschrift zugrunde. Sie lag vom Oktober 1959 bis Mai 1960 der Philosophischen Fakultät der Universität Hamburg vor. Für den Zugang zu dem behandelten

Problem

danke

ich

meinem

Lehrer,

Herrn

Professor

Ger-

hard Krüger. Für belehrende Anregungen in logischen Einzelfragen danke ich Herrn Professor Carl Friedrich Freiherrn von Weizsäcker. Mein Dank gilt sodann den Herausgebern der Zetemata für die Aufnahme der Arbeit, im besonderen

Herrn

Professor Hans

Diller, der die

Untersuchung auch durch wertvolle Hinweise und guten Rat fórderte. Herr Dozent Dr. Hellmut Flashar las die Korrekturen mit. Seiner freundschaftlichen Hilfe meinen herzlichen Dank. HAMBURG,

5. DEzEMBER

1961

KLAus OEHLER

INHALT EINLEITUNG

.

0000

rn

ERSTER TEIL Die PLATONISCHE

NOETIK

UND

DIANOETIK

Erster Abschnitt: Der Rückverweis der Arıstotelischen Urteilslehre auf die Platonische Grundlegung und das Urteil als zentrales Thema der Dianoetik überhaupt 1. Der dialektische Üreprung und das Selbstverständnis der Aristotelischen Logik 2. Die Doppelseitigkeit des Urteils und die] bestimmte Unterscheidung der logischen und der psychischen Seite desselben . 3. Das Parallelismus-Schema von Sein, Denken und Sprache

13 18 20

Zweiter Abschnitt: Die Antisthenische Erkenntnistheorie und Logik als polemisches Stimulans für die Explikation der Platonischen Urteilslehre 1, Das Einfache und das Zusammengesetzte 2. Der erkenntnistheoretische Singularismus . ME 3. Die problemgeschichtlichen Vorläufer der Antisthenischen Dogmen Dritter Abschnitt: Die sachlichen l. Die keit 2. Die 3. Der

Ideenkommunikation als der zureichende der Prádikation onomatische Hermeneutik des Seins innere und der äußere Logos

Vierter Abschnitt: Die l. Die

Voraussetzungen der Platonischen

Einheit

des

Platonische Urteils

2. Die Intentionalitát

des

Urteilslehre

Grund für die Móglich-

22 96 60

Urteilslehre

. Urteils

3. Die Psychologie des Urteils

“1 4] 46

.

14 19 δ1

Fünfter Abschnitt: Die Platonische Noetik und die Beziehung zwischen noetischem und dianoetischem Denken l. Der Begriff des Wissens vom Wissen und das Problem des philosophischen Selbstbewußtseins MM 2. Das noetische Denken 3. Der noologische Singularismus 4. Das Problem der Wahrheitssicherung

103 112 119 122

Inhalt

ZWEITER DIE ARISTOTELISCHE

TEIL

NOETIK

UND

DIANOETIK

Erster Abschnitt: Elemente und Grundzüge der Aristotelischen Logik des Urteils Die Die Der Das

l. 2. 3. 4.

133 139 143 147

Bestimmungen von Subjekt, Prädikat und Urteil Einheit des Urteils . e. Doppelaspekt der Kopula und das « ; Existenzurteil Parallelismus-Schema und die ontologische Stufung

Zweiter Abschnitt: Die Aristotelische Psychologie des Urteils 151 159

1. Die Entstehung des Urteils . 2. Das Vermögen zur Einheit des Gedachten Dritter Abschnitt: Ontologie und Erkenntnistheorie des dianoetischen Denkens L

Präliminarien zu “Metaphysik © 10? 2. Die kategoriale Ontologie und ihre modalen Prinzipien

.

3. Das reale Ansıchsein und das Sein des Wahren und des Falschen Vierter

Ontologie

Abschnitt:

und

Erkenntnistheorie

des

noetischen

.

Denkens

1. Das Unzusammengesetzte (τὰ &obvder«) 2. Die einfache Apprehension des noetischen Denkens und die νόησις νοήσεως. . Der noologische Singularismus . . . . 2 2. 2 .. ....... . Die reinen εἴδη als Gegenstánde des noetischen Denkens . Die nicht zusammengesetzten Substanzen (μὴ συνϑεταὶ οὐσίαι) als ὅπερ ὄντα und die Bedeutung von ὅπερ im philosophischen Sprachgebrauch des Aristoteles 6. Zur Aristotelischen

Theorie

der

170 173 176

Definition

. Die Zusammenfassung der Ergebnisse ἢin Metaphysik 6o 10. 1051 b 33 — 1052 a 4°

182 186 212 217

22] 234 240

Fünfter Abschnitt: Die Komplementarität von noetischem und dianoetischem Denken und das Problem des Bewufitseins l. Die Übereinstimmung des Gedachten mit dem Seienden à. Die von Platon und Aristoteles erreichte Bewuftseinsstufe und die Grenzen ihrer Phänomenologie des Bewußtseins

245 250

ANHANG Literatur

265

.

281

Sachverzeichnis Index

verborum

Verzeichnis

284

.

der Autoren

und

Stellen

288

EINLEITUNG

ἐδιζησάμην ἐμεωυτόν

Heraklıt

Die Reflexion der philosophischen Erkenntnis auf das Erkennen selbst ist das zentrale Thema der Philosophie der Neuzeit. Die Frage, was in dieser Reflexion eigentlich geschieht und wie weit sie getrieben werden kann, war die philosophische Leitfrage, die schließlich zur Durchführung der vorliegenden Untersuchungen den Anstoß gegeben hat. Aus dem Sachinteresse heraus stellte sich die historische Frage nach der Herkunft der Reflexion, nach den Motiven ihrer Entstehung und nach dem, was vorher an ihrer Stelle stand. Es ist eine weit ver-

breitete Meinung, erst die vom Selbstbewußtsein des sich indes zeigen, und die zur Aufgabe, daß die Frage sophie

vertraut

war,

aber

Neuzeit habe einen durchdachten Begriff erkennenden Subjekts ausgebildet. Es läßt nachfolgenden Untersuchungen haben das in dieser Richtung der griechischen Philodaß

sie aus sachlichen Gründen

auf diese

Frage eine andere Antwort geben mußte als die Neuzeit. Daß das Selbstbewußtsein im neuzeitlichen Sinne im klassischen griechischen Denken nicht auftritt, ist nicht die Folge erkenntnistheoretischer Naivität oder mangelnder Reflexion, sondern die Folge einer ausdrücklichen Verwerfung einer im Geltungsbereich des eigenen philosophischen Ansatzes unannehmbaren Möglichkeit. Gleich wohl hat die klassische griechische Philosophie eine in ihrem eigenen Hahmen vollgültige Reflexion auf das Erkennen selbst besessen. Darin ist von großer Bedeutung das von ihr festgestellte Verhältnis des im Urteil sich aussprechenden dianoetischen Denkens zum noetischen Erfassen der Wesenheiten,

ohne

welches

Urteile

nicht

sinnvoll

wáren.

Grund-

legende Einsichten in diesen Problemkomplex verdanke ich den Arbeiten von Gerhard Krüger. Sein Aufsatz “Die Herkunft des philosophischen Selbstbewußtseins’ von 1933 hat allererst die Voraussetzungen für die hier vorgelegten Untersuchungen geschaffen. Eine wichtige Hilfe bei der Analyse und Bestimmung des Verhältnisses des im Urteilen sich vollziehenden dianoetischen Denkens zum noetischen Erfassen einfacher Gegebenheiten waren für mich die Beitráge von

Carl Friedrich von Weizsácker zur Logik, besonders der

Aufsatz ‘Komplementarität und Logik? von 1955, weil die von der modernen Physik ausgehenden Überlegungen über die Zweiwertigkeit ]

Oehler, Die Lehre

2

Einleitung

der Logik es dem Interpreten ermöglichen, die in der griechischen Philosophie so eminent wichtige Beziehung von dianoetischem und noetischem Denken wieder als reine Sachfrage zu verstehen. Die Herstellung einer Beziehung zwischen der philosophischen Tradition und Problemen der modernen Grundlagenforschung hat sich im vorliegenden Fall als außerordentlich fruchtbar erwiesen. Die Bedeutung der Kenntnis der bewußtseinstheoretischen Problematik für die sachgerechte Behandlung der durch den Titel dieses Buches angezeigten Thematik ist ohnehin erheblich. Dieser Umstand läßt es zweckmäßig erscheinen, zum besseren Verständnis des zur Verhandlung stehenden Gegenstandes das Wesen der Reflexion andeutungsweise zu bestimmen. Das ursprüngliche und natürliche Verhalten des Menschen zur Welt,

wie es im Leben des Alltags auch heute noch uneingeschränkt gültig ist, wird beherrscht vom Eindruck der Dinge, die der Mensch in selbstvergessener Erfahrung auf sich wirken läßt. Mit dieser Haltung lebt er in einer Welt von Vorgegebenheiten, die ihn durch neue Erfahrungen immer wieder in ihren Bann ziehen. Dieses Reich der sogenannten realen Welt gilt dieser Erfahrung in unreflektierter Selbstverständlichkeit als eine für sich bestehende Einheit, innerhalb deren das Einzelne

durch seinen bloßen Bezug auf das Ganze schon verständlich und sinn-

voll erscheint.

Die Einsicht darin, daß das ın der natürlichen Einstel-

lung Erfahrene als Erfahrenes ein ganzes Bündel von Erlebnisakten voraussetzt und als von uns Erfahrenes uns nur in bestimmten Gegebenheitsweisen bewußt sein kann, diese Einsicht liegt der Natur der Sache nach jenseits der Grenzen dieses Weltverhaltens. Durchschaut der Mensch aber die Bedingtheit dieser Einstellung, sei es, daß er aus reinem Forscherdrang den Blick zurückwendet, um die ihm eigenen Voraussetzungen seines Welthabens zu ergründen, sei es, daß er durch Widerstände, auf die er in seinem Lebensvollzug stößt, dazu gezwungen wird, die Weise seiner Weltbefindlichkeit kritisch zu prüfen - letzten Endes ist immer ein Hindernis der Ausgangspunkt solcher Besinnung -,

so ist der nächste Schritt, daß er nach den mannigfaltigen Formen fragt, in denen ihm Seiendes bewußt ist. Die Besinnung darauf und auf sein Bewußtsein habendes Ich ist die Reflexion. Reflexion in diesem Sinne ist immer Selbstreflexion, das heißt Bewußtsein des Bewußtseins.

Was in dieser Reflexion zur Gegebenheit kommt, sind die typischen

Akte und Gestalten des Bewußthabens,

die ın der unreflektierten, na-

türlichen, unmittelbar gegenstandsbezogenen Einstellung unbewußt zur Anwendung kommen. Die so gekennzeichnete Reflexion ist die

Einleitung

3

natürliche Reflexion, die im Unterschied von der reinen oder transzen-

dentalen Reflexion auf ein Bewußtsein bezogen ist, das noch grundsätzlich weltverhaftet ist und noch im engsten Zusammenhang mit seinen welthaften Gehalten Gegenstand der Reflexion ist. Erst die reine Reflexion übersteigt diese bewußtseinsmäßige Bezogenheit auf die Welt

und

bezieht

sich auf das

Bewußtsein

rein als Bewußtsein,

das

heißt auf die transzendentale Subjektivität. Doch fragen wir noch einmal zurück nach dem eigentlichen Grund von Reflexion überhaupt. Was ist das primum movens dieser Reflexion, mit anderen Worten, wie kommt die für die Reflexion notwendige Erfahrung vorgängig zustande? Wir deuteten schon an, daß die sich seiner selbst vergewissernde Rückbeziehung des Menschen auf sich selbst durch Hindernisse herbeigeführt wird, die ihm seinen Weg unausweichlich verstellen. Von welcher Art diese Wıderstände sein können, kann

nur im Rahmen einer umfassenden Phänomenologie des menschlichen Verhaltens ausgeführt werden. Es kommt hier lediglich darauf an, um-

rißhaft den Bereich zu kennzeichnen, in dem diereflektierende Selbst-

erfahrung zustande kommt, und das ist ganz offensichtlich überall dort der Fall, wo der Mensch in seinem Dasein in Frage gestellt wird. Eine ganz bestimmte Form solcher Infragestellung kann allerdings nicht unerwähnt bleiben, weil sie auch für die geschichtliche Genesis dieses Bewußtseinszustandes von fundamentaler Bedeutung gewesen ist. Das ist die Schuld.

Das Wissen um sie, das Schuldbewußtsein, 151

nachweislich eine der Hauptquellen für das Zustandekommen des menschlichen Selbstbewußtseins gewesen. Denn der Schuldige, aus der Ordnung der Gemeinschaft Herausgefallene oder Ausgestoßene, erfährt durch seine Sonderung eine ihm un-heimliche, bisher unbekannte Selbständigkeit, die auf dem Grunde seines Gewissensbewußtseins ein Selbstverständnis erzeugt, für das das neu entdeckte Selbstbewußtsein konstitutiv ist. Diese ‘Geburt des Selbstbewußtseins aus dem Gewissen’! wird vor allem in der griechischen Tragödie zum bewegenden

! So formuliert es in Übereinstimmung mit den historischen Tatbeständen zutreffend H. KuuN, Begegnung mit dem Sein. Meditationen zur Metaphysik des Gewissens. Tübingen 1954, 18. Das lateinische Wort conscientia läßt den oben angedeuteten Sachverhalt noch erkennen; es meint noch Bewußtsein und Gewissen in einem. Die germanischen Sprachen haben diese Einheit dann aufgegeben, während die romanischen Sprachen daran festhielten. Vgl. dazu R. LINDEMANN, Der Begriff der conscience im franzósischen Denken. Berliner Beitráge zur romanischen Philologie VIII 2, 1938, wo auch der Begriff der conscientia im Altertum und Mittel-

alter behandelt wird. Vgl. ferner die Untersuchung von J. HEBING, und conservatio bei den Römern von Cicero bis Hieronymus, Diss. ]*

Conscientia Bonn 1922.

4

Einleitung

Geschehen, aber auch Homer und die alte Lyrik sind für die erste Phase der Entdeckungsgeschichte des Ich von eminenter Bedeutung. Die Forschung der letzten Jahrzehnte hat hier neue, wichtige Ergebnisse gezeitigt, die bei den nachstehenden Untersuchungen ständig mitgedacht worden sind und oft hermeneutisch wertvolle Hinweise gegeben haben.! ! Aus der Fülle der vorliegenden Forschungsergebnisse seien hier nur die wichtigsten genannt. Eine Fundgrube feiner Beobachtungen ist noch immer die ältere Arbeit von H. OTTER, De soliloquiis quae in litteris Graecorum et Romanorum occurrunt, Diss. Marburg 1914. Sehr wichtig für den oben berührten Fragenkreis ist das Werk von W. SCHADEWALDT, Monolog und Selbstgespräch. Untersuchungen zur Formgeschichte der griechischen Tragödie, Neuc Philologische Untersuchungen

II,

Berlin

1926.

Man

vergleiche

dazu

ΤῊ.

BırrT,

1934, W. KuULLMANN,

Das

Wirken

Der

Monolog

und

die Selbstanrede, RhM 80, 1931, 237-252. Speziell mit Homer beschäftigen sich die hierher gehörigen Untersuchungen von W. SCHADEWALDT, Von Homers Welt und Werk, Stuttgart 31959, J. BöHME, Die Seele und das Ich im homerischen Epos, Leipzig 1929 (dazu die Besprechung von B. SNELL, Gnomon 7,1931, 74-86), Cung. VoIGT, Überlegung und Entscheidung. Studien zur Selbstauffassung des

Menschen

bei

Homer,

Berlin

der Götter in der

Ilias, Berlin 1956 (wichtig für das Verstándnis des Wesens der Entscheidung in der Ilias). Vgl. auch E. Wüst, Von den Anfängen des Problems der Willensfrei-

heit, RhM 101, 1958, 75-91. Ferner A. J. FESTUGIERE, Vraisemblance psychologique et forme littéraire chez les anciens, Philologus 102, 1958, 21-42. Fr. WILL,

Solon's Consciousness of Himself, TAPhA 89, 1958, 301-311. Vgl. auch die Arbeiten von Κα. REINHARDT, Von Werken und Formen; Vermächtnis der Antike; Tradition und Geist. Wichtig auch W. JAEGER, The Theology of the Early Greek Philosophers, Oxford 1947. In besonders umfassender Weise wird das Problem thematisch in den Forschungen von B. SNELL, Die Ausdrücke für den Begriff des Wissens in der vorplatonischen Philosophie. Philologische Untersuchungen 29, 1924. Ders., Die Entdeckung des Geistes. Studien zur Entstehung des europäischen Denkens bei den Griechen, Hamburg ?1955. Ders., Aischylos und das Handeln im Drama, Philol. Suppl. 20 H. 1, 1928. Ders., Das Bewuftsein von eigenen Entscheidungen im frühen Griechentum, Philol. 85, 1930, 141-158. Ders., Homer und die Entstehung des geschichtlichen Bewußtseins bei den Griechen. In: Varia Variorum. Festgabe für Karl Reinhardt. Münster-Köln 1952, 2-12. Zuletzt hat SNELL sich grundsätzlich geäußert in dem instruktiven Vortrag: Entwicklung einer wissenschaftlichen Sprache in Griechenland. Erschienen in dem Sammelband ‘Sprache und Wissenschaft’, Göttingen 1960, 73-84. Grundlegend für unser Thema sind auch die Abhandlungen von K. v. Frıtz, Νόος and

νοεῖν in the Homeric

Poems,

Class.

Philol.

38, 1943,

29 ff.

Ders.,

Νοῦς, νοεῖν and

their Derivatives in Pre-Socratic Philosophy (excluding Anaxagoras). Part I: From the Beginnings to Parmenides, Class. Philol. 40, 1945, 223 ff. Part II: The Post-Parmenidean Period, Class. Philol. 41, 1946, 12 ff. Vgl. jetzt G. Bowa, Il “νόος 61 “νόοι᾽ nell' Odissea, Torino

1959.

Mit gleicher Intensität wie K. von

FRITZ

ist dem Problem nachgegangen H. FRANKEL, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums, New York 1951. DEns., Wege und Formen frühgriechischen Denkens, München 1955. Wichtig auch W. NEesTLE, Vom Mythos zum Logos. Die Selbstentfaltung des griechischen Denkens von Homer bis auf die Sophistik und

Einleitung

o

Sokrates. Stuttgart 1940, ?1942. Zur griechischen Tragödie vergleiche außer den schon genannten Arbeiten M. PoHLENZ, Die griechische Tragödie, 2 Bde., Göttingen 21954; H. DirrEm, Göttliches und menschliches Wissen bei Sophokles, Kieler Universitätsreden

H.

1,

1950;

Ders.,

Über

das

Selbstbewußtsein

der

sopho-

kleischen Personen, Festschrift Lesky 1956, 70-85; T. B. L. WEBSTER, Some Psychological Terms in Greek Tragedy, The Journal of Hellenic Studies 77, 1957, 149 bis 154. H. KunNn, The True Tragedy. On the Relationship between Greek Tragedy and Plato, Harvard Studies in Classical Philology 52, 1941, 1-40 und 53, 1942, 37-88; Drns., Begegnung mit dem Sein, a. a. O., wo eine systematische Untersuchung der Beziehung von Gewissen und Bewußtsein durchgeführt ist; daselbst auch zahlreiche Hinweise auf die Geschichte des Problems. Einschlägig ist der Aufsatz von R. BULTMANN, Zur Geschichte der Lichtsymbolik im Altertum, Phi-

lologus

97,

1948,

1-36;

daselbst

auch

ausführliche

Hinweise

auf

die wichtigste

Literatur zur Geschichte der Lichtmetaphysik in der Antike. Zur Geschichte des Bewußtseinsproblems vgl. auch den RGG-Artikel ‘Paulus’ von BULTMANN, sowie den Kommentar: Das Evangelium des Johannes, Göttingen 111950. Mit besonderem Nachdruck sei hingewiesen auf den lehrreichen Vortrag von H.-R. SCHWYZER,

„Bewußt‘

und

‚„unbewußt‘“

bei Plotin. Abgedruckt

in: Les sources de

Plotin. Dix exposés et discussions. Entretiens sur l'antiquité classique 5. Genéve: Fondation Hardt 1960, 345-378; S. 379—390 wichtige Diskussionsbeitráge von

A. H. ARMSTRONG,

P. Henry,

V.

CILENTO,

W. TuEILER

und

E. R. Dopps,

H.-R.

ist eine außerordentlich verdienstvolle

H. DörrıE,

ScuwvzEen. Studie

Die

P. HApor,

Abhandlung

zu den Wörtern,

mit

R. HARDER,

von SCHWYZER denen

1m Grie-

chischen das Bewußtsein bezeichnet werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch der Vortrag von W. THEILER, Plotin zwischen Plato und Stoa, wichtig, der ebenfalls in der genannten Sammlung zum Abdruck gekommen ist, S. 65 bis 86, Diskussionsbeiträge 5. 87-103. Fördernd ist auch die Abhandlung von M. ZEPF, Augustinus und das philosophische Selbstbewußtsein der Antike, Zeitschr. f. Rel. u. Geistesgesch. 11, 1959, 105-132. Zur Bewußtseinsproblematik in der römischen

Welt

vgl. auch

H. FRANKEL,

Ovid. A Poet between two Worlds,

Berkeley

and Los Angeles 1945, und K. VOEHLER, Zum Text der Cirisklage, Philologus 100, 1956, 140-147. Hermeneutisch wichtige Hinweise gibt O. SEEL, Zur Vorgeschichte des Gewissens-Begriffes im altgriechischen Denken. Festschrift Dornseiff, Leipzig 1953, 291-319. Ferner Ὁ. REGENBOGEN, Δαιμόνιον ψυχῆς φῶς. In: Synopsis, Festgabe für Alfred Weber, 1948 359-396. Die Untersuchung von FR. ZUCKER, Syneidesis — Conscientia. Ein Versuch zur Geschichte des sittlichen Bewußtseins im griechischen und im griechisch-römischen Altertum. Jenaer Akademische Reden H. 6, 1928,

1-26,

hat

einschneidende

eidesis,

Class.

in

der

Besprechung

Korrekturen

Review

45,

von

B.

SNELL,

Gnomon

erfahren. Vgl. ferner H. OsBonNE,

1931,

8 ff.

G. Jung,

Syneidesis,

6,

1930,

21-30,

Synesis and Syn-

Conscientia,

Bewußt-

sein, Archiv f. d. ges. Psychologie 89, 1933, 525 ff. Lehrreich sind Einleitung und Anmerkungen von H. P. MÜLLER zu Text und Übersetzung von Augustins Soliloquien in der Reihe ‘Die Bibliothek der Alten Welt’, Zürich 1954. Von grundlegender systematischer Bedeutung ist die Abhandlung von G. KrÜGER, Die Herkunft des philosophischen Selbstbewußtseins, Logos 22, 1933, 225-272; jetzt auch abgedruckt in: G. KrÜGER, Freiheit und Weltverwaltung. Aufsätze zur Philosophie der Geschichte, Freiburg-München 1958, 11-69. Von großer Bedeutung für das ganze Problem sind auch die Ausführungen von E. CASSIRER, Philosophie der symbolischen Formen II, 3. Abschnitt: Entdeckung und Bestimmung der subjektiven Wirklichkeit im mythischen Bewußtsein, sowie E. MEYER, Geschichte des Altertums I 1°: Elemente der Anthropologie, 87 ff. Ferner L. KLaces, Vom Wesen

des

Bewußtseins,

München

*1955.

ό

Einleitung

Von

dem

historischen

Selbstbewußtseins

deutlich

Faktum

der

Entstehungsgeschichte

des

zu unterscheiden ist der Sachverhalt, daß

es natürlich bewußte Handlungen gibt, solange es handelnde Menschen gibt, die auf Grund getroffener Entscheidungen bewußt handeln oder bewußt eine bestimmte Handlung unterlassen. Dabei ist es in unserem Zusammenhang ohne Bedeutung, daß diese Entscheidungen oft auch auf das Wirken der Götter zurückgeführt werden, weil das an dem Charakter der Handlung als solcher, insofern sie bewußt durchgeführt

oder

bewußt

unterlassen

wird,

nichts

ändert.

Es

kann

also

nicht überraschen, wenn schon in der vorphilosophischen Literatur von bewußtem Handeln oder sonstigen derartigen Formen der Bewußtheit gesprochen wird. Das zeigt nur an, daß diese Art der Bewußtheit dem Menschen überhaupt zukommt. Davon zu unterscheiden ist das in unserem Zusammenhang in Rede stehende Selbstbewußtsein, das erst auf einer hóheren Reflexionsstufe móglich wurde und für das eine eigene Entstehungsgeschichte in Anspruch genommen werden muf. Aber sowohl das einfache Bewußtsein, das bloße Begleitwissen, als auch das Selbstbewußtsein höherer Reflexionsstufe wird erst da wirklich relevant, wo es selbst Gegenstand des Philosophierens, wo es philosophisches Problem wird. Die folgenden Untersuchungen haben es sich zur Aufgabe gemacht, in einem ersten thematischen Versuch dieser Art die Frage zu

beantworten,

wie

sich

das

Platonische

und

Aristotelische

Den-

ken unter dem spezifischen Aspekt des Bewußtseins selbst verstanden hat. Es geht also um die fundamentale Frage, in welchen typischen Akten und Gestalten das Platonische und Aristotelische Denken sich seiner selbst und der Welt vergewisserte. Als Leitfaden dient die durchgángige Analyse des noetischen und dianoetischen Denkens, ihrer Inhalte und Gegenstánde. Die Entfaltung dieser Frage von Antisthenes über den Platonischen Sophistes bis zur Interpretation von Aristoteles’ Metaphysik © 10 will ich hier nicht zu paraphrasieren versuchen. Die Ergebnisse der Untersuchungen werden zeigen, daß die von Platon und Aristoteles vorgenommene Reflexion auf die mannigfachen Phänomene,

die das Welthaben

des Menschen

allererst ermög-

lichen, innerhalb derjenigen Grenzen bleibt, die der natürlichen Reflexion gezogen sind, wenngleich diese Reflexion gelegentlich auch bis nahe an die Grenze dessen kommt, von wo aus dem modernen Betrach-

ter die Möglichkeit einer weiter ausgreifenden Reflexion gegeben scheint. Aber diese Möglichkeit wird ausdrücklich und mit Gründen zurück-

Einleitung

7

gewiesen. In diesem Zusammenhang ist das Problem des philosophischen Selbstbewußtseins von ganz besonderem Interesse. An ihm vor allem wird deutlich, wo die Grenzen der natürlichen Reflexion liegen, einer Reflexion also, die grundsätzlich und ausschließlich auf ein weltbezogenes Bewußtsein geht, mithin die Intentionalität nicht in ihrer sinnkonstituierenden, weltschaffenden Leistung erkennt und berücksichtigt, sondern auf die Formen der Erfahrung einer grundsätzlich ohne Rest erfahrbaren Welt zielt. Erfahrung hat hier nicht den pragmatischen Sinn der auf bloßer Wiederholung der Fälle beruhenden ἐμπειρία, die, weil ohne Einsicht in die Ursachen und nur mit Einzelfakten beschäftigt, kein Wissen ist, sondern Erfahrung hat hier den umfassenden Sinn von πάϑος und πάϑημα, womit von Platon und Aristoteles ebenso die sinnliche wie die geistige Erfahrung bezeichnet wird. Daß in der Geschichte des Bewußtseinsproblems im Altertum mit Platon der wesentliche Abschnitt beginnt, ergibt sich schon aus der historischen Situation, die eine endliche Entscheidung des Kampfes forderte, den Sokrates mit der Sophistik geführt hatte. Dieser Kampf war beim Tode des Sokrates keineswegs entschieden, und es bedurfte noch der ganzen Gigantomachie des Platonischen Werkes, um der von Sokrates eröffneten Auseinandersetzung zum Siege zu verhelfen. Dabei erfuhr die auf das Ethische begrenzte Wahrheitssicherung des Sokrates notwendig eine gesamtwissenstheoretische Ausweitung und Vertiefung, was nicht ohne eine folgenreiche Veränderung des Sokratischen Verhältnisses zur Seele möglich war. Obwohl die Seele für den Ethiker Sokrates und für sein ethisch-politisches Reformwerk von zentraler Bedeutung war, fehlt seinem Interesse an der Seele doch völlig der Innenaspekt, und das deshalb, weil für ihn das aktive, allein auf das Gute gerichtete Verhalten der Seele mit der Vorstellung einer introspektiven, mit sich selbst beschäftigten Seele unvereinbar schien.! Aber Platon gelingt die Vereinigung dieses scheinbar Unvereinbaren, indem er der Sokratischen Dialektik gerade in Gestalt der Reflexion allererst ihren wissenschaftstheoretischen Rechtsgrund ver! Vgl. W. DirTHEY, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Ges. Schr. I 178 f.: „Auch der Selbstbesinnung des Sokrates geht nicht auf, daß die Außenwelt Phänomen des Selbstbewußtseins, daß uns aber in diesem selber ein Sein, eine Wirklichkeit gegeben sei, deren Erkenntnis uns allererst eine unanfechtbare Realität aufdeckt.** Vgl. auch J. STENZEL, Metaphysik des Altertums. Handbuch der Philosophie, Abt. I, Beitr. D, 1931, 29 ff. u. 91.

8

Einleitung

mittelt und so durch die Reflexion das ursprüngliche Fragedenken des Sokrates in eine wissenstheoretisch begründete Theorie der offenen Frage verwandelt, die imstande ist, die Sokratische Fragestellung mit Elementen sowohl der eleatisch-heraklitischen Ontologie wie der ionischen Kosmologie als auch der orphisch-pythagoreischen Anschauungen und der zeitgenössischen Naturwissenschaften zu verbinden. Die Akte und Gestalten dieser Reflexion und ihre Bedeutung im gesamtpsychischen Funktionszusammenhang sowie die weitere Formung und Ausgestaltung dieser Reflexion bei Aristoteles zu untersuchen, ist ein großer Teil unserer Arbeit bemüht. Die Eindeutigkeit, mit der Platon und Aristoteles von den Erscheinungen des Denkens und Wissens und von den Gegebenheitsweisen des Seienden handeln, und der Umfang der Behandlung dieser Thematik erlauben es, von einer Phänomenologie des Bewußtseins bei Platon und Aristoteles zu sprechen. “Phänomenologie’ und “Bewußtsein? sind dabei nicht in irgendeinem schulmäßigen Sinne zu verstehen,der die von uns aufzudeckenden Sachverhalte nur verdecken würde. Der Inhalt dieser und anderer hier zur Anwendung gelangenden Begriffe bestimmt sich vielmehr nach eben den Sachverhalten, die der Gegenstand dieser Un-

tersuchungen sind, die, wie sich zeigen wird, ein wenig bekanntes Kapitel aus der Geschichte des Selbstbewußtseins wieder einsichtig machen. Viele dieser Sachverhalte, insbesondere bei Aristoteles, sind dadurch

verschüttet und dem

Zugriff der Forschung immer

wieder entzogen

worden, daß man sich allzusehr und fast ausschließlich von einem un-

kritisch in Ansatz gebrachten Schematismus der Seelenteile hat leiten lassen, anstatt diese unter dem Aspekt unserer Fragestellung nur als Träger von Funktionen zu betrachten und sich streng an die Funktionalität dieser Funktionen zu halten. Damit ist ein Weg gewiesen, der sich nicht vorzeitig in psychologisch-physiologische Aporien verliert, sondern bis zu jenem höchsten Punkt der antiken Philosophie führt, den Aristoteles in seiner Lehre vom noetischen Sein des ersten unbewegten Bewegers erreicht hat. Die vorliegenden Untersuchungen haben ihren Ausgang genommen von der Erkenntnis, daß in der geschichtlichen Situation der Gegenwart der Philosophie die Hauptaufgabe aus der Frage nach der Veränderlichkeit oder Unveränderlichkeit des Menschenwesens erwächst. Daraus ergibt sich ganz von selbst die Frage nach den verschiedenen Selbstauffassungen des Menschen im Laufe der Menschheitsgeschichte,

Einleitung

9

weshalb auch die Erforschung der Geschichte des menschlichen Selbstverständnisses eine der hauptsächlichen Forderungen der modernen theoretischen Anthropologie an die philosophisch-historische Wissenschaft ist. Daß sich unsere Untersuchungen unter dieser speziellen Fragestellung - die in Wirklichkeit die umfassendste Frage ist, weil die philosophische Selbstauffassung des Menschen in der Theorie des Selbstbewußtseins “ein Schnittpunkt aller Fragen des ganzen Menschseins’! ist — insonderheit

mit Platon und Aristoteles

beschäftigen, hat

seinen Grund in der gegenwärtigen Lage der Philosophie. Die Vorherrschaft des Neukantianismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts durch den Durchbruch der Phänomenologie und des kritischen Realismus gebrochen worden. Seitdem ist zum erstenmal nach Kant unter veränderten historischen und systematischen Bedingungen ontologische Metaphysik wieder grundsätzlich möglich. Damit aber ist gleichzeitig die sachliche Beziehung unseres Philosophierens zur antiken Philosophie gegeben. Das wird heute schon äußerlich durch die intensive philosophische Beschäftigung mit dem antiken Denken angezeigt und bestätigt sich bei der Feststellung, daß die großen direkten, nicht bloß mittelbaren Vorgänger der modernen philosophischen Entwicklung ım 19. Jahrhundert, zum Beispiel Franz Brentano, um den vielleicht bedeutendsten zu nennen, ihre richtungweisenden Einsichten der Auseinandersetzung mit der klassischen Philosophie des Altertums verdanken. Dieser problemgeschichtlich viel zu wenig beachtete Tatbestand erklärt zu einem nicht unerheblichen Teil die trotz unserer so radikal veränderten Stellung in der Welt und zur Welt doch im ganzen erstaunliche Intimität unseres Verhältnisses zu den antiken Denkern heute. Die große Gefahr in unserer gegenwärtigen philosophischen Situation ist der Rückfall in den eben erst und, wie einschränkend hinzu-

gefügt werden muß, auf weiten Strecken und in mancherlei Gestalt noch höchst unvollkommen überwundenen Subjektivismus. Um so gröBer muß

deshalb

unsere

Bereitschaft

sein, von den antiken

Denkern

und besonders von den größten unter ihnen, Platon und Aristoteles, vor allem da zu lernen, wo nicht nur die Probleme, sondern auch die mög-

lichen, weil sachnotwendigen Lösungen dieselben geblieben sind. ! A. DEMPr, Theoretische Anthropologie, München-Bern

1950, 165.

ERSTER DIE

PLATONISCHE

TEIL

NOETIK

UND

DIANOETIK

ERSTER

DER

RÜCKVERWEIS

AUF

IHRE

ALS

DER

ARISTOTELISCHEN

PLATONISCHE

ZENTRALES

ABSCHNITT

THEMA

GRUNDLEGUNG DER

URTEILSLEHRE

UND

DIANOETIK

DAS

URTEIL

ÜBERHAUPT

1. Der dialektische Ursprung und das Selbstverständnis der Aristotelischen Logik

Es ıst ein für den modernen Logiker überraschendes und denkwürdiges Phänomen, daß am Anfang der Geschichte der Logik als Wissenschaft ein Philosoph steht, der mit erstaunlicher Sicherheit logische und psychologische Sachverhalte scharf trennt und uns dazu veranlaßt und berechtigt, seine Logik psychologiefrei zu nennen. Es war besonders

Heinrich

Maier,

der

in seinem

monumentalen

Werk

‘Die

Syl-

logistik des Aristoteles’! diese Eigentümlichkeit der Aristotelischen Logik einer eingehenden Würdigung unterzogen hat. Aber eine befriedigende Erklärung dafür, daß die Logik des Aristoteles eine psychologiefreie Logik ist, hat Maier nicht gefunden. Was zu diesem denkwürdigen Faktum einer psychologiefreien Logik gleich am Anfang der Geschichte der Logik als Wissenschaft geführt hat, war zweifellos nicht die Reaktion des Aristoteles auf eine etwa schon vorhandene psychologistische Logik, die ja erst nach Aristoteles auftrat beziehungsweise auftreten konnte und gegen die eine noch sehr viel spätere Zeit erst den Kampf aufnahm. Es ist sogar in hohem Grade unwahrscheinlich, daß Aristoteles überhaupt die Gefahren gesehen hat, die seinem logischen Unternehmen gerade von der Psychologie her drohten. Jedenfalls werden sie nirgendwo diskutiert, und sogar da, wo er einmal bei Gelegenheit das Psychologische ausdrücklich aus dem Gegenstandsbereich einer logischen Analyse ausklammert, erfährt diese Ausklammerung keine weitere Begründung, weshalb es den historischen Tatbestand nicht trifft, wenn Maier sagt, daß bei Aristoteles “die Logik von der Psychologie emanzipiert?* sei. Das legt nahe, die so modern anmutende, auf Psychologie und Erkenntnistheorie verzichtende Ortsbestimmung der Logik durch Ari1 H. MAIER, Die Syllogistik des Aristoteles, ? À. a. O. II 2, 375.

2 in 3 voll., Tübingen

1896-1900.

14

Der

Rückverweis

der

Aristotelischen

Urteilslehre

stoteles sich von anderswoher zu erklären. Es ist das große Verdienst von Ernst Kapp, diesen Versuch erfolgreich unternommen und in mehreren Arbeiten! nachgewiesen zu haben, daß die Aristotelische Syllogistik, das Kernstück der Aristotelischen Logik, nicht das Ergebnis einer Reflexion auf die Form des Denkens des Einzelsubjekts ist, sondern auf einer methodologischen Analyse des Ganges der philosophischen Übungsgespräche beruht, wie sie nach dem Vorbild der Sokratischen Dialektik in der Akademie gepflegt und dort in den Rang einer regelrechten philosophischen Propädeutik oder Gymnastik erhoben worden waren. Das Ergebnis, zu dem die Untersuchungen Kapp führten, beruht auf einer umsichtigen Nutzanwendung von sehr feinen, zum Teil nur eben angedeuteten Beobachtungen, die Christian August Brandis in seiner Berliner Akademieabhandlung von 1833 “Über die Reihenfolge der Bücher des aristotelischen Organons’ niedergelegt hatte." Brandis hatte dargelegt, daß die überlieferte Reihenfolge der Schriften des Organons nicht identisch ist mit der zeitlichen Folge ihrer Entstehung und daß die Topik am Anfang der Reihe der Logischen Schriften steht. Dieses historische Faktum ist für die ganze Aristotelische Logik symptomatisch, vor allem aber läßt es den Herkunftsbereich des Syllogismus erkennen: die Praxis der philosophischen Übungsgespräche. Diesen Schluß hat Kapp mit großer Evidenz gezogen, wobei er zunächst unter Zugrundelegung bestimmter Bücher der Topik Situation und Technik des dialektischen Gespräches rekonstruierte. Dadurch wurde zum erstenmal wirklich einsichtig, daß der Syllogismus seine Entstehung als Lehrstück der Logik einer methodologischen Besinnung auf die dialektische Technik verdankt und keineswegs als Vollzugsform ! E. KAPP,

Artikel *Syllogisti?

RE

IV A 1, 1931,

1046-1067.

Vorher war

KAPP

schon in seiner Münchener Habilitationsschrift von 1920 “Die Kategorienlehre in der Topik? (ungedruckt) zu grundlegend neuen Ergebnissen gekommen. Eine zusammenfassende allgemeine Darstellung der Grundzüge der griechischen Logik hat KAPP unter Zugrundelegung der Hauptergebnisse seiner Forschungen vorgelegt in: “Greek Foundations of Traditional Logic’, New York 1942. ? CHR. A. BnANDIS, Über die Reihenfolge der Bücher des Aristotelischen Organons und ihre Griechischen Ausleger, nebst Beiträgen zur Geschichte des Textes jener Bücher des Aristoteles und ihrer Ausgaben. Abhandlungen der Berliner, Akademie 1833, Hist.-philol. Klasse, 249-291. Erster Abschnitt: Von der Reihenfolge der Bücher des Organons, 249-268. Zweiter Abschnitt: Von den Griechischen Auslegern des Organons, 268-291. Vgl. auch die Ausführungen von BRANDIS in seinem

1853, 151.

Handbuch

der Geschichte

der

Griechisch-

Rómischen

Philosophie II 2, 1,

Ursprung

und

Selbstverständnis

der Aristotelischen

Logik

15

des Denkens des Einzelsubjekts aufgewiesen wurde. Mit dieser Entdeckung wurde zugleich auch unmittelbar deutlich, daß der Syllogismus von Aristoteles nicht als ein Prinzip des Gedanken- oder Erkenntnisfortschritts gedacht war. Die Herkunft des Aristotelischen Syllogismus aus der Dialektik ist in dieser Hinsicht für die ganze Aristotelische Syllogistik, auch in ihrer vollendeten Gestalt in den Ersten Analytiken, bestimmend geblieben. Auch in der Syllogistik der Ersten Analytiken bedeutet der Schlußsatz gegenüber den Prämissen keinen Erkenntnisfortschritt,

darüber

und

reflektiert, läßt

der

Umstand,

erkennen,

daß

daß

Aristoteles

er dieses

auch

Problem

nicht

hier gar

nicht im Blick gehabt hat, was freilich nur möglich war, weil für ihn

die Analyse der Syllogismen nicht mit der Analyse der Denkformen identisch war. Die zwei Kardinalfragen, die man in neue ‘er Zeit immer wieder im Hinblick auf die Aristotelische Logik gestellt hat: Weshalb findet sich Formallogisches in der Aristotelischen Logik? und: Warum ist die Aristotelische Logik psychologiefrei? finden durch den Hinweis auf den dialektischen Ursprung der Aristotelischen Logik zum erstenmal eine befriedigende Beantwortung. Freilich hatte es nicht an einzelnen Stimmen gefehlt, die Dialektik und Eristik wenigstens als partiell bestimmende Faktoren für das Zustandekommen der Syllogistik gelten ließen, aber es war erst Kapp, der die volle Bedeutung dieser Faktoren erkannte und so Grund und Folge in das richtige Verhältnis brachte. Festzuhalten

ist

auch

an

seiner

Einsicht,

daß

der

Aristotelische

Syllogismus nicht etwa eine Frucht der Platonischen Diairesis-Methode ist, also am Ende einer zwar langen, aber doch geradlinigen Entwicklung stünde, in der sich das Logische allmählich vom Mythischen und Metaphysischen abgelöst hätte, wie das nach dem Vorgang von Dilthey

noch

Stenzel

annahm,

der

in diesem

Sinne

in den

formal-

logischen Gesetzen des Aristoteles “die abschließenden Leistungen griechischer Abstraktion’ sah.! Diese Betrachtungsweise erklärt die logische Entwicklung, worauf Kapp mit Recht hinweist, zwar bis zur Platonischen

Diairesis,

aber

nicht

weiter.

Die

Diairesis-

Methode

1st

eine Konsequenz der Platonischen Ideenlehre, nicht ein Ergebnis der Besinnung

auf die Methode

der dialektischen

Technik, wie sie beson-

ders in den frühen Dialogen zur Darstellung gelangt. Es ist des Ari1 J. STENZEL,

RE-Artikel ‘Logik’, XIII, 1926, 992.

16

Der

stoteles

Rückverweis

unbestreitbares

der

Aristotelischen

Verdienst,

die

Urteilslehre

Reflexion

auf diese

Technik

durchgeführt zu haben. Das Ergebnis der formalisierenden Reflexion auf die dialektische Technik war die Theorie des Syllogismus, die Syllogistik. Von dem dialektischen Ursprung der Aristotelischen Logik her wird auch

verständlich,

weshalb

diese

sich

nicht,

wie

die

traditionelle

Logik, nach dem Prinzip Begriff- Urteil-Schluß aufbaut und weshalb die überlieferte Anordnung der Schriften des Organons nicht die geschichtliche Genesis der Aristotelischen Logik wiedergibt. Denn die vollendete Syllogistik der Ersten Analytiken setzt weder eine Lehre vom Begriff voraus, die wir in der Form eines gesondert ausgeführten Lehrstückes bei Aristoteles ohnehin vergeblich suchen, noch setzt sie die getrennt behandelte Lehre vom Urteil voraus, die wir in [Περὶ ἑρμηνείας finden. Schwieriger als diese Bestimmungen ist die Bestimmung dessen, als was Aristoteles seine Syllogistik selber verstanden hat. Er gibt uns darüber

keine

direkte

Auskunft,

ein

Umstand,

der

schon

von

den

griechischen Kommentatoren beklagt worden ist und zu kühnen Spekulationen Anlaß gegeben hat. Dennoch ist die Lage nicht so hoffnungslos, wie es zunächst den Anschein hat. Es gibt immerhin einige Stellen,! die einen Hinweis geben können, und außerdem vermittelt die Beschäftigung mit den logischen Texten selbst einen ziemlich genauen Begriff davon, wie Aristoteles seine Syllogistik aufgefaßt hat. Danach ist die Syllogistik im Bewußtsein des Aristoteles nicht nur Organon

für

andere

Wissenschaften,

obwohl

immer

sondern

selber

Wissenschaft,

nämlich eine Theorie des Syllogismus, und als solche hat sie auch einen Zweck in sich selber. Das Bewußtsein von dem instrumentalen Charakter der Syllogistik ist am stärksten ausgeprägt in der Topik und nimmt

dann,

noch

nachweisbar,

allmählich

ab,

und

zwar ganz deutlich in demselben Maße, wie die Formalisierung der Logik zunimmt, bis das System der Syllogistik in seiner vollendeten Gestalt in den Ersten Analytiken Selbstzweck geworden ist. Von der konkreten Frage möglicher Anwendbarkeit und einer Bestimmung des Anwendungsbereiches findet sich nun keine Spur mehr. Auf dieser Stufe der logischen Reflexion geht es in rein theoretischem Interesse ! Dazu gehören die ersten beiden Kapitel des 1. Buches der Topik, das Schlußkapitel der Soph. El., im dritten Kapitel des Buches I' der Metaphysik der Satz 1005 b 2 ff., der erste Satz des ersten Kapitels der Ersten Analytiken und der erste Satz des letzten Kapitels der Zweiten Analytiken.

Ursprung

und Selbstverständnis

der Aristotelischen

Logik

17

nur noch um die Sache selber, nämlich um bestimmte Beziehungen bestimmter Aussageformen und ihre exakte Darstellung.’ Am Anfang der Entwicklung der Syllogistik herrscht also das instrumentale Verständnis der Logik vor. Im Laufe dieser Entwicklung wird dann das sachliche Interesse an der Analyse der Beziehungen der Aussageformen dominant und bestimmt dann die Entwicklung bis zu einer durchgeführten Theorie des Syllogismus, die sich selbst als Wissenschaft versteht. Das instrumentale Verständnis der Logik geht dabei nicht vollständig verloren. Es wirkt noch, besonders von der dialektischen Syllogistik der Topik her, nach. Aber es verliert seine bestimmende Funktion. Die Aristotelische Logik als Ganzes ist also, auch im Bewußtsein des Aristoteles, nicht nur ein Hilfsmittel der philosophischen Wissenschaften, sondern selber eine philosophische Wissenschaft. Der Hinweis auf den Tatbestand, daß die Logik oder, wie sie Aristo-

teles nennt, die Analytik bei den von ihm gelegentlich vorgenommenen Aufzählungen

der

Wissenschaften

keine

Berücksichtigung

findet, ist

kein zwingendes Argument dagegen. Daß die Logik bei der Einteilung der Wissenschaft keine Stelle findet, ist dem

Umstand

zuzuschreiben,

daß Aristoteles die dialektischen Untersuchungen der Frühzeit aus rein methodologischem Interesse durchgeführt und die Methodologie nicht als selbstándige Wissenschaft,

sondern als hilfswissenschaftliche

Technik beziehungsweise als Propádeutik der Wissenschaften verstanden hat. In diesem Geist ist die Topik geschrieben. Auch die Khetorik muß in diesem Zusammenhang genannt werden.?Demgegenüber hat sich erst sehr spát — in den Ersten Analytiken - die Theorie des Syllogismus verselbstándigt und als selbstándige Wissenschaft etabliert. Die Logik war von diesem Zeitpunkt an nicht mehr primár Organon, sonderr war selbst ein Teil der Philosophie geworden. Aber dieser späte Prozeß hat in der bereits fixierten Einteilung der Wissenschaft keinen Niederschlag mehr gefunden.?

1 Vgl. dazu den Schlußsatz des Buches von G. PATzıc, Die aristotelische Syllogistik, (Abh. d. Akad. d. Wiss. in Göttingen, 3. Folge, Nr. 42) 1959, S. 199. 2 Vgl. dazu die Aufsätze von W. WIELAND, Aristoteles als Rhetoriker und die exoterischen Schriften, Hermes 86, 1958, 323-346, und: der formalen Logik, Philosophische Rundschau 6, 1958,

Zur Problemgeschichte 71-93.

? Daher wird man die Stelle Metaph. I' 3. 1005 b 2 ff., wo ἀναλυτικά als eine Vorbedingung aller Wissenschaft bezeichnet werden, zumindest nicht auf den Inhalt der Ersten Analytiken beziehen dürfen, wahrscheinlich aber auch nicht auf den der Zweiten Analytiken, sondern überhaupt nur auf die Analysen der 2

Oehler, Die Lehre

18

2. Die Doppelseitigkeit des Urteils und die bestimmte Unterscheidung

der logischen und der psychischen Seite desselben

Daß in der Syllogistik, wie sie in der Topik und in den Analytiken vorliegt, das Urteil — hier in der Form der syllogistischen Sätze -psychologisch nicht problematisch wird, ergibt sich aus dem einfachen, nunmehr

bekannten

dialektischen

Tatbestand,

daß

die

Prämissen

eines Syllogismus nicht gedacht sind als die selbständigen Leistungen eines frei urteilenden Individuums, das für sich allein etwas bedenkt, sondern als vorgegebene, vorgesetzte, schon fertige Sätze, aus denen notwendig ein anderer Satz folgt. Daß in dem engen Rahmen dieser syllogistischen Technik, wo man sich an die vorformulierten, fertigen Sätze hält, psychologisch nichts relevant wird, ist klar, und das Verständnis dieser Erscheinung bereitet keine Schwierigkeiten. Daß Aristoteles aber sehr wohl um die psychische Seite des Urteils wie überhaupt um die psychische Seite logischer Gegebenheiten gewußt hat, zeigen die entsprechenden Kapitel ın [Περὶ ψυχῆς, zeigt das Schlußkapitel der Zweiten Analytiken und zeigt in besonders aufschlußreicher Form der Anfang von Ileot ἑρμηνείας, wo das Psychische expressis verbis aus dem Gegenstandsbereich der logischen Analyse des Urteils ausgeklammert und dafür auf die Ausführungen in Περὶ ψυχῆς verwiesen wird.! Diese hier vorgenommene Zurückweisung Topik und Rhetorik, die ja auch als Einführungen in die Methodik wissenschaftlicher Untersuchungen benutzt werden können und sollen. Daß sich keine Stellen finden, wo Aristoteles nach Vollendung der Ersten Analytiken, also nach der Etablierung der formalen Logik als selbständiger Wissenschaft, die Logik als einen besonderen Teil der Philosophie neben den anderen Teilen der Philosophie erwähnt, hat seinen Grund in der späten Abfassungszeit der Ersten Analytiken. Die Sache verhält sich so, wie es schon vor hundert Jahren

EDUARD

ZELLER

in be-

sonnener Weise, wenn auch ohne eine befriedigende Erklärung, formuliert hat: „die Behauptung freilich, daß diese Wissenschaft (scil. die Logik) als Organon der Philosophie nicht zugleich ihr Theil sein könne, würde er (scil. Aristoteles) schwerlich

gebilligt haben‘...

„da

er die Logik

einmal

mit

solcher

Sorgfalt

wis-

senschaftlich bearbeitet hat, muß ihr auch in dem Ganzen seiner Philosophie ein bestimmter Ort angewiesen werden“, in: Die Philosophie der Griechen in ihrer geschichtlichen Entwicklung II 2, 182 u. 188. Für die Frage der Konstituierung der Aristotelischen Logik als selbständiger Wissenschaft ist wichtig der Kommentar des PAcıus zu den Analytiken. Vgl. besonders seinen Kommentar zum ersten Satz des letzten Kapitels der Zweiten Analytiken: In Porphyrii Isagogen et Aristotelis Organum Commentarius Analyticus, Frankfurt 1597, p. 345. ! Diese Doppelseitigkeit der logischen Phánomene, die also sowohl in ihrer objektiven Gegebenheit und Relation betrachtet werden kónnen als auch als subjek-

tive Leistungen des Bewußtseins, ist vor allem nach der subjektiven Seite hin von

Die

Doppelseitigkeit

des

Urteils

19

der subjektiven, psychischen Seite der logischen Gegebenheiten und die Beschränkung der ins Auge gefaßten Analyse auf das ObjektivLogische — unter Absehung von der psychisch-erkenntnismäßigen Genesis der logischen Gegebenheiten - liegen ganz in der oben markierten, von der Syllogistik eingeschlagenen Richtung und müssen immer

auch

von

daher

verstanden

werden,

freilich

unter

gleich-

zeitiger Berücksichtigung des Tatbestandes, daß die von Aristoteles in Ilepı ἑρμηνείας explizierte Logik des Urteils unmittelbar auf der Platonischen Grundlegung einer solchen Logik aufbaut. Keines dieser beiden Momente darf hier für sich genommen und unter vernachlássigender Hintansetzung oder gar Außerachtlassung des anderen Momentes in seiner Bedeutung absolut gesetzt werden. Das mag besonders bezüglich des zweiten Momentes überraschen. Aber der Hinweis auf die Platonische Grundlegung, wie sie in Platons Analyse des Satzes vorliegt, reicht allein eben auch nicht aus, um den spezifisch logischen Charakter der Aristotelischen Urteilslehre in Ilepı ἑρμηνείας zu erklären.

Der

Platonische

Vorentwurf

war

keine

Garantie

dafür,

daß eine spätere Explikation dieses Entwurfes rein logisch blieb. Geist und Tendenz der Syllogistik haben daran mitgewirkt, daf die von Platon grundgelegte reine Logik des Urteils auch bei Aristoteles diese Eigenschaft behielt.! Denn die der Syllogistik eigene objektive, statische Betrachtungsweise, die von dem lebendigen Akt des Denkens, wie er sich im Einzelsubjekt vollzieht, keine Notiz nimmt und sich an die vorgegebene fertige sprachliche Formulierung hält, hat Aristoteles auch in seiner Logik des Urteils beeinflußt und mit zu der methodisch und sachlich sauberen Grenzziehung zwischen Logik und Psychologie geführt, die wir am Anfang von Ilepi ἑρμηνείας beobachten. Entsprechend der Mittelstellung dieser Schrift zwischen der Topik and den Analytiken müssen wir noch, genauer bestimmend, ergänzend hinzufügen, daß es die dialektische Syllogistik war, die HussERL durch die Beziehung der Ursprungsfrage auf die logischen Gebilde zum zentralen Thema der phänomenologischen Logik geworden, freilich ohne daß diese Logik mit der traditionellen genetischen Urteilspsychologie identisch wäre, wogegen sich HussERL ja auch ausdrücklich verwahrt. Vgl. Erfahrung und Urteil 9 et passim. Was wir für unsere Interpretation von HUssERL lernen können, weil er sich hierin sachlich mit Aristoteles trifft, ist der Tatbestand,

daß das Urteil

mehrere Einstellungen unsererseits zuläßt und daß es eben eine Frage der Einstellung oder Abblendung ist, mit welcher Seite des Urteils wir es zu tun haben. ! Vgl. dazu H. MAIER, Die Syllogistik des Aristoteles, III 2, 3. Kapitel: Abhängigkeit der Urteilslehre von der Schlußtheorie 366-372. 2»

20

Der

Rückverweis

der

Aristotelischen

Urteilslehre

durch ihre objektive, psychologiefreie Betrachtungsweise auf die Behandlung des Urteils in [Περὶ ἑρμηνείας mit eingewirkt hat.! Eine andere Frage ist, was Aristoteles überhaupt zur Explikation einer Logik des Urteils veranlaßt hat. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Syllogistik der Ersten Analytiken auf die ausgeführte Lehre in [Iepi ἑρμηνείας keinen Bezug nimmt, was bedeutet, daß diese Lehre von der Syllogistik her gar nicht gefordert war. Gleichwohl lag in dem Umstand, daß die syllogistischen Sätze formal und syntaktisch die Struktur von Urteilen haben, indirekt eine Aufforderung zur Ausbildung einer Urteilslehre überhaupt. Aber nicht das war ausschlaggebend, sondern die schon vorliegende, von Platon geleistete Vorarbeit, die ihrerseits wieder im Zusammenhang einer innerakademischen Schuldiskussion verstanden werden muß. An sie brauchte Aristoteles nur wieder anzuknüpfen, um die vielen unausgesprochen, ungeklärt und unausgeführt gebliebenen Probleme auf seine Weise darzulegen und zu lösen. Insofern ist die Urteilslehre in [Περὶ ἑρμηνείας, wie das so oft bei Aristoteles der Fall ist, die eigene systematische Explikation eines ursprünglich Platonischen Ansatzes. Doch über diesen Zusammenhang weiter unten. 3. Das Parallelismus-Schema von Sein, Denken und Sprache

Die Untersuchung in llept ἑρμηνείας beginnt mit einer Ortsbestimmung ihres Gegenstandes, die für das Verstándnis der Aristotelischen Urteilslehre von grundlegender Bedeutung ist. Die Stelle (16a 3-18) lautet: „Die stimmlichen Äußerungen sind Zeichen für die Widerfahrnisse in der Seele, und das Geschriebene ist Zeichen für die

stimmlichen Äußerungen. Und wie nicht alle dieselbe Schrift haben, so haben auch nicht alle dieselben Laute. Wofür jedoch diese erstlich

Zeichen sind, nämlich für die Widerfahrnisse der Seele, die sind beiallen EE

ca

! Zum Problem der Chronologie von []ερὶ ἑρμηνείας vgl. vor allem BRANDIS a. a. O., ferner H. MAIER, Die Echtheit der Aristotelischen Hermeneutik, Arch. f. Gesch.

d. Philos.

13, 1900,

23-72;

zuletzt

I. M. Bocnenskı,

Formale

Logik

50 f.,

dazu die ausführliche Bibliographie 545 f. Zur Schrift IIeot ἑρμηνείας vgl. ferner F. Ta. WaArrz, De Aristotelis libri Ilepi ἑρμηνείας capitulo decimo, Habilitationsschrift Marburg 1844. A. TEXTOR, De hermeneia Aristotelis, Diss. Berlin 1870. F. MicnHELIS, Aristotelis Περὶ ἑρμηνείας librum pro restituendo totius philosophiae

fundamento

interpretatus

est,

Heidelberg

1886.

F. NuvEws,

De

dateering

van

Aristoteles’ tractaat “De interpretatione), Studia Catholica 18, 1942, 44ff. H. DvLAC, The Peri Hermeneias: its Place in the Logic and its Order, Laval théologique et philosophique 5, 1949, 161-169.

t

Das

Parallelismus-Schema

21

dieselben, und ebenso sind die Dinge dieselben, von denen dieWiderfahr-

nisse der Seele Abbilder sind. Doch darüber ist in den Büchern Über die Seele gehandelt, denn das gehört zu einer anderen Untersuchung. Wie aber in der Seele das Gedachte bald ohne das Wahr- oder Falschsein 151.

bald ihm das eine von beiden zukommt, so ist es auch in der Sprache. Denn Falschheit und Wahrheit bestehen in bezug auf Verbindung und Trennung. Die Onomata und Hhemata für sich gleichen nun dem Gedachten ohne Verbindung und Trennung, zum Beispiel “Mensch’ oder ‘weiß’, wenn nichts hinzugesetzt ist. Denn Falschheit oder Wahrheit gibt es da noch nicht. Beweis dafür aber ist folgendes: auch *Bockhirsch?

bedeutet

etwas,

aber

Wir

sehen

noch

nichts Wahres

oder

Falsches,

so-

lange nicht ‘sein’ oder ‘nicht sein? hinzugesetzt ist, entweder schlechthin oder zeitlich bestimmt. Das systematisch Entscheidende und damit den Charakter dieser Urteilslogik sowie den Modus ihrer Explikation Bestimmende ist das voraussetzungsvolle Schema des Parallelismus von Dinglich- Realem, Gedanklich-Idealem und SinnlichVerbalem oder von Sein, Denken und Sprache. Genauerhin sind es vier Glieder, die in Parallele gesetzt werden: die Schrift als Symbol des Gesprochenen, das Gesprochene als Symbol des Gedachten und das Gedachte als Abbild des Wirklichen, der Dinge. Diese letzte Entsprechung, das Gedachte als Abbild der Dinge, wird uns noch bei der Behandlung der subjektiven, psychischen Seite des Urteils zu beschäftigen

haben.

deshalb

zunächst

davon

ab,

auf diese

Beziehung náher einzugehen. Es genüge hier lediglich der vorláufige Hinweis, daß mit den παϑήηματα τῆς ψυχῆς nicht nur die isolierten Vorstellungen gemeint sind, sondern auch ihre Verbindungen und Trennungen,

das

heißt

die

Urteile!

Was

das

erste

Glied

der

Reihe

die besondere

Funk-

betrifft, die Schrift, so gehört diese zwar folgerichtig und also schon aus Gründen der Vollständigkeit in die Reihe der Glieder des aufgestellten Schemas,

hat aber darüber

hinaus noch

tion, den konventionellen Charakter der Sprachsymbolik augenfällig zu machen. Denn ebenso wie die Schrift ist die Sprache nicht überall dieselbe. Das bedeutet, daß die Sprache nicht natürliches Organon des Denkens ist, und es bedeutet, daß das Gesprochene nicht Abbild, sondern eben Symbol des Gedachten ist.” Das Gedachte dagegen ist ! Vgl. MarER I 106, 2. 2 Wenn Aristoteles trotzdem die Wörter gelegentlich Nachahmungen nennt (vgl. Rh. I' 1. 1404 a 20f.: τὰ γὰρ ὀνόματα μιμήηματά ἐστιν). so kommt hier ein Begriff der μίμησις zur Anwendung, der so sehr dem Begriff der ποίησις nahesteht, daß er

22

Abbild,

Der

und

Rückverweis

zwar

Abbild

der

des

Aristotelischen

Wirklichen,

Urteilslehre

und

darum

auch

für all

dabei

auch

nur

Menschen dasselbe, ganz ebenso wie das Wirkliche selbst. Die Be ziehung zwischen Sein und Denken ist also anders strukturiert als die Beziehung zwischen Denken und Sprache. Dem Abbildcharakter des Gedankens steht der Symbolcharakter des Wortes gegenüber. Die Sprache als lebendiger Prozeß ist, von hierher gesehen, die Transformation von Abbildern in Symbole. Insofern nun die Symbole, die Wörter, Symbole für das Gedachte sind und das Gedachte Abbild des Wirklichen ist, können die Wörter (ὀνόματα) auch als Symbole der Dinge (σύμβολα τῶν πραγμάτων) verstanden werden, wie das Aristote-

les bei

Gelegenheit

erkennen

läßt,

freilich

ohne

im

geringsten eine onomatopoetische Spracherklärung zu intendieren, die ihm völlig fern liegt. Der tiefe Sinn der Aristotelischen Gleichung liegt in dem in ihr ausgedrückten Verhältnis von Sein und Sprache, das zwar nicht unmittelbar, aber dennoch mittelbar durch das Medium des Denkens oder, allgemein, durch das Medium der Seele wirklich ist. Das Seiende, das die Seele affıziert, erfährt durch das Wort, das es

bezeichnet, seinen Aufweis. Die Sprache hat also wesentlich Verweisungscharakter: sie ist deiktisch; ihre Worte stehen nicht für sich selbst, sondern verweisen als Symbole auf anderes, auf das von ihnen Bezeichnete, in der Anschauung und im Denken Vorgegebene, auf die Dinge und Sachverhalte.! Deshalb kann Aristoteles in llepi αἰσϑήσεως καὶ αἰσϑητῶν sagen, daß das Gehör am meisten von allen Sinnen zur Verständigkeit beiträgt: „Die Rede nämlich, da sie hörbar ist, begründet das Lernen, aber nicht vermöge ihrer selbst, sondern mitfolgenderweise. Denn sie besteht aus Worten, jedes Wort aber ist ein Symbol“ (437a 12-15). Das heißt, das Wort hat nicht schon kraft seiner eigenen Wirklichkeit, φύσει, seine Bedeutung, sondern wird erst von dem Denken dazu gebracht, indem ein Laut auf eine vorgángige Bedeutungseinheit bezogen und so zum Bedeutungsträger, zum Symbol, zum Zeichen wird, mittels dessen dann die Sprache ihre deiktische

Funktion erfülen kann: Φύσει τῶν ὀνομάτων γένηται σύμβολον (Int. 16a 27f.). Ohne die

tungseinheiten

gibt es nicht

nicht ,,die bloße Wiederholung

den

λόγος,

eines äußerlich

der

οὐδέν ἐστιν, ἀλλ᾽ ὅταν vorgegebenen Bedeu-

als ἀχουστός

Gegebenen'*

meint,

auch

αἴτιος

sondern

,,einen

freien geistigen Entwurf: das scheinbare *Nachbilden? hat in Wahrheit ein inneres Vorbilden zur Voraussetzung‘‘, E. CassiRER, Philosophie der symbolischen Formen I 131. Der so verstandene mimische Charakter des Wortes steht deshalb mit seinem Symbolcharakter durchaus in Übereinstimmung. ! Vgl. dazu auch B. SNELL, Der Aufbau der Sprache, Hamburg ?1961, 57.

Das

Parallelismus-Schema

23

τῆς μαϑήσεως wäre. Die Gleichsetzung von ὀνόματα und σύμβολα τῶν πραγμάτων berechtigt nun aber nicht zu der Annahme, daß das, was für die ὀνόματα gilt, ohne weiteres auch für die πράγματα gelte, ein Irrtum, der, wie Aristoteles in Ilepi σοφιστικῶν ἐλέγχων zeigt, auf der Verkennung des Umstandes beruht, daß die Zahl der Wörter und Reden begrenzt, die Zahl der Dinge aber unbegrenzt ist, weshalb dieselbe Rede und dasselbe Wort eine Vielheit von Dingen zu bezeichnen

haben:

„Da

es unmöglich

ist, in der

Diskussion

die

Dinge

selbst einzuführen,! wir uns vielmehr an Stelle der Dinge der Wörter

als Symbole bedienen, glauben wir, daß das, was für die Wörter zutrifft, auch für die Dinge zutreffe, so wie es Leute, die rechnen, mit

den Rechensteinen halten. Aber die Sache liegt anders. Denn die Wörter und die Menge der Reden sind begrenzt, die Dinge aber sind der Zahl nach unbegrenzt. Folglich muf) dieselbe Rede und das einzelne Wort mehreres bezeichnen. Wie nun dort, die nicht tüchtig sind

im Setzen

der

Rechensteine, von

den Wissenden

betrogen werden, so

werden auch in den Diskussionen die der Bedeutung der Namen Unkundigen getäuscht, wenn sie selbst diskutieren oder andere hören“ (1. 165a 6-17). Auf eben diesem Umstand beruhen die meisten der sophistischen Fangschlüsse, mit denen sich zu beschäftigen, wie Aristoteles betont,

auch

für die Philosophie

von

Nutzen

ist: „Denn

sie

machen uns, da sie größtenteils auf dem sprachlichen Ausdruck beruhen, vertrauter mit den verschiedenen Bedeutungen eines Wortes und mit dem, was für die Dinge und ihre Namen in gleicher Weise zutrifft und was in verschiedener“ (16. 175a 6-9). Die hier in [Περὶ σοφιστικῶν ἐλέγχων mit der speziellen Absicht einer Ánweisung zum richtigen Verhalten in der Diskussionspraxis verbundene Betonung der Bedeutungspluralität der Wörter darf nun aber nicht sprachphilosophisch überinterpretiert werden. Aristoteles hat den πολλαχῶς oder πλεοναχῶς λεγόμενα immer seine besondere Aufmerksamkeit geschenkt und bekanntlich sogar einige der philosophisch wichtigsten im Buch A der Metaphysik lexikographisch zusammengestellt.” Das ! Ein Gedanke, der übrigens schon in den Argumentationsreihen des Gorgias (Fr. 3) begegnet und vermutlich ein beliebtes Sophisma war. Vgl. H. STEiNTHAL, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern mit besonderer Rücksicht

auf die Logik,

I, Berlin ?1890,

116.

2 Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich Aristoteles nicht damit auf die Bedeutungspluralität der Wörter hinzuweisen. Vielmehr hat bestimmten Stadium seines Denkens an zu zeigen versucht, daß die Bedeutungen eines Wortes älle ein gemeinsames Element, einen

begnügt hat, er von einem verschiedenen zentralen Be-

24

Der

Rückverweis

der

Aristotelischen

Urteilslehre

alleine würde schon genügen, um darzutun, daß er unter Bedeutungspluralität der Wörter nicht Unbestimmtheit der Wortbedeutungen versteht. Er hat sich zu diesem Thema aber auch grundsätzlich geäußert

(Metaph.

sondern

durch

I' 4. 1006a

34-b 11)

und

dargelegt,

daß,

wenn

ein

den

auf

Wort mehrere Bedeutungen hat, diese doch zahlenmäßig begrenzt und inhaltlich bestimmt seien und sich auch wieder durch andere Wörter bezeichnen ließen. Hätte dagegen ein Wort unendlich viele Bedeutungen, so hätte es im Grunde gar keine. Bedeutungslose Wörter aber machten das Gespräch mit anderen und sogar das Selbstgespräch unmöglich. Denn Denken sei immer Denken an ein Eines, für welches es dann auch ein eigenes Wort gebe. Dabei muß man allerdings auch an Wortzusammensetzungen und Wortumschreibungen denken, mit denen sich die Sprache gelegentlich behilft. Was mit dem Hinweis auf die Bedeutungspluralität der Wörter gemeint ist, ıst also ziemlich deutlich. Er ist entsprechend der agonistischen Tendenz von Περὶ σοφιστικῶν ἐλέγχων eine Aufforderung zur genauen Beachtung des Bedeutungsgehaltes der Wörter, eine Forderung, deren Befolgung den dialektischen beziehungsweise eristischen Gewinn bedeutet, daß der in die Diskussion Verwickelte nicht den von seinem Gegner zur Anwendung gebrachten sophistischen Schlichen der fallacia dictionis erliegt oder in seiner eigenen Argumentation in diese Fehler verfällt, eine distinkte Ausdrucksweise,

wie sie durch

ziehungspunkt haben, aristotelisch gesprochen also πρὸς Ev λεγόμενα sind. Es läßt sich ganz deutlich zeigen, daß die Suche nach solcher Zentralbedeutung eines Wortes - im Gegensatz zu dem einfachen Aufdecken der bloßen Mehrdeutigkeit eines Wortes -- für Aristoteles allmählich an Bedeutung gewinnt, so daß die verschiedenen Bedeutungen eines Ausdruckes nun nicht mehr beziehungslos nebeneinander stehen, sondern als Explikation einer primären Bedeutung verstanden werden. Hier wird eine spezifische Denk- und Argumentationsform sichtbar, die von der Annahme ausgeht, daß es ein bestimmtes Verhältnis eines Teiles zum Ganzen gibt,

das

so strukturiert

ist, daß

der Teil

das

Prinzip

des

Ganzen

ist.

Um

die

Wiederentdeckung dieser Bedeutung des πρὸς Ev haben sich Owen und PATzIG verdient gemacht, deren Aufsätze fast gleichzeitig erschienen sind: G. E. L. Owen, Logic and Metaphysics in Some Earlier Works of Aristotle. In: Aristotle and Plato inthe Mid-Fourth Century. Papers of the Symposium Aristotelicum held at Oxford in August, 1957. Edited by I. Dürınc and G. E. L. Owen. Studia Graeca et Latina Gothoburgensia XI, 1960, 163-190. G. Parzıc, Theologie und Ontologie in der ‘Metaphysik’ des Aristoteles, Kantstudien 52, 1960/61, 185-205. Vgl. auch den Aufsatz von K. J. J. HiNTIKKA, Aristotle and the Ambiquity of Ambiquity, Inquiry 2, 1959, 137-151; ebenfalls fórdernd sind der Beitrag von E. K. SPEcnr, Über die primäre Bedeutung der Wörter bei Aristoteles, Kantstudien 51, 1959/60, 102-113, und die Arbeit von T. BAnTH, Das Problem der Vieldeutigkeit bei Arıstoteles, Sophia 10, 1942, 11-30.

Das

Parallelismus-Schema

25

präziser Differenzierung der einzelnen Wortbedeutungen Gebrauch

unverwechselbarer

Benennungen

erreicht

beruhenden

wird,

sich

dem

der zu dem

von

Gegner gewachsen, ja überlegen erweist, indem er im Einzelfall, wenn es nottut, auf diese oder jene Mehrdeutigkeit von Wörtern oder Sätzen hinweist

und

dadurch

den falschen

Schein

zerstört,

dem Gegner intendierten Trugschluß führen würde. Der Gebrauch unverwechselbarer Benennungen aber setzt voraus, daß es letztlich doch für jedes Gemeinte, für jede Sinneinheit (ἐφ᾽ ἑκάστῳ λόγῳ 1006b 1) einen adäquaten Ausdruck gibt, ein bestimmtes eigenes Wortzeichen, ein ἴδιόν τι ὀνόματος σημεῖον, wie Alexander von Aphrodisias das Aristotelische ἴδιον ὄνομα (1006 b5) zutreffend paraphrasiert, mit dem erhellenden Hinweis auf die übliche Verwendung solcher σημεῖα bei der Einteilung der Homonyme.! Berücksichtigt man die Bedeutung, die den Homonymen bei Aristoteles aus vielen Gründen zukommt,

zum Beispiel eben auch bei der

Erklärung der Fehlschlüsse, so liegt der Gedanke nahe, daß die Einteilung der Homonyme, von der Alexander von Aphrodisias spricht und

wie

sie

nach

seinem

Bericht

gewöhnlich

vorgenommen

wurde,

auf eine von Aristoteles selbst stammende Aufstellung, eine διαίρεσις τῶν ὁμωνύμων zurückgeht, zumal wir ja auch andere derartige διαιρέσεις von Aristoteles kennen.? ! CAG I 277, 12-14: ἐνέσται γὰρ σημεῖον ϑέσϑαι, ὡς εἴωϑε γίνεσϑαι,ἐν 2 In gewisser Weise ist das Buch τῶν ὁμωνύμων. Der Hinweis auf eine bzw. ἐκλογὴ τῶν ἐναντίων I 2. 1004 ständige

Schrift,

ἑκάστῳ τῶν σημαινομένων ἴδιόν τι ὀνόματος τῇ τῶν ὁμωνύμων διαιρέσει. Δ der Metaphysik schon eine solche διαίρεσις διαίρεσις τῶν ἐναντίων Metaph. I 3. 1054 a 30 a 2 (cf. 1004 b 34) bezieht sich auf eine selb-

zu der wahrscheinlich

ursprünglich

auch

der

2. Teil

der ,,Kate-

gorien** gehört hat, der die sogenannten Postprädikamenta enthält. Im Schriftenverzeichnis des Diogenes Laertios (und Hesych) wird diese Schrift vermutlich unter dem Titel Ilepi ἐναντίων geführt. Alexander, der sonst immer auf eine Diskussion περὶ ἐναντίων im 2. Buch von IIepi τἀγαθοῦ verweist (siehe Ross I 259), nimmt in seinem Kommentar zu I' 2. 1004a 2 außerdem noch eine selbständige Schrift an mit dem Titel ᾿Εκλογὴ τῶν ἐναντίων (CAG I 250, 19). Vgl. dazu auch die übrigen Fragmente bei V. Rose, Aristotelis Fragmenta, Leipzig 1886, Fr. 118-124 = W.D. Ross,

Aristotelis Fragmenta

Selecta,

Oxford

1955,

106-110.

Daß

die Schrift

Περὶ

ἐναντίων ursprünglich mit den Postprádikamenta wenigstens partiell identisch war, wird nahegelegt auch durch die Beschreibung von IlIegi ἐναντίων 1m arabischen Schriftenverzeichnis: De contrariis I, i. e. ratiocinationes epicherematicae (nach C. PRANTL,

Geschichte

der Logik

im

Abendlande

I, 1855,

93, 9), woraus

PRANTL

den Schluß zieht, daß “die Schrift ΠΠερὶ ἐναντίων zu jener großen, confusen Masse jener Bücher gehört haben müßte, welche dem Bereich der Topik näher liegen’ (I 93, 9). Dieser Schluß ist um so berechtigter, als sich vieles, was in den Postprädikamenta behandelt wird, auch in der Topik findet. Diese partielle Übereinstimmung der Thematik kann freilich, wenn man die m. E. zu Unrecht behauptete Unecht-

26

Der

Rückverweis

der

Aristotelischen

Urteilslehre

heit der Postprädikamente voraussetzt, auch auf eine gemeinsame Quelle zurückgeführt werden, die in doppelter Rezension auf uns gekommen ist, bei Diogenes Laertios

3, 80-109

(H. MUTSCHMANN,

Divisiones quae vulgo

dicuntur Aristoteleae,

Leipzig 1906,1-41) und im Codex Marcianus 257, f 250 (aufgenommen in dieSammlung von V. Rose, Aristoteles pseudepigraphus, Leipzig 1863, 677-695. Bei MUTSCHMANN 42-66). Diese Sammlung enthält akademisches Lehrgut und ist für unsere Kenntnis insbesondere des logischen Wissens in der Platonischen Schule von zentraler Bedeutung. Vgl. dazu E. HAmbruch, Logische Regeln der Platonischen Schule in der Aristotelischen Topik. Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Askanischen Gymnasiums zu Berlin, 1904. Ferner die Praefatio V-XLII der Ausgabe von MUTSCHMANN. Dazu P. BOUDREAUX, Un nouveau manuscrit des Divisiones

Aristoteleae,

Rev.

de philol.

33, 1909, 221-224.

Daß

es sich bei diesen

Einteilungen teils um solche handelt, die Platon selbst mündlich vorgenommen hat und die dann von anderen schriftlich festgehalten wurden, teils um solche, die das Ergebnis innerschulischer Diskussionen waren oder auch von einzelnen álteren Platonikern stammen, ist wahrscheinlich. Vgl. Aristoteles, GC B 3. 330 b 15, PA A 2. 642 b 12. Vgl. F. Lukas, Die Methode der Einteilung bei Plato, Halle 1888. Vgl. auch C. RirTER, Neue Untersuchungen über Platon, München 1910, 366f. Zuletzt hat sich sehr gründlich mit diesen Fragen beschäftigt H. J. KRAMER, Arete bei Platon und Aristoteles. Zum Wesen und zur Geschichte der platonischen Ontologie. Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Philos.hist. Klasse, 1959, 6. Abh., 271 ff., 283 Anm. 90, 290 ff. u. o. Welche Bedeutung die διαιρέσεις für Aristoteles hatten, läßt das Schriftenverzeichnis bei Diogenes Laertios noch erkennen, wonach die Aristotelische Sammlung von Einteilungen aus 17 Büchern bestand. Dabei werden wir auch an regelrechte Tabellen nach Art des *Natürlichen Systems? zu denken haben. Auch von Theophrast gab es Διαιρέσεις, wie das Schriftenverzeichnis zeigt. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Διαιρέσεις καὶ πρὸς τὰ ὅμοια ὑποϑέσεις, περὶ γενῶν καὶ εἰδῶν παραδειγμάτων des Speusipp hingewiesen, die nach P. LanG, De Speusippi Academici scriptis, Diss. Bonn 1911, 21 eine Schrift bildeten. Die einzige uns erhaltene Diairesis ist die Einteilung der Wörter (Fr. 32 Lanc). Vgl. dazu LAnc 25, HAMBRUCH 28 und STENZEL, RE-Artikel Speusippos, III A, 1929, 1654. Die Bestimmung der Form der Speusippischen Diairesis ist für die Charakterisierung der als “Ὅμοια zitierten Schrift des Speusipp grundlegend. Es hat heute als ziemlich sicheres Ergebnis der Forschung zu gelten, daß Speusipp bei seiner Zusammenstellung ähnlicher Tiere und Pflanzen nicht eigentlich eine naturwissenschaftliche Zielsetzung verfolgt hat, sondern daß, wie in der alten Akademie überhaupt, das logische Interesse primär war. Daß zur Demonstration

der dialektischen Methode,

d. ἢ. zum Aufweis des Verhältnisses der

Über- und Unterordnung der Begriffe bei der Einteilung von Gattung, Art und spezifischer Differenz sich das “natürliche System? des Tier- und Pflanzenreiches als besonders geeignet erwies und daß aus den in der Akademie aus einem rein logischen Interesse heraus erfolgten Einteilungen und Klassifikationen erst im Peripatos dann eine beschreibende Naturwissenschaft wurde mit einer neuen Methode und Zielsetzung, das ist eine zweite Sache, die von den öuor«-Betrachtungen des Speusipp, so wichtig sie auch für die Methode der beschreibenden Naturwissenschaft sind, insbesondere als Bindeglied zwischen den logischen Diairesen der Akademie und dem naturwissenschaftlich-deskriptiven Vorgehen des Peripatos, scharf zu trennen ist. Vgl. dazu LANc 8-15, JAEGER, Aristoteles 18, STENZEL Studien 71 ff., Zahl und Gestalt 10 ff., Artikel Speusipp 1640 ff. G. SENN, Die Entwicklung der biologischen Forschungsmethode in der Antike und ihre grundsätzliche Förderung durch Theophrast von Eresos. Veröffentlichungen der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften VIII, 1933,

Das

Parallelismus-Schema

27

Das Ausgeführte zeigt, daß die Bestimmung des Verhältnisses von Sprache und Sein sich für Aristoteles nicht auf den formalen Aufweis des Parallelismus beschränkt, sondern auch eine Bedeutungslehre formuliert, nach der sich das Verhältnis von Sprache und Sein als Approximation der Sprache an das Sein darstellt, dergestalt, daß die Sprache ein das Gedachte unmißverständlich repräsentierendes Symbol sucht und gebraucht, eine Leistung, die auch verfehlt werden kann. Wodurch

sie nach Aristoteles möglich ist, hat sich gezeigt. Der systematisch leitende Gesichtspunkt dabei ist der Parallelismus, der die Trias von Sein, Denken und Sprache in ein fest umrissenes Schema rückt, in dem das Gesprochene ein Symbol für das Gedachte und das Gedachte ein Abbild des Seienden ist. In diesem ordo gründet die Möglichkeit, daß der sprachliche Ausdruck für das Gedachte eintreten kann. Die Möglichkeit dieses Stellenwechsels liefert Aristoteles den Rechtsgrund dafür, daß sich — und das ist für die Ortsbestimmung der Logik von entscheidender Bedeutung — die logische Analyse an den sprachlichen Ausdruck halten kann.! Aber nicht jeder sprachliche Ausdruck ist logisch relevant, und mithin hält sich die logische Analyse an ganz bestimmte Sprachgebilde, die übrigen klammert sie aus und weist sie der Grammatik zu, wie es Aristoteles im 4. Kapitel von [Περὶ ἑρμηνείας tut: „Jeder Satz hat eine Bedeutung, nicht aber als natürliches Werkzeug, wie gesagt, sondern auf Grund von Übereinkunft. Aber nicht jeder Satz ist Aussage, sondern nur der, von dem das Wahrsein oder

Falschsein gilt. Das gilt nicht von allen Sátzen. 50 ist die Bitte zwar

ein Satz, aber weder wahr noch falsch. Deshalb wollen wir die anderen

Arten des Satzes auslassen. Ihre Untersuchung gehórt mehr in die Rhetorik oder Poetik. Die jetzige Betrachtung hat es mit dem Satz 10 f. Zu Speusipp vgl. jetzt auch den interessanten Aufsatz von PH. MERLAN, Zur Biograplie des Speusippos, Philologus 103, 1959, 198-214. — Auch für eine Schrift des Xenokrates ist der Titel Διαιρέσεις bezeugt (Diogenes Laertios 4, 13; vgl. R. HEINZE, Xenokrates. Darstellung der Lehre und Sammlung der Fragmente. Leipzig 1892, 157 f.). HAMBRUCH 4 hält es für möglich, daß dieser Titel wie der gleichnamige der Schrift des Speusipp auf die uns bei Diogenes Laertios und im Codex Marcianus 257 enthaltene Sammlung von Einteilungen zu beziehen ist. — Zum Ganzen der Einteilungen vgl. jetzt C. J. CLASSEN, Sprachliche Deutung als Triebkraft Platonischen und Sokratischen Philosophierens. Zetemata H. 22, 1959, 72-84, und M. FUHRMANN, Das systematische Lehrbuch. Ein Beitrag zur Geschichte der Wissenschaften in der Antike, Góttingen 1960. Über die Einteilungen bei Platon und Aristoteles siehe 5. 134 ff. Aristoteles verwendet die διαίρεσις besonders häufig in der Rhetorik. Dazu FuunMaANN S. 139 ff. ! Vgl. zur Sache E. CASSIRER, Philosophie der symbolischen Formen I 1 Kap. V: Die Sprache als Ausdruck der logischen Beziehungsformen.

28

Der

Rückverweis

der

Aristotelischen

Urteilslehre

als Aussage zu tun“ (4. 17a 1-7). Zu der Ausgrenzung des Psychischen aus dem Gegenstandsbereich der Logik kommt so noch die Abweisung des Grammatischen oder, genauer, dessen, was hier aus Ermangelung der Grammatik als einer selbständigen Disziplin noch als der Rhetorik oder Poetik zugehörig bezeichnet wird. Und tatsächlich beschäftigen sich ja auch mehrere Kapitel in der Poetik und Rhetorik mit der sprachlichen Form unter grammatischen Gesichtspunkten. Aber die in andere Richtungen weisenden, thematisch bedingten Hauptinteressen dieser Schriften lassen es noch nicht zu einer ausgeführten Grammatik kommen, wenn ganz zweifellos auch die Ansätze dazu vorhanden sind, die uns immerhin berechtigen, doch schon von einem “Grundriß der wissenschaftlichen Grammatik? zu sprechen.! Die angeführte Stelle spricht aus, daß die Analyse nur einer bestimmten

Satzfigur

gelten

soll, dem

λόγος

ἀποφαντικός,

der Aussage,

also demjenigen Satz, der durch den Index des Wahr- oder Falschseins bestimmt ist.? Dieser Satz, die Aussage, ist aber gemäß dem angesetzten Parallelismus nichts anderes als der sprachliche Ausdruck des gedachten Urteils. Nur deshalb kann sich Aristoteles auch bei seiner Untersuchung des Urteils an die Aussage halten. In der Form der Aussage hat sich das rein als solches nur gedanklich existente Urteil sinnlich manifestiert. Die Logik des Urteils stellt sich so bei Aristoteles näherhin dar als eine Logik der Aussage. Als solche war sie schon von Platon grundgelegt worden. Die Logik des Urteils bei Platon und Aristoteles wird uns ausführlich zu beschäftigen

haben,

weil

1 So ©. Gicow, Aristoteles: Vom

BAW,

Zürich

1950,

379.

Den

die

Himmel,

Nachweis,

Funktion

der

διάνοια,

das

δια-

Von der Seele, Von der Dichtkunst,

daß

viele

Elemente

der

nachmaligen

Grammatik ihren Ursprung in der altgriechischen Musiktheorie haben, hat jetzt in einer beziehungsreichen Studie geführt H. KoLLEr, Die Anfänge der griechischen Grammatik, Glotta 37, 1958, 5-40. DERS., Die Mimesis 1n der Antike, Bern 1954, 203 ff. 2 KOLLER, Die Anfänge... 20f., weist nach, daß die Voraussetzungen für die von Aristoteles hier vorgenommene Unterscheidung von Satzarten auf die Lehre vom sprachlichen Ausdruck, die Hypokrisis, in der vorprotagoreischen Rhetorik und Poetik zurückgeht (zur Hypokrisis speziell vgl. H. KorrEemg, Hypokrisis und Hypokrites, Mus. Helv. 14, 1957, 100 ff.) und daß zuerst durch Protagoras und dann vor allem durch Aristoteles die σχήματα λέξεως „aus ihrem ursprünglichen Bereich der Mimesis herausgelöst und auf die Sprache eingeschränkt‘ wurden, wobei sich ihr eigentliches Interesse nur auf den λόγος ἀποφαντικός gerichtet hat, „weil er Aussagen

über Sein und

Nichtsein,

Wahr

und

Falsch erlaubt** (24).

Diese

Begründung leuchtet ein und auch die Feststellung, daß der λόγος ἀποφαντικός in der Sophistik als Wahrheitsträger erkannt worden ist (40).

Das

Parallelismus-Schema

29

νοεῖσϑαι. das dianoetische Denken, sich in der Form des Urteils, als Urteilen, vollzieht. Die Logik des Urteils für sich sieht freilich von dem

psychischen Moment ab und überläßt die Genesis des Urteils der Psychologie. Im Ganzen der Analyse des dianoetischen Denkens aber kann man sich nicht mit der Logik des Urteils begnügen, sondern muß zur vollen Erfassung der Struktur und der Strukturelemente dieses Denkens auch die Psychologie des Urteils heranziehen. In diesem Sinne, nämlich als zentrales Thema

der Dianoetik, ist das Urteil der Gegen-

stand beider Betrachtungsweisen. Daß und aus welchen Gründen aber

der Syllogismus kein Thema der Dianoetik ist, ergibt sich aus dem oben

über das Selbstverständnis der Aristotelischen Logik Ausgeführten, das

sich jetzt für die Abgrenzung der Dianoetik als unentbehrlich erweist.! Im übrigen wird die Analyse der Formen und Akte des dianoetischen Denkens am ehesten auch den Boden für die Analyse des noeti! Zum Thema ‘Syllogismus als Denkform’ vergleiche auch

gung

desselben

durch

Hegel:

,,Zur historischen Logik.

Schlüssen, noch

sonst

1n der

Form,

bare,

man

die ironische Abferti-

Es wird versichert,

daß wir

urteilen: das Gold ist gelb. Diese Versicherung ist wahrscheinlich. Aber nicht ebenso wahrscheinlich ist, daß wir schließen: alle Menschen sind sterblich: Cajus ist ein Mensch, also ist er sterblich. Ich wenigstens habe nie so plattes Zeug gedacht. Eine Aufzeichnung aus der Jenenser Periode in Κα. ROSENKRANZ, Hegels Leben, 1844, 538. Vgl. auch die vortrefflichen Bemerkungen Schopenhauers, Die Welt als Wille und Vorstellung, II. Teil, 2. Hälfte, Kap. 9: Zur Logik überhaupt: „Praktischen Nutzen wird die Logik, wenigstens für das eigene Denken, nicht leicht haben. Denn die Fehler unsers eigenen Räsonnements liegen fast nie in den sondern

in den

Urtheilen, also

in der Materie

des Denkens. Hingegen kónnen wir bei der Kontroverse bisweilen einigen praktischen Nutzen von der Logik ziehen, indem wir die, aus deutlich oder undeutlich bewußter Absicht, trügerische Argumentation des Gegners, welche er unter dem Schmuck und der Decke fortlaufender Rede vorbringt, auf die strenge Form regelmäßiger Schlüsse zurückführen und dann ihm Fehler gegen die Logik nachweisen.“ Vgl. hierzu ὃ 9 des I. Teiles: ,,S1e (scil. die Logik) ist nämlich bloß das Wissen in abstracto Dessen, was Jeder in concreto weiß. Daher, so wenig als man sie braucht, einem falschen Rásonnement nicht beizustimmen, so wenig ruft man ihre Regeln zu Hülfe, um ein richtiges zu machen, und selbst der gelehrteste Logiker setzt sie bei seinem wirklichen Denken ganz beiseite... Daher kommt das Sonderdaß, wenn

in andern

Wissenschaften

die Wahrheit

des einzelnen

Falles

an der Regel prüft, in der Logik umgekehrt die Regel immer am einzelnen Fall geprüft werden muß: und auch der geübteste Logiker wird, wenn er bemerkt, daß er in einem einzelnen Falle anders schließt als eine Regel aussagt, immer eher einen Fehler in der Regel suchen, als in dem von ihm wirklich gemachten Schluß. Praktischen Gebrauch von der Logik machen wollen, hieDe also Das, was uns im Einzelnen unmittelbar mit der größten Sicherheit bewußt ist, erst mit unsäglicher Mühe aus allgemeinen Regeln ableiten wollen: es wäre gerade so, wie wenn man bei seinen Bewegungen erst die Mechanik, und bei der Verdauung die Physiologie zu Rathe ziehen wollte: und wer die Logik zu praktischeren Zwecken erlernt, gleicht dem, der einen Biberzu seinem Bau abrichten will.“

30

Der

Rückverweis

der

Aristotelischen

Urteilslehre

schen Denkens bereiten. Der entscheidende Fehler der bisherigen Analysen des noetischen Denkens bestand darin, daß sie zu einseitig und direkt ihren Gegenstand thematisierten, weil übersehen wurde, daß das noetische Denken nur ein bestimmter, wenn auch ausgezeichneter Vollzugsmodus des einen unteilbaren Denkens ist und daß über die noetische Weise des Denkens ohne eine vorgängige Untersuchung des dianoetischen Denkens ernsthaft überhaupt gar nichts ausgemacht werden kann. Die Sachverhalte sind hier viel zu voraussetzungsreich, als daß sie mit dem gängigen Vokabular eines modernen Intuitionismus auch nur annähernd zur Deckung gebracht werden könnten.

Alle

Versuche,

das

Wesen

des

noetischen

Denkens

anders

als im dialektischen Gegenzug gegen das dianoetische Denken in den Blick zu bekommen,

sind von vornherein zum Scheitern verurteilt.

ZWEITER DIE

ANTISTHENISCHE ALS

ERKENNTNISTHEORIE

POLEMISCHES FÜR

DER

ABSCHNITT

DIE

UND

LOGIK

STIMULANS

EXPLIKATION

PLATONISCHEN

URTEILSLEHRE

I. Das Einfache und das Zusammengesetzte

Die Platonische Grundlegung der Logik des Urteils findet sich im Sophistes,

wo

auf der

Suche

nach

der

Definition

des

Sophisten

die

Frage nach der Möglichkeit des Nichtseienden auftaucht. Denn wenn der Sophist wirklich der Künstler des falschen Scheins und der Täuschung ist, als den man ihn zu erkennen glaubt, dann gilt dabei die

Voraussetzung, daß es im Denken und Reden Irrtum und Täuschung gibt, und

das heißt,

daß

Nichtseiendes

ist, wenn

anders

Irrtum

und

Täuschung Seiendes als nichtseiend und Nichtseiendes als seiend setzen. Das führt zu der allgemeineren Frage nach der Möglichkeit der Prädikation überhaupt: wie kommt es, daß wir dasselbe Ding als dasselbe mit verschiedenen Namen belegen, ihm als dem Einen eine Vielheit von Prädikaten beilegen? Die entscheidende Stelle (251 A 5-B 3) lautet: „Laß uns doch erklären, auf welche Weise wir eigentlich jedesmal ein und dasselbe mit vielen Prädikaten belegen ... Reden wir vom Menschen, so benennen wir ihn mit vielen Ausdrücken, indem wir ihm Farbe, Gestalt, Größe, Fehler und Vorzüge beilegen.

Mit all diesem und mit tausend anderem sagen wir nicht nur, daß er ein Mensch ist, sondern auch, daß er gut ist, und unendlich viel anderes. Und ebenso verhält es sich mit den übrigen Dingen: wir legen uns ein jedes als Eines zugrunde (ἕν ἕκαστον ὑποθέμενοι), und dann sprechen wir von ihm wie von Vielem und mit vielen Benennungen (πάλιν αὐτὸ πολλὰ καὶ πολλοῖς ὀνόμασι Acyouev).‘‘ Die Stelle ist deshalb besonders wichtig, weil hier, wo die Einheit und

Identität des Subjekts der Aussage und die Möglichkeit seiner Verbindung mit einer Vielheit von Prädikaten (πολλοῖς ὀνόμασι ταὐτὸν τοῦτο ἑκάστοτε προσαγορεύομεν) betont werden, Begriff und Terminus des Subjekts ihren Ursprung haben, denn der Gegenstand des ὑποθέσθαι wird im Akt des ὑποθέσθαι zum ὑποκείμενον, das dann später richtig

32

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

mit subiectum übersetzt worden ist.! Die Frage nach der Möglichkeit der Verbindung ein und desselben Subjekts mit vielen von ihm verschiedenen Prädikaten wird hier mit Entschiedenheit thematisiert. Die grundsätzliche Erörterung dieser Frage erlaubte auch keinen Aufschub mehr. Sie war nach den mannigfaltigen Aporien, in denen alle früheren Ansätze stecken geblieben waren, um so mehr eine sachliche Notwendigkeit, als es sich dabei um eine lebhaft disku-

tierte Streitfrage handelte, in der es schon, vornehmlich unter dem Namen des Antisthenes, der aber nicht ohne Vorgänger in dieser Sache

war,?

zu

einer

Parteiung

gekommen

war,

die

sich

nicht

nur

implizit, sondern erklärtermaßen gegen die Platonische Form der Dialektik richtete. So unmöglich es nun auf Grund der spärlichen Überlieferung ist, die theoretische Philosophie des Antisthenes im ganzen zu rekonstruieren,

so lassen sich doch nichtsdestoweniger ein-

zelne Stücke mit hinreichender Deutlichkeit erkennen und sogar systematisch lokalisieren. Dazu gehört gerade auch seine Lehre vom Urteil, der es zu verdanken ıst, wenn

sich Platon seinerseits schließlich doch

noch zu einer Explikation seiner eigenen Thecrie des Urteils veranlaßt sah, ohne die seine Dialektik ihren logischen Rechtsgrund schuldig geblieben wäre. ! Vgl. KAPP, Greek Foundations 54, 14. ? Man vergleiche den Bericht des Aristoteles über Lykophron in Ph. A 2. 185 b 27 Ε΄, der den Gebrauch von ἔστι überhaupt beseitigt wissen wollte, damit nicht das Eine zum Vielen gemacht werde. Andere, von denen Aristoteles hier auch spricht, wollten den Gebrauch von ἔστι offenbar auf eine Bedeutung, als Ausdruck

der definitorischen Identität,

beschränkt

wissen, und verwandelten

ἔστι

mit einem nichtwesentlichen Prádikatsnomen in ein entsprechendes Verbum: ὁ ἄνθρωπος λευχός ἐστιν In ὁ ἄνθρωπος λελεύκωται, βαδίζων ἐστίν 1n βαδίζει usw. Wer mit den anderen gemeint ist, wird sich kaum mit Sicherheit ausmachen lassen. Sehr wahrscheinlich aber ist unter ihnen nicht der Begründer der Schule von Eretria

zu

suchen,

wie

es

Philoponos

(In Arist.

Ph.

I 2 p. 49, 18 f.) tut,

da

der-

selbe, wie O. APELT (Beiträge zur Geschichte der griechischen Philosophie, Leipzig 1891, 202, 1) richtig bemerkt, eher als Vertreter der Ansicht zu gelten hat, die Simplikios zu der Stelle (In Arist. Ph. I 2 p. 91, 22 ff.) für die ganze Schule von Eretria in Anspruch nimmt, nämlich der ausschließlichen Anerkennung identischer Urteile. Denn der Bericht des Diogenes Laertios 2, 134 über Menedemos scheint zuverlässiger zu sein als der in 2, 135. Vgl. dazu O. APELT a. ἃ. O. Dagegen hält die Auffassung, daß unter den anderen Antisthenes mit gemeint sein könnte, wie APELT a. a. O. 204 ausführt, weil Antisthenes gegen Urteile von der Form ἄνϑρωπος βαδίζει wahrscheinlich nichts einzuwenden gehabt hätte, keine Belastungsprobe aus, wie die obigen Ausführungen zeigen werden. APELT a. a. O. 205, 1: „Daß ein solches Urteil auch sofort in ἄνϑρωπος βαδίζων ἐστίν umgewandelt werden konnte, wußten die Cyniker nicht oder wollten es nicht wissen. Das ist wenig glaubhaft. Dagegen schon MAIER II 2, 1900, 14, 1, vgl. auch 13, 1.

Das

Einfache

und

das

Zusammengesetzte

33

Im Anschluß an die eben zitierte Stelle polemisiert Platon gegen die Antisthenische Auffassung des Urteils folgendermaßen (251 B5-C 6): „Damit

haben

wir, glaube ich, den jungen

Leuten

und

den Begrifls-

stutzigen unter den Alten einen Festschmaus bereitet. Denn sofort hat jeder (von ihnen) den Einwand zur Hand, daß es unmöglich ist, daß Vieles Eines und Eines Vieles sei, und sie haben ohne Zweifel ihre Freude daran, nicht zuzulassen, daß man einen Menschen gut nennt,

sondern nur das Gute gut und den Menschen Mensch.! Ich glaube, Theätet, du triffst oft solche, die dergleichen Dinge mit Eifer betreiben, manchmal alte Leute, die aus geistiger Armut dergleichen bewundern und glauben, damit eine große Weisheit gefunden zu haben.“ Den hier offenkundigen affektgeladenen persönlichen Anspielungen können wir nicht nachgehen. Sie lassen jedenfalls erkennen, daß man mit Ressentiment zu rechnen hat. Das paßt auch ganz zu dem Bild, das wir uns von der abgrundtiefen Animosität, die zwischen den

beiden

Sokratesschülern

Antisthenes

und

Platon

bestand,

machen

müssen.? Wichtiger für uns ist der sachliche Gehalt der Polemik. Und der bestand in der Abweisung der These von der ausschließlichen Geltung identischer Urteile in bezug auf einfache Gegenstände. Mit dieser

These

sollte

der

Platonischen

Dialektik,

und

das

heißt

der

Ideenlehre, der Boden entzogen werden.? Denn wenn dem einfachen ! Dasselbe Beispiel in dem Bericht des Plutarch ad. Col. c. 22 über Stilpon.

? Diogenes Laertios 6, 3 u. 7. Vgl. zur Sache E. ZELLER, Die Philosophie der Griechen II 1* 295 f. H. MairER II 2, 24. G. TEICHMÜLLER, Literarische Fehden im vierten Jahrhundert vor Chr., II, Breslau 1884, 21, 51, 78, 80, 84, 346. I. BRUNS, Das literarische Porträt der Griechen, Berlin 1896, 303 ff. U. v. WILAMOWITZMOELLENDORFF, Platon I? 201, 203, 445, II! 247 f. (sehr wichtig; hier setzt sich

WILAMOWITZ auch mit der zuletzt zitierten Stelle auseinander und zeigt, daß die Polemik ganz eindeutig auf die Person des Antisthenes zielt. Das Bedenken ConNronDs, Plato's Theory of Knowledge, *1951, 254, ist unbegründet). G. C.

FrEerLpD,

Plato

and

His

Contemporaries,

1930,

160 ff. K. v. FRITZ,

Antisthenes

und

Sokrates in Xenophons Symposion, Rh. Mus. 84, 1935, 19-45. E. KAPP, Greek Foundations 52. 3 Zur Philosophie des Antisthenes, dessen uns überlieferte Fragmente in der veralteten Sammlung von A. G. WINCKELMANN, Antisthenis Fragmenta, Zürich 1842, und bei MurLACH,

Frag.

Phil. Graec.

II 1867,

259-395,

vorliegen, vergleiche

besonders folgende Literatur. Lehrreich, wie immer, die scharfsinnig pointierten Ausführungen von PnANTL I 30 ff. ZELLER II 1* 292-296. P. NATORP, Forschungen

zur Geschichte des Erkenntnisproblems im Alterthum, Berlin 1884, 11ff., 59, 196ff. MAIER II 2, 11 ff. F. DÜMMLER, Antisthenica, Kl. Schr. I, 10-78; De Antisthenis

Logica, Kl. Schr. I 1-9; Der Streit zwischen Platon und Antisthenes über die Ideenlehre.Akademika, Beiträge zur Litteraturgeschichte der sokratischen Schulen, GieDen 1889, 188-210. O. APELT, Beiträge 203ff. C. M. GILLESPIE, The Logic of Ántisthenes, Arch. f. Gesch. d. Philos. 26, 1913, 479-500, 27, 1914, 17-38. Κα. JoEL, Ge3

Oebler, Die Lehre

34

Die

Antisihenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

Subjekt kein anderes Prádikat beigelegt werden kann als wieder nur das Subjekt selbst, dann entfällt die Möglichkeit der Subsumtion der Individuen unter Klassenbegriffe. Damit wäre die Platonische Dialektik ihrer wesentlichen Voraussetzung beraubt gewesen. Die These von der ausschließlichen Gültigkeit identischer Urteile in bezug auf Einfaches besagt nun aber noch nichts über die Möglichkeit und Beschaffenheit von Urteilen in bezug auf Zusammengesetztes. Wo von der einen dieser beiden Urteilsarten die Rede ist, muß die andere davon

deutlich abgehoben werden. Eben das geschieht nun aber an einer für die Erhellung der Antisthenischen Urteilslehre entscheidend wichtigen Stelle. Es ist Theaetet 201 D 8-208 B 10. Nachdem Theätet im Vorhergehenden auf der gemeinsamen Suche nach der Definition des Wissens

als

die

Definition

eines

*anderen'

jener

τινές,

angegeben

hat,

die

mit

Erklärung verbundene richtige Vorstellung sei Wissen (τὴν μετὰ λόγου ἀληϑῇ δόξαν ἐπιστήμην εἶναι). erläutert Sokrates diese Auffassung in einem Sinne, der über die Identität des sogenannten “anderen’, von dem

Theätet

spricht,

und

von

denen

Sokrates

selber

spricht, keinen Zweifel läßt. Es ist die Auffassung des Antisthenes und der Antistheniker.!

schichte der antiken Philosophie I, 1921, 890 ff. P. NATORP, Platos Ideenlehre, 21921

(s. Index s. v. Antisthenes 55 ff. ; Studien

S. 536). J. STENZEL,

4, 42, 61, 88,

Zur Logik

151 f. K. v. FRiTZ,

Zur

des Sokrates,

Antisthenischen

Kl. Schr.

Erkenntnis-

theorie und Logik, Hermes 62, 1927, 453 ff.; Antistene e Diogene. Le loro relazioni reciproche e la loro importanza per la setta cinica. Studi Italiani di Filologia Classica

5, 1927,

che di Antistene. Antisthéne,

133-149.

A.

Levi,

Le

Teorie

D.

DupzEv,

Metafisiche,

Logiche

A

of

e Gnoseologi-

Revue d'Histoire de la Philosophie 4, 1930, 227 ff. H. KEsTERS,

Louvain

1935.

R.

History

Cynicism,

London

1937, 1-16. A. J. FESTUGIERE, Antisthenica, Rev. des sc. philos. et théolog. 21, 1932, 345 ff. ©. Gıcon, Der Ursprung der griechischen Philosophie. Von Hesiod bis Parmenides, Basel 1945, 254. Die Polemik von G. M. A. GRUBE, Antisthenes

was

no

Logician,

TAPhA

81,

1950,

16-27,

weist

Unklarheiten

in der Argumenta-

tion auf und beruht auf einer durch mangelndes Problemverstándnis verfehlten Interpretation der Texte. Vgl. dazu auch die begründeten Ausführungen von C. J. CLASSEN, Sprachliche Deutung als Triebkraft Platonischen und Sokratischen Philosophierens. Zetemata, H. 22, 1959, 173ff. Grundlegend für das Verständnis der Beziehung von Antisthenes und Platon sind die richtungweisenden Bemerkungen von E. KAPP, Greek Foundations 52ff. Vgl. auch I. M. BocHENsk1, Ancient Formal Logic, Amsterdam 1951, 15. Zu der vor allem von H. BRÜNNECKE (Arch. f. Gesch. d. Philosophie 26, N. F. 19, 1913, 449—478) geäußerten Vermutung, dab im Kleitophon Antisthenes bekämpft wird, vgl. jetzt die weiterführende Anmerkung von K. GAISER, Protreptik und Paränese bei Platon. Untersuchungen zur Form des Platonischen Dialogs. Tübinger Beitráge zur Altertumswissenschaft 40. 1959, 146. * Auch hier sieht ConNrFonD 144 diese Beziehung nicht als evident gegeben an. Vgl. auch P. Suoreyv,

What

Plato Said, Chicago

1933, 37-40, A. E. TAYLOR,

Plato,

Das

Einfache

und

das

Zusammengesetzte

35

Danach läßt das Einfache die Möglichkeit des λόγος ım Sinne einer Prädikation, einer Erklärung nicht zu. Einzig eine dem Einfachen eigentümliche Erklärung, der οἰκεῖος λόγος. das identische Urteil, wäre hier anwendbar. Da sich dies aber prima facie nicht anders ausnimmt als die bloße Wiederholung des Namens, liegt die endgültige Antwort auf der Hand: das Einfache kann nur mit seinem Namen genannt werden. Daraus folgt, daß es nicht diskursiv erfaßbar, sondern nur unmittelbar wahrnehmbar ist, da das δοῦναί τε καὶ δέξασϑαι λόγον die Bedingung der Möglichkeit prädikativ-logischer Erkenntnis und diskursiven Wissens ist. Erst die Verbindung des Einfachen zum Zusammengesetzten begründet die Möglichkeit des λόγος als συμπλοκὴ ὀνομάτων und begründet damit auch die Möglichkeit der ἐπιστήμη. Diese die Antisthenische Auffassung des Urteils zusammenfassend referierenden Ausführungen des Platonischen Sokrates lauten (201 D 8-202 C 5): „Ich glaube, ich habe von einigen gehört, die ersten gleichsam Elemente, aus denen wir sowohl als alles übrige zusammengesetzt sind, ließen keine Erklärung zu. Denn man könne nur jedes von ihnen an sich benennen, nicht aber etwas anderes davon aussagen, weder daß es 1st, noch daß es nicht ist. Denn

dann würde ihm schon

Sein oder Nichtsein beigelegt, man dürfe ihm aber nichts zusetzen, wenn man jenes nur selbst nennen wolle. Daher dürfe man weder das Selbst, noch das Jenes, noch das Jedes, noch das Nur, noch das Dieses,

noch vieles andere dergleichen dazusetzen. Denn diese Wörter liefen herum und würden zu allen hinzugefügt, und zwar als verschieden von The

Man

and

His Work,

London

1926,

86 ff., J. BunNET,

Greek

Philosophy

251 f.

CAMPBELL (in seiner Ausgabe des Theaetet, Oxford 1883, X X XIX) bezog die Anspielung auf einige Pythagoreer. Doch daß hier eine ganz eindeutige Beziehung zu Antisthenes und seinem Kreis vorliegt, und zwar in Form einer direkten Bezugnahme da-auf, hat GILLESPIE mit guten Gründen dargelegt. Eine Aufzáhlung der Platonstellen, die man im 19. Jahrhundert mit Antisthenes in Verbindung gebracht hat, sowie die Namen der jeweiligen Verfechter und Bestreiter der angenommenen Beziehungen gibt NATORP in seinem RE-Artikel “Antisthenes’ von 1894. Bezüglich unserer Stelle vgl. auch Ross, Aristotle's Metaphysics I 346f. Die 1m

Hinblick

auf diese

Stelle und

auch

auf andere

Stellen,

die die Antistheni-

sche Auffassung referieren, immer wieder in Ansatz gebrachten Beziehungen zu Pythagoreern oder Atomisten gehen an dem Sinn dieser Stellen vorbei. Denn bei dem Einfachen und Unzusammengesetzten ist nirgendwo speziell an Zahlen oder Atome gedacht, sondern ganz allgemein und abstrakt an das, was Element oder Konstituenz eines wie auch immer beschaffenen Komplexes ist oder sein kann und einen Namen hat, der bei der Aufzáhlung der verschiedenen Elemente des Komplexes zu nennen ist. Und das eben war die Auffassung der Antisthenischen Richtung. 3*

36

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logık

denen, welchen sie beigelegt werden. Es (das Element) müßte aber, wenn es möglich wäre, es zu prädizieren, und wenn es eine ihm eigentümliche Erklärung zuließe, ohne alle anderen Wörter prädiziert werden. Nun sei es aber unmöglich, daß irgendeines der ersten Elemente durch eine Erklärung ausgesagt werde. Denn es gäbe für es nichts als nur genannt zu werden - sie hätten eben nur einen Namen. Was aber aus diesen schon zusammengesetzt wäre, dessen Namen wäre, so wie es selbst zusammengeflochten ist, ebenfalls zusammengeflochten und zu einer Erklärung geworden. Denn Verflechtung von Namen sei das Wesen der Erklärung. So seien denn die Elemente ohne Erklärung und unerkennbar, aber wahrnehmbar,! die Verknüpfungen aber erkennbar und prädikabel und durch richtige Vorstellung vorstellbar. Wenn nun jemand ohne Erklärung eine richtige Vorstellung von etwas empfinge, so besäße zwar seine Seele darüber die Wahrheit, sie erkenne

aber nicht.

Denn

wer nicht imstande

sei, erklärend

Rede

und Antwort zu stehen in bezug auf etwas, der besitze davon auch kein Wissen. Wer aber die Erklärung dazunehme, der sei zu alledem fähig und habe ein vollständiges Wissen. Als Beispiel für die These, daß die ersten Elemente (πρῶτα στοιχεῖα) eine Erklärung nicht zulassen, sondern erst ihre Verbindung (συλλαβὴ) erklärbar ist, dient im Folgen-

den das Silben- oder Buchstabengleichnis, das unter anderem wegen

der Gleichheit der Bezeichnungen (συλλαβὴ - στοιχεῖον) hierzu ganz besonders geeignet ist. Die Kritik, die in diesem Zusammenhang an der erkenntnistheoretischen Unterscheidung zwischen dem Einfachen und dem Zusammengesetzten geübt wird, müssen wir im Hinblick auf unseren speziellen Zweck unberücksichtigt lassen. Wichtiger für uns ist die Widerlegung der zuletzt von Theätet angegebenen Wissensdefinition selber, da in dieser Erörterung die Struktur des Antisthenischen λόγος noch einmal besonders deutlich wird. Denn die Prüfung der Definition δόξα ἀληϑὴς μετὰ λόγου ἐπιστήμη führt zu der Frage nach dem Sinn des Wortes λόγος, die auf dreifache Weise beantwortet wird. λόγος kann bedeuten: erstens das Aussprechen in Wörtern, zweitens das Aufzählen der Elemente, drittens die Angabe des unterscheidenden

Merkmals. Die zweite Auffassung (206 E 6 — 208 B 10) gibt die Antisthenische Ansicht wieder. Nach ihr ist der λόγος die Aufzáhlung der Elemente

oder

Urbestandteile

eines

Gegenstandes.

Das

heißt,

daß

überhaupt nur dann ein Urteil vorliegt, wenn das Subjekt der Aussage ! Daß

die hier gemeinte Form

lichkeit beschränkt

ist, werden

der Anschaulichkeit wir noch

sehen.

nicht einseitig auf die Sinn-

Das

Einfache

und

das

Zusammengesetzte

37

nach seinen tatsächlichen Bestandteilen vollständig prädiziert wird. Damit ist zugleich auch die Definition, wie sie sich für Antisthenes darstellt, bestimmt.

Denn

Urteil und

Definition fallen für ihn da, wo

es sich um zusammengesetzte Dinge handelt, zusammen. Nur die vollständige Aufzählung aller Elemente ist die allein zureichende Antwort auf die Frage, was ein jedes ist (τὸ ἐρωτηϑέντα τί ἕκαστον δυνατὸν εἶναι τὴν ἀπόχρισιν διὰ τῶν στοιχείων ἀποδοῦναι τῷ ἐρομένῳ 206 E 6 ff.). Sokrates erläutert diese Auffassung am Beispiel des Wagens, von dem Hesiod ja gesagt habe: „Die hundert Hölzer des Wagens“ (ἑκατὸν δέ τε δούραϑ᾽ ἁμάξης 207 A 3f.). Nur derjenige könne demnach ein Wissen des Wagens haben, das heißt erfaßt haben, was der Wagen ist, der die hundert Hölzer, aus denen der Wagen besteht, aufzählen kann (207 Β 8 -- ( 4). In diesem Sinne, und nur in diesem Sinne, muß

die vielbemühte und immer wieder mißverstandene Stelle bei Diogenes Laertios (6, 3) interpretiert werden: [Πρῶτός τε ὡρίσατο λόγον εἰπών. ολόγος ἐστὶν ὁ τὸ τί ἦν ἢ ἔστι δηλῶν.“ Das τὸ τί ἣν ἢ ἔστι bezeichnet ausschließlich die Summe der Teile von zusammengesetzten Dingen, der Teile, die im λόγος δηλῶν namentlich aufgeführt werden. Das τί ἔστι der Teile oder einfachen Gegebenheiten selbst ist davon streng zu unterscheiden. Sein Aufweis findet nicht im so verstandenen λόγος, sondern im ὄνομα statt. Von ihm gibt es keine Definition. Wenn nun also die Urteile über zusammengesetzte Gegenstände von der Art sind, daß das Subjekt des Urteils nach seinen Bestandteilen vollständig prädiziert wird, so folgt daraus für die Urteile über einfache Gegenstände, daß sie nur identische Urteile sein können, die als solche keinen Fortschritt der Erkenntnis bedeuten. Darüber hinaus lehrt das Wagen-Gleichnis unmißverständlich, wie die Prädikation des zusammengesetzten Subjekts zu verstehen ist: sie analysiert nicht nach logischen, sondern nach empirischen Gesichtspunkten. Das Urteilssubjekt wird nicht in seine logischen Elemente zerlegt, dergestalt, daß seine logischen Bestimmungen und Verhältnisse aufgewiesen werden, wie in der üblichen

Definition, wo das Definiendum

durch das Genus proximum und die Differentia specifica definiert wird, sondern wird in seine realen Bestandteile zerlegt, deren Namenkette dann die so verstandene ‘Definition’ ausmacht. Eine weiterführende Bestätigung dieser Antisthenischen Lehre, die wir bisher der Darstellung Platons

entnommen

Aristoteles Metaph. H 3. 1043 b 23-32.

haben, findet sich bei

Die Stelle lautet: ,, Mithin hat

98

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

denn auch die Schwierigkeit, die die Anhänger des Antisthenes und andere in gleichem Sinne Ungebildete hervorgehoben haben, doch einen gewissen echten Anlaß, nämlich die Behauptung, das Was lasse sich nicht definieren, denn die Definition sei eine lange Rede; es

sei nur möglich, die Ähnlichkeit anzugeben: von Silber beispielsweise lasse sich nicht

sagen,

was

es sei, wohl

aber,

es sei etwas

Ähnliches

wie Zinn. Von einer Art von Substanz ist demnach wohl Definition und Aussage möglich, nämlich von der zusammengesetzten, ganz gleichgültig, ob sie nun sinnlich oder noetisch ist. Aber die Elemente, aus denen jene Substanz besteht, lassen sich nicht definieren, wenn anders die Definition etwas von etwas aussagt und dabei das eine die Bedeutung der Materie, das andere die der Form hat.‘ Der erste Satz besagt,

daß

von

dem

Definition

im

Einfachen

keine

Definition

möglich

ist — eine

sondern

eben

Feststellung, die sich mit dem bei Platon Ausgeführten sachlich vollkommen deckt. Interessant ist die knappe Begründung, die Aristoteles gibt: die Definition ist eine lange Rede, ein λόγος uaxpöc, das heißt ein aus mehreren Wörtern zusammengesetzter Satz, das τί dagegen ist ein Eines. Folglich ist hier eine Definition ausgeschlossen. Es bleibt nur die Möglichkeit der Vergleichung, die die Ähnlichkeit mit einem anderen Einfachen feststellt, wie das Beispiel zeigt. Die Möglichkeit der Wesenserfassung ist hierbei gar nicht gegeben. Mit dem Zusammengesetzten hinwiederum, das definiert werden kann, steht der λόγος μαχρός nicht im Widerspruch. Denn hier entsprechen ja den Teilen der Definition die Teile der οὐσία σύνϑετος. Wenn dann allerdings Aristoteles am Schluß des eben zitierten Abschnittes den einen Teil der Definition als ὕλη und den anderen als μορφή. also als γένος und διαφορά bezeichnet (aus Gründen, die wir später behandeln werden), dann fällt er, der ja hier noch die Antisthenische Auffassung erklären will, wieder in seine eigene Terminologie zurück. Denn die wie auch immer zu bestimmende Realitát des Art- und Gattungsbegriffs kann für Antisthenes nicht in Ánspruch genommen werden, weshalb seine Definition natürlich keine

Aristotelischen

Sinne

ist,

nur

eine Aufzählung der Namen der realen Bestandteile des Definiendum. Eine andere spezifisch Aristotelische Unterscheidung in diesem Abschnitt findet sich in bezug auf die οὐσία σύνϑετος in dem Zusatz (1043 b 29f.): ἐάν τε αἰσθητή, ἐάν τε νοητὴ ἢ. Pseudo-Alexander (CAG I 554) bezieht die οὐσία νοητὴ wohl richtig auf die mathematischen

Das

Einfache

und

das

Zusammengesetzte

39

Gegenstände, die nach Aristotelischer Lehre auch eine ὕλη, die ὕλη voyry, besitzen.! Auf dem Boden dieser Lehre hat Aristoteles dann auch hier, wo

es um

die οὐσία σύνϑετος ım Antisthenischen Verstande

geht, seine Distinktion angebracht. Gleichzeitig aber deutet Aristoteles mit eben diesem Zusatz beiläufig an, daß Antisthenes selbst die Bereiche des αἰσϑητόν und νοητόν gar nicht scharf unterschieden hat, weshalb sein Zusatz einerseits die Antisthenische Indifferenz gegenüber dieser Unterscheidung bestätigt, andererseits aber selbst gerade dadurch differenzierend klärt, nicht ohne dabei seine eigene Lehrmeinung zu implizieren. Die Antisthenische Hermeneutik des Urteils ist nun aber noch keineswegs voll ausgelotet. Fragen wir nach ihrer systematischen Voraussetzung, so stoßen wir auf zwei weitere Antisthenische Lehrstücke, nämlich auf den Satz von der Unmöglichkeit des Widerspruchs: οὐχ ἔστιν ἀντιλέγεινξ und auf das Programm der ὀνομάτων ἐπίσκεψις. Das erste Lehrstück scheint zunächst auf einen absoluten Skeptizismus hinzudeuten, das zweite auf die Móglichkeit der Erkenntnis der Dinge durch ihre Namen. An zahlreichen, aber unbefriedigenden Versuchen, diese offenbare Widersprüchlichkeit in der Lehre des Antisthenes zu klären, hat es nicht gefehlt. Die schließliche Lösung des Problems verdanken wir Kurt von Fritz,? der die systematische Zusammengehörigkeit beider Lehrstücke und ihre Funktion im Ganzen der Antisthenischen Erkenntnistheorie und Logik aufgezeigt hat. Die durch Kurt von Fritz gesicherten Ergebnisse sind deshalb so eminent wichtig, weil, wie sich noch zeigen wird, die logisch-erkenntnistheoretische Problemstellung und Problembehandlung des Antisthenes auf Platon und Aristoteles nicht ohne Wirkung geblieben sind. Wie schließt sich nun das οὐκ ἔστιν ἀντιλέγειν mit der ὀνομάτων ἐπίσκεψις zur Einheit einer Lehre zusammen?

Erklärung in der övou«a-Theorie, gilt nur dasjenige Wort als ὄνομα, und feststehenden Beziehung — liches, ein Seiendes, ein ὄν fixiert,

Diese Einheit findet ihre

der Antisthenes anhängt. Nach ihr das — auf Grund einer unmittelbaren bestimmt und eindeutig ein Wirkso daß es ein ὄνομα ψευδές gar nicht

! Vgl. hierzu Cr. BAEUMKER, Das Problem der Materie in. der griechischen Philosophie. Eine historisch-kritische Untersuchung. Münster 1890, 293 ff: Die begriffliche Materie. 2 Arist. Top. A 11. 104 b 20; Metaph. A 29. 1024 b 34. 3 K. v. Fritz, Zur Antisthenischen Erkenntnistheorie und Logik, Hermes 62, 1927, 453 ff.

40

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

gibt.! Die Inbeziehungsetzung des Wortes mit der subjektiven Vorstellung, die sich ihrerseits dann erst auf ein Seiendes gründet oder aber die Wirklichkeit im Schein der Sinnestäuschung verfehlt, fällt dabei ganz aus. Das Gesprochene, dem nicht unvermittelt ein Wirklıches entspricht, ist ein bloßer Laut, ein leerer Schall (φϑόγγος). Das

bedeutet logisch, daß an die Stelle der Alternative wahr -falsch der Singularismus wahr - überhauptnicht tritt, eine Formel, die — bei Anerkennung der gemachten Voraussetzung — die Möglichkeit des Irrtums generell ausschließt. Auch die Möglichkeit einer approxima-

tiven Wahrheitserkenntnis scheidet damit aus. Was bleibt, ist die Be-

hauptung einer immer wahren Erkenntnis, die ihren Gegenstand entweder erfaßt oder aber gar nicht stattfindet. Das ist der Sinn des Satzes οὐκ ἔστιν ἀντιλέγειν. Er ist also nicht Ausdruck eines radikalen Skeptizismus, sondern umgekehrt ausschließliche Bejahung einer absolut zwingenden Wahrheitserkenntnis.? Ihm entspricht genau der Komplementärsatz von der Unmöglichkeit des Irrtums, ὅτι ψευδῇ λέγειν τὸ παράπαν οὐκ ἔστιν (Cra. 429 D 1). Denn wo ein ἀντιλέγειν im strengen Sinne nicht möglich ist, da ist auch kein ψευδῇ λέγειν möglich, und umgekehrt. Die Komplementarität beider Thesen läßt Aristoteles in Metaph. A 29. 1024 b 32-34 gut erkennen, wenn er sie auch erst — unter Verwechselung von Grund und Folge - aus der scheinbar schon fertig vorgegebenen Urteilslehre des Antisthenes ableitet.

Die

Stelle lautet:

,, Deshalb

erachtet

es Antisthenes

tórichter-

weise für richtig, daß von keinem Gegenstand etwas anderes ausgesagt werde als sein ihm eigentümlicher Ausdruck: “von Einem nur Eines’. Daraus folgte, daß es unmöglich sei, widersprechende, und schier unmöglich, falsche Aussagen zu machen“ (διὸ ᾿Αντισϑένης ᾧετο εὐήϑως

! In dieser Onomatologie ist noch der sublime Einfluß einer archaischen Denkform spürbar, die das Sein des Gegenstandes, den Namen des Gegenstandes und das Verfügen über den Gegenstand kraft der Kenntnis des Namens in eins setzt. Vgl. E. HorrMaANN, Die Sprache und die archaische Logik. Heidelberger Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte 3, 1925, 15. ? Von diesem Antisthenischen Gehalt des Satzes muß die sophistische Auslegung des Satzes ganz ferngehalten werden, die darauf hinausläuft, daß man das Nichtseiende gar nicht sagen kann und mit dem Seienden immer die Wahrheit sagt. Mit dieser Begründung erscheint der Satz im Euthydem 285 E 1 ff. (vgl. 283 E 7 ff.), ohne die spezifische Antisthenische Problematik zu berühren. Vgl. dazu Κα. v. Fritz, a. a. O. 456 u. Anm. 1. Daselbst auch Literaturhinweise. Der entscheidende Unterschied zu dem Sophisma liegt darin, daß es Antisthenes nicht darum

geht, in bloß eristischer Absicht

zu behaupten,

daß es unmöglich

sei, etwas

Falsches zu sagen, sondern darum, die absolute Wahrheitserkenntnis objektiv und positiv zu sichern.

Der

erkenntnistheoretische

Singularısmus

41

undev ἀξιῶν λέγεσθαι πλὴν τῷ οἰκείῳ λόγῳ Ev ἐφ᾽ ἑνός: ἐξ ὧν συνέβαινε μὴ εἶναι ἀντιλέγειν. σχεδὸν δὲ μηδὲ ψεύδεσϑα!). Die Wirkung, die die beiden Fundamentalsätze der Antisthenischen Logik auf die Urteilslehre gehabt haben, haben wir schon feststellen können. Wie dem einzelnen Wort ein bestimmtes Seiendes zu entsprechen

hat,

so muß

auch

der

Beziehung

der Teile

des

Urteils

die

gegenständliche Beziehung in der Wirklichkeit der Dinge genau entsprechen. Es gilt auch hier der Singularismus wahr - überhaupt nicht: entweder liegt ein Urteil vor, das dann

wahr ist, das heißt dem

eine

reale Beziehung entspricht, oder aber das betreffende Lautgebilde ist gar kein

Urteil.

Wir

haben

gesehen,

dieser Singularismus erreicht wird.

durch

welche

Einschränkungen

2. Der erkenninistheoretische Singularısmus

Wir müssen uns nun noch mit der dieser Logik des Urteils korrespondierenden Erkenntnistheorie näher beschäftigen. Die einfachen Dinge

oder Elemente,

die στοιχεῖα, werden

an der zitierten Theaetet-

stelle (201 C 8-202 C 5; ebenso 205 C 4-10; 206 B 10) als ἄλογα und ἄγνωστα bezeichnet, was bedeutet, daß in bezug auf sie kein γιγνώσχειν im Sinne des λόγον διδόναι möglich ist. Diese Form der Erkenntnis entspricht nur den aus den στοιχεῖα oder ἀσύνθετα (205 C 7: ἀσύνϑετον) zusammengesetzten Dingen, den £x τούτων ovyxstueva, den σύνϑετα. Bleibt also die Frage, wie die ἀσύνθετα erkannt werden. Sie können auf Grund

ihrer Einfachheit,

ihrer Einheit, nur in einem

ebenso

ein-

fach strukturierten Erkenntnisakt erfaft werden. Platon spricht davon, daß sie nach jener Auffassung, die er durch Sokrates referieren läßt, αἰσϑητά seien. Aber man darf das damit in die Diskussion gebrachte und auf Antisthenes angewandte αἰσθάνεσθαι nicht zu eng fassen, weil Antisthenes zwischen den Bereichen des αἰσϑητόν und des νοητόν keine scharfe und bestimmbare Grenze gezogen hat, was aber andererseits wieder Platon um so leichter veranlassen konnte, hier ohne

weiteres von αἰσθητά zu sprechen. Die Bereiche überschneiden sich. Aber weshalb kónnen sich die Bereiche des αἰσϑητόν und des νοητόν überhaupt ! Das

überschneiden?

σχεδόν

deutet

nicht,

Es ist nicht schwer, diese Frage zu beant-

wie

APELT, Beiträge

205,1,

meint,

darauf hin, ‚daß

die Sache nicht so uneingeschränkte Geltung hat“, sondern geht zu Lasten einer für Aristoteles gar nicht ungewöhnlichen Laxheit in seiner philosophiegeschichtlichen Berichterstattung.

42

worten,

Die

wenn

Wahrnehmung

Antisthenische

wir

Erkenntnistheorie

die Bedeutung

schlechthin,

und

berücksichtigen,

aber besonders

Logik

die die sinnliche

der Gesichtssinn für grie-

chisches Empfinden und Denken gehabt hat. Es braucht hier nur an die ständige Parallelisierung und partielle Identifikation von sinnlichem Sehen und dem Denken als geistiger Schau erinnert zu werden. Platons ὄμμα τῆς ψυχῆς ist dafür das eindrucksvollste Beispiel. Wir wissen auch, daß viele Ausdrücke, die später eine rein oder doch vornehmlich unsinnliche Bedeutung angenommen haben, ursprünglich ganz oder zum sehr viel größeren Teil der sinnlichen Sphäre zugeordnet waren. Das ist gerade bei vielen Verben des Sehens der Fall, was ja auch sachlich durchaus nachvollziehbar und auch in anderen Sprachen zu beobachten ist. Aus dem genauen Hinsehen auf etwas wird ein Durchschauen und Klar-Sehen und schließlich ein Einsehen und Verstehen.! Aus der optischen Wahrnehmung wird die geistige Anschauung, aus dem ἰδεῖν ein νοεῖν, weshalb, so gesehen, das geistige Einsehen als ein Modus des sinnlichen Sehens erscheint. Berücksichtigen wir diese für die Griechen ganz besonders charakteristische Empfindungs- und Denkweise? bei unserer Untersuchung der Antisthenischen Erkenntnistheorie, dann drängt sich der Schluß auf, daß als der den ἀσύνθετα adäquate Erkenntnisakt das νοεῖν verstanden worden ist, das, von einer visuellen Wahrnehmung ausgehend,

das geistige Gewahrwerden und schließlich das geistige Gewahrsein ist, das sich in einer klaren Vorstellung manifestiert. Dieser Schluß gewinnt dadurch an Wahrscheinlichkeit, daß im Unterschied zu dem yıyvwoxeıv, das sich im λόγον διδόναι vollzieht, das νοεῖν als unmittelbar geistiganschauliches Erfassen nicht diskursive Struktur hat und gerade deshalb neben oder mit dem αἰσϑάνεσθϑαι zur Erfassung des ἀσύνθετον disponiert ist. Beides ist ein Hinnehmen, ein Hereinnehmen der sinnlich-geistigen Gehalte, wofür Antisthenes wohl auch noch λαμβάνειν mit den entsprechenden Komposita gebraucht haben mag, dasja auch bei Platon und Aristoteles im Umkreis des αἰσθάνεσθαι — νοεῖν auftaucht.? ! Vel. z. B. οἶδα (εἰδέναι) = 1ch habe gesehen = ich weiß. ? Vgl. dazu vor allem die in der Einleitung zitierten Forschungsarbeiten sowie die Arbeiten von J. STENZEL, ın denen das anschauliche Moment des griechischen Denkens eine besonders eingehende Würdigung erfahren hat. Siehe jetzt auch die ausgezeichneten Analysen, die C. J. CLAssEN, Sprachliche Deutung als Triebkraft Platonischen und Sokratischen Philosophierens, vorgelegt hat in dem IV. Kapitel: Metaphern des Sehens für geistige Vorgänge als Grundlage für Gleichnisse, 43-71. ? Auf dieses intuitive Moment des Antisthenischen Erkenntnisbegriffs ist schon

von J. STENZEL

hingewiesen

worden:

„Er

(scil. Antisthenes)

bestritt

die Moglich-

Der

erkenntnistheoretische

Singularısmus

43

Daß nun in der Antisthenischen Erkenntnistheorie das νοεῖν den Primat eingenommen haben muß und nicht etwa das yıyvaoxeıv, ergibt sich mit ziemlicher Sicherheit aus der großen Bedeutung, die die Ethik in der Philosophie des Antisthenes hatte. Die ethischen Gegebenheiten aber sind keine materiellen Größen, die aus Teilen zusammengesetzt wären, weshalb bei den ethischen Einheiten ein γιγνώσχειν in dem angegebenen Sinne keine adäquate Erkenntnisfunktion ausüben kann. Die einzige sinnlich konkrete Gegebenheitsform dieser Einheiten ist ihr Name. In diesem Zusammenhang wird das Programm der ὀνομάτων ἐπίσκεψις besonders sinnvoll. Denn hier ist der Name das einzige Medium der Erkenntnis. Dabei hat das oxoretv oder ἐπισκοπεῖν selbst nur die den eigentlichen Erkenntnisakt vorbereitende Funktion des Sichorientierens inmitten der Vielzahl der Namen. Die Erkenntnis selbst geschieht auch hier durch das νοεῖν, das über den Namen

Von hier aus versteht sich auch die Bezeichnung “Voraussetzung der Erziehung’: Ἀρχὴ παιδεύσεως σχεψις (Epict. Diss. 1, 17). In seiner Schrift [Περὶ (Diogenes Laertios 6, 17) hat Antisthenes dieses Daß

Antisthenes

für das νοεῖν ım Bereich

das τί erfaßt.

dieser Methode als N τῶν ὀνομάτων ἐπίπαιδείας 7, ὀνομάτων Thema behandelt.

der Ethik, für die sıttliche

Einsicht, sich auch der Ausdrücke φρονεῖν, φρόνησις bedienen konnte, leuchtet ein und findet auch bei Diogenes Laertios in der als Antisthenisch beigebrachten Formulierung eine Stütze (D. L. 6, 12 f.): „Eine unentreißbare Waffe ist die sittliche Tüchtigkeit (ἀρετὴ)... Der sicherste Schutzwall ist die sittliche Einsicht (φρόνησις): sie kann weder zusammenbrechen noch verraten werden. Schutzwälle müssen errichtet werden in unseren eigenen unbezwingbaren Gedanken (ἐν τοῖς αὑτῶν ἀναλώτοις

λογισμοῖς)“΄.

In dem

Imperativ

kommt

die ganze

Starrheit

und rigoristische Enge des Antisthenischen Denkens deutlich zum Ausdruck. Aber die unbezwingbaren Gedanken, die ἀνάλωτοι λογισμοί, die als unüberwindliche

Mauern

fungieren,

dürfen

nicht

nur

ethisch

verstanden werden. Es sind damit nicht nur die den einzelnen in seiner

keit, anders als durch einfache Benennung zu prädizieren, ein eigenartiger Nachklang der intuitiven, jeder begrifflichen Diskursivität noch baren Logik des Sokrates; damit war der Sinn der Definition aufgehoben; höchstens für zusammengesetzte Dinge sollte es durch die Verknüpfung der Namen, συμπλοκὴ ὀνομάτων, eine Art Definition geben.“ In: Zur Logik des Sokrates, Kl. Schr. 55. Zum Sachlich-Systematischen der Intuition vgl. besonders N. HARTMANN, Grundzüge einer Metaphysik der Erkenntnis, ?1949, 5. Teil 3. Absch. 68. Kap.: Das Identitätsverhältnis in der konspektiven Intuition; 69. Kap.: Innere Struktur der stigmatischen Intuition.

44

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

Beziehung zu sich und anderen schützen sollenden Werterkenntnisse gemeint, sondern allgemeiner die eigenen Gedanken überhaupt, die in dem zitierten Imperativ mehr als Mittel zu einer geistigen Selbstbehauptung schlechthin erscheinen, als Bollwerk, und die dem Einbruch

fremder, sozusagen feindlicher Gedanken in die Festung des eigenen Ich wehren sollen. In der Tat ist ja auch das Begrenzte, Willkürliche und Eigensinnige dieses Denkens immer empfunden worden.! Was die λογισμοί des Antisthenes zu ἀνάλωτοι macht, ist nichts anderes als die zugrunde liegende Urteilslehre, der gemäß das einmal Erkannte je nachdem nur noch entweder im identischen Urteil oder in einem Vergleich oder in einer Aufzählung aussagbar ist. Es kann also nicht zweifelhaft sein, daß dem nichtprädikativen Erkenntnisakt der Primat in der Antisthenischen Erkenntnistheorie zugefallen sein muß. Es ging bei dieser nichtprädikativen Erkenntnis um die Erfassung des τί ἐστιν einfacher Gegebenheiten. Der Singularismus von wahr und überhaupt nicht, von Wissen und gänzlichem Nichtwissen bestimmt auch die Struktur der Antisthenischen Theorie der Wahrnehmung, die für uns noch erkennbar ist in der Fassung der evrönworg-Lehre, die Platon im Theaetet bekámpft.? Es geht dabei um den Versuch, die Entstehung des Irrtums zu erklären, wobei sich Platon zweier Vergleiche bedient, zuerst des Vergleichs mit der Wachstafel. Aber die Möglichkeit des Irrtums und der falschen Meinung kaun damit noch nicht erklärt werden. Die Abdrücke der Wahrnehmungen sind ebenso richtig wie die Wahrnehmungen selbst. Der Irrtum könnte nur durch die falsche Beziehung einer Wahrnehmung

auf ein schon vorhandenes Gedächtnisbild, oder umgekehrt, zu-

stande kommen, das heißt dadurch, daß entweder die Ungenauigkeit des Gedächtnisbildes oder die mangelnde Schärfe der Wahrnehmung

1 Interessant ist übrigens die Parallele, die sich von dem Gleichnis mit den Schutzwällen bei dem Kyniker Antisthenes zu dem entsprechenden Gleichnis von der Belagerung, das mit Bezug auf den erkenntnistheoretischen Subjektivismus der Kyrenaiker überliefert wird, ergibt; denn diese hätten sich infolge ihrer Einsicht in die Unmöglichkeit der objektiven Erkenntnis der Außenwelt, wie gleichsam im Belagerungszustand befindlich (ὥσπερ ἐν πολιορκία), in ihre subjektiven Empfindungen eingeschlossen (εἰς τὰ πάϑη κατέχκλεισαν ἑαυτούς), Plu. adv. Col. 24, 2. Dazu bemerkt N. HARTMANN, Metaphysik der Erkenntnis a. a. O. 93, zutreffend: ,,Dieses Gleichnis von der Belagerung ist die genaue phänomenologische Beschreibung des Zustandes, in dem sich das Bewuftsein vorfindet, wenn es auf sein Verhältnis zu dem ihm allein erfaßbaren Inhalt zu reflektieren beginnt.*' 2 Theaetet

191 C

ff.

Der

erkenntnistheoretische

Singularısmus

45

eine richtige Wahrnehmung verhindert. Aber auch diese Erklärung ist unzureichend, weil Irrtum auch im Denken möglich ist, wo es sich also nur um die Beziehung von Gedächtnisbildern handeln würde. Platon versucht dann bekanntlich die Erklärung mit dem Bild vom Taubenschlag.! Worauf es für uns bei der &vrunworc-Stelle ankommt,

ist dies,

daß die ursprüngliche und direkte Korrelation von Wahrnehmung und Einprägung in die Seele die Möglichkeit des Irrtums geradezu ausschließt. Das stimmt nun ganz mit dem zusammen, was wir auch sonst über den logisch-erkenntnistheoretischen Singularismus des Antisthenes wissen, für den die Frage nach der Entstehung und die Notwendigkeit einer Bestimmung der Ψευδὴς δόξα gar nicht akut werden konnte. Es ist genau die Auffassung, die Sokrates im Theaetet 188 A 1ff. zur Sprache bringt, wenn er von dem περὶ πάντα xai xa$9' ἕκαστον ἤτοι εἰδέναι 7) μὴ εἰδέναι spricht. Aber noch ein anderes lehrt die ἐντύπωσις- Theorie: daß die durch die

sinnliche Wahrnehmung vermittelten Eindrücke in der Seele zwar als Erinnerung festgehalten werden und in der geistigen Anschauung vorstellend gegenwärtig sind, aber immer nur als Anschauung des Einzelnen, nicht des Allgemeinen,

das heißt es ist noch nicht, wie später

in der durch Chrysipp modifizierten Fassung jener älteren Form

der

£evrörnworc-Lehre,

der

mit der Theorie

des Gedáchtnisses

das Problem

Abstraktion berührt. Von hier aus erklärt sich das Befremden des Antisthenes, das sich in seiner bei Simplikios? überlieferten Äußerung: ὦ IMarwv, ἵππον μὲν ὁρῶ, ἱππότητα δὲ οὐχ 000 kundtut. Denm auf Grund seiner Voraussetzung -- und wohl der meisten seiner Zeitgenossen? --

1 Daß das Taubenschlagbild, mit dem Platon versucht, die Möglichkeit des Irrtums zu erklären, während Antisthenes doch diese Möglichkeit grundsätzlich

bestreitet,

auch

auf Antisthenes

zurückgeht,

wie E. HOFFMANN,

die archaische Logik 44, ausführt, ist unwahrscheinlich.

Die Sprache

und

Mehr amüsant als richtig

ist das Argument, mit dem HorrFrMaAnn diese Assoziation wahrscheinlich zu machen versucht, nämlich ,,daD die Erkenntnisinhalte in jenem Seelengatter im wesent-

lichen Wörter seien! Der *Taubenschlag? wird ein später, theoretisierter Abkömmling der homerischen Vorstellung vom ἕρκος ὀδόντων sein... Der Gesuchte muß also ein Verbalist schlimmster Sorte gewesen sein; und das war in Platons Augen vor

allem

Antisthenes,

welcher

lehrte:

man

könne

überhaupt

nichts

sondern nur benennen“. 2 In Aristotelis Categorias. CAG VIII 208, 30 f. u. 211, 17 f. ? Auch für Demokrit ist der Mensch nicht ein höheres Allgemeines,

aussagen,

das eine

für sich seiende Existenz hat, sondern: ἄνϑρωπός ἐστιν ὃ πάντες tOuev (Fr. B 165).

Mit dieser Reduktion des Problems auf den consensus omnium dürfte Demokrit die allgemeine Auffassung seiner Zeit wiedergegeben haben. In anderer Beziehung freilich weist Demokrit über diese Auffassung weit hinaus. Wie Platon, wenn auch

46

Die

Antisthenische

Erkenninistheorie

und

Logik

war ein allgemeines Pferd ganz überflüssig, da es zur sinnlichen und geistig-anschaulichen, vorstellenden Erfassung des einzelnen Pferdes nicht erforderlich schien: die Stelle des allgemeinen Begriffs wird eingenommen von dem Erinnerungsbild, das zur jedesmaligen Identifikation mit vorkommenden einzelnen Pferden scheinbar genügt. Das entscheidende Problem, das Verhältnis des Allgemeinen zum Besonderen,

des gedanklich Einen zum sinnlich aufweisbar Vielen, von Gattung und Individuum, ja selbst die Unterscheidung von beidem, wird gar nicht akut. Auf Grund dieser Ungeklärtheit kann dann auch das ὄνομα immer als ὄνομα eines einzelnen Seienden verstanden werden. So falsch es 1st, Antisthenes zum Vertreter eines derb-primitiven Materialismus zu machen,

wie das im allgemeinen geschieht, so richtig ist seine

Zuordnung zu einem ambivalenten, systematisch nicht bis ins Letzte

abgeklärten

Sensismus,

der

zwischen

Denken

und

anschaulicher

wurde, charakterisiert haben.

Mit einem un-

Vorstellung nicht unterscheidet und für den die Gegebenheiten des Denkens anschauliche Gestalten schlechthin sind. Diese relative Ununterschiedenheit von Denken und Anschauung tritt uns bei Antisthenes noch in ganz krasser Form entgegen und führt konsequenterweise schon hier zu einigen jener typischen Simplifikationen, die diese Gleichsetzung in der Geschichte des Denkens nur allzu oft, nämlich immer dann, wenn sie unter unzureichenden systematischen Voraussetzungen vorgenommen

geheuren Aufwand an Scharfsinn sehen wir deshalb Platon und Aristoteles mit diesem schwierigen Problem ringen.

3. Die problemgeschichtlichen Vorläufer der Antisihenischen Dogmen

Versuchen wir, das Ergebnis der Analyse der Antisthenischen Erkenntnistheorie und Logik zusammenzufassen. Fundamental für die theoretische Philosophie des Antisthenes ist die ontologische Unterscheidung von Einheit und Vielheit. Ihr wird erkenntnistheoretisch durch die Unterscheidung zweier Apprehensionsformen entsprochen, von denen die eine, für die Einheit in Ansatz gebrachte, mit dem Index mit anderer Begründung, nimmt er eine zweite, die eigentliche, nur vom Denken erfaßbare Wirklichkeit (νοητόν) an: μόνα τὰ νοητὰ ἀληϑῇ opp. αἰσϑητά. Bei Demokrit sind es die Atome, die als von allen sinnlichen Attributen frei vorgestellt werden, als reine Gestalten in Raum und Zeit. Nur in diesem Zusammenhang gilt die Aussage: ταὐτὸν εἶναι, λέγων τὸ νοεῖν τῷ αἰσϑάνεσϑαι (Fr. A 105).

Die

Vorläufer

der Intallıbilität versehen

der

Antisihenischen

ist. Wır

wollen

Dogmen

bei diesem

47

Lehrstück,

das

wir den erkenntnistheoretischen Singularismus genannt haben, fortan, gemäß den beiden Anwendungsbereichen dieses Lehrstücks, zwischen dem noologischen und dem aisthetologischen Singularismus unterscheiden. Die andere Apprehensionsform entspricht dem synthetischen Charakter ihres Gegenstandes und unterliegt der Möglichkeit des Irrtums. Logisch entscheidend ist die in Ansatz gebrachte Unmöglichkeit von anderen als identischen Urteilen in bezug auf einfache Gegebenheiten. Angesichts dieses Tatbestandes erhebt sich die außerordentlich interessante, aber sehr problemreiche Frage nach den geschichtlichen Wurzeln dieses Gedankenkomplexes. Zunächst, was die für die erkenntnistheoretische Reflexion der griechischen Philosophie ganz allgemein geltende Abhängigkeit der Erkenntnisformen von den Gegebenheitsweisen des Seienden betrifft, so hat dieselbe bereits ihre vorphilosophische Entsprechung in Aussagen der Dichter, in denen das Denken und Fühlen, die Gesinnung und Stimmung des Menschen von den jeweiligen äußeren Umständen und Gegebenheiten abhängig gemacht werden.! Auch der Gedanke an eine vollkommene Erkenntnis ist in der frühgriechischen Dichtung lebendig. Er ergibt sich aus der für das archaische Denken charakteristischen polaren Betrachtungsweise, nach der in diesem Falle dem begrenzten menschlichen Wissen das göttliche Wissen gegenübersteht. Ebenso läßt sich die Unterscheidung eines unmittelbar treffsicheren Erkennens und einer die Gedanken hin- und herbewegenden Denkweise bis Homer hinauf verfolgen. Ob es allerdings in diesem Zusammenhang in der frühgriechischen Dichtung auch schon zur Formulierung oder Andeutung eines doppelten Wahrheitsbegriffs gekommen ist, wird man ohne entsprechende Spezialuntersuchungen nicht beantworten können. Die Frage bleibt hier offen. Wichtiger ist für uns die Frage, wo diese Phänomene zum erstenmal erklärter Gegenstand der philosophischen Reflexion, das heißt Inhalt des philosophischen Bewußtseins werden. Das ist — jedenfalls für uns zuerst erkennbar — in vollem Umfang bei Parmenides der Fall. In seiner Philosophie kommt es zu einer scharfen erkenntnistheoretischen Unterscheidung zwischen der immer wahren Erkenntnis des einen Seins und den schwankenden und unsicheren Meinungen, den δόξαι βρότειαι, die das Verhalten der Menschen in der Welt, in der sie leben, ! Vgl. z. B. Homer σ 132-140 und Archilochos Fr. 68 Diehl.

48

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

der Welt, soweit diese eine sinnliche Welt ist, bestimmen. Im Gegensatz zu diesen bezüglich ihrer Richtigkeit unklaren Vorstellungen wird die Seinserkenntnis, die sich als Erleuchtung in einem ausgezeichneten Augenblick ereignet, begleitet von dem Wissen um ihre Richtigkeit, denn der Weg zur Wahrheit untersteht der schlüsselgewaltigen Dike (vgl. Parmenides B 1, 14), die, wie H.Fränkel gezeigt hat, ,,nahe Bezie-

hungen zu unserem Begriff der Evidenz‘ hat.! Da das Sein nach Parmenides ohne Gegensatz ist, kann es keine negativen Aussagen geben.? Aber nicht nur die Móglichkeit negativer Aussagen ist nicht gegeben, sondern die Móglichkeit von Aussagen überhaupt, sofern sie nicht in Aussagen von der Struktur der Sätze “Das Sein ist’ oder “Alles Seiende ist’ oder “Nichts gibt es nicht? bestehen, denn ein bestimmtes Subjekt und ein bestimmtes Prádikat setzen Vielheit und Differenziertheit voraus,

was

von

Parmenides

und

seiner

Schule?

leidenschaftlich

be-

stritten wird. Denn das Sein ist eins, nicht aus physisch oder gedanklich

verschiedenen oder unterscheidbaren Teilen bestehend, ohne Differen-

zierung jeglicher Art und nicht differenzierbar. Ihm entspricht das Denken anschauend im Zustand des Gewahrseins (νοεῖν). In diesem Zustand der Erleuchtung ist das Denken mit seinem Gegenstand eins, Sein und Denken sind identisch, das Sein wird sich in der Einsicht des Erleuchteten seiner selbst bewußt ; das Sein dieses Bewußt-

seins ist das Bewußtsein des Seins.5 Mit dieser Theorie des reinen Denkens hat Parmenides den noologischen Singularismus philosophisch begründet. Alle Variationen dieses groDen Themas, die in die Ge-

! H. FRANKEL, Wege und Formen frühgriechischen Denkens 166. Vgl. 166, 1: ,LEvidenz ist hier die gegebene Übersetzung für den Namen der Kraft, die bei Parmenides im Gefolge der Wahrheit steht, wie sonst Πειϑώ, Verlockung, im Gefolge der Aphrodite." Bemerkenswert ist übrigens, daß dasselbe Wort πίστις, das später bei Aristoteles auch der Terminus für *GewiDheit?, ‘Gewähr’ ist, schon bei Parmenides in dieser eingeschránkten Bedeutung vorkommt. Zu dem riottc-Begriff bei Parmenides vgl. FRÄNKEL a. a. O. 166. ? Das Sein ist ungeworden, nicht aus dem Nichts hervorgegangen. Vgl. Fr. 8, ll: „So muß es entweder in seiner Ganzheit sein oder überhaupt nicht‘: οὕτως ἢ πάμπαν πελέναι χρεῶν ἐστιν T) οὐχί. Das ist die genaue ontologische Grundlage des noologischen Singularismus. 3 Über das Verhältnis Zenons zu Parmenides vgl. den fórdernden Aufsatz von W.

KULLMANN,

Zenon

und

die Lehre

des Parmenides,

Hermes

86,

1958,

157-172.

* Vgl. H. FRANKEL, Dichtung und Philosophie im frühen Griechentum 461 u. Anm. 12. ? Vgl. H. FRANKEL, Wege und Formen frühgriechischen Denkens 178, 1: ,,Die Erkenntnislehre des Parmenides gipfelt in dem Wissen des Seins von sich selbst, also in einem absoluten, und im übrigen gegenstandslosen Existenzbewuftsein.*

Die

Vorläufer

der

Antisthenischen

Dogmen

49

schichte der abendländischen Metaphysik eingegangen sind, gehen in letzter Instanz auf diese Grundlegung durch Parmenides zurück.! Daß mit diesem absoluten ontologischen Monismus, der überhaupt keine prádikativen

Bestimmungen

zuläßt, „der Logik die Lebensader

durchschnitten ist, wie es Natorp? einmal formuliert hat, ist klar. Sehr viel weniger klar ist, wie sich die Prädikationsbestreitung im einzelnen weiter tradiert hat, da sie uns in der Folgezeit in verschiedenen Modifikationen sowohl in der sophistischen, kynischen wie megarischen Eristik begegnet. Was die Sokratiker betrifft, so muß die Auffassung von J. Stenzel?^ und ἢ. Hönigswald,* daß nämlich die Dialektik des Sokrates eleatische Elemente enthielt, die bei seinen Schülern wieder verstárkt hervortreten, immer auch dann noch weit-

gehend berücksichtigt werden. wenn man, wie K. v. Fritz,’ einen rein sokratischen Ausgangspunkt annimmt. Denn diese beiden Auffassungen schließen sich nicht aus, sondern ergänzen sich vielmehr, weil Sokrates nicht nur am Anfang einer neuen, sondern auch ! Was die interpretatorischen Einzelfragen zu Parmenides betrifft, so verweise ich auf die schon mehrfach zitierten Parmenidesstudien von H. FRANKEL und auf dessen Aufsatz: Zenon von Elea im Kampf gegen die Idee der Vielheit, beide Arbeiten abgedruckt in: Wege und Formen frühgriechischen Denkens 157-197 u. 198-236. Sehr wichtig sind in unserem Zusammenhang auch die Ausführungen von

H.

Studien Wiener

ScHWABL

in

seinen

66, 1953, 50-75, und:

Studien

70,

1957,

Aufsátzen:

Sein

Zur *Theogonie!

278-289,

sowie

und

in dem

Doxa

bei

Parmenides,

bei Parmenides

und

Forschungsbericht

Wiener

Empedokles,

“Parmenides’

im Anz. f. d. Alt. Wiss. 9, 1956, 129-156 (Nachtrag siehe Anzeiger 10, 1957, 214-226). Vgl. vor allem auch die grundlegenden Ausführungen SCHWABLS in seinem RE-Artikel *Weltschópfung?, Sp. 93: „Das Fazit muß sein, daß Parmenides unter Schein (δόξα, τὰ δοκοῦντα) durchaus nicht das verstanden hat, was wir unter Augentrug verstehen. Es muß aber gleichzeitig gesagt werden, daß die Kosmogonie des Parmenides den ersten deutlichen Fall von “umgekehrter Mystik? im griechischen Denken darstellt. Auch hier schon steht der Erfahrung des Eigentlichen die Erfahrung des Uneigentlichen gegenüber, und so wird der Ursprung der Welt dort gesucht, wo der Anfang alles Uneigentlichen, der Anfang der Vielverschlagenheit (B 16, 1) ist: Die Aufstellung des Seins durch Parmenides ist zugleich der Vorstoß zu unsinnlicher Realität. Aber die sinnliche Realität ist davon noch nicht durch eine Kluft getrennt, und so kann die Göttin sagen, daß die Menschen die Zweiheit

hätten zusammendenken. an Stelle der Zweiheit eine Einheit hätten benennen sollen. Das ist die Weise, in der die Zeit die Wahrheit hinter den Namen, d.h. hinter scheinbarer Realität, auszudrücken vermochte (Aisch. Prom. 210).

? RE VI, 1907, 1002. 2°Zur Entwicklung des Geistbegriffs in der griechischen Philosophie’. Antike 1, 1905 244 ff. = Kl. Schr. 127 ff.; RE - Artikel ‘Logik’, XIII, 1926, 994 f., 998, 1012,* 1011. 3 D, Philosophie des Altertums, 2. Aufl. München 1924, 195 ff. E RieSuppl.

4

Oehler, Die Lehre

V, 1931, s. v. Megariker,

707 ff.

50

Die

Antisthenische

Erkenntnistheorie

und

Logik

am Ende einer alten Entwicklungslinie des griechischen Geistes steht.! Mit der Möglichkeit, daß bestimmte kynische Lehrstücke die megarische Schule beeinfluft haben, muf) gerechnet werden. Vor allem ist hier in unserem Zusammenhang an den Megariker Stilpon? zu denken, der, wie Antisthenes, die εἴδη geleugnet und die Möglichkeit der nichtidentischen Prádikation in Abrede gestellt hat. Bei Diogenes Laertios 2, 119 heißt es: „Er war mächtig im Streitgespräch und hob sogar die Ideen

auf und

sagte,

daß,

wer

‘Mensch’

sage,

niemanden

damit

be-

zeichne, denn er bezeichne weder diesen Bestimmten noch jenen Bestimmten. Denn warum sollte er diesen Bestimmten eher bezeichnen als den anderen? Also bezeichne er auch nicht diesen Bestimmten. Und umgekehrt: Das Gezeigte da ist nicht Gemüse. Denn ‘Gemüse’ gab es schon vor urdenklicher Zeit. Also ist dies da nicht Gemüse.‘ Das Verhältnis von Einzelding und Allgemeinbegriff wird hier auf Grund derselben Denkvoraussetzung verfehlt wie bei Antisthenes, nämlich auf Grund der Vorstellung, daß das kopulative Ist die totale Identität von Subjekt und Prädikat ausdrückt. Hinter dieser Vorstellung steht die erkenntnispsychologisch dominierende Erfahrung der auf einen körperlichen Gegenstand gerichteten sinnlichen Anschauung, die Seiendes immer nur in individuell-stofflicher Konkretion erfaßt. Die Abstraktion von dem hier gültigen Begriff von Sein im Sinne von Dasein, Vorhandensein, Existieren, bis zu dem rein logischen Begriff des Seins als Ausdruck der prädikativen Synthesis, also die Entstehung des Bewußtseins einer nicht nur absoluten, sondern auch prädikativen Bedeutung des Wortes Ist, war für das spezifisch gegenstandsbezogene, visuelle Denken der Griechen der ganz offensichtlich schwierigste erkenntnistheoretisch-logische Prozeß, der überhaupt erst in Platons Sophistes seinen ersten und vorläufigen Abschluß fand. Bis dahin, vor allem auch bei Parmenides, ist die griechische Ontologie die Tu

! Zu der veralteten Auffassung einer direkten Beeinflussung der älteren Sokratiker durch Eleaten vor der entscheidenden Begegnung mit Sokrates siehe z. B. ZELLER II? 244 ff. u. Überweg-Praechter I!? 156. ? Vgl. K. PRAECHTER, RE-Artikel Stilpon, III A, 1929, 2530 u. K. v. Fritz in dem RE-Artikel Megariker 723. 3 δεινὸς δ᾽ ἄγαν ὧν ἐν τοῖς ἐριστικοῖς ἀνήρει καὶ τὰ εἴδη καὶ ἔλεγε τὸν λέγοντα ἄνϑρωπον λέγειν (an Stelle des überlieferten εἶναι lese ich mit K. v. Fritz, RE Suppl. V 723, in diesen Zeilen λέγειν) μηδένα οὔτε γὰρ τόνδε λέγειν οὔτε τόνδε᾽ τί γὰρ μᾶλλον τόνδε ἣ τόνδε; οὐδ᾽ ἄρα τόνδε. καὶ πάλιν᾽ τὸ λάχανον οὐχ ἔστι τὸ δεικνύμενον λάχανον μὲν γὰρ ἦν πρὸ μυρίων ἐτῶν᾽ οὐκ ἄρα ἐστὶ τοῦτο λάχανον.

3

Die Vorläufer

der Antisthenischen

Dogmen

51

Explikation einer einzigen, weil bis dahin allein bewußten Bedeutung des Wortes Ist. Das wird erst bei Platon grundsätzlich anders; und deshalb ist Platon auch imstande, ganz analog der spáteren Methode des Aristoteles, die vorsokratischen Denker von einem einzigen Punkt her, von seiner ἀρχὴ aus, zu widerlegen. Dieser neue Anfang war seine neue Deutung des Seinsbegriffs, die zum erstenmal die logische Seite desselben aufdeckte. Doch kehren wir wieder zu Stilpon zurück. Seine mögliche Beeinflussung durch Antisthenes wird nicht nur durch seine Leugnung der εἴδη und seine damit zusammenhängende Stellungnahme zum Verhältnis von Einzelding und Allgemeinbegriff nahegelegt, sondern auch durch seine in der Überlieferung belegte Prädikationsbestreitung. Bei Stilpons Schüler Menedemos von Eretria, dem Begründer der eretrischen Schule, scheint dieselbe ıhren nächsten und radikalen Fortsetzer

gefunden zu haben. Die Mitteilung, daß er, wie Diogenes 135

berichtet,

einfache

bejahende

Urteile

zugelassen

Laertios 2,

habe,

dagegen

keine negativen und zusammengesetzten, stößt bezüglich ihrer Glaubwürdigkeit auf erhebliche Schwierigkeiten. Ebenso der Bericht des Philoponos, nach dem Menedemos die bei dem Gebrauch der Kopula auftretenden Mißverständnisse dadurch zu umgehen versuchte, daß er

nach andersartigen Formulierungen suchte.! Wie dem auch sei, sicher ist, daß die Prädikationsbestreitung ein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Skeptiker Pyrrhon von Elis und Timon von Phlius gewesen und als integrierender Bestandteil mit in ihre Theorie der Urteilsenthaltung, der ἐποχή. eingegangen ist. ! Vgl.

dazu

und

sowie K. v. FRITZ,

zu

WITZ-MOELLENDORFF, immer

noch

dem

Vorigen

RE-Artikel

unsere

Menedemos,

obigen

XV,

Ántigonos von Karystos.

unentbehrlich

D.

HENNE,

École

Ausführungen

1931, 793. Ferner

PhU

S. 32 Anm. 3,

U. v. WILAMO-

4, 1881, 86 ff. Zum

de Mégare,

Paris

1843.

Ganzen

C. MALLET,

Histoire de l'école de Mégare et des écoles d'Elis et d'Eretrie, Paris 1845. ZELLER 11 1* 272 ff. W. NESTLE, Die Sokratiker, Jena 1922. D. R. DunprEv, A History of Cynicism, London 1937.

DRITTER

DIE

SACHLICHEN

DER

ABSCHNITT

VORAUSSETZUNGEN

PLATONISCHEN

I. Die Ideenkommunikation

URTEILSLEHRE

als der zureichende Grund für die

Möglichkeit der Prädikation

Daß die Antisthenische Logik und Erkenntnislehre, deren Prinzipien wir kennengelernt haben, die Platonische Form der Dialektik in Frage stellten und Platon zu einer grundsätzlichen Stellungnahme herausfordern mußten, unterliegt keinem Zweifel.! Und so setzt denn auch die Auseinandersetzung im Sophistes genau an dem Punkt ein, der hier das punctum saliens ist, nämlich mit der Frage nach der Rechtmäßigkeit der Behauptung von einfachen Gegebenheiten, die nur Eins sind und nicht Vieles sein können. Dieses ontologisch-logische Problem findet seine Lösung in der Lehre von der Gemeinschaft der Ideen, der Klassen oder Gattungen und Arten, der χοινωνία τῶν γενῶν. εἰδῶν oder Ldewv.? Zu Anfang der Untersuchung werden die drei überhaupt möglichen Verhältnisse der Klassen zueinander unterschieden: die absolute Beziehungslosigkeit, die schlechthinnige Verbindung und Verbindbarkeit aller mit allen und drittens die partielle Gemeinschaft. Diese letzte Móglichkeit ist die allein gültige, und es ist die Aufgabe der Dialektik, die richtigen, die bestehenden Beziehungen festzustellen,

die Gattungen in Arten zu teilen und das Selbe als das Selbe, das Verschiedene als verschieden zu setzen: τὸ xat& γένη διαιρεῖσϑαι καὶ UNTE ταὐτὸν εἶδος ἕτερον NyNoacdaı μῆτε ἕτερον ὃν ταὐτὸν μῶν οὐ τῆς —————

! Vgl.

zur

Sache

E. KAPP,

Greek

Foundations

53:

„‚Antisthenes

invented

a

logical theory, destined to make an end of Plato's dialectical pretensions.* ? Zur Synonymie dieser Begriffe vgl. C. RITTER, Εἶδος, ἰδέα und verwandte Wörter in den Schriften Platons. Neue Untersuchungen 228-326. Ferner F. M. CORNFORD,

Plato's

Theory

of Knowledge

261, 1. Daß

die Lehre

von

der

Gemein-

schaft der Ideen, die im Sophistes vorgetragen wird, nicht als ein absolutes novum in die Diskussion eingeführt werden soll, erscheint mir sicher (vgl. zum Beispiel Politeia

476 A).

Das

Richtige

bei

O. APELT,

Platonische

Aufsätze,

Leipzig

und

Berlin 1912, 247: ,, Die Lehre von der κοινωνία τῶν γενῶν erörtert eine im allgemei-

nen

schon

bekannte

Sache

nur

von

einer

neuen

Seite.

Sıe ist nicht

Selbstzweck,

sondern erscheint unter einem bestimmten Gesichtspunkt als Mittel zum

Zweck.“

Ideenkommunikation

und

Prädikation

53

διαλεκτικῆς φήσομεν ἐπιστήμης εἶναι: — Nat, φήσομεν (Sophistes 253 D 1-4).! Auf diesem Wege gelingt nun auch die Bestimmung des Nichtseienden. Zu diesem Zweck setzt Platon als drei Hauptgattungen Seiendes, Ruhe und Bewegung an. Jede ist mit sich selbst identisch und von den beiden anderen verschieden, so daß sich noch zwei weitere Hauptgattungen ergeben: Identität und Verschiedenheit. Nun ist zum Beispiel die Bewegung verschieden von dem Seienden, aber gleichwohl ist sie Seiendes, das heißt, sie ist Seiendes und ist zugleich nicht Seiendes, dergestalt, daß die Gattung der Bewegung sich einerseits mit der Gattung des Seienden verbindet, mit ihr Gemeinschaft hat und insofern ist, andererseits aber auch mit der Gattung der Verschiedenheit in Gemeinschaft steht, weshalb sie mit dem Seienden nicht identisch ist. Das heißt: das Nichtsein ist nichts Anderes als Verschiedensein, das

Nichtseiende ist das Verschiedenseiende. Jedes Seiende ist also in vieler

Hinsicht seiend und in vieler Hinsicht nicht seiend ; nicht seiend in so

vieler Weise, wie es Anderes gibt. Das Nichtseiende ist mithin selbst ein Seiendes. Sein Wesen ıst die Verschiedenheit, die über alles Seiende

ausgebreitet ist und ein jedes in seinem Anderssein, insofern es näm-

lich ein Anderes

ist, als ein Anderes bestimmt.

Das

Nichtseiende bil-

det dementsprechend eine eigene, neben den anderen bestehende Gattung (260 B 7). Von hier aus stellt sich nun auch die Verbindung der Begriffe im Urteil neu dar, insofern deutlich wird, daf diese Ausdruck

eines Teil-

habeverhältnisses, das heißt Ausdruck der logisch-ontologischen Verwandtschaft der Begriffe untereinander ist. Terminus für diese Funktion von Ist im Urteil ist μετέχειν, das entsprechend den drei grundlegenden Funktionsarten von Ist, erstens im Existenzurteil, zweitens im Identitätsurteil und drittens in der einfachen Aussage, als μετέχειν τοῦ ὄντος, μετέχειν ταὐτοῦ oder μετέχειν γένους τινός verstanden werden muß. Bei Platon kommt es erstmalig zu einer bestimmten Unterscheidung dieser verschiedenen Funktionen von Ist, deren Verborgenheit oder Verkennung bis dahin so viel Verwirrung gestiftet hatte. Trotz dieses bedeutenden Fortschritts aber bleibt Platon in einem entscheidenden Punkt der Tradition verhaftet, aus der er kommt.

Denn zu der

so wichtigen Unterscheidung zwischen der qualitativen Bejahung und Verneinung und der modalen Bejahung und Verneinung stößt er nicht ! Vgl. dazu J. STENZEL,

Studien 62 ff.

54

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

durch. Die Kopula ἔστι ist für ihn immer und in jedem Falle schon Ausdruck des Daseins!. Wenn nun also jedes Seiende zugleich vieles ist und vieles nicht ist — das entscheidende Ergebnis der Lehre von der Gemeinschaft der Ideen —, dann folgt daraus vor allem gegen Antisthenes, daf nicht alles von allem trennbar ist, sondern auch die einfachen Gegebenheiten in einer beziehungsreichen, aussagbaren Gemeinschaft stehen, die im einzelnen genau festzustellen das Gescháft der Dialektik, das heißt der Philosophie ist (259 D 9 — 260 B 2): „Aber auch alles von

allem trennen zu wollen, ist in keiner Weise angebracht und zeugt von einem ganz und gar ungebildeten und unphilosophischen Menschen... Jedes von allem übrigen zu trennen bedeutet das vollstándige Verschwinden aller Aussagen. Denn nur auf Grund der gegenseitigen Verflechtung der Ideen können wir überhaupt aussagen. .. Überlege nun, wie wir im richtigen Augenblick jetzt gegen diese Leute gekämpft und sie genótigt haben, eines sich mit dem anderen vermischen zu lassen. — In welcher Beziehung denn? — In Beziehung darauf, daB die Aussage eine der seienden Gattungen ist. Denn dieser beraubt, wáren wir des Größten beraubt, der Philosophie. Wir müssen uns jetzt aber noch darüber verständigen, was eine Aussage eigentlich ist. Wollten wir ihr aber die Existenz gänzlich absprechen, so wären wir ganz außerstande,

noch etwas auszusagen. Wir hätten sie aber aufgehoben, wenn wir eingeräumt hätten, es gäbe keinerlei Vermischung, mit nichts zu nichts." Wenn nun die Aussage eine der Gattungen des Seienden ist und das Nichtseiende

sich

über

alles

Seiende

ausbreitet,

so

erhebt

sich

die

Frage, ob es sich auch mit dem gesprochenen Satz, der Aussage (λόγος) und dem gedachten Urteil (δόξα) verbindet. Damit ist die ganze Diskussion über das Nichtseiende, die von der Bestimmung des Sophisten als eines Künstlers der Táuschung und des falschen Scheins ausging, in das entscheidende Stadium getreten, und es ginge jetzt darum, aus dem konstatierten Sein des Nichtseienden die Realitát des Irrtums abzuleiten, was sich nach Platons eigenen Worten nur dann als unmóg-

! Zum Problem der Kopula bei Platon vgl. besonders O. APErT, Beiträge 10 f. u. 207 f. Platonische Aufsätze 257 ff. F. M. ConNronp, Plato's Theory of Knowledge

294 ff. Κα. RıEZLER,

Das

Nichts

und

das

Andere,

das Sein und

das

Seiende.

In: Varia Variorum. Festgabe für Karl Reinhardt. Münster/Köln 1952, 101. Der letzte Beitrag zu dem Problem ist die Abhandlung von J. L. AcknirL, Plato and the Copula: Sophist 251-259. The Journal of Hellenic Studies 77, 1957, 1-6.

Ideenkommunikation

und

Prädikation

lich erweist, wenn das gedachte und das geäußerte

55

Urteil keine Ge-

meinschaft mit dem Nichtseienden haben: ,,Findet keine Vermischung

zwischen ihnen statt, ist notwendig alles wahr, findet sie aber statt, gibt es auch falsches Urteil und falsche Aussage. Denn das Nichtseiende im Urteilen und Aussagen,

das ist es doch wohl, was den Irr-

tum im Denken und in den Aussagen ausmacht“ (Sophistes 260 C 1-4). Die Entscheidung darüber wird nun aber nicht so herbeigeführt, wie man es jetzt eigentlich erwarten sollte, so nämlich, daß die Realität beziehungsweise die Móglichkeit des Irrtums aus dem erwiesenen Sein des Nichtseienden abgeleitet wird, sondern indem durch eine Analyse der Aussage sein faktisches Vorkommen nur aufgezeigt wird. Das hat seinen Grund. Auf dem von Platon eingeschlagenen Weg war die Ableitung des Irrtums gar nicht möglich, weil der Begriff des Nichtseienden im Sinne des Verschiedenseienden nicht mit dem Begriff des Nichtseiendeu identisch ist, der bei der Bestimmung der Falschheit der Aussage ins Spiel kommt. Der Grund dafür ist, daf) es sich bei dem Nichtseienden als dem Verschiedenseienden nichtsdestoweniger um bestimmtes Seiendes handelt, das als solches irrtumsífrei ist, im Gegenteil sogar der Gegenstand gültiger Erkenntnis ist, weshalb schließlich negative Urteile wahr sein können. Der Irrtum dagegen setzt gemäß der erfolgten Bestimmung das Seiende als nichtseiend und das Nichtseiende als seiend. Hätte Platons Begriff des Nichtseienden in der vorangegangenen Untersuchung diesen Begriff des Nichtseienden eingeschlossen, dann müßte jetzt in der geplanten, aber nicht durchgeführten Ableitung der Irrtum als gültige Erkenntnis definiert werden.! Statt dessen führt Platon jene Analyse der Aussage durch, der ! Vgl.

H. Bonıtz,

nische Aufsätze 1914,

148,

98.



Platonische

266 ff. Ders., Mit

nicht

zu

Studien,

Platons

Berlin

Dialog

übertreffender

21875,

197 f.

O. APELT,

Plato-

NATorr,

Platos

Sophistes, übers. u. erl., PhB

Prägnanz

hat

P.

150,

Ideenlehre, Leipzig 21921, 310 f., den Sachverhalt erläutert: ,,GewiD 1st der Begriff des Andersseins eine Bedingung dafür, daß man Andres als das Wahre aussagen kann. Aber diese Bedingung genügt doch nicht, das Falschurteilen zu erkláren. Es wird dadurch gar nicht erklárt, inwiefern die Aussage, es sei anders, sich an die Stelle der Aussage, es sei so, schiebt, oder umgekehrt; wiefern nicht

bloß

überhaupt

etwas,

das nicht ist, d. ἢ. etwas

von

dem,

was

ist, Verschiedenes,

sondern dies Verschiedene als Dasselbe, dies Nichtseiende als seiend ausgesagt wird; wie doch Plato selbst (263 D) das Problem viel richtiger formuliert. Das was anders ist, erwies sich ja gerade als ebenso wahrhaft seiend wie das, was so und so

ist; sollte also

falsch

Aussagen

nur

anders

Aussagen

bedeuten,

so würde

es auch

etwas aussagen, das wahrhaft ist. Also erklärt das durch die vorige Deduktion erwiesene Sein des Nichtseins nicht die falsche Aussage. Eher könnte die falsche Aussage scheinen etwas auszusagen, was ın keiner Weise ist. Dann schiene sie aber

56

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

wir das erste Stück reiner Logik! verdanken und die die Grundlegung der Logik des Urteils geworden ist, auf der dann Aristoteles weitergebaut hat. Das ganze Stück (261 C 6 — 264 B 8) hat den Charakter eines Experimentes, das eine theoretische Annahme praktisch verifizieren soll. Gerade in dieser Gegenständlichkeit liegt der eigentliche Vorzug der Stelle, der die Qualität dieser logischen Grundlegung von vornherein wesentlich mitbestimmt. Antisthenes hat, wie wir gesehen haben, den λόγος von σύνϑετα als συμπλοκὴ ὀνομάτων verstanden. An diesem Punkt knüpft nun die Widerlegung an, indem die Frage gestellt wird, ob sich alle Wórter zu einem Satz zusammenfügen (συναρμόττει) oder keines mit keinem oder nur einige mit einigen, andere aber nicht. Das führt zunächst zu der Unterscheidung von ὄνομα und ῥῆμα (2601 C 6 — 262 Al). Für das Verständnis der Sophistesstelle ist es ganz unerläßlich, zu wissen, in welchen Bedeutungen diese beiden Ausdrücke sonst noch bei Platon vorkommen. 2. Die onomatische Hermeneutik

des Seins

Die Auswertung des vollstándigen Stellenmaterials zu ὄνομα und ῥῆμα bei Platon, wie sie bisher wegen der unvollkommenen lexikographischen Hilfsmittel noch nicht vorgenommen werden konnte, hat ein außerordentlich interessantes und aufschlußreiches Bild ergeben, das dazu berechtigt, beide Ausdrücke zu den zentralen Begriffen der Platonischen Philosophie zu zählen. Im Folgenden soll der Befund dieser Auswertung zusammenfassend wenigstens soweit vorgeführt werden, wie es für das Verständnis der Platonischen

noetik erforderlich ist.?

Noetik und

Dia-

vorauszusetzen, daß es jenes absolute Nichtsein gäbe, von dem doch bewiesen wurde, daß es gar nicht stattfinden kann, daß es überhaupt keines Begriffs fähig ist. Dann könnte es also wiederum kein Falschurteilen geben.“ ! Vgl. E. KAPP, Greek Foundations 53: ,,a chapter of very plain logic*, 58: „Plato’s logical theory of the judgment. Vgl. auch M. FUHRMANN, Das systematische Lehrbuch 137, 6 und C. J. CLAssEN, Sprachliche Deutung 175, 2. - Der gelegentlich vorgebrachte Einwand, bei Platon gebe es keine logischen Untersuchungen und nichts, was den Namen Logik verdiene, beruht auf einem dogmatisch ın die Diskussion eingeführten Begriff von Logik. Im Gegensatz zu denHistorikern der Logik zeigen die Logiker bei der Beantwortung der Frage, was Logik ist, eine bemerkenswerte und bedeutungsvolle Uneinigkeit. ? Die Auswertung wurde ermöglicht auf Grund der im Platon-Archiv in Hinterzarten erfolgten vollständigen Katalogisierung des Platonischen Wortschatzes.

Die

onomatische

Hermeneutik

des

Seins

57

Die ursprüngliche Bedeutung von ὄνομα ist Eigenname. In dieser Bedeutung kommt der Ausdruck schon bei Homer vor, allerdings nur als Eigenname von Menschen. So zum Beispiel, wenn im achten Buch der Odyssee (548-554) Alkinoos nach dem Gesang des Demodokos den Odysseus (während seines Aufenthalts bei den Phäaken) nach seinem Namen und nach seiner Herkunft fragt: ,, Darum verbirg auch du jetzt nicht mit klugen Gedanken, was ich dich frage! Ist es doch schöner, daß du redest! Sage den Namen, mit dem dich dortzulande Mutter und Vater gerufen haben und auch die anderen, welche in der Stadt sind und die dort in der Runde wohnen! Ist doch, wahrhaftig! keiner von den Menschen ganz namenlos, nicht Gering noch Edel, nachdem er einmal geboren wurde, sondern allen geben die Eltern Namen, sobald sie sie hervorgebracht.'"! Auf diese ursprüngliche und in unserem Zusammenhang unproblematische Bedeutung von ὄνομα brauchen wir nicht einzugehen, ebensowenig auf andere in unserem Zusammenhang unproblematische Bedeutungen. Unser spezielles Interesse setzt an den Stellen ein, an denen, was man bisher übersehen hat, ὄνομα als Bezeichnung für fast sämtliche wichtigeren, von der spáteren Grammatik definierten. Wortarten differenziert gebraucht wird, also für Pronomen, Adjektive, Numeralia, Substantive und Verben - natürlich auch ganz allgemein für Wörter überhaupt.? An den beiden Sophistesstellen 251 A 5 und B 3, die wir schon früher herangezogen haben, bezeichnet ὄνομα die Subjektsbestimmung, das heißt jedes Prädikat, das von einem Subjekt ausgesagt werden kann. ὄνομα ist also hier das, was sonst speziell eine Funktion von ῥῆμα ist: der sprachliche Ausdruck des Prädikats, im Gegensatz zu der entsprechenden, speziellen Funktion von ὄνομα, der sprachliche Ausdruck des Subjekts eines Urteils zu sein. Wir legen dieser Bestim! Die Übersetzung ist entnommen der Übertragung der Odyssee in deutsche Prosa von W. SCHADEWALDT. Erschienen in der Reihe: Rowohlts Klassiker der Literatur

und

der

Wissenschaft,

Bd.

29/30,

1958,

S. 107.

? Hierher gehórige Stellen sind: ὄνομα als Bezeichnung für Pronomen: Ti. 50 A 3 (vgl. 49 E 1); als Bezeichnung für Adjektive: Prt. 355 B 4, 6, Men. 87 B 9, Alc. 2 140 C 8, D 2, Phlb. 37 E 7, Lg. 842 E 6; als Bezeichnung Prm. 149 D 1; als Bezeichnung für Substantive: Men.

für Zahlen: Cra. 435 85 B 5, Alc. 2, 150

Β 7, C 9,

Phdr. 263 A 6, 267 D 4, Cra. 385 A 9, 398 B8, 411 AS, Bl (vgl. 411 A 2), Ep. VII 326 D 6, Phlb. 48 B 8, 43 E 2, 33 E 8, Plt. 296 B 2, 7, Prt. 326 D 8, 355 C 5, E 4, La. 197 E 3, Τῆι. 150 A 2, 182 A 9, 195 C2, Sph. 237 C2, Lg. 736 A 2; als Bezeichnung für Verben: Sph. 226 B 3, Phd. 71 B 8; als Bezeichnung für alle Wörter, die von etwas ausgesagt werden können, für die möglichen Prádikate eines Subjekts: Sph. 251 A 5, B 3.

58

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

mung absichtlich die genaue Unterscheidung zwischen dem Urteil als einem rein gedanklichen Gebilde und dem Satz oder der Aussage als der sprachlichen Äußerung desselben zugrunde, damit uns der Unterschied von Satz und Urteil, den Platon macht, bei den folgenden Unter-

suchungen immer bewußt bleibt. Eine besondere Betonung als einzelnes Wort im Unterschied zur Worthäufung, die in diesen Zusammenhängen ῥῆμα genannt wird, erfährt ὄνομα an mehreren Stellen.! Charakteristisch ist Kratylos 399 A-C, wo gezeigt wird, wie aus dem ῥῆμα “Διὶ φίλος das ὄνομα “Δίφιλος wird und entsprechend aus ἀναϑρῶν ἃ ὄπωπε dann ἄνθρωπος, eine Erscheinung, die auf die Formel gebracht wird: ἐκ γὰρ ῥήματος ὄνομα γέγονεν. Gegenüber ὄνομα als einzelnem Wort bedeutet hier also ῥῆμα einen Komplex oder eine Reihung von Wörtern, so zwar, daß diese keinen vollständigen Satz, aber doch einen einheitlichen Sinn ergeben, der auf ihrer konstruktiven Zusammengehörigkeit beruht. Solche konstruktiv zusammengehörigen Wörter können immer auch das Prädikat eines möglichen

Satzes sein, weshalb

die Vermutung

scheidung,

da das eine eben nur das bezeichnet,

naheliegt, daß die en-

gere Bedeutung von ῥῆμα als Prädikat aus dieser weiteren Bedeutung entstanden ist. Auf den Unterschied von ὄνομα als einzelnem Wort und ῥῆμα als sinnvoller Worthäufung geht auch die Unterscheidung zwischen σμικρότατα μόρια und μεγάλα μόρια τοῦ λόγου, die Kratylos 385 C vorgenommen wird.” Umgekehrt ist wahrscheinlich aus der ursprünglichen und weiteren Bedeutung von ὄνομα als Name, Benennung auch erst zusammen mit der Bedeutungserfüllung von ῥῆμα als Prädikat die Bedeutung von Subjekt abgeleitet worden. Man wird geneigt sein, eine wechselseitige Beeinflussung anzunehmen. Von hier aus erklärt sich aber auch leicht die Entstehung der Bedeutung "Substantiv! für ὄνομα und “Verbum’ für ῥῆμα, da die Funktion des ὄνομα ım Satz vornehmlich durch ein Substantiv, die Funktion des ῥῆμα im Satz — explizit oder implizit -- immer durch ein Zeitwort erfüllt wird. Das bedeutet aber für Platon keine grammatische Untervon dem

etwas

aus-

gesagt wird, und das andere das bezeichnet, was ausgesagt wird. Die fundamentale Wichtigkeit von ὄνομα in der Dialektik wird durch die Stellen deutlich, wo ὄνομα als bloße Benennung im Gegensatz zur ! Hierher

gehóren:

Cra.

399

A 7, 10,

B 6, 7,

C 1; Tht.

168

198 B 5, 221 E2; R. 601 A 5; Ap. I7 B 10, C2, vgl. D 3 ff. ? Vgl. dazu Tu. BENFEY, Über die Aufgabe des Platonischen Göttingen 1866, 142.

B 8, 184

Dialogs

C 1; Smp.

Kratylos,

Die

onomatische

Hermeneutik

des

Seins

59

Aussage und als Klassenbezeichnung sowie als Element der Aussage, als Subjekt, fungiert.! Die Unterscheidung von ὄνομα als bloßer Benennung von etwas einerseits und λόγος, ὅρος, ὁρισμός usw. als Satz, Aussage, Definition andererseits spielt naturgemäß in der Definitionspraxis die allergrößte

Rolle, erstens weil es das Wesen

der Definition

ist, ein ὄνομα zu bestimmen, zweitens weil bei den Definitionsversuchen immer die Gefahr besteht, daß die Frage nach der Definition nicht mit einer Definition, sondern mit der bloßen Angabe eines ὄνομα beantwortet wird,? und drittens, weil die entscheidende Frage bei jeder De-

finition die Frage nach der Identität oder Verschiedenheit von Definiendum und Definition, also von ὄνομα — als dem sprachlichen Ausdruck des Definiendum -- und λόγος ist. Das mógen einige Beispiele ! [m Folgenden sind nur die wichtigsten Stellen aufgeführt. l. ὄνομα als bloße Benennung im Gegensatz zur Aussage: Clit. 409 A 7; Tht.

202

B 2, 4, 207

B 3;

Sph.

218

C 2, 5, 221

Bl,

262

D 4, 6; Plt.

267

A 5; Lg.

964

A 7: Prm.

147

A 6, 7,895 D5, 7, 9, E 2, 6, 7, 10, 896 A 4; Ep. VII 342 B 2, 5, C 1, 344 B 4. 2. ὄνομα als Klassenbezeichnung, als Bezeichnung des Gattungsallgemeinen an

sich:

Men.

74

D 4- E 2, E 11], Phd.

103

E 3, 7, 104

A2, 6;

R. 596

D1,2,4,5, E2,6,155 D 8. 3. ὄνομα als Element des λόγος, der φάσις und ἀπόφασις, als Subjekt der Aussage: Cra. 425 Al, 2; Tht. 206 D2; Sph. 262A1,7,9, B10, C4, E 13, 263 Ὁ 3; Ep. VII 342 B 6, 343 B 4; Def. 414 D 3, 4. Von den verschiedenen Bedeutungen des Wortes ῥῆμα sind in unserem Zusammenhang zwei wichtig: l. ῥῆμα als Wortkomplex, als Reihung von Wörtern, die keinen vollständigen Satz, aber doch einen einheitlichen Sinn ergeben, der auf ihrer konstruktiven Zu-

sammengehórigkeit beruht: Cra. 399 A 10, B 7, 421 E 1,2. 2. ῥήμα als Prädikat, im weitesten Sinne zur Bezeichnung

alles dessen,

was

von

dem Subjekt des Satzes ausgesagt wird, also auch unseres Adjektivs: Cra. 425 Al, 2, 431 B 5, 6; Tht. 206 D 2; Sph. 262A 1,3, 10, B6, C4, D 4, E 13, 263 D 3; Ep. VII 342 B 6, 343 B 5; Def. 414 D 3. Vgl. zu den genannten Stellen auch die Arbeiten von Tu. BENFEY, Über die Aufgabe des Platonischen Dialogs Kratylos, und K. Uraues, Die Definition des Satzes. Nach den Pletonischen Dialogen Kratylos, Theaetet, Sophistes, Landsberg 1882. Unter den neueren

Arbeiten

verdient

besondere

Beachtung

W. LUTHER,

Weltansicht

und Geistesleben. Versuch einer wissenschaftlichen Grundlegung der philosophischen Sprachanalyse an Beispielen aus der griechischen Geistesgeschichte von Homer bis Aristoteles, Göttingen 1954. 2 Die Beantwortung durch Angabe eines bloßen Namens ist nur dann richtig, wenn

nicht

nach

der

Definition,

rende

Hilfskonstruktion,

sondern

nach

dem

Namen

für die

Definition,

das

heißt nach dem Namen des Definiendum, gefragt ist. Ist die Definition richtig, so kann freilich der Name des Definiendum für die Definition und die Definition für den Namen des Definiendum eintreten. Vgl. dazu Leges 895 D. Tatsächlich ist es ja auch so, daß wir den Namen, von den Eigennamen im allgemeinen abgesehen, immer stellvertretend für einen bestimmten Begriffsinhalt verwenden, für den der Einfachheit halber der Name eintritt. Der Name als solcher ist eine simplifizieein Merkzeichen.

60

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

erläutern. Die beiden ersten Stellen entnehmen wir dem Anfang des Sophistes. Bei der einen handelt es sich um die Definition des Sophisten, bei der anderen um die Definition des Angelfischers. Die erste Stelle (218 B 6 — € 5) lautet:

„Jetzt

aber

mußt

du

zusammen

mit

mir

zur

Untersuchung übergehen und zuerst, wie mir richtig zu sein scheint, mit dem Sophisten den Anfang machen, nàmlich zu suchen und durch Definition zu erhellen, was er eigentlich ist (. . σοι συσχεπτέον ἀρχομένῳ πρῶτον... ἀπὸ τοῦ σοφιστοῦ. ζητοῦντι καὶ ἐμφανίζοντι λόγῳ τί ποτ᾽ ἔστι). Denn jetzt haben du und ich von ihm nur den Namen gemein. Die Sache aber, der wir ihn beilegen, könnte jeder von uns auf seine eigene Weise im Kopf haben. Es ist aber in höherem Grade erforderlich, immer

und

in allen

Dingen

über

die Sache

selbst durch

Defini-

tionen sich verständigt zu haben als nur über den Namen ohne Definition (δεῖ δὲ ἀεὶ παντὸς πέρι τὸ πρᾶγμα αὐτὸ μᾶλλον διὰ λόγων T) τοὔνομοι μόνον συνωμολογῆσϑαι χωρὶς λόγου) ΄. Und die zweite Stelle (221 A '/ — B 2): ,, Nun sind wir also, du und ich, bezüglich der Angelfischerei nicht nur über den Namen einig, sondern haben auch die Definition der Sache selbst hinreichend erlangt (νῦν ἄρα τῆς ἀσπαλιευτικῆς πέρι σύ τε χἀγὼ συνωμολογήχκαμεν οὐ μόνον τοὔνομα, ἀλλὰ καὶ τὸν λόγον περὶ αὐτὸ τοὔργον εἰλήφαμεν ἱκανῶς)“΄΄. Die Stellen, die den hier verhandelten dialektischen

Tatbestand

aussprechen,

sind,

wie

das

Stellenmaterial

erkennen läßt, keineswegs selten, und es kann gar kein Zweifel darüber bestehen, daß wir es bei der in der Definitionspraxis ständig geforderten Unterscheidung von ὄνομα und λόγος mit einem regelrechten dialektischen Topos zu tun haben. Das zeigt sich vor allem auch bei der Frage nach der Identität oder Verschiedenheit von Definiendum und Definition, das heißt nach dem ταὐτὸν 7, ἕτερον von ὄνομα und λόγος. wenn man dabei an die Aufgabe denkt, die Platon seiner Dialektik im Sophistes zuweist. Denn die Bestimmung des Identischen als identisch und des Verschiedenen

als verschieden, das heißt die Unterscheidung

des ταὐτόν und ἕτερον εἶδος gilt natürlich auch für die Entscheidung der Frage nach Identität oder Verschiedenheit von Definiendum und Definition. Ein instruktives Beispiel für die Feststellung der Identität liefert die bekannte Stelle im 7. Brief (342 B 4 — C 1), die zugleich auch den

Unterschied

von

ὄνομα

und

λόγος formuliert:

stimmtes Gemeintes, das den Namen chen haben. Seine Definition aber ist und Aussagewörtern zusammengesetzt κείμενος). Denn die Bestimmung: ‚das

hat, das (ἐξ von

„Kreis

ist ein be-

den wir gerade ausgesproZweite. Sie ist aus Nennὀνομάτων καὶ ῥημάτων συγden Endpunkten bis zum

Die

Mittelpunkt Definition

onomatische

überall von jenem

gleich

Hermeneutik

weit

sein, das

Entfernte' den

Namen

des

Seins

dürfte Rund,

61

doch

wohl

Zirkel und

die Kreis

hat.‘“ Die Stelle ist auch deshalb wichtig, weil der Name hier erklärtermaßen als Erkenntnismittel fungiert, und zwar in der Reihe der anderen in diesem Zusammenhang genannten an erster Stelle. Dem liegt freilich nicht die von Platon im 7. Brief ja ausdrücklich geleugnete Vorstellung zugrunde, daß der Name mit dem Wesen des von ihm Bezeichneten in einem Zusammenhang steht, sondern die Berücksichtigung des sehr viel unkomplizierteren Tatbestandes, daß ein Gegenstand überhaupt erst kraft seines Namens für uns sprachlich faßbar wird. Erst wenn wir seinen Namen kennen oder ihm einen Namen gegeben haben, können wir zur näheren Bestimmung des Gegenstandes übergehen. Insofern freilich beginnt die Wesenserkenntnis mit dem Wissen des Namens. Die eminente Bedeutung von ὄνομα für die theoretische Methode der Dialektik, die einerseits durch Zusammenfassung des Gleichen im Ähnlichen zu Klassen und andererseits durch Bestimmung der Unterschiede zur Einteilung führt, wird dann in ihrem vollen Umfang deut-

lich, wenn man berücksichtigt, daß ein wesentlicher Teil der Aufgabe dieser Methode in der Namengebung besteht. Denn die Bildung von Klassen und ihre Einteilung sind nur dann möglich, wenn die gebildeten und eingeteilten Einheiten — wenigstens im allgemeinen — auch mit einem Namen belegt werden können. Daß sich die Schulpraxis in diesem Punkt in permanenten Schwierigkeiten befand, lassen nicht nur die gelegentlichen Leerstellen in den Diairesen erkennen, an denen man sich mit Umschreibungen behilft, sondern wird auch von Platon direkt bezeugt am Schluß des Sophistes (267 D4-8), wo er nach passenden Namen für den wissenden und den unwissenden Nachahmer

sucht:

,, Woher

nimmt

man

nun

für jeden

von

ihnen

einen

passenden Namen? Das ist offenbar schwierig, weil den Früheren anscheinend eine gewisse altererbte und einsichtslose Trägheit bezüglich der Einteilung der Gattungen nach Arten eigen war, so daß keiner auch nur versuchte, solche Einteilungen vorzunehmen, weshalb notwendigerweise kein großer Überfluß an Namen besteht.‘ Diese Schwierigkeiten in der Namengebung tauchen vor allem da auf, wo innerhalb einer Diairesis nach dem bis dahin leitenden Prinzip

keine neue Unterteilung mehr möglich ist, man sich also am äußersten Rande dessen bewegt, was diairetisch noch gerade bestimmbar ist. Hier fallen alle geläufigen Benennungen aus, und man muß sich dann

62

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

eben nach einer “ausgefallenen’ Bezeichnung umsehen, bevor die Diairesis nach einem neuen Prinzip fortgesetzt werden kann. Andererseits können aber auch gerade Unterschiede der Namen einer nur scheinbar an ein Ende gekommenen Diairesis die Richtung für weitere Teilungen angeben. In allen diesen Fällen bezeichnet der Name eine genaue

begriffliche

Grenze

da, wo

Unterscheidung,

und

das

heißt,

nach

den

Vor-

aussetzungen der diairetischen Dialektik, eine Verschiedenheit von Seiendem. Von hier aus gesehen ist jede Diairesis ein System von Namen, von denen jeder einzelne einen bestimmten Begriff repräsentiert. Die unterste und letzte Stelle dieses Systems trägt den Namen des Definiendums, das dadurch sowohl ontologisch, logisch wie onomatologisch eindeutig bestimmt ist. Wiewohl nun jeder Name im Ganzen einer Diairesis einen bestimmten Begriffsinhalt ausdrückt oder jedenfalls ausdrücken soll, so gilt doch nicht die Umkehrung, daß jede einzelne begriffliche Bedeutungsnuance durch einen eigenen Namen zum Ausdruck gebracht wird. Das ist nur da der Fall, wo ein Begriffsinhalt von solcher Bedeutung ist, daß seine Namenlosigkeit zu Irrtümern hei den diairetischen Einteilungen führen würde. Aber dieses Vorgehen hat seine logische die Namenunterscheidung

allein nicht mehr ausreicht,

sondern das gegenseitige Verháltnis der Begriffe festgestellt werden muß, was nur mit Hilfe der Aussage geschehen kann. Dieses methodische Zusammenspiel von Name und Aussage in der Diairesis hat M. Schröder

in zutreffender Weise formuliert:

„Bisher war der Name

mehr Ausdruck des Auffindens bestimmter Seinszusammenhänge, wobei das Auffinden wie die Namengebung als ihr Ausdruck evident waren. Auf dieser schwierigeren Stufe hat der Logos einen Teil der Rolle der Evidenz übernehmen müssen.“ Die Bedeutung von ὄνομα als Klassenbezeichnung, als Benennung des Artallgemeinen an sich tritt aber nicht erst in der Spätdialektik in Erscheinung,? sondern ist schon bei der ursprünglichen Fassung der 1 M. SCHRÖDER,

Zum

Aufbau

des

Platonischen

Politikos,

Jena

Gnomon

12,

1935,

11.

Die

Verf. unternimmt im 1. Teil ihrer Arbeit den Versuch, die ,, Übereinstimmung der zentralen Begriffe des erkenntnistheoretischen Teiles des 7. Briefes mit allem, was ihnen im Politikos an Begriffen oder Theorien entspricht‘ (5), nachzuweisen.

Vgl.

die

lehrreiche

Besprechung

von

K. v. Frıtz,

1936,

120-128.

Dasselbe wie SCHRÖDER unternimmt für den Sophistes M. W. IsENBERG, Plato's Sophist and the Five Stages of Knowing, Class. Philol. 46, 1951, 201-211. ? M. SCHRÖDER a. a. O. 11 unterscheidet schon sehr richtig: „Der Name ist offenbar ein technisch fein ausgebildetes Werkzeug der Dialektik und er steht

Die

onomatische

Hermeneutik

des

Seins

63

Ideenlehre,! wie sie für uns noch im Euthyphron, Menon und Hippias maior greifbar ist, ganz unverkennbar. Sieht man einmal von den feinen

Differenzen der Lehrmeinung, die das gegenseitige Verhältnis dieser Dialoge untereinander bestimmen, ab, so läßt sich als das Gemeinsame das logische Verständnis des εἶδος beobachten, dessen Funktion es ist, als das Eine die Beurteilung der vielen einzelnen Gegebenheiten zu ermöglichen, wobei es sich in diesem anfänglichen Stadium der Ideenlehre ausschließlich um ethische (ästhetische) und mathematische Gegebenheiten handelt. Die Idee ist hier als Prädikat verstanden, das zum Unterschied von den vielen einzelnen möglichen Subjekten mit dem Zusatz αὐτό versehen ist. Das bedeutet: die Frage nach der Definition, zum Beispiel des öcıov, ist nicht die Frage nach einzelnen ὅσια, nach einzelnen Fällen oder Beispielen aus dem Umfang des ὅσιον, sondern ist die Frage nach dem ὅσιον τὸ αὐτό, nach dem αὐτὸ τὸ εἶδος,

dessen Kenntnis die Beurteilung der vielen einzelnen Fälle von ὅσια allererst möglich macht. Das heißt: die originäre Funktion des εἶδος ist reine Urteilsfunktion.? Die metaphysische Transzendenz der Idee und erst recht natürlich die Konstatierung von Ideen auch für körperliche Gegenstände sind der anfänglichen Fassung der Ideenlehre fremd. Aber ungeachtet dieser großen Unterschiede im Ganzen der Ideenlehre, -— von den eben angedeuteten ersten Anfängen an bis hin zur Lehre des Timaios, wo auch für Naturdinge Ideen angesetzt werden — bleibt jedenfalls das Eine gleich, daß nämlich der Name der Idee von den vielen, in den Umfang der Idee gehörigen einzelnen Gedamit bei dem

Sache

auch

späten Platon auf dem

J. STENZEL,

Zahl

und

Höhepunkt

Gestalt

seiner Entwicklung.“

Vgl. zur

44: ,,... der ‘Gedanke’, die δόξα, 1st der

‘Abschluß’ einer Überlegung (ἀποτελεύτησις διανοίας), ein Haltmachen, das doch über sich hinausweist in der Verknüpfung der Ideen in ihrer ewigen Bewegung, in der die Einheit des Bewußtseins sich gliedert. Hier wie dort beim Zahlbegriff ist das Siegeln des Gedankens durch das Wort (ἐπισημήνασϑαι, ἐπισφραγίσασϑαι. Politicus 258 c, Phaid. 75 d) eine Vorbedingung für die Gliederung der Bewegung, insofern das Wort in seinem Bedeutungsgehalt den Sinn des Eidos zusammenfassend bezeichnet, aus dem die Gestaltung und Fixierung des Gemeinten und Gedachten erfolgt.'* Von grundsätzlicher Bedeutung sind auch die Ausführungen von H. MAIER, Syllogistik II 2, 47-56 (56 ,,Plato's intelligible Welt ist gleichsam die hypostasierte Sprache‘). Vgl. auch das 8. Kapitel ,, Namengebung und Definitionsformeln‘‘ in der Abhandlung von C. RirTER, Platons Logik, Philologus 75, 1918, 55-67. ! Vgl. dazu K. v. Fritz, Philosophie und sprachlicher Ausdruck bei Demokrit, Plato und Aristoteles, New York o. J. (1938) 38 f. und E. Kapr, Greek Foundations 32 ff. ? Vgl. dazu M. SORETH, Der Platonische Dialog Hippias Maior. Zetemata H. 6, 1953, 23 et passim.

64

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

gebenheiten als ein ihnen eigentümliches daß von dem gemeinsamen Namen vieler heißt auf ein gemeinsames γένος oder εἶδος für die mit demselben Namen benannten

Prádikat ausgesagt wird, so Dinge auf eine Klasse, das geschlossen beziehungsweise Dinge eine Klasse angesetzt

werden

auch,

kann.

Der

Name

dient

deshalb

wo

immer

es móglich

ist, als Leitfaden bei der Einteilung der γένη oder εἴδη. Wir wollen das die diairetische Funktion

des

Namens

nennen,

wobei wir “diaire-

tisch’ entsprechend weit fassen und dabei nicht nur an die spezielle Diairetik der Spätdialektik denken. Angesichts der prinzipiellen Bedeutung, die dem Namen als Leitfaden bei der Durchführung der Diairesis zufallen kann, muß freilich auch der Umstand in Erinnerung

gebracht werden, daß die Sprache in vielen Fällen nur ungenaue oder gar keine Anhaltspunkte für die Einteilung bietet und sich die Einteilung überhaupt an der Sache selbst und gar nicht an der Sprache orientiert und auch die Sprache keine geläufigen Bezeichnungen für die vorgenommenen Distinktionen anbieten kann. Diese Fälle ändern aber nichts an der grundsätzlichen Bedeutung, die die Sprache für die Diairetik hat. Sie lassen nur deutlich Platons Verhältnis zur Sprache erkennen, das nicht durch eine einseitige Abhängigkeit von der Sprache, sondern durch ein souveränes Hinhören auf die Sprache gekennzeichnet ist.!

Es ist kein Zufall, daß gerade der Menon, der uns einen besonders tiefen Einblick in die Definitionstechnik der Sokratischen Dialektik 1 Zutreffend

bemerkt

K. v. Frıtz,

Gnomon

12,

1936,

122,

,,daf

Platon

wird

zur

im

Gegensatz zu gleichzeitigen Sprachbetrachtungen etwa des Antisthenes, gewisser Megariker oder auch anderer Philosophen, deren Theorien sich noch aus dem Kratylos erschließen lassen, ein sehr freies, in gewissem Sinne möchte man sagen: modernes Verhältnis zur Sprache hat. Er benutzt sorgfältig die Winke, welche die Sprache für das Auffinden und die Unterscheidung der Gegenstände gibt. Aber er ist sich der Unvollkommenheit der Sprache bewußt (vgl. auch 7. Brief 343 AB) und sucht, weit entfernt von dem Glauben an eine prästabilierte Harmonie zwischen Namen und Gegenständen, in der Erkenntnis über die Grenzen der gegebenen sprachlichen Bezeichnungen hinauszukommen.“ In seiner Besprechung des Buches von J. DERBOLAV, Der Dialog *Kratylos? im Rahmen der platonischen Sprach- und Erkenntnisphilosophie, Saarbrücken 1953, wird J. LOHMANN dem von K. v. FRITZ angesprochenen Sachverhalt bei Platon nicht gerecht. Ausgehend von dem Dogma, daß die Griechen bis Aristoteles einschließlich keinen Begriff der Sprache gehabt hätten, stellt J. LoBMANN eine erkenntnistheoretische Reflexion auf die Sprache für Platon in Abrede und sieht sich deshalb genötigt, den 7. Brief zu einem erst im Hellenismus geschriebenen *Elaborat? zu erklären: “einfach deshalb, weil er... ein überhaupt erst 1m Hellenismus so mögliches Verhältnis zur Sprache

reflektiert?

J. LoaMmAann,

Gnomon

26,

1954,

453.

Hier

Recht-

fertigung eines sprachphilosophischen Anliegens nicht nur ein Eingriff in den Text vorgenommen, sondern Platon gleich ein ganzes Werk abgesprochen.

Die

onomatische

Hermeneutik

des

Seins

65

gestattet und vieles von dem schon bis zur Spruchreife bringt, was dann erst viel später von Platon, zum Teil erst von Aristoteles expliziert wird, auch die dialektische Bedeutung des Namens als Klassenbezeichnung zum erstenmal besonders akzentuiert, und zwar in einer terminologisch schon fest fixierten Form. Das geschieht im Zusammenhang des Versuchs der Definition von σχῆμα, wobei der Umstand, daß dabei bisher statt der Definition nur einzelne bestimmte σχήματα angegeben wurden, den von Sokrates fingierten Frager nach der Definition zu der Äußerung veranlaßt: „Wir kommen immer zu Vielem (ἀεὶ εἰς πολλὰ ᾿ἀφικνούμεϑα). Aber so will ich es nicht. Du benennst dieses Viele mit einem Namen (τὰ πολλὰ ταῦτα Evi τινι προσαγορεύεις ὀνόματι) und behauptest, nichts sei darunter, was nicht Gestalt sei, auch wenn dieses untereinander entgegengesetzt sei (scil. die Arten der Gattung). Was ist es denn nun, was das Runde nicht weniger in sich faßt (κατέχει) als das Gerade, das nämlich, was du Gestalt nennst und von dem du behauptest, daß das Runde es ebenso sei wie das Gerade?“ (74 D 4-- 2). Wenige Zeilen später faßt Sokrates die Frage nach der Definition von σχῆμα noch einmal in der kurzen, charakteristischen Wendung zusammen: τί ποτε οὖν τοῦτο οὗ τοῦτο ὄνομά ἐστιν. τὸ σχῆμα: πειρῶ λέγειν (74 E 11f.). Diese Beziehungen von Name und Klasse einerseits und Name der Klasse und dem in die Klasse Gehörigen andererseits werden im Phaidon sogar theoretisch formuliert und dann am Beispiel der Idee des Ungeraden erklärt. Die Stelle (103 E 2-104 B 4) lautet: „Mit einigem verhält es sich so, daß nicht nur die Idee ihren eigenen Namen für alle

Zeit beansprucht (un μόνον αὐτὸ τὸ εἶδος ἀξιοῦσϑαι τοῦ αὑτοῦ ὀνόματος εἰς τὸν ἀεὶ χρόνον), sondern auch noch etwas anderes, was zwar nicht

vielleicht wird

sie selbst

ist, aber

an Folgendem

doch

immer

Ungerade

muß

doch

wohl

ihre

noch

immer

Form

hat,

deutlicher,

diesen Namen

solange

was

es ist. Aber

ich meine.

Das

haben, den wir eben

aussprechen. Oder nicht? — σεν. — Aber nur dieses allein, denn danach frage ich, oder auch noch etwas anderes, was zwar nicht das Ungerade

selbst

(ὅπερ τὸ περιττόν,

gleichwohl doch immer

das

Ungerade

auch mit dem

an sich) ist, aber was

Namen

desselben nennen

man

muß,

weil es von der Beschaffenheit ist, daß es die Eigenschaft des Ungeraden niemals

verlieren kann?

Ich meine

das, was

auch

der Dreiheit

widerfährt und vielem anderen. Betrachte nur die Dreiheit! Glaubst du nicht, daß sie immer

des

5

Ungeraden

Oehler, Die Lehre

genannt

sowohl

werden

mit ihrem

muß

Namen

als auch

mit dem

(&p« οὐ δοχεῖ oot τῷ τε αὑτῆς

66

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

ὀνόματι ἀεὶ προσαγορευτέα εἶναι καὶ τῷ τοῦ περιττοῦ), obgleich dieses nicht die Dreiheit selbst ist (ὄντος οὐχ ὅπερ τῆς τριάδος) " Aber gleichwohl ist die Dreiheit und auch die Fünfheit und die ganze Hälfte der Zahlen schlechthin so beschaffen, daß, obgleich sie nicht das Ungerade

selbst (οὐκ ὧν ὅπερ τὸ περιττόν) ist, doch immer jede von ihnen ungerade ist. Und wiederum ist die Zwei und die Vier und die andere Reihe der

Zahlen insgesamt,

obgleich

nicht

das Gerade

selbst

(οὐκ ὧν ὅπερ

τὸ ἄρτιον), eine jede von ihnen gleichwohl immer gerade?“ Das an dieser Stelle gleich mehrmals auftauchende ὅπερ ist von hoher logischer Relevanz und wird uns bei Aristoteles noch ausführlich zu beschäftigen haben. Es bezeichnet hier an unserer Stelle ausschließlich die absolute Identität des γένος oder εἶδος mit sich selbst im Unterschied

zu dem unter es Erfaßten: ὅπερ τὸ περιττόν ist gleichbedeutend mit αὐτὸ τὸ περιττόν, und dasselbe gilt für ὅπερ ἢ τριάς und ὅπερ τὸ ἄρτιον. So eng ist der logische Gebrauch von ὅπερ nicht immer. Im allgemeinen bezeichnet es, was es hier gerade nicht bezeichnet: die Zugehörigkeit zum γένος und überhaupt alle Bestimmungen, die den wesentlichen Inhalt eines Begriffes ausmachen. Es ist dann gleichbedeutend mit καῦ αὑτό im Gegensatz zu πρός τι ὄντα. Im übrigen kommt an der eben zitierten Phaidonstelle die prádikative Funktion des εἶδος und die fundamentale Bedeutung des ὄνομα für diese Funktion noch einmal ganz deutlich und zum Teil sogar in theoretischer Formulierung zum Vorschein. Der letzte Punkt verdient besonders hervorgehoben zu werden, weil er zeigt, daf) die enge Beziehung zwischen ὄνομα und εἶδος oder γένος nicht nur in der dialektischen Praxis mit Erfolg ausgewertet wurde, sondern auch Inhalt des dialektischen Methodenbewußtseins war. Was die diairetische Funktion des Namens betrifft, so wird die

sich darauf gründende Art und Weise des dialektischen Verfahrens am Anfang des 10. Buches der Politeia anläßlich der Frage nach der Begriffsbestimmung der μίμησις ausdrücklich als *unsere gewohnte Methode?

(εἰωϑυῖα

μέϑοδος)

bezeichnet:

„Wollen

wir

also

nach

gewohnten Methode die Untersuchung von folgendem Punkt ginnen? Denn wir pflegen doch von dem vielen Einzelnen, mit demselben Namen bezeichnen, jeweils eine bestimmte zusetzen. Oder verstehst du nicht? — Ja, ich verstehe“ A 5-9). ! Zu diesem Gegensatz vgl. z. B. Prm.

133

C und Sph. 255 C.

unserer

aus das Idee (R.

bewir an596

Die

Diese

onomatische

methodenbewußte

Hermeneutik

onomatische

des

Seins

Hermeneutik

67

des

Seins,

für

διαίρεσις

τῶν

die der Name ‘ein das Sein zerteilendes Werkzeug ist, wie die Weberlade für das Gewebe? (ὄργανον ... διαχριτικὸν τῆς οὐσίας ὥσπερ XEPXLG ὑφάσματος Cra. 388 C 1), hat in einer Reihe von festen Wendungen ihre terminologische Ausprägung gefunden, deren häufigste diese sind: τὰ πολλὰ Evi προσαγορεύειν ὀνόματι — εἶδός τι τίϑεσθϑαι περὶ τὰ πολλά, οἷς ταὐτὸν ὄνομα ἐπιφέρομεν -- ταὐτὸν ἐπονομάζειν ὄνομα -- καϑάπερ τὰ ὀνόματα. οὕτω xat τὰ γένη (vel τὰ εἴδη) διαιρεῖν. Dieser Katalog könnte noch beträchtlich vergrößert werden. Das reiche Stellenmaterial zeigt an, in welchem Umfang die onomatische Hermeneutik des Seins zur Anwendung gelangt ist. Die Fülle der Beispiele verdichtet sich naturgemäß in den ausgesprochen diairetischen Partien der Spätdialektik, in denen die εἰωϑυῖα μέθοδος ihre glänzende Bestätigung gefunden hat. Bei der eminenten dialektischen Bedeutung des Namens konnte es nicht ausbleiben, daß der Name selbst zum Gegenstand der Untersuchung in den Schuldiskussionen der Akademie wurde.! Und so ist es nicht

verwunderlich,

daß, wie

bereits

erwähnt,

eine

! Das zeigt ja auch die eingehende Behandlung, die das Problem der ὀρθότης ὀνομάτων bei Platon gefunden hat. Mit der im Kratylos gestellten Frage nach der „Richtigkeit der Namen“, d. ἢ. der Frage, ob die Namen die Dinge φύσει bezeichnen oder bloß νόμῳ. ἔϑει, ξυνθϑήκῃ benennen, greift Platon eines der unter den Gebildeten seiner Zeit meist verhandelten Themen (vgl. Xenophon, Mem. 3, 14, 2) auf. Älteste Spuren einer Reflexion auf das Wesen der Sprache finden sich bei Heraklit, VS® 22 B 32, 48. Vgl. E. HorrmAnn, Die Sprache und die archaische Logik, 1 ff. Nach W.NEsTLE, Vom Mythos zum Logos, ?1942, 103, hat Heraklit mit der Lehre, ,,daf) das Wort die natürlich unbewußte “Nachahmung? des von ihm bezeichneten Dinges sei, die álteste griechische Sprachtheorie aufgestellt, die wir

kennen“. Vgl. W. NESTLE, Heraklit und die Orphiker, Philologus 64, 1905, 381 ff. Für Parmenides dagegen ist der Name Setzung, VS® 28 B 8, 38f. (vgl. Platon Tht. 180 E 1), 53; '9, 3. Vgl. dazu die wichtigen Bemerkungen von H. SCHWABL, Sein und Doxa bei Parmenides 71. Der Name ist für Parmenides Ausdruck der δόξα. Der konventionelle Charakter der Sprache wird von Protagoras betont, der sich nach dem Zeugnis Platons, VS9 80 A 24-26, mit „Sprachrichtigkeit‘‘ (ὀρϑοέπεια) und ,, Richtigkeit der Namen‘ (ὀρθότης ὀνομάτων) beschäftigt hat. Das bedeutet

aber - anders als für Platon im Kratylos - nicht viel mehr, als daß er ,,den richtigen

Gebrauch der Wörter zu rhetorischem Zwecke‘ (H. STEINTHAL, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Rómern mit besonderer Rücksicht auf die Logik I,?1890, 132) lehrte. Daß es sich dabei nur um die richtige Wort- und Satzbildung und noch nicht um Bedeutungsuntersuchungen gehandelt haben soll, wie NESTLE 349 ausführt, ist gerade angesichts des rhetorischen Zweckes, von dem STEINTHAL mit Recht spricht, unwahrscheinlich. Gleichwohl bezog sich die „Sprachrichtigkeit‘‘ des Protagoras ‚„„mehr auf das Gebiet der Syntax als auf das der Semasiologie‘‘, wie W. SCHMID,.Geschichte der Griechischen Literatur, HA VII 1,3 59

68

Voraussetzungen

der Platonischen

Urteilslehre

ὀνομάτων bezeugt ist, die die ὀνόματα unter Zugrundelegung des dichotomischen Prinzips des ταὐτὸν 7) ἕτερον in ταὐτώνυμα und ἑτερώνυμα zerlegte und erstere wieder in ὁμώνυμα und συνώνυμα, letztere in πολυώνυμα und παρώνυμα. Diese Distinktionen waren von der Definitionspraxis her unmittelbar gefordert, und sie wurden vorgenommen in

der richtigen Erkenntnis,

daß es für die Definition nicht nur

dar-

auf ankomme, für ein ὄνομα einen äquivalenten λόγος zu finden, sondern daß man auch zu untersuchen habe, ob zu einem ὄνομα ein oder meh-

S. 46f., richtig formuliert. Anders bei Prodikos, dessen Lehre von der ὀρϑότης ὀνομάτων zur διαίρεσις ὀνομάτων, zur Synonymik wurde, als deren Begründer er gilt. Vgl. H. MAYER, Prodikos von Keos und die Anfänge der Synonymik bei den Griechen. Rhetorische Studien I 1913. Siehe folgende Stellen bei Platon: Protagoras

358

A

7;

Laches

197

D

5;

Charmides

163

D

4, 5, 6;

Euthydem

274 E

4,

278 A 6, B 6. In der Synonymik des Prodikos wurden aber nicht nur sinnverwandte Begriffe getrennt und eingeteilt, sondern auch Bestimmungen von Begriffen, besonders ethischer Natur, vorgenommen, weshalb man in seinen Diairesen Vorläufer der Sokratischen Dialektik gesehen hat, was ımmerhin dadurch eine gewisse Stütze bekommt, daß sich der Platonische Sokrates sein Schüler nennt (Protagoras 341 A 4, Menon 96 D 7; vgl. Theaetet 151 B 5). Vgl. F. G. WELCKER, Prodikos von Keos ein Vorgänger des Sokrates. Kl. Schr. II 474 ff. Das Beste, was in neuerer Zeit über Prodikos gesagt worden ist, findet sich

bei

PRANTL,

der

es allerdings

ablehnt,

wie

WELCKER

den

‚Sokrates

betreffs

des

richtigen Gebrauchs der Worte zu einem Schüler des Prodikos‘“ zu machen (I 17). PRANTL bemerkt bezüglich der Bedeutung des Prodikos: „Hauptsächlich aber auf die Präzision des Sprachausdrucks warf sich Prodikos, und er mochte wohl vielfach hiedurch der abstrakt formalen Auffassung des Begriffes bei den Megarikern vorgearbeitet

haben;

denn

wenn

sich auch

Spuren

davon

zeigen,

daß

er dem

Ver-

hältnisse koordinierter Artbegriffe zum höheren Gattungsbegriffe seine Aufmerksamkeit zuwendete, so scheint er hier mehr die Gattung in die Unter- Arten zersplittert, als diese unter jene vereinigt zu haben. Es enthalten wenigstens die Berichte über Prodikos, welche wir in Bezug auf Keime einer Logik hier beizuziehen haben, sämtlich nur den Grundzug, daß derselbe mit einer gewissen Schärfe sinnverwandte Worte distinguierte‘ (I 15f.). Zu Prodikos siehe jetzt auch M. FunrMANN,

Das

systematische

Lehrbuch

122 ff.

(,, Methoden

und

Darstellungsformen

der Sophisten‘‘). Zu der die besonders von der Sophistik in aller Schürfe formulierten Antithesen ὄνομα-ἔργον, ὄνομα-πρᾶγμα, ὄνομα-φύσις umspannenden Grundantithese νόμοςφύσις, die auch die spezielle Platonische Fragestellung im Kratylos mit bestimmt,

vgl.

F. SOLMSEN,

CR 48,

1934,

119-121.

F. HEINIMANN,

Nomos

und

Physis.

Schwei-

zerische Beiträge zur Altertumswissenschaft 1, 1945, 46-56. M. PonLenz, Nomos und Physis, Hermes 81, 1953, 418ff. Vgl. auch die Abwertung des ὄνομα in den im Corpus Hippocraticum überlieferten Schriften De Arte und De Natura Hominis. Dazu HEiNIMANN 157-162. In Platons Kratylos tritt die Diskussion über die Frage, ob die ὀνόματα von Natur oder durch Setzung entstanden seien, in ein neues Stadium. Die beiden Mitunterredner des Sokrates, Kratylos und Hermogenes, repräsentieren die beiden gegenüberstehenden Auffassungen. Kratylos tritt für die natürliche, Hermogenes für die konventionelle Entstehung der Namen ein.

Der

innere

und

der

äußere

Logos

69

rere λόγοι gehörten, und ebenso ob zwei verschiedene ὀνόματα einem oder mehreren λόγοι entsprächen.““! Gelegentlich setzt Platon aber das xat’ ὄνομα διώχειν dem xac εἴδη διαιρεῖν geradezu entgegen. Allein, diese Gegenüberstellung bedeutet keine Abwertung der echten hermeneutischen Funktion des Namens,

sondern

zielt auf den

eristischen

Mißbrauch

desselben,

der

den Namen in den Gegensatz zur Sache bringt und dadurch das sachgebundene philosophische Gespräch unmöglich macht, wie es Sokrates in der Politeia 5, 454 A 1 ff. denen vorwirft, die der sophistischen ἀντιλογικὴ τέχνη wider Willen verfallen und glauben, nicht zu streiten, sondern ein sachliches Gespräch zu führen. Weil sie aber nicht imstande

sind,

das εἶδος dessen,

wovon

sie reden,

zu erfassen,

mit anderen Worten, die Sache nicht auf den Begriff bringen können,

halten

sıe sich statt dessen

an die bloßen,

sachleeren Worte,

so daß

ihre Unterhaltung nicht dialektisch, sondern eristisch ist. Spezifische Ausdrücke, mit denen diese eristische ἀντιλογία (ἢ. 454 B 2) bezeichnet wird, sind: ὀνόματα ϑηρεύειν, ὀνόματι διαφέρεσθαι, σοφίζεσϑαι περὶ τὸ ὄνομα. κατὰ τὸ ὄνομα διώκειν, σπουδάζειν ἐπὶ τοῖς ὀνόμασι, περὶ ὀνόματος ἀμφισβήτησις, περὶ ὀνομάτων δύσερις λόγος u. a. Mit den im Vorangehenden herausgearbeiteten Bedeutungen von ὄνομα und ῥῆμα, für die im einzelnen das in den Anmerkungen beigebrachte Stellenmaterial heranzuziehen und zu vergleichen ist, ist nun die Voraussetzung für das Verständnis der Platonischen Urteilslehre geschaffen. Die weiteren Bedeutungen von ὄνομα wollen wir hier nicht verfolgen; sie werden, soweit das für die Interpretation nötig ist, von Fall zu Fall herangezogen und zur Sprache kommen. Was die Bedeutung von ὄνομα als Subjekt der Aussage angeht, so wird dieselbe bei der Analyse des Urteils besonders thematisiert. Dasselbe gilt für die Bedeutung von ῥῆμα als Prädikat. 3. Der innere und der äußere Logos

Die Urteilsanalyse im Sophistes geht, worauf schon hingewiesen wurde, von dem Zugeständnis aus, daß es zwei Wortgruppen gibt: ὀνόματα und ῥήματα. Was diese Unterscheidung unter dem Aspekt der Einheit des λόγος bei Platon ursprünglich bedeutet, hat jene schon zitierte Kratylosstelle erkennen lassen, an der ὄνομα das einzelne Wort, und zwar als Nennwort, und ῥῆμα im Gegensatz dazu den Komplex ! HAMBRUCH

a. a. O. 27 f. Vgl. LANG a. a. O. 25 und STENZEL

RE III A 1654.

70

Voraussetzungen

konstruktiv bezeichnen;

zusammengehöriger Wörter ohne ὄνομα (als Nennwort) dabei hat der Komplex konstruktiv zusammengehöriger

Wörter,

den

das

ῥῆμα

der

Platonischen

bezeichnet,

Urteilslehre

eine Bedeutung,

aber noch

keine

erst auf einem vollständigen Satz beruhende Bedeutung. Unter dem Aspekt der Einheit des λόγος heißt das, daß ῥῆμα die Bezeichnung für alle Elemente im λόγος ist, die nicht ὀνόματα sind. Beide aber, ὄνομα und ῥῆμα, ergeben zusammen einen λόγος: λόγοι γάρ που, ὡς ἐγῷμαι, ἢ τούτων (sc. ὀνομάτων καὶ ῥημάτων, vgl. Cra. 431 B 6) σύνϑεσίς ἐστιν (Cra. 431 C1). Dabei ist die σύνϑεσις τῶν ὀνομάτων καὶ δημάτων unmittelbar gegenständlich verstanden, derart, daß sie in direkter Nachahmung,

als

μίμησις, wie ein Gemälde die Dinge und ihre Befindlichkeiten wiedergibt, wobei die ὀνόματα und ῥήματα ihre spezifischen gegenstándlichen Entsprechungen haben: ἐκ τῶν ὀνομάτων xoi ῥημάτων μέγα Non τι καὶ καλὸν καὶ ὅλον συστήσομεν, ὥσπερ ἐκεῖ τὸ ζῷον τῇ γραφικῇ. ἐνταῦϑα τὸν λόγον τῇ ὀνομαστικῇ N ῥητορικῇ ἣ ἥτις ἐστὶν ἢ τέχνη (425 A 2-5). Der zureichende Grund des Irrtums besteht hier einfach in der Möglichkeit der unrichtigen Namenzuteilung (ἔστι μὴ ὀρθῶς διανέμειν τὰ ὀνόματα μηδὲ ἀποδιδόναι τὰ προσήκοντα ἑκάστῳ 431 B 3f.; dasselbe gilt für ῥήματα Β 5). Nach dem oben Ausgeführten für uns besonders interessant ist die in diesem Zusammenhang aufgestellte Forderung für die Namengebung, auch festzustellen, ob es von den Dingen, denen man Namen beilegt, Klassen gibt, auf die sich die Dinge zurückführen

lassen,

so

wie

die

Laute,

aus

denen

man

sie

erkennt

(424 D 1-4). Im übrigen ist entscheidend, daß auf dieser Stufe der Reflexion, also hier im Kratylos, die sprachliche Äußerung nur in ihrer Beziehung zu den ὄντα befragt wird, aber noch nicht in ihrer Beziehung zu dem sich in ihr hörbar aussprechenden Denken. Das ist erst im Theaetet der Fall, wo der λόγος, die hórbare Aussage, definiert wird als „das Wahrnehmbarmachen des eigenen Nachdenkens durch

die Stimme vermittels der ὀνόματα und ῥήματα, indem man sein Urteil in dem durch den Mund fließenden Strom abprägt wie in einem Spiegel oder in Wasser‘ (τὸ τὴν αὑτοῦ διάνοιαν ἐμφανῆ ποιεῖν διὰ φωνῇς λετὰ ῥημάτων τε καὶ ὀνομάτων, ὥσπερ εἰς κάτοπτρον ἣ ὕδωρ τὴν δόξαν ἐκτυπούμενον εἰς τὴν διὰ τοῦ στόματος ῥοὴν 206 D 1-4).! Der λόγος als stimmliche Kundgabe ist also nicht mehr unmittelbar μίμησις τῶν ὄντων, sondern zunächst μίμησις τῆς διανοίας oder δόξης.2 Diese Aus! Vgl. dazu auch die Definition der φωνὴ in den akademischen ῥεῦμα διὰ στόματος ἀπὸ διανοίας (414 D 1). 2 διάνοια und δόξα sınd ın Theaetet 206 D nicht unterschieden.

“Ὅροι:

φωνὴ

Der

innere

und

der

äußere

Logos

71

legung des gesprochenen λόγος impliziert die für das Ganze entscheidend wichtige Vorstellung von der Strukturgleichheit des gesprochenen und des gedachten λόγος. Diese Vorstellung geht noch auf die archaische Auffassung zurück, daß gesprochener und gedachter λόγος dasselbe sind, daß Sprechen und Denken eine Einheit bilden.! Von dieser Voraussetzung aus ist es möglich, die Struktur des Denkens an der Struktur der Sprache zu erfassen, und da die archaische Auffassung auch in der Platonischen und, wie sich schon gezeigt hat, in der Aristotelischen Reflexion im Verständnis des Zusammenhanges von Sprechen und Denken noch immer nachwirkt — wiewohl diese Auffassung jetzt nicht mehr eine naive,

sondern

durch

die

Reflexion

auf ihren

Rechtsgrund

bewußte

und dadurch freilich eingeschränkte ist —, beruht auf dieser Móglichkeit auch für beide die Legitimität ihrer Methode bei der Strukturanalyse des Denkens. Die feste Überzeugung von der Legitimität seiner Methode hat dann auch Platon

dazu veranlaßt,

das sich ın Urteilen vollziehende

Nach-

denken eine Unterredung der Seele mit sich selbst zu nennen (189 E 4 — 190 A 6): ,, Verstehst du unter Nachdenken dasselbe wie ich? — Was verstehst du darunter? — Ein Gespräch, welches die Seele mit sich selbst führt über das, was sie gerade untersucht. Ich erkläre es dir als ein im Grunde

Unwissender.

Es hat mir nämlich den Anschein, als

ob sie (scil. die Seele), wenn sie nachdenkt, nichts anderes tut als sich unterreden, indem sie sich selbst befragt und die Antwort gibt und bejaht und verneint. Wenn sie aber, sei es langsamer oder auch schneller sich bewegend, etwas bestimmt und bei derselben Behauptung bleibt und nicht mehr ungewif) ist, so setzen wir dies als ihr Urteil an. Deshalb nenne ich das Urteilen ein Reden und das Urteil eine gesprochene Rede, nicht jedoch an einen anderen und mit der Stimme, sondern schweigend zu sich selbst“. (τὸ δὲ διανοεῖσθαι ἄρ᾽ ὅπερ ἐγὼ καλεῖς: -- Τί καλῶν; -- Λόγον ὃν αὐτὴ πρὸς αὑτὴν T) ψυχὴ διεξέρχεται περὶ ὧν ἂν σκοπῇ. ὥς γε μὴ εἰδώς σοι ἀποφαίνομαι. τοῦτο γάρ μοι ἰνδάλλεται διανοουμένη οὐκ ἄλλο τι N διαλέγεσθαι, αὐτὴ ἑαυτὴν ἐρωτῶσα XXL ἀποκρινομένη, καὶ φάσκουσα x«i οὐ φάσκουσα. ὅταν δὲ ὁρίσασα, εἴτε βραδύτερον εἴτε καὶ ὀξύτερον ἐπάξασα. τὸ αὐτὸ ἤδη φῇ xai μὴ διστάζῃ, δόξαν ταύτην τίϑεμεν αὐτῆς. ὥστ᾽ ἔγωγε τὸ δοξάζειν λέγειν καλῶ xat τὴν δόξαν λόγον εἰρημένον, οὐ μέντοι πρὸς ἄλλον οὐδὲ φωνῇ. ἀλλὰ σιγῇ πρὸς αὑτόν.) Diese ! E. Hoffmann, Die Sprache und die archaische Logik 34.

72

Voraussetzungen

der

Platonischen

Urteilslehre

Stelle ist die früheste in einer ganzen Reihe von Stellen, an denen Platon, wie hier, Denken und Sprechen in Beziehung setzt und dabei sein objektives, das heißt in diesem Fall sein sprachliches Verständnis des Denkens

offenbart und

so formuliert,

wie es auch für Aristoteles be-

δόξα und

διανοεῖσθαι unterschieden wird: die δόξα 1st das schließliche

stimmend geblieben ist. Durch die systematische Beziehung des Sprechens auf das Denken bedeutet also die Theaetetstelle einen entscheidenden Schritt vorwärts in der theoretischen Formulierung des Problems, um das es geht. Dagegen hat die Funktion von ὄνομα und ῥῆμα im λόγος keine nähere Bestimmung erfahren, die über die Kratylosstelle hinausführte. Bevor wir uns jetzt der Sophistesstelle zuwenden, müssen wir uns jedoch noch eingehender mit der zuletzt zitierten Theaetetstelle beschäftigen. Zunächst ist festzustellen, daß sehr bestimmt zwischen und subjektiv gewisse Resultat, zu dem die Seele durch den Akt des διανοεῖσθαι gelangt ist. Dieses subjektiv gewisse Resultat ist in jedem Falle eine bestimmte Indikation und hat als solche Urteilsstruktur, das heißt sie ist ein Urteil. δόξα kann hier also nur mit Urteil übersetzt

werden.! Von da aus bestimmt sich auch der Charakter des διανοεῖσθαι: es ist jene Form des Denkens, die sich im Urteilen realisiert. διανοεῖσϑαι ist das diskursive Denken, das Überlegen oder Nachdenken. Es erfaßt seinen Gegenstand nicht, wie das νοεῖν, in einem ungeteilten, einheitlichen, kontinuierlichen Akt, sondern im Hin und Her der Ver-

bindung und Trennung von Begriffen und Vorstellungen, und es durchläuft mehrere Stadien der Denkoperation, bis es zu einem Fixpunkt kommt. Entsprechend kann der λόγος, mit dem das διανοεῖσθαι identifiziert

wird,

nicht

Satz bedeuten,

identifiziert

wird.

Entsprechend

sondern

nur

Bedeutung

von

Gesprách,

denn

λόγος muß dann analog die Pluralitát des Sprachaktes bezeichnen. Diese Bedeutung von λόγος ándert sich aber da, wo λόγος mit δόξα der

δόξα

als

Urteil

! Vgl. dazu und zum Folgenden die ausgezeichnete Arbeit von Κα. UPnukrs, Die Definition des Satzes. Nach den Platonischen Dialogen Kratylos, Theaetet, Sophistes, Landsberg

1882, 36 ff., wo

UPHUES

sich auch mit den abweichenden Auf-

fassungen seiner Vorgänger in dieser Frage auseinandersetzt. Überhaupt muß auf diese Arbeit, die eine historisch-kritische Ergánzung und Vervollstándigung der

ein Jahr

vorher

erschienenen

Schrift

von

UPHuvEes,

Das

Wesen

des

Denkens

nach Platon, Landsberg 1881, darstellt, deshalb besonders hingewiesen werden, weil daselbst allenthalben eine scharfsinnige und pünktliche Auseinandersetzung mit der ganzen bis 1880 erschienenen Literatur des 19. Jahrhunderts über die einschlägigen, insbesondere ὄνομα, ῥῆμα und λόγος betreffenden Fragen stattfindet.

Der

innere

und

der

äußere

Logos

73

bedeutet dann λόγος den einzelnen Satz, die Aussage. Daß man an dieser Stelle mit der allgemeinen Bedeutung von δόξα gleich Meinung, Ansicht nicht durchkommt und daß dieselbe hier nicht zugrunde liegt, erhellt auch daraus, daß das tertium comparationis bei der Inbeziehungsetzung von δόξα und λόγος ja nicht ihr Inhalt sein kann, der von vornherein als derselbe zu gelten hat, sondern nur die Form: von der Form des Sprechaktes soll auf die Form des Denkaktes geschlossen werden. Die formale Bedeutung Urteil und Urteilen für δόξα und δοξάζειν kann hier deshalb gar nicht zweifelhaft sein. Demgegenüber gehen die Übersetzungen Meinung" und ‚Ansicht‘ auf das inhaltliche Moment von δόξα und sind aus diesem Grunde hier

falsch. Wiewohl nun zwar die Sprache, der sprachliche Ausdruck, zur Erklärung der Denkform herangezogen wird, so ist die Sprache doch nicht nur Ausdruck des Denkens. Die Form des Denkens ist die Form der Sprache und die Form der Sprache ist die Form des Denkens. Diese

Identität

zentriert in der Funktion,

die das Aussagemittel

im

Urteil und das Aussagewort im Satz ausüben.! Wir wenden uns jetzt der Sophistesstelle zu. 1 Vgl. K. UPHUES a. a. 0. 43: „Jeder einzelne dieser Denkakte (sc. des διανοεῖc9at) ist als Urteil insofern mit dem entsprechenden Sprachakt, dem Satz, identisch, als das Aussagemittel des Urteils das verbum finitum des Satzes ist.‘“

VIERTER

DIE

ABSCHNITT

PLATONISCHE

URTEILSLEHRE

1. Die Einheit des Urteils

Die Untersuchung beginnt 261 D 2 mit der Aufforderung: περὶ τῶν ὀνομάτων ἐπισκεψώμεθα, wobei hier mit den ὀνόματα noch undifferenziert alle Wörter überhaupt gemeint sind, die nun auf die Möglichkeit ihres Zusammenschlusses hin befragt werden sollen, was zunächst zu der Feststellung führt, daß es von der Kundmachung des Seins durch die Stimme zwei Arten gibt: ἔστι γὰρ ἡμῖν που τῶν τῇ φωνῇ περὶ τὴν οὐσίαν δηλωμάτων διττὸν γένος (261 E 4-6). Dabei ist zu beachten, daß δήλωμα hier nicht die Selbstoffenbarung des Wesens einer Sache durch den Namen bedeutet, jene Auffassung, die im Kratylos ausführlich diskutiert wird: ἢ οὐσία τοῦ πράγματος δηλουμένη ἐν τῷ ὀνόματι (393 D 4), wonach der Name der Wesensausdruck der Sache

ist, der

zur

Erkenntnis

und

Erklärung

des

Benannten

dient,

wie es unter anderem in den Etymologien geschieht. Vielmehr ist δήλωμα hier strukturell identisch mit dem τὴν διάνοιαν ἐμφανῆ ποιεῖν διὰ φωνῆς μετὰ ῥημάτων TE καὶ ὀνομάτων aus dem Theaetet, und die Beziehung des δήλωμα auf die οὐσία — τὰ περὶ τὴν οὐσίαν δηλώματα — ist die Beziehung auf die εἴδη und γένη, deren κοινωνία vorher im Sophistes dargestellt worden ist. Es findet dann die Unterscheidung der ὀνόματα (im speziellen Sinne) einerseits und ῥήματα andererseits statt, die nun zum erstenmal genauer bestimmt werden: ῥῆμα wird definiert als ,,die Kundmachung, welche auf die Handlungen geht“, τὸ ἐπὶ ταῖς πράξεσιν ὃν δήλωμα (262 A 3), ὄνομα als „das Zeichen der Stimme, das dem, was

jene

Handlungen

verrichtet,

beigelegt

wird‘,

τὸ en’

αὐτοῖς

τοῖς

ἐκείνας πράττουϊσι σημεῖον τῆς φωνῆς ἐπιτεθϑέν (262 A 6). Das περὶ τὴν οὐσίαν δήλωμα st ein σημεῖον τῆς φωνῆς. nicht eine οὐσία τοῦ πράγματος δηλουμένη ἐν τῷ ὀνόματι. Es zeigt sich aber, daß nicht alle σημεῖα τῆς φωνῇς sich zu einer Einheit zusammenfügen lassen, das heißt einen λόγος bilden. ὀνόματα für sich und ῥήματα für sich schließen sich nicht zusammen. Als solche bleiben sie lediglich Ausgesprochenes, φωνηϑέντα, ohne daß es zu einer Prädikation käme. Dazu kommt es erst bei der Vermischung von ὀνόματα und ῥήματα, deren erste mógliche sinnvolle

Die

Einheit

des

Urteils

75

Verbindung (^ πρώτη συμπλοκὴ) die zweigliedrige Aussage ist: „Aus Nennwörtern allein, hintereinander ausgesprochen, entsteht niemals ein λόγος, und ebenso nicht aus Aussagewörtern, die ohne Nennwörter ausgesprochen werden ... Wie zum Beispiel geht (βαδίζει), läuft (τρέχει), schläft (καϑεύδει) und die anderen Aussagewörter, welche Handlungen

bezeichnen,

und

auch wenn

marer,

molekularer

und

allgemeiner

man

sie alle der

Reihe

nach

her-

sagte, so bewirkte man doch keineswegs eine Aussage... Und ebenso auch, wenn gesagt wird: Löwe (λέων), Hirsch (ἔλαφος), Pferd (ἵππος) und welche Namen man immer dem, was die Handlungen ausführt, gibt —, auch in dieser Folge kommt keine Aussage zustande. Denn weder auf diese noch auf jene Weise tut das Ausgesprochene eine Handlung noch eine Nichthandlung, noch das Sein eines Seienden oder Nichtseienden kund (δηλοῖ), bis man die Aussagewórter mit den Nennwórtern mischt. Dann aber fügen sie sich, und sofort als die erste Verflechtung entsteht eine Aussage, wohl die erste und kleinste der Aussagen (τῶν λόγων ὁ πρῶτός τε xai σμικρότατος)“΄. 262 A 9-C T. Die Grenzen der Platonischen Grundlegung des Urteils sind damit bereits genau bezeichnet. Platons Urteilslogik ist eine Analytik des kürzesten Satzes. An keiner Stelle hat er auch nur den Versuch gemacht, diese Analytik auf weitere Klassen von Sätzen auszudehnen. Und wirklich hat diese Beschránkung auf die atomaren Sátze der Grundlegung der Logik des Urteils mehr gedient als geschadet. Denn die Klarheit und Deutlichkeit und die Einfachheit der Argumente haben wesentlich mit dazu beigetragen, daß dieses erste ausgeführte Stück reiner Logik (,,a chapter of very plain logic“, Kapp) die klassische Bedeutung erlangt hat, die es in der Geschichte der Logik hat. In auffallender Übereinstimmung mit dem Vorgehen Platons hat in neuester Zeit Bertrand Russell dem ersten Teil der Logik die Aufgabe zugeteilt, die Sátze zum Gegenstand der Untersuchung zu machen; er kommt zu einer Aufstellung der verschiedenen Arten atohang besonders

erwáhnt

zu werden

Sätze,

die in diesem

verdient.!

Zusammen-

! Vgl. dazu Κα. Dürr, Moderne Darstellung der platonischen Logik. Ein Beitrag zur Erklärung des Dialoges Sophistes. Mus. Helv. 2, 1945, 166-194. Der Vf. unternimmt es, wesentliche Stücke der Platonischen Logik in der Sprache der Logistik darzustellen, wobei er als Grundlage das System der Logistik benutzt, das im ersten Teil der Principia Mathematica von WHITEHEAD und RUSSELL gegeben wird, was ihm die Möglichkeit gibt, sich auch auf den die Principia Mathematica voraussetzenden Abrif der Logistik von CARNAP zu stützen.

76

Die

Platonische

Urteilslehre

Als Beispiel einer kürzesten und ersten Aussage! dient der Satz: ἄνθρωπος μανϑάνει (262 C 9). Wer eine solche Aussage tátigt, tut schon etwas kund (δηλοῖ) ‚über Seiendes oder Werdendes oder Gewordenes oder Zukünftiges und benennt nicht nur, sondern führt etwas aus (περαίνει τι). indem er die Aussagewörter mit den Nennwörtern verbindet, weshalb wir sagen, daß er aussagt und nicht nur nennt, und wir

geben

dieser Verknüpfung

λόγος Aussprechende

nennt

sogar den

Namen

also nicht

nur etwas

Aussage“.?

Der

einen

bei seinem

Namen,

gewisser äußerster

Grenzen

οὐ μόνον ὀνομάζει, sondern «i περαίνει, das heift er führt etwas aus, erörtert etwas. Das ist hier die Bedeutung von περαίνειν, die gerade durch die Gegenüberstellung dieses Verbums mit ὀνομάζειν noch besonders akzentuiert ist. Die primáre Funktion des λόγος, auf den sich hier die Tátigkeit des

περαίνων überträgt, ist es, dem

innerhalb

der Wortbedeutung gänzlich unbestimmten einzelnen Wort einen bestimmten Sinn zu geben und damit die unbestimmte Vielheit móglicher Sinngebungen in einer für die Verstándigung notwendigen Form zu begrenzen.? Diese begrenzende Funktion übt naturgemäß jeder Satz aus: omnis determinatio est negatio. Mit Definition hat das noch gar nichts zu tun. Gleichwohl ist klar, daß der λόγος als solcher vermóge seiner limitierenden Eigenschaft auf Definition hin angelegt ist. Das ändert aber nichts an dem Tatbestand, daß die Definition ein Grenzfall des λόγος ist, der erst dann eintritt, wenn das zép«c,* das in dem

περαίνειν

steckt,

das

Ende,

das

heißt

die wesentliche

Bestimmung

1 ἐλάχιστός τε καὶ πρῶτος λόγος 262 C 10, un μακρὸς ὁ λόγος 263 A 2, μέτριος 263 A 3, εἷς τῶν βραχυτάτων 268 C 3. 2 δηλοῖ (Subjekt ist τὶς 262 C 9, nicht λόγος) γὰρ ἤδη ποὺ τότε περὶ τῶν ὄντων ἣ γιγνομένων ἣ γεγονότων ἣ μελλόντων, καὶ οὐκ ὀνομάζει μόνον ἀλλά τι περαίνει, συμπλέκων τὰ ῥήματα τοῖς ὀνόμασι. διὸ λέγειν τε αὐτὸν ἀλλ᾽ οὐ μόνον ὀνομάζειν εἴπομεν, καὶ δὴ καὶ τῷ πλέγματι τούτῳ τὸ ὄνομα ἐφϑεγξάμεϑα λόγον 262 D 2-6. ? Vgl. dazu J. ΧΈΝΑΚΙΒ, Plato on Statement and Truth-Value, Mind 66, 1957, 169, ferner Ders.: Plato's Sophist. A Defense of Negative Expressions and a Doctrine of Sense

and of Truth,

Phronesis

4, 1959, 42.

4 Zu πέρας vgl. H. FRANKEL, Wege und Formen frühgriechischen Denkens 201, 4: ,, Was die Grenzmarke betrifft, die einen einzelnen Gegenstand von anderen absetzt (πέρας, ὅρος), so wird sie in der griechischen Philosophie entweder als Anfang und Ende des Gegenstandes selbst oder als Anfang und Ende anderer benachbarter Gegenstände aufgefaßt, aber nicht als ein dritter selbständiger Gegenstand.‘ Vgl. auch K. REINHARDT, Parmenides und die Geschichte der griechischen Philosophie, Bonn 1916, 65, l. Zu πέρας als mathematischem Bestimmungsstück vgl. J. STENZEL, Zahl und Gestalt 75, 79, 96. Zur limitierenden Funktion des λόγος gegenüber dem ὄνομα vgl. auch Arist. Ph. A 1. 184 b 1 ff.

Die

Einheit

des

Urteils

77

eines diairetischen Teilungsprozesses ist. Davon aber ist in Sph. 262 D überhaupt nicht die Rede. Vielmehr geht hier das περαίνειν auf die primäre Funktion des λόγος, die Bedeutung des ὄνομα eines Gegenstandes jeweils bezüglich entweder der vergangenen oder gegenwärtigen oder zukünftigen Befindlichkeit dieses Gegenstandes partiell einzugrenzen, was eben bei jeder Ausführung und Erörterung ständig geschieht.! Der erste Teil unserer Sophistesstelle schließt ab mit der Zusammenfassung des bisherigen Ergebnisses: ,, Wie also die Dinge (oder Sachverhalte) sich teils ineinanderfügen, teils aber nicht, so auch fügen die Zeichen der Stimme sich zum Teil nicht, zum Teil aber fügen sie sich und bilden eine Aussage“ (οὕτω δὴ xadarep τὰ πράγματα τὰ μὲν ἀλλή! In

dieser

Bedeutung:

etwas

ausführen,

erörtern,

erzählen,

kommt

περαίνειν

häufig in der Verbindung mit μῦϑος und λόγος vor. Zum Beispiel Hippias maior 304 C 8: λόγον εὖ καὶ καλῶς περαίνειν, Menexenos 236 B 1: ᾿Ασπασίας δὲ καὶ χϑὲς ἠχκροώμην περαινούσης ἐπιτάφιον λόγον περὶ αὐτῶν τούτων, Timaios 29 D 6: τὸν δὲ δὴ λόγον ἡμῖν ἐφεξῆς πέραινε, Nomoi 713 B 8 τόν γε ἑξῆς περαίνων ἂν μῦϑον. Entsprechend seiner Grundbedeutung: etwas zu seiner Grenze, zu seinem Ziel und Ende führen, begrenzen, beendigen, vollenden, vollbringen, hat περαίνειν ın den Verbindungen mit ui9og und λόγος, aber auch ohne diese Zusätze, sehr häufig den

Sinn:

mit

einer

Geschichte,

Rede,

Unterredung

usw.

fortfahren,

sie

voll-

ständig machen, zum Ende bringen, zum Ziele führen, so Protagoras 353 B 6: πέραινε ὥσπερ ἤρξω, fahre fort und führe die Rede zu Ende, wie du angefangen hast.? Daneben hat περαίνειν -- gemäß seiner Grundbedeutung - im Bereich der Rede noch eine besondere Tendenz, die in die Richtung der begrifflichen Bestimmung, der Definition weist, ohne daß diese Tendenz stark ausgeprägt oder gar terminologisch faßbar wäre. Dennoch handelt es sich um eine unüberhörbare Bedeutungsnuance, die unsere Aufmerksamkeit verdient. Platon gebraucht das Verbum in diesem Sinne zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Wagengleichnis im Theaetet, wo es am Schluß heißt, daß nach der zugrunde liegenden Auffassung nur der ein wirkliches Wissen vom Wagen besitze, der jene “hundert Hölzer’ aufzuzählen vermöchte und so vermittels der Elemente das Ganze bestimmte: διὰ στοιχείων τὸ ὅλον περάναντα (207 C 42). Am vernehmlichsten ist diese definitorische Bedeutung betont im Politikos 266 D 7-9, wo περαίνειν von der Methode der diairetischen Bestimmungen (N τοιάδε μέϑοδος τῶν λόγων) gebraucht wird, die „immer in Übereinstimmung mit sich selbst ganz derWahrheit gemäß vorgeht“: ἀεὶ δὲ καϑ᾽ αὑτὴν περαίνει τἀληϑέστατον. Es ist klar, daß diese engere Bedeutung von περαίνειν für die Sophistesstelle 262 D 4 nicht in Anspruch genommen werden kann, da περαίνειν hier in Abhebung von νομίζειν die prädikative Form der sprachlichen Äußerung schlechthin bezeichnet, wie das Beispiel ἄνθρωπος μανϑάνει lehrt. Gleichwohl erscheint es uns nicht unwichtig, auf die logische Bedeutung, die περαίνειν bei Platon schon hat, hinzuweisen, weil bei Aristoteles περαίνειν (περαίνεσϑαι) — wie συμπεραίνεσθαι und συμπέρασμα — logischer Terminus wird. ! Vgl. auch

? Vgl.

Gorgias

454

C, 501

B 5; dazu Parmenides

C, 506 B, 522 E.

144 E.

78

Die

Platonische

Urteilslehre

λοις ἥρμοττεν, τὰ δ᾽ οὔ, καὶ περὶ τὰ τῆς φωνῆς αὖ σημεῖα τὰ μὲν οὐχ ἁρμόττει, τὰ δὲ ἁρμόττοντα αὐτῶν λόγον ἀπηργάσατο 262 D 8—E 1). Daß bei den πράγματα τὰ ἁρμόττοντα nicht nur an die greifbaren Gegenstände zu denken ist, sondern auch, und zwar in diesem Zusam-

menhang vornehmlich, an deren εἴδη sowie an die εἴδη überhaupt, ist nach der in dem Dialog voraufgegangenen Lehre von der Ideenkommunikation

und

auf Grund

der Beziehungen,

die sich von da aus

zu der Frage nach der Möglichkeit der Prädikation ergeben, eine unabweisbare Notwendigkeit. Die Ideenkommunikation ist für Platon

der tragende Grund seiner Prädikationstheorie; mit ihr steht und fällt

für ihn die logische Begründung der Aussage. Und wenn seine Dialektik schon in einer ausgeführten Prädikationstheorie eines Rechtserundes bedurfte, dann ist derselbe doch von

Platon nicht nur als Be-

dingung der Möglichkeit, sondern zugleich auch als Konsequenz seiner Ideendialektik aufgedeckt worden. Darin besteht überhaupt ihre logische Leistung. An der oben schon zitierten Stelle 259 D 9-260 B 2 spricht Platon selber den Zusammenhang ganz klar aus. Die συμπλοκὴ εἰδῶν ist die Voraussetzung der συμπλοκὴ ὀνομάτων χαὶ ῥημάτων: διὰ γὰρ τὴν ἀλλήλων τῶν εἰδῶν συμπλοκὴν ὁ λόγος γέγονεν ἡμῖν (259 E 5f.). Auf die εἴδη. die untereinander in Verbindung stehen oder als in Verbindung stehend gedacht werden, bezieht sich also der λόγος, der als solcher ein Urteil ist und dessen sprachliche Äußerung mit Hilfe der σημεῖα τῆς φωνῇς. der ὀνόματα und ῥήματα, geschieht. Dabei verteilen sich ὄνομα und ῥῆμα auf die εἴδη in der Weise, daß ὄνομα die εἴδη des Handelnden und Seienden (πρᾶττον, ὄν: ἄνθρωπος) bezeichnet und ῥῆμα die εἴδη der Tätigkeit (πρᾶξις: μανθάνει), der Nichttägigkeit (ἀπραξία: οὐ μανθάνει) und des Seins oder Nichtseins (οὐσία: ἔστιν, οὐκ ἔστιν).2 Das heißt: ὄνομα und ῥῆμα sind, insofern sie beide εἴδη ! Zu dieser Bedeutung von πρᾶγμα vgl. z. B. Ep. Z 344 A 3, wo πρᾶγμα allerdings ,,nicht den jeweiligen Sachgehalt der verschiedenen Ideen, sondern ihrer aller Charakter als Ideen'* meint; so richtig H. PATzER, Archiv für Philosophie 5, 1954,

25, 12.

Siehe

auch

Ep. Z 341

C 7. Vgl.

(.,die πράγματα sind die Ideen‘‘). 2 Vgl.

262A

3,6,

B 6,10 ff.,

D8

ff. und

zum

Ganzen

H. Marken

E 12 f.: λέξω

τοίνυν

1,

554,

II

2, 41,3

σοι λόγον

συνϑεὶς

πρᾶγμα πράξει δι᾽ ὀνόματος x«i ῥήματος. Daß Platon nicht nur für die Dinge als solche, sondern auch für ihre Tätigkeiten eine sich gleichbleibende Wesenheit angenommen hat, erhellt auch aus Cra. 386 E. Vgl. dazu H. RrrTER, Geschichte der Philosophie

ist auch 1912,

II

Politeia

258, 1:

1,

„Ob

1837,

476 A. er

(sc.

304.

Die

ZELLER

Il

Feststellung

Platon)

von

überhaupt

553,

4

u.

O. APELT,

Ideen

der

3.

Heranzuziehen

Platonische

Verba

Aufsätze

ausdrücklich

an-

Die

Intentionalität

des

Urteils

79

ausdrücken, rein als solche unterschiedlos dialektische Begriffe, aber insofern beide in der Einheit des λόγος stehen, unterscheiden sie sich in der Weise, daß ὄνομα das Subjekt der Aussage und ῥῆμα die Gesamtheit dessen, was von dem Subjekt ausgesagt wird, bezeichnen. Sie sind Subjekt und Prädikat im logischen Sinne, den sich Platon im sprachlichen Ausdruck adäquat ausgeprägt denkt. Deshalb ja die Analyse des Satzes (vgl. 263 C 2: ὡρισάμεϑα τί ποτ᾽ ἔστι λόγος). Daß die Platonische Unterscheidung von ὄνομα und ῥῆμα im Sophistes nicht grammatischer

Natur

ist, ist auch

daraus

erkenntlich,

daß

es zu

keiner

weiteren Distinktion der Sprachelemente kommt, die vom grammatischen Standpunkt aus nicht nur sehr nahe gelegen hätte, sondern auch gefordert gewesen wäre. Es bleibt statt dessen bei der einen Teilung der vielen ὀνόματα, die die Sprache ausmachen. 2. Die Intentionalität des Urteils

Im zweiten Teil der Untersuchung beschäftigt sich Platon mit der Intentionalität des λόγος und dem damit verbundenen Problem des Wahr- und Falschseins, um dessen Aufhellung es bei dieser ganzen Untersuchung geht. Er beginnt mit der Feststellung, ‚daß eine Aussage, wenn sie ist, notwendig eine Aussage von etwas ist, von nichts aber unmóglich** (λόγον ἀναγκαῖον, ὅτανπερ ἢ: τινὸς εἶναι λόγον, μὴ δὲ τινὸς ἀδύνατον 262 E 5-6). Die Bedeutung dieses Satzes besteht nicht nur darin, daß die logische Gegebenheit der Aussage zu der ontischen Gegebenheit des Gegenstandes der Aussage in Beziehung gesetzt wird, sondern auch und vor allem darin, daß eine bewußte

zwischen dem logischen und dem ontischen wird, die zu erkennen gibt, daß das Sein grunde-, aber immer auch vorausliegt und Alternative wahr-falsch, die keine Qualität Modalität der Aussage darüber bestimmt,

Unterscheidung

Sachverhalt vorgenommen der Prädikation zwar zuals solches frei ist von der des Seins ist, sondern die der Aussage, die, insofern

genommen hat, ist mir nicht ganz zweifelsfrei... .““, geht von einer falschen Fragestellung aus. Die Frage ist nicht, ob Platon auch Ideen für ‘Verben’, sondern ob er solche auch für Tätigkeiten angenommen hat, was angesichts der angeführten Zeugnisse und der Tatsache, daß Platon gerade im Sophistes als eine der fünf Hauptideen die Idee der Bewegung angesetzt hat, bejaht werden muß. J. STENZEL, Studien 88 f., dringt in dieser Frage nur zu halben Richtigkeiten durch, da er von einem falschen Verständnis von δόξα aus an das Problem herangeht. Vgl. zum Ganzen das oben weiter Ausgeführte Vgl. auch A. L. PEck, Plato and the MELIZTA TENH of the Sophist: A Reinterpretation, The Classical Quarterly 46, 1952, 32-56.

80

Die

Platonische

Urteilslehre

sie Sein aussagt, auch die Struktur des Seins hat, nämlich die Struktur

der Teilhabe, also etwas aussagt, was vor aller Prädikation in seinem Sein, das heißt, platonisch-dialektisch gesprochen, in seinen ontischen Beziehungen bestimmt ist. Die Aussage kann diese Beziehungen nur aufdecken — oder aber verfehlen. Jedes Seiende hat seine feste Stelle

im Ganzen

des Seienden,

die es unverwechselbar

zu dem

macht,

was

es ist. Deshalb ist schon die Antwort auf die Frage, worüber eine Prádikation geht, also die bloße Nennung des Namens, der implizite Aufweis eines beziehungsreichen ontischen Tatbestandes, der in der gewóhnlichen Prádikation nur ganz partiell expliziert wird. Es ist somit zu unterscheiden zwischen dem Substrat der Aussage, verstanden in seiner vollstándigen ontischen Bezüglichkeit, und dem Subjekt der Aussage, das durch die Aussage eine partielle Bestimmung erfáhrt. Das Substrat ist das, worüber die Aussage geht: περὶ τινός, das Subjekt ist das, wovon der λόγος λόγος ist: τινός. Zu dieser Distinktion gelangt Platon in der Aufforderung des Eleaten an den Theätet, ihm zu sagen, über wen die Aussage “Theätet sitzt? (Θεαίτητος χάϑηται) geht und wovon sie Aussage ist (περὶ οὗ τ᾽ ἐστὶ xai ὅτου 263 A 4). Es läßt sich nur eine Form des λόγος denken, wo περὶ τινός und

τινός identisch

sind:

die

Definition,

der λόγος τοῦ ὀνόματος

(Politikos 267 A 5). Aber darüber erfahren wir hier nichts. Denn die Untersuchung geht in eine andere Richtung: es ist zu klären, ob das Nichtseiende im λόγος sagbar ist. Die Antwort des Theätet auf jene Frage des Eleaten lautet entsprechend: περὶ ἐμοῦ τε καὶ ἐμός (263 A 5), das heißt: auf mich, Theätet, bezieht sich diese Aussage, in der von mir gesagt wird, daß ich sitze.! Aber nun bildet der Eleate einen anderen Satz: ‚‚Theätet, ! In nicht ausreichend begründeter Weise stützt sich H. PATZER, Mitteilbarkeit der Erkenntnis und Philosophenregiment im 7. Platobrief, Archiv für Philosophie

5, 1954,

22,

unter

anderem

auch

auf diese

Stelle,

um

zu begründen,

daß λόγος neben ὄνομα in dem erkenntnistheoretischen Abschnitt des 7. Briefes nicht unbedingt Definition bedeutet. Denn ,,ebenso** wie von dem λόγος des Kreises im 7. Brief und von dem λόγος der Seele Nomoi I 895 D ff. heiße es im Sophistes 263 A ,,von dem einfachen Satz Θεαίτητος κάϑηται, er sei der λόγος des (Sperrung von P.) Theátet (περὶ ἐμοῦ τε καὶ ἐμός), ohne daß man diesen als Definition erklären wird‘. Daß der Satz über Theätet keine Definition ist, ist zweifellos richtig. Aber dann gibt es auch keinen rechten Sinn, den Satz über Theätet in eine Linie mit den beiden anderen Sátzen zu stellen und zu meinen, Platon habe ihn analog den beiden anderen Sätzen als den ..λόγος des Theätet‘ verstanden. Wie das περὶ ἐμοῦ τε καὶ ἐμός zu interpretieren ist, darüber oben im Text. Dagegen steht bei Platon, wenn er von λόγος als Definition spricht, der Name des Definiendum immer

Die

Intentionalität

des

Urteils

81

mit dem ich mich jetzt unterhalte, fliegt‘: Θεαίτητος, ᾧ νῦν ἐγὼ διαλέγομαι, πέτεται (263 A 8). Auch hier gilt die Formulierung des Theätet bezüglich des ersten Satzes. Denn unbeschadet der Modalität der Aussage sind Substrat und Subjekt Theätet. Die Modalität aber im bloßen Genetiv (Lg. I 895 E10: (δ. δὴ ψυχὴ τοὔνομα, τίς τούτου λόγος: Ep. Z 342 B 41ff.: κύχλος ἐστίν τι λεγόμενον, à τοῦτ᾽ αὐτό ἐστιν ὄνομα ὃ νῦν ἐφϑέγμεϑα. λόγος δ᾽ αὐτοῦ τὸ δεύτερον. etc. etc. Die Beispiele sind zahlreich). Der Vergleich gibt also für die Interpretation des λόγος des Kreises im 7. Brief gar nichts her, eines λόγος, der ja gerade nicht seinen Gegenstand nur partiell, sondern vollständig, das heißt wesensmäßig, und das heißt definitorisch bestimmt. Der λόγος: Θεαίτητος κάϑηται und der λόγος, der für den Kreis gegeben wird, bezeichnen die beiden extremen Möglichkeiten von λόγος schlechthin. Individueller geht es nicht, und allgemeiner geht es nicht. Das tertium comparationis, das darin besteht, daß beide Sätze als Sätze natürlich Satzstruktur haben, das heißt aus ὄνομα und ῥῆμα zusammengesetzt sind, ist für die Frage, ob der λόγος des Kreises im 7. Brief Definition bedeutet oder nicht, ohne

Belang.

Und

es ist, von vielen anderen

Grün-

den abgesehen, nicht einzusehen, weshalb Platon bei der Aufzählung der 'Auftretensweisen des Seienden selbst im Hinblick auf seine Erkennbarkeit? (so versteht PATZER 20, 2 sehr richtig die fünf von Platon angeführten Glieder) nicht auch von der äußersten Möglichkeit des λόγος, nämlich λόγος οὐσίας zu sein — und das ist im Unterschied zu allen blof partiellen Bestimmungen die Definition -, Gebrauch gemacht haben soll. Der Aussage PATzERs (22, 6) ,,Ob Plato überhaupt ein klares Bewußtsein des Specificums des definierenden Satzes gegenüber dem gewöhnlichen prädizierenden hatte, ist fraglich" fällt angesichts der Platonischen Spätdialektik (und nicht nur dieser) und dessen, was wir von dem logischen Unterrichtsbetrieb in der Akademie wissen (vgl. die schon erwähnten διαιρέσεις im Codex Marcianus

257

c. 64-69),

eine

schwere

Beweislast

zu.

Man

versteht

den

ist,

das

Grund,

weshalb PATZER von dem Definitionscharakter des λόγος im 7. Brief loskommen will. „Wenn wir ... λόγος als nicht notwendig nur die Definition bezeichnend, sondern einfach als ausgesprochenen Satz fassen, so ist die Zuteilung des ποιόν τι auch an den λόγος unbestreitbar minder anstößig.‘“ Dieser Anstoß ist aber weniger gravierend, wenn man sich klar macht, was bisher in der langen Diskussion

um

das

ποιόν

τι im

7. Brief

immer

übersehen

worden

daß

ποιόν

τι

δηλοῦν eine notwendige Eigenschaft des λόγος als Definition ist, die darin besteht, daB die Definition das ὄν nicht rein in seiner Identitát als das Eine einheitlich zur Darstellung bringen kann, sondern, um überhaupt ihr Wesen als Bestimmung erfüllen zu können, eben bestimmen muß, und das geht nur unter Zuhilfenahme eines ποιόν τι. Das ist die zu jeder Definition gehórende spezifische Differenz, die διαφορά, die im Unterschied zu dem τί der Gattung ein ποιόν bezeichnet. Mit unwesentlicher Bestimmung oder nichtwesentlicher Eigenschaft, wie G. MÜLLER (Die Philosophie im pseudoplatonischen 7. Brief, Archiv für Philosophie 3, 1949, 256) und andere meinen, hat das nichts zu tun. Zur Aufhellung dieser Dinge ist die Aristotelische Topik heranzuziehen, die wir ja auch sonst von Platonischen Lehren abhängig wissen (vgl. HAMBRUCH a. a. O. passim). Aus der Fülle des sich anbietenden Materials zitiere ich nur zwei Stellen: οὐδεμία διαφορὰ σημαίνει τί ἐστιν, ἀλλὰ μᾶλλον ποιόν τι A 2. 122 b 17, und: δοκεῖ ποιόν τι πᾶσα διαφορὰ δηλοῦν Z 6. 144 a 21. Was in bezug auf den λόγος als Definition gilt, daß er nämlich das ὄν als noetische Einheit nur auf Kosten eben dieser Einheit in der Zweiheit von genus proximum und differentia specifica zur Darstellung bringen kann, diesem 6

Oehler, Die Lehre

82

Die

Platonische

Urteilslehre

bestimmt sich von dem Umstand her, daß Theätet nicht am Fliegen, sondern am Sitzen Anteil hat, das bedeutet: die erste Aussage ist wahr,

die zweite falsch.

Terminus

für die Modalität

der Aussage

ist

offensichtlichen Nachteil gegenüber der einheitlichen Wesensschau des νοῦς entspricht beim ὄνομα der unvermeidliche Umstand, daß es zwar einerseits ὄνομα eines ὄν, eines εἶδος ist, aber andererseits eben ὄνομα alles dessen, was dem εἶδος zugeordnet ist. Das heißt: der Name ist nicht nur die Bezeichnung des einen, einheitlichen Eidos, sondern auch Name jener Pluralität der dem Allgemeinen zu-

gehörigen Individuen im ganzen.

Für das εἴδωλον schließlich als das dritte Mit-

teilungsmedium ist die Bedeutung des ποιόν τι nicht problematisch. Diese Deutung bewährt sich auch an den Beispielen, an denen Platon das ποιόν τι erläutert. Denn die Tatsache,

daß

der sinnlich wahrnehmbare,

konkrete

Kreis auch etwas von sei-

nem Gegenteil, dem Geraden, an sich hat, entspricht genau der Rolle des ποιόν τι in der Definition, nämlich als spezifische Differenz nicht nur die Art von der Gattung, sondern die Art auch von der entgegengesetzten Art zu unterscheiden, was nur so möglich ist, daß bei jedem artbildenden Unterschied sein Gegenteil — mindestens in der Negation -- immer mitgedacht wird. Denn nur dadurch, daß die differentia specifica zu dem Gattungsbegriff hinzutritt und ihre Spezifikation vornimmt, wird der logische Ort des Definiendum unverwechselbar bestimmt. Aber das ist eben nicht möglich, ohne daß dabei auch indirekt die logische Umgebung, gegen die die differentia specifica innerhalb der einen Gattung die Abgrenzung vornimmt, voll präsent ist. Gerade das lehrt ja in überzeugender Weise die Platonische Diairesis, die das gesamte Beziehungsfeld vom obersten γένος bis zum ἄτομον εἶδος aufdeckt. Der einfache definitorische Satz ist nur die abstrakte Formel dieses logisch-ontologischen Kosmos. Gegenüber dem nicht diskursiven, vielmehr in einem einheitlichen Akt geistiger Anschauung sich vollziehenden noetischen Denken bedeutet diese logische Bestimmung mit ihren spezifischen, von dem einheitlichen ὄν zu einem größeren Beziehungsganzen wegführenden Bezüglichkeiten für Platon notwendigerweise eine mindere Form der Mitteilung, deren mindere Wertigkeit zu Lasten eben des von uns auseinandergesetzten Sach-

verhaltes,

der von

Platon

durch

das ποιόν τι bezeichnet

wird und

den wir die eide-

tische Aberration nennen wollen, geht. Was aber Platon in vollständiger Übereinstimmung mit dem, was man seinen logischen Mystizismus genannt hat, mit dem

ποιόν τι letztlich

meint,

ist die ihn stórende,

bei aller Gegenstandserfassung

auDer

der noetischen aber notwendig auftretende Mannigfaltigkeit des Differenten, die bei Platons spezieller Vorliebe für die analytische Einheit in seinen Augen von vornherein ein lástiges, aber unvermeidbares Beiwerk darstellt. Selbst in der Erfassung des reinen Wesens durch die Definition geht es ohne die notwendigen Unterscheidungen,

die den

Blick von

der Einheit

des Wesens

ablenken,

nicht

ab.

Dieses Moment der eidetischen Aberration, die natürlich mit der Entfernung des Mitteilungsmediums von der ursprünglichen Natur seines Inhaltes stándig zunimmt und beim εἴδωλον am größten ist, zeigt sich beim ὄνομα an seinem Spannungsverhältnis zum εἶδος, denn die Einheit des Namens und die Einheit der Idee sind ja nur in den wenigsten Fällen absolut kongruent. Der exemplarische Hinweis auf die beliebige Vertauschbarkeit der Namen ist in diesem Zusammenhang voll verständlich. Aus diesen Prämissen folgt mit Notwendigkeit der Schluß: der λόγος im erkenntnistheoretischen Teil des 7. Briefes ist die Definition. - Zum erkenntnistheoretischen Teil des 7. Briefes vgl. im übrigen die grundlegenden Ausührungen von R. HönıcswALp, Vom Erkenntnisbegriff des VII. Platonischen Briefes, Mnemosyne 3. Serie 8, 1940, 21-44.

Die

Intentionalität

des

Urteils

83

in diesem ganzen Abschnitt ποιόν (262 E 8; 263 A 11; B 2).! Es bezieht sich auf die Geltung, die Wirklichkeit oder Nichtwirklichkeit des Ausgesagten, nicht auf die Qualitát der Aussage. Das ist unmittelbar einsichtig, denn auf die Frage nach dem ποιών der beiden Aussagen lautet die Antwort: τὸν μὲν ψευδῇ που, τὸν δὲ ἀληϑῆ (263 B 3). Darauf folgt zunächst die Bestimmung des ἀληϑὴς λόγος als eines solchen, der von

einem

Seienden

Seiendes

als

seiend

aussagt,

in

dem

speziellen

Falle hier von Theátet, daß er sitzt, ein Sitzender ist: λέγει δὲ αὐτῶν ὁ μὲν ἀληϑὴς τὰ ὄντα ὡς ἔστιν περὶ σοῦ (263 B 4). Das ist noch unproblematisch. Wichtiger ist die Erklärung des ψευδὴς λόγος, auf die ja alles abzielt. Sie lautet in einem ersten Ansatz: ὁ δὲ δὴ ψευδὴς ἕτερα τῶν ὄντων (263 B 7), also: die falsche Aussage sagt von dem Seienden Verschiedenes. In dieser Formulierung klingt die Definition des Nichtseienden als des Anderen wieder an, aber es wird bei dem Durchdenken der Voraussetzungen klar, daß diese Definition für die Erklärung der

falschen Aussage nur die Wertigkeit der Analogie hat, keineswegs in die Erklärung selbst mit eingehen soll. Denn in der Definition des Nichtseienden als des Anderen (ἕτερον τοῦ ὄντος) bedeutet das Nichtseiende

die

Differenz

zwischen

Seiendem

und

Seiendem,

nicht

die

Seienden

in

schlechthinnige Andersheit von Seiendem überhaupt (ἕτερα τῶν ὄντων). Zwar wird auch hier in dem zweiten Ansatz, indem für das Erepov der Vergleichspunkt *Theátet gesetzt wird, das Nichtseiende auf Seiendes zurückgeführt: „Das Nichtseiende sagt sie aus als seiend,

... das heißt Seiendes,

nur verschieden

von dem

bezug auf dich. Denn wir sagten doch, in bezug auf jedes gäbe es viel Seiendes und viel Nichtseiendes“: τὰ un ὄντ᾽ ἄρα ὡς ὄντα λέγει ... ὄντων δέ γε ὄντα ἕτερα περὶ σοῦ. πολλὰ μὲν γὰρ ἔφαμεν ὄντα περὶ ἕκαστον εἶναί που. πολλὰ δὲ οὐχ ὄντα. 263 B 9-12.2 Aber dieser Begriff des Nicht-

! Vgl. O. APELT, PhB 150.5.149 Anm. 105. E. HorrMaNN, Die Sprache und die archaische Logik 35 u. Anm. 1, zieht hier mit glücklichem Griff eine Verbindungs-

linie

zu

dem

von

uns

oben

behandelten

περαίνειν:

„Nur

das

ist

Rede,

was

‘die

bestimmte Beschaffenheit? (ποιόν Soph. 262 e) hat, wahr oder falsch sein zu müssen‘ (Sperrung von H.). Anm. 1: ,,Schon für dieses ποιόν könnte man auch πέρας sagen: Den Charakter der “Bestimmtheit’ und geschlossenen Form hat die Rede eben in erster Linie vermóge jenes ποιόν. Tatsächlich ist auch das Wort πέρας angedeutet in dem περαίνειν 262 ἃ... Das heißt: es ist ein Peras, in diesem Falle: ein sprachliches Peras, eine bestimmte Aussage. Derselbe Sprachgebrauch bei Philolaos 32 B 11 τῶν τε ἀπείρων xxi περαινόντων.““ ? Vgl. die Definition des ψευδὴς λόγος Sophistes 240 E 10 — 241 Α 1: καὶ λόγος οἶμαι ψευδὴς οὕτω χατὰ ταὐτὰ νομισϑήσεται τά τε ὄντα λέγων μὴ εἶναι καὶ τὰ μὴ ὄντα εἶναι. Vgl. auch Euthydem 284 C. 65

84

Die

Platonische

Urteilslehre

seienden hat seine Gültigkeit nur für den gegenständlichen Bereich des Seienden, nicht aber für die Nichtübereinstimmung der Aussage mit dem gegenstándlich Wirklichen. Der ψευδὴς λόγος spricht zwar ἕτερα τῶν ὄντων περί τινος aus, aber damit ist nur ontologisch fixiert, daß er etwas Anderes als dem Subjekt Zukommendes anspricht.! Das Faktische der falschen Aussage dagegen, das darin besteht, daß sie logisch Verbindungen herstellt, die ontisch keine Entsprechungen haben, dieser Modus des Nichtseins läßt sich nicht wieder als ein Modus des Seins bestimmen, es sei denn, man denkt dabei an die Ver-

bindung, die das Nichtsein mit der Aussage eingeht und die es am Sein der Aussage partizipieren läßt, wodurch sich auch ein ἕτερον ergibt, das aber mit dem eigentlichen ἕτερον nicht viel mehr als den Namen gemein hat. In Wahrheit ist das Nichtseiende als Inhalt der Aussage das dem Seienden schlechthin Entgegengesetzte, das ἐναντίον τοῦ ὄντος, das schon Sophistes 240 D 6 für den Inhalt des falschen Urteils in Anspruch genommen wurde (ψευδὴς δόξα ἔσται τἀναντία τοῖς οὖσι δοξάζουσα).3

Ein anderes Problem,

tauchen

muß,

ist die

das nach dem eben Ausgeführten jetzt auf-

Frage,

wie

die von

Platon

gemachte

Voraus-

setzung der Ideenkommunikation als theoretischer Grundlage der Prädikation vereinbar ist mit den angeführten Beispielen “Theätet sitzt’ und “Theätet fliegt’, da das Subjekt hier kein Art- oder Gattungsbegriff, sondern ein Individualbegriff ist. Bei der Beantwortung dieser immer wieder diskutierten Frage? muß unbedingt festgehalten werden ! Vgl. μηδενός γε ὧν οὐδ᾽ ἂν λόγος εἴη τὸ παράπαν᾽ ἀπεφήναμεν γὰρ ὅτι τῶν ἀδυνάτων ἦν λόγον ὄντα μηδενὸς εἶναι λόγον, 263 C 9-11. περὶ δὴ σοῦ λεγόμενα, (λεγόμενα» (add. BADHAM) μέντοι ϑάτερα ὡς τὰ αὐτὰ xol μὴ ὄντα ὡς ὄντα, παντάπασιν ὡς ἔοικεν ἣ τοιαύτη σύνϑεσις ἔκ τε ῥημάτων γιγνομένη καὶ ὀνομάτων ὄντως τε καὶ ἀληϑῶς γίγνεσϑαι λόγος ψευδὴς 263 D 1--4. Vgl. dazu jetzt R. S. BLuck a. a. O. 184 ff. 2 Siehe

H. MAIER,

Syllogistik

II 2, 41, 3.

3 Mit Scharfsinn und unter Berücksichtigung der neueren Literatur seit CoRNFORDs (Theory of Knowledge 300 ff.) problematischer Interpretation behandelt von R. S. Bruck, False Statement in the Sophist, The Journal of Hel-

lenic Studies

77, 1957,

181-186.

Siehe

auch

die Studie

von J. XENAKIS,

Plato

on

Statement and Truth-Value, Mind 66, 1957, 165-172, die sich auch gegen CornFORD wendet. DEns., Plato's Sophist: A Defense of Negative Expressions and a Doctrine of Sense and of Truth, Phronesis 4, 1959, 29-43. Als die wichtigsten Forschungsstationen auf dem Weg von ÜCORNFORD zu BLUCK sind zu nennen: R. RoBiNsow, Plato's Consciousness of Fallacy, Mind 51, 1942, 92-114. R. HaAckFORTH, False Statement in Plato's Sophist, The Classical Quarterly 39, 1945, 56—58.

R. RoBiNsoN,

Forms and Error in Plato's Theaetetus, The Philosophical

Review

59, 1950, 3-30. J. L. AckRILL, ZYMIIAOKH EIAX2N, Bulletin of the Institute of Classical Studies of the University of London 2, 1955, 31-35. Siehe jetzt auch

Die

Intentionalität

des

Urteils

85

an der zitierten Stelle 259 E, wo die gegenseitige Beziehung der Ideen untereinander als die Bedingung der Möglichkeit jedweder Prädikation genannt wird. Also gilt diese Bedingung auch in bezug auf Urteile, deren Subjekt ein Individualbegriff ist. Das ist aber nur möglich, wenn

für das

Individuum

etwas

prädiziert

wird,

in irgendeiner

Weise ein Allgemeines in Anspruch genommen werden kann, das die Bedingung, Einheit einer Vielheit, mithin Idee zu sein, erfüllt. Und wo immer über Einzelnes wahrheitsgemäß geurteilt wird, müssen für

das

dialektische

Bewußtsein

das

Vorhandensein

von

Ideen

und

ihre

besondere

Be-

gegenseitige Beziehung nachweisbar sein. Das schließt nicht aus, daß es auch immanent sinnvolle Verbindungen von Begriffen gibt, denen keine objektive Realität entspricht, — was bei den meisten falschen Urteilen oder Aussagen der Fall ist, zum Beispiel eben auch bei der Aussage:

„Theätet

fliegt‘,

womit

es allerdings

seine

wandtnis hat. Denn dialektisch gründet die Falschheit dieser Aussage

für Platon

nicht in dem

momentanen

Umstand,

daß

Theätet

gerade

sitzt, sondern darin, daß das Gattungsallgemeine *Mensch? mit dem Gattungsallgemeinen ‘Fliegen’ ontologisch unvereinbar ist. Die Gegenüberstellung von Sitzen und Fliegen in den beiden Beispielsätzen zeigt an, daß es Platon gerade darum geht, das Moment des wesensmäßig Möglichen und Unmöglichen herauszustellen. Der Gedanke an ein Fliegen vermöge irgendwelcher Flugmaschinen ist dabei überhaupt nicht akut. Um diese mittelbare Möglichkeit des Menschen geht es hier gar nicht. Worum es geht, hat Stenzel (Studien 89) treffend formuliert: „Man muß an die viel bespöttelte Definition des Menschen als eines ungeflügelten, zu Lande lebenden usw. Wesens denken, um an diesem freilich sehr groben Beispiel zu sehen, wie φάσις und ἀπόφασις, also die Beziehung auf ὄν und μὴ dv, gemeint ist. Ob Existentialurteil oder Tätigkeit’, das sind Fragen, die mit der Sache nichts zu tun haben: es

handelt sich nur um die Verknüpfbarkeit der γένη Mensch und Flügelwesen. Die analytische Auffaltung der im Wesensbegriff liegenden Prädikate in ‘Urteilen’ ist für Platon ein sekundärer Prozeß.“ Falsch ist hier allerdings die Unterschätzung der Bedeutung, die die Ideenkommunikation fürdie Prädikation im einzelnen hat, dasheißtinjenem Prozeß,

den den

Stenzel

Aufsatz

gemäß

von

seiner

(sesamttendenz

J. M. E. Mon»^vcsik,

£SYMIIAOKH

als sekundär EIALIN

and

bezeichnet.!

the

Genesis

of

AOTOZ, Archiv f. Gesch. d. Philosophie 42, 1960, 117-129. ! Das ist angesichts der gerade auch von STENZEL mit Nachdruck betonten ontologischen Grundlage der Aussage bei Platon nicht konsequent gedacht. STENZEL

86

Die

Platonische

Urteilslehre

Von hier aus ist nun auch einsichtig, weshalb sowohl der Satz “Der Mensch lernt? als auch der Satz “Theätet sitzt’ dialektisch richtig ist: eben deshalb, weil sich der Urteilende jeweils an die richtige Seite der latent zugrunde liegenden Diairesis hált.! Hier wird nun aber noch

ein

gerät

hier,

Weiteres

deutlich,

nämlich

daß

die

dialektisch

richtige

Verbindung von Begriffen keine Gewähr dafür bietet, daß das so entstandene Urteil auch immer und überall wahr ist. Nur die Umkehrung dieser Aussage hat Anspruch auf allgemeine Gültigkeit: jedes wahre Urteil beruht dialektisch auf einer ontologisch aufweisbaren Ideenkommunikation. wie

so

oft,

wenn

er

seinen

Anschauungsbegriff

outriert,

in

einen

Widerspruch zu eigenen Voraussetzungen. Über die ontologische Grundlage der Aussage vgl. besonders STENZELs Ausführungen in seiner Abhandlung ,,Metaphysik des Altertums*, Handbuch der Philosophie, Abt. I, 1931, 144: ,,Platon spricht hier (Sophistes) von Prädikation; er entwickelt eine Theorie des sprachlichen Satzes (261 d ff.), aus der Verknüpfung von Namensbezeichnungen (ὀνόματα) (vgl. Studien 88 ff.). Das darf aber nicht darüber täuschen, daß er immer die ontologische Grundlage im Sinne hat, auf die hin Aussagen geschehen.‘ ! An dieser Stelle zeigt es sich, wie verfehlt die APELTsche Interpretation von ὄνομα und ῥῆ,μα ist. Er denaturiert die Platonische Dialektik, wenn er sagt (Platonische Aufsätze 258, 1): „Die Urteile ohne ausdrückliches ‘Ist’ scheinen in Platons Augen nicht den vollen Rang zu haben, sondern, in allerdings nur dunkler Voraussetzung, bloß als Urteile zweiten Grades zu gelten, indem nicht bloß ihr Subjekt, sondern auch ihr Prädikat der Sinnenwelt angehört. Ich meine dabei Urteile, wie das weiterhin im Sophistes so wichtige Θεαίτητος κάϑηται, Θεαίτητος πέτεται, in denen das Prädikat ein Verbum bildet; in ihnen scheint keine Beziehung auf das Sein an sich, auf die Idee stattzufinden: 1m Prädikat steht kein γένος oder εἶδος im eigentlichen Sinn und das bedeutsame ἐστι fehlt.““ Damit entzieht APELT Platon nicht nur praktisch, sondern auch theoretisch den Boden seiner gesamten Prädikationslehre. Gegen die Auskunft APELTS wendet sich schon MAIER II 2, 40, 1 mit guten Gründen. Den Beweis für die Wahrheit dieser Aussage, nämlich daß er Platon

den

Boden

seiner Prádikationslehre

entzieht, liefert APELT

selber, wenn

er

angesichts der beiden Sätze “Theätet sitzt’ und “Theätet fliegt’ sagt (a. a. O. 272): „Was entscheidet nun hier über Wahrheit oder Falschheit der Aussage? Nicht Dialektik, wie bei jenen Vergleichungsformeln, sondern die Anschauung, d.h. die

unmittelbare

Erkenntnis.

Diese

lehrt

sofort,

daß

das

eine

von

beiden

wahr,

das

„Es

tritt

andere falsch ist, sie lehrt sofort, welches von beiden der Wirklichkeit (welcher?) entspricht...

Also

Verweisung

an

die

Anschauung.“

Dazu

die

Anm.:

hier der Unterschied von ἐπιστήμη und δόξα in einer eigenartigen Weise hervor. Jene dialektischen Operationen sind für Platon eine Sache der ἐπιστήμη, wie das διαλέγεσϑαι im spezifischen Sinn überhaupt. Die ἐπιστήμη aber kennt keinen Irrtum. Hier hat also der Unterschied von ἀληϑές und ψεῦδος überhaupt keinen Platz. Anders bei den Erfahrungsurteilen: sie sind Sache der δόξα und hier tritt. der Irrtum

in sein Recht

ein.“ APELT

beachtet hier nicht den

zwischen der rein dialektischen Findung und der Zuweisung von Gegenständen der ist in den beiden Urteilen über Theätet Platon letztlich überhaupt erst wahr oder

Unterschied,

der besteht

der Beziehungsverhältnisse der Ideen Erfahrung an die Ideen. Das letztere der Fall. Nur dadurch können sie für falsch sein. Die *Verweisung?, von der

87

3. Die Psychologie des Urteils

Wenden wir uns jetzt dem dritten Teil der Sophistesstelle zu. Er beginnt 263 D 6. In ihm findet die genetische Erklärung des Urteils statt, und zwar durch eben jene Inbeziehungsetzung des Sprachlichen mit dem Gedanklichen, die wir schon von früheren Stellen her kennen,

die aber jetzt noch bestimmter in der Formulierung, ausführlicher und mit neuen Akzenten geschieht. Dabei gilt dasselbe, was sich bei der Inbeziehungsetzung des Logischen und des Ontischen zeigte, daß nämlich nicht nur zwei Bereiche in ein erklärtes Verhältnis gebracht werden, sondern zugleich eine bewußte Scheidung und Distanzierung dieser Bereiche vorgenommen wird. Als die innerseelischen Funktionen werden

zunächst

genannt

διάνοια,

δόξα, φαντασία,

die auch

der Alter-

native wahr-falsch unterstehen: τί δὲ δή; διάνωιά τε καὶ δόξα καὶ φαντασία, μῶν οὐκ ἤδη δήλον ὅτι ταῦτά γε ψευδῇ τε xal ἀληϑῆ πάνϑ᾽ ἡμῶν ἐν ταῖς ψυχαῖς ἐγγίγνεται; 263 D 6-8. Es folgt nun auf die Frage des Mitunterredners des Dialoges eine Bestimmung dieser Funktionen (αὐτὰ τί ποτ᾽ ἔστιν nal τί διαφέρουσιν ἕκαστα ἀλλήλων 263 D 10 f.). Dabei wird die διάνοια, wie schon im Theaetet, als das Gespräch der Seele mit sich selbst, diesmal mit dem Ausdruck διάληγος (auch 264 A 9), definiert, wodurch der λόγος wieder als die Sprachform der διάνοια bestimmt ist : οὔχουν διάνοια μὲν γαὶ λώγως ταὐτών, πλὴν ὦ μὲν ἐντὸς τῆς ψυχῆς πρὸς αὐτὴν διάλωγος ἄνευ φωνῆς γιγνόμενος τοῦτ᾽ αὐτὸ ἡμῖν ἐπωνομάσϑη διάνοια 263 E 3-5.! Darauf folgt die ebenfalls schon aus dem Theaetet bekannte konkret sinnliche Veranschaulichung dieser Auslegung mit den Worten: τὸ δέ γ᾽ ἀπ᾽ ἐχείνης ῥεῦμα διὰ τοῦ στόματος ἰὸν μετὰ φϑόγγωυ χέκληται APELT spricht, die *'Verweisung an die Anschauung’, ist, ideendialektisch gesehen, ganz sekundär. Wäre sie von primärer oder ausschließlicher Bedeutung bei der Wahrheitssicherung bestimmter Aussagen, dann wäre die ganze Ideendialektik überflüssig. Sehr richtig beinerkt H. Maıer II 2, 15 Anm. 2: „Die Prádikate Auonσος, ἀφιωιόσηφως u.8.f. erhält Antisthenes in Soph. 251 B f. 259 D darum, weil er keine Einsicht in die Möglichkeit der 251,047 εἰδών und der darauf beruhenden Begriffsverbindung im Methode nicht kennt.“

Urteil bat, zuletzt aber Vgl. J. 9TENZEL, Artikel

darum, Logik’

weil er die dialektische RE XIII 1926, 1011.

! Die Annahme von ÜPHUES a. a. O. 71 f., daB es an der Sophistesstelle gegenüber der Theaetetstelle zu einer Verschiebung in den Bezichungsverháltnissen von 3575 — λόγος und διάνονα — ),rtoc kommt, hält einer Nachprüfung nicht stand. Diese Annahme ist eine Folge der Verwirrung, die entsteht, wenn man die weitere Bedeutung von λόγος = Gespräch, Unterredung und die engere Bedeutung von λόγος = Satz, Aussage, Urteil nicht an jeder einzelnen Stelle genau unterscheidet. Richtig CORNFORD a. a. O. 318,1.

88

Die

Platonische

Urteilslehre

λόγος 263 E 7 f. Und wie im Theaetet die qualitative Beschaffenheit des λόγος Erwähnung fand (φάσκουσα καὶ οὐ φάσκουσα [sc. ψυχή Tht. 190 A 1]), so auch hier in der Unterscheidung von φάσις und ἀπόφασις (263 E 12). Ihnen entspricht ἐν ψυχῇ κατὰ διάνοιαν die δόξα (264 Al). Das Verhältnis von διάνοια und δόξα wird nun ganz ausschließlich und eindeutig dahingehend interpretiert, daß die δόξα als das Ergebnis des Nachdenkens, als διανοίας ἀποτελεύτησις bestimmt wird. Das zeigt unmißverständlich,

daß

die

διάνοια hier nicht

“der Gedanke’,

“der Ver-

stand’, ‘die Vernunft? in einem wie auch immer gearteten statischen Sinne ist, sondern sie ist das aktuelle

seiner

Sache

gewiß

ist

oder

zu

sein

Nachdenken,

glaubt

(xai

das erst, wenn

μὴ

διστάζῃ

es

Tht.

190 A 3), bei demselben als demselben bleibt und damit bei demselben

Urteil (τὸ αὐτὸ φῇ Tht. 190 A 3), das heift aber zu einer δόξα gekommen ist, die dann gemäß ihrem affirmativen oder negativen Charakter als φάσις oder ἀπόφασις im λόγος ihren sprachlichen Ausdruck findet, zur ‘Aussprache’ kommt. Die in dieser Weise bestimmte enge Beziehung zwischen διάνοια und δόξα bestand nicht immer. In Platons

Erkenntnislehre bis zur Politeia entspricht der scharfen ontologischen Differenz zwischen dem Bereich der γένεσις und dem Bereich der οὐσία genau

die

ebenso

scharfe

erkenntnistheoretische

Differenz

von

δόξα

und διάνοια oder, um die expliziten erkenntnistheoretischen Unterscheidungen des Liniengleichnisses am Ende des 6. Buches der Politeia heranzuziehen, der νόησις und διάνοια einerseits stehen andererseits πίστις und exacta, deren umfassender Begriff die δόξα ist, gegenüber (vgl. dazu ἢ. Z533 E, 7 — 534 A 8). νόησις ist hier wie allenthalben bei Platon, wenn es um die engere, eigentliche Bedeutung dieses Begriffes geht, die Ideenerkenntnis,

das Ideendenken,

die unmittelbare,

sich im ἐξαίφνης

vollziehende geistige Anschauung, die Einsicht, διάνοια speziell das mathematische Denken und generell jenes Denken überhaupt, das sich in Urteilen vollzieht, das Nachdenken

oder diskursive Denken, das als

das eigentliche Organon der Dialektik die in der reinen, das heißt von aller sinnlichen Erfahrung freien geistigen Anschauung der νόησις gegebenen εἴδη nachdenkend verbindet und trennt, das heißt urteilt und so von den ὑποϑέσεις aufsteigt *bis zum Voraussetzungslosen, zum Anfang des Alls? (μέχρι τοῦ ἀνυποϑέτου ἐπὶ τὴν τοῦ παντὸς ἀρχήν R. 511 B 7) und dann sich wieder abwärts bewegt und so alle Ideen mit der ἰδέα τοῦ ἀγαϑοῦ verbindet und in ihr begründet, und zwar vollzieht es diese χάϑοδος “ohne den geringsten Gebrauch von sinnlich Wahrgenommenem,

vielmehr nur mit Hilfe der Ideen selbst durch

Ideen zu Ideen

Die

Psychologie

des

Urteils

89

und endet bei Ideen? (οὕτως ἐπὶ τελευτὴν καταβαίνῃ. αἰσθητῷ παντάπασιν οὐδενὶ προσχρώμενος, ἀλλ᾽ εἴδεσιν αὐτοῖς OU αὐτῶν εἰς αὐτά, καὶ τελευτᾷ εἰς εἴδη 511 B 8 — C 2). In dieser dialektischen Bewegung vollzieht sich die διάνοια, deren Form der λόγος ist,! in dem Bereich der reinen εἴδη. In diesem oberen Bereich der νοητά hat die διάνοια gegenüber der νόησις nur dienende Funktion, im Bereich der σχήματα, der mathematischen Gegenstände dagegen ist die διάνοια der νόησις übergeordnet, da es hier primár nicht um die Erkenntnis des Wesens, sondern um die Erkenntnis von Beziehungen geht. Das Entscheidende ist, daß der Begriff der ἐπιστήμη hier beschránkt bleibt auf den Bereich der εἴδη und die durch diese mit konstituierten ὑποθέσεις. Von den Gegenständen sinnlicher Erfahrung als solcher gibt es keine ἐπιστήμη. sondern nur δόξα. Hier fehlt noch jede, von der spáteren Platonischen Dialektik so leidenschaftlich angestrebte, weil durch die Entwicklung der Einzelwissenschaften so dringend geforderte Vermittlung. Die auf diesem Degriff der ἐπιστήμη basierende Erkenntnislehre mufite in einem Augenblick problematisch werden, wo es darum ging, angesichts der selbstbewußt sich entwickelnden Naturwissenschaften von der Ideenlehre her eine theoretische Begründung der Móglichkeit des Wissens von Gegenstánden sinnlicher Erfahrung überhaupt zu geben, also von ὁρατά und δοξαστά (im Sinne des Liniengleichnisses), das heißt aber von κινητά. Das war der springende Punkt.

Wir wissen, daß diese Untersuchung im Theaetet beginnt und

Platon bis zuletzt beschäftigt hat. Man denke an die Problematik des Timaios und an das 10. Buch der Nomoi. Daß die αἴσϑησις für sich nicht ἐπιστήμη ist, ist das erste Ergebnis dieser Untersuchung im Theaetet. Damit ist das nächste Thema schon von selbst gestellt: die Beziehung von δόξα und ἐπιστήμη. Die wechselvolle Beantwortung dieser Frage führt im Laufe des Dialoges an entscheidenden Stellen zu einer Gleichsetzung von λόγος und δόξα, und das heißt, wie sich aus den Voraussetzungen versteht, zu der Gleichung von διάνοια und δόξα. Das bedeutet, daß die δόξα beziehungsweise das δοξάζειν nun auch Erkenntnisakte bezeichnet, die vordem durch die διάνοια und verwandte Ausdrücke bezeichnet wurden, nämlich jene Erkenntnisakte,

die sich in der Distanzierung von der Sinnlichkeit vollziehen. Das ist Theaetet 187 A 8 der Fall, wo die Funktion der Seele, ὅταν αὐτὴ xad” αὑτὴν πραγματεύηται περὶ τὰ ὄντα, schon mit einer gewissen Selbstver-

! Zu beachten ist, daß in diesem Abschnitt (511 B 3 — C 2) λόγος auch grammatisch das Subjekt ist.

90

Die

Platonische

Urteilslehre

ständlichkeit δοξάζειν genannt wird, wobei mit περὶ τὰ ὄντα auf eben jenen Bereich Bezug genommen wird, zu dem die ἀναλογίσματα πρὸς οὐσίαν 186 ( 2 und der συλλογισμὸς περὶ τῶν παϑημάτων 186 D 3 hinführen. Durch das Zusammenrücken der Bedeutungsfelder ehemals scharf voneinander abgegrenzter Termini allein war aber das entscheidende Problem der begrifflichen Bewältigung des in der sinnlichen Erfahrung Gegebenen noch nicht gelöst. Die grundsätzliche erkenntnistheoretische Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer Verbindung des allgemeinen Ideenwissens mit der Apperzeption des Besonderen harrte noch der systematischen Abklärung. Den dabei postulierten neuen, die ὁρατά und δοξαστά erfassenden Begriff der ἐπιστήμη konstituiert die diairetische Dialektik, deren spezifische Leistung für Platon darin besteht, aus den allgemeinsten apriorischen Gegebenheiten das ἄτομον εἶδος abzuleiten und es mit den durch die αἴσϑησις gegebenen und von der δόξα reproduzierten Inhalten zur Deckung zu bringen und so den Gegenstand in seinem Gegenstandsein für den Menschen allererst zu begründen. Das Ansichsein des Gegenstandes als solchem bleibt dabei immer vorausgesetzt. Das entspricht nicht nur der Platonischen, sondern der gesamten antiken Metaphysik. Die begriffliche Bestimmung des Endgliedes einer διαίρεσις, die Definition des ἄτομον εἶδος, impliziert die ganze Reihe der von der Einteilung durchlaufenen und dem letzten εἶδος voraufgegangenen εἴδη. Das erklärt die ontologische und logische Möglichkeit der Vielheit einer Einheit, daß Eines Vieles, ἕν πολλά sein kann. Das ἄτομον εἶδος als das ἕν impliziert ontologisch auf Grund der συμπλοκὴ τῶν εἰδῶν die πολλὰ εἴδη. die logisch von dem ἕν als dessen Prädikate ausgesagt werden können und in dessen Definition insgesamt implizit enthalten sind und

es so unverwechselbar

zu allem Anderen ist. wir

als das bestimmen,

was es im Unterschied

Die erkenntnistheoretische Position des Antisthenes war damit, wie gesehen haben, abgewiesen. Sie beruhte logisch auf der Ver-

kennung der Funktion der Kopula, die als signum identitatis genommen wurde, als Ausdruck absoluter Gleichheit von Subjekt und Prädikat,

anstatt — was

Platon

mit der Lehre von

der χοινωνία εἰδῶν

möglich machte - die Kopula als Ausdruck dessen zu verstehen, daß das Sein seinem Wesen nach Verbindung, Gemeinschaft ist und

sie das Ordnungsgefüge dieser Gemeinschaft in der Weise ausdrückt, daß sie das Subjekt des Urteils in den Umfang des Prädikatsbegriffes

Die

stellt,

wodurch

zugleich

Psychologie

des

erklärt

daß

ist,

Urteils

ein

Subjekt

91

viele

und

für

sich verschiedene Bestimmungen haben kann. Das war die logische Leistung des Platonischen sióoc-Begriffs, wodurch die bloße συμπλοκὴ ὀνομάτων zur συμπλοκὴ εἰδῶν und damit zur eigentlichen Begriffsbestimmung wurde, also zu dem, was der οἰκεῖος λόγος des Antisthenes gerade nicht war und auch gar nicht leisten konnte. Daß von diesem Problemzusammenhang aus auch Licht auf die ontologische Problematık des Parmenides und seiner Schule fällt, ıst von der Sache selbst

her verständlich und zeigt auch die Diskussion der Parmenideischen Position im Sophistes und Philebos. Es ist nun noch zu fragen, welche Funktion die αἴσϑησις im diairetischen Verfahren und bei der Urteilsbildung überhaupt hat. An unserer Sophistesstelle erscheint sie zusammen mit διάνοια, λόγος und δόξα in einer Reihe. Dabei wird das πάϑος — das ist hier φάσις und ἀπόφασις (263 E 12) -, das ἐν ψυχῇ κατὰ διάνοιαν, das heißt ohne Vermittlung der αἴσϑησις stattfindet, δόξα genannt; das πάϑος (φάσις und ἀπόφασις). das die Seele δι᾽ αἰσθήσεως hat, wird als φαντασία bezeichnet (264 A 1-6), die näherhin als eine Vereinigung der Wahrnehmung und des Urteils bestimmt wird, als σύμμειξις αἰσθήσεως καὶ δόξης (264 B 2).? Es ist hier mit aller Entschiedenheit festzustellen, daß das Faktum, daß die δόξα ! Vgl. hierzu die Unterscheidung von κατάφασις und ἀπόφασις 1m 69. Kapitel der im Codex Marcianus 257 überlieferten Diairesen (MUTSCHMANN 66), wo, entsprechend dem Θεαίτητος κάθηται im Sophistes, als Beispiel ἄνϑρωπος κάϑηται fungiert. Den von HAMBRUCH (6, 1) gehegten Verdacht, daß möglicherweise — wegen der lockeren Verknüpfung mit dem Früheren durch die Übergangsfloskel μετὰ ταῦτα σχεπτέον — dieses Kapitel ursprünglich nicht dazu gehört hat, halte ich für übertrieben. Wo kämen wir mit einem solchen Kriterium bei Aristoteles hin? ? Vgl. dazu APELT, Platonische Aufsätze 246 u. Anm. 1, dessen Interpretation der Stelle aber darunter leidet, daß noch nicht scharf genug unterschieden wird: φαντασία ist eine durch Wahrnehmung erzeugte Vorstellung oder Meinung“, wobei die Wahrnehmung außerdem noch von APELT als innere Wahrnehmung verstanden wird. Hier geht also, wie man sieht, einiges durcheinander. Die einzige vernünftige Erklärung dieser Stelle habe ich nachträglich bei NATORP a. a. O. 312 gefunden: ,, Von der Aussage nàmlich, dem Logos, wird der Übergang gemacht zunächst zum Urteil, δόξα, welches ganz nach dem Theaetet (189 f.) erklärt wird: Denken (διάνοια) ist ein innerer, lautloser Dialog in der Seele, und dessen Abschluß (ἀποτελεύτησις) in einer Bejahung oder Verneinung heißt δόξα (264 A); was hier wie Theaetet 187 A nur durch ‘Urteil’ wiedergegeben werden kann. Erscheinung aber (φαντασία, φαίνεται ὃ λέγομεν, 264 AB) heißt dasselbe seelische Erlebnis (das Urteil), wenn es nicht von selbst aus dem eigenen seelischen Zusammenhang aufsteigt, sondern durch Vermittlung einer Wahrnehmung sich einstellt. Somit ist das Erscheinen allerdings ein Urteilsakt, der aber sich einstellt, vermittelt oder veranlaßt durch eine Wahrnehmung. Es ist ein Urteil über das Wahrgenommene, nämlich daß es sich mir jetzt so und nicht anders darstellt.*'

92

Die

Platonische

Urteilslehre

als διανοίας ἀποτελεύτησις bezeichnet und in φάσις und ἀπόφασις geteilt

wird, es schlechthin ausschließt, daß anschauliche Vorstellung ist, sondern

δόξα hier die gegenständlichδόξα ist hier das Urteil, und

φάσις und ἀπόφασις sind die Grundformen der Prädikation schlechthin.!

φάσις und ἀπόφασις bezeichnen hier die Qualität des Urteils und nicht

etwa

das bloße Ja und

stellt und

Nein

selbst beantwortet,

nicht einzusehen, weshalb

auf die Fragen,

wie Apelt und

die die Seele sich selbst

Stenzel meinen.

die Seele sich immer

Es ist

nur mit Ja oder

Nein

ihre Fragen beantworten soll. Außerdem findet diese Interpretation textlich keine Stütze. Die Stelle Theaetet 190 A 1: αὐτὴ (sc. ψυχὴ) ἑαυτὴν ἐρωτῶσα καὶ ἀποκρινομένη. καὶ φάσκουσα xL οὐ φάσκουσα, ist ganz in unserem

Sinne aufzufassen, da eine Zeile vorher die so beschaffene

Tätigkeit der Seele als διανοεῖσθαι bezeichnet wird. Und auch das Folgende (190 A 2-6) bestätigt diese Interpretation. Daß auf der Stufe der diairetischen Dialektik δοξάζειν synonym mit διανοεῖσθαι gebraucht werden kann, und zwar nun nicht mehr theoretisch unbegründet,

wie im Theaetet,

sondern

systematisch

aus-

gewiesen, hat seinen Grund in dem neu konstituierten Wissensbegriff,

der auch das Einzelne mit umfaßt, freilich nur insofern, als es teilhat am Allgemeinen, das heißt an der bestimmten Idee, der es zugehört.

Daraus folgt, daß der αἴσϑησις bei der Bestimmung eine feste Stelle zukommt, insofern sie den Gegenstand der Erfahrung präsentiert, der unter ein εἶδος fällt, das in der διάνοια “in reinen Denksetzungen? (Stenzel 93) zur Ableitung kommt, deren Abschluß insofern eine δόξα ist, als von dem wahrgenommenen Einzelnen die Aussage gilt, es falle unter das in der διάνοια abgeleitete und in der δόξα als der διανοίας ἀποτελεύτησις eindeutig bestimmte εἶδος, mit anderen Worten: es sei dies.

Der

Grund

also,

das

Ergebnis

des

Nachdenkens,

die

διανοίας

ἀποτελεύτησις, δόξα zu nennen, ist die nachträgliche Anwendung oder die Möglichkeit der Anwendung dieses Ergebnisses auf Gegenstände sinnlicher Erfahrung, auf das in der Sinneswahrnehmung unmittelbar

Präsentierte. Deshalb kann auch das Nachdenken selbst, in dem die Seele nur bei sich ist, das heißt wenn die Inhalte des Nachdenkens ! Richtig Forschung

UPHUEs

a. a. O. 65 ff., der sich auch

auseinandersetzt.

S. 67:

„Nur

von

hier mit

dem

Begriff

der gesamten Aussage

oder

älteren Urteil

sind Bejahung und Verneinung die Spezifikationen, nicht von Meinung oder Vorstellung. Wir sprechen von bejahenden und verneinenden Aussagen oder Urteilen, aber nicht von bejahenden und verneinenden Meinungen, noch weniger von bejahenden und verneinenden Vorstellungen.‘ Richtig auch CoRNFORD a. a. O. 318.

Die

Psychologie

des

Urteils

93

nicht direkt oder überhaupt nicht durch die sinnliche Wahrnehmung vermittelt sind, δοξάζειν genannt werden. Dagegen nennt Platon dasjenige πάϑος τῆς ψυχῆς, das in der Verbindung der Wahrnehmung und des Urteils besteht, das Wahrnehmungsurteil, φαντασία. Sie liegt dann vor, wenn sich φάσις und ἀπόφασις der Seele nicht καϑ᾽ αὑτό (264 A 4),

sondern δι᾿ αἰσθήσεως einstellen. Damit ist die unmittelbare Sinneswahrnehmung gemeint, nicht die auf Grund des Erinnerungsvermögens reproduzierte Wahrnehmung, die innere Anschauung, die Vorstellung, über die die Seele ebenso xa$9" αὑτό verfügt wie über das apriorische,

rein noetische Wissen, das ihr die Ideenschau vermittelt hat. xoa9^ αὑτό

werden hier alle Urteile oder δόξαι, also alle φάσεις und ἀποφάσεις genannt, die χατὰ διάνοιαν. das heißt allein auf Grund

der verbindenden

und trennenden Tätigkeit des Denkens zustande kommen, im Unterschied von den δόξα! Ov αἰσϑήσεως, die das unmittelbar Wahrgenommene zum Gegenstand der Prádikation machen. Die Frage Stenzels (Studien 86 f.) anläßlich dieser Stelle: ,,Ist die δόξα Urteil oder Vorstellung?“ kann also nicht in seinem Sinne beantwortet werden, der — entsprechend der Grundtendenz seines ganzen, in vielen Stücken so überaus fruchtbaren Ansatzes — auch hier den Platonischen Denktypus der Anschauung für die δόξα retten will.! Aber es hat sich gezeigt, daß von derjenigen δόξα, die bei Platon die einheitliche und ganzheitliche Vorstellung bezeichnet, gar nicht die Rede ist, sondern daß δόξα hier ausschließlich den gedachten Satz, das Urteil, bezeichnet, also den inneren λόγος. Der Ausdruck λόγος selbst aber als solcher wird auf den Bereich der Mitteilung beschránkt und bezeichnet eine spezifische Form der Mündlichkeit, den gesprochenen Satz, und dient als solcher dann zur Erklärung der Struktur der δόξα beziehungsweise διάνοια. Daß es hier gar keinen Sinn gibt, δόξα als Vorstellung zu fassen, zeigt sich bei der Bestimmung der φαντασία als σύμμειξις αἰσϑήσεως καὶ δόξης. Eine Vereinigung von Wahrnehmung und Vorstellung ist nicht denkbar, da zwar aus einer Wahrnehmung eine Vorstellung hervorgehen, aber sich nicht eine Wahrnehmung mit einer Vorstellung zur Einheit eines Dritten verbinden kann. Denn die Wahrnehmung ist immer schon 1n den ! Zum Grundsätzlichen der STENZzELschen Position vgl. Κα. REIDEMEISTER, Mathematik und Logik bei Platon. Hamburger Mathematische Einzelschriften H. 35, 1942,

4 =

Das exakte

Denken

der Griechen.

Hamburg

1949, 48: ,, STENZELs

Platon ist... aus Enttäuschung an der Helle des Exakten entstanden. Er ähnelt einem systematischen Botaniker. Er ist ergriffener und verworrener, er liebt das Anschauliche und die Schau, soweit, daß er sogar an mathematisch leeren, neupythagoräischen Zahlen- und Figurenspielereien eine letzte Befriedigung findet.“

94

Die

Platonische

Urteilslehre

Inhalt der Vorstellung eingegangen. Das gibt also keinen Sinn. Und auch φαντασία ist nicht Vorstellung, denn sie hat prädikative Struktur. 516 ıst dasjenige Urteil, dessen Substrat ein unmittelbar Wahrgenommenes ist.! Das Beispiel einer reinen δόξα ist der Satz ἄνϑρωπος uavdaveı, der ein im Begriff ἄνθρωπος liegendes Prädikat in einem Urteil expliziert und deshalb richtig ist, weil er sich eben bei der Explikation des Begriffes ἄνθρωπος an die richtige Seite der διαίρεσις hält, also mit dem Prädikat μανϑάνει ein ὄν aufweist, das heißt eine Bestimmung, die mit dem λόγος

οὐσίας

des

Menschen

in Beziehung

steht.

In

diesem

Sinne

ist

auch der Satz Θεαίτητος κάθηται richtig, der aber — gemäß der aufgewiesenen Differenz — keine reine δόξα, sondern eine φαντασία ist, welche im Anblick des sitzenden Theátet zustande kommt. Der Satz Θεαίτητος πέτεται dagegen gehört in den Bereich der reinen δόξα, weil er nicht etwa auf den falschen Schein einer Sinnestäuschung zurückgeht, sondern allein auf der (willkürlich) falschen Verbindung zweier Begriffe im Urteil beruht. Daß die von uns an der Sophistesstelle zuletzt herausgearbeitete Verschiedenheit der Urteile die Platonische Lehrmeinung trifft, bestätigt der Philebos, der 38 B ff. eine ausführliche genetische Erklärung des Wahrnehmungsurteils gibt.” Daselbst heißt es zunächst 38 B 12 f.: „Entstehen uns nicht jedesmal aus Gedächtnis sowohl als auch aus Sinneswahrnehmung das Urteil und dasjenige, wodurch das Urteilen möglich wird ?** (οὐκοῦν ἐκ μνήμης τε καὶ αἰσϑήσεως δόξα ἡμῖν καὶ τὸ δι᾽ ὃ δοξάζειν ἐγχωρεῖ γίγνεθ᾽ ἑκάστοτε:).3 Es folgt nun Philebos 38 € 5 ff.

1 Wie wenig hier STENZEL die Zusammenhänge durchschaut hat, geben folgende Sätze zu erkennen (92): „Die oben geschilderte engste Zusammengehörigkeit von αἴσϑησις und εἴδωλον spricht sich in der φαντασία des Sophistes 264 A aus, die innerhalb der Digression lediglich dasselbe wie αἴσθησις zu sein scheint... Daraus geht hervor, daß Platon in der φαντασία eben unmittelbar die beiden Arten der Anschaulichkeit des Einzelnen, Wahrnehmung durch die Sinne und Phantasievorstellung (sic!), meint.‘ - Gegen die Platonische Bestimmung der φαντασία (vgl. auch Tht. 179 C3£.: αἱ αἰσϑήσεις καὶ αἱ κατὰ ταύτας δόξαι, Ti. 52 A 7: δόξῃ wer’ αἰσϑήησεως) polemisiert Aristoteles in De an. I' 3. 428 a 24 ff. Vgl. die Anmerkung dazu von Hicks in seinem Kommentar zu De anima, S. 465, der φαντασία bei Platon richtig versteht: φαντασία 1s with Plato a variety of δόξα, judgment.* Vgl. auch ConNroRD a. a. Ὁ. 319,1. ? Vgl. auch Theaetet 193 B ff. und 195 D. 195 D 1: ἣ σύναψις αἰσϑήσεως πρὸς διάνοιαν. 3 Ich schließe mich gegen STENZEL, Studien 77, der Lesung ArpeıTts, PhB 145, S. 145

Anm.

zweimal bei

58,

an,

dessen

Emendation

des

überlieferten,

aber

Jamblich (De mysteriis 4, 6 u. 8, 5) vorkommenden

sonst

nur

noch

διαδοξάζειν unter

Die

Psychologie

des

Urteils

95

die Beschreibung eines Wahrnehmungsvorganges, der zu einem richtigen beziehungsweise falschen Urteil führt, wobei an die Betrachtung von in der Ferne befindlichen Gegenständen gedacht ist, angesichts derer

sich die Frage erhebt, ,,was das eigentlich ist, das da als neben

dem Felsen unter einem Baum stehend erscheint“ (38 C 12 ff.) (τί ποτ᾽ ἄρ᾽ ἔστι τὸ παρὰ τὴν πέτραν τοῦθ᾽ ἑστάναι φανταζόμενον ὑπό τινι δένδρῳ :). Diese Frage richtet der Betrachter an sich selbst, wenn

sich ihm eine

Erscheinung dieser Art präsentiert: τοιαῦτ᾽ ἄττα κατιδὼν φαντασϑέντα αὑτῷ ποτε. Die richtige Antwort wird er sich geben, wenn er sagt, daß

es ein Mensch ist: ὁ τοιοῦτος ὡς ἀποχρινόμενος ἂν πρὸς αὑτὸν εἴποι τοῦτο.

ὡς ἔστιν ἄνθρωπος, ἐπιτυχῶς εἰπών. Eine perspektivische Täuschung

liegt dann

vor, wenn

er zu dem

Urteil kommt,

das Erblickte

sei ein

Werk von Hirten (ὡς ἔστι τινῶν ποιμένων ἔργον) und er es ein Bild nennt (ἄγαλμα). Das Verbum φαντάζεσθαι in diesem Zusammenhang kommentiert die φαντασία von Sophistes 264 A6 und das φαίνεται 264 B 1: es ist das In-die-Erscheinung-Ireten, das Sichtbarwerden der Gegenstände, das die Bedingung der Möglichkeit eines — wahren oder falschen — Wahrnehmungsurteils, einer φαντασία ist. Dieser innere λόγος des Beobachters wird zum

äußeren λόγος. wenn

er das Urteil seinem Begleiter mitteilt, 38 E 1—4: ,, Wenn jemand bei ihm ist, so wird er das, was er zu sich selbst sagte, in die Stimme einspannen

und es dem Ánwesenden

mitteilen, und so ist dann das, was

wir eben Urteil nannten, Aussage geworden“: κἂν μέν τίς γ᾽ τά τε πρὸς αὑτὸν ῥηϑέντα ἐντείνας εἰς φωνὴν πρὸς τὸν παρόντα ἂν πάλιν φϑέγξαιτο, καὶ λόγος δὴ γέγονεν οὕτως ὃ τότε δόξαν Anders als im Theaetet und Sophistes geht hier nicht die vom

αὐτῷ mag, αὐτὰ ταῦτ᾽ ἐκαλοῦμεν. Reflexion

äußeren λόγος zum inneren λόγος, zur δόξα, sondern in umgekehr-

ter Richtung. Aber ,,der λόγος als eine Funktion der δόξας“ (Stenzel 78) betrifft nur das psychologische Verständnis, die genetische Erklärung des λόγος. Daß umgekehrt die δόξα von dem gesprochenen λόγος her als innere Rede verstanden wird, zeigt, was die formale Struktur des Urteils betrifft, daß die δόξα eine Funktion des λόγος ist. Ist nun der Beobachter ohne Begleiter, so wird er seinen Weg fortsetzen, indem

er über die Sache weiter nachdenkt

und ihr manchmal

längere Zeit nachhängt: ἂν δ᾽ ἄρα μόνος ἢ. τοῦτο ταὐτὸν πρὸς αὑτὸν διαAufnahme des statt ἐγχειρεῖν von einigen Handschriften überlieferten ἐγχωρεῖν den einzig

möglichen

wird‘, das, (APELT).

was

Sinn

beim

gibt.

Dabei

Urteilen

in

ist „dasjenige,

eine

Beziehung

wodurch

das

gebracht

Urteilen

wird:

die

möglich

Begriffe

96

Die

Platonische

Urteilslehre

νοούμενος ἐνίοτε καὶ πλείω χρόνον ἔχων ἐν αὑτῷ πορεύεται, 38 E 6 f. Das Ergebnis solchen Nachdenkens, die διανοίας ἀποτελεύτησις, ist dann eine

reine δόξα, weil sie ἐν ψυχῇ κατὰ διάνοιαν ἐγγίγνηται μετὰ σιγῆς. Über die psychologischen Bedingungen des πρὸς αὑτὸν διανοεῖσϑαι belehrt das Folgende,

wo

die Seele mit einem

Buch

verglichen

wird,

38 E 12: δοκεῖ μοι τότε ἡμῶν ἡ ψυχὴ βιβλίῳ τινὶ προσεοικέναι. Als Schreiber dieses Buches fungieren “die mit den Sinneswahrnehmungen übereinstimmende Erinnerung und jene Vorgänge, die sich darauf beziehen’, 39 A 1-3: ἢ μνήμη ταῖς αἰσθήσεσι συμπίπτουσα εἰς ταὐτὸν κἀκεῖνα ἃ περὶ ταῦτ᾽ ἐστὶ τὰ παϑηματα φαίνονταί μοι σχεδὸν οἷον γράφειν ἡμῶν ἐν ταῖς ψυχαῖς τότε λόγους. Daß die παθήματα beziehungsweise das πάθημα, womit in dem folgenden Satz die einzelnen παθήματα zusammenfassend bezeichnet werden, aktiv vorgestellt werden, verliert sein Befremden, wenn man einmal der Frage nachgeht, was eigentlich mit den παϑήματα hier gemeint ist. Darüber gibt uns der Schluß des 6. Buches

der

Politeia

eine überraschend

bestimmte,

für das

Verstándnis

der Philebosstelle noch nicht ausgewertete Auskunft. Daselbst heißt es 911 D6— E 4:,, Nimm für die vier Abschnitte (sc. des Seins) diese vier Vorgänge (παϑήματα)ὴ an, die sich in der Seele vollziehen: Einsehen (νόησις) für den hóchsten, Nachdenken (διάνοια) für den zweiten Abschnitt; dem dritten aber weise das Fürwahrhalten (πίστις) und dem letzten das Vermuten (εἰκασία) zu. Ordne sie entsprechend, mit der Überzeugung, daß ihnen in dem Grade Klarheit (σαφύήνεια) eignet, wie ihre Gegenstände an der Klarheit teilhaben (ὥσπερ ἐφ᾽ οἷς ἐστιν ἀληςϑείας μετέχει).““ Daß Platon diese auf Erkenntnis gerichteten, gegeneinander abgestuften Vorgänge in der Seele παθήματα, Widerfahrnisse, nennt, läßt erkennen, wie sehr die Vorstellung der Rezeptivität bei der Erklärung der Tätigkeiten der Seele dominiert. Selbst die diskursive διάνοια gilt als πάϑημα, das primär von den ihm von der νόησις

vorgegebenen

Inhalten

her verstanden

wird,

wobei

die νόησις

ihrerseits als πάϑημα, als Betroffenwerden von den νοητά, vorgestellt wird. Damit ist — unter Berücksichtigung der Veránderung des Wissensbegriffs seit dem Theaetet — klar, was Philebos 39 A 2 und 4 unter

den παϑήματα zu verstehen ist: es sind die Eigentätigkeiten der Seele, die verschiedenen Erkenntnisakte, die alle von den Inhalten der μνήμη oder den in diese eingehenden αἰσϑύήσεις ausgehen und zu — wahren oder falschen — Ergebnissen führen, die in das Buch der Seele eingetragen werden,

falschen

also

zu

wahrem

oder

falschem

Urteil

und

zu wahren

oder

Reden in uns, 39 A 3-7: xai ὅταν μὲν ἀληθῆ γράφῃ τοῦτο τὸ

Die

Psychologie

des

Urteils

97

πάϑημα, δόξα TE ἀληϑὴς καὶ λόγοι ἀπ᾿ αὐτοῦ συμβαίνουσιν ἀληϑεῖς Ev ἡμῖν γιγνόμενοι: ψευδῇ δ᾽ ὅταν ὁ τοιοῦτος παρ᾽ ἡμῖν γραμματεὺς γράψῃ. τἀναντία τοῖς ἀληϑέσιν ἀπέβη. Das πάϑημα hier ist also nicht identisch mit dem πάϑος in Sophistes 264 A 5, da dieses eine Zuständlichkeit bezeichnet:

das fertige Urteil, die διανοίας ἀποτελεύτησις, jenes dagegen einen Vorgang, den Erkenntnisakt,

der erst zum

Urteil hinführt.!

Neben dem Schreiber (γραμματεύς) der δόξαι und λόγοι arbeitet noch ein Maler (ζωγράφος) in der Seele, der Bilder (εἰκόνες) jener δόξαι und λόγοι in die Seele einzeichnet (39 B 3 ff.), nämlich dann, wenn man das Substrat des Urteils und der Rede von der äußeren Sinnlichkeit abzieht und die Bilder des Gedachten und Gesagten in sich selbst sieht, 39 B 9 ff.: ὅταν an’ ὄψεως ἢ τινος ἄλλης αἰσθήσεως Ta τότε δοξαζόμενα καὶ λεγόμενα ἀπαγαγών τις τὰς τῶν δοξασϑέντων καὶ λεχϑέντων εἰκόνας ἐν αὑτῷ ὁρᾷ πως. Es ist die Übersetzung des in der Einheit des Urteils Gedachten in ein Bild von eben jenem Gedachten. Es stellt sich hier dem modernen Leser unwillkürlich eine Assoziation zu dem Kantischen Schematismus ein, jener „verborgenen Kunst in den Tiefen der menschlichen Seele“, und insofern die εἰκών dem einheitlichen Begriff

eines Urteils seine anschauliche Vorstellung, sein Bild gibt, ist sie auch mutatis mutandis eine Art von Schema, das entsprechend dem von ihm Abgebildeten wahr oder falsch ist (39 C 4 ff.). Es gibt also eixöve; und εἴδωλα. Abbilder, nicht nur der αἰσϑύήσεις, sondern auch der δόξαι und λόγοι, der Urteile. Damit sind dann auch die auf Zukünftiges sich beziehenden Vorstellungen der Furcht, Hoffnung und Lust erklärt (39 C 7 ff.), worauf es Platon im Zusammenhang des Philebos ankommt. Wir können hier die Untersuchungen der Platonischen Lehre vom Urteil abschließen. Das Fundament, auf dem Aristoteles weitergebaut hat, ist jetzt genügend freigelegt, um es hernach auch als solches er-

I STENZEL verkennt diesen Tatbestand, weil er das πάϑημα bzw. die παϑήματα nicht identifizieren kann. Infolgedessen geht auch seine Erklärung des aktiven Charakters derselben in die Irre (Studien 79 Anm. 1): „Daß das πάϑημα aktiv schreibt, ist durch den Zusammenhang, in dem die αἴσϑησις und μνήμη nun einmal ‘tätig’ vorgestellt werden, notwendig: außerdem darf gerade für die Kritik nie vergessen werden, in welche Schwierigkeiten ein Schriftsteller gerät, wenn er in der eigenen Sprache Termini schaffen muß, vielleicht sogar, dem Charakter des Kunstwerkes entsprechend, die eigene Schulsprache, über die er verfügt, zurücktreten

lassen

will;

da

kann

es ohne

mancherlei

Gezwungenes

kaum

abgehen,

das

sicher

für den Stil der Spätdialoge aus solchen Erwägungen heraus zu beurteilen ist.“ Ein einziger Blick auf den Schlufiteii des Liniengleichnisses macht diese umständliche Überlegung überflüssig. 7

Oehler, Die Lehre

98

Die

Platonische

Urteilslehre

kennen und die Aristotelische Weiterführung von der schon durch Platon erfolgten Grundlegung unterscheiden zu können. Die Untersuchungen haben bereits einen Einblick in das Selbstverständnis des Platonischen Denkens gestattet und gezeigt, daß die Denkstruktur in genauer Parallelität zur Sprachstruktur verstanden wird und deshalb auch die Aussage als gleichstrukturiertes Abbild des dahinterstehenden gedachten Urteils genommen werden kann, als “ein Mittel, den sonst unsinnlichen Gedanken selbst zu beobachten! (Steinthal I 144), was für den Zweck der logischen Analyse Platon zu der Ineinssetzung von Aussage und Urteil berechtigte." Die Platonische Urteilsanalyse beschränkt sich, wie wir gesehen haben, auf die einfachste Form des Satzes,

die

zweigliedrige

Aussage,

und

untersucht

deren

elementare

Gegebenheiten, um so mit einer theoretisch begründeten Urteilslehre die These von der Unmöglichkeit anderer als identischer Urteile abweisen und die logische Rechtmäßigkeit der Dialektik erweisen zu können. Diese Orientierung der Urteilsanalyse an bestimmten sprachlichen Gegebenheiten des Satzes, und zwar des Satzes, der entweder wahr oder falsch ist, ist für die Geschichte der traditionellen Logik von grundlegender Bedeutung geworden, “because neither Aristotle nor traditional logic ever had the idea of replacing Plato’s little experiment by another foundation? (Kapp 58). Berücksichtigt man angesichts dieses Tatbestandes den sprachtheoretischen Sachverhalt, daß nämlich diese Grundlegung der Logik des Urteils auf dem Boden der griechischen Sprache stattgefunden hat und überhaupt nur auf Grund der syntaktischen Struktur des indogermanischen Sprachtypus móglich war, so drängt sich unter anderem die schwerwiegende philosophiegeschichtliche und geschichtsphilosophische Konsequenz auf, daß nicht nur die Geschichte der traditionellen Logik, sondern die Geschichte des

europäischen Denkens schlechthin die Geschichte der Auslegung der durch die griechisch-römische Syntax bestimmten Elementarform des Satzes ist. Damit

ıst ein aktuelles, vielleicht das fundamentalste

wis-

senschaftstheoretische Problem unserer Zeit berührt, das aufs engste mit der Frage nach der Allgemeingültigkeit der Logik in dem oben behandelten Sinne verbunden ist. Wir können auf dieses Problem im Rahmen unserer Untersuchung nicht náher eingehen. Aber die grund! KAPP, Greek Foundations 58: ,, According to Plato's treatment it 1s evident that the relevant facts can only be verified by means of spoken words and sentences...''

Die

Psychologie

des

Urteils

99

sätzliche Bedeutung des Problems verlangt, daß es gerade in dem Rahmen unserer Untersuchung wenigstens aufgezeigt wird. So liegt also der Logik nicht nur eine bestimmte Ontologie, sondern auch eine bestimmte Syntax zugrunde.” Das widerspricht nicht dem früher ausgeführten

Tatbestand,

daß

die

voa

Platon

vorgenommene

Ana-

lyse des Satzes nicht als grammatische, sondern als logische Analyse durchgeführt ist. ‘Platon ist Dialektiker: ὄνομα, ῥῆμα, λόγος sind dialektische Begriffe, in das Reich der διάνοια gehörig, mit Hülfe der Sprache aufgefunden, aber nicht grammatischer Natur? (Steinthal I 144). An dieser Erkenntnis ist festzuhalten. Daß aber Platon die Urteilsanalyse an dem fertigen Satz vorgenommen hat und dieses statische Gebilde betont von dem es hervorbringenden Denkprozeß abgehoben hat, das heißt die logischen Bestimmungen des Urteils nicht am Denkakt, sondern an dem Resultat desselben, und zwar in seiner sprachlichen Form, aufgezeigt hat, eben diesem

Uznstand

ist es zu

verdanken,

daß

die

Platonische

Urteils-

analyse als solche psychologiefrei und ein Stück reiner Logik ist. Die von Platon gemachten Voraussetzungen, daf) das im gesprochenen Satz Ausgedrückte seine Entsprechung im Denken, als Gedanke, hat und daß dem Sprechen das Denken, dem Gesprochenen das Gedachte, dem Urteil, als Ergebnis des Nachdenkens, das Urteilen vorausgeht, diese Voraussetzungen ándern an dem rein logischen Charakter der Platonischen Analyse selbst gar nichts. Denn logische Analyse des Urteils und genetische Erklárung des Urteils sind zwei mógliche Betrachtungsweisen in bezug auf dieselbe Sache. Bei dem einen Aspekt wird der andere nur abgeblendet. Eben das geschieht bei Platon, im Sophistes äußerlich verdeutlicht durch das betonte Nacheinander der logischen und der genetischen Bestimmungen, und dasselbe geschieht auch

bei Aristoteles,

wenn

dieser die

Untersuchung

der Genesis

des

Urteils und seiner Elemente in die Psychologie verweist. Aber es geschieht, ohne daß in sachungemäßer Willkür behauptet wird, der Gegenstand der Logik des Urteils sei völlig unabhängig von dem Gegenstand der Psychologie, was nur, wie wir gerade von Aristoteles lernen können, als Arbeitshypothese methodisch gelten kann, indem man den feststehenden Inhalt von den zeitlichen Akten trennt und ! Vgl. zur Sache E. CAsSIRER, Philosophie der Symbolischen Formen I Kap. V: Die Sprache als Ausdruck der logischen Beziehungsformen, 280-300. Ferner H. ScHorz, Logik, Grammatik, Metaphysik, Archiv für Philosophie 1, 1947, 39-80. Ὁ

100

Die

Platonische

Urteilslehre

unter methodisch notwendiger Aufhebung dieses gegebenen Zusammenhanges, der die Einheit des wirklichen Denkens ausmacht, das eine der Logik und das andere der Psychologie zuweist, um nicht in den

Fehler

sage

mir:

zu

verfallen,

das

Denken

mit

dem

Gedachten

zu

ver-

wechseln. Für Platon ist also, in genetischer Perspektive, das Urteil das Ergebnis des Urteilens, des Denkens, der Dialektik, und infolgedessen ist das in der Sprache sinnfällige Urteil die Kundgabe des unsinnlichen Seins der Ideen und ihrer Gemeinschaft, und zwar Kundgabe mit Hilfe des Namens, der als Klassenbezeichnung die Zugehörigkeit des einzelnen Dinges oder Sachverhaltes zu der bestimmten Idee, der der Name zukommt und von woher erst das Ding und der Sachverhalt, die ihr Sein von der zugehörigen Idee herleiten, ihren Namen erhalten, ausdrückt, in eben dem Sinne, wie es Parmenides in dem gleichnamigen Dialog formuliert (Prm. 130 E 4-131 A 2): „Dieses nun glaubst

du,

wie

du

sagst,

daß

es bestimmte

Wesenheiten

gibt, von denen alles andere infolge seiner Teilnahme an ihnen seine Benennung hat, wie zum Beispiel das, was an der Ähnlichkeit teilhat, dadurch ähnlich, was an der Größe teilhat, groß und was an der Schönheit und Gerechtigkeit teilhat, schön und gerecht wird? — σον, habe

Sokrates erwidert.‘“ (Vgl. Phaidon 102 B1ff.) Das Denken wird dadurch bestimmt als ein Denken in Wórtern oder vielmehr in Begriffen

mit

Namen,

die durch

ihre

Benennung

die Teilhabe

des

benannten

Dinges an der jeweiligen Idee beziehungsweise, was dasselbe bedeutet, den logischen Gehalt seines Begriffes bezeichnen. Es ist klar, daß bei dieser dialektischen Betrachtungsweise die Aussage nicht Gegenstand einer grammatischen Untersuchung ist, die den Satz für sich, rein als

sprachliches

Gebilde,

aber

εἰδῶν betrachten müßte.!

nicht

als

Darstellungsmittel

der

xoLywvta

! Vgl. STEINTHAL I 147: ,,Die Geschichte der Sprachwissenschaft, der Grammatik, würde streng genommen kaum Veranlassung haben, von Platons ὄνομα und ῥῆμα zu reden, da sie in die Geschichte der Logik gehóren.** Vgl. auch 141. Dazu J. STENZEL, RE-Artikel ‘Logik’, 1010 f.: ,, Eine weitere nach derselben Richtung weisende Schwierigkeit ist die scheinbar primitive Form, mit der im zweiten Teil des Sophistes das Urteil (λόγος) “allerdings zu sehr 1m Hinblick auf die grammatische Form des Satzes als Verknüpfung (πλέγμα 262 D) oder Zusammensetzung (cuv9etc E, σύνθεσις 263 D) von Nomen und Verbum? (NaATOonP Pl. Id. 293) erklärt wird. Die Lösung wird darin gesucht werden müssen, daß es Platon nicht auf

die

grammatische

Form

des

Urteils

ankam,

sondern,

wie

die

spáteren

Bei-

spiele lehren, auf die innere bedeutungsmäßige Gültigkeit; wichtiger ... ist ihm die Frage, warum von den grammatisch korrekten Urteilen “Theaitetos sitzt’,

Die

Psychologie

des

Urteils

101

Gerade das aber ist in der scheinbar rein sprachlichen Analyse des Satzes im Sophistes der Fall. Die Sprache ist für Platon nur das Spiegelbild, der lautliche Reflex des Denkens, und entsprechend ist das gesprochene Wort nur ein Lautzeichen, dessen ‘Richtigkeit’, das heißt dessen Beziehung zur Sache nicht von selbst, nicht von Natur gegeben ıst, sondern

auf einem

Übereingekommensein

beruht,

was

bei allem,

dem Gegenstand durchaus angemessenen Hin und Her der Argumentationen das endliche und eigentliche Ergebnis im Kratylos ist. Eine Bestätigung erfährt diese Auffassung durch den 7. Brief, wo 343A 9 — B 6 ὄνομα und ῥῆμα als im Grunde willkürliche Setzungen bezeichnet werden, denen die Festigkeit, das βέβαιον. fehle: „Auch der Name der Dinge, behaupten wir, ist ganz und gar nicht fest. Es hindert nichts, die jetzt ‘krumm’ genannten Dinge ‘gerade’ zu nennen und die *geraden’ ‘krumm’; sie werden deshalb nicht weniger gewiß sein, wenn man sie umstellt und umgekehrt benennt.‘ Diese Ansicht ändert freilich nichts an der Klassenfunktion

des

Namens,

die in der Dialektik

für Platon die entscheidende Leistung des Namens darstellt. Besonders sinnfállig wird — worauf Platon schon im Kratylos hinweist — diese klassenfunktionale Leistung des Namens bei den Lebewesen, wo es sofort als unsinnig und unmöglich erscheint, dem Sprößling desselben Geschlechtes einen anderen Namen zu geben als den des Erzeugerlebewesens, vorausgesetzt, daß der Sprößling nicht *widernatürlicherweise', sondern “nach der Natur’ ein Sprößling der Gattung ist (τοῦ γένους ἔκγονον τὴν φύσιν 393 C 1). Mit Recht weist Friedlánder (Platon II 189) darauf hin, daß hier der Punkt ist, ,,wo in der Sprache

sich Sachstrukturen abzeichnen*. Es sind das aber keine anderen Strukturen als die Strukturen der γένη und εἴδη. deren Namen im Falle der Lebewesen von der natürlichen Konstanz der Geschlechter getragen

werden.

Daran

sich

ihn

dessen

wird deutlich,

daß

eine sinnvolle

Umbenen-

nung immer auf die ganze Gattung gerichtet sein müßte. Daß diese aber überhaupt als prinzipiell móglich gedacht wird, zeigt vollends an, daß der Name als bloßes Lautzeichen philosophisch ganz irrelevant für Platon ist. Die philosophische Relevanz des Namens beschränkt für

Wahrheit

der Idee,

auf

signifikative,

deiktische

eine Doppelfunktion ist, indem

zum

anderen

die Benennung

Funktion,

die

in

sie einmal die Benennung

des Einzeldinges

leistet, wes-

“Theaitetos fliegt’, das eine falsch, das andere richtig ist; und diese Entscheidung weist auf eine tiefere als die grammatische Schicht.“

102

Die

Platonische

Urteilslehre

halb Aristoteles in seiner Platonkritik beide, Idee und Einzelding, als

Synonyme bezeichnet (Metaphysik A 6. 987 b 10). Unangesehen aber dieser speziellen philosophischen Relevanz und Irrelevanz des Namens

für Platon bleibt es bei der Wahrheit

seiner Aussage:

„Der

Rede be-

raubt, wären wir, was das Größte ist, auch der Philosophie beraubt“ (Sophistes 260 A 6 f.).

FÜNFTER

DIE

PLATONISCHE

ZWISCHEN

ABSCHNITT

NOETIK

NOETISCHEM

UND

UND

DIE

BEZIEHUNG

DIANOETISCHEM

DENKEN

1. Der Begriff des Wissens vom Wissen und das Problem

des philosophischen Selbstbewußtseins

Es ist jetzt der Punkt erreicht, von wo aus wir das Selbstverständnis des Platonischen Denkens genauer bestimmen können. Es hatsich von Anfang an gezeigt, daß das Denken wesentlich von der sprachlichen

Rede

her verstanden

wird,

so sehr, daß

das diskursive

Nach-

denken als innerer Dialog des Denkenden mit sich selbst aufgefaßt werden konnte. Man wird dieser Auslegung des Denkens nur dann gerecht, wenn man sich die spezifische Mündlichkeit des griechischen und des antiken Menschen überhaupt vergegenwärtigt. Das gesprochene Wort hatte noch seine eigene Realität, die auch dem aufgeschriebenen Wort nicht verlorenging, sondern durch das laute Lesen — das erst in der Spätantike in den stillen Gelehrtenklausen unserer Kirchenväter allmählich aufhörte! — immer wieder in der Frische des vollen Klanges aktualisiert wurde. Mit dieser Mündlichkeit wechselseitig verbunden war eine ebenfalls spezifische Sozietät, die den gemeinschaftsbezüglichen Charakter des Denkens und Sprechens artikulierte, weshalb eben das Selbstgespräch der Seele von Platon nicht als Monolog, sondern als Dialog verstanden wurde, der als solcher auf

die alles Sprechen und Denken tragende Gemeinsamkeit mit den Mitmenschen und damit auf den Grund der Möglichkeit von Verständigung überhaupt verweist.” Dieses Gemeinsame war das von allen antiken Menschen anerkannte Ansichsein des Seienden. Von dieser Anerkennung ! Aber auch hier gab es immer noch Ausnahmen.

zur

alten

Geschichte

Sinne

RUINART,

des lauten

typische

Leseszene

Acta Martyrum,

Vgl. I. WoHLEs,

Ein Beitrag

Lesens, Philologus 85, 1930, 111 f., wo auf eine noch ım

in der Passio

Regensburger

Sanctorum

Abdruck,

Firmi

et Rustici

(Tn.

1859, 636 f.) hingewiesen wird.

Das Martyrium der beiden Heiligen soll während der Verfolgung unter Maximian stattgefunden haben. 2 Vgl.

dazu

bes. das Kap.: 158 ff.

G. KnÜcER,

Die Bindung

Grundfragen

der

Philosophie,

Frankfurt

a. M.

1958,

des antiken Denkens an Sprache und Gemeinschaft,

104

Die

Platonische

Noetik

des Ansichseins macht auch die antike Skepsis keine Ausnahme, die nicht den Grad moderner skeptischer Radikalität erreichte und etwa allein das vom Bewußtsein Objizierte anerkannte, vielmehr nur die Erkennbarkeit des auch von ihr sein gelassenen Seienden in Frage stellte.! Das so verstandene Denken ist also noch nicht von der Sprache emanzipiert, nicht ein von der Körperlichkeit des Sprachleibes und von der natürlichen Sprachgemeinschaft in dem Sinne Isoliertes, daß es als ein sich selbst Konstituierendes seine eigene Sprache erst entwürfe, sondern es ist wesentlich an die Sprache gebunden, ein Denken in der Sprache, ein sprachliches Denken, so jedoch, daß das eigentlich hier latente Problem, wie sich das Denken rein als Denken vollzieht, —

im Gegensatz zum Sprechen, gar nicht akut wird, weil hier eben gar kein Gegensatz zu bestehen schien. Deshalb die Gleichsetzung von διάνοια

und

λόγος,

zu

der

Stenzel (Studien

75) bemerkt:

,, Man

so selbstverständlich

erschien ıhm

der

sieht

daraus, in welcher Ferne Platon noch die Frage stand, ob es ein Denken ohne die innere Wortform geben könne — er hätte diese Frage kaum

stellen können,

menhang von innerem Sprechen und Denken.“

Zusam-

! Daß auch Protagoras und Gorgias das Ansichsein des Seienden nicht in Frage stellen wollten, hat jetzt K. v. Fritz, Artikel *Protagora? RE A XXIII, 1957, 908-921 überzeugend herausgearbeitet, indem er zeigt, daß der homo-mensuraSatz des Protagoras im Ganzen der vorhergehenden und gleichzeitigen Philosophie

verstanden

werden

muß,

und

zwar

als bewußte

Antithese

dazu,

dergestalt,

daß

Protagoras den Philosophemen des Parmenides und Heraklit, Zenon und Melissos, Leukipp, Anaxagoras und Empedokles, die alle mehr oder weniger den Eindruck, den die Masse der Menschen von der Wirklichkeit der Welt hat, für Schein

erklärt und sich damit von der opinio

communis

weit entfernt hatten, ,,eine Philo-

sophie des gesunden Menschenverstandes entgegensetzen wollte‘, was bedeutet, daß der Satz des Protagoras ,,ursprünglich nicht einen konsequenten Sensualismus, Relativismus oder Subjektivismus zum Ausdruck bringen sollte‘ (916). Platons Auseinandersetzung mit dem Satz des Protagoras ist eine vollkommene Bestätigung dieser Interpretation. „Denn obwohl Platon zu zeigen versucht, daß der Satz des P., wenn man die logischen Folgerungen daraus zieht, zum absoluten Sensualismus (Theaetet 160 d/e) oder absoluten Subjektivismus (ebd. 161 c ff.) führt, so läßt er doch ebensowenig einen Zweifel darüber (Theaet. 166 d ff.), daß P. selbst diese äußerste Folgerung aus seiner eigenen Lehre keineswegs gezogen hatte'* (917). — Als Abwehr gegen die den Eindruck der gewöhnlichen Sterblichen von der Welt destruierenden Lehren, insbesondere der Eleaten, muß auch die Schrift des Gorgias ΠΠερὶ φύσεως 7) περὶ τοῦ μὴ ὄντος verstanden werden (916), was allerdings nichts an dem Verständnis des literarischen Charakters dieser Schrift als einer satirisch-parodistischen Tendenzschrift ändert (anders K. v. Fritz 916). Zu Gorgias vgl. auch O. Gıcon, Gorgias “Über das Nichtsein’, Hermes 71,1936, 186-213;

W.

BRÖCKER,

Gorgias

contra

Parmenides,

Hermes

86,

1958,

425-440.

Der

Begriff des

Wissens

vom

Wissen

105

Der wesentliche Bezug dieses Denkens auf Öffentlichkeit ist auch der letzte Grund, warum dieses Denken sich nie in der Weise späterer Reflexion auf sich selbst zurückgezogen und ein im strengen Sinne philosophisches Selbstbewußtsein konstituiert hat, um von sich aus, aus seinem Inneren, die Welt ‘systematisch’ zu entwerfen, obwohl es gerade Platon war, der dieser Möglichkeit von allen antiken

Denkern,

Augustinus ausgenommen, am nächsten gekommen ist. Seine Ideenlehre — einschließlich der Lehre von der Präexistenz und Anamnesis — war in ihrem Ansatz der Versuch zur Erklärung eines Problems, das er als erster in seiner fundamentalen erkenntnistheoretischen Bedeutung klar erkannt hat: das Problem der Apriorität, das sich ihm angesichts der Beschaffenheit der mathematischen Erkenntnis und des Geltungsmodus der sittlichen Wertung stellte. Aber die Inhalte des Ideenwissens sind nicht autonom gestiftete, sondern in der noetischen Erkenntnis empfangene Inhalte: sie sind Gegebenheiten, nicht Produktionen des Bewußtseins. Es ist für das Wesen des Platonischen Denkens in hohem Grade bezeichnend, daß im Charmides, wo die Frage nach der Möglichkeit eines

Wissens des Wissens ohne Einschluß des Inhaltes des Wissens thematisiert ist (164 D- 172 D), diese Möglichkeit abgewiesen, für den Fall der Möglichkeit aber ihm ein eigentlicher Nutzen abgesprochen wird. Denn gäbe es ein solches Wissen des Wissens, so wird argumentiert, dann hätte das Wissen notwendig das Wesen des Gewußten, was auch noch

damit

in seiner

bewiesen

Eigenschaft

wird, daß der Begriff des Wissens

als

Relationsbegriff gefaßt

wird,

ausdrücklich

was

in dem

Falle, daß das Wissen sich auf sıch selbst bezieht, ebenfalls zur Identi-

tät von Subjekt und Objekt führt. Der entscheidende Gedanke, an dem hier die Möglichkeit eines solchen Wissens des Wissens scheitert, ist die von Platon für das Denken mehrfach in betont theoretischer Formulierung in Anspruch genommene welthabende Intentionalität. Das Denken ist ein sachgebundenes, vom Seienden her bestimmtes und erfülltes Denken: ὁ γιγνώσκων γιγνώσκει τι, wie es im 5. Buch der Politeia heißt, eine Stelle, auf deren Sachzusammenhang wir noch eingehen werden. Auch im Sophistes begegnete uns schon jener Hinweis auf die Intentionalität des Denkens. Mit derselben Entschiedenheit wie im Charmides wird die Möglichkeit eines inhaltsleeren Wissens des Wissens im Theaetet 200 B 1 ff. mit dem Hinweis auf einen dadurch entstehenden regressus in infinitum abgelehnt. Bei dieser Ablehnung ist es geblieben und alle Versuche, hier zu retten, was für

106

Die

Platonische

Noetik

Platon nicht zu retten ist, beziehungsweise zu vereinigen, was nicht zusammengehört, sind Versuche am untauglichen Objekt, und man muß es der, wie immer, mit kritischer Observation verbundenen messerscharfen Argumentation von Bonitz, dieses trefflichen Mannes,

hoch anrechnen, das hier allein Zutreffende in überzeugender Klarheit formuliert zu haben.! Die Untersuchung in dem fraglichen Abschnitt des Charmides geht davon aus, daß Kritias unter Preisgabe seiner bisherigen Definitionsversuche nun die σωφροσύνη in der Selbsterkenntnis bestehen läßt und den Sinn des Delphischen γνῶθι σεαυτόν in der Aufforderung zur σωφροσύνη sieht. Nachdem so die σωφροσύνη als ἐπιστήμη ἑαυτοῦ (1065 D 1, E 1) bestimmt ist, wird im Folgenden die Frage nach dem Gegenstand dieses Wissens dahingehend konkretisiert, daß nach dem von der Besonnenheit selbst unterschiedenen Objekt jenes Wissens gefragt wird, 166 B 5f.: ἢ σωφροσύνη τίνος ἐστὶν ἐπιστήμη. ὃ τυγχάνει ἕτερον ὃν αὐτῆς τῆς σωφροσύνης; Diese von Sokrates gestellte Frage beantwortet Kritias mit der Erklärung, daß es das Eigentümliche dieses Wissens

sei, nicht einen von sich selbst verschiedenen

Gegenstand

zu

haben und alles andere Wissen zu begründen, 166 C2f.: ἣ de μόνη τῶν TE ἄλλων ἐπιστημῶν ἐπιστήμη ἐστὶ καὶ αὐτὴ ἑαυτῆς (vgl. 166 E 5f.). Der Untersuchung der Möglichkeit eines solchen Wissens des Wissens ist der folgende Teil des Dialoges bis 172 D gewidmet. Dabei ist jener zu beobachtende Übergang von der Bestimmung der Besonnenheit als ἐπιστήμη ἑχυτοῦ (165 E 1) zu der anderen Bestimmung, sie sei ἐπιστήμη ἑαυτῆς (166 C 3), assoziativer Natur. Entgegen dem

seit

Schleiermacher

beide Bestimmungsstücke

immer

wieder

unternommenen

in ein inneres Verhältnis

Versuch?

zu bringen und

letzteres von ersterem abhängig zu machen, daraus abzuleiten und als

positives Ergebnis auf dem Wege zur Lösung der Hauptfrage des Dia-

loges umzudeuten, nicht ohne gelegentlich auch beide für identisch zu ! Platonische Studien 228-236. 2 Zuletzt von T. G. TuckeEy,

Plato's Charmides.

Cambridge

Cambridge 1951. Daselbst neben einer ausführlichen Darstellung der Geschichte des Problems. Vgl. auch

APELT,

Charmides,

Lysis,

Menexenos.

Übers.

Classical Studies 11.

Interpretation auch eine die Literatur, die bei O.

u. erl., PhB

177,

21922,

13 f., auf-

geführt ist. In philosophischer Hinsicht läßt der Kommentar von TUCcKEY vieles zu wünschen übrig; er folgt zumeist der scharfsinnigen Studie von C. SCHIRLITZ, Der Begriff des Wissens vom Wissen in Platons Charmides und seine Bedeutung für das Ergebnis des Dialoges, Neue Jahrbücher für Philologie und Pádagogik 67, 1897,

451-476

u.

513-537.

jedoch sehr problematisch.

Bei

allem

aufgewendetem

Scharfsinn

ist diese Arbeit

Der

Begriff des

Wissens

vom

Wissen

107

erklären, muß mit Nachdruck wieder auf die Argumente von Bonitz (Studien 236) verwiesen werden: „Die Sokratisch-Platonische Forderung der sittlichen Selbsterkenntnis, in welcher nach dem Sinne dieser Männer an eine Identität von Subjekt und Objekt des Wissens nicht gedacht war, lag schon durch den Wortlaut einer ἐπιστήμη ἐπιστήμης so nahe, daß die Erwähnung der Selbsterkenntnis den natürlichen Anlaß bot, diese Frage der damaligen Philosophie zur Erörterung zu bringen. Unter solcher Voraussetzung, zu welcher, denke ich, die Weise selbst, in welcher die Frage im Charmides eingeführt ist, ausreichenden

Anlaß

gibt,

wird

es erklärlich,

daß

Platon

ihrer

Be-

Gefahr,

das

handlung einen unverhältnismäßigen Umfang in diesem Dialoge zuweist, obgleich daraus unmittelbar kein positiver Ertrag für den Gegenstand der Untersuchung sich ergibt." Läßt man diesen wichtigen Tatbestand

unberücksichtigt,

so láuft die Interpretation

entscheidende Moment in der Gedankenführung des fraglichen Abschnittes des Dialoges zu verkennen, nämlich die Negation der Móglichkeit eines nichtintentionalen Wissens. Die ἐπιστήμη ἑαυτοῦ ist nicht dasselbe wie die ἐπιστήμη ἑαυτῆς. Die Intentionalitát oder Nichtintentionalitát aber ist für Platon das alleinige Kriterium, das darüber entscheidet,

ob

es so etwas

wie ein Wissen

des Wissens

ohne

Einschluß

des Inhaltes des Wissens gibt oder nicht gibt.! Die Beziehung auf Gegenstánde der Erfahrung, und zwar der geistigen und sinnlichen Erfahrung, ohne die der Begriff des Wissens für Platon seinen Sinn verliert, legt diese Entscheidung von vornherein fest, und es ist ganz

unplatonisch gedacht, wenn man behauptet hat, die ἐπιστήμη ἐπιστήμης sei die Kenntnis der *Denkgesetze,? und man schließlich so weit gegangen ist, zu behaupten, daß diese von Platon solchermaßen ent1 Diese

Tatsache

hat

U. v. WILAMOWITZ-MOELLENDORFF,

Platon

II,

1919,

66,

deutlich erkannt: ,,Das Charakteristische ist in Platons Ausführungen (sc. im Charmides), daß zwar die scharfe Unterscheidung des Erkennens und Wissens von seinem Objekte die Unmöglichkeit dartut, daß das Wissen sich selbst zum Objekt haben könne, aber es ist nicht die Logik, auf die er hinaus will.“ Vgl. auch

65, 1: „Im

Charmides

wird

ausführlich

gezeigt,

daß

ein Wissen

des Wissens

zu nichts nütze ist, wenn der Inhalt des Wissens nicht eingeschlossen 151.“ Wenn der Inhalt aber mit eingeschlossen ist, haben wir es mit dem kritischen Bewußtsein

zu tun.

Das

ist, wie

es H. Kunn,

Sokrates

40 f., formuliert,

,,die Beurteilung

des

Wissens durch das Wissen und die Unterscheidung des Wissens vom Nichtwissen. Abgelóst von dem Erkenntnisvorgang und als eine besondere Wissenschaft der Beziehung auf die Gegenstánde beraubt, verliert dieses kritische Wissen jeden Sinn. Es könnte sich immer nur auf das “Daß? (ὅτι οἶδεν), nie auf das ‘Was’ (ἃ οἶδεν) der Erkenntnis beziehen.“ 2 C. SCHIRLITZ 514 ff.

108

Die

Platonische

Noetik

deckte Gesetzlichkeit des Denkens den Inhalt der Erkenntnis allererst ursprünglich konstituiere.! Gerade diese idealistische Auslegung des Wissensbegriffs lehnt Platon in Gestalt der im Verlauf der Gespráchsführung sich anbietenden Lósung der Frage nach dem Wesen der σωφροσύνη bewußt ab. Und gerade diese Ablehnung deutet darauf hin, was gemeint ist: ein Bewufitsein, das nicht sachgebunden, sondern autonom und souverän die Welt von sich her auslegt. Ein solches Bewußtsein ist für Platon als Möglichkeit der Begründung des sittlichen

Wissens,

um

das

es

auch

im

Charmides

letztlich

wieder

geht, ganz unannehmbar. Rein als Möglichkeit aber tritt es hier erstmalig bei Platon in Erscheinung. Aus diesem Grunde ist auch der Vorschlag von Friedländer? nicht annehmbar, wonach die beiden ἐπιστῆμαι in dem Sinne als dieselben zu verstehen seien, daß es, „wenn

erkennt, eigenen

zugleich

die Erkenntnis,

Gegenstande

macht“,

ist.

Sokrates sich selbst (ἑαυτόν)

die sich selbst

Wenn,

wie

(ἑαυτὴν)

Friedländer

zu ihrem

richtig be-

merkt, die Selbsterkenntnis ,,die Einsicht in die objektive Struktur der Seele und die Hangordnung innerhalb ihrer“ ist, dann ist diese Erkenntnis von der Erkenntnis der Erkenntnis dadurch fundamental verschieden, daß bei ihr Subjekt und Objekt nicht identisch sind. Wenn

Sokrates sich selbst erkennt, dann ist das die intentional bestimmte Erkenntnis seiner Seele, nicht aber die Erkenntnis, die sich selbst zu

ihrem Gegenstand macht, in der also Subjekt und Objekt zusammen-

fallen. Das ist ein fundamentaler Unterschied, der auch durch den Hinweis auf den Ersten Alkibiades nicht behoben wird, der über die

Stufe der Selbsterkenntnis als einer gegenstándlich gerichteten Erkenntnis der über den Leib regierenden Seele und ihrer Teile nicht hinauskommt oder, besser gesagt, nicht hinauskommen will, da nach Platon meine Seele schon ,,je ich selbst bin im Unterschied von dem,

was mir nur zugehórt wie meine Glieder oder überhaupt mein Leib**.3 Hier liegt also eine verhángnisvolle Simplifikation vor, die das philosophische Problem erster Ordnung, das im Charmides formuliert und dann wieder fallengelassen wird, nämlich ,,die Frage, ob es ein Wissen des Wissens gebe, also den ersten Anfang des Problems des Selbst-

bewufitseins'*,* radikal verkennt. 1 So NATORP,

Platos Ideenlehre 29.

2 Platon II 2, 21957, 286. 3 H. Kunuw, Sokrates 93.

4 BoNITZ, Studien 236.

Die Formel

ἐπιστήμη

ἐπιστήμης ist

Der

Begriff des

Wissens

vom

Wissen

109

nicht die Formel für ,,die Einsicht in die objektive Struktur der Seele‘. Die Formel dafür lautet γνῶϑι σεαυτόν beziehungsweise ἐπιστήμη ἑαυτοῦ und findet später in der Politeia ihre großartige Explikation. Wenn Friedländer zum besseren Verständnis dieses Problemkomplexes empfiehlt:

„Man

muß

nur von unserer heutigen

Selbsterkenntnis

ab-

sehen‘ (286), so muß in Anbetracht der vorliegenden Tatbestände gesagt werden, daß das Gegenteil richtig ist: Was hier plötzlich in den Blick kommt und dann ebenso plötzlich wieder als absurd verworfen wird, ist genau

das, was

das moderne

Weltverständnis

konstituiert:

die sich selbst und die Welt autonom begründende Subjektivität. Platon hat noch ein zweites Mal in der Geschichte seines Denkens eine spätere Lösung beziehungsweise Beantwortung der Bewußtseinsfrage weit vorwegnehmend angedeutet, um sie dann mit gleicher Entschiedenheit

abzulehnen,

nämlich

im Parmenides, wo der

junge Sokrates den Vorschlag macht, das Problem des Verhältnisses der einen Idee zu den vielen sinnlichen Gegebenheiten, die unter die Idee fallen,

durch

die Annahme

dem

in infinitum,

der

Einheit

des

Vielen

wenn

man

in

der

Seele zu lösen. Die Idee wäre dann nur ein Gedanke, ein νόημα, als solches nur in der Seele, aber zugleich das Einheit stiftende Prinzip in bezug auf die verschiedenen Sinneseindrücke der vielen einzelnen Gegebenheiten gleicher Gestalt, von dessen durch die versammelnde Kraft der Synopsis entstandenem Wahrnehmungsbild sich die Vorstellung der Einheit der Idee selbst herleitete. Auf diese Weise, so meint Sokrates, bliebe die Einheit der Idee gewahrt und man entginge progressus

der dann

entsteht,

die Idee

als gegenständlich seiend setzt, da dann die Forderung unabweisbar ist, für die Idee und die Dinge wiederum eine Idee und so fort ins Unendliche anzunehmen. Zur Überwindung dieser Schwierigkeit macht Sokrates seinen Vorschlag. Die Stelle lautet: ,, Aber, Parmenides, habe Soxrates gesagt, ob nicht jede von diesen Ideen ein Gedanke ist und ihr nirgendwo anders Sein zukommt als in den Seelen. Denn so bliebe eine jede ein Eines und erführe nicht mehr das, wovon eben die Rede war.” (ἀλλά, φάναι, ὦ Ilapueviön, τὸν Σωκράτη, μὴ τῶν εἰδῶν ἕκαστον ἢ τούτων νόημα, καὶ οὐδαμοῦ αὐτῷ προσήκῃ ἐγγίγνεσθαι ἄλλοϑι ἡ ἐν ψυχαῖς: οὕτω γὰρ ἂν ἕν γε ἕκαστον εἴη καὶ οὐκ ἂν ἔτι πάσχοι ἃ νυνδὴ ἐλέγετο. 132 Β 3-6.) Die Idee wäre also gemäß diesem Vorschlag nicht mehr ein realiter Seiendes, sondern ein Gedankending, das als solches die Vielheit der gegenständlichen Welt in ihrer idealen Einheit begriffe. Diese ideale Einheit involvierte auch die Vielheit der Be-

110

Die

Platonische

Noetik

stimmungen und wäre als solche der zureichende Grund der Möglichkeit eines souveränen,

autonomen

Weltentwurfes

aus der Einheit des

Gedachten als des Inhaltes der denkenden Seele, jenes dann letzten Bezugspunktes der im Bewußtsein nach der Einheit des Selbst konstituierten Einheit der Welt. Aber diese, von dem jungen Sokrates immerhin schlaglichtartig gestreifte mögliche Bewußtseinsstellung, die später mit allen Konsequenzen der neuzeitliche Idealismus einnehmen sollte, wird von Parmenides nachdrücklich verworfen. Seine Wider-

legung des Sokrates verdient wegen ihrer, die Platonische Bewußtseinsstellung besonders erhellenden Argumentation genau zur Kenntnis genommen zu werden. Sie zerfällt in zwei Teile. Der erste (132 B 7— C 8) zielt — bezeichnenderweise

— wieder

quenzen.

Das

(132

€ 9-12)

auf die

zieht daraus Ganze

lautet:

Intentionalitát

die für Sokrates „Aber

wie?

des

Denkens,

der

unannehmbaren

habe

Parmenides

zweite

Konse-

bemerkt;

ist ein jeder der Gedanken ein Eines, aber ein Gedanke von Nichts? — Unmöglich, habe Sokrates gesagt. — Sondern von Etwas? — Ja. — Von einem Seienden oder von einem Nichtseienden? — Von einem Seienden. — Etwa von einem bestimmten Einen, das jener Gedanke als an allen Dingen seiend denkt, als ein einziges bestimmtes Aussehen? — Ja. — Wird dann die Idee nicht das sein, was als Eines seiend gedacht wird, das immer dasselbe an allen Dingen ist? — Das scheint notwendig so zu sein. — Wie aber nun? habe Parmenides gesagt; mußt du nicht bei deiner Behauptung, daß das Übrige an den Ideen teilhat, annehmen, daß entweder ein Jedes von dem Übrigen aus Gedanken besteht und also Alles denkt, oder aber, daf) es, obwohl es Gedanke ist, nicht Gedanke ist? — Das hat freilich keinen Sinn, habe Sokrates zu-

gegeben.“ (Τί οὖν; φάναι, Ev ἕκαστόν ἐστι τῶν νοημάτων, νόημα δὲ οὐδε-

νός;: — AAN

ἀδύνατον, εἰπεῖν. -- ᾿Αλλὰ τινός; -- Ναί. -- "Ὄντος

ἣ οὐχ ὄντος:

-- Ὄντος. -- Οὐχ ἑνός τινος, ὃ ἐπὶ πᾶσιν ἐκεῖνο τὸ νόημα ἐπὸν νοεῖ. μίαν τινὰ οὖσαν ἰδέαν; — Ναί. -- Εἶτα οὐκ εἶδος ἔσται τοῦτο τὸ νοούμενον Ev εἶναι, ἀεὶ ὃν τὸ αὐτὸ ἐπὶ πᾶσιν; -- ᾿Ανάγκη αὖ φαίνεται. -- Τί δὲ δή; εἰπεῖν τὸν Ilapueviönv, οὐκ ἀνάγκῃ. N τἄλλα φὴς τῶν εἰδῶν μετέχειν Y, δοκεῖ σοι ἐκ νοημάτων ἕκαστον εἶναι καὶ πάντα νοεῖν. N νοήματα ὄντα ἀνόητα εἶναι; — AAN οὐδὲ τοῦτο, φάναι, ἔχει λόγον .. .) Die so vollzogene Widerlegung ist das Zurückweichen eines Denkens, das sich vom Ansichsein des Seienden bestimmt und beherrscht weiß. Es ist das Zurückweichen vor der Möglichkeit der Konstituierung eines absoluten Bewußtseins, das die Einheit und den Sinn seiner möglichen Inhalte allererst selber

Der

Begriff des

stiftet, ein Zurückweichen Einheit

und

Wissens

vom

Wissen

in der Überzeugung,

des Sinnes im Seienden

11]

daß der Grund

der

selbst, in der seienden Idee liegt,

die es zu erfassen gilt, um allererst durch sie im Denken zu jener Einheit zu gelangen, die in der Bewegung der Gestirne ihre kosmische Entsprechung hat und die dem Denken selbst jenen Kosmos verleiht, in dem dieses sich sinnvoll, das heißt der Struktur des Seins gemäß, bewegen kann, wie es von Platon im Timaios dargestellt wird.

Mit der von dem jungen

Sokrates vorgetragenen

Hypothese,

daß

die Ideen nur in der Seele als zusammenfassende, allgemeine Gedanken

existieren, denen die Einzeldinge nur unvollkommen entsprechen, da die Dingeinheit immer auch mit Bestimmungen belastet ist, die der abstrakten, idealen Einheit des synoptisch erfaßten Typus der Dinge derselben Klasse, also der Einheit der gedachten Idee, nicht eignen, mit dieser Hypothese ist auch die spätere Position jener scholastischen Denkrichtung, die dem Allgemeinen

nur ein Sein im Geiste zuspricht,

des Konzeptualismus, in der Grundtendenz vorweggenommen und latent auch die Position des rationalistischen Konzeptualismus der Transzendentalphilosophie. Aber eben, daß das Bewußtsein selbst (im Unterschied zur Seele) eine eigene Wirklichkeit und mithin eine erforschbare

Größe ist, -- der Archimedische

Punkt, für den die Welt

ein Phänomen des Bewußtseins ist, diese Möglichkeit erscheint dem objektiv gerichteten und sich von der Einheit eines noch nicht nach Bewußtsein schlechthin und Individualseele differenzierten Seelenbegriffs her verstehenden Bewußtsein Platons als eine sinnlose Pervertierung der als natürlich verstandenen Intentionalität des Denkens, seiner Gerichtetheit auf Seiendes an sich, das adäquat zu erfassen als

die ἀρετὴ des Denkens gilt, der eine Reflexion auf die Erkenntnissubjektivität im modernen Sinne widerspricht, die deshalb als absurd verworfen wird. Aber es ist falsch zu meinen, daß diese Möglichkeit gänzlich außerhalb des Horizontes dieses Denkens gelegen hätte. Daß diese Möglichkeit — zumindest im Ansatz — bei der Erörterung gerade zentraler erkenntnistheoretischer Probleme wiederholt, wie sich gezeigt hat, hypothetisch angesetzt wird, beweist das Gegenteil. Es ist deshalb nicht richtig, die Konsequenz, die Platon aus der konzeptualistischen Auffassung der Idee zieht, nämlich daß dann ein Jedes aus Gedanken bestünde und Alles dächte (ἐκ νοημάτων ἕκαστον εἶναι καὶ πάντα νοεῖν, 132 C 10f.) oder aber, nàmlich wenn man das letztere nicht zuzugeben bereit ist, es Gedanken gàbe, die nicht In-

112

Die

Platonische

Noetik

halt eines Denkens wären (νοήματα ὄντα ἀνόητα εἶναι, 132 C 11), in irgendeinem Sinne metaphysisch zu entschärfen und zu verharmlosen. Die Konsequenz ist im Sinne der Ideenlehre die einzig mögliche. Denn wenn, wie Parmenides in seiner Beweisführung noch ausdrücklich wiederholt, alles Übrige an den Ideen teilhat, also von ihnen sein Wesen empfängt, dann ist klar, daß, wenn die Ideen nur νοήματα sind, auch das von ihnen abhängende Übrige seinem Wesen nach vonua ist, was aber nur möglich ist, wenn alles Seiende denkt, da jedes νόημα immer nur als νόημα einer νόησις, eines νοεῖν möglich ist, worauf gerade der Schluß auf die Unmöglichkeit des νοήματα ὄντα ἀνόητα εἶναι abzielt. Aber eben in dieser sich aus der konzeptualistischen Hypothese auf dem Boden der Ideenlehre mit Notwendigkeit ergebenden

Konsequenz,

daß

alles Seiende

denkt,

steckt für Platon,

im Gegensatz zum modernen Idealismus, die Absurditát. Deshalb werden die εἴδη der Selbsttägigkeit des Bewußtseins entrückt und bleiben ὄντα. 2. Das noetische Denken

Die den εἴδη entsprechende Apprehensionsform ist die νόησις, das Vermögen des νοῦς, die rezeptive Einsicht, die mit ihnen den geistigen Eindruck der Dinge empfängt und in diesem Sinne als νόημα beinhaltet,

während

die

διάνοια,

das

diskursive

Nachdenken,

diese emp-

fangenen Inhalte im Urteil bestimmt, ihre gegenseitigen Beziehungen aufdeckt. Aber umgekehrt führt die διάνοια auch zur νόησις hin, indem sie ihren Ausgang von den ὑποῦϑέσεις, den vorläufigen Begriffen einer Sache, nimmt und von Bestimmung zu Bestimmung urteilend fortschreitet, bis sie plótzlich (ἐξαίφνης) zur νόησις gelangt, die das eigentliche Wesen der philosophischen Erkenntnis ausmacht. Diese hóchste Stufe der Erkenntnis ist also nicht freischwebende mystische Schau. Sie wird vielmehr rational vorbereitet durch das diskursive Nachdenken, das so lange in der dialektischen Bewegung des λόγον διδόναι verharrt, bis die aus der Sinnlichkeit abgezogenen begrifflichen Ansätze, die ὑποθέσεις, aufgehoben sind (R. 533 C 8). Erst dann, wenn so das ὄμμα τῆς ψυχῆς (R. 533 D 2) aus dem *barbarischen Morast? (533 D 1) gezogen ist, in dem es begraben war, und der Blick 1 ἘΠ M. ConNronp, Plato and Parmenides. Parmenides" Way of Truth and Plato's

Parmenides.Translated with an Introduction and a Running Commentary, London? 1959, 92, übersetzt, mir nicht verstándlich: ,,thoughts which nevertheless do not think.*'

Das

noetische

Denken

113

frei geworden ist für den Anblick der ἰδέα τοῦ ἀγαθοῦ, erst dann werden auch in ihrem Licht die übrigen Ideen für den menschlichen Verstand einsichtig, um dann im urteilenden Nachdenken nach ihrer Stellung ım Ganzen des Ideenkosmos prädikativ bestimmt zu werden.! So in der Dialektik der Politeia. In der Spätdialektik des Sophistes und der anderen dazu gehörigen Dialoge hat dagegen die Beziehung auf die höchste Idee des Guten keine erkennbare Bedeutung.? Aber das ändert epistemologisch nichts an dem sich ergänzenden Ineinandergreifen der noetischen und der dianoetischen Erkenntnis, die aufein-

ander angewiesen bleiben und immer ihre spezifische Funktion be-

halten. Denn auch die diairetische Bestimmung, die durch die ganze Reihe der εἴδη bis hin zum ἄτομον εἶδος geht, ist an das Zusammenspiel dieser beiden Vermögen gebunden, von denen das eine synoptischintuitiv erfaßt, was das andere begrifflich-definitorisch expliziert beziehungsweise analysiert. Wie die noetische Erkenntnis durch die dianoetische vorbereitet wird, formuliert noch einmal in aller Deutlichkeit der 7. Brief, wo es 344 B 1— C 1 heißt: „Denn zugleich muß man dieses beides lernend erfassen, das Falsche und das Wahre

des gesamten Seins, mit aller Mühewaltung und unter Aufwendung von viel Zeit, wie ich schon eingangs sagte. Wenn aber endlich jedes von ihnen untereinander zur Anwendung gekommen ist, Wörter und Definitionen, sinnliche Anschauungen und Wahrnehmungen, und in

1 Siehe auch F. M. CoRNFORD, Mathematics and Dialectic in the Republic VI-VII, Mind 41, 1932, 37-52 (I: Noesis and Dianoia). A. J. FESTUGIERE, Contemplation et vie contemplative selon Platon, Paris 1936, 84-122: Le νοητόν et le νοῦς. R. SCHAERER, La dialectique platonicienne dans ses rapports avec le syllogisme et la méthode cartésienne, Revue de théologie et de philosophie N. 5. 36, 1948, 24-40. J. PÉPiIN, Éléments pour une histoire de la relation entre l'intelligence et l'intelligible chez Platon et dans le néoplatonisme, Revue Philosophique 1956, 39-64. R. S. BLuck, ὑποϑέσεις in the Phaedo and Platonic Dialectic, Phronesis 2, 1957, 21-31. F. A. Wirronp, The Status of Reason in Plato's Psychology, Phronesis 4, 1959, 54-58. Immer noch nützlich die ältere Arbeit von M. ALTENBERG, Die Methode der Hypothesis bei Platon, Aristoteles und Proklus, Diss. Marburg 1905, 1-83. Der letzte Beitrag zu dem oben berührten Problem ist die fördernde Studie von H.-P. STAHL, Ansätze zur Satzlogik bei Platon, Hermes 88, 1960, 409 ff. 2 Vgl. STENZEL, Studien 72: „Im Sophistes und den verwandten Dialogen ist Jedenfalls für die eigentliche Dialektik die Beziehung auf ein Unbedingtes, auf die Idee des Guten völlig weggefallen; an dieser Tatsache ist nun einmal nicht zu deuteln. Aber auch die Beziehung auf eine oberste, alles Sein umfassende Einheit, wie sie, um dies vorwegzunehmen, die späteste Spekulation Platos tatsächlich wieder beschäftigt, steht bei der Dialektik des Sophistes jedenfalls im Hintergrunde.*' 8

Oehler, Die Lehre

114

Die

Platonische

Noetik

wohlgesinnten Prüfungen untersucht ist, ohne Rechthaberei in der Handhabung von Fragen und Antworten, dann leuchtet Verständnis und Einsicht in bezug auf ein jedes auf (ἐξέλαμψε φρόνησις περὶ ἕκαστον καὶ νοῦς), wenn man seine Kräfte aufs äußerste nach menschlichem Vermögen anspannt.' Die synoptisch-intuitive und die diskursivanalytische Doppelfunktion des Denkens, das Zusammenfassen zu einem Eidos und das Zerteilen dieses Eidos zu erneuter Zusammenfassung und erneuter Zerteilung usw. nennt Sokrates im Phaidros für sich den zureichenden Grund, überhaupt denken und sprechen zu können. Es ist einmal die Fähigkeit, “das vielfach Zerstreute zusammenschauend

auf eine einzige

Gestalt

zurückzuführen,

um

jedes

genau zu bestimmen und klar zu machen’ (εἰς μίαν τε ἰδέαν συνορῶντα ἄγειν τὰ πολλαχῇ διεσπαρμένα, ἵνα ἕκαστον ὁριζόμενος δῆλον ποιῇ 265 D3), und zum anderen ist es die Fähigkeit, “nach den Gestalten zerteilen zu können gemäß den Gliedern, wie etwas gewachsen ist, ohne den

Versuch, wie ein schlechter Koch irgendein Teil zu zerbrechen’ (τὸ πάλιν κατ᾽ εἴδη δύνασθαι διατέμνειν κατ᾽ ἄρθρα T) πέφυκεν, καὶ μὴ ἐπιχειρεῖν καταγνύναι μέρος μηδέν, κακοῦ μαγείρου τρύπῳ χρώμενον 265 E 1-3).

Von

dieser

Methode

bekennt

Sokrates:

„Hiervon

bin

ich

selbst

ein

Freund, von diesen Einteilungen und Zusammenfassungen (διαιρέσεων x«i συναγωγῶν). damit ich reden und denken kann. Und wenn ich von irgendeinem anderen der Ansicht bin, daß er zu sehen vermag, was von Natur in eins gehört und über vieles hin sich erstreckt, dem folge ich *hinterdrein auf dem Fuße wie einem Unsterblichen’. Ob ich jedoch diejenigen, die dieses vermögen, richtig benenne oder nicht, weiß Gott, ich nenne sie jedenfalls bis jetzt Dialektiker,* 266 B 3C 1.! Damit ist klar, daß die zusammenschauende Einsicht keine wie

auch immer geartete mystische Erleuchtung ist, sondern nur in Verbindung mit dem diskursiven Nachdenken zustande kommt.? ! Vgl.

auch

2 Aus

diesem

Ti.

39

E,

wo

der νοῦς des Gottes die Arten (ἰδέας) erschaut

(καϑορᾷ,

vgl. Epin. 991 B) und nach der von ihm geschauten Ordnung in der sichtbaren Ordnung der Welt verwirklicht. Für die Explikation der Einheit zur Mannigfaltigkeit des Beziehungsganzen gebraucht Platon auch hier διανοεῖσθαι. Vgl. dazu 7. STENZEL, Zahl und Gestalt 100. Zu den Phaidrosstellen vgl. R. HACKFORTH, Plato's Phaedrus. Translated with Introduction and Commentary, Cambridge 1952, 131-137. Grunde

trifft auch

die Kritik,

die BERTRAND

RUSSELL

am

Intui-

tionismus übt, gerade nicht Platon, den man, wie oben aus dem Ausgeführten erhellt, von dem Verdacht freisprechen kann, die geistige Anschauung von der diskursiven Tátigkeit des Verstandes isoliert zu haben. Genau das aber ist der Punkt,

auf

den

sich

die

Kritik

RUssELLs

- mit

vollem

Recht,

wie

man

hinzu-

Das

noetische

Denken

115

Dieses aus Einsicht und Nachdenken konstituierte dialektische Denken ist wesensmäßig intentional. Es führt nicht in letzter Instanz zur Begründung einer überindividuellen Selbstheit des Selbst, sondern bleibt schlechthin seinsbezogen. Die Inhalte dieses Denkens sind einerseits die νοήματα, andererseits die διανοήματα oder uadnuara, wie letztere auch häufig mit Rücksicht auf ihre reinste Darstellung in der Mathematik genannt werden. Die διανοήματα sind die Inhalte der διάνοια und als solche auch die logischen Inhalte der δόξαι und λόγοι. So beispielsweise im Symposion, wo von dem Mystagogen gefordert wird, daß er den Liebenden zu den Wissenschaften führt, damit dieser “viele schöne und großartige Reden und Gedanken zeuge (χαὶ θεωρῶν πολλοὺς xal καλοὺς λόγους x«i μεγαλοπρεπεῖς τίκτῃ xai διανοήματα, 210 D 4ff.; vgl. 211 B 7 ff.). Dieses Zeugen der Gedankeninhalte ist keine ursprüngliche, spontane Produktion,

sondern

die Reaktion

der διάνοια auf die Sollizitation durch

das in der Wahrnehmung prásentierte, in der Vorstellung reproduzierte oder in der Einsicht intuitiv erfaßte Seiende. Wo das aber nicht der Fall

ist und

wo

Leute

am

Werk

sind,

die,

obwohl

der

Philosophie

unebenbürtig, sich gleichwohl mit dieser vermählen (ἢ. 496 A 5 ff.), da wird das γεννᾶν διανοήματά τε xci δόξας (Α 6) zum Zeugen von σοφίσματα (A 8), die den Stempel unechter Abkunft und des Mangels an wirklichem Verständnis an sich tragen (A 8 f.). Daß die διανοήματα den eigentlichen Bereich möglicher Irrtümer bilden, wird im Theaetet 196 C 4 ff. indirekt formuliert, eine Bestimmung, an deren Gültigkeit sich auch im Sophistes nichts ándert und die für das, was uns bei Aristoteles begegnet, von besonderer Wichtigkeit ist. Platon erhebt fügen muß — konzentriert: „Innerhalb der hochkultivierten Menschheit wird der Intellekt, gleich gewissen künstlerischen Fähigkeiten, bei einzelnen gelegentlich über den Punkt hinaus entwickelt, bis zu dem er dem Individuum von Nutzen ist, während die intuitiven Fähigkeiten mit fortschreitender Zivilisation im ganzen zu verkümmern scheinen. Die letzteren sind besser entwickelt ın Kındern

als in Erwachsenen,

besser

in den

unteren

Schichten

des

Volkes

als ın den

Kreisen der Gebildeten; in Hunden sind sie wahrscheinlich größer als jemals im Menschen. Wer aber in diesen Tatsachen eine Empfehlung für die Intuition sieht, sollte auch die Konsequenzen ziehen und wieder wild ın den Wäldern herumlaufen, sich bunt anmalen und von Heuschrecken und wildem Honig leben.“ In: „Unser

Wissen

von

der

Außenwelt“,

dt.

Übs.

von

W.

RoTHusTock,

Ὁ. PAsQUALI,

Le

lettere

1926,

S. 31 f. - Zum

Problem der Intuition bei Platon vgl. vor allem J. STENZEL, Der Begriff der Erleuchtung bei Platon. Die Antike 1926, 235 ff. = ΚΙ. Schr. 151 ff. Außerdem FESTUGIERE

a. a. O.

11 ff.; J. H. LoeNEN, 1951, passim.

85

passim;

di

Platone,

Florenz

1938,

De Nous in het system van Plato's philosophie, Amsterdam

116

Die

Platonische

Noetik

hier die Forderung, daß zu zeigen sei, daß das τὰ ψευδῆ δοξάζειν etwas

anderes ist als “eine Verwechselung des Nachdenkens in bezug auf eine Wahrnehmung? (N διανοίας πρὸς αἴσϑησιν rapadraynv), da die Quelle des Irrtums dann nicht eigentlich in den Gedanken selbst läge (εἰ γὰρ τοῦτ᾽ NV, οὐκ ἄν ποτε ἐν αὐτοῖς τοῖς διανοήμασιν EVevdonede).! Die Dianoemata sind ihrem Wesen nach Komplexitäten, besser Relata, die das Ordnungsgefüge der Welt widerspiegeln. Die Fixpunkte dieses Ordnungsgefüges sind die Ideen, die rein als solche in ihrer je einzelnen Selbigkeit in den Noemata gedacht werden und im einfachen Nennen, im bloßen Namen, ihren adäquaten Ausdruck finden,

während

die

Urteil

verbunden

relationale

Bestimmtheit

der

Dianoemata

als

Inhalt des diskursiv-prädikativen Denkens ihren Ausdruck nur im Satz findet. Die Noemata sind die Begriffe des diskursiven Denkens, die in diesem negativ oder affırmativ und richtig oder falsch zu einem werden,

dessen

Inhalt,

das

heißt

dessen

gedachte

Einheit ein Dianoema ist. Das Noema für sich aber ist Inhalt des reinen νοεῖν, der νόησις, die von eben ihrem idealen Inhalt her die διάνοια mit der regulativen Maßgeblichkeit erfüllt. Das am meisten charakteristische Dianoema 151 die Zahl, die allein durch ihre Stelle in der Reihe, ihren Stellenwert, ın ihrer Identität

und Verschiedenheit bestimmt wird. Gerade diese einfache, eindeutige Bestimmtheit und die Möglichkeit, an ihr das Verhältnis von Einheit und Vielheit in mathematisch abgeklärter Form zu demonstrieren, haben sie in der Lehre von den Idealzahlen zum Prinzip des noetischen Kosmos werden lassen. Daß aber auch die Zahl nicht nur Gegenstand des dianoetischen, sondern auch des noetischen Denkens ist, lehrt ihre Auffassung

bare Größe darstellt.?

als μονάς,

die

als

solche

auch

eine

einseh-

! Zu διανόημα vgl. auch Prt. 348 D 3; Ti. 71 B 3; Lg. 688 (4, 692 E6, 740 A T, 777 A 3, 816 D5, 818 D3, 903 A 5 (τὸ διανόημα διανοεῖσθαι): Epin. 988 (1: Ep. P 315 D 6. 2 Vgl. dazu J. STENZEL, Zahl und Gestalt? Kap. V (Das Gesamtbild der platonischen Spätphilosophie) 4: Die platonische Monade, 119 ff. Vgl. auch E. FRANE, Plato und die sogenannten Pythagoreer. Ein Kapitel aus der Geschichte des griechischen Geistes, Halle 1923, 93f., 99, 114ff., 124, 129, 164f., Anm. 259, 287. Ferner O. BECKER, Die diairetische Erzeugung der platonischen Ideal-Zahlen. Quellen

und

Studien

zur

Geschichte

der

Mathematik

I, 1929,

4, 464 ff. O. ΤΟΕΡ-

LITZ, Das Verhältnis von Mathematik und Ideenlehre bei Platon. Quellen und Studien I 1. M. GENTILE, La dottrina platonica delle idee numeri, Pisa 1930. P. WILPERT,

Zwei

aristotelische

Frühschriften

über

145 ff., 159 ff., 170 ff., 195 ff., 212 ff. G. ManriIN, Kant-Studien, Ergánzungsheft 70, 1956.

die Ideenlehre

Klassische

a. a. Ὁ.

Ontologie

122 f.,

der Zahl.

Das

Übersehen es Platon

noetische

Denken

117

wir die bisherigen Untersuchungen,

an keiner

Stelle zuläßt,

das

Denken

so zeigt sich, daß

rein

auf es selbst

zu

reduzieren und seine Ordnung autonom von ihm selbst her zu begründen. Letzter subjektiver Bezugspunkt, hinter den nicht mehr weiter zurückgegangen aller ihrer Funktionen,

wird, ist die Seele als das natürliche Substrat die unsterbliche Seele, deren vorübergehendes

Innesein im sterblichen Menschen, während dessen sich der Körper wie ein Schleier vor die Seele spannt (Gorgias 523 D 2 ff.), die einzige konzedierte Form der Subjektivität des Erkennens ausmacht. Für diese Entscheidung ist die Frage, ob die ganze Seele oder nur der vernünftige Seelenteil unsterblich sei, ohne Gewicht. Ihre Beantwortung in die eine oder die andere Richtung, wie sie sich in den frühen und mittleren Dialogen einerseits und dann etwa im Timaios andererseits

beobachten

läßt,

ändert

an der erkenntnistheoretischen

Grundeinstellung nicht das Mindeste. Von dieser subjektiven Seite her gesehen ist die Sprache ein Spiegel der Seele oder, wie es Platon formuliert:

„Das

sich in den Reden Ausdrückende

ist eine Art

Nach-

ahmung des Vorgangs in der Seele und ein später entstandenes AbΠα“ (τὸ ἐν τοῖς λόγοις μίμημά τι τοῦ £v τῇ ψυχῇ ἐστὶν παϑήματος xal ὕστερον γεγονὸς εἴδωλον, R. 382 B 9f.), was hier von der Lüge gesagt wird, die auf Unwissenheit in der Seele des die Unwahrheit Sagenden zurückgeführt wird. Aber es ist klar, daß — was das Verhältnis von

ψυχή und λόγος angeht — der Satz von allgemeiner Geltung ist. Eine entsprechende Formulierung findet sich im Phaidros, wo als die Bedingung für gute und schöne Reden gefordert wird, daß die διάνοια des Sprechenden das Wahre von dem wisse, worüber er sprechen will (259 E 5 ff.). Eine solche Rede wird als eine mit wirklichem Wissen erfüllte Rede in die Seele des Lernenden eingeschrieben (ὃς μετ᾽ ἐπιστήμης γράφεται ἐν τῇ τοῦ μανθάνοντος ψυχῇ 216 A 5f.). Diese Rede des Wissenden nennt Platon lebendig und beseelt, im Unterschied von

der geschriebenen Rede, die — abwertend wie im 7. Brief — hier ein Abbild der gesprochenen Rede genannt wird: τὸν τοῦ εἰδότος λόγον λέγεις ζῶντα καὶ ἔμψυχον. οὗ 6 γεγραμμένος εἴδωλον ἄν τι λέγοιτο δικαίως; 276 A8f. Als Kriterium für eine gute oder schlechte Lebensführung fungieren die παϑήματα im Gorgias, wo Sokrates aus dem von ihm vorgetragenen Mythos vom Totengericht im Jenseits den Schluß zieht, daß, wie der Körper des Toten noch einige Zeit die leibliche Beschaffenheit des lebenden Menschen erkennen läßt, so an der Seele alles sıcht-

bar wird, wenn sie der Umhüllung des Leibes entkleidet ist: ihre na-

118

Die

Platonische

Noetik

türliche Anlage (τὰ τῆς φύσεως) wie auch die Widerfahrnisse (παϑήματα), die der Mensch auf Grund der Art und Weise seiner Beschäftigung mit jeglicher Sache in der Seele hatte (Gorgias 524 D 3 ff.). Die Beziehung zwischen dem innerseelischen Vorgang und der mitteilenden äußeren

Rede ist ein alter Topos,

der in der vorsokrati-

schen Philosophie und in der frühgriechischen Lyrik allenthalben anzutreffen ist.! Die erkenntnistheoretische und psychologische Ausgestaltung und Spezifizierung dieses Topos bei Platon haben wir kennengelernt. Auch seine Theorie des Urteils im Sophistes schließt ab mit einer klaren Reduktion des in der Form des gesprochenen Satzes vorliegenden Urteils auf das gedachte Urteil in der Seele als das Ergebnis eines Denkaktes. Aber das Entscheidende ist, daß hier nicht

das Logische und Psychologische miteinander Daß das nicht der Fall ist, läßt schon die Gliederung der oben behandelten Sophistesstelle tisthenische Problematik lenkte von vornherein Satz und führte zu einer Analyse des Satzes Dialoges freilich ein, wenn auch notwendiges,

vermengt werden. deutlich abgestufte erkennen. Die Anden Blick auf den -- im Ganzen des

Nebenprodukt,

aber für

die Geschichte der Logik von immenser Bedeutung, wie wir bei Ari-

stoteles sehen. Hinzu kommt noch, daß für Platon, für den sich die Frage, „ob es ein Denken ohne die innere Wortform geben könne“, gar nicht stellte, — „‚so selbstverständlich erschien ihm der Zu-

sammenhang von innerem Sprechen und Denken“ (Stenzel a. a. O.) der gesprochene Satz ohne weiteres als Mittel der Urteilsanalyse legitimiert erschien. Er hat hier kein Problem gesehen. Angesichts dieses Befundes bleibt es unerheblich, daf Platon nicht ausdrücklich, wie es Aristoteles am Anfang von [leot ἑρμηνείας tut, die Stücke des Satzes, die ὀνόματα und ῥήματα, zu den Elementen des Gedachten, den νοήματα, genau in Parallele setzt. Nach allem, was wir bei Platon vorgefunden haben, ist damit von Aristoteles nur noch expliziert, was die diesbezüglichen Formulierungen Platons implizieren. Außerdem findet sich bei Platon eine Stelle, der wir entnehmen können, daß er dieser Konsequenz seines Ansatzes nicht ausgewichen

ist. Im Phaidros (263 A 6 ff.) fragt nämlich Sokrates: ,, Wenn jemand das Wort Eisen oder Silber ausspricht, denken wir dabei nicht alle dasselbe?“ (ὅταν τις ὄνομα εἴπῃ σιδήρου ἣ ἀργύρου, Xp. οὐ τὸ αὐτὸ πάντες διενοήϑημεν:). Von diesen ὀνόματα überträgt Sokrates dieselbe Frage ! Vgl. dazu 435—446.

R. SCHOTTLÄNDER,

Drei

vorsokratische

Topoi,

Hermes

62,

1927,

Der

noologische

Singularismus

119

auf die Wörter ‘gerecht’ und ‘gut?’ (τί δ᾽ ὅταν δικαίου ἡ ἀγαϑοῦ)., um von seinem Mitunterredner das Zugeständnis zu bekommen, daß es damit hinsichtlich der Eindeutigkeit des Wortsinnes allerdings 95

το

schlechter bestellt sei, woraus für den Redner die Forderung abgeleitet wird, die hinsichtlich ihres Wortsinnes zweifelhaften Wörter von

denen, über deren Bedeutung Einstimmigkeit herrscht (ὁμονοητικῶς ἔχομεν). zu trennen, um bei passender Gelegenheit richtig die Wörter entweder aus der einen oder der anderen Gruppe zu wählen. Die Entsprechung zwischen dem ὄνομα und dem αὐτὸ διανοεῖσθαι, von der an dieser Stelle gesprochen wird, ist genau die Entsprechung von ὄνομα und νόημα, von Wort und Begriff, des Begriffes, dessen Bedeutung den

Inhalt der Definition des Wortes ausmacht. Wir brauchen für τὸ αὐτό nur

αὐτὸ

τὸ

εἶδος

einzusetzen,

und

wir

halten

die

Lösung

in den

Händen: das ὄνομα ist das σημεῖον τῆς φωνῆς des νόημα, in dem das εἶδος gedacht wird. Gerade deshalb kann das so verstandene ὄνομα in der Ontologie Platons eine hermeneutische Funktion übernehmen. Daß in bezug auf das νόημα bei Platon expressis verbis immer nur vom ὄνομα und nicht auch, wie bei Aristoteles, von ὄνομα und ῥῆμα zusammen die Rede ist, ergibt sich aus dem Tatbestand, daß ὄνομα in der Beziehung zu νόημα von Platon immer in seiner weiteren Bedeutung als Wort schlechthin gefaßt wird, also ῥῆμα mit einschließt. 3. Der noologische Singularısmus

In Platons Darstellung der Apprehension des im νόημα subjektiv gegenwärtigen εἶδος ist nun auch jene Konsequenz des Sokratischen Wissensbegriffs wirksam, die die Alternative wahr-falsch durch den Singularismus wahr-überhauptnicht ersetzt, der uns bereits in der Urteilslehre des Antisthenes begegnete und den wir bis Parmenides zurückverfolgen konnten. Wir finden ihn bei Platon am ausführlichsten dargestellt und begründet im 5. Buch der Politeia, wo nach der Aufstellung der Philosophenherrscherthese nach dem Wesen des Philosophen gefragt und dasselbe in der leidenschaftlichen Liebe zur Wahrheit gefunden wird, jener Wahrheit, die die Idee als das wahrhaft Seiende selbst ist, — der Inhalt der Erkenntnis (γνῶσις) und des Wissens (ἐπιστήμη). dem das Nichterkennen (ἄγνωσις) und Nichtwissen (ἄγνοια) 1 διανοεῖσθαι ist hier in der weiteren Bedeutung von Denken braucht, also nicht terminologisch im oben angegebenen Sinne.

überhaupt

ge-

120

Die

Platonische

Noetik

des Nichtseienden gegenübersteht.! Dazwischen steht die δόξα in jener von der ἐπιστήμη noch dualistisch scharf abgegrenzten Bedeutung, die Meinung, die sich auf die Welt der γένεσις bezieht. Dieser ontologisch-erkenntnistheoretische Aufriß beginnt zunächst in der für Platon charakteristischen Form wieder mit dem Hinweis auf die Intentionalität der Erkenntnis: ὁ γιγνώσκων γιγνώσκει τὶ ἣ οὐδέν:.... γιγνώσχει τί (476 E 7) und der parmenideischen Abweisung des Nichtseienden als eines möglichen Gegenstandes der Erkenntnis (γνῶσις): um sodann zu dem vollständig Seienden (παντελῶς ὄν) die vollständige Erkennbarkeit (παντελῶς γνωστόν) und zu dem schlechthin Nichtseienden die vollständige Unerkennbarkeit (μηδαμῇ πάντῃ ἄγνωστον) in Parallele zu setzen (477 A 2 ff.). Was aber von der Beschaffenheit ist, daß es sowohl ist als auch nicht ist, das liegt in der Mitte zwischen dem schlechthin Seienden und dem schlechthin Nichtseienden, und

auf dieses in der Mitte Liegende bezieht sich die Meinung, die ihrerseits zwischen Nichtwissen (ἀγνωσία) und Wissen (ἐπιστήμη) liegt (477 A 9 ff.). Das Wissen gilt nun Platon, und das ist für uns hier der

entscheidende Punkt, im Gegensatz zur Meinung als unfehlbar: ‚Aber

du hast ja eben vorher zugestanden, daß Wissen und Meinung nicht

dasselbe seien. -- Wie könnte denn, antwortete er, ein Einsichtiger das

Unfehlbare (τὸ ἀναμάρτητον) mit dem Nichtunfehlbaren (τὸ un ἀναμάρτητον) als dasselbe setzen? — Richtig, sagte ich, und es ist klar, daß wir darin übereinstimmen, Meinung sei etwas anderes als Wissen“ (477 E4478 A 1). Die Meinung ist dunkler (σκοτωδέστερον), wie es im Folgenden heißt, als das Wissen, aber heller (φανότερον) als das Nichtwissen. Grund ist die unterschiedliche Luzidität der Gegenstände des Wissens

und

des Meinens,

der Idee

einerseits

und

der an ihnen

teil-

habenden Dinge andererseits. Wer die Idee zum Gegenstand hat, die sich in bezug auf dasselbe immer gleich verhält (ἀεὶ κατὰ ταὐτὰ ὡσαύτως ἔχουσαν 479 A 2f.), der lebt im Wachen (ὕπαρ), wer aber nur mit dem vielen und in sich zwiespältigen Meinbaren sich beschäftigt, das sowohl am Sein als auch am Nichtsein teilhat, der lebt im Traum (ὄναρ).

!1 Es sei nur nebenbei darauf hingewiesen, daß das hier zentrale Gegensatzpaar γνῶσις — ἄγνωσις (ἄγνοια, ἀγνωσία) mit gleicher Ausschließlichkeit auch in der hellenistischen Mysteriensprache begegnet. Siehe dazu R. REITZENSTEIN, Die hellenistischen Mysterienreligionen, Berlin 21920, 143 ff. et passim. — Zur Rezeption der platonischen Sprache und insbesondere auch der oben behandelten Begriffe in die Gnosis siehe die lehrreichen Ausführungen von H. Jonas, Gnosis und spätantiker Geist, I, Göttingen 1934, Exkurs 3 („Zur Rolle der platonischen Sprache**), u. II 1, 1954, 153 ff.

Der

noologische

Singularısmus

12]

Platon nennt ihn den Schaulustigen (φιλοθεάμων), “der es schlechterdings nicht verträgt, wenn

man

behauptet, das Schöne

sei Eines und

das Gerechte und das Übrige ebenso?’ (479 A 3ff.), weil er immer nur das Viele erblickt, aber nicht das Eine, das das Viele erst möglich macht. Er verharrt im trügerischen Schein der sinnfälligen Welt, weshalb er nicht erkennt, sondern nur meint. Er ist ein Meinungsliebender (φιλό80505), kein Weisheitsliebender (φιλόσοφος). Mit dieser Unterscheidung schließt Platon hier am Ende des 5. Buches der Politeia die Untersuchung der Frage nach dem Wesen des wahren Philosophen ab, um dann in den beiden ersten Kapiteln des 6. Buches seine natürlichen Anlagen zu erörtern. Doch das soll uns in unserem Zusammenhang nicht mehr beschäftigen, in dem es nur darauf ankam,

den

auch

beı

Platon

bestehenden

erkenntnistheoretischen

Singularismus aufzuzeigen, der eben darin besteht, daß es in bezug auf das Seiende, die Ideen, nur entweder vollständiges Erkennen und Wissen oder schlechthinniges Nichterkennen und Nichtwissen gibt. Zwischen γνῶσις und ἄγνοια als solchen gibt es keine Vermittlung,

wie sie in bezug auf das Sinnliche in der Form der δόξα, die entweder wahr oder falsch ist, eintritt. Denn die γνῶσις und die ἄγνοια beziehen sich auf Verschiedenes:

die eine auf Seiendes, die andere

auf Nicht-

seiendes oder ‘nichts’ (478 B 12). Die Apprehension der Idee ist also entweder, und zwar als eine solche, oder sie ist überhaupt nicht. Aber sie ist nicht möglicherweise falsch. Wie das absolute Sein der Idee als das “sich immer in bezug auf dasselbe gleich Verhaltende’ unwandelbar ist und gar nicht anders kann, als zu sein, und zwar in der nämlichen, durch sein Wesen feststehenden Weise — der Platonische Ursprung des Aristotelischen οὐκ ἐνδεχόμενον καὶ ἄλλως ἔχειν —, so ist auch die es erfassende Erkenntnis immer Erkenntnis oder sie ist überhaupt gar nicht. Dasselbe erkenntnistheoretische

Schema:

Wissen,

Nichtwissen und

ein Mittleres, wird auch im Symposion 202 A 2-8 diskutiert, wo vorher in bezug auf das Wesen des Eros gefragt wurde, ob das, was nicht schön ist, notwendig häßlich sei. Daß es hier ein Mittleres gibt, wird zunächst an einem anderen, aber gerade uns interessierenden Gegensatzpaar, nämlich am Weisen und Unwissenden, demonstriert (7) καὶ ἂν μὴ σοφὸν ἀμαϑές:). Sokrates hat die Existenz desselben bei seinem Widerlegtwerden

im Vorhergehenden

selbst erfahren,

weshalb

er von

Diotima

jetzt gefragt wird: „Oder hast du nicht wahrgenommen, daß es ein Mittleres zwischen Weisheit und Unwissenheit gibt?“ (7 οὐκ ἤσϑησαι

122

Die

Platonische

Noetik

ὅτι ἔστιν τι μεταξὺ σοφίας καὶ ἀμαϑίας:). Das Mittlere wird bestimmt als das Meinen des Richtigen (τὸ ὀρθὰ δοξάζειν), das ohne Begründung (λόγον δοῦναι) vor sich geht, eine grundlose Sache (ἄλογον πρᾶγμα) und deshalb kein Wissen (ἐπίστασθαι). Aber ebensowenig ist es Unwissenheit (ἀμαϑία). weil es als das Meinen des Richtigen doch auch Seiendes trifft (có τοῦ ὄντος τυγχάνον). Die richtige Meinung ist also, so schließt der Exkurs vor der folgenden Anwendung dieses Ergebnisses auf das Wesen des Eros, ein Mittleres zwischen Einsicht und Unwissen-

heit (μεταξὺ φρονήσεως καὶ auadtoc).!

4. Das Problem der Wahrheitssicherung

Nach dem bisher Ausgeführten läßt sich nun die Erörterung einer Frage, die unausgesprochen unsere Untersuchungen stándig begleitet hat, nicht lànger aufschieben: die Frage nach dem Kriterium der Wahrheit.

Woher

wissen

wir, daf) ein Satz wahr

oder falsch ist oder

daß unser Wissen im Besitz eines richtig erfaßten εἶδος ist? Platons Antwort im Sophistes und den verwandten Dialogen läßt keinen Zweifel, worin für ihn dieses Kriterium bezüglich des Habens oder Nicht-

! Das Wissen ist also immer wahr; es gibt kein falsches Wissen, sondern nur Wissen oder Nichtwissen. Wissen ist die Einsicht in die notwendigen Gründe einer Sache, eben das, was der unsicheien Meinung über etwas fehlt. (Über diesen Unterschied von Wissen und Meinung vgl. auch noch folgende Stellen: Gorgias

454 509

D 5-8, Menon D ff., Philebos

seinem

Mittleres

reinen

97 59

A ff., Symposion 202 A, Politeia 6, 506 C, 7, 533 E f., 6, A f., Timaios 51 E). Während das Wissen das Seiende in

Ansichsein

zwischen

Sein und

zum

Gegenstand

Nichtsein,

hat,

ist also nur

geht

die

Meinung

ein Mittleres

nur

zwischen

auf ein Wissen

und Nichtwissen. Dem Gegensatz von Meinung und Wissen enispricht in der Ethik der Gegensatz von gewóhnlicher und philosophischer Tugend. Nur diese beruht auf Einsicht in das Wesen des Guten, in das Gute an sich, jene dagegen ist bestenfalls die zufállige Eigenschaft einer Gewohnheit ; jedenfalls fehlt ihr mit der die Handlungen vernünftig begründenden sittlichen Einsicht das Prinzip der Einheit, das die Tätigkeiten, die Gründe und Zwecke in ihrer Hangordnung erkennen läßt. Wo aber der einzelne tugendhaft ist ohne ein auf sittlicher Einsicht beruhendes Wissen des Guten, da waltet die göttliche Fügung, die ıhn

ohne

seine Einsicht lenkt und

zum

Guten

hınführt.

Dieser

Zustand

aber,

der vom

Menschen her gesehen auf Zufall beruht, ist der bewußten Einsicht gerade entgegengesetzt, ist in diesem Sinne Bewußtlosigkeit und ist deshalb der gleiche Zustand, in dem die Orakelsprecher, Wahrsager und Dichter ihre Eingebungen empfangen, nämlich der Enthusiasmus, für den das Fehlen der Bewußtheit und der Einsicht in das eigene Tun spezifisch ist. Vgl. vor allem Menon 96 D, 100 B, Apologie 21 B ff. Dazu und zum Phänomen des Enthusiasmus bei Platon überhaupt siehe jetzt die grundlegende Arbeit von H. FrAsnHAR, Der Dialog Ion als Zeugnis Platonischer Philosophie, Berlin 1958, besonders S. 117 ff.

Das

Problem

der

Wahrheitssicherung

123

habens der Idee bestand: in der diairetischen Struktur des Seins einerseits als der ontischen Bedingung möglicher Wahrheitserkenntnis überhaupt und in dem die Apprehension des εἶδος begleitenden Evidenzbewußtsein andererseits. Die Methode der Diairesis hat ja für Platon unter anderem gerade, wie wir gesehen haben, die Aufgabe, die

sinnlichen Gegebenheiten am System der εἴδη festzumachen, sie zu verifizieren. Was aber garantiert die richtige Erfassung der Unterschiede und Gemeinsamkeiten, was die richtige Erfassung der Beziehungen der εἴδη untereinander, ihrer Über-, Unter- und Nebenordnung? Kein Zweifel, mit dieser Frage stoßen wir ins Leere oder, was in diesem Fall dasselbe bedeutet, auf unausgewiesene Voraussetzungen. Eine Wendung wie ὁ τοῦτο δυνατὸς δρᾶν in der Definition des Dialektikers (Sophistes 253 D) ist dafür typisch. Es fehlt hier die theoretische Begründung, die, was die Apprehension des εἶδος betrifft, für uns durchaus

einsichtig ist, — wenn

wir die Platonischen

Voraussetzungen, die im Falle der Apprehension des εἶδος auch deutlich genug nach allen Seiten hin durchdiskutiert werden, supponieren. Mit dem εἶδος zugleich ist dessen ganze Wahrheit gegenwärtig, in einem £y gegeben, die Wahrheit, die noch nicht mit der Falschheit in einem antithetischen Verhältnis steht, sondern erst nachträglich, durch die Prádikation, subjektiv verfálscht werden kann. Aber eben, was dann jeweils als wahr oder falsch zu gelten hat, das ist die problematische Frage,

und

sie erfáhrt jedenfalls

nicht dadurch

eine Erklárung,

daß eine Ontologie zugrunde gelegt wird, die Sein als Teilhaben inter-

pretiert.

Damit

Urteilen

“Theätet

ist

die

Form

der Logik

entschieden,

aber nicht

die

Wahrheitsfrage, das heißt die Frage nach der Gewißheit über die Wahrheit. Es hat sich oben bei den beiden einander entgegengesetzten sitzt’ und

“Theätet

fliegt’

gezeigt,

daß

die Wahr-

heit beziehungsweise die Falschheit dieser Urteile für Platon auf der dialektischen Voraussetzung beruht, daß die logische Kommunikationsfähigkeit des Allgemeinbegriffs ‘Mensch’ beschränkt ist. In diesem Falle spricht das tatsächliche physische Unvermögen des Menschen für die Richtigkeit dieses Vorgehens. Wie aber, wenn die Dinge komplizierter liegen, wie bei den Wesensbestimmungen? Sollte die Bestimmung, daß der Mensch ein zum Lachen fähiges Lebewesen ist,

nicht

ebenso

von

definitorischer

Relevanz

sein

wie

die

Tat-

sache, daß er ungeflügelt, zu Lande lebend und zweibeinig ist? Mit anderen

Worten:

was

entscheidet

darüber,

was jedesmal

als wesent-

liches Merkmal zu gelten hat und was nicht? Wir finden auf diese Frage

124

Die

Platonische

Noetik

keine Antwort, die befriedigen könnte. Und infolgedessen bleibt eben auch ungeklärt, was jedesmal als Kriterium dafür zu gelten hat, ob einer Aussage überhaupt eine Ideenkommunikation zugrunde liegt oder nicht.! Das sind Fragen der theoretischen Begründung, auf die uns Platon keine Antwort gibt. Daß

der Logik des Urteils, wie sie im Sophistes expliziert wird, in

der Tat eine bestimmte Ontologie zugrunde liegt, ist oben sichtbar geworden. Es ist die Ontologie der xoıvavix τῶν εἰδῶν, die in der συμπλοκὴ ὀνομάτων καὶ ῥημάτων ihr sprachliches Gegenstück hat.? Das bedeutet allgemein, daß nur das Seiende einer bestimmten ontischen Struktur durch die Form des Urteils aufweisbar ist und daß umgekehrt die Form des Urteils eine Seinsstruktur widerspiegelt, die demjenigen Seienden eignet, das in der logischen Form des Urteils seine adäquate Darstellung findet. Deshalb ist die logische Form des Urteils für Platon zugleich die Form einer bestimmten Seinsart des Seienden, die in der diairetischen Struktur zum Ausdruck kommt. Aber mit dieser ontologischen Reduktion ist, wie gesagt, die Frage nach der Entscheidbarkeit, ob ein Satz wahr oder falsch ist, nicht beantwortet.

Das

Entscheidungsproblem

aber

wird

es entschieden

bleibt

durch

ungeklärt,

praktisch

,,ein letztlich unfaßbares

theoretisch

Verfahren,

das einen Teil des mehr oder minder elementaren Verstehens, ja der bloßen Empirie eben nicht in Zweifel zieht, seine Wahrheit als gegeben nimmt, nicht in Frage stellt*.* Ungeachtet nun der Frage der Entscheidbarkeit 1st so viel sicher, daß für Platon die Wahrheit des Urteils

in der vermeintlichen Übereinstimmung bezeichneten

der Aussage mit dem in ihr

Sachverhalt liegt, sei es, daß der Sachverhalt ideentheo-

retisch abgeklärt, sei es, daß er nur empirisch aufgewiesen ist. ! Vgl. H. MAIER,

Syllogistik II 2, 41, 3: ,,In allen Fällen ist ein Urteil dann wahr,

wenn die Verbindung seiner Elemente einer realen χοινωνία entspricht. Wie die Übereinstimmung konstatiert werden kann, darüber reflektiert Platon nicht.“ 2 Vgl. K. REIDEMEISTER, Mathematik und Logik bei Platon. Hamburger Mathematische Einzelschriften H. 35, 1942, 16 = Das exakte Denken der Griechen, Hamburg 1949, 61: ,,Der Entwurf des Sophistes geht von dem Grundsatz aus, daD einige Begriffe miteinander Gemeinschaft haben, einige nicht. Er setzt m. a. W. die Verflechtung der Begriffe als eine Grundtatsache an, die es zu ermitteln gilt.'' 3 EF. M. MANASSE, Platons Sophistes und Politikos. Das Problem der Wahrheit, Berlin 1937, 64f. Zum Wahrheitsproblem bei Platon vgl. ferner vor allem O. APELT, Wahrheit. In: Platonische Aufsätze 31-50; G. KrÜGER, Einsicht und Leidenschaft. Das Wesen des Platonischen Denkens, Frankfurt a. M. ?1948, passim; P. FrıEDLÄNDER,

Aletheia. In: Platon I ?1954, 233-242

545-551).

(dazu

H. KunN,

Gnomon

27, 1955,

Das

Problem

der

Wahrheitssicherung

125

Die Logik des Urteils ist für Platon der Ausdruck eines bestimmten ontischen Sachverhaltes. Das bedeutet die Unanwendbarkeit dieser Logik auf ontische Sachverhalte anderer Struktur, die urteilende Aussagen nicht zuläßt. Daß es in der Platonischen Ontologie solche Gegebenheiten gibt, die nicht in der Form des Urteils ausgesagt werden können, haben wir gesehen. Es sind die Ideen, die als solche nur im reinen νοεῖν als Einheiten gedacht und sprachlich nur durch ihren Namen ausgedrückt werden können. Diese reine Apprehension der Ideen im Akt der νόησις ist immer wahr, ohne je in ein antithetisches Verhältnis zum Irrtum zu treten. Es ist der ausgezeichnete Modus der Erkenntnis, der die Möglichkeit der Falschheit a priori ausschließt. Wir haben ihn im Unterschied zu der der Alternative wahr-falsch unterworfenen Erkenntnisform den noologischen Singularismus genannt. Er lehrt, daß der Platonische Wahrheitsbegriff nicht auf die Form

des Wahrseins des Urteils beschränkt ist, sondern

als

berührt.

auch im außerlogischen oder vorlogischen, und das heißt im außerprädikativen oder vorprädikativen Bereich des im ausgezeichneten Augenblick des ἐξαίφνης sich ereignenden unmittelbaren Erfassens der Idee seine spezifische Gültigkeit hat. Daß sekundär jedes εἶδος wieder zum Subjekt einer Prädikation und also der Formulierung im Urteil zugänglich gemacht werden kann, in dem seine Bestimmungen expliziert werden, ist ein anderer Tatbestand, der die prinzipielle Unmöglichkeit der prädikativen Darstellung des εἶδος als eines ἕν rein eines

ἕν

nicht

Das

ıst

auch

der

Grund,

weshalb

die

Apprehension des εἶδος nicht in der διάνοια, sondern in der νόησις vor sich geht.

Daß

das εἶδος, das als es selbst das Eine in sich selbst ist,

auch im λόγος prädiziert werden kann, beruht auf seinem diairetischen Charakter, den es als das Eine eines Anderen (ἕτερον ἑτέρου) hat und wodurch es in der χοινωνία τῶν εἰδῶν bestimmt ist. „Wir behaupten, daß das Identische, das als Eines durch die Aussagen auch Vieles wird,

überall, bei allem, was ausgesagt wird, begegnet, immer, von jeher und jetzt. Und dies wird niemals aufhören, noch hat es erst jetzt begonnen, sondern solches ist, wie mir scheint, der Aussagen selbst unsterbliches,

nie alterndes Widerfahrnis in uns‘ (Philebos 15 D 4-8). Die Wahrheit, die sich in der logischen Form des Urteils aussprechen läßt, ist nur

eine

Form

der umfassenden

Wahrheit,

die für Platon

ihr ursprüngliches Wesen im Sein selbst hat. Diese ursprüngliche Wahrheit des Seins, die ἀλήθεια τῶν ὄντων oder πραγμάτων (vgl. Sophistes 234 C 4), umfaßt sowohl die logische Wahrheit des Urteils als auch die

126

Die

Platonische

Noetik

Wahrheit der einsehend-intuitiven Erfassung der Ideen, die nicht im Urteil formuliert werden kann. Wir nennen die Wahrheit des Seins die ontische,

die

Urteilswahrheit

die dianoetische

und

die Wahrheit

der geistig-anschaulichen Ideenerkenntnis die noetische Wahrheit. Insofern dem noetischen und dem dianoetischen Denken jeweils bestimmte ontische Sachverhalte zugrunde liegen, sind die noetische und

die dianoetische Wahrheit Derivate der ontischen Wahrheit. Die Platonische Logik des Urteils impliziert also eine bestimmte Ontologie, die Platon auch als der zureichende Grund dafür gilt, daß

Seiendes in logischer Form erkannt werden kann, also eben als der zureichende Grund für das gilt, was Kant in der Transzendentalen Logik

durch die apriorischen Bedingungen unserer Erkenntnis zu begründen suchte.

Eben

das

erfährt

bei

Platon

eine

zwar

naive),

aber

nichts-

destoweniger sachhaltige Erklärung, die überdies für uns den Vorzug genießt, systematisch wieder äußerst relevant zu sein.! Vor allem aber berücksichtigt sie die Möglichkeit einer nichtlogischen, nichtprädikativen Erkenntnis. Sie beschränkt das Denken nicht auf das logische Denken, sondern bezieht dessen Gültigkeit nur auf denjenigen Wirklichkeitssektor, dessen Struktur der Struktur des prädikativen Denkens gemäß ist. Demgegenüber erscheint ein anders strukturiertes Denken angesichts anders strukturierter Gegenstände geradezu als gefordert und unerläßlich. Es sind also die ontischen Sachverhalte, die hier dem

Denken seine Formen vorschreiben. Für Kant dagegen gibt es, ohne Ansehung der Verschiedenheit der möglichen Gegenstände des Denkens, nur ein wahres Denken: das logische. Die ,,Logik enthält die schlechthin notwendigen Regeln des Denkens, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes stattfindet, und geht also auf diesen, unangesehen der Verschiedenheit der Gegenstände, auf welche er gerichtet sein mag" (KdrV B 76). Auf dem Boden dieses Ansatzes hält Kant auch die Wahrheitsfrage in der traditionellen Formulierung für falsch gestellt, weil sie, auf der Suche nach einem allgemeinen Kriterium der Wahrheit, die Wahrheit des Inhaltes der Erkenntnis im Auge ! Diese Relevanz zeigt sich heute vor allem angesichts der Frage nach der Móglichkeit der logischen Bewältigung der Quantenphysik durch eine mehrwertige Logik. Vgl. zur Sache C. F. v. WEIZSÄCKER, Die Bedeutung der Logik für die Naturwissenschaft; und: Komplementaritát und Logik. In: Zum Weltbild der Physik,

Stuttgart

71958,

266-280

u.

281-331.

Außerdem

sind

zu vergleichen

die

wichtigen Abhandlungen von NıeLs BonHm, Atomphysik und menschliche Erkenntnis, Braunschweig 1958, 23 ff. Zur Problematik der mehrwertigen Logik vgl. auch I. M. BocneNwskri, Formale Logik 467 ff.

Das

Problem

der

Wahrheitssicherung

127

hat, der je nach den besonderen Gegenstánden von Fall zu Fall verschieden ist, mithin gar kein allgemeines Kriterium zuläßt, das unterschiedslos für alle Erkenntnisse gültig wáre, wobei man von allem Inhalte der Erkenntnis

abstrahiere,

also gerade von dem, worauf sich

nach der supponierten Voraussetzung die Wahrheit bezieht. „Da wir oben schon den Inhalt einer Erkenntnis die Materie derselben genannt haben, so wird man sagen müssen: von der Wahrheit der Erkenntnis der Materie

nach

läßt

sich kein

allgemeines

Kennzeichen

verlangen,

weil es in sich selbst widersprechend ist‘ (B 83). Dagegen lassen sich nach Kant für die Erkenntnis der bloßen Form nach Kriterien der Wahrheit

ausmachen,

nämlich die Regeln der Logik. „Denn,

was die-

sen widerspricht, ist falsch, weil der Verstand dabei seinen allgemeinen Regeln des Denkens, mithin sich selbst widerstreitet. Diese Kriterien aber

betreffen

nur

die

Form

der

Wahrheit,

d.i.

des

Denkens

über-

haupt, und sind sofern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkenntnis der logischen Form völlig gemäß sein möchte, d. i. sich selbst nicht widerspräche, so kann sie doch noch immer dem

Gegenstande widersprechen. Also ist das bloß logische Kriterium der Wahrheit,

nämlich

die

Übereinstimmung

einer

Erkenntnis

mit

den

allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit: weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrtum,

der nicht

die Form,

sondern

den

Inhalt

trifft, kann

die Logik

durch keinen Probierstein entdecken“ (B 84). Die formalen Regeln der Logik werden also als die notwendigen Bedingungen des Denkens überhaupt und die Übereinstimmung des Denkens mit diesen Regeln als die negative Bedingung aller Wahrheit betrachtet. Diese Absolutsetzung der logischen Axiomatik und die damit verbundene Restriktion des Denkbegriffs auf das logische Denken widersprechen aber der Verschiedenheit der ontischen Struktur der Gegenstände des Denkens, bedeuten mithin eine Privation der Möglichkeiten der Erkenntnis, die Kant schlechthin mit logischer Erkenntnis gleichsetzt, und zwar zu-

gunsten eines wissenschaftstheoretischen Exaktheitsideals, das in bezug auf den ihm angemessenen Bereich durchaus berechtigt ist, in der Anwendung auf anders strukturierte Wirklichkeiten aber sich einer Grenzüberschreitung, das heißt eines Mißbrauchs der Logik schuldig macht. Man könnte diesen Mißbrauch der Logik auch, in einem veränderten

Gebrauch

nennen. Was

des Kantischen

Terminus,

die Logik

des Scheins

aber schließlich als das Kriterium der materialen Wahr-

128

heit,

Die

also der Wahrheit

Platonische

des Inhaltes

Noetik

der Erkenntnis,

dienen soll, für

den eine „vorher gegründete Erkundigung außer der Logik“ gefordert wird, bleibt problematisch, um so mehr, als diese Gegenstände einer gegründeten Erkundigung ,,hernach . . . in einem zusammenhängenden Ganzen nach logischen Gesetzen“ zu benutzen und zu verknüpfen oder „danach zu prüfen“ sind (B 85). Was

geschieht dabei mit den Gegen-

ständen, bei denen die gegründete Erkundigung ergibt, daß ihre ontische Struktur der formalen Struktur der logischen Axiomatik nicht entspricht? Hier zeigt sich eine von Kant willkürlich gezogene Grenze seiner theoretischen Grundlegung. Platon kommt, bei aller Ungeklärt-

heit des Entscheidungsproblems und der Problematik des Wahrheitsbewußtseins, jedenfalls in diese Verlegenheit nicht, weil er die Formen

des Denkens den Strukturen des Seienden entsprechen läßt und mit der Realisierung der Möglichkeit des noetischen Denkens auch jene Gegebenheiten

erfaßt, die sich dem

Zugriff des logischen, diskursiven

Denkens verschließen. Der ontischen Dignität dieser einfachen Gegebenheiten entspricht die Dignität ihrer Erkenntnis, die, wie wir gesehen haben, darin besteht, immer wahr zu sein. Freilich liegt diesem noologischen Singularısmus auch noch die trivialere Vorstellung zugrunde, daß eine Erkenntnis als Erkenntnis immer nur wahr ist, — sonst liegt eben keine Erkenntnis vor. Aber das Entscheidende ist, daß diese Erkenntnis, die wahr ist, ohne in diesem Sinne der Wahrheit auch falsch sein

zu können, den ontologisch ausgezeichneten Gegenständen vorbehalten bleibt, während die Erfassung der ontologisch tieferstufigen Gegenstände von vornherein und ausschließlich der Alternative von wahr und falsch ausgesetzt ist. Auch bei Aristoteles ist, wie wir sehen werden, die Wahrheit, die nicht in einem symmetrischen Verhältnis zur Falsch-

heit steht, der modale Index der höchsten Erkenntnisform, des noetischen Denkens, das eben damit auf den Anspruch, der von dem Seienden in seiner höchsten Form, dem reinen εἶδος, ausgeht, ant-

wortet. Das Kriterium der Wahrheit des noetischen Denkens ist mit diesem Denken selbst gegeben. Es erfährt seine Letztbegründung durch die Klarheit seiner Einsicht in seinen Gegenstand, - in deutlichem Unterschied zu der Sinneswahrnehmung, die, wie sich im Sophistes zeigte, erst durch die Bindung an den λόγος ihre Rechtfertigung erfährt. Das Grundschema dieses Verfahrens ist schon im Phaidon angelegt, wo es heißt (100 A3ff.), daß bei der Betrachtung der Dinge jedesmal ein

Das

λόγος,

und

zwar

der,

Problem

der

der jeweils

Wahrheitssicherung

als der stärkste

129

erachtet

wird,

zu-

grunde gelegt werden und dann dasjenige, was mit ihm übereinzustimmen scheint, als in Wahrheit seiend gedacht werden soll (vgl. auch Theaetet 186 C 7 — E 5).! Die Frage freilich, was letztlich darüber entscheidet,

welcher

λόγος jeweils

als der ἐρρωμενέστατος

zu gelten hat,

führt in dieselbe Aporie, die in abgewandelter Form auch in der diairetischen Dialektik weiterbesteht. Gleichwohl wird durch die aufgedeckten Tatbestánde die Vermutung nahegelegt, daf Platon die Entscheidungsfrage in letzter Instanz generell durch die Bindung an das noetische Denken beantwortet hat. Von allen móglichen Lósungen des Problems ist diese die am meisten wahrscheinliche.

! Hier wird also die Beobachtung dem Logos eindeutig untergeordnet. Welche Aufwertung dagegen die Beobachtung bei Aristoteles erfahren hat, darüber belehrt am besten GA I' 10. 760 b 30-34, wo Aristoteles zur Frage der Fortpflanzungsweise der Bienen ausführt, daß das vorliegende Faktenmaterial zur Beantwortung dieser Frage noch nicht ausreiche; sollte aber einmal mehr Material vorhanden sein, so müßte man der Beobachtung mehr vertrauen als den Logoi; die Logoi verdienten nur dann Vertrauen, wenn sie den Beobachtungen nicht widerspráchen.

ZWEITER DIE

ARISTOTELISCHE

TEIL

NOETIK

UND

DIANOETIK

ERSTER

ELEMENTE DER

ABSCHNITT

UND

ARISTOTELISCHEN

GRUNDZÜGE LOGIK

DES

URTEILS

1. Die Bestimmungen von Subjekt, Prädikat und Urteil

Nach der Untersuchung der Platonischen Noetik und Dianoetik können wir uns Aristoteles zuwenden. Wir nehmen zu diesem Zweck unsere Analyse seiner Urteilslehre in [Περὶ ἑρμηνείας wieder auf und beschäftigen uns zunächst, bevor wir noch einmal auf das erste Kapitel dieser Schrift eingehen, mit den Bestimmungen von ὄνομα, ῥῆμα und λόγος. Die drei Bestimmungen lauten der Reihe nach: ,,Onoma ist ein Laut, der nach Übereinkunft ohne Zeitangabe und ohne daß ein Teil von ihm eine Bedeutung für sich hat, etwas anzeigt‘ (ὄνομα μὲν οὖν ἐστὶ φωνὴ σημαντικὴ κατὰ συνθήκην ἄνευ χρόνου, NG μηδὲν μέρος ἐστὶ σημαντικὸν κεχωρισμένον 16a 19-21); „Rhema ist das die Zeit Mitanzeigende, dessen Teil nichts für sich bedeutet, und es ist immer

ein

ἑτέρου

das

Zeichen für das, was von anderem ausgesagt wird“ (ῥῆμα δέ ἐστι τὸ προσσημαῖνον χρόνον, οὗ μέρος οὐδὲν σημαίνει χωρίς: ἔστι δὲ τῶν xa λεγομένων

σημεῖον

16b6f.);

„Logos

ist ein

Lautgebilde,

etwas anzeigt, und dessen einzelner Teil auch etwas anzeigt, als einfaches Sagen, aber nicht als Aussage“ (λόγος δέ ἐστι φωνὴ σημαντική. NG τῶν μερῶν τι σημαντικόν ἐστι κεχωρισμένον, ὡς φάσις ἀλλ᾽ οὐχ ὡς χκατάφασις 16 b 26-.28). Das gemeinsame Genus der drei Begriffe ist also φωνὴ σημαντική. Ihre Unterschiede sind die spezifischen Differenzen, die sie zu verschiedenen Arten desselben Genus machen. Als der einfachste Laut, der etwas anzeigt, erweist sich nach diesen Bestimmungen das ὄνομα. das nur Benennungsfunktion hat. Das ῥῆμα bezeichnet zusätzlich die Zeit. Der λόγος schließlich besteht aus Teilen, die je für sich eine Bedeutung haben. Diese Unterschiede werden aber noch weiter ausgeführt. Vom ῥῆμα heißt es, daß es ein Zeichen ist für das von einem anderen Prádizierten (τῶν καϑ᾽ ἑτέρου λεγομένων σημεῖον), und also Zeichen für das, was einem anderen entweder immer und notwen-

dig oder nicht immer und nicht notwendig zukommt oder in entsprechender Weise von einem anderen prädiziert wird. Dem entspricht die

Einteilung der Bestimmungen in xa9" αὑτό und συμβεβηκός, die somit

134

Elemente

und

die Art bezeichnet,

Grundzüge

der Aristotelischen

Logik

des

Urteils

wie diese einem anderen zukommen oder von einem

anderen ausgesagt werden. Danach deckt also der Begriff ῥῆμα die Gesamtheit des von dem Subjekt Prädizierten beziehungsweise Prädizierbaren, das heißt die xa$9" ὑποκειμένου Aeyöueva.t Eine inhaltlich damit identische Bestimmung des Begriffes ῥῆμα findet sich interessanterweise auch in den im Corpus Platonicum überlieferten, schon im Altertum als

unecht verworfenen, aber sicher akademisches Lehrgut wiedergebenden “Definitiones? (öpor),? eine Bestimmung, die dort irrtümlich unter dem Lemma ὄνομα steht. Sielautet:,,... ein unzusammengesetzter sprachlicher Ausdruck zum Ausdruck des von der Substanz? Prädizierten und alles dessen, was nicht von sich selbst ausgesagt wird“ ((övoua) διάλεκτος ἀσύνϑετος ἑρμηνευτικὴ τοῦ τε κατὰ τῆς οὐσίας κατηγορουμένου καὶ παντὸς τοῦ μὴ xx9' ἑαυτοῦ λεγομένου Def. 414 D 4-6). Der Begriff ῥῆμα deckt also, wie bei Platon, den Gesamtkomplex “Prädikat eines Subjekts’, und folglich kann ῥῆμα auch ein Substantiv sein, und da das Substantiv durch den Begriff des ὄνομα bezeichnet wird, kann das ῥῆμα auch ein ὄνομα sein, nämlich wenn dieses im Prädikat steht.* Aber noch

1 Daß der Terminus καϑ' ὑποκειμένου mit Bezug auf alle kategorialen Bestimmungen von Aristoteles gebraucht ist, nicht nur mit Bezug auf die Wesensprädikate, und daß andererseits die Wesensprädikate in ihrer ontischen Entsprechung auch ἐν ὑποκειμένῳ sind, nicht nur die ontischen Entsprechungen der nichtwesentlichen kategorialen Bestimmungen, wobei der Begriff des ὑποκείμενον ein verschiedener ist, das unter der notwendigen Berücksichtigung des jeweils verschiedenen, entweder ontologischen, logischen oder grammatischen Aspekts aufgezeigt zu haben ist nach Zeiten großer Verwirrung das Verdienst von CHUNGHwAn

CHEN,

On

Aristotles

Two

Expressions:

x«9'

ὑποκειμένου

λέγεσθαι

and

£y ὑποχειμένῳ εἶναι. Their Meaning in Cat. 2, 1a 20-b 9 and the Extension of This Meaning, Phronesis 2, 1957, 148-159. Vgl. dazu K. v. Fritz, Once more xa ὑποκειμένου and Ev ὑποκειμένῳ. Phronesis 3, 1958, 72 f. Mit sehr viel weniger Glück, weil unter der falschen Voraussetzung, daß der ontologische Aspekt der Aristotelischen Kategorienlehre immer der entscheidende sei, hat sich L. M. De Ruk, The Place of the Categories of Being in Aristotle's Philosophy, 1952, 46, in dieser Frage versucht. Vgl. dazu die eben genannten Aufsätze, außerdem noch K. v. Fnirz, The Philosophical Review 53, 1954, 600 ff, und jetzt E. ΤυGENDHAT, TI ΚΑΤᾺ ΤΙΝΟΣ. Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprung Aristotelischer Grundbegriffe, Freiburg- München 1958, 38 ff. ? Siehe dazu H. MuTsCHMANN, Vergessenes und Übersehenes, Berliner philo-

logische Wochenschrift 1908, 1328. R. ADAM, Über die unter Platos Namen erhaltene Sammlung von Definitionen, Philologus 80, 1925, 366-376. Ferner J. STEN-

ZEL, RE III A, 1929, 1650, s. v. Speusippos. 3 Substanz hier — Einzelding; vgl. Tim. 35 B 3, wo das Einzelding auch οὐσία heißt. 4 Damit ergibt sich also auch für Aristoteles dasselbe Schema, das wir schon bei Platon vorfanden: Element (= Buchstabe), Komplex (= Silbe), Onoma, Rhema und Logos. Daß dieses Schema auf Demokrit zurückgeht und bei diesem eine allge-

Die

Bestimmungen

von

Subjekt,

Prädikat

und

Urteil

135

in mehrfacher Hinsicht ist das ῥῆμα ein ὄνομα. In der ersten Zusatzbestimmung zur Definition des ῥῆμα wird erklärt, daß das ῥῆμα ein zeitbezügliches ὄνομα ist, „wie zum Beispiel ‘Gesundheit’ ein Onoma ist, dagegen “ist gesund’ ein Rhema, denn es zeigt noch das Jetztvorhandensein mit an“ (16 b 8f.). Also ergibt sich die Gleichung: ὄνομα + Zeitbezüglichkeit — ῥῆμα. In einem weiteren Sinne, den Aristoteles expliziert, ist jedes ῥῆμα überhaupt ein ὄνομα, nämlich fürsich gesprochen, und als solches hat es auch eine bestimmte Bedeutung. Aristoteles begründet diese Feststellung psychologisch: wer sie, die ῥήματα für sich, spricht, bringt sein Nachdenken zum Stehen, das heißt: er kann bei etwas als Inhalt seines Denkens verharren, hat einen Gedanken, und wer sie hórt, verweilt dabei. Aber sie drücken noch nicht

aus, ob das, was sie bedeuten, ist oder nicht ist (16 b 19f.). Damit ist indirekt gesagt, daß sie als Element im Satz, in Verbindung mit einem ὄνομα als Subjekt, Sein oder Nichtsein ausdrücken, was schon die Definition

von

ῥῆμα

impliziert,

wenn

es heißt,

daß

es die

Zeit

mit

anzeigt, was nur möglich ist, wenn es das Sein oder Nichtsein anzeigt, das in der Zeit ist, wie das ‘ist gesund" (ὑγιαίνει) in einem vollständgen Satz das “Jetzt-Vorhandensein’ (τὸ νῦν ὑπάρχειν) der Gesundheit an dem durch das Subjekt des Satzes bezeichneten Menschen anzeigt. Die meine kosmologische Bedeutung gewinnt, hat E. FRANK, Plato und die sogenannten Pythagoreer, Halle1923, 168 ff., nachgewiesen. Vgl. H. DiELs, Elementum. Eine Vorarbeit zum griechischen und lateinischen Thesaurus, Leipzig 1899,13; zum Begriff des Wortes στοιχεῖον bei Platon vgl. 14-23, bei Aristoteles 23-37. E. HoFFMANN, Die Sprache und die archaische Logik 25 ff. J. SBTENZEL, Zahl und Gestalt17. H.LeEise-

GANG, RE XIII, 1926, 1037 ff., s. v. Logos. V. GOLDSCHMIDT, dialectique platonicienne, Paris 1947, 61 ff. W. BunkEnT,

Le Paradigme dans la ZTOIXEION, Eine

semasiologische Studie, Philologus 103, 1959, 167 ff., der jedoch davon ausgeht, daf die Grundbedeutung von στοιχεῖον nicht Buchstabe ist. Darüber hinaus wird auch mit FRANK (98 ff.) die bei Platon und Aristoteles gerade im Umkreis der Eidosspekulation auftauchende atomistische Terminologie (στοιχεῖον, πρῶτον, ἀδιαίρετον, Ev, ἁπλοῦν etc.) als von Demokrit beeinflußt zu denken sein, ebenso wie der logische Atomismus (ἀσύνϑετον, σύνϑετον, σύνϑεσις, συμπλοκή etc.), wie überhaupt der Einfluß des Demokrit auf Platon und Aristoteles auch in logicis nicht unterschätzt werden darf (vgl. FRANK 362; auch Antisthenes wird nicht unbeeinfluDt gewesen sein, FRANK 372). Aber gerade in Anbetracht dieser Sachlage halte ich es für grundsátzlich

falsch,

überall

da,

wo

bei

Platon

und

Aristoteles

die

atomistische

Ter-

minologie begegnet, sofort ein Referat Demokritischer Lehren oder eine implizite Auseinandersetzung mit denselben zu vermuten, da die Begriffe der Demokritischen Terminologie zum guten Teil auch schon vor Demokrit zur philosophischen Kunstsprache gehórten. Unsere Untersuchungen zu dem erkenntnistheoretischen Singularismus zeigen, daß die Voraussetzungen sehr viel komplexer sind und der Hinweis auf die atomistische Logik des Demokrit keineswegs genügt, um die hier

obwaltenden Zusammenhänge aufzudecken.

136

Elemente

und

Grundzüge

der Aristotelischen

Logik

des

Urteils

zeitliche Bestimmtheit impliziert die ontische Bestimmtheit und umgekehrt. Diese wechselseitige Implikation, mit besonderer Akzentuierung der

Zeitbezüglichkeit,

hat

schon

Platon

im Auge,

wenn

er, wie

wir

gesehen haben, im Sophistes 262 D 2f. von der ‘kleinsten und ersten Aussage (262 C 10) sagt, sie gebe bereits Aufschluß “über das Seiende oder Werdende oder Gewordene oder Zukünftige’. Wenn also das ῥῆμα die Zeit mit anzeigt und dies voraussetzt, daß es das Sein anzeigt, so folgt daraus, daß das eigentlichste und ursprünglichste ῥῆμα das

Sein ist, das εἶναι, das auch als in jedem Verbum enthalten gedacht werden muß: ἄνθρωπος βαδίζει ist gleich ἄνθρωπος βαδίζων ἐστί

(Int. 21 b 9f.) und ἄνθρωπος ὑγιαίνει gleich ἄνθρωπος ὑγιαίνων ἐστί (Metaph. A 7. 1017 a 28f.), womit Aristoteles die alte Streitfrage der Sophistik,

ob die eine oder

die andere

Form

die Grundform

des

ge-

dachten Satzes sei, mit einem lakonischen οὐδὲν διαφέρει entscheidet und zugleich deutlich erkennen läßt, daß er auch die Umschreibung mit ἔστι und einem Prädikatsnomen, also einem ὄνομα, als ῥῆμα versteht. In welchem Sinne aber zeigt das ἔστι, sei es als Konstituens des Verbums, sei es äußerlich in Verbindung mit einem Prädikatsnomen,

Sein an? Aristoteles hat uns darüber nicht im Unklaren gelassen, sondern führt im Anschluß an die Feststellung, daß die ῥήματα, für sich genommen, zwar etwas bedeuten, aber nicht ausdrücken, ob es der Fall ist oder nicht, aus: ,, Denn nicht einmal ‘sein? oder “nicht sein? ist Zeichen der Sache, auch nicht, wenn man bloß ‘Sein’ sagt. Denn

an sich ist es nichts, es zeigt nur eine Verbindung mit an, die ohne das Verbundene nicht zu denken ist“ (οὐ γὰρ τὸ εἶναι ἣ μὴ εἶναι σημεῖόν ἐστι τοῦ πράγματος, οὐδ᾽ ἐὰν τὸ ὃν εἴπῃς ψιλόν. αὐτὸ μὲν γὰρ οὐδέν ἐστιν, προσσημαίνει δὲ σύνϑεσίν τινα, ἣν ἄνευ τῶν συγκειμένων οὐκ ἔστι νοῆσαι 16 b 22-25). Das Sein, das das ῥῆμα aussagt, ist danach also kein substantielles Ansichsein, sondern nur die funktionale Beziehung, die zwischen

der

Substanz,

dem Substrat,

dem

ὑποκείμενον, und

den

wesentlichen oder unwesentlichen Eigenschaften, den ἐν ὑποχειμένῳ ὄντα. besteht. Daß das εἶναι kein πρᾶγμα, das heißt keine οὐσία, kein ὄν bedeutet, ist ein erklärtes Lehrstück des Aristoteles, das in direkter

Frontstellung gegen die Platonische Auffassung zu verstehen ist. Für Platon ist Sein ein Genus, das ὄν gehört zu den μέγιστα γένη. und das kopulative ἔστι und οὐκ ἔστι drückt die Teilhabe am Sein und *Nichtsein’ aus, dergestalt, daß es erkennen läßt, daß dieses dies und nicht solches ist. Und da der Begriff des Seins alle Vorstellungen begleitet

Die

Bestimmungen

von

Subjekt,

Prädikat

und

Urteil

137

(τοῦτο [scil. ἢ οὐσία] μάλιστα ἐπὶ πάντων παρέπεται, Theaetet 186 A 2£.), zählt Platon den Begriff des Seins (und Nichtseins), wie die Begriffe der Zahl, der Ähnlichkeit und Unähnlichkeit, Identität und Verschiedenheit, des Schönen und Häßlichen, Guten und Schlechten, zu den xoıva, vermittels deren die Seele die Inhalte der Sinneswahr-

nehmungen

miteinander

verknüpft,

ordnet

aber nicht der Sinnlichkeit entstammen,

und

sondern

beurteilt,

die selbst

auf einer ursprüng-

lichen Tátigkeit der Seele beruhen und so Wissen und Wahrheitserkenntnis allérerst móglich machen (Theaetet 185 C 4—186 E 5). Das Sein ist also bei Platon Gattung und Attribut. Es gehórt zur Beschreibung der Wesenheit eines jeden Seienden. Das aber ist bei Aristoteles erklärtermaßen nicht der Fall. Das Sein ist keine Gattung: τὸ δ᾽ εἶναι οὐκ οὐσία οὐδενί: οὐ γὰρ γένος τὸ ὄν (APo. B 7. 92 b 13f).1 Sein ist nichts außer und neben einem Einzelding oder einer Qualität oder einer Quantität (οὐδὲ τὸ εἶναι παρὰ τὸ τί 7) ποῖον 7) πόσον, Metaph.I 2. 1054 a 17f.). Und folglich ist das in der Kopula ausgedrückte Sein nicht Ausdruck einer alles Seiende umfassenden Gattung des Seins, sondern Ausdruck einer angenommenen oder aufgewiesenen Beziehung, deren Begriff ohne die Verbindungsglieder nicht gebildet werden kann. Die Entmythisierung des Seinsbegriffs war genau die Voraussetzung, die erfüllt sein mußte, um das Problem der Kopula über Platon hinaus

einer weiteren Lösung entgegenzuführen. Platon hatte zwar, wie wir gesehen haben, den ersten entscheidenden Schritt getan, indem er die Identitätsthese widerlegte; aber in einem ganz entscheidenden Punkt war er der Tradition verhaftet geblieben. Was sich in dem ἔστι ausdrückt, galt ihm allgemein und ausschließlich als das öv selber, das eine und alles umgreifende Sein als Gegenstand hinter den sinnlichen Erscheinungen, als Ding an sich. Diese objektive, dinglich-gegenständliche Auffassung des Seins im Unterschied von den vielen einzelnen Seiendheiten,

dem

Seienden,

war

es ja auch

gewesen,

was

als

metaphysisches Vorurteil hinter der Identitätsthese der vorplatonischen Urteilslogiker stand. Mit diesem metaphysischen Vorurteil begegnen wir noch bei Platon rudimentär einem ganz wesentlichen Element des mythischen Denkens, verhältnisse nicht als solche, also ! Die Begründung 998 b 22 ff.

das darin besteht, als Relationen, zu

Beziehungsfassen, son-

dafür, daß ὄν nicht γένος ist, gibt Aristoteles in Metaph.

B 3.

138

Elemente

und

Grundzüge

der

Aristotelischen

Logik

des

Urteils

dern dieselben zu substantialisieren, das heißt konkret dinglich zu fixieren. Das läßt sich an der Geschichte des griechischen Denkens im einzelnen genau aufzeigen, wie es auch in weitem Umfang schon geschehen ist. Das Sein des Parmenides ist der profanierte Gott des Xenophanes

und

was

der Beispiele

mehr

sind für jenen

Prozeß,

den

man mit vollem Recht unter den Titel “Vom Mythos zum Logos’ subsumiert hat.! Es war also Aristoteles, der diesem logischen Mythizismus mit aller Entschiedenheit ein jähes Ende bereitet hat; übrigens, wie man hinzufügen

in

den

muß,

mit einer auffallenden

Ausführungen,

soweit

sie

Kürze

die

und

Selbstverständlichkeit

Urteilslehre

betreffen,

was

darauf schließen läßt, daß man diese Problematik durch den Verzicht

auf die Platonische Form der Ideenmetaphysik als längst und endgültig entschieden ansah; anders läßt sich jedenfalls die Beiläufigkeit,

mit der Aristoteles diese wichtige Problematik berührt, nicht erklären.

Und tatsächlich war ja auch das von Platon durchgeführte Experiment einer Grundlegung der Urteilslehre im Sophistes von der Art, daß Aristoteles ohne systematische Schwierigkeiten den gesamten ideentheoretischen Unterbau, der Platon gänzlich unentbehrlich schien, von dem eigentlich logisch Faktischen trennen konnte, ohne daß für ihn

die Relevanz dieses logisch Faktischen dadurch eine Einbuße erlitten hätte. Das Ergebnis dieser Operation spricht denn ja auch eher für das Gegenteil. Die Lósung des Problems der Kopula ergab sich für Aristoteles mit der Unterscheidung der Kategorien fast von selbst. Sie war für ihn gewissermaßen ein Nebenresultat seiner Kategorienlehre, wie aus seinen eigenen Worten Physik A 2. 185 b 27 ff. hervorgeht, wo er diejenigen tadelt, die glauben, daß vom Sein nur in einer einzigen Bedeutung die Rede sei. Eben damit aber ist der Weg zu seiner Lösung ! Vgl.

zum

Ganzen

sehr

zutreffend

O. APErT,

Platonische

Aufsätze

273:

,,Dies

6v war, Kantisch zu reden, eine Art focus imaginarius, der das Bild eines Gegenstandes zu erzeugen schien, welcher tatsáchlich nicht vorhanden war. Das Unvermögen, des diesem Begriff anhaftenden, mit fast zwingender Gewalt wirkenden Scheines Herr zu werden, kennzeichnet die ganze voraristotelische Philosophie. Die dahin gehórigen Versuche bilden eine wahre Leidensgeschichte, aber doch mit allmählich sich mehrenden Anzeichen langsamer Besserung. DERS. a. a. O. 277: „Soweit man ohne Kritik der Vernunft kommen kann, so weit ist Aristoteles in dieser Sache vorgedrungen. Und das ist kein geringer Ruhm. Aristoteles hat die Logik nicht geistlos gemacht, wie ihm manche Neuern und auch schon manche Akademiker und Neoplatoniker vorgeworfen haben, wohl aber hat er sie ent‚geistert.‘“

Die

Einheit

des

Urteils

139

bereits gewiesen. Der Begriff des Seins ist kein Gattungsbegriff, vielmehr ist er immer schon in seine verschiedenen Bedeutungen, die einzelnen Kategorien, differenziert. Das bedeutet, daß die Kopula ihre wesentliche Bedeutung allererst durch den kategorialen Modus des jeweiligen Prädikats bekommt und daß es in Wahrheit nur ein wirkliches Substrat der Aussage gibt, die erste Substanz, die direkt oder indirekt jedem Urteil zugrunde liegen muß. Damit sind die Ideen Platons automatisch entsubstantialisiert und wieder — wie anfänglich bei Platon selber -- zu Prädikaten möglicher Subjekte im Urteil gemacht. Soweit die logische Konsequenz des Aristotelischen Neuansatzes.

In einem anderen Punkt aber führt auch Aristoteles noch nicht eigentlich über Platon hinaus. Es kommt zwar zu der logischen Unterscheidung des Ist im Existenzurteil und des Ist als Kopula; aber das bedeutet noch keine metaphysische Unterscheidung. Tatsächlich involviert das kopulative Ist bei Aristoteles immer zugleich auch den Bezug

auf Dasein,

Existieren.

Doch

darüber weiter unten.

2. Die Einheit des Urteils

Aus dem zuletzt Ausgeführten ergibt sich, daß das ῥῆμα, nämlich als ἔστι, die Verbindung eines ὄνομα mit einem ὄνομα ist. Indem sich aber eines der beiden ὀνόματα dem ἔστι assımiliert, sei es als Prädikatsnomen,

sei es total, indem

es das ἔστι in sich aufnimmt,

wird es zum

ῥῆμα, das sich mit dem anderen ὄνομα zum λόγος verbindei, womit indirekt auch das ὄνομα definiert ist, nämlich als das, was mit einem ῥῆμα einen λόγος konstituiert, und rücksichtlich der Möglichkeit, daß das ῥῆμα bluß eine Form von εἶναι ist, läßt sich das ὄνομα sogar einfach als das definieren, was mit ἔστιν, Av oder ἔσται einen λόγος bildet oder, wie es Aristoteles formuliert, Wahres oder Falsches sagt, womit Ari-

stoteles begründet, daß die flektierten Nomina keine ὀνόματα sind, sondern πτώσεις ὀνόματος (16a 32 — b 5).! So ist also jedes ὄνομα, in seiner weiteren Bedeutung als Wort gefaßt, mögliches Subjekt eines [VE

! Zur Bedeutungsgeschichte des Wortes πτῶσις vgl. E. SırTıc, Das Alter der Anordnung unserer Kasus und der Ursprung ihrer Bezeichnung als ‘Fälle’, Stuttgart 1931. Neuestens die sich auf Ammonios’ Kommentar zu llepi ἑρμηνείας stützende, sehr überzeugende. Deutung bei H. KoLLeEr, Die Anfänge der griechischen Grammatik, Glotta 37, 1958, 34 ff.

140

Elemente

und

Grundzüge

der Aristotelischen

Logik

des

Urteils

Satzes, das das ῥῆμα erst in seiner Seins- und Zeitbezüglichkeit aktualisiert — und damit zugleich in seiner synthetischen Funktion, ohne die es nicht zum λόγος kommt; und umgekehrt kann jedes ὄνομα, wiederum in seiner weiteren Bedeutung als Wort überhaupt, dadurch, daf) es von etwas ausgesagt wird, zum ῥῆμα werden. Daf) bei dieser primàr logischen Betrachtungsweise von ὄνομα und ῥῆμα der Unterschied von Wortklasse und Hedeteil nicht spruchreif werden konnte und angesichts der Zielsetzung der Untersuchung auch gar nicht gefordert war, liegt auf der Hand.! Wie wird nun jene durch die synthetische Funktion des ῥῆμα gestiftete Einheit des λόγος definiert? Es wurde bereits zu Anfang unserer Untersuchung auf die logische Restriktion hingewiesen, die Aristoteles

im vierten Kapitel von Ilepi ἑρμηνείας in bezug auf die verschiedenen móglichen λόγοι vornimmt. Nur die Aussage, der λόγος ἀποφαντικός oder die ἀπόφανσις, gilt ihm als Gegenstand der Analyse. Dieser wird zunächst, wie sich zeigte, definiert durch den Index des Wahr- oder Falschseins, der seinerseits darauf beruht, daß die Aussage das Zukommen oder Nichtzukommen nach dem Unterschied der Zeit anzeigt. Danach ist die Aussage (λόγος ἀποφαντικός, ἀπόφανσις) entweder, sofern sie einem anderen etwas zuspricht, Bejahung (κατάφασις) oder, sofern sie einem anderen etwas abspricht, Verneinung (ἀπόφασις) (17 a 23-26). Sie ist also das eine der beiden Glieder eines kontradiktorischen Gegensatzes (APo. A 2. 72 a 11ff.). In diesen Grundformen

der xatapacız

und

ἀπόφασις

bildet

die einfache

ἀπόφανσις

die

erste einheitliche Rede: ἔστι δὲ εἷς πρῶτος λόγος ἀποφαντικὸς κατάqaotc, εἶτα ἀπόφασις (17 a 8f.). Ihre Einheit beruht darauf, daß sie nur ein Eines kundtut: ἕν δηλῶν (17 ἃ 16). Diese zunächst harmlos wirkende Formel erweist sich bei näherer Betrachtung als außerordentlich voraussetzungsreich. In ihr ist das ganze Problem der Prädikation auf einen Nenner gebracht, das Problem der Prädikation als logisches und

— als welches es sich schon bei Antisthenes und Platon zeigte - als ontologisches Problem. Wie aber ist diese Formel zu verstehen? In welchem Sinne ist für Aristoteles der πρῶτος λόγος ἀποφαντικός ein ἕν δηλῶν ΕῪ ist es, wenn oder sofern ὄνομα und ῥῆμα nur ein Subjekt und ein Prädikat bezeichnen, das heißt Eins von Einem ausgesagt wird: μία δέ ἐστι κατάφασις καὶ ἀπόφασις N Ev x«9 ἑνὸς σημαίνουσα (18 a 12f.). Wo aber Eines von Vielem oder Vieles von Einem bejaht “πὸ.

! Vgl. STEINTHAL I 243.

Die

Einheit

des

Urteils

141

oder verneint wird, da liegt nicht eine Bejahung oder Verneinung vor, mit der einen möglichen Ausnahme, daß das durch mehrere Wörter Ausgedrückte ein Eines ist (20b 12 ff.). Aber sehr viel häufiger ist das Umgekehrte der Fall, daß die Wörter mehrere Bedeutungen haben, also Homonyme

bezeichnen, was zur Folge hat, daß ein

λόγος, in dem ein solches Wort steht, nicht ein λόγος ist, sondern so viele Aöyoı involviert, wie das nämliche Wort Bedeutungen hat (18a 18 ff.. Deshalb der ständige Hinweis des Aristoteles auf die Pluralität der Wortbedeutungen und die Forderung nach ihrer genauen Unterscheidung. Wie kommt es nun, daß manchmal das durch mehrere Wörter Ausgedrückte ein Eines ist, mehrere Wörter also eine Einheit bilden, oft

aber nicht? Auf diese Frage gibt das elfte Kapitel von [Περὶ ἑρμηνείας eine Antwort, das sich mit den nichteinfachen Aussagen beschäftigt, speziell mit den Fragen, ob mehrere einem Subjekt gesondert zukommende Prádikate von demselben Subjekt auch gemeinsam prädiziert werden kónnen und also dadurch eine im Sinne des λόγος ἕν δηλῶν 'einheitliche Aussage entstehen kann und ob sich andererseits gemeinsame Prädikate auch einzeln aussagen lassen. Ersteres, das uns hier vornehmlich interessiert, ist teils möglich, teils nicht möglich. 50 gelten vom Menschen die Aussagen, er sei ein Lebewesen und er sei zweifüßig, und diese Prädikationen lassen sich zu der ‘einheitlichen’ dritten vereinigen: der Mensch ist ein zweifüßiges Lebewesen. Aber es ist falsch, etwa aus den beiden Aussagen “dieser Mensch ist gut’ und ‘dieser Mensch ist ein Schuster’ als dritte erschließen zu wollen “dieser Mensch ist ein guter Schuster’. Hier erweist sich die gemeinsame Prädikation als unrichtig. Der Satz dagegen “dieser Mensch ist gut und ein Schuster’ ist zwar als Lautgebilde eins, aber nicht im Sinne des λόγος ev δηλῶν. Ir diesem Sinne ist er nicht ‘einheitlich’, sondern enthält mehrere Urteile: φωνὴ μὲν μία, καταφάσεις δὲ πολλαί (20 b 20f.). Der logische Grund für diesen Tatbestand ist das unterschiedliche Verhältnis des Ausgesagten zum Subjekt der Aussage. In allen Fällen, wo die Prädikate nur symbebekotisch von demselben Subjekt ausgesagt werden oder ein Prädikat vom anderen prädiziert wird, in allen diesen

Fällen wird das Ausgesagte nicht ein Eines, kommt

es nicht zu der

Einheit der Prádikate, wie zum Beispiel vom Menschen ‘weiß’ und ‘gebildet’ gelten können, ohne daß deshalb “weiß” und ‘gebildet’ eine Einheit darstellten, eben weil sie dem Menschen nicht wesensmäßig eignen, und auch in der Aussage, daß das Weiße gebildet ist, ist das

142

Elemente

und Grundzüge

der Aristotelischen

Logik

des

Urteils

gebildete Weiße nicht ein Eines, weil das Gebildete nicht wesensmäßig

weiß ist. Aus eben diesem Grunde ist schlechthin (ἁπλῶς) ein guter Schuster. zweifüßiges Lebewesen (21 a 7-16). Nur das von dem Ausgesagten also, begriffs selbst gehört, bildet unter sich besteht auch zwischen dem ὑποκείμενον

also auch der Schuster nicht Dagegen ist er schlechthin ein was zum Inhalt des Subjekteine Einheit. In diesem Falle und dem κατηγορούμενον eine

unmittelbare Einheit, die hier mit ἁπλῶς und x«9" αὑτό. sonst auch mit ὅπερ, wie wir noch sehen werden, akzentuiert wird. Von dem einzelnen

Menschen gilt ἁπλῶς oder χαϑ᾽ αὑτό, daß er Lebewesen und zweifüßig ist, weil der Begriff des Lebewesens und des Zweifüßigen in dem Begriff des Menschen enthalten ist: ἐνυπάρχει γὰρ ἐν τῷ ἀνθρώπῳ τὸ δίπουν καὶ τὸ ζῷον (21 a 17f.). Was von dem Ausgesagten dem Subjekt aber nur symbebekotisch zukommt, bildet unter sich keine Einheit, und entsprechend ist auch die Einheit, die das einzelne

Ausgesagte dieser Art mit dem Subjekt bildet, nur ein ἕν κατὰ συμβεβηκός, wie Koriskos und gebildet (Metaph. A 6. 1015 b 17). Mehrere Urteile dieser Art können, wie sich zeigte, zwar in einem Satz, nicht aberin einem Urteil, das immer nur ein Eines aussagt, vereinigt wer-

den. Wo es geschieht, wo also von einem Subjekt mehrere Prädikate ausgesagt werden oder ein Prädikat von mehreren Subjekten ausgesagt wird, da liegt zwar auch ein λόγος vor, ein εἷς λόγος, aber ein λόγος, der im

Gegensatz zum λόγος ἕν δηλῶν ein λόγος πολλὰ δηλῶν xai μὴ ἕν ist. Und zwar ist er durch Verbindung ein εἷς λόγος : συνδέσμῳ εἷς. wiewohl er seiner Bedeutung nach eine Pluralität von λόγοι darstellt, die nur im Unterschied zu den ἀσύνδετοι in einen λόγος zusammengefaßt sind. In diesem Sinne wird die einfache und die zusammengesetzte Aussage, die ἁπλῇ ἀπόφανσις, οἷον τὶ κατὰ τινὸς T τὶ ἀπὸ τινός, und die ἐκ τούτων συγχειμένη

οἷον λόγος τις ἤδη σύνϑετος, unterschieden (vgl. 17a 8-22). Soweit über die Grundzüge der Möglichkeit der prädikativen Einheit der begriffskonstitutiven Merkmale einerseits und der Einheit der Prädikate mit dem Subjekt andererseits, — was die logische Seite des Problems in Aristotelischer Sicht betrifft. Wie das Problem ontologisch von Aristoteles gelöst wird, werden wir noch sehen. Aristoteles weist Seite des Problems einer anderen Untersuchung zu: „Weshalb

diese aber

“auf Füßen gehendes zweifüßiges Lebewesen? (τὸ ζῷον πεζὸν δίπουν) ein Eines und nicht Vieles ist ... das auszuführen ist Sache einer anderen Untersuchung“ (Int. 5. 17a 13-15). Gemeint ist die *Metaphysik’.

143

3. Der Doppelaspekt der Kopula und das Existenzurteil

Aus dem Vorangehenden erhellt, daß das εἶναι als Prädikat nicht nur rein logische Bedeutung hat. Vielmehr zeigt sich der Doppelaspekt des kopulativen

Seins bei Aristoteles

eben

darin, daß

es immer

auch

die

Bedeutung des Existierens hat, ohne daß es zu einer eindeutigen Unterscheidung gekommen wäre.! Das läßt gerade die Erörterung von εἶναι im Zusammenhang mit ὄνομα und ῥῆμα erkennen. Allein für sich ist das ῥῆμα ‘sein’ ohne gegenständliche Entsprechung, und in Verbindung mit einem ὄνομα als Subjekt bezeichnet es eine Verbindung von Elementen, eine Synthese, das heißt in diesem Sinne drückt es Sein aus, sofern es ein Zusammensein ist. Das war das Ergebnis unserer bisherigen Analyse des Wortes ‘sein’ bei Aristoteles. Dabei ist aber ein entscheidend wichtiges Faktum noch unerwähnt geblieben. Es heißt nämlich von dem εἶναι beziehungsweise ὄν nicht: σημαίνει σύνϑεσιν, sondern: προσσημαίνει σύνθεσιν. Das weist darauf hin, daß die Bedeutung von εἶναι beziehungsweise öv nicht im Synthesissein ohne Rest aufgeht. Auch noch andere Tatbestände weisen in diese Richtung. So dieser, daß das ῥῆμα für sich

ein ὄνομα ist, also in Verbindung wieder mit einem ῥῆμα ein Wirkliches

bezeichnet,

das

so

Substrat

eines

Urteils

ist, was

in dem

zur

Rede

stehenden Fall bedeutet, daß der Begriff des Seins Subjekt eines Urteils werden kann, was ja von Aristoteles ausdrücklich so formuliert wird (Int.

12.

21 b 29;

22 a 8-10).

Und

auch

der

Tatbestand,

daß

die

Kopula als drittes Element des Satzes neben dem prädikativen Nomen als das eigentliche ῥῆμα verstanden wird, verdient in diesem Zusammenhang noch einmal erwähnt zu werden.” Daß der Aristotelische ! Das

gestellt

muß

mit

werden;

Nachdruck

gegenüber

zuletzt J. XENARKIS,

allen gegenteiligen

Essence,

Behauptungen

Being

and

Fact

in Plato:

aus

der

Steresis

fest-

An

Ana-

lysis of one of Theaetetus’ *Koina?, Kant-Studien 49, 1957, 179, 22. — GÜNTHER PaATZzIG verdanke ich den Hinweis, daß der Doppelaspekt, von dem ich oben spreche, auch in Physik A 8. 191 a 33 ff. zum Vorschein kommt durch den Gedanken, daß Seiendes aus nicht schlechthin Seiendem, aber auch nicht schlechthin

Nicht-Seiendem

seienden,

aber

nicht

das

aber

werde;

an

schlechthin

einem sei,

das

Seiende

Seienden

sondern

werde

auftrete,

durch

und

die Steresis

aus

einem

bestimmt

— einem

Nicht-

Seienden,

seı.

Das

das

‘Sein?

ist hier Existenz, das *Nichtsein? die bloße negative Kopula. Trotzdem behandelt Aristoteles beide als *Sein? ohne Differenzierung. Darin zeigt sich Abhängig-

keit von

Parmenides

und

Platon,

denn

so kommt

es dazu,

daf

das Nochnicht-x-

sein von etwas, das x werden kann, ein Mangel an Realität bedeutet. ? |n. dem dunklen und schwerverständlichen Satz Int. 10. 19 b 20 ff.: λέγω δὲ olov ἔστι δίκαιος ἄνθρωπος, τὸ ἔστι τρίτον φημὶ συγκεῖσθαι ὄνομα N ῥῆμα ἐν τῇ

144

Elemente

und

Grundzüge

der

Aristotelischen

Logik

des

Urteils

Begriff des Seins nicht nur ein Relationsbegriff ist, sondern auch materiale Bedeutung hat, das heißt Bestimmung des Seienden als solchem ist,

wird

schließlich

schiedentlich zunächst zu

wie jedes

vollends

deutlich

an

dem

von

Aristoteles

ver-

herangezogenen Existenzurteil. Von diesem Urteil ist sagen, daß es äußerlich dieselbe Struktur aufweist,

andere

Urteil auch,

dergestalt,

daß

ein Subjekt

mit einem

Prädikat in Beziehung gesetzt, also in diesem Fall ein Subjekt mit dem Begriff des Seins zu einer Einheit verbunden wird. “A ist? heißt

\

V

/

»/

/

»

.

dann Aristoteles nach, daß Gattung und spezifische Differenz, die wesentlichen Merkmale, nichts bloß an einem anderen Vorkommendes

(ἐν ὑποκειμένῳ) sind, sondern selbst wieder Ansichseiendes darstellen,

230

Das

noetische

Denken

substantielle Wesenheiten, die als δεύτεραι οὐσίαι gleichwohl καθ΄ ὑποκειμένου (SC. κατὰ τῆς πρώτης οὐσίας) ausgesagt werden. Damit wollen wir diese Stelle der Physik wieder verlassen. ὅπερ begegnet also hier in drei Funktionen. Zum von einem ganz undifferenzierten Begriff des

Unterschied einerseits Seins und andererseits

von dem akzidentellen oder besser symbebekotischen Sein artikuliert ὅπερ hier erstens das reine Ansichsein (τὸ ὅπερ ὄν) in seiner Absolutheit (Parmenides) und in seiner Vereinzelung (Aristoteles). Das Aristotelische Ansichsein ist nicht absolut gesetzt, wie das als das Sein eines bestimmten Ansichseienden, (einer ersten oder zweiten) verstanden. „Denn ‘das Sein an sich’, wenn es nicht das Sein eines

eleatische, sondern also einer Substanz wer versteht denn bestimmten Ansich-

seienden ist?“ (τίς γὰρ μανθάνει αὐτὸ τὸ ὃν εἰ μὴ τὸ ὅπερ ὄν τι εἶναι:

187 a8f.). Das ist Polemik. Sie ist nicht nur gegen Parmenides gerichtet, sondern — das hört man deutlich heraus — auch gegen Platon und die orthodoxen Platoniker. Aristoteles spricht hier in der Form der rhetorischen Frage den Fundamentalsatz seiner Ontologie aus, daß nämlich das Sein kein Genus ist. - Außer dem reinen Ansichsein

bezeichnet ὅπερ hier sodann

das Ansichseiende in Gestalt der ersten

und zweiten Substanz, das für Aristoteles zwar ontologisch von dem reinen Ansichsein nicht verschieden ist, — weil das Ansichsein sich immer nur in einem bestimmten Ansichseienden verwirklicht -, aber

gleichwohl begrifflich (λόγῳ) differiert. Es steht jedoch noch eine Anwendung von ὅπερ aus, die zwar inhaltlich nicht mehr über das schon abgesteckte Bedeutungsfeld hinausführt, aber zur abschließenden Zusammenfassung des Ergebnisses unserer Untersuchung besonders geeignet ist, weil sie die spezielle Funktion dieses Terminus in der philosophischen Kunstsprache des Aristoteles noch einmal scharf beleuchtet.

Zur Bezeichnung des eigentümlichen Wesens einer Sache, für die Aristoteles εἶδος, οὐσία, τί ἐστι, τί ἣν εἶναι, ὅπερ ὃν τι und die übrigen Wendungen gebraucht, dient besonders häufig noch ein anderer Kunstausdruck: εἶναι mit dem Dativ. Dieser viel umstrittene Dativ ist, wie Trendelenburg! und in seiner Nachfolge Schwegler? und andere 1. Das τὸ ἑνὶ elvat, τὸ ἀγαθῷ εἶναι, etc. und das τὸ τί ἣν εἶναι bei Aristoteles.

Mus.

2, 1828, 457 ff.

Rh.

2 Τὸ τί ἐστι, τὸ τί ἦν εἶναι und der Gebrauch des Dativs in der Formel τὸ ἑνὶ εἶναι bei Aristoteles. Excurs I, 1n: Die Metaphysik des Aristoteles, Grundtext und Commentar,

IV,

369 ff.

Die

Bedeutung

von

ὅπερ

231

mit Recht betont haben, ein possessiver Dativ, und eine Wendung wie τὸ ἀνθρώπῳ εἶναι heißt ihrer grammatischen Form nach nichts anderes als “das Für-den-Menschen-Sein’, was bedeutet: das dem Menschen eigentümliche Sein, sein Menschsein als solches.! Dazu setzt Aristoteles

nun noch gelegentlich das ὅπερ: τὸ ὅπερ ἀνθρώπῳ εἶναι. Das ist der Fall in Metaph. [" 4. 1007 a20ff., wo Aristoteles im Zusammenhang der Erörterung des Satzes vom Widerspruch die Gegner dieses Satzes dadurch

ad

absurdum

führt,

daß

er zeigt,

daß

bei

Aufgabe

dieses

Satzes die gegenständliche Wirklichkeit mit aufgehoben wird. Aristoteles sagt: sie heben die οὐσία auf und das τί ἦν εἶναι: ἀναιροῦσιν οἱ τοῦτο λέγοντες οὐσίαν xai τὸ τί ἣν εἶναι. Das τί ἣν εἶναι läßt erkennen, welche οὐσία gemeint ist. Es ist die οὐσία ἄνευ ὕλης, deren logische Elemente in der Definition expliziert werden. Gerade das aber machen die Leugner des Satzes vom Widerspruch unmöglich, da der Inhalt der Definition dem Definiendum nicht zugleich zukommt und nicht zukommt. Indem sie dasselbe demselben in derselben Hinsicht zugleich zukommen und nicht zukommen lassen, heben sie die Möglichkeit überhaupt auf, daß das Sein einer Sache in ihrem Wesen gründet und ihr etwas eben auf Grund dieses Wesens, das heißt notwendig zukommt. Das bedeutet: sie heben die οὐσία, das γένους εἶδος auf und damit zugleich den Inhalt

der Definition, das τί Av εἶναι. Denn kein Prädikat wird von einem Subjekt als Genos oder Eidos ausgesagt, wenn das Prädizierte ihm

auch nicht zukommen kann. Die Folge muß sein, daß man nur zufällige Bestimmungen ansetzen kann und ein notwendiges, aus dem Wesen ableitbares Sein, wie für den Menschen sein Menschsein und sein

Lebewesensein (τὸ ὅπερ ἀνθρώπῳ εἶναι ?; ζῴῳ εἶναι) leugnet. Denn wer

das Wesen einer Sache bezeichnet, sagt, daß diese Sache kein anderes

Sein hat (τὸ δ᾽ οὐσίαν σημαίνειν ἐστὶν ὅτι οὐκ ἄλλο τι τὸ εἶναι αὐτῷ). Wer aber von demselben Subjekt zugleich das Sein und das Nichtsein aussagt, ist gezwungen zu behaupten, daß es von nichts einen Wesensbegriff gibt, sondern alles nur akzidentelle Bestimmung ist, es mithin kein εἶδος gibt, dessen adäquater Ausdruck der Begriff und die Definition wären.

Dann

aber erhebt

sich die weitere

Frage, von wel-

chem Subjekt denn diese Bestimmungen gelten, wenn alles nur akzidentell existiert. Doch hier brechen wir den Gedankengang des Arinn.

! Anders ARPE a. ἃ. O. 18. Vgl. dazu auch E.TUGENDHAT, Ti κατὰ τινός, 1958, 5. 13 ff. und Fr. BASsENGE, Das τὸ ἑνὶ εἶναι, τὸ ἀγαϑῷ εἶναι etc. etc. und das

τὸ τί ἦν εἶναι bei Aristoteles, Philologus 104, 1960, 14-47 u. 201-222. Aufsatz von BASSENGE siehe TUGENDHAT, Gnomon 33, 196]. 705, 1.

Zu

dem

232

Das

noetische

Denken

stoteles ab, den wir für die Beantwortung unserer Frage nach der Bedeutung von ὅπερ bis zu diesem Punkt verfolgt haben. Mit dem Vorangehenden hat sich die eindeutige Bestimmung dessen ergeben, was das Sein des Einzeldinges nach Aristoteles recht eigentlich ausmacht. Es ist das Eidos, das als das Allgemeine des Besonderen das Besondere begründet und es in seinem Dieses-sein bestimmt. Aber das Sein als das Allgemeine ist von dem, worin es sich verwirklicht,

nicht trennbar.

Es ist in und

an dem

durch

es konsti-

tuierten Einzelnen als seine Form, die allein Gegenstand möglicher, auf das Allgemeine gerichteter Erkenntnis ist. Sie ist der ontische Grund seines Seins und Soseins und der Grund seiner Erkennbarkeit, die in dem Erkennenlassen dessen besteht, was das jeweilige Einzel-

ding als dieses mit den gleichartigen anderen Einzeldingen gemeinsam hat und worin es sich zugleich vonallen ungleichartigen Einzeldingen unterscheidet. Das Sein oder die Idee des Einzeldinges ist aber die Einheit des Mannigfaltigen derselben Art oder Gattung oder, wie wir in allgemeiner Kennzeichnung des Sachverhaltes sagen, die Einheit

der

Klasse,!

die

aber,

im

Gegensatz

zu

Platon,

nicht

von

dem

Vielen getrennt, sondern in jedem Einzelnen präsent ist und so sein Wesen ausmacht, das sıch im Erkanntwerden als Inhalt des Wesensoder Substanzbegriffs darstellt, um dann entweder nach seiner klassen-

mäßigen Bestimmtheit, das heißt definitorisch, expliziert oder aber in einer nichtdefinitorischen Aussage nach nichtwesentlichen Eigenschaften des jeweiligen Einzeldinges, dessen Konstituens es ist, prädi! Zur Aristotelischen Klassenlogik vgl. besonders A. WEDBERG, The Aristotelian

Theory of Classes, Ajatus 15, 1948, 299-314. Ferner H. LEISEGANG, Berlin 21951, 221 ff. Vgl. auch H. Ma1ER, II 2, 193: „„Die Lehre von

Denkformen, der Anfangs-

losigkeit und Unvergänglichkeit der idealen Substanzen reduziert sich im Grunde auf die Überzeugung von der Ewigkeit der Arten, bzw. der Stoffe. Und die substantiellen Wesensbegriffe sind in Wahrheit Gesetze der Coexistenz und der Succession, welche in Kräften der konkreten Substanzen wurzeln.“ Vgl. auch zur Sachproblematik E. HusserL, Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phánomenologischen Philosophie I, 8 12: Gattung und Art; Husserliana III 31 f. Außerdem die zutreffenden Ausführungen von J. Mav, Stoische Logik. Ihre Stellung gegenüber der Aristotelischen Syllogistik und dem modernen Aussagenkalkül, Hermes

85, 1957,

147-158.

S. 148:

,, Aristoteles ist trotz seiner Polemik

gegen

die

Ideenlehre ein echter Schüler Platons geblieben. Seine Grunderkenntnis ist die Gattung-Art-Struktur alles Seienden. Diese Struktur läßt sich darstellen als eine Begriffspyramide, bei der der allgemeinste Begriff die Spitze, die speziellsten die Basis bilden. Der kleinste Baustein des Systems ist nun der Begriff, der darum

auch

durch Variable ersetzt wird (AB

usw.); ein Urteil entsteht dadurch,

daß zwei

Begriffe genommen werden und so zu einem Satz zusammengestellt werden, daf dadurch ihre Stellung zueinander in der Begriffspyramide zum Ausdruck kommt.“

Die

Bedeutung

von

ὅπερ

233

ziert zu werden. Daß Aristoteles den Klassenbegriff, im Gegensatz zu Platon, von vornherein an den Naturphänomenen gewonnen und erst nachträglich auch auf andere Gegebenheiten angewandt hat, ist wahrscheinlich.! Daher rührt auch die auffallende Nähe, ja Affinität des Aristotelischen Denkens zur beschreibenden Naturwissenschaft, insbesondere zur Biologie, in der das viele Einzelne bei aller Intensität, mit der man sich mit ihm beschäftigt, letztlich doch nur als das Einzelne eines Allgemeinen in Ansatz gebracht wird, eines Allgemeinen, das man gerade durch die Erforschung des Einzelnen in seiner Geltung für das Einzelne zu bestimmen versucht. An dieser

klassifikatorischen Methode hat sich bis heute nichts geändert. Sie tritt

überall dort sofort in ihre Rechte, wo es gilt, eine neue, bisher unbekannte Gegebenheit in dem Gesamtzusammenhang der Natur zu

lokalisieren, und

das heißt, sie nach ihren allgemeinen Bezügen, von

denen sich ihre Gesetzlichkeit herleitet, zu bestimmen, auch wenn das, in vorläufiger Form, nur erst durch Beschreibung des Typus geschieht, solange bis eine eigene Klasseneinheit in Ansatz gebracht werden kann. Wo das der Fall ıst, wird damit nicht etwa nur arbeits-

hypothetisch Einheit gestiftet, das heißt systematisiert, sondern am Leitfaden des natürlichen Systems jene Gliederung nachgezeichnet, in der sich die natürlichen Einheiten zur Einheit

der Natur zusammen-

fügen. Die so in dem natürlichen System sich dokumentierende Einheitsfunktion der Klasse verliert auch dann nicht ihre Gültigkeit, wenn man an die Stelle der Unveränderlichkeit der Arten ihre Veränderlichkeit setzt. Denn auch dann bleibt die Funktion der Klasse voll gültig, der Begriff der Klasse das leitende methodische Prinzip. Schon die bloße Feststellung der Variabilität der Arten ist ohne die Normfunk-

tion der Klasse schlechterdings unmöglich. Was sich also für Aristoteles als die Substanzialitát

der Klasse darstellte, das hat auch in der

modernen Biologie noch seine — wenn auch nicht mehr metaphysisch bewußt begründete — Entsprechung in der vorausgesetzten Sachgemäßheit des Klassengedankens,

an der Auffassung pus

ablesen

läßt.

eine Voraussetzung,

der Beziehung Zwar

wird

die sich insbesondere

des Einzelwesens zum Gattungsty-

das

Gattungsallgemeine

nicht

mehr

metaphysisch real verstanden, aber der Gedanke der Gattung als eines normativ und dirigistisch organisierten Funktionskreises stimmt ge-

! Vgl. dazu meinen Aufsatz: Das Aristotelische Argument ‘Ein Mensch zeugt einen Menschen’. In: Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag. Frankfurt a. M. 1962.

234

Das

noetische

Denken

rade ın dem methodisch entscheidenden Punkt mit der Aristotelischen Auffassung überein, nämlich in dem Gedanken einer für die gattungsmäßig bestimmten Einzelwesen normativen Einheit. Deshalb der bio-

logische

Charakter

Aristotelische

der

Aristotelischen

Charakter

Klassenmetaphysik

und

der

der Biologie.

6. Zur Aristotelischen Theorie der Definition

Kehren wir nun wieder zu Metaphysik © 10 zurück, so bereitet das ὅπερ εἶναί τι (1051 b 30) keine Schwierigkeiten mehr. Gemeint sind die εἴδη. die in der Weise sind, daß sie das, was sie sind, schlechthin, rein als solches sind, und zwar aktuell sind. Das 1st der Sinn der Worte:

ὅσα δὴ ἔστιν ὅπερ εἶναί τι καὶ ἐνεργείᾳ (1051 b 30 f.), wobei für ὅπερ εἶναί τι auch ὅπερ ὄντα hätte eintreten können, was aber mit Rücksicht auf das dann zu sehr isolierte καὶ ἐνεργεία vermieden ist.! Der folgende Satz: „Doch das Was wird gesucht für sie (sc. in der Weise, daß gefragt wird), ob sie derartiges sind oder nicht‘ (ἀλλὰ τὸ τί ἐστι ζητεῖται περὶ αὐτῶν, εἰ τοιαῦτά ἐστιν T) μὴ (b 32 f.), formuliert die Erwiderung

auf einen

möglichen

Einwand,

der sich im Anschluß

an

die voraufgegangene Behauptung der Irrtumslosigkeit der Erkenntnis der un συνϑεταὶ οὐσίαι auch sofort einstellt, und der sich in die Worte fassen läßt: Wie

kann ihre Erfassung immer

nur wahr

sein, wenn

es

doch auch bei ihnen ein Suchen nach dem τί ἐστι gibt? Die Antwort des Aristoteles (b 32 f.) stützt sich auf seine Theorie der Definition, die im Folgenden unter dem speziellen Aspekt dieser Antwort weiter herausgearbeitet werden soll. Im Schlußkapitel von Metaph. Z macht Aristoteles im Zuge seiner Untersuchung der am Anfang von Buch Z aufgeworfenen Frage τί τὸ ὄν: (= τίς fj oocta)? einen Neuansatz zur Bestimmung der οὐσία, der unmittelbar in unseren Problemzusammenhang hineinführt. Aristoteles bestimmt hier die οὐσία als den inneren Grund für das Sein

eines Dinges, als dasjenige, was dieses Ding zu dem macht, was es ist,

und so die Antwort auf die Frage nach dem Warum (διὰ rt) für das Sein dieses Dinges darstellt. Das ist das faktische Ergebnis dieses Kapitels. Doch sehen wir zu, wie Aristoteles dieses Ergebnis gewinnt.

Ausgangspunkt ist die allgemeine Bedeutung der οὐσία überhaupt als

einer Art von Prinzip und Grund

(ἀρχὴ xoi αἰτία τις). Das führt zu-

| Zu ὅπερ εἶναί τι = ὅπερ ὄντα vgl. Pseudo-Alexander, 2 So richtig ARPE a. a. O. 30.

CAG I 600, 31.

Zur

Aristotelischen

Theorie

der Definition

235

nächst zu einer Erörterung des logischen Gebrauchs der Frage nach dem Warum (διὰ τί). Die Rechtmäßigkeit dieser Frage wird beschränkt auf den Fall, wo das Warum in dem Sinne gesucht wird, daß gefragt wird, weshalb etwas einem anderen zukommt, das heißt warum A B ist. Diese Form der Fragestellung, die nach dem Grund für das

Bestimmtsein von A durch B fragt, heißt τὸ εἰρημένον ζητεῖν (1041 a 13). Davon

unterscheidet

fragt, warum

sich die Fehlform

der Warumfrage,

die danach

etwas es selbst ist (διὰ τί αὐτό ἐστιν αὐτό, a 14). Diese

Frage wird als sinnlos abgewiesen: man kann nur fragen, warum etwas so ist, wie es ist, wenn man schon weiß, daß es so ist. Ein bloßes Warum

wie “Warum ist der Mensch Mensch’ (διὰ τί ὁ ἄνϑρωπος ἄνθρωπος, a 17) führt nicht weiter. Die Antwort

‘Weil er Mensch ist’ erhebt sich nicht

über das schon gewußte, nämlich daß er Mensch ist. Dagegen ist die Frage, weshalb der Mensch

ein Lebewesen von dieser bestimmten Art

ist (διὰ τί &vdpwrög ἐστι ζῷον τοιονδί, a 21), richtig gestellt. Denn sie entspricht der einzig legitimen Form der Warumfrage, die eben lautet:

Warum ist A B?! Nur da, wo einem Subjekt ein von ihm verschiedenes

Prädikat

zukommt,

kann

gefragt

werden,

warum

das

so ist:

„Man

fragt also, warum etwas ζητεῖ διὰ τί ὑπάρχει, 1041 Warum ist nun aber A ist die jeweilige ὕλη von einem Haus oder einem

einem etwas zukommt! (τὶ ἄρα κατά τινος a 23; vgl. a 10 f.; a 25 f.). überhaupt B? Mit anderen Worten: Warum dieser oder jener Bestimmtheit, die sie zu Menschen macht, von dem dieses oder jenes

faktisch

der

gilt? Antwort:

Grund

ist das

τί ἣν εἶναι,

das

εἶδος,

die

οὐσία. Damit ist die zu Anfang des Kapitels (Z 17) neu gestellte Frage nach der Bedeutung von οὐσία beantwortet: sie ist das πρῶτον αἴτιον τοῦ εἶναι (b 28). Das bedeutet, daf) das Sein der οὐσία als des letzten Grundes für die Bestimmtheit jedes Seienden, für seine Quiddität, selbst nicht mehr zum Gegenstand der Warumfrage gemacht werden kann, wenn anders diese Frage, sinnvoll gestellt, immer nur auf ein «t κατά

τινος geht. Die reinen Formen als einfache, unzusammengesetzte Wesenheiten sind nicht mehr Gegenstand dieser Art des Suchens und Mitteilens, sondern einer anderen: φανερὸν τοίνυν ὅτι ἐπὶ τῶν ἁπλῶν οὐκ ἔστι ζήτησις οὐδὲ δίδαξις, ἀλλ᾽ ἕτερος τρόπος τῆς ζητήσεως τῶν τοιούτων (b 9 ff.). Die Unterscheidung, die hier vorgenommen wird, ist die zwischen dem dianoetischen und dem noetischen Denken, und der ἕτερος

τρόπος, von dem hier die Rede ist, ist eben der, der dann in © 10 im ——

—nn



1 Über

APo.

ὅτι ἔστι

B 2 u. 8.

oder

εἰ ἔστι

und

ihr Verhältnis

zu

διὰ τί handelt

Aristoteles

in

236

Das

noetische

Denken

Begriff des ϑιγεῖν zur Sprache kommt, — woraus auch hervorgeht, daß das Kapitel (9 10 an seinem richtigen Ort steht und von vornherein zu der kompositionellen Einheit der Bücher ZH® dazugehört hat. Aber noch etwas anderes ist festzustellen. Bei den Fragen: Warum ist dieses ein Haus? oder: Warum ist dieses ein Mensch? springt etwas heraus, worauf diese im Hinblick auf Einzeldinge gestellten Fragen zunächst gar nicht angelegt zu sein scheinen: das Allgemeine, das alle Einzeldinge derselben Art konstituiert und den Inhalt ihres Begriffes ausmacht. Zugleich ist deutlich geworden, daß das

τί ἣν εἶναι = εἶδος — οὐσία die Antwort auf eine Frage ist — auf die Frage: διὰ τί ὑπάρχει τόδε τῷδε. Wenn nun auch, wie wir jetzt wissen, die Frage nach dem διὰ τί der οὐσία ausscheidet, so bleibt doch noch die τί Eorı-Frage übrig, die

Frage nach der Definition. Dabei ist das Definiendum selbst immer schon vorgegeben, nämlich als νοητόν, als Gegenstand des νοεῖν (ϑιγεῖν), da sonst eben keine Definition stattfindet, das heißt das Definiendum

als solches wird entweder vom νοῦς im Ganzen erfaßt oder überhaupt

nicht, aber es gibt in bezug auf es von seiten des νοῦς kein konatives Verhalten, das dann möglicherweise in die Irre geht. Das ist der Sinn

der Worte © 10. 1051 b 31 £.: ,,In bezug auf diese (die üy-freien εἴδη = μὴ συνϑεταὶ οὐσίαι) gibt es keine Täuschung, sondern entweder Ein-

sehen oder nicht.“ Ein Suchen, die Suche nach dem τί ἐστι. findet hier

nur in dem Sinne der nachträglichen Frage nach der Definition statt, das heißt danach, ob das vorgängig noetisch Erfaßte eigentlich τοιοῦtov! ist oder nicht. Das bedeutet praktisch, wie richtig gesagt worden

ist, ein

„Herumprobieren

mit

Definitionsversuchen‘‘,?2

wobei

in

jedem einzelnen Fall gefragt werden muß, ob Definiendum und Definition austauschbar sind oder nicht. Etwas anderes muß uns in diesem Zusammenhang noch beschäftigen. Ebensowenig wie bei den ÜAN-freien οὐσίαι nach dem διὰ τί gefragt

werden

haben

müßte,

οὐσίαι

nicht

möglich

Form

darf und

kann,

weil

was wegen ist,

die Antwort

normale

der Letztgegebenheit

ebensowenig

darf

bei

ihnen

prädikative

der üAy-freien die

Antwort

! Zu τοιαῦτα Metaph. © 10. 1051 b 32 vgl. Top. A 5. 102 a 31 ff.: γένος δ᾽ ἐστὶ τὸ κατὰ πλειόνων καὶ διαφερόντων τῷ εἴδει ἐν τῷ τί ἐστι κατηγορούμενον. ἐν τῷ τί ἐστι δὲ κατηγορεῖσθαι τὰ τοιαῦτα λεγέσθω, ὅσα ἁρμόττει ἀποδοῦναι ἐρωτηϑέντα τί ἐστι τὸ προκείμενον. καϑάπερ ἐπὶ τοῦ ἀνθρώπου ἁρμόττει, ἐρωτηϑέντα τί ἐστι τὸ προκείμενον. εἰπεῖν ὅτι ζῷον. 2 ARPE

52.

Zur

Aristotelischen

Theorie

der Definition

237

(τοιαῦτα) auf die τί Eorı-Frage als gewöhnliches, von dem Subjekt getrenntes Prädikat aufgefaßt werden. Das Gleiche gilt für das Verhältnis der Teile dieser Antwort, das heißt für die Teile der Definition. Denn die Definition ist zwar ein σύνϑετον, aber ihre Teile, Gattung

und Differenz, werden nicht ἄλλο κατ᾽ ἄλλου prádiziert.! Was ist der Grund für diese Einheit der Definition? Entspricht ihr die Einheit des Gegenstandes

der Definition? Was

Der Ort für die Behandlung

ist der Grund

für dessen Einheit?

dieser Aporien ist Metaph.

Z 12 und

H 6.? In Z 12 wird zunächst nach der Einheit des Gegenstandes der Definition gefragt, also nach der Einheit des ontologischen τί ἦν εἶναι.

Es 1st die Frage, die Aristoteles so formuliert: Weshalb sind eigentlich, gesetzt zum Beispiel, man definiert den Menschen als ζῷον δίπουν, ζῷον und δίπουν eine Einheit (£v) und nicht vielmehr eine Vielheit (πολλά) 7 Bei dem normalen prádikativen σύνϑετον wie ἄνθρωπος λευκός liegt zwar auch eine ontologische Einheit anderer Art. Solange die Elemente dieser teilnehmen, sind sie tatsächlich πολλά, und wenn das eine als Bestimmung am anderen das Weiße Eigenschaft des Menschen wird.

zugrunde, aber sie ist von Einheit nicht aneinander sie bilden erst dann ein £y, vorkommt, das heißt wenn Doch die Teile des in der

richtigen Definition Ausgedrückten stehen nicht im Verhältnis der Teilhabe.

Sie können

nicht πολλά sein, und ihr Zusammensein

halb auch nicht κατὰ μετοχὴν καὶ πάθος statt.

findet des-

Die Frage nach der Einheit des Gegenstandes der Definition erledigt

Aristoteles im Folgenden kurzerhand mit dem Hinweis auf die Einheit

der Definition: die Definition ist eine einheitliche Aussage, weil sie λόγος οὐσίας ist, das heißt begrifflicher Ausdruck der Wesenheit, die ein Eines ist. Mehr erfabren wir hier über die οὐσία nicht. Denn es

folgt als náchstes eine Analyse der Definition, in deren Verlauf dann allerdings wieder die οὐσία zur Sprache kommt. Aristoteles führt aus, daf) die Definition nur aus der obersten Gattung und den Differenzen

besteht, die sich aber auf eine beschränken lassen: die letzte (ἢ διαφορὰ N τελευταία). Denn die vorausliegenden Differenzen sind in ihr enthalten, da jene insgesamt sich zu dieser verhalten wie die Gattung zur 1 Vgl. dazu S. Moser, Zur Lehre von der Definition bei Aristoteles. I. Teil: Organon und Metaphysik. In: Philosophie und Grenzwissenschaften, Bd.VI, H. 2, 1935, Kap. 1: Die Lehre der Topik über das Verhältnis der spezifischen Differenz zur Gattung, S. 5. 2 Zum Literärgeschichtlichen dieser beiden Kapitel vgl. W. W. JAEGER, Studien 53-62. 3 Vgl. Metaph. Z 4. 1030 a 13 f.

238

Art.

Das

Denn jede

noetische

Denken

Differenz wird für die nächstfolgende

zur Gattung.

Deshalb ist nicht nur die oberste Gattung, sondern sind auch die nachfolgenden Differenzen, zusammengenommen, Gattung, woraus erhellt, daß zur definitorischen Bestimmung die Angabe der ersten Gattung und der letzten Differenz genügt. Der zureichende Grund aber für die Einheit der Definition liegt nun darin, daß die Gattung nicht unabhängig von ihren Differenzierungen, den Arten, existiert, sondern nur in diesen, so daß die Definition als

solche schon vollständig charakterisiert ist, wenn sie als der aus den Differenzen sich ergebende Begriff (ὁ ἐκ τῶν διαφορῶν λόγος) bezeichnet

wird. Das Verhältnis von Gattung und Art stellt sich für Aristoteles näherhin in Analogie zu dem Verhältnis von Materie und Form dar.! Hier in Z 12 wird diese Beziehung erläutert an dem Verhältnis des

Lautes (φωνὴ) zu den Elementen der Sprache, den Buchstaben (στοι-

χεῖα). Der Laut als das Allgemeine differenziert sich in die einzelnen, artikulierten Laute, die Buchstaben oder Lautarten. An diesem

Beispiel kommt der üÜAn-Charakter der Gattung besonders sinnfällig zum Ausdruck. Die Stelle (1038 a 5-9) lautet: „Wenn nun die Gattung überhaupt nicht existiert neben den Arten als den Arten der Gattung,

oder

vielmehr:

wenn

sie

zwar

existiert,

aber

als Ma-

terie (der Laut nämlich ist zwar Gattung und Materie, die Differenzen aber machen daraus die Arten, nämlich die Buchstaben), so ist offenbar, daß die Definition der aus den Differenzen sich ergebende Begriff ist." Die Definition besteht also, so gesehen, nur in der Angabe der Differenzen, genauer der letzten Differenz. Diese zu finden setzt voraus, daß man die richtigen Diairesen vornimmt, das heißt nur nach den in der Sache selbst angelegten und nach den spezifischen Unterschieden

teilt, aber nicht ὡς συμβεβηκός." und solange damit fortfáhrt, bis man zu einem ἀδιάφορον, bis zur τελευταία διαφορά gekommen ist. Diese ist dann das Wesen

der Sache und ihre Definition — gemäß

dem logisch-

ontologischen Doppelaspekt bei Aristoteles. Es heißt: φανερὸν ὅτι ἣ τελευταία διαφορὰ 7) οὐσία τοῦ πράγματος ἔσται xa ὁ ὁρισμός (1038 a 19 f.) und: ἐὰν μὲν δὴ διαφορᾶς διαφορὰ γίγνηται, μία ἔσται ἢ τελευταία τὸ εἶδος x«i ἢ οὐσία (1038 a 25 f.). Am Ende dieser Analyse der Definition in Z 12 stehen also wieder die Begriffe εἶδος und οὐσία, die hier in Gestalt ! Vgl. dazu Moser a. ἃ. O. 36 f. 2 Vgl. PA A3. 643b 17 ff., APo.

u. 3, bes.

643

a 27 fi.

B

13.

96 b 35 ff., 5. 91 b 28 ff. und

PA

A2

Zur

Aristotelischen

Theorie

der Definition

239

der τελευταία διαφορά als letztes Glied einer langen Reihe von Diairesen in Erscheinung treten und ein logisches und ontologisches non plus ultra darstellen.! Die Untersuchung über die Einheit der Definition wird fortgesetzt in H 6. Die Einheit der Definition wird hier zunächst einfach be-

hauptet unter Berufung auf die Einheit der Sache. Daraus ergibt sich dann folgerichtig die Frage, weshalb die Sache denn eigentlich, die doch durch mehrere Begriffe definiert wird, gleichwohl ein Eines ist. „Was ist es nun, was den Menschen zu Einem macht, und warum ist er Eins

und nicht Vieles, zum Beispiel ein Lebewesen und ein Zweifüßiges?“ (τί οὖν ἐστὶν ὃ ποιεῖ Ev τὸν ἄνθρωπον, καὶ διὰ τί ἕν ἀλλ᾽ οὐ πολλά, οἷον τό TE ζῷον xal τὸ δίπουν; 1048 al4f.). Auf dem Boden der Platonischen Ontologie läßt sich diese Frage nicht beantworten, da hier, so führt Aristoteles aus, aus den Teilen der Definition selbständige Substanzen

gemacht werden -- ein Lebewesen an sich und ein Zweifüßiges an sich, so daß der Mensch Mensch wäre durch Teilhabe nicht an Einem, sondern an Zweien und er nicht mehr Eines, sondern Vieles wäre. Diese Aporie verschwindet, wenn man statt dessen die Unterscheidung von

Materie und Form auch hier zur Anwendung

bringt, dergestalt, daß

die Gattung als Materie, die Differenz als Form aufgefaßt wird: ,, Wenn

aber, wie wir behaupten, das eine als Materie, das andere als Form,

das eine potentiell, das andere aktuell

ist, dann

dürfte das in Frage

Stehende kein Problem mehr sein‘ (εἰ δ᾽ ἐστίν, ὥσπερ λέγομεν, τὸ μὲν ὕλη τὸ δὲ μορφή. καὶ τὸ μὲν δυνάμει τὸ δὲ ἐνεργεία, οὐκέτι ἀπορία δόξειεν ἂν εἶναι τὸ ζητούμενον, 1045 a 23 ff.). Aristoteles nennt die Materie, die in der Definition das potentielle, gattungsmäßige Element darstellt, die intelligible Materie (ὕλη νοητὴ) — im Unterschied zur sinnlich wahrnehmbaren Materie (ὕλη αἰσθητὴ). Jeder Begriff enthält also ein materielles Moment,

sofern er noch

einen Gattungsbegriff über sich hat,

wie zum Beispiel der Begriff des Kreises den Gattungsbegriff *Flàchenfigur als seine Materie hat. Die spezifische Differenz macht dann aus

dieser Materie das, was der Kreis seinem vollständigen Begriff nach ist. Die Einheit der Sache, das heißt der zu definierenden Wesenheit oder Art, und die Einheit der Definition beruhen also darauf, daß die Gattung die Materie der Differenz und die Differenz die Form der Gattung ist. Was aber keine Materie hat, weder eine intelligible noch eine sinn1 Das Genus als höchster Wesensausdruck in Top. Z 1. 139 a 29, 5. 142 b 27, 143 a 18; dort aber eine andere Fragestellung.

240

Das

noetische

Denken

lich wahrnehmbare, bedarf dieser Erklärung der Einheit nicht, sondern ıst unmittelbar Eins. Der entscheidende Fehler aller anderen Erklärungsversuche für die allein auf diese Weise beseitigten Schwierigkeiten wird von Aristoteles darin gesehen, daß man Materie und Form, Potentialität und Aktualität erst begrifflich trennte und dann nach der Vermittlung suchte, wobei man sich theoretisch unbewältigter Metaphern wie μέϑεξις,

συνουσία und παρουσία bediente, ohne zu erkennen, daß in Wirklichkeit

beides eines und dasselbe ist — dasselbe auf verschiedenen Stufen seiner Entwicklung. Das ist der wahre Grund für die Einheit der οὐσία und

des ὁρισμός."

7. Die Zusammenfassung der Ergebnisse in ‘Metaphysik © 10. 1051 b 33 — 1052 a 4 Im Rahmen unserer Interpretation von Metaphysik © 10 steht jetzt noch die Zusammenfassung der Hauptergebnisse des Kapitels aus, die in dem Stück 1051 b 33 — 1052 a 4 vorliegt. Der dann noch folgende Teil des Kapitels bis zum Schluf) ist ein Nachtrag zu dem in der ersten Hälfte von © 10, speziell in 1051 b 9 f. und 15-17, Ausgeführten, der

sich bei dem Stichwort ἀπάτη in 1052 a 2 nach den kurz vorher erfolg-

ten zusammenfassenden

Bestimmungen

ergab. Daf) es sich nun in der

1 Zur Lehre von der Definition bei Aristoteles vgl. außer den schon genannten Arbeiten von ARPE und Moser auch C. Künn, De notionis definitione qualem Aristoteles

constituerit,

tion

Aristote,

Halle

1844.

H.

RaAssow,

Aristotelis

de

notione

de-

RickEnrT,

Die

finitionis doctrina, Berlin 1843. F. A. TRENDELENBURG, Elementa Logices Arıstoteleae ?1845, 124 ff. E. Essen, Die Definition nach Aristoteles, GymnasialProgramm Stargard 1864. M. D. RorANDp-GossELIN, Les Méthodes de la Définid'aprés

Revue

des

sc. phil.

et théol.

1912,

247 ff. H.

Definition, ?1919. Ders., Die Logik des Prádikats und das Problem der Ontologie, SB Heidelberg XXI 1, 15-236. O. HAMELIN, Le systeme d'Aristote, Paris ?1931, 116 ff. 7. STENZEL, Studien 119-122; Zahl und Gestalt? 126-144, bes. die ,,Bestátigung durch Interpretation von Metaph. Z 12 und H 6** 133 ff., S. 134: ,, Aristoteles geht Z 12 von der Frage aus, die in den Analytica post. B 6. 92a 29 aufgeworfen war: warum die Definition bzw. ihr Gegenstand, die doch aus verschiedenen Teilen bestehen, eine Einheit ist.^ N. HARTMANN, Zur Lehre vom Eidos bei Platon und Aristoteles, Kl. Schr. II 154. A. Usowicz, De Aristotelis circa definitionem doctrina, commentatorum sententiis illustrata, Collectanea "Theologica 1938, 273 ff. Ders., De partitione definitionis apud Aristotelem, Divus Thomas 42, 20,

1939, 1939,

114 ff. 351 ff.

J. M. Le Browp, La définition chez Aristote, Gregorianum Ders., Logique et Méthode chez Aristote, Paris 1939, 149 ff.

H. CHeErnISss, Aristotle's Criticism of Plato and the Academy I, Baltimore ] ff. S. Mansıon, Le jugement d'existence chez Aristote, Louvain-Paris 153 ff.

1944, 1946,

Die

Tat

bei dem

Stück

Ergebnisse

in “Metaphysik

1051 b 33 — 1052

a4 um

© 10’

eine

241

Zusammenfassung

handelt, in der lediglich das Résumé des Kapitels gegeben wird und sonst nichts, ist ein Tatbestand, der immer wieder übersehen worden ist. Die Stelle lautet: ,, Das Sein also als das Wahrsein und das Nichtsein als das Falschsein liegen einerseits dann vor, wenn ein reales Zusammensein vorliegt, — im Falle des Wahrseins, und wenn ein reales Getrenntsein vorliegt, — im Falle des Falschseins; andererseits aber, wenn der Gegenstand ein einfaches, schlechthin Seiendes ist, verhält es sich damit in der angegebenen Weise; wenn das aber nicht der Fall ist, dann handelt es sich nicht um schlechthin Seiendes. Das Wahrsein besteht hier im Einsehen dieser Gegenstánde. Das Falschsein aber gibt es dabei nicht, auch nicht Täuschung, sondern nur die Abwesenheit

der Einsicht

(ἄγνοια), aber nicht im Sinne der Blindheit.

Denn

der

Blindheit würde es dann entsprechen, wenn einer überhaupt nicht das

Vermögen zur Einsicht besáfje.'* (τὸ δὴ εἶναι ὡς τὸ ἀληϑές, καὶ τὸ μὴ εἶναι ὡς τὸ ψεῦδος, ἕν μέν ἐστιν, εἰ σύγκειται, ἀληϑές, τὸ δ᾽ εἰ μὴ σύγκειται, Ψεῦδος: τὸ δὲ Ev, εἴπερ ὄν, οὕτως ἐστίν: εἰ δὲ μὴ οὕτως, οὐκ ἔστιν. τὸ δὲ ἀληϑὲς τὸ νοεῖν ταῦτα: τὸ δὲ ψεῦδος οὐκ ἔστιν, οὐδὲ ἀπάτη, ἀλλὰ ἄγνοια, οὐχ οἵα ἢ τυφλότης: N μὲν γὰρ τυφλότης ἐστὶν ὡς ἂν εἰ τὸ νοητικὸν ὅλως μὴ ἔχοι τις.) Das Schema dieser Zusammenfassung folgt genau der Formulierung des Sachverhaltes in 1051 b 21-23, die das Bindeglied zwischen den beiden Hälften des Kapitels darstellt, indem sie die Verschiedenheit des noetischen Wahrheitsbegriffs vom dianoeti-

schen Wahrheitsbegriff mit der Verschiedenheit der korrespondierenden Seinsbegriffe in Beziehung setzt: Das Wahre und das Falsche ist hier (sc. bei dem Unzusammengesetzten) nicht in der gleichen Weise wie bei jenem (sc. dem Zusammengesetzten). Oder vielmehr: wie das Wahre hier nicht dasselbe ist, so auch nicht das Sein. (οὐδὲ τὸ ἀληϑὲς καὶ τὸ ψεῦδος ὁμοίως ἔτι ὑπάρξει καὶ ἐπ᾽ ἐκείνων. ἢ ὥσπερ οὐδὲ TO ἁληϑὲς ἐπὶ τούτων τὸ αὐτό, οὕτως οὐδὲ τὸ εἶναι.) Wenn also das Sein ein anderes ist, muß auch die Wahrheit eine andere sein; und umgekehrt kann von der Verschiedenheit der Wahrheit auf die Verschiedenheit des Seins

geschlossen werden. Aristoteles hat, wie wir gesehen haben, die zwei

Bedeutungen des Wahrheitsbegriffs und des Seinsbegriffs, um die es ın Metaph. © 10 geht, erklärt und gezeigt, wie sie sich auf das Zusammen-

gesetzte und Unzusammengesetzte verteilen. Denn es ist nicht so, wie Ross (II 278f.) meint, daß zuerst nur die verschiedenen Bedeutungen

des

Wahrheitsbegriffs

erläutert

werden

— bis

1051 b 33,

und

erst hier der Übergang stattfindet zu den verschiedenen Bedeutungen 16

Oehler, Die Lehre

242

Das

noetische

Denken

des Seinsbegriffs, die den Bedeutungen des Wahrheitsbegriffs entsprechen — bis 1052 a4. Diese Interpretation führt in die von Ross selbst aufgezeigte Schwierigkeit, mit dem Stück 1052 a 1-4 fertig zu werden, das sich dann als eine bloße Wiederholung der schon 1051 b 23-33 behandelten Frage nach der Apprehension des Unzusammengesetzten ausnimmt. Ross spielt hier sogar mit der Möglich-

keit einer doppelten Rezension, wenn er diese Annahme auch mit der Begründung:

„but

Aristotle

seems

to

be

often

so

careless

of form

that hypothesis is not necessary“ wieder verwirft. Diese ganze Argumentationsreihe entpuppt sich als eine völlig gegenstandslose Komplizierung

der Sachlage,

wenn

man

das Stück

1051 b 33-1052 a 4 als

die Zusammenfassung der Hauptergebnisse des ganzen Kapitels ver-

steht und erkennt — was unsere Interpretation deutlich zu machen versucht hat -, daß in 1051 b 23-33 nicht nur die Wahrheitsfrage und dann in 1051 b 33-1052 a 4 die Seinsfrage behandelt wird, sondern daß beide Fragen — wie das der Sache nach auch gar nicht anders móglich ist — in diesem Abschnitt diskutiert werden.

Was schließlich die Interpretation von 1051 b 34-35 betrifft, so ist zunächst festzustellen, daß das ἕν μὲν... τὸ δὲ Ev nicht mit Tiefsinn zu belasten ist, wie das von den Erklärern immer wieder versucht worden ist.! In Wirklichkeit gehört diese Gegenüberstellung zu den

im Aristotelischen

Sprachgebrauch

üblichen

Einteilungs-

bzw.

Auf-

zählungsschemata und bedeutet nichts anderes als: erstens ... zweitens; einerseits ... andererseits.? In diesem Sinne gebraucht Ari-

stoteles £v uàv . . . £v de zum Beispiel in EN

Z 2. 1139 a 6 ff. und Pol.

I' 15. 1285 b 3? ff; und in Pol. A 15. 1300 a 12 ff. lautet das Schema:

ἕν μὲν... δεύτερον δέ... λοιπὸν δέ. Das ἕν uev... τὸ δὲ ἕν in Metaph. Θ 10 ist also so zu fassen, wie es schon Pseudo-Alexander

nämlich als ἕνα μὲν τρόπον... ἄλλον δὲ τρόπον. ! Zuletzt

von

J. v. D. MEULEN,

Aristoteles,

Die

Mitte

in seinem

getan hat,?

Denken,

Mei-

senheim/Glan 1951, 200, 1, und W. Manx, The Meaning of Aristotle’s *Ontology?, The Hague 1954, 117 f. 2 L. M. De Rr, The Place of the Categories of Being in Aristotle's Philosophy 22 bemerkt richtig: „The words ἕν μέν (b 34) and τὸ δὲ ἕν (b 35) act as an appositio distributiva on the subject of the phrase (τὸ δὲ εἶναι ὡς τὸ ἀληϑές, καὶ τὸ μὴ εἶναι ὡς τὸ ψεῦδος, b 33-34). In der Anmerkung dazu verweist DE Rrijk auf die *Divisiones Áristoteleae, wo der Gebrauch dieser appositio distributiva auffallend häufig ist. Zum Überblick über die bisherigen Lösungsversuche bezüglich unserer Stelle vgl. auch noch die folgende Seite bei De Rijk (23) und Ross 11?278. CAG I 600, 39 und 601, 3.

Die

Ergebnisse

in “Metaphysik

© 10?

243

Was aber die Bedeutung des zweimaligen σύγκειται angeht, so ist zu bemerken, daß σύγκειται hier, wie auch im ersten Teil von © 10, nicht auf das Zusammensein der Begriffe im Urteil geht, was im Falle des μὴ σύγκειται beim ψεῦδος ja so, das heißt in dieser unvermittelten Form, keinen Sinn ergäbe, da auch das falsche Urteil ein Zusammensein

der

Begriffe darstellt, sondern es geht auf das Zusammensein bzw. Getrenntsein in der gegenständlichen Wirklichkeit, weshalb zu σύγκειται und un σύγκειται als Subjekt τὰ πράγματα hinzuzudenken ist. Man muß hier ständig die ontologische Differenz zwischen dem Sein als Wahrsein und dem

Unterschiede

wischen.

eigentlichen, realen Sein im Auge behalten,

da sich die

sonst

zu einem

undurchsichtigen

Durcheinander

ver-

Außerdem

ist daran

zu

in

nur

erinnern,

daß

1051 b 33-35

von der Wahrheit und Falschheit des positiven Urteils die Rede ist, was hier in der Zusammenfassung als Beispiel für die Wahrheit und Falschheit des Urteils überhaupt auch genügt.! Die Stelle besagt: das Wahrsein

besteht bei der Bejahung,

insofern sie wahr ist, in der

Bejahung des in der Wirklichkeit der Dinge Verbundenen (ovyxeiuevov),

und das Falschsein, insofern sie falsch ist, besteht bei ihr in der posi-

tiven Verbindung des in der Wirklichkeit der Dinge Getrennten (un συγκείμενον). Es ist auch falsch, das σύγκειται auf die Übereinstimmung der Urteilsmaterie mit dem Substrat des Urteils zu beziehen, wie das Pseudo-Alexander tut: ei σύγκειται ὁ κατηγορούμενος τῷ ὑποκειμένῳ καί φαμεν αὐτὸν συγχεῖσϑθαι, τοῦτό ἐστιν ὃν τὸ ὡς AANDEG.? In dieser Bedeutung kommt συγκεῖσθαι bei Aristoteles nicht vor. Was schließlich das zweimalige οὕτως (1051 b 35 u. 1052 al) betrifft, so verweist

es hier

auf nichts

anderes

als auf den im Vorher-

gehenden erklärten Modus des Wahrseins (und des “Falschseins’) der unmittelbaren Apprehension des Unzusammengesetzten, Einfachen, der im Folgenden noch einmal, 1052 ἃ 1—4, zusammenfassend beschrieben wird, was jedoch nicht dazu berechtigt, das οὕτως darauf zu beziehen,? zumal sich auch sonst οὕτως zumeist auf das Vorher-

gehende bezieht. Ebenso

unrichtig aber ist es, οὕτως auf ὄν zu beziehen, wie das mit

verschiedener Interpunktion seit Pseudo-Alexander geschieht. Vielmehr bezieht sich οὕτως auf das Subjekt des ganzen Satzes: τὸ 971 ! 2? 3 4 16*

Vgl. Maıer I 20, 3. CAG I 601, 1 f. So SCHWEGLER IV 188. Statt δέ, wie Christ richtig konjiziert.

244

Das

noetische

Denken

εἶναι ὡς τὸ ἀληϑὲς καὶ τὸ μὴ εἶναι ὡς τὸ ψεῦδος und meint also, wie gesagt, den Modus des Wahr- und Falschseins, wenn ein Unzusammengesetztes vorliegt!: εἴπερ 6v, was Pseudo-Alexander richtig mit ἄνπερ ἐστὶν ἁπλοῦν paraphrasiert.? Im Text ist unter Berücksichtigung des zu ὅπερ εἰναί τι (1051 b 30) von uns Ausgeführten εἰ ὅπερ ὄν statt εἴπερ ὄν zu lesen. Der Sinn der Stelle ist jetzt nicht mehr zweifelhaft: andererseits, nämlich wenn ein Einfaches, Unzusammengesetztes, schlechthin Seiendes vorliegt, ist das Wahrsein und das Falschsein in der angegebenen Weise; wenn es aber nicht in der angegebenen Weise

ist, dann liegt kein schlechthin Seiendes (ὅπερ ὄν) vor. DE

! Es 1st deshalb ein Irrtum, Rrijk 23 annimmt. ? CAG I 601, 4.

anzunehmen,

οὕτως stünde nur für ὡς ἀληϑές, wie

FÜNFTER

DIE VON

KOMPLEMENTARITAT

NOETISCHEM UND

DAS

ABSCHNITT

UND

PROBLEM

DIANOETISCHEM DES

DENKEN

BEWUSSTSEINS

1. Die Übereinstimmung des Gedachten mit dem Seienden Fragen wir nun nach den Grundzügen,

die die Aristotelische Lehre

von der Wahrheit bestimmen, so ergibt sich folgendes Bild. Diejenige Wahrheit, die mit der Falschheit in einem symmetrischen Verhältnis steht, die dianoetische Wahrheit, ist eine Qualität des verbindenden und trennenden Denkens und findet ihren Ausdruck im gedachten Urteil und in der mündlichen und schriftlichen Aussage. Im Sinne dieser Wahrheit sind das Element des Urteils und das einzelne gespro-

chene oder geschriebene Wort ebenso wie das einfach Wahrgenommene

als bloßer sinnlicher Eindruck weder wahr noch falsch. Neben dieser alternativen Wahrheit aber gibt es noch eine andere Wahrheit, für die es den Gegensatz der Falschheit nicht gibt. Diese Wahrheit ist die

Qualität zweier, ihre Gegenstände unmittelbar erfassenden Erkenntnis-

formen, der einfachen sinnlichen Wahrnehmung und des intuitiven, noetischen Denkens, und insofern diese Erkenntnisformen mit ıhren Inhalten eins sind, ist die Wahrheit in diesem Sinne eine Bestimmung, die sich zugleich auf eben diese Inhalte bezieht, in bezug auf welche

eine positive Täuschung nicht möglich ist. Im Unterschied davon läßt der Inhalt des dianoetischen Denkens, das διανοητόν, eine solche Täuschung zu. Er ist falsch, wenn ihm nichts Reales entspricht, das heißt

wenn der bestimmten Verbindung der Urteilselemente kein reales Verbundensein in der Wirklichkeit korrespondiert, wobei das reale Nichtverbundensein von der Art sein kann, daß es ein momentanes oder

aber ein notwendiges, immerwährendes ist, wie zum Beispiel bei der Diagonale in bezug auf die Kommensurabilität, die sie notwendig ausschließt, weshalb ein Urteil, das von der Diagonale die Kommen-

surabilitát prädiziert, falsch ist, und wenn man sagt, daß eine bestimmte

entsprechend verhält cs sich, Person in diesem Augenblick

sitze, ohne daß es in Wirklichkeit der Fall ist. Diese Bestimmung

der

246

Die

Komplementarität

und

das

Problem

des

Bewußtseins

Falschheit bezieht sich natürlich nicht auf die Form, sondern auf die Materie des Urteils. Sie besteht in der Nichtübereinstimmung des Vorgestellten mit dem realiter seienden Sachverhalt. Eine solche Nichtübereinstimmung liegt faktisch auch dann vor, wenn die Vorstellung zwar auf etwas Reales zurückgeht, aber kein zutreffendes

Abbild des Realen ist, folglich teilweise oder ganz ein Nichtseiendes

darstellt, indem entweder eine Sache anders erscheint als sie in Wirklichkeit beschaffen ist, oder als das erscheint, was in Wirklichkeit nicht existiert. Beispiele dafür sind das Schattenbild und das Traumbild. Auch das Traumbild, selbst wenn es als Ganzes reine Fiktion ist, setzt sich doch wenigstens noch aus Elementen zusammen, die ihre realen Entsprechungen haben, wenn sich auch deren Abbilder im Traumbild in einer von der Wirklichkeit abweichenden Form assoziativ zusam-

menfügen. Aber darauf kommt es bei dem Beispiel mit dem Traum gerade an. Es ergibt sich von hier aus eine interessante Parallele zu der Traumanalyse des Descartes in der Ersten Meditation, die freilich nicht in allen Konsequenzen ausgezogen werden darf, aber gerade für das Verständnis des eben berührten Punktes einigen Aufschluß gibt.? Die Anwendung der Begriffe Wahrheit und Falschheit nicht nur auf das dianoetische Denken, sondern auch auf dessen Inhalt, das heißt auf die Urteilsmaterie, ist sehr viel weniger befremdlich, als es

den meisten Interpreten erscheint. So wie das noetische Denken mit

seinem Inhalt eins ist, dadurch die Bestimmung der Wahrheit auch auf diesen übertragen wird, so auch beim dianoetischen Denken, so daß nicht nur das Urteil wahr oder falsch ist, sondern auch das, was wahr oder falsch gedacht ist. Dabei gilt aber beide Male, bei der

διάνοια und beim διανοητόν, derselbe Wahrheitsbegriff, und es ist nicht

etwa

so,

daß

bei

dem

διανοητόν,

der

Urteilsmaterie,

ein

anderer

! Vgl. dazu und zum Folgenden Metaph. A 7. 1017 a 31-35 u. 1024 b 17-1025 a 1. Darüber zuletzt DE RıJk 19 ff. unter Bezugnahme auf die * Divisiones Aristoteleae? 50, 6-16 (MUTSCHMANN). 2 Man

wird

Ross

I 345 in dem, was er über das Traumbild

bemerkt

(,,the dream

is nothing if not a state of mind'*), nicht ohne weiteres zustimmen können. Der Traum ist sehr viel mehr als ein Zustand des Geistes. Mindestens durch seine Kompositionselemente bleibt auch das phantastischste Traumbild gegenstandsbezogen. Über den Traum als ein Bewußtwerden des Unterbewußtseins, den Traum, in dem der “tierische und wilde?’ Teil der Seele ohne die Herrschaft des vernünftigen Seelenteils sich selbst überlassen ist und gewissermaßen zu sich selbst kommt, indem

er erwacht

bestimmte

und

‘den

Schlaf

abschüttelt?,

währenddessen

Seelenteil im Schlaf verharrt, siehe Platon,

der

zur

Herrschaft

Politeia Θ 571 C ff.

Die

Übereinstimmung

des Gedachten

mit dem

Seienden

247

Wahrheitsbegriff gültig wäre, nämlich diejenige Fassung des Wahrheitsbegriffs, die für das noetische Denken in Anspruch genommen und als die ,,weitere Fassung‘ des Wahrheitsbegriffs der „engeren“ gegenübergestellt wird.! Das ist schon deshalb nicht möglich, weil die noetische Wahrheit ohne Gegensatz ist, die dianoetische Wahrheit da-

gegen in der dianoetischen Falschheit ihr negatives Pendant hat. Es ist

auch

falsch, die gegensatzlose

Wahrheit

als ‚‚uneigentliche,

auf einer

Übertragung des ursprünglichen Wahrheitsbegriffs, dessen eigentliches

Anwendungsgebiet das Urteil ist, beruhende'* anzusehen oder gar ,,aus-

zuscheiden'*.? Überhaupt ist es historisch und systematisch unrichtig, das Verhältnis des dianoetischen Wahrheitsbegriffs zu dem noetischen Wahrheitsbegriff durch die Gegensatzpaare ‚ursprünglich und abge-

leitet (übertragen,

verändert)‘,

„weiter

und

enger“,

„eigentlich

und

einer einheitlichen, absolut

ein-

uneigentlich" bestimmen zu wollen. Unsere Untersuchung hat gezeigt, daß der erkenntnistheoretische Singularismus seine eigene Geschichte hat und

daß

die Lehre

von

fachen, weder analytischen noch synthetischen Denkform sofort da begegnet, wo auf die Apprehension des Einen, einheitlich Gegebenen, schlechthin Einfachen reflektiert wird und infolgedessen auch die bei Platon und Aristoteles bereits stark durchreflektierte Unterscheidung der noetischen und dianoetischen Erkenntnis nicht ohne eine Vorgeschichte ist. Aber abgesehen von der historischen Genesis dieses Problembestandes ist es ja sachlich so, daß das Denken nicht bei der einheitlichen noetischen Erfassung des Gegenstandes stehenbleibt, sondern das noetisch Gegebene im Urteil expliziert und damit in den Bereich möglicher Falschheit transponiert. Das bedeutet: das νοητόν wird zum Gegenstand der διάνοια, wird bejaht und verneint und wird dadurch ein διανοητόν.3 Und das ist auch unbedingt gefordert. Denn erst durch die Bestimmung in Urteilen kann das νόημα ein Bestandteil des diskursiv aufweisbaren und nachprüfbaren Wissens werden. Was zu dem νόημα, als notwendige Bestimmung

dazugehört, ist das immer mit ihm

Verbundene, was aber das νόημα notwendig ausschließt, ist das immer

von ihm Gesonderte. Dieser Tatbestand legitimiert die Aussage: ,,Das-

jenige, was immer beisammen ist und unmöglich getrennt werden kann, ist nichts

anderes

1 So MAIER I 13. 2 MAIER I 13.

3 Metaph.

als der Begriff,

I’ 7. 1012 a 2f.

der Begriff freilich unter

dem

Ge-

248

Die

sichtspunkt Urteile hat

Komplementarität

und

das

Problem

des

Bewußtseins

des Urteils betrachtet. Und die Wahrheit der zeitlosen zur Grundlage den ewigen, einfachen Begriff.““! Diesem

ewigen, einfachen Begriff entspricht in der Wirklichkeit die un συνϑετὴ ovota,deren Teile nicht real, nicht ἔργῳ, sondern nur λόγῳ teilbar sind — im Gegensatz zur συνϑετὴ οὐσία. Daß aber für diese beiden Grundformen

der

schiedene

Gegebenheit

zwei

Wahrheitsbegriffe

verschiedene

angesetzt

Denkformen

und

zwei

ver-

werden, ist bereits eine Kon-

sequenz dieses ontologischen Ansatzes und keine willkürliche Konstruktion, in der das eine aus dem anderen ‚abgeleitet‘ ist und als „uneigentlich” ausgeschieden werden kann. Vielmehr stehen das noetische und das dianoetische Denken ebenso wie der noetische und

der

dianoetische

Wahrheitsbegriff

ausgesprochenermaßen

in

einem

Komplementärverhältnis zueinander. Zwar ist es richtig, daß beide Wahrheitsbegriffe ‚ihren Maßstab an der Übereinstimmung des Gedachten mit dem Realen‘ haben,? aber nicht so, ,,daf) dieser Maßstab

im eigentlichen

Sinne nur an diejenigen

Denkakte

angelegt

werden

darf, welche selbst einen Hinweis auf die Wirklichkeit einschließen‘‘,3 d.h. die Urteile. Denn es ist für Aristoteles eben nicht so, daß allein im Urteil „unmittelbar die Relation zu einem Realen enthalten 151.* Das ist für Aristoteles in viel höherem Grade beim Begriff der Fall,

dessen Gegenstand

es gerade ist, der den νοῦς zur νόησις sollizitiert.

Hier ist nicht erst eine nachträgliche ‚„‚Vergleichung des Gedachten mit dem Wirklichen, die Beziehung des ersteren auf das letztere"?

nötig, um das Gedachte wahr nennen zu können. Diese Beziehung ist immer schon in dem noetisch Gedachten enthalten und bedarf keiner Kontrolle. Gerade darin besteht das Eigentümliche und Auszeichnende der noetischen Denkform, die eo ipso gegenstandsbezogen ist. Dazu bedarf es nicht erst des Urteils beziehungsweise der dianoetischen Denkform. In Wirklichkeit ist die Art der Übereinstimmung in

beiden Fällen entsprechend ihrer Verschiedenartigkeit

eine verschie-

dene. Davon also, daß erst im Urteil zu der gegensatzlosen Wahrheit das hinzukommt, was sie zu der „Wahrheit im eigentlichen Sinne‘“® macht, kann aus den angegebenen Gründen keine Rede sein. Mit dem zuletzt Berührten aufs engste verknüpft ist das Problem, wie sich für Aristoteles die Frage nach dem Kriterium der Wahrheit stellt und wie er sie beantwortet. Diese Antwort muß gemäß den 1 MAIER I ? MAIER I

22. 23.

3 MAIER I 23 f. 4 MAIER I 24.

5 MAIER I 6 MAIER I

13. 24.

Die

Übereinstimmung

beiden Wahrheiten

des Gedachten

mit dem

Seienden

249

eine doppelte sein. Es hat sich gezeigt, daß Ari-

stuteles, wie Platon, das fertige Urteil als Ergebnis eines Denkaktes betrachtet, und zwar des dianoetischen Denkens, das sich in den synthetisch-diairetischen Funktionen vollzieht. Durch sie zeitigt das

Denken als subjektiver Akt jene Ergebnisse, in denen die objektive Wahrheit und die objektive Falschheit beschlossen sind, die die Denkgebilde als mit der gegenständlichen Wirklichkeit übereinstimmend oder

nicht übereinstimmend

charakterisieren.

Wie ist aber die

Über-

einstimmung zwischen dem Ergebnis des subjektiv-psychischen Denkaktes und einem gegenständlich Seienden überhaupt möglich, zumal das Denken in der synthetisch-diairetischen Funktion eine Bewegung vollzieht, die in der Wirklichkeit gänzlich ohne Entsprechung ist? Das ist im Prinzip die gleiche Frage, die später Kant mit dem Obersten Grundsatz, daß die Bedingungen der Möglichkeit der Erfahrung überhaupt zugleich Bedingungen der Möglichkeit der Gegenstände der Erfahrung seien, beantwortet hat (KdrV B 197). Aristoteles hat diese Frage, auf die Platon von den Voraussetzungen

eine Antwort

seiner Ideenlehre aus

gegeben hat, undiskutiert gelassen und damit zugleich

auch das mit dieser Wahrheitssicherung.

die Übereinstimmung

Frage in dieser Form Aristoteles läßt die

des Gedachten

verbundene Problem der Wahrheit einfach durch

mit dem gegenständlich

Wirk-

lichen gesichert sein, die Übereinstimmung, die beim noetischen Denken als unmittelbar gewiß und beim dianoetischen Denken als

durch

die Erfahrung

nachprüfbar

gedacht

wird,! was

zum

Beispiel

im Zusammenhang des Beweises für den ersten unbewegten Beweger Arıstoteles dazu veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß die Existenz des πρῶτος οὐρανός nicht nur durch schlußfolgernde Überlegung erweisbar, sondern auch für die sinnliche Wahrnehmung offenbar sei.? Was nun die sinnliche Wahrnehmung im Bereich der sinnlich erfahrbaren Welt ist, das ist das noetische Denken im Bereich der geistig erfahrbaren, einsichtigen Welt. Die Wahrnehmung und das Einsehen sind für Aristoteles so die Kriterien der Wahrheit und die Korrektive der Erkenntnis. Von dem einfachen sinnlich Wahrgenommenen und dem ! Diese nachträgliche Feststellung der Richtigkeit eines Urteils ist zu unterscheiden von der subjektiven Überzeugung, die der Urteilende von der Richtigkeit seines Urteils hat. Aristoteles nennt diese das Urteilen begleitende Überzeugung oder die subjektive Evidenz πίστις, die Gewähr. Vgl. dazu die Stellen bei MAIER

I 103,

1 u. 2.

? Vgl. K. OEBrER, Der Philologus 99, 1955, 80.

Beweis

für

den

unbewegten

Beweger

bei

Aristoteles,

250

Die

Komplementaritàt

einheitlichen

noetisch

die normative

und

das

Gegebenen

Maßgeblichkeit

Problem

empfängt

des

das

Bewußtseins

diskursive

für seinen aktuellen Vollzug.

Denken Aber

der

umfassende Bezugspunkt dieser Kriterien ist bei Aristoteles die allgemeine Übereinstimmung der Menschen, der Consensus omnium. Darin unterscheidet er sich grundsätzlich von Platon, und aus diesem Grunde stellt sich für Aristoteles auch die Begründungsfrage anders als für Platon.!

Der Unterschied schließlich zwischen der subjektiv-psychischen Seite

am Urteil und dem Urteil als objektiver, logischer Gegebenheit, den Aristoteles mit der größten Genauigkeit beachtet, ist, wie wir gesehen haben, das Ergebnis der methodischen Abschirmung der einen Seite

des Urteils von der anderen, also der Trennung jener beiden Seiten, die das Urteil in seiner Ganzheit, das ist in seiner psychischen und logisch-ontologischen Faktizität bestimmen. Denn ohne die psychische, synthetisch-diairetische Funktion des Denkens kommt es nicht zu der logischen Gegebenheit fertiger Synthesen und Diairesen, das

heißt, im engeren Sinne dieser Begriffe, zu Bejahung und Verneinung und, im weiteren Sinne, insofern diese Begriffe das Wesen des Urteils

überhaupt

bezeichnen, zu Urteilen. Außerdem

aber bleibt auch das

fertige Urteil an die subjektive Funktion des dianoetischen Denkens gebunden, ist dessen Inhalt, der zwar ein gegenständlich Wirkliches richtig darstellen kann, gleichwohl aber ein Gedanke ist. Als Logiker interessiert sich Aristoteles nur für den in diesen Gedanken eingeschlossenen logischen Tatbestand. Aber seine erkenntnistheoretische

und psychologische Betrachtung des Urteils zeigt, in welchem Umfang

er das Urteil auch als Phänomen des Bewußtseins gesehen hat. Als Phänomen des Bewußtseins ist das Urteil ein Stück jener zweiten Wirklichkeit, die das Bewußtsein für uns ist. 2. Die von Platon und Aristoteles erreichte Bewufitseinsstufe und die Grenzen ihrer Phänomenologie des Bewufitseins In der

Reihe

der

Ergebnisse

unserer

Untersuchungen

betrifft

das

der Sache nach erste und grundlegende Ergebnis die Konstituierung des Bewußtseins, das heißt die

Frage nach dem Woher des Gewußten.

Es hat sich gezeigt, daf) für beide Denker das Bewuftsein nicht selbst! Dazu ist noch zu bemerken, daß sich bezüglich des Problems der Definition bei Aristoteles allerdings derselbe Einwand geltend machen läßt wie bei Platon, nämlich daß es letztlich eine Frage der Entscheidung ist, welche Bestimmungen

Bewußtseinsstufe

und

Phänomenologie

des

Bewußtseins

251

schöpferisch und autonom ist, sondern daß es seinen Inhalt vom Seienden empfängt und daß auch das apriorische Wissen Platons ein empfangenes Wissen und nicht die spontane Leistung eines selbstgenugsamen,

souveränen

Bewußtseins

ist.

Die

Inhalte

wie

die Akte

des Bewußtseins werden vom Seienden hervorgerufen, dessen Ansichsein sich gerade in dieser Wirkung bekundet. Und umgekehrt verweist die Intentionalität der Phänomene des Bewußtseins selbst auf den

transzendenten

Grund

dieser Phänomene.

Die Wirkung

des Seienden

geschieht auf doppelte Weise: sinnlich durch die äußerlich wahrnehm-

baren Eigenschaften, geistig durch seine immaterielle Wesenheit.

Dem

entspricht eine doppelte Rezeptivität: die sinnliche Wahrnehmung und die geistige Einsicht. Erst das durch die Einsicht oder das noe-

tische Denken Erfaßte kann dann sekundär zum Gegenstand und Inhalt des Nachdenkens oder des dianoetischen Denkens werden, indem

die Teile des noetisch Gegebenen in der Form des Urteils nachprüfbar in Beziehung gesetzt werden. Hier erst wird die Spontaneitát des Denkens wirksam, eine Spontaneitát freilich innerhalb der Grenzen des durch

die Einsicht

Setzungen,

sondern

Gegebenen,

deren

Ergebnisse

als Nachbildungen

nicht

als autonome

des ansichseienden

Seienden

verstanden sind. Das bedeutet natürlich nicht, daß die Aktivitát nur beim diskursiven, dianoetischen Denken zu suchen sei und Wahrneh-

mung und noetische Erkenntnis davon gänzlich frei wären. Vielmehr

gilt hier das, was Hegei in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie! bezüglich des Wachsgleichnisses gesagt hat: ,,Die Seele

ist die Form, die Form ist das Allgemeine; und das Aufnehmen

des-

selben ist nicht wie das des Wachses. Das Aufnehmen ist ebenso sehr Aktivitát der Seele; nachdem das Empfundene gelitten, hebt es die Passivität auf, bleibt zugleich frei davon. Das Entscheidende, worauf es bei dem Wahrnehmen und der noetischen Erkenntnis im Unterschied zum dianoetischen Denken ankommt, ist nur, daf) hier tatsächlich eine von außen kommende Einwirkung, ein sinnlicher oder geistiger Eindruck, erlitten wird, dessen transzendenter Grund ein Ansichseiendes ist. Der Inhalt des Bewußtseins ist darum kein originár Produziertes, sondern nachgebildete Wirklichkeit. Eine Ausnahme davon bilden die falschen Vorstellungen und Urteile, aber auch als die wesentlichen Bestimmungen eines Begriffs angesetzt auch die berechtigte Frage von S. Moser, Zur Lehre von Aristoteles,

! WW

S. 37.

(H. GrockwEen) XVIII

379.

werden. Vgl. dazu der Definition bei

252

Die

Komplementarität

und

das

Problem

des

Bewußtseins

sie gehen ihrer Intention nach auf die wirkliche Welt. Das Traumbild scheidet hier insofern aus, als bei ihm der Wille zur Bewußtheit fehlt. Aber auch wenn wir es als eine weitere Ausnahme gelten lassen, so sind doch die Elemente des Traumbildes bei noch so beliebiger, unbewußter Komposition Bilder von Elementen der wirklichen Welt. Ohne das Seiende also kein Inhalt des Bewußtseins und damit kein Bewußtsein, denn Bewußtsein ohne Inhalt gibt es nicht. Es gilt die Priorität des Seins vor dem Bewußtsein. Damit ist ein Weiteres gegeben: die Phänomenalıtät der Phänomene des Bewußtseins bestimmt sich nach den Weisen der Gegebenheit des

Seienden. Dem einfachen einsichtig Gegebenen entspricht das einfache

noetische Erfassen, dem Verbundenbindende und trennende dianoetische

und Getrenntseienden das verDenken. Und was für dieses an

sich untrennbare Aktgefüge gilt, das gilt ebenso für die objektiven Gestalten des Bewußtseins, für Vorstellung, Begriff und Urteil. Diese Weisen des Bewußtseins beziehen sich auf korrespondierende Weisen des

Seins.

Das

Bewußtsein

ist, so gesehen,

das

Vermögen

der

Ent-

zur

Auf-

sprechung auf den Anspruch des sinnlich und geistig Gegebenen. Die

Berücksichtigung

dieses

Tatbestandes

führte

uns

findung des erkenntnistheoretischen Singularismus, den wir in seiner geschichtlichen Entwicklung und systematischen Bedeutung insonderheit von

Antisthenes

bis Aristoteles

verfolgt

haben

und

dem

wir zu

einem ganz wesentlichen Teil den Zugang zur Platonischen und Ari-

stotelischen

Phänomenologie

des Bewußtseins

verdanken.

Korrelativ

dazu verschaffte uns den anderen Zugang die Lehre vom Urteil, in der die Form des dianoetischen Denkens gegeben ist. Unmittelbar damit

verbunden war die Untersuchung der verschiedenen Bedeutungen des Wahrheitsbegriffs. Die leitende Kernfrage der Untersuchungen aber war immer, bis zu welchem Grade die Reflexion auf die Voraussetzungen der Erfahrung geht, das heißt also nicht nur die Frage nach den Modi der Erfahrung und ihren objektiven Gehalten, sondern noch darüber hinaus die Frage nach der vorhandenen oder nicht vorhandenen Begründung der Möglichkeit der Erfahrung in einem philosophischen Selbstbewußtsein, das sich inmitten und gegenüber dem Seienden als ein Letzt-

gegebenes aus sich selbst heraus versteht und für das die Außenwelt

schlechthin, nicht nur in ihrer sinnlichen Konkretion, Erscheinung ist. Wir haben gesehen, daß die Erschließung dieses Seins des Selbstbewußtseins als einer eigenen, erforschbaren Wirklichkeit, das heißt,

Bewußtseinsstufe

und

Phänomenologie

des

Bewußtseins

253

um eine Formulierung Hegels zu gebrauchen, ,,das Erkennen dessen, was das Bewußtsein weiß, indem es sich selbst weiD0**,! von Platon wie von Aristoteles ganz entschieden und ausdrücklich als ein absurdes

Unternehmen zurückgewiesen wird. Sowohl die ἐπιστήμη ἐπιστήμης Platons als auch die νόησις νοήσεως des Aristoteles ist nicht die Selbst-

begründung

Beide

des Selbst, die man immer wieder dahinter vermutet hat.

Formeln

sind

lediglich

formale

Konsequenzen

einer

an ihre

Grenzen gekommenen natürlichen Reflexion, die zwar die Móglichkeit der absoluten Reflexion rein als Möglichkeit sieht, aber diese Móglichkeit als Absurdität bewußt fallen läßt. Dieser Aufweis, daß es bei Platon und Aristoteles noch nicht zur

Konstituierung

nun

zwar nur

hauptet

des

philosophischen

ein negatives

Ergebnis,

Selbstbewuftseins das

aber

kommt,

gemeinhin

als bewiesen wird. Vor allem aber: der negativen

Ergebnisses steht eine positive gegenüber, Untersuchungen zeigen konnten, daf) die

setzungen

mehr

ist

be-

Seite des

die darin besteht, daf) die Reflexion auf die Voraus-

der Erfahrung, speziell die Reflexion auf Wesen und For-

men des Denkens und des Gedachten, unvergleichlich viel radikaler ist, als das gewohnheitsmäßig dargestellt wird. Wenn diese Reflexion eine ‘naive’ genannt wurde, dann nur im engsten erkenntniskritischen Sinne. Daß es gelingen konnte, eine in sich geschlossene Phänomenologie des Bewußtseins für Platon und Aristoteles nachzuweisen, zeigt an, daf) ihre Reflexion bereits auf dem Wege war, der unter veránder-

ten geschichtlichen und systematischen Bedingungen zur Konsttuierung des philosophischen Selbstbewußtseins geführt hat. Daß die Denkkonsequenz beide Philosophen formal schon bis unmittelbar vor diese Móglichkeit der Weltauslegung führte, beweist mehr als der blof negative Hinweis darauf, daf) eine solche Konstituierung bei ihnen

de facto nicht vorliegt. Viel wichtiger ist das, was vorliegt. Und das gestattet immerhin einen Vergleich mit dem Repräsentanten des modernen philosophischen Selbstbewußtseins, mit Descartes.

Wir

erinnern

an

jene

Stelle

1m

neunten

Kapitel

des

Buches der Nikomachischen Ethik, wo Aristoteles ausführt, uns aller unserer Akte bewußt seien und daß uns diese Akte die heit unserer Existenz vermittelten: „Der Sehende empfindet, sieht, und der Hórende, daß er hört, und der Gehende, daß ! Phänomenologie

MEISTER,

S. 129.

des

Geistes,

Bd. V

neunten daß wir Gewißdaß er er geht,

der Gesamtausgabe, hrsgg. von J. Horr-

254

Die

Komplementarität

und

das

Problem

des

Bewufitseins

und bei den anderen Funktionen ist in gleicher Weise eine Empfindung davon vorhanden, daf wir die Funktion ausüben, so daf) wir empfinden, daß wir wahrnehmen und merken, daß wir denken. Tatsache aber, daß wir wahrnehmen oder denken, bedeutet, daß existieren. Denn unsere Existenz ist wesentlich Wahrnehmen

also Die wir und

Denken“ (ὁ δ᾽ ὁρῶν ὅτι ὁρᾷ αἰσθάνεται καὶ ὁ ἀκούων ὅτι ἀκούει καὶ ὁ βαδίζων ὅτι βαδίζει, καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων ὁμοίως ἔστι τι τὸ αἰσϑανόμενον ὅτι ἐνεργοῦμεν, ὥστε ἂν αἰσθανώμεϑ᾽, ὅτι αἰσϑανόμεϑα, κἂν νοῶμεν,. ὅτι νοοῦμεν, τὸ δ᾽ ὅτι αἰσϑανόμεϑα ἣ νοοῦμεν, ὅτι ἐσμέν τὸ γὰρ εἶναι ἦν αἰσϑάνεσθϑαι 7) νοεῖν, EN I 9. 1170 a 29-b 1). Als Akte, deren Vollzug uns bewußt ist, nennt Aristoteles das Sehen, Hören und Gehen und dann generell das Wahrnehmen und Denken. Denn auch das Gehen teilt sich dem Bewußtsein durch Wahrnehmung mit. Wie das Bewußtsein seiner selbst von dem wahrgenommenen oder gedachten Seienden her konstituiert wird, haben wir gesehen. Aber davon ist hier an der Ethikstelle nicht die Rede. Statt dessen begründet Aristoteles die Gewißheit unserer Existenz mit dem Hinweis auf unser Wahrnehmen und Denken: ‚Die Tatsache aber, daß wir wahrnehmen oder denken, bedeutet, daß wir existieren. Denn unsere Existenz ist wesentlich Wahrnehmen und Denken. Äußerst aufschlußreich für unsere

ganze Fragestellung ist ein Vergleich dieses Gedankenganges

mit der

Gewißheitsbegründung bei Descartes. Zunächst ist festzustellen und festzuhalten, daß Arıstoteles das Problem der Gewißheit als solches, das heißt als Problem der Grundlegung und der Letztbegründung als eines fundamentum inconcussum

der Philosophie, von dem aus sie in absoluter Freiheit die Welt von sich her auslegt, ebensowenig gekannt hat, wie Platon oder ein anderer

antiker Denker. Aristoteles ist nicht auf der Suche nach dem schlechthin Unbezweifelbaren, da ihm die Wahrheit gar nicht zweifelhaft ist.

Deshalb ist auch die Begründung unserer Existenz durch die Wahrnehmungs- und Denkfunktion, wie sie von Aristoteles vorgenommen

wird, und zwar nur nebenbei vorgenommen wird, wie nachdrücklich bemerkt werden muß, keine Begründung der Selbstgewißheit im Sinne

Descartes’. Das zeigen auch die näheren Umstände.

Descartes gewinnt die Gewißheit über das Sein des Ich aus der Selbstgewißheit des Zweifelsaktes und damit des Denkens oder des Bewußtseins. Denn notwendig muß ich etwas sein, der ich etwas bezweifle, dieses denke oder ein Bewußtsein von etwas habe. Gassendi hat bekanntlich dagegen den Einwand erhoben, daß es keines so großen

Bewußtseinsstufe

Aufwandes

und

Phänomenologie

des

Bewußtseins

255

bedurft hätte, da Descartes aus jeder anderen Tätigkeit

auch auf seine Existenz hätte schließen können, da nach natürlicher Einsicht alles Tätige auch existiere.! Descartes weist diese Einwendung mit der Bemerkung zurück, daß man von keiner anderen Tätigkeit als vom Denken allein eine absolute Gewißheit habe, aus welchem

Grunde man zum Beispiel nicht die Folgerung ziehen dürfe: ich gehe

spazieren, also bin ich. Nur sofern ich von dieser Tätigkeit ein Bewußtsein habe, dieselbe Inhalt meines Bewußtseins ist, kann ich sagen: ich bin.? Nur das Bewußtsein vermittelt die Gewißheit der Existenz.

Betrachten wir unter diesem Aspekt

noch einmal die Aristoteles-

stelle, so wird deutlich, daß die von Descartes erhobene Bedingung nicht erfüllt ist. Es geht daselbst zunächst einerseits um das Empfin-

dungsbewußtsein, soweit es sich um das Begleitwissen der Wahrnehmungen handelt, und andererseits um das Begleitwissen des Denkens.

In dem entscheidenden Stück aber, auf das hier alles ankommt, geht Aristoteles nicht von dem Aktbewuftsein aus, sondern von den

Akten selbst, indem er von diesen auf das zugehörige Subjekt schließt,

wie von Akzidentien auf eine Substanz. Das Sehen ist ohne einen Sehenden, das Hóren ohne einen Hórenden, das Gehen ohne einen Gehenden und das Denken ohne einen Denkenden nicht móglich. Nach der Voraussetzung des Descartes aber ist der Schluf) auf das Sein des Ich nur von einer Funktion unmittelbar móglich, dem Denken,

da alle körperlichen

Vorgänge

mitsamt

dem

Körper

grundsätzlich

in Zweifel gezogen werden können. Die Begründung der Gewißheit ist allein an das Denken gebunden. Bei Aristoteles dagegen ist das Wahrnehmen wie das Denken gleichermaßen zureichender Grund für die Selbstgewißheit. Das deutet schon darauf hin, daß auch der Begriff des Denkens hier ein anderer ist als bei Descartes. Es ist nicht das

sich von der Welt distanzierende, in sich selbst zurückgehende, gegen

alles von außen Kommende

sich 1solierende Denken Descartes’, für das

das Seiende überhaupt nur ist, sofern es vorgestellt, das heißt Bewußtsein ist, sondern esist ein grundsätzlich seinsbezogenes, überhaupt erst

durch das Seiende konstituiertes Denken, das zusammen mit dem Wahrnehmen für den Menschen das Leben ausmacht. So formuliert es

Aristoteles selber im Kontext der Ethikstelle: τὸ δὲ ζῆν ὁρίζονται τοῖς ζῴοις δυνάμει αἰσθήσεως, ἀνθρώποις δ᾽ αἰσθήσεως N νοήσεως, 1170 a 16 f., (. .. «ἔοικε δὴ τὸ ζῆν εἶναι κυρίως τὸ αἰσθάνεσθαι 7) νοεῖν, 1170 ἃ 1 AT VII 359.

^ A T VII 500.

256

Die

Komplementarität

und

das

Problem

des

Bewußtseins

18 f. Und wenn er zur Begründung des Schlusses von unserem Wahrnehmen und Denken auf unser Sein noch einmal erklärend hinzufügt:

τὸ γὰρ εἶναι MV αἰσϑάνεσϑαι T, νοεῖν, 1170 a 33f., so bedeutet hier εἶναι nicht das Sein als Denkendsein, als Sein einer res cogitans, sondern das Sein als Existieren im Vollsinne animalischer Lebendigkeit, wie sie

gerade durch ζῆν bezeichnet wird.!

Das auf diesem Wege gewonnene Selbstbewußtsein ermöglicht es dem Menschen, sich als ein von den Bewußtseinsinhalten verschiedenes Ich zu verstehen,? mehr nicht. Schon die weitere, entscheidend wichtige Frage, wie es denn im Wechsel der Zustände und Tätigkeiten zur Identität des Selbstbewußtseins kommt, bleibt undiskutiert. Damit sind die grundlegenden Unterschiede gegenüber Descartes

bezeichnet.? Ein weiterer Vergleich mit der Begründung der Selbstgewißheit bei Augustinus würde zeigen, wieviel näher Augustinus noch

Aristoteles als Descartes steht. Trotz allen weit über Aristoteles hinausführenden Gedanken bleibt er dem antiken Denken doch insofern grundsätzlich verhaftet, als auch er das Selbstbewußtsein nicht ! Vgl. dazu den Artikel von ἢ. BULTMANN im Kittelschen Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament s. v. (ao. 2 Nicht: zu konstituieren (so DIRLMEIER 557). 3 Dasselbe gilt auch für die hierher gehörige Stelle 448 a 26-30 aus dem Schlußkapitel von Περὶ αἰσϑήσεως xai αἰσϑητῶν, wo Aristoteles die Auffassung zurückweist, daß der Zusammenklang der Töne nur ein scheinbarer sei und darauf beruhe, daß die dazwischenliegende Zeit sich unserer Wahrnehmung entzöge. Wäre diese Auffassung richtig, dann könnte auch der Grund der (scheinbaren) Gleichzeitigkeit von Hören und Sehen eben dahingehend bestimmt werden, daß die dazwischenliegende Zeit unbemerkt bleibe. Tatsächlich aber sei diese Voraussetzung falsch, wofür nun an erster Stelle das Argument erscheint, das uns in diesem Zusammenhang

interessiert:

in kontinuierlicher man

existiert,

„Denn

wenn

Zeit wahrnimmt,

ın dieser

es, während

nicht

kontinuierlichen

möglich

Zeit

aber

man

sich oder

ist, daß

ein

solcher

einem

einen

anderen

entgeht,

Zeitabschnitt

daß

ent-

halten wäre, der sich gänzlich der Wahrnehmung entzöge, dann ist offensichtlich, daß einem dann auch (sc. während dieses Zeitabschnittes) die eigene Existenz und das Sehen und Wahrnehmen verborgen bleiben müßten.‘ Auch hier also geht der entscheidende Rückgang auf das eigene Dasein unmittelbar von den Wahrnehmungsakten selber aus und nicht in der für Descartes in. diesem Fall allein zulässigen Form von dem Wahrnehmungsbewußtsein. An diesem fundamentalen Unterschied in der Gewißheitsbegründung zwischen Aristoteles und Descartes ändert auch der Umstand nichts, daß Aristoteles mit dem Begriff des Wahrnehmens im weiteren Sinne auch die kognitiven Funktionen mit umfaßt. Denn an den beiden herangezogenen Stellen ist der Begriff des Wahrnehmens nicht in dieser weiteren, sondern in seiner engeren, auf die Sinnlichkeit beschränkten Bedeutung gebraucht, was schon rein äußerlich an der Ethikstelle die Gegenüberstellung von αἰσθάνεσθαι und νοεῖν erkennen läßt. Deshalb und weil das Aristotelische εἶναι nicht das Cartesische sum ist, ist die Aussage von E. BRAUN, Vor-

Bewußtseinsstufe

und

Phänomenologie

des Bewußtseins

257

zum philosophischen Prinzip erhebt, das allererst den Zugang zur Welt erschließt,

sich noch

sondern

das Wissen

des Menschen

ganz in der als vorgegeben

um

sein Sein vollzieht

verstandenen

Welt, in der er

nach der natürlichen Ordnung der Dinge seinen Platz hat, wie das auch bei Platon und Aristoteles der Fall ist. Die Selbstbegründung des Selbst bei Augustinus hat den Charakter der Sicherung gegen die Argu-

mentation der akademischen Skepsis, ohne in den Hang einer alles begründenden theoretischen Grundlegung erhoben zu werden. Der soeben berührte Punkt, daß das Selbstwissen des Menschen für Platon und Aristoteles noch nicht als das ganz Andere der Welt in kritischer Zurückgezogenheit gegenübersteht, sondern als inmitten dieser Welt sich ereignend gedacht wird und die Seele als

das

belebende

Prinzip

des

Körpers

in bestimmtem

Betracht

selber

als ein Element der Natur gesehen wird, mit dem man das Phänomen des Organischen, des Lebens und aller seiner Äußerungsformen zu

erklären

versucht,

war

für

den

Aspekt,

unter

dem

man

auch die

Bewußtseinsvorgänge untersuchte, von ganz entscheidender Bedeutung und erklärt am besten den für den modernen Betrachter so auf-

fälligen

Außenaspekt

Untersuchungen

der

Betrachtungsweise,

ständig begegnete.

der

Der Mensch

uns

bei

unseren

bleibt auch

als den-

kender Mensch grundsätzlich ein leibliches und gesellschaftliches Wesen, ein Lebewesen, für das das Denken eben nur eine spezifische Form seiner Lebendigkeit ist. Und wie die tieferen Stufen dieser Lebendig-

keit zum Gegenstand der Analyse gemacht werden, so auch die höchste: das Denken, das unter demselben Aspekt betrachtet wird, wie jedes andere Phänomen der Natur auch, nämlich von außen. Deshalb unterscheidet sich die Methode des Vorgehens in der Schrift ‘Über die Seele’ nicht im geringsten von der Methode des Einteilens und Klassifizierens, die wir aus den naturwissenschaftlichen Schriften des Arıstoteles kennen. Die Haltung, die Aristoteles den Phänomenen des Bewußtseins gegenüber einnimmt und die in seiner Reflexion auf diese Phänomene zum Ausdruck kommt, ist die Einstellung, die der Zoo-

loge, Botaniker oder Petrograph seinen Objekten gegenüber einnimmt. Und

tatsächlich

läufer

des

Physik,

ist

auch

Psychophysik, *cogito

ergo

sum?

seine

Schrift

Physiologie

oder

bei Aristoteles,

“Über

die

Biologie

Annales

Seele

der

mehr

Seele

Universitatis

eine

als eine

Saraviensis

I,

1956, 194, daß ,,Aristoteles das Descartessche cogito ergo sum ausspricht** (sic!), verfehlt. Zu demselben Problem siehe P. M. ScnuHr, Y a-t-ıl une source aristotélicienne du Cogito?, Revue philosophique 73, 1948, 191 ff. 17

Oehler, Die Lehre

258

Die

Komplementarität

und das

Problem

des Bewußtseins

Psychologie in unserem Sinne.! Bei Platon ist zwar der Dualismus von Seele und Leib sehr viel stärker betont als bei Aristoteles — was sıch unter anderem an der unterschiedlichen Bewertung und Bedeutung zeigt, die dem Unsterblichkeitsgedanken bei beiden zuteil wird.? Das

hat aber nicht dazu

geführt,

daß

sich Platon

der Innenaspekt

voll

erschlossen und er die Einzelseele gleichsam von innen her gesehen hätte. Auch er sieht die Seele mehr von außen, nämlich von dem ob-

jektiven Sein der Ideen her, die von sich her das Ideenwissen der Seele konstituieren, weshalb der sogenannte Idealismus Platons eben nicht von der Annahme ausgeht, daß der Mensch als denkender in der Weise eine Voraussetzung des Gedachten sei, daf sein Denken von strukturell

grundsátzlich

anderer

Beschaffenheit

ist als der

Gegenstand

seines

Denkens und er also nur in einer Welt subjektiver Erscheinungen lebt, vielmehr gilt für Platon die Prävalenz der Ideen gegenüber der Seele, und in diesem Sinne ist sein Begriff der Erscheinung nicht subjektiv, sondern objektiv zu verstehen. Sonst wäre nämlich für Platon, wie im modernen Idealismus, die Welt Phänomen des Bewußtseins. Trotz der stärkeren Betonung des Dualismus von Seele und Leib ist

also auch bei Platon der Außenaspekt wirksam, Widerstreit steht, daß er als erster das Problem seiner fundamentalen Bedeutung erkannt hat, Wissen der Seele ein von dem objektiven Sein der

was nicht damit in des Apriorischen in weil das apriorische Ideen her empfange-

nes Wissen ıst. Die Seele aber, insofern sie den Menschen beseelt, ist Seele in dieser Welt und nicht eine Welt für sich. Wiewohl also Platon und Aristoteles in der eben bezeichneten ob-

jektiven Einstellung der Mensch Bewußtsein

Vorgánge

und

Gestalten beschreiben,

in denen

seiner selbst und der Welt bewuft wird, so wird dieses doch niemals als ein in sich selbst ruhendes, isoliertes,

! Vgl. dazu die feine Bemerkung von PrANTL I 139: ,, Aber sowie er (sc. Aristoteles) darum überhaupt das Wissen nur nach den Gegenstánden desselben eintheilen konnte und diess auch unleugbar that, so steht ihm auch das menschliche Denken, wie es ist, als ein objektiv gegebenes Faktum da, von welchem er in gleicher Weise wie von den übrigen Gegenständen Begriff und Grund erforscht.*

2 Zur systematischen

Funktion

der Platonischen

Unsterblichkeitslehre ausge-

zeichnet N. HARTMANN, Platos Logik des Seins. Philosophische Arbeiten III, Gießen 1909, 297 ff. Siehe ferner A. TuMARKIN, Der Unsterblichkeitsgedanke in Platos ‘Phaidon’, Rh. Mus. NF 75, 1926, 58-83. O. REGENBOGEN, Bemerkungen zur Deutung des platonischen Phaidros. In: Miscellanea Academica Berolinensia II 1, Berlin 1950. R. S. Bruck, Plato's Phaedo, London 1954, 18 ff.: The Arguments for Immortality. H. DAuDIN, Les rapports de l'étre et de la connaissance chez Platon et chez Aristote,

Revue

des Études Anciennes

53, 1951, 26 ff.

Bewußtseinsstufe

und

Phänomenologie

gleichsam außerweltliches Bewußtsein,

des

Bewufitseins

259

das nur Bewußtsein und sonst

nichts wäre, verstanden, für dessen in sich geschlossene Subjektivität die Welt

nur Erscheinung

wäre,

vielmehr

ist für beide

Denker

diese

Welt in ihrem Ansichsein durchaus einsichtig gegeben, das Ansichsein,

das sich selbst im Bewußtsein offenbart. Diese Einstellung wird erst voll verständlich, wenn wir uns auch die geschichtliche Motivation dieser Einstellung klarmachen. Die unreflektiert-selbstverständliche Einstellung auf die Außenwelt, wie sie

in den ersten philosophischen Theorien der Griechen zum Ausdruck kommt, wurde durch die sophistische Skepsis in Frage gestellt, die zum

erstenmal die Aufmerksamkeit auf das erkennende Subjekt lenkte und mit ihrem Relativismus die Möglichkeit objektiv-gültiger Erkenntnis erschütterte. Die Folgen dieser Entwicklung sind bekannt:

Sokrates trat diesem Relativismus, vor allem seinen ethisch-praktischen Konsequenzen, mit dem Hinweis auf die einsichtige Selbstbesinnung und das auf dem Wege vernünftiger Klärung zu gewinnende wahre Wissen über die sittlichen Werte entgegen. Mit diesem durch die Vernunft erkennbaren Wissen des Allgemeinen als des für die Einzelfälle des Lebens Normativen war die Möglichkeit einer Rechtfertigung des Handelns aus der Vernunft, und zwar aus einer bei allen Menschen gleich organisierten Vernunft, entdeckt und damit der Weg beschritten, der dann Platon zur Frage nach dem Grund der Möglichkeit objektiver

Erkenntnis überhaupt führte. Nur durch eine Beantwortung dieser universalen Frage ließ sich der Subjektivismus der Sophisten überwinden und in sich selbst, das heißt methodisch, gerechtfertigte Wissenschaft begründen. So sah jedenfalls das Programm aus, das zu einem guten Teil, aber gerade nicht im entscheidendsten Punkt, von Platon verwirklicht worden ıst. Denn wenn auch die Reaktion auf die sophistische Skepsis eine Rückwendung und Besinnung der Erkenntnis

auf sich selbst zur Folge hatte und jetzt zum

erstenmal

überhaupt

nach den Weisen und Gestalten gefragt wurde, in denen der sinnlichen und geistigen Erfahrung ihr Inhalt gegeben ist, so unterblieb doch der tiefere Vorstoß in diese Richtung, der nötig gewesen wäre, um zu einer erkenntniskritischen Begründung zu gelangen,

die es allererst ermöglicht hätte, mit den Argumenten der Skepsis wirk-

lich von Grund auf und für immer fertig zu werden. Der Gewinn, den Platon aus seiner Erkenntnisreflexion gezogen hat, war freilich von

immenser Bedeutung, wenn wir allein an seine Entdeckung der Apriorität denken 17°

und

deren

Bedeutung

für Mathematik

und

Ethik.

Aber

260

Die Komplementarität

eben

dies:

daß

das

und das

Gedachte

ein

Problem

Gedachtes

des Bewußtseins

meines

Denkens

ist,

dessen subjektive Modi den zum Inhalt meines Denkens gewordenen Gegenstand mit konstituieren und so in seiner Gegebenheit für mich mit produzieren, das heißt subjektiv gestalten, so daß also der Mög-

lichkeit nach die scheinbar im gegenständlich Seienden erkannten Grundformen nur Formen des Erkennens sind, die ich aus mir proji-

ziere, eben das Faktum, das überhaupt eine umfassende Erforschung

der Erkenntnissubjektivität erforderlich macht, — das wird methodisch

nicht in Ansatz gebracht. Denn die Behauptung der Apriorität als solcher besagt noch nichts über die Subjektivität des Erkennens. Für Platon soll die Apriorität mathematischen und ethischen Wissens gerade die Erkenntnis des Seienden in seinem Ansichsein garantieren. Das Bewußtsein wird als Bewußthaben von etwas verstanden, aber das Bewußte wird nicht als Bewußtes eines Bewußtseins bewußt. Die Thematik des Satzes des Bewußtseins ist noch nicht akut.

Daß auch die Aristotelische Psychologie nicht den durch die natür-

liche Blickrichtung auf die Gegenstände bestimmten Bann durchbricht, ja daß es gar nicht in ihrer Intention lag, das Bewußtsein aus sich selbst heraus zu verstehen, sie vielmehr die seelischen Äußerungsformen ebenso als Gegenstände betrachtete wie die Gegenstände aller anderen Wissenschaften auch, darauf wurde bereits hingewiesen. Wenn es trotzdem zu einer Beschreibung von Bewußtseinsphänomenen gekommen ist, dann nicht so, daß das Bewußtsein als solches und rein für sich thematisch gemacht wurde, sondern dergestalt, daß die Unter-

suchung

des Seelenlebens generell auf Weisen und Gestalten des Be-

wußtseins führte, so daß das Bewußtsein von vornherein intentional bestimmt und nur im Hinblick auf diese Intentionalität verstanden wurde. Das zeigt an, daß man das Bewußtsein nicht von sich her, sondern von den Dingen her sah, was zur Folge hatte, daß das Bewußtsein in seinem Eigensein rein als Bewußtsein, als transzendentales Bewußtsein, nicht methodisch realisiert wurde. Auch die weitere Frage, inwieweit das Bewußtsein als Bewußthaben von etwas und damit als

Welthaben im vorhinein durch die spezifische Weise der Stellung des

Menschen in der Welt, also durch die dem Menschen artgemäße Organisationsbedingtheit relativ zum Ganzen der Welt bestimmt ist, auch

diese anthropologisch

wichtige

Frage

blieb infolgedessen

ungestellt,

obwohl sie sich noch am ehesten bei der Betrachtungsweise, wie sie in

der Aristotelischen Psychologie zur Anwendung kommt, hätte ergeben

können.

Daß

die Bestimmungen

der Substanz, ihre Eigenschaften, und

Bewußtseinsstufe

und

Phänomenologie

des Bewußtseins

261

die Substanz selber ın ıhrer so beschaffenen Bestimmtheit als Substanz möglicherweise nichts sind als Bewußtseinsinhalte, bloße — sprachlich artikulierte — Auffassungsweisen, die der Mensch von Seiendem

hat,

und

daß

diese Auffassungsweisen möglicherweise

Auffassungsweisen

das wurde

neben

anderen

möglichen

nicht in den philosophischen

konnte auch nicht darin aufgenommen

nur mögliche

Auffassungsweisen

Ansatz

aufgenommen

sind,

und

werden.

Wir stehen heute am Ende der philosophischen Bewegung der Neu-

zeit und stehen daher dem neuzeitlichen Glauben an ein absolutes Fundament des Wissens im Selbstbewußtsein kritisch gegenüber. Wir wis-

sen, daß die hervorgehobenen inneren Schwierigkeiten der Platonisch-

Aristotelischen Ansicht durch die neuzeitliche Denkweise, welche ein neues Verhältnis zu Bewußtsein und Zeit mit einer Übernahme der ontologischen Grundstrukturen des griechischen Denkens verbindet, nicht überwunden worden sind. Es war nicht der Zweck dieser Unter-

suchungen, indirekt zu beweisen, daf) es die Philosophen der Neuzeit

so viel “besser? gemacht haben, sondern zu zeigen, wie Platon und Aristoteles es anders gemacht haben. Wir sehen heute zum erstenmal in voller Deutlichkeit auch die Grenzen der Gültigkeit der Voraussetzungen des neuzeitlichen Denkens. In dieser Situation liegt es nahe, das vom modernen Denken Abweichende in früheren Perioden der

Philosophie zu suchen. Nicht alles davon wird das zukünftige Denken

übernehmen können. Aber bei einigem wird ihm der Dinge wegen gar nichts anderes übrigbleiben.

ANHANG

LITERATUR Textausgaben Die Fragmente der Vorsokratiker, von H. Dies, 6. Aufl. von W. Kranz, Berlin 1951 ff. Antisthenis Fragmenta, coll. A. G. WINCKELMANN, Zürich 1842. Fragmenta Philosophorum Graecorum, coll. Fr. G. A. Mullach, II, 1867. The Sophistes and Politicus of Plato, with a revised text and English notes, by L. CAMPBELL, Oxford 1867. The Theaetetus of Plato, with a revised text and English notes, by L. CAMPBELL, Oxford ?1883. Plato's Republic, the Greek text, ed. with notes and essays by B. JowETT and L. CAMPBELL,

Oxford

1894.

Platonis Opera, ed. I. Burner, Tom. I-V, Oxford 1900 ff. De Speusippi Academici scriptis. Accedunt fragmenta, P. Lang, Diss. Bonn 1911. Xenokrates. Darstellung der Lehre und Sammlung der Fragmente, R. HEINZE, Leipzig 1892. Divisiones quae vulgo dicuntur Aristoteleae, praefatus edidit testimoniisque instruxit H. MUTSCHMANN, Leipzig 1906. Aristotelis

Opera,

ed. I. BEKKER,

voll. I und II, Berlin

Aristotelis

De caelo, ed. D. J. ALLAN,

1831.

Aristotelis Organon graece. Novis codicum auxiliis adiutus rec., scholiis ineditis et commentario instruxit TH. W AITZ, Leipzig 1844 und 1846. Aristotelis Topica et Sophistici Elenchi, ed. W. D. Ross, Oxford 1958. Aristotelis Ars Rhetorica cum adnotatione critica, ed. L. SPENGEL, voll. I und II, Leipzig 1867. Aristotelis Ars Rhetorica, ed. A. RoEMER, Leipzig *1898. Aristotelis De arte poetica, ed. A. GUDEMANN, Berlin 1934. Aristotelis Categoriae et Liber de interpretatione, ed. L. Mınıo-PALUELLO, Oxford 1949. Aristotles Prior and Posterior Analytics, a revised text with introduction and commentary by W. D. Ross, Oxford 1949. Aristotle's Physics, a revised text with introduction and commentary, by W. D. Ross, Oxford 1936. Oxford

1936.

Aristotelis De animalibus historia. Textum recognovit L. DITTMEYER, Leipzig 1907. Aristotelis De partibus animalium, ed. P. Lovis, Paris 1956-57. Aristotle on Coming-to-be and Passing-away, by H. H. JoAcuiM, Oxford 1922. Aristotelis De anima libri tres. Ad interpretum Graecorum auctoritatem et codicum fidem recognovit commentariis illustravit FR. Ap. TRENDELENBURG, Berlin 21877. Aristotle

De

Cambridge

Aristotelis

Aristotle Oxford Aristotle W. D.

De

anima,

1907.

anima,

with

translation,

ed. W.

D.

Ross,

introduction

Oxford

1956.

and

notes

by

R. D. Hicks,

De anima, ed. with introduction and commentary by W. D. Ross, 1961. Parva Naturalia, a revised text with introduction and commentary by Ross, Oxford 1955.

266

Anhang

Die Metaphysik des Aristoteles. Grundtext, Übersetzung und Commentar, nebst erläuternden Abhandlungen, 4 voll., von A. SCHWEGLER, Tübingen 1847-1848. Aristotelis Metaphysica, recognovit et enarravit H. Bonıtz, Bonn 1848-1849. Aristotle's Metaphysics, a revised text with introduction and commentary, 2 voll., by W. D. Ross, Oxford 1924. Aristotelis Metaphysica, ed. W. JAEGER, Oxford 1957. Aristotelis Ethica Eudemeia. De virtutibus et vitiis, ed F. SUSEMIHL, Leipzig 1898. Aristotelis Ethica Nicomachea, ed. G. RAMSAUER, Leipzig 1878. Aristotelis

Ethica

Nicomachea,

Aristotelis

Politica, ed. W.

Aristotelis

Fragmenta

ed. tertia, cur.

O. APELT,

Leipzig

1912.

Aristotelis quae feruntur Magna Moralia, ed. F. SUSEMIHL, Leipzig 1883. D.

Ross,

Oxford

1957.

Aristoteles pseudepigraphus, von V. Rose, Leipzig 1863. Aristotelis qui ferebantur librorum Fragmenta, ed. V. Rose, Leipzig 1886. Aristotelis Dialogorum Fragmenta in usum scholarum, sel. R. WALZER, Florenz 1934. Index

von

Aristotelicus,

I. BEKKER,

Theophrastus W.

D.

Ross

selecta,

von

Berlin

1870.

Metaphysics, and

ed. W.

H. Bonıtz, with

F. H. FoBEss,

D.

im

Ross,

translation,

Oxford

Oxford

5. Band

1929.

1955.

der Berliner

commentary

Akademieausgabe

and

introduction

by

Die Schule des Aristoteles. Texte und Kommentare. Heft 1-10; hrgg. von H.WEHRLI, Basel

1944-1959.

Commentaria in Aristotelem Graeca edita consilio et auctoritate Academiae Litterarum Regiae Borussicae, Berlin 1882 ff.

Themistius.

Commentaire

sur le traité

De

l'àme

d'Aristote;

traduction

de Gull-

laume de Moerbeke. Ed. critique et étude sur l'utilisation du Commentaire dans l'oeuvre de Saint Thomas, par G. Verbeke, Louvain 1957. Sexti Empirici Opera, ed. H. MUTSCHMANN, Leipzig 1912 und 1914. Diogenis Laertii Libri, ed. C. G. CoBET, Paris 1862. Thomae Aquinatis In Metaphysican Aristotelis Commentaria, cura et studio ed. M. R. CATHALA, Turin ?1935. Thomae Aquinatis In octo Libros Physicorum Aristotelis Expositio, cura et studio ed. M. MAccI0L0, Turin 1954. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft. PhB 37a, hrsgg. von R. SCHMIDT, Hamburg 1956. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Phánomenologie des Geistes. Bd. V der Gesamtausgabe, hrsgg. von J. Hoffmeister. Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, 2. Bd.; in: Sämtliche Werke, Jubiläumsausgabe, hrsgg. von H. GLOCKNER, Bd. 18, Neudruck Stuttgart 1959. Literatur

zur Platonischen und Aristotelischen Ontologie und Erkenntnistheorie a) zu Platon (die Literatur zum Problem des Bewußtseins ist in Anm. 1 Seite 4 aufgeführt) M. ALTENBURG,

Die Methode

der Hypothesis

in der vorplatonischen Philosophie bei Platon, Aristoteles und

Marburg 1905. F. BAMLER, Das Irrationale bei Platon, Diss. Erlangen 1916.

Proklus,

Literatur

J. L. BEARE,

Greek

stotle, Oxford

1906.

Theories

of Elementary

R. S. BLuck, Phaedo, London — Meno, Cambridge 1961. H. BLUMENBERG,

Lich:

267

Cognition

als Metapher

Platonische

Alcmaeon

der Wahrheit,

Studien,

Studium

Generale

BRÖCKER,

Ari-

10, 1957,

1960.

Berlin ?1886.

Cun. A. BRANDIS, Geschichte der Entwickelungen der griechischen und ihrer Nachwirkungen im römischen Reiche I, Berlin 1862.

W.

to

1955.

432-447. - Paradigmen zu einer Metaphorologie, Bonn H. Boniıtz,

from

Platons ontologischer Komparativ,

Hermes

Philosophie

87, 1959, 415—425.

— Das Höhlenfeuer und die Erscheinung von der Erscheinung, in: Die Gegenwart der Griechen im

P. BRoMMER, Platon,

Εἶδος

Assen

neueren

1940.

et ἰδέα.

Denken,

Étude

Festschrift

Gadamer,

sémantique

Tübingen

1960,

31—42.

et chronologique des oeuvres de

R. S. BRUMBAUGH, Plato on the One. The Hypotheses in the Parmenides, New Haven 1961. K. BÜcHner, Platons Kratylus und die moderne Sprachphilosophie, Berlin 1936.

W.

BURKERT,

LZtoryeiov.

Eine

semasiologische

Studie,

Philologus

103,

1959,

167

bis 197. C. J. CLAssEN, Sprachliche Deutung als Triebkraft Platonischen und Sokratischen Philosophierens. Zetemata 22, 1959. F. M. ConNronp, Plato's Theory of Knowledge. The Theaetetus and the Sophist of Plato, translated

with

a running

commentary.

London

and

New

York

1935.

— Plato's Cosmology. The Timaeus of Plato, translated with a running commentary. London and New York 1937. - Plato and Parmenides. Parmenides Way of Truth and Plato's Parmenides, translated with an introduction and a running commentary. London 1939. — Mathematics and Dialectic in the Republic VI-VII. Part I: Noesis and Dianoia, Mind 41, 1932, 37-52. — Principium sapientiae, Cambridge 1952. 1. DERBor4Av, Der Dialog *Kratylos? im Rahmen der platonischen Sprach- und Erkenntnisphilosophie, Saarbrücken 1953. — Erkenntnis und Entscheidung. Philosophie der geistigen Aneignung in ihrem Ursprung bei Platon, Wien 1954. Α.

H.

Dr£s,

La

Paris 1932. DiLLER,

Définition

Probleme

de l'étre et la nature

des platonischen

des idées

Ion, Hermes

dans le Sophiste

83, 1955, 171 ff.

E. R. Dopps, The Greeks and the Irrational, Berkeley 1951. H. DöRrRrIE, Platon. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart. buch

für Theologie

und

Religionswissenschaft,

de Platon,

3. Auflage,

Bd. V,

Handwörter407 ft.

— (Ὑπόστασις. Wort- und Bedeutungsgeschichte. Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, phil.-hist. Klasse, 1955, 35-92. D. R. DunprEy, A History of Cynicism, London 1937. F. EGERMANN, Platonische Spätphilosophie und Platonismen bei Aristoteles, Hermes

87, 1959,

133-142.

G. F. ErsE, The Terminology of the Ideas, Harvard Studies in Classical Philology 47, 1936, 17-55. A. 7. FESTUGIERE, Contemplation et Vie Contemplative selon Platon, Paris 1936, 21950. G. C. FrEzp, Plato and His Conteraporaries. A Study in Fourth-Century Life and Thought, London ?1948.

268

Anhang

G. C. FıeLp, The Philosophy of Plato, London- New York 1949. H. FLASHAR, Der Dialog Ion als Zeugnis platonischer Philosophie, Berlin 1958. E. FRANK, Plato und die sogenannten Pythagoreer. Ein Kapitel aus der Geschichte des griechischen Geistes, Halle 1923. — The Fundamental Opposition of Plato and Aristotle, American Journal of Philology 61, 1940, 34-53, 166-185. — Philosophische Erkenntnis und religiöse Wahrheit, Stuttgart 1949. W. FREYMANN, Platons Suchen nach einer Grundlegung aller Philosophie, Acta et Commentationes Universitatis Tartuensis, B XV, 1929. P. FRIEDLÄNDER, Platon, I, 2. Aufl. Berlin 1954; II, 2. Aufl. Berlin 1957. K. von Fritz, Philosophie und sprachlicher Ausdruck bei Demokrit, Plato und Aristoteles,

New

York

1938.

H.-G. GADAMER, Platos dialektische zum Philebos, Leipzig 1931.



Plato

und



Sokrates,

die Dichter,

Frankfurt

Ethik. a. M.

Phánomenologische

Untersuchungen

1934.

— Zur Vorgeschichte der Metaphysik. In: Anteile. Martin Heidegger burtstag, Frankfurt am Main 1950, 51-79. K. GAISER, Protreptik und Paränese bei Platon, Stuttgart 1959. O. GicoN, Der Ursprung der griechischen Philosophie, Basel 1945. Bern

zum

60. Ge-

1947.

V. GoLDSCHMIDT, Les Dialogues de Platon. Structure et Méthode Dialectique, Paris 1947. — Le Paradigme dans la Dialectique Platonicienne, Paris 1947. — La Religion de Platon, Paris 1949. G. M. A. GRUBE, Plato's Thought, London 1938. N. GULLEY, The Interpretation of Plato, Timaeus 49 D E. American Journal of Philology 81, 1960, 53—64.

H. GUNDERT, Enthusiasmos und Logos bei Platon, Lexis 2, 1, 1949, 25—46. — Platon und das Daimonion des Sokrates, Gymnasium 61, 1954, 513 ff. W. K. C. GUTHRIE, Plato’s Views on the Nature of the Soul. Fond. Hardt, Entretiens 3, 1955, 3-22.

R. — — H. N. — —

HackronTH, Philebos, Cambridge 1945. Phaedrus, Cambridge 1952. Phaedo, Cambridge 1955. P. HAnniNG, Zum Text des platonischen Philebos, Hermes 88, 1960, 40-68. HARTMANN, Platos Logik des Seins, Gießen 1909. Das Problem des Apriorismus in der Platonischen Philosophie, Kl. Schr. II 48-85. Zur

Lehre

vom

M. HEIDEGGER,

Eidos

Platons

bei

Lehre

Plato von

und

Aristoteles,

der Wahrheit,

Kl.

Bern

Schr.

II

129-164.

1947.

K. Fr. HERMANN, Geschichte und System der platonischen Philosophie I, Heidelberg 1839. W.F. Hıcken, The Character and Provenance of Socrates ‘Dream?’ in the Theaetetus, Phronesis

3, 1958,

126-145.

— Knowledge and Forms in Plato's Theaetetus, Journal of Hellenic Studies 81, 1961, 105-117. 1. HinscHBERGER, Die Phronesis in der Philosophie Platons bis zum Staat, Philol. Suppl. 25, 1, 1932. E. HorrFMANN, Platonismus und Mystik im Altertum. Sitzungsbericht der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. X XV, Jahrg. 1934/35. P. R. HorsrTATTER, Vom Leben des Wortes. Das Problem an Platons Dialog ‘Kratylos’ dargestellt, Wien 1949.

Literatur

269

R. Ηδνιόϑύγαι, Die Philosophie des Altertums. Problemgeschichtliche und systematische Untersuchungen, München 1917. — Vom Erkenntnisbegriff des VII. Platonischen Briefes, Mnemosyne, 3. Serie, 8, 1940, 21-44. O. InM, Über den Begriff der platonischen δόξα und deren Verhältnis zum Wissen der Ideen, Leipzig 1877. P.-P. Joannt, Die Erfahrung in Platons Ideenlehre: Die Idee als Gestalt der Erfahrung, München 1936. H. Jonas,

Gnosis

und

spátantiker

Geist,

I, Göttingen

1934,

II 1, 1954.

E. KAPP, Rezension von H. LANGERBECK, AOSIX EIIIPYXZMIH, Studien zu Demokrits Ethik und Erkenntnislehre, Berlin 1935. Gnomon 12, 1936, 65-77 und 158-169. G. S. Kink, Sense and Common-Sense in the Development of Greek Philosophy,

Journal of Hellenic Studies 81, 1961, 105-117. H. J. KRAMER, Arete bei Platon und Aristoteles.

Zum

der platonischen Ontologie. Abh. d. Heidelberger Kl., 1959. G. KnÜcER, Einsicht und Leidenschaft. Das Wesen Frankfurt

a. M.

1939, 21948.

Wesen

Akad.

und

zur

Geschichte

d. Wiss.,

phil.-hist.

des platonischen

Denkens,

- Einleitung zu ‘Platon. Die Werke des Aufstiegs’ und ‘Platon. Der Staat’, Zürich 1948 und 1950. H. Kunn, Sokrates. Versuch über den Ursprung der Metaphysik, Berlin 1934, 2. Aufl. München 1959. F. LASSERRE, Nombre et connaissance dans la préhistoire du platonisme, Museum Helveticum 15, 1958, 11-26. H. LEISEGANG, Platon. In: RE

B. LigBRUCkKS, A. C. Του,

Platons

XX

2, 1950,

Entwicklung

2342-2537.

zur Dialektik,

Frankfurt

a. M.

1949.

Plato’s Description of Division, Classical Quarterly N. S. 2, 1952, 105-112.

J. H. M. M. Loenen, De NOYS in het system van Plato's Philosophie, Amsterdam 1951. L. MALVERNE, Remarques sur le Sophiste, Revue de métaphysique et de morale 63, 1958, 149-166. E. M. MaNassE, Platons Sophistes und Politikos. Das Problem der Wahrheit, Berlin 1937. — Bücher über Platon, Philosophische Rundschau, Beiheft 1 u. 2, 1957 u. 1961. G. ManriIN, Platons Lehre von der Zahl und ihre Darstellung durch Aristoteles, Zeitschrift für philosophische Forschung 7, 1953, 191-203. H. W. MEvEn, Das Verhältnis von Enthusiasmus und Philosophie bei Platon 1m Hinblick auf seinen Phaidros, Archiv für Philosophie 6, 1956, 262 ff. H. MEYERHOFF,

131-138.

Socrates!

J. M. E. MorAvcsIK,

CH. MucLER, G. MÜLLER,

Mr.

‘Dream?’

in the Theaetetus,

Xenakis on Truth

Classical Quarterly

and Meaning,

Mind

8, 1958,

67, 1958, 533—537.

La Physique de Platon, Paris 1960. Studien

zu den platonischen

Nomoi,

Zetemata

3, 1951.

A. de MURALT, De la participation dans le Sophiste der Platon, Studia Philosophica 17, 1957, 101-120. P. NATORP, Platos Ideenlehre. Eine Einführung in den Idealismus, Leipzig 1903. Zweite durchgesehene und um einen metakritischen Anhang vermehrte Ausgabe, Leipzig 1921. H. PATZER, Mitteilbarkeit der Erkenntnis und Philosophenregiment im 7. Platobrief, Archiv

für Philosophie

5, 1954,

19-36.

270

Anhang

J. P£rın, Éléments pour une histoire de la relation entre l'intelligence et l'intelligible chez Platon et dans le néoplatonisme, Revue Philosophique 146,1956, 39-64. A. PrEISwERK, Das Einzelne bei Platon und Aristoteles. Philol. Suppl. 32, 1, 1939. H. D. ΒΑΝΚΙΝ, Immediate Cognition of the Forms in the Phaedo?, Dialectica 12, 1958, 81-86. O. REGENBOGEN, Bemerkungen zur Deutung des platonischen Phaidros. In: Miscellanea

Academica

Berolinensia

II 1, Berlin

1950.

K. Reıca, Kant und die Ethik der Griechen. Philosophie und Geschichte Heft 54, Tübingen 1935. - Nachwort zu “Platon. Über die Frömmigkeit. Euthyphron?, Krefeld 1948. C. RITTER,

Untersuchungen

über

Plato,

Stuttgart

1888.

— Platon, 2 Bde., 1910/23. — Neue Untersuchungen über Platon, München 1910. - Das Unbewußte und Halbbewußte bei Platon, Korrespondenzblatt für die höheren Schulen Württembergs 27, 1920, 209 ff. L. RoBiN, Les rapports de l'étre et de la connaissance de’apres Platon. Publ. par P.-H. Schuhl. Paris 1957. R. Rosınson, Plato's Earlier Dialectic, E. ROHDE, Psyche, 2 Bde., !?1925.

Oxford

?1953.

GC. RÖTTGER, Studien zur platonischen Substantivbildung, Würzburg W. D. Ross, Plato's Theory of Ideas, Oxford 1951. W. G. Runcıman, Plato's Later Epistemology, Cambridge 1962. G. RyLe,

Plato's

Parmenides,

Mind

48, 1939,

129-151,

1937.

302-325.

P. SArzr, La genése dela sensation dans ses rapports avec la théorie de la connaissance chez Protagoras, Platon et Aristote, Paris 1934. C. SANDULESCU-GODENI,

Das

Verhältnis

von

Rationalität

und

Irrationalität

in

der Philosophie Platons, Berlin 1938. C. SCHIRLITZ, Der Begriff des Wissens vom Wissen in Platons Charmides und seine Bedeutung für das Ergebnis des Dialoges, Neue Jahrbücher für Philologie und Pädagogik

67, 1897, 451-476

W. ScHULZ,

Das

Gadamer,

Problem

Tübingen

und

513-537.

der Aporie

1960,

261-275.

in den Tugenddialogen

P. SHOREY, The Unity of Plato's Thought, Chicago 1903. — What Plato Said, Chicago 1934. J. B. SKEMP, The Theory of Motion in Plato's Later Dialogues, FR. SOLMSEN,

M. SorETH, A. SPEISER, zig 1937, B. STENZEL, 14, 1953,

J. STENZEL,

— -

Plato's Theology,

Ithaca,

N. Y.,

1942.

Platos.

Festschrift

Cambridge

1942.

Der Platonische Dialog Hippias Maior. Zetemata 6, 1953. Ein Parmenideskommentar. Studien zur platonischen Dialektik, Leip2. Aufl. Stuttgart 1959. Is Plato's Seventh Epistle Spurious?, American Journal of Philology 383-397. Studien

zur

Entwicklung

der

platonischen

Dialektik

von

Sokrates

zu Aristoteles, 2. Aufl. Leipzig 1931. Zahl und Gestalt bei Platon und Aristoteles, 2. Aufl. Leipzig 1933. Metaphysik des Altertums (Handbuch der Philosophie, Abt. I), München Berlin 1931. Philosophie der Sprache (Handbuch der Philosophie, Abt. IV), München Berlin 1934. Artikel ‘Sokrates’, RE III A, 1926, Sp. 811-890. Artikel *'Speusippos?, RE III B, 1929, Sp. 1636-1669. Kleine Schriften zur griechischen Philosophie, Darmstadt 1956.

und und

Literatur

271

E. DE STRYCKER, La distinction entre l’entendement (dianoia) et l’intellect (nous) dans la République de Platon, Estudios de Historia de la Filosofia en homenaje al Prof. R. Mondolfo, Fasc. 1, Tucuman

1957, 209-226.

FR. SUSEMIHL, Die genetische Entwicklung der platonischen Philosophie, 2 Bde., Leipzig 1855-1860. A. E. Tavron, A Commentary on Plato's Timaeus, Oxford 1928.



Plato,

The

Man

and his Work,

London

19206.

G. TEICHMÜLLER, Studien zur Geschichte der Begriffe, Berlin 1874. — Neue Studien zur Geschichte der Begriffe, Gotha 1879. O. ToEPLITz, Das Verhältnis von Mathematik und Ideenlehre bei Platon. Quellen und

Studien

T. G. Tuckev, 1951.

zur

Geschichte

Plato's

der Mathematik

Charmides.

Cambridge

I, Berlin

Classical

1929.

Studies

11,

Cambridge

A. TuMAREIN, Der Unsterblichkeitsgedanke in Platos *Phaidon?, Rheinisches Museum N. F. 75, 1926, 58-83. K. UPHuEss, Das Wesen des Denkens nach Platon, Landsberg 1881. M. VANHOUTTE, Note sur la communauté des genres dans le ,,Sophiste", Revue Philosophique de Louvain 46, 1948, 177-187.

- La méthode ontologique de Platon, Louvain-Paris 1956. G. VLAsTOS, The Third Man Argument in the *Parmenides', Review

63, 1954,

H.-D. VoicTLANDER,

319—349.

The

Die Lust und das Gute bei Platon, Würzburg

K.-H. VOLKMANN-SCHLUCK, Plotin als Interpret der Ontologie furt a. M. 1941, 21957. J. WAHL, Étude sur le Parménide de Platon, Paris 1926.

Philosophical 1960.

Platos,

Frank-

U. von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF, Platon, 2 Bde., (1919) ?1929, Neudruck Bd. I 1948. F. A. WILFORD, The Status of Reason in Plato's Psychology, Phronesis 4, 1959, 34-58. W. Wirt, Die Geschichte des Geistes in der Antike. Eranos-Jahrbuch 1945, Zürich 1946, 49—93.

E. G. Wirkiws, „Know Thyself“ in Greek and Latin Literature, Chicago A. D. WiNSPEAR, The Genesis of Plato's Thought, New York ?1956.

L. Woopsury, Parmenides on Names, 1958, 133-160.

M. Wunrt,

Platos

Parmenides,

1917.

Harvard Studies in Classical Philology 63,

1935.

E. ZELLER, Die Philosophie der Griechen dargestellt. II 1, Leipzig ?1922.

in ihrer geschichtlichen

Entwicklung

b) zu Aristoteles (die von 1840 bis 1960 erschienene Spezialliteratur zur Problematik telischen νοῦς findet sich in chronologischer Reihenfolge aufgeführt Anm. 1)

des Aristoauf 5. 207

S. AICHER,

Aristoteles.

Kants

Kantstudien,

Begriff

der

Ergánzungsheft

Erkenntnis

6, Berlin 1907.

verglichen

mit

dem

des

D. J. ALLAN, AÁristotle's Account of the Origin of Moral Principles. Proceedings of the XIth International Congress of Philosophy 12, 1953, 120-127. A. ANTWEILER, Der Begriff der Wissenschaft bei Aristoteles, Bonn 1936.

C. AnPE, Das τί ἦν εἶναι bei Aristoteles, Hamburg 1938.

D. BADAREU,

L/ individuel chez Aristote, Paris 1936.

272

Anhang

Fr.

H. I. J. — —

BAssENGE,

La

définition

H. Bonıtz,



Das

τὸ ἑνὶ εἶναι. τὸ ἀγαϑῷ

εἶναι etc.

etc. und

das τὸ τί ἦν εἶναι bei

Arıstoteles, Philologus 104, 1960, 14-47 und 201-222. BERGSon, Quid Aristoteles de loco senserit, Paris 1889. Brock, The Order of Aristotle's Psychological Writings, American Journal of Philology 82, 1961, 50-77. M. Le BroNp, Εὔλογος et l’ argument de convenance chez Aristote, Paris 1938. Logique et méthode chez Aristote. Étude sur la recherche des principes dans la physique aristotélicienne, Paris 1939. chez

Aristote,

Gregorianum

20, 1939,

351 ff.

Über die Kategorien des Aristoteles. Sitzungsbericht der Wiener Aka-

demie der Wissenschaften X, 1853, 591-645. Aristotelische Studien, Sitzungsbericht Wien,

1862,

183-280.

L. Bourcey, Observation et expérience chez Aristote, Paris 1955. Car. A. BranDis, Handbuch der Geschichte der griechisch-ró mischen Philosophie, II 2: Aristoteles, seine akademischen Zeitgenossen und nächsten Nachfolger, Berlin 1853. E. BRAUN, Vorläufer des *cogito ergo sum? bei Aristoteles, Annales Universitatis Saraviensis 1, 1956, 193 ff.

W. BRÖCKER, Aristoteles, Frankfurt a. M. 1935, ?1957. Fr. BRENTANO, Von der mannigfachen Bedeutung des Seienden

Freiburg ı. Br. 1862.

G. BUusNELLI,

H. — — G. P. H.

I] metodo

cartesiano

e il metodo

aristotelico,

nach

Rivista

Aristoteles, di

Filosofia

Neoscolastica 19, 1937, Suppl., 139-173. Fr. CHERNISS, Aristotle's Criticism of Presocratic Philosophy, Baltimore 1935. Aristotle's Criticism of Plato and the Academy, Baltimore 1944. The Riddle of the Early Academy, Berkeley and Los Angeles 1945. S. CLAGHORN, Aristotle's Criticism of Plato's Timaeus, Haag 1954. CosenzA, L'inizio e lo sviluppo della conoscenza sensibile in Aristotele, Napoli 1958. DauniN, Les rapports de l'étre et de la connaissance chez Platon et chez

Aristote,

Revue

des Études

Anciennes

53, 1951,

26 ff.

Fr. DrnLMEIER, Nikomachische Ethik. Übersetzung und Erläuterung. Aristoteles’ Werke in deutscher Übersetzung, hrgg. von E. GrUMAcH, Bd. 6, 1956. — Magna Moralia. Übersetzung und Erlàuterung. Ebenda Bd. 8, 1958. — Vom Monolog der Dichtung zum “inneren’ Logos bei Platon und Aristoteles, Gymnasium 67, 1960, 26—41. — Ein vergessenes Aristotelesfrag ment, Hermes 89, 1961, 371 ff. H. DörrıE, Gedanken zur Methodik des Aristoteles in der Schrift περὶ ψυχῆς. In: Aristote et les problémes de méthode, Paris 1961, 223—244. E. DünniNG, Abhandl. über Raum, Zeit und Kausalität, Berlin 1861. I. DÜRING, Von Aristoteles bis Leibniz. Antike und Abendland IV, 1954, 118—154. R. EUCKEN, De Aristotelis dicendi ratione, Göttingen 1866.

— Über den Sprachgebrauch des Aristoteles, Berlin 1868. — Die Methode der Aristotelischen Forschung in ihrem Zusammenhang philosophischen Grundprinzipien des Aristoteles, Berlin 1872. E. Fınk,

Raum,

J. FREUDENTHAL, gen 1863. K. von

Fritz,

Zeit,

Der

Über

Bewegung,

Haag

1958.

den Begriff des Wortes

Ursprung

der

aristotelischen

schichte der Philosophie 40, 1931, 449—496. — Entstehung und Inhalt des neunten Kapitels schrift Kapp, Hamburg 1958, 67-91.

mit den

φαντασία bei Aristoteles,

Göttin-

Kategorienlehre,

für

von

Aristoteles’

Archiv

Poetik,

Ge-

Fest-

Literatur

273

J. GEYSER, Erkenntnistheorie des Aristoteles, Münster 1917. O. GicoN, Aristoteles: Vom Himmel, Von der Seele, Von der Dichtkunst, 1950. —

Aristoteles:

Die

Nikomachische

Ethik,

Zürich

Zürich

1951.

— Aristoteles: Einführungsschriften, Zürich 1961. E. GorrscuricH, Über Einheit und Verschiedenheit der Zeit bei Aristoteles, PhiloE. O. — H. N. — — M.

sophische

Monatshefte

9, 1873,

285-290.

GRUMACH, Physis und Agathon in der alten Stoa. Problemata 6, 1932. HAMELIN, Le systeme d' Aristote, Paris 1920. Aristote: Physique II. Traduction et Commentaire, Paris ?1931. D. HaAwTz, The Biological Motivation in Aristotle, New York 1939. HARTMANN, Aristoteles und das Problem des Begriffs, Kl. Schr. II 100—129. Aristoteles und Hegel, Kl. Schr. II 214-252. Der Megarische und der Aristotelische Móglichkeitsbegriff, Kl. Schr. II 85-100. HEIDEGGER, Vom Wesen und Begriff der Φύσις. Aristoteles Physik B 1. Il Pensiero

3, 1958,

131-156

und

265-289.

— Hegel und die Griechen. Festschrift Gadamer, Tübingen 1960, 43-57. M. Heınze, Die Lehre vom Logos in der griechischen Philosophie, Oldenburg 1872. 7. HERMANN, Quae Aristoteles de ultimis cognoscendi principiis docuerit, Berlin 1864. E. J. E. HurrER,

Aristoteles

als bioloog,

Bijdragen

20,

1959,

15-26.

E. von IvANEA, La Connaissance Intuitive chez Kant et chez Aristote, Revue Néoscolastique 33, 1931, 381-399, 469-487. — Die Behandlung der Metaphysik in Jaegers *Aristoteles, Scholastik 7, 1932, 1-29. - Die Polemik gegen Platon im Aufbau der Aristotelischen Metaphysik, Scholastik 9, 1934,

520—542.

G. A. KENNEDY,

Aristotle

W. JAEGER, Studien zur Entstehungsgeschichte der Metaphysik des Aristoteles, Berlin 1912. — Aristoteles. Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung, Berlin 1923, 21955. A. A. JASCALEVICH, Three Conceptions of Mind. Their Bearing on the Denaturalization of the Mind in History, New York 1926. F. F. KAMPE, Die Erkenntnistheorie des Aristoteles, Leipzig 1870. on the Period,

Harvard

Studies

63,

1958,

283-288.

H. D. P. LEE, Geometrical Method and Aristotle's Account of the First Principles, Classical Quarterly 29, 1935, 113-124. L. LEenscH, Die Sprachphilosophie der Alten, Bonn 1838-1841. G. E. R. LLoyp, The Development of Aristotle's Theory of the Classification of Animals,

Phronesis

6, 1961,

59—81.

Α. ΜΑΝΒΙΟΝ, Introduction à la physique aristotélicienne, Louvain 1913. 5. MANSION, Le jugement d'existence chez Aristote, Louvain 1946. PH. MERLAN, Studies in Epicurus and Aristotle, Wiesbaden 1960. S. Moser, Zur Lehre von der Definition bei Aristoteles. I. Teil: Organon und Metaphysik. In: Philosophie und Grenzwissenschaften, Bd. VI .H. 2, 1935. — Metaphysik einst und jetzt, Berlin 1958. J. MÜLLER, Über die phantastischen Gesichtserscheinungen. Eine physiologische Untersuchung mit einer physiologischen Urkunde des Aristoteles über den Traum, den Philosophen und Árzten gewidmet, Coblenz 1826. K. OEHLER, Der Beweis für den unbewegten Beweger bei Aristoteles, Philologus 99, 1955, 70-92. 18

Oehler, Die Lehre

274

Anhang

K. OEHLER, Zacharias 50, 1957, 30-38. Thomas von Aquin Rundschau

5, 1957,

Rezension

von

metaphysik

von

Chalkedon

als

Interpret

135-152.

W. BEIERWALTES,

der Griechen,

Rezension von G. LIEBERG,

teles,

München

1958

München

über der

die: Zeit,

Byzantinische

Aristotelischen

Lux

intelligibilis,

1957.

Gnomon

31,

Ethik,

Philosophische

Untersuchung 1959,

Zeitschrift

758 f.

zur

Licht-

Die Lehre von der Lust in den Ethiken des Aristo-

(Zetemata,

H.

19).

Gnomon

32,

1960,

25-31.

Zur Metaphysik-Ausgabe von Werner Jaeger, Philosophische Rundschau 7, 1959, 125-128. Der Consensus omnium als Kriterium der Wahrheit in der antiken Philosophie und der Patristik. Eine Studie zur Geschichte des Begriffs der Allgemeinen Meinung. Antike und Abendland X, 1961, 103-129. Das Aristotelische Argument: Ein Mensch zeugt einen Menschen. Zum Problem der Prinzipienfindung des Aristoteles. (I: Neopositivistische Sprachanalyse und Aristotelesforschung, II: Ein Mensch zeugt einen Menschen). In: Einsichten. Gerhard Krüger zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main 1962. Der Entwicklungsgedanke als heuristisches Prinzip der Philosophiehistorie. (Im Erscheinen). G. E. L. Owen, Logic and Metaphysics in Some Earlier Works of Aristotle. In: Aristotle and Plato in the Mid-Fourth Century. Papers of the Symposium Aristotelicum held at Oxford in August, 1957, Studia Graeca et Latina Gothoburgensia

ed. by I. Dürınc and G. E. L. Owen. 11, Göteborg 1960, 163-190.

J. Owens, The Doctrine of Being in the Aristotelian Metaphysics, Toronto 1951.

G. Parzıc, Die Entwicklung des Begriffs der Usia in der ‘Metaphysik? des Aristoteles, Diss. Góttingen 1950 (mschschr.). Bemerkungen über den Begriff der Form, Archiv für Philosophie 9, 1960, 93-111.

Theologie und Ontologie in der ‘Metaphysik’ des Aristoteles, Kantstudien 52, 1960/61, 185-205. P. PETERSEN, Die Philosophie Friedrich Adolf Trendelenburgs. Ein Beitrag zur Geschichte des Aristoteles im 19. Jahrhundert, Hamburg 1913.

J.

H.

RANDALL,

Aristotle,

New

York

1960.

L. M. Recıs, L'opinion selon Aristote, Ottawa 1935. K. REicH, Der historische Ursprung des Naturgesetzbegriffs. Festschrift Ernst Kapp, Hamburg 1958, 121-134. K. REIDEMEISTER, Das System des Aristoteles. Hamburger Mathematische Einzelschriften

H. 37, 1943.

K. RrEzLER, Physics and Reality. Lectures of Aristotle on Modern Physics at an International Congress of Science. 679 Olymp. Cambridge 1940 A. D. New Haven 1940. L. M. ΡῈ Rijyk, The Place of the Categories of Being in Aristotle's Philosophy, Utrecht 1952. J. RITTER, Die Lehre vom Ursprung und Sinn der Theorie bei Aristoteles, (Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 1, 32 ff.) Köln 1952. L. Rosın,

Aristote,

Paris

1944.

S. H. Rosen, Thought and Touch, a note on Aristotle's De Anima, Phronesis 6, 1961, 121-131.

W.

D.

— The

Ross,

Aristotle,

Development

1957, 63-78.

London

1923, 21930.

of Aristotle's Thought.

Proceedings

of

the British Academy

43,

Literatur

D. SAcus, Does Aristotle 1948, 221-225.

W.

SCHADEWALDT,

have

Eudoxos

a Doctrine

von Knidos und

275

of Secondary die Lehre vom

Substances?, Mind unbewegten

57,

Beweger.

In: Satura, Festschrift für Otto Weinreich, Baden-Baden 1952, 103—129. R. SCHNEIDER, Seele und Sein. Ontologie bei Augustin und Aristoteles, Stuttgart 1957.

P. M. Scnuunr,

Y a-t-il une source aristotélicienne du Cogito?, Revue

Philosophique

73, 1948, 191 ff. A. SMEETS, Act en potentie in de metaphysica van Aristoteles. Historisch-philologisch onderzoek van boek IX en boek V der Metaphysica. Met voorwoord van August Mansion. Leuven 1952. FR. SOLMSEN, Antecedents of Aristotle’s Psychology and Scale of Beings, American Journal of Philology 76, 1955, 148-164. — Aristotle's System of Physical World. A Comparison with his Predecessors, New York 1960. K. SPERLING, Über Aristoteles’ Ansicht von der psychologischen Bedeutung der Zeit, Diss. Marburg 1888. 7. STALLMAcH, Dynamis und Energeia. Untersuchungen am Werk des Aristoteles zur Problemgeschichte von Móglichkeit und Wirklichkeit. Monographien zur philosophischen Forschung XXI, 1959. W. TuEILER, Zur Geschichte der teleologischen Naturbetrachtung bis auf Aristoteles,

Zürich

1925.

— Über die Seele. Übersetzung,

Übersetzung und Erläuterung.

hrgg.

von

E. GRUMAcH,

Bd.

13,

Aristoteles’ Werke in deutscher 1959.

A. TonsTrRIE, Über die Abhandlung des Aristoteles von der Zeit. Phys. A 10 ff., Philologus 26, 1867, 446—523. Α. TRENDELENBURG, Das τὸ ἑνὶ εἶναι, τὸ ἀγαϑῷ εἶναι etc. etc. und das τὸ τί ἦν εἶναι bei Aristoteles. Ein Beitrag zur Aristotelischen Begriffsbestimmung und zur griechischen Syntax, Rheinisches Museum 2, 1828, 457-483. — Geschichte der Kategorienlehre, Leipzig 1846, 2. Aufl. Berlin 1876. E. TUGENDHAT, TI ΚΑΤΑ ΤΙΝΟΣ. Eine Untersuchung zu Struktur und Ursprung Aristotelischer Grundbegriffe, Freiburg-München 1958. K.

ULMER,

Wahrheit,

Kunst

und

Natur

bei Aristoteles, Tübingen

1953.

H. WAGNER, Die Schichtentheoreme bei Platon, Aristoteles und Plotin, Studium Generale 9, 1956, 283-291. - Zum Problem des Aristotelischen Metaphysikbegriffs, Philosophische Rundschau 7, 1959, 129-148. R. WALZER, Magna Moralia und Aristotelische Ethik. Neue philologische Untersuchungen 7, 1929. — On the Arabic Versions of Books A, α and A of Aristotle's Metaphysics, Harvard Studies 63, 1958, 233-253.

J. H. Waszınk, Aristoteles. In: Reallexikon für Antike und Christentum (RAC), I, 1950, 657-667.

A. WEDBERG,

H. Weıss, W.

The

Aristotelian

Kausalitát und

Theory

of Classes,

Ajatus

Zufall in der Philosophie

WIELAND, Aristoteles als Rhetoriker und ten, Hermes 86, 1958, 323-3460.

15,

1948,

des Aristoteles,

das Problem

299-314.

Basel

1942.

der exoterischen Schrif-

— Die Ewigkeit der Welt (Der Streit zwischen Joannes Philoponus und Simplicius), in: Die Gegenwart der Griechen im neueren Denken, Festschrift Gadamer, Tübingen 1960, 206-219. — Das Problem der Prinzipienforschung und die Aristotelische Physik, Kantstudien 52, 1960/61, 206—219. 18*

276

Anhang

P. WiLPERT, Zum Aristotelischen Wahrheitsbegriff, Philosophisches Jahrbuch 53, 1940, 3-16. — Zwei aristotelische Frühschriften über die Ideenlehre, Regensburg 1949. — Zur Interpretation von Metaphysik Z 15, Archiv für Geschichte der Philosophie 42, 1960, 130—158. H. A. Wourson, The Knowability and Describability of God in Plato and Aristotle, Harvard Studies in Classical Philology 56/57, 1947, 233—249. — The Plurality of Immovable Movers in Aristotle and Averroes, Harvard Studies 63, 1958, 233-253. G. R. WOLTER, De spatio et tempore praecipue Aristotelis ratione habita, Diss. Bonn 1848. G. WUNDERLE,

Die. Lehre

des

E. ZELLER, Die Philosophie dargestellt. II 2, 31879. G. Z14JA,

Die

aristotelische

Vorstellungen, Leobschütz

Aristoteles

der

Griechen

Lehre

1879.

vom

von

der

Zeit,

München

in ihrer geschichtlichen

Gedächtnis

und

von

der

1908.

Entwicklung

Assoziation

der

Literatur zur Geschichte der Logik in der Antike a) Allgemein O. BECKER, Texten,

Formallogisches und Mathematisches in griechischen philosophischen

Philologus

100,

1956,

108 ff.

I. M. BocBENsEKI, Ancient Formal Logic, Amsterdam 1951. — Formale Logik (Orbis Academicus III 2), Freiburg 1956. E. HorrMaANN, Die Sprache und die archaische Logik. Heidelberger Abhandlungen zur Philosophie und ihrer Geschichte 3, Tübingen 1925. E. KAPP, Artikel ‘Syllogistik’, RE IV A, 1931, Sp. 1046-1076. — Greek Foundations of Traditional Logic, New York 1942. H. Korrrenm,

Das

Modell

der griechischen

Logik,

Glotta

38, 1959, 61-74.

C. PRANTL, Geschichte der Logik im Abendlande I, II, Leipzig 1855 und 1861, Neuausgabe Leipzig 1925. H. Scnuorz, Geschichte der Logik, Berlin 1931. — Die Axıomatik der Alten, Blätter für deutsche Philosophie 4, 1930, 259-278. H. STEINTHAL, Geschichte der Sprachwissenschaft bei den Griechen und Römern, mit besonderer Rücksicht auf die Logik, Berlin ?1890/91. W. WIELAND, Zur Problemgeschichte der formalen Logik, Philosophische Rundschau

6, 1958, 71—93.

b) zu Antisthenes F. DÜMMLER, De Antisthenis Logica, Kl. Schr. I, 1-9. K. von Fritz, Zur Antisthenischen Erkenntnistheorie und Logik, Hermes 62, 1927, 453 ff. C. M. GILLESPIE, The Logic of Antisthenes, Archiv für Geschichte der Philosophie 26, 1913, 479-500, 27, 1914, 17-38. G. M. A. GRUBE, Antisthenes was no logician, Transactions and Proceedings of the

American

Philological

P. NATORP, Forschungen Berlin 1884.

zur

Association

Geschichte

81,

1950,

16-27.

des Erkenntnisproblems im Alterthum,

c) zu Platon J. L. AckniLL, Plato and the Studies 77, 1957, 1-6.

Copula:

Sophist

251-259, The Journal

of Hellenic

Literatur

R. S. Bruck,

277

False Statement in the Sophist, The Journal of Hellenic Studies 77,

1957, 181-186. R. C. Cross, Logos

and Forms

in Plato, Mind

63, 1954, 433-450.

K. Dürr, Moderne Darstellung der platonischen Logik. Ein Beitrag zur Erklärung des Dialoges Sophistes, Museum Helveticum 2, 1945, 166-194. R. HaAckronrTH, False Statement in Plato’s Sophist, Classical Quarterly 56-58.

39, 1945,

E. HAMBRUCH, Logische Regeln der Platonischen Schule in der Aristotelischen Topik. Wissenschaftliche Beilage zum Jahresbericht des Askanischen Gymnasıums

zu Berlin,

D. W. Hamıyn,

The

1904.

Communion

of the Forms

and the Development

of Plato's Lo-

gic, Philosophical Quarterly 5, 1955, 289 ff. A. R. LACEY, Plato's *Sophist? and the Forms, Classical Quarterly 9, 1959, 43-52. A. C. Lrovp, Falsehood and Significance according to Plato, Proceedings of the XIth International Congress of Philosophy 12, 1953, 68-70.

J. M. E. MorAvcsıK, für Geschichte

SYMIIAOKH

der Philosophie

EIAQN

42, 1960,

and

the

117—129.

Genesis

of AOI'OX, Archiv

K. REIDEMEISTER, Mathematik und Logik bei Platon. Hamburger mathematische Einzelschriften

H. 35,

1942;

jetzt

in:

Das

exakte

Denken

Hamburg 1949. C. RITTER, Platons Logik, Philologus 75, 1918, 55-67.

der

Griechen

R. Rosınson, Plato's Consciousness of Fallacy, Mind 51, 1942, 92-114. - Forms and Error in Plato’s Theaetetus, Philosophical Review 59, 1950, 3-30. E. W. SCHIPPER, Perceptual Judgments and Particulars ın Plato’s Later Philosophy, Phronesis 6, 1961, 102-109.

H.-P. STAHL,

Ansätze zur Satzlogik bei Platon, Hermes

88, 1960, 409 ff.

J. XENAKIS, Plato on Statement and Truth-Value, Mind 66, 1957, 165-172. — Essence, Being and Fact in Plato, Kantstudien 49, 1957, 167-181.

— Plato's Sophist: and of Truth,

A Defense

Phronesis

of Negative

4, 1959, 29-43.

Expressions

and

a Doctrine

of Sense

d) zu Aristoteles A. BECKER, Die aristotelische Theorie der Möglichkeitsschlüsse. 1 ine logischphilologische Untersuchung der Kapitel 13-22 von Aristoteles’ Ana ytica Priora

I, Berlin 1933. J.-M. Le BLonD, Logique

G. CALOGERO, G. Gentile.

et méthode

I Fondamenti

II 3, Florenz

chez Aristote,

Paris

1939.

della Logica Aristotelica. Studi Filosofici Diretti

1927.

da

B. EiNARSON, On Certain Mathematical Terms in Aristotle’s Logic, American Journal of Philology 57, 1936, 33-54, 151-172. M. G. Evans, Causality and Explanation in the Logic of Aristotle, Philosophy and Phenomenological Research 19, 1959, 466-485. Pu. GuMPoscH, Über die Grenzen aristotelischer Logik, Diss. München 1838.

D. W.

HAMLYN,

Aristotle on Predication, Phronesis 6, 1961, 110—126.

D. Tu. HowaAnp, Analytical Syllogistics. A Pragmatic Interpretation of the Aristotelian Logic, Evanston 1946. J. LukAsrEWICZ, Aristotle's Syllogistic from the Standpoint of Modern Formal Logic, Oxford 1951, *1957. H. MAIER, Die Syllogistik des Aristoteles, 2 in 3 voll., Tübingen 1896-1900. 7. Mav, Stoische Logik. Ihre Stellung gegenüber der aristotelischen Syllogistik und dem modernen Aussagenkalkül, Hermes 85, 1957, 147-158. J. W. MiıLLeEr, The Structure of Aristotelian Logic, London 1938.

278

Anhang

J. Pıcıus,

In Porphyrii

ticus, Frankfurt

Isagogen

1597.

et Aristotelis

Organum

Commentarius

Analy-

G. PATZIG, Rezension von E. W. PLATZEK, Von der Analogie zum Syllogismus, Paderborn

1954.

Gnomon

27, 1955, 499-507.

- Die Aristotelische Syllogistik. Logisch-philologische Untersuchungen über das Buch A der ‘Ersten Analytiken’. Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften m

Gottingen, phil.-hist. Kl., 3. Folge, Nr. 42, 1959.

- Aristotle and Syllogisms from False Premisses, Mind 68, 1959, 186-192. C. PRANTL, Über die Entwicklung der Aristotelischen Logik aus der Platonischen Philosophie. Abhandlung der Königlichen Bayerischen Akademie der Wissenschaften,

I. Cl., VII.

Bd.,

I. Abth.,

München

1853.

TH. RErp, Analysis of Aristotle's Logic, with remarks, Edinburgh 21806. E. O. Sısson, The Copula in Aristotle and Afterwards, The Philosophical Review 48, 1939, 57-64. FR. Son MsEN, Die Entwicklung der aristotelischen Logik und Rhetorik, Berlin 1929. - Boethius and the History of the Organon, American Journal of Philology 65, 1944, 69-74. Korrekturzusatz: Aristote et les problémes de méthode. Communications présentées au Symposium Aristotelicum tenu à Louvain du 24 aout au 1° septembre 1960. Louvain-Paris 1961. Von diesem Werk wurde Vf. während der Drucklegung nur noch der Beitrag von H. DÖRRIE durch einen Sonderdruck bekannt. Ebenfalls erst nachträglich bekannt wurde Vf. der Aufsatz von J. HIRSCHBERGER, Paronymie und Analogie bei Aristoteles, Philosophisches Jahrbuch 68, 1960, 191—203.

Literatur zur Phänomenologie und Psychologie des Bewußtseins A. Bier,

E. W. — K.

Die Seele,

1939.

CASSIRER, Philosophie der symbolischen Formen, 3 Bde., 1923-1929. CRAMER, Die Monade. Das philosophische Problem vom Ursprung, 1954. Grundlegung einer Theorie des Geistes, 1957. | DELAHAYF, Die *memoria interior'- Lehre des heiligen Augustinus und der Begriff der *transzendentalen Apperzeption? Kants. Abhandlungen zur Philosophie und Psyct ologie der Religion, Heft 38/39, 1936. A. DEMPr, ΄ heoretische Anthropologie, 1950. W. DILTaE‘, Einleitung in die Geisteswissenschaften, 1883, Ges. Schr. I. — Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie, 1894, Ges. Schr. V. H.-G. GADAMER, Wahrheit und Methode. Grundzüge einer philosophischen Hermeneutik,

1960.

A. GEHLEN, Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt, 1940, 51955. — Urmensch und Spätkultur, 1956. N. HARTMANN,

M. P. R. — — — E. H.

Grundzüge

einer Metaphysik

der Erkenntnis,

1921, 21949.

HEIDEGGER, Sein und Zeit, 1927, ?1953. R. HorsTATTER, Die Psychologie und das Leben, 1951. HóNiIcSWALD, Prinzipienfragen der Denkpsychologie, 1913. Die Grundlagen der Denkpsychologie, 1918, 21925. Grundfragen der Erkenntnistheorie, 1931. Philosophie und Sprache, 1937. HussERL, Husserliana. Gesammelte Werke. 1950 ff. (Bisher Bd. I-I X). JacoBsonn, Das Gespräch eines Lebensmüden mit seinem Ba; in: Dokumente der Seele, Studien aus dem C. G. Jung-Institut Zürich, III D. M. Joanson, The Psychology of Thought and Judgment, 1955. C. G. Jung, Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge; in: erklärung und Psyche, Studien aus dem C. G. Jung-Institut Zürich, IV

Zeitlose 1, 1952. Natur1, 1952.

Literatur L. KLAGES,

Vom

Wesen

des Bewußtseins,

279

1921, 421955.

J. Koenıc, Der Begriff der Intuition, 1926. G. KrÜcer, Die Herkunft des philosophischen Selbstbewuftseins, 225-272. —

Abendländische

Humanität,

Logos 22, 1933,

1953.

— Freiheit und Weltverwaltung. Aufsätze zur Philosophie der Geschichte, 1958. — Grundfragen der Philosophie, 1958. H. Kuuw, Begegnung mit dem Sein. Meditationen zur Metaphysik des Gewissens, 1954. H. LEisEcANG, Denkformen, 1928, 5195]. H. Lıpps, Untersuchungen zur Phänomenologie

der Erkenntnis, 2 Bde., 1927-1928.

— Untersuchungen zu einer hermeneutischen Logik, 1938, °1959. —

Die

menschliche

Natur,

1941.

— Die Verbindlichkeit der Sprache, 1944, ?1958. — Die Wirklichkeit des Menschen, 1954. Te.

Lirr,

Die Selbsterkenntnis

K. LówirH,

des Menschen,

1938,

21948.

Das Individuum in der Rolle des Mitmenschen,

G. H. MEAD,

Mind,

J. G. MiLLER,

Self and

Society,

Unconsciousness,

1928.

1934.

1942.

C. E. K. —

von MONAKOW, Gehirn und Gewissen, 1950. NEUMANN, Ursprungsgeschichte des Bewufitseins, 1949. OEHLER, Zum Text der Cirisklage, Philologus 100, 1956, 140 ff. Die Geschichtlichkeit der Philosophie, Zeitschrift für Philosophische Forschung 11, 1957, 504-526. — Bewußtsein. In: Pädagogisches Lexikon, 1961. — Rationalismus. In: Die Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). Handwórterbuch für Theologie und Religionswissenschaft. Dritte Auflage, Bd. V, 1961, 790 f. — -

Realismus. In: RGG?, V, 1961, 807 ff. Subjekt und Objekt. In: RGG?, VI, 1962, 448 ff.

— Vernunft und Verstand.

In: RGG?,

VI, 1962.

H. PLESSNER,

der Sinne,

1923.

— A. H. — G.

Die

Einheit

Die Stufen des Organischen und der Mensch, 1928. PoRTMANN, Biologische Fragmente zu einer Lehre vom Menschen, 5195]. RognACHER, Einführung in die Psychologie, 51953. Die Arbeitsweise des Gehirns und die psychischen Vorgänge, 1953. RvrE, A Puzzling Element in the Notion of Thinking. Proceedings of the British

Academy

44, 1958, 129-144.

B. SNELL, Der Aufbau der Sprache, ?1961. G. SóuNcEN, Der Aufbau der augustinischen Gedächtnislehre (Conf. X c. 6-27). In: Aurelius Augustinus, Festschrift der Górresgesellschaft zum 1500. Todestag des heiligen Augustinus, hrsgg. von M. GRABMANN und J. MaAusBACH, 1930, 367-394. H. STEINTHAL, Grammatik, Logik und Psychologie, ihre Principien und ihr Verhältnis

zu einander,

1855.

W. E. ViNACKE, The Psychology of Thinking, 1952. H. WAGNER, Philosophie und Reflexion, 1959. C. F. νον WEIZSÄCKER, Zum Weltbild der Physik, ?1958. - Allgemeinheit und GewiDheit. In: Martin Heidegger zum tag, 1959, 157-171. |

siebzigsten

Geburts-

280

Anhang

A. N. WHITEHEAD,



The

Function

von

I. FETSCHER,

Science and the Modern World, 1925.

of Reason,

1929.

— Process and Reality, 1929. — Modes of Thought, 1938. L. WITTGENSTEIN, Schriften (Tractatus logico-philosophicus, Tagebücher 1914 bis 1916, Philosophische Untersuchungen), 1960. GRAF PAUL Yonck VON WARTENBURG, Bewußtseinsstellung und Geschichte. Ein Fragment aus dem philosophischen Nachlaß. Eingeleitet und herausgegeben 1956.

E. ZELLER, Über Bedeutung und Aufgabe der Erkenntnistheorie, und Abhandlungen, 2. Sammlung, 1877, 479-526.

1862. Vorträge

SACHVERZEICHNIS Abbildcharakter des Gedankens: Aberration, eidetische: 80!

21 ff.

167 ff., 170 ff., 245 ff., 250 ff. ; synthetische und diairetische Funktion des

Alternative ,wahr-falsch* s. u. Wahrheits-

begriff Anthropologie: 9, 260 ἄνθρωπος ἄνθρωπον Yevvi- Argument: 219 ff. Ansichsein:

90,

251 ff.

Apriorismus:

176

ff., 104,

189,

229

f.,

90, 105, 206, 258, 260

Assoziation s. u. Erinnerung Aussage: Modalitát der A.: 79 ff., 146; Qualität der A.: 83; Subjekt der A.: 31 ff., 79 ff., 133 f., 226 ff. ; Substrat der A.: 80 ff., 97, 143, 243; Prädikat

der Α.: 31 ff., 79 Β΄. 133 ff., 226 Ε΄: Wahrheitswert der Α. s. u. Wahrheitsbegriff; Zeitbestimmung der A.: 76 f., 133 ff., 143? 151 Begleitwissen s. u. Bewußtsein Beweger, unbewegter: noetisches

Sein

des u. B.: 8, 202 fi., 208 fi., 217 f. Bewußtsein: Schuldb.: 3 ff. ; Gewissensb.:

3 ff.; weltbezogenes B.: 7, 108 ff.; Be-

gleitwissen:

6,

196,

253

ἢ;

reines

B.,

Phänomenologie

des

transzendentale Subjektivitàt : 3, 108ff., 189, 250 ff., 260;

B.: 8. 250fl.; Grenzen der Pl.-Ar. Phänomenologie des B.: 250 ἢ; Konstituierung des B.: 108 ff., 188 ff., 250 ff.;

Intentionalitát des B.: 7, 79 ff., 105 ft.,

120, 188 ff, 201, 250 ff, 260; Zeitb.: 199 ff. ; Selbstb.: geschichtliche Genesis des Selbstb.: 3 ff., 259 f.; philosophisches Selbstb.: 103 fl., 252 Ε΄:

Wissen desWissensb.: 103 ff. ; noetisches Selbstb.: 202 ff. consensus omnium 455.

1041, 250

Definition: Antisth. Theorie der D.: 36ff.; Funktion des Onoma ın Pl. Theorie der D.: 58 ff., 80! ; Ar. Theoric der D.: 223 fi., 234 ff.

Denken: D.:

a)

dianoetisches

Struktur

des

d. D.:

(diskursives) 71

ff.,

163,

d. D.: 112 ff., 157 £., 177 ff., 245 250; Gegenstandsbestimmtheit des D.: 31 ff., 46 ff., 152 ff., 176 ff., 250 Wahrheit oder Falschheit des d. s. u. Wahrheitsbegriff. b) noetisches Vollzugsmodus

des n. D.:

112

ff., d. ff.; D. D.:

ff., 152,

163, 167 ff., 186 ff., 211, 245 ff.; Analogien zur Sinneswahrnehmung: 36, 42, 164, 186 ff., 251 ff.; Gegenstandsbestimmtheit des n. D.: 152, 211, 217 ff., 250 ff. ; Wahrheit

s. u. Wahrheitsbegriff.

188 ff. des n.D.

Komplementa-

ritát des d. und n. D.: 1 f., 112 ff., 245 ff.

Dialektik: Herkunftsbereich der Ar. Syllogistik: 14 ff. Diskursives Denken s. u. Denken

Einheitsfunktion der Klasse: 61 ff., 100 f., 233 f. Einsicht, die sich selbst einsehende E.: 193 ff., 202 ff. Einstellung, natürliche: 2, 259 f. Erfahrung: 2, 7, 89 ff., 107, 168, 189 ff., 249, 252 fl. Erinnerung: 44 ff., 94 ff., 167, 196 ff.; Assoziation: 200 f.

Erkenntnistheorie: Antisth. E.: 31 ff.; E. des dianoetischen Denkens: 170 ff.; E. des noetischen Denkens: 182 ff. Evidenz s. u. Gewißheit Existenzurteil s. u. Urteil

fallacia dictionis:

112

ff.,

24

Gedächtnis s. u. Erinnerung Gegebenheit: Abhängigkeit der Erkenntnisformen von den Gegebenheitsweisen des Seienden; logische G. der Aussage und ontische G. des Gegenstandes der Aussage s. Ontologie Gemeinsinn: 196 ff. Gewißheit: 48, 62, 123, 166, 206, 254 f. Grammatik:

28, 99, 1341 174

282

Anhang

Hermeneutik: 56 fi.

Homonyme:

onomatische

H. des Seins:

Einteilung der H.: 25 fl.

Identität, noetische: 193 fl.

Index der Infallıibilität: 47, 128, 161, 186, 213 f. Initialcharakter des Seienden: 188, 190 ff. Intentionalitát s. u. Bewußtsein Intuitionismus: 30, 167

der

Begriffe:

52

ff., 78,

90 f. Komplementarität s. u. Denken Konzeptualismus: 111, 194 Kooperation der Erkenntnisfunktionen: 161 f., 206 Kopula:

322,

50

f.,

53

137 ff, 143 ff., 173 ff.

ff.,

90,

133 ff.,

Lichtmetaphysik: 42, 186 ff. Lichtsymbolik s. Lichtmetaphysik Logik: psychologiefreie L. bei Ar.: 13, 147; dialektischer Ursprung der Ar. L.: 13

ff.;

13

ff., 147

16

ff.;

Selbstverstándnis

Ortsbestimmung

ff.; traditionelle

des Urteils s. u. Urteil Nachdenken: 197 f.

der

der

L.:

Ar.

Ar.

16;

L:

L.:

L.

70 ff., 88 fi., 96 f., 112, 149,

Onoma: bei Pl.: als Eigenname: 57; als Bezeichnung für Wortarten: 57; als Prädikatsbezeichnung: 57; als Subjektsbezeichnung: 57 ff.; als sprachlicher Ausdruck des Definiendum: 59 ff.; als Klassenbezeichnung: 59 ff.; Bedeutung des O. für die Dialektik: 58 ff. ; Bestimmung von O. als Subjektsbezeichnung bei Ar.: 133 ff. Ontologie: der einfachen Gegebenheiten: 31 ff., 46 fi., 52 ff., 154 ff., 182 ff., 211, 215 ff., 217 ff., 221 ff., 240 ff., 245 ff., 252 ff.; der komplexen Gegebenheiten: 31 ff., 46 ff., 52 ff., 154 ff., 176 ff., 211, 240 ff., 245 ff., 252 ff. ; des dianoetischen Denkens:

154 ff., 170 ff. ; des noetischen

Denkens: 154 fl.,182ff.,211; kategoriale O.: 173 ff. ὅπερ ὄντα: 66, 221 ff.

20 ff., 147 ff.

147: Ps. des Urteils s. u. Urteil

Raum:

Kategorien: 173 ff., 218, 223 f. Kommunikation

Parallelismus-Schema:

Prädikat s. u. Aussage, Onoma u. Rhema Prädikation: Möglichkeit der P.: 31 ff., 52 ff., 161 fi. Prädikationsbestreitung: 49 ff. Prinzipien: Erkenntnis der Pr.: 165 ff., 206 Psychologie: Logik und Ps.: 13 ff., 118,

200

Reflexion:

3, 259; 252

reine oder transzendentale R.:

natürliche

R.:

ff.; Motivation

2 ff., 193

ff.,

der reflektierenden

Selbsterfahrung: 3 f. regressus in infinitum: 105, 109, 205 Rhema:

bei Pl.: als sinnvoller Wortkom-

plex: 58 f.; als Prädikatsbezeichnung: 57 ff.; Bestimmung von R. als Prädikatsbezeichnung bei Ar.: 133 ff.

Schrift: als Symbol des Gesprochenen: 20 ff. Selbstauffassung s. u. Selbstverständnis Selbstbewußtsein s. u. Bewußtsein Selbsterfahrung s. u. Reflexion Selbstgespräch:

71, 87, 95, 103

Selbstvergessenheit: 2 Selbstverständnis des Menschen:

3, 8 f.

Singularismus s. u. Wahrheitsbegriff Skepsis, antike und moderne: 104, 259 Sprache: deiktische Funktion der Spr.: 22, 101 f.; Form der Spr. als Form des Denkens:

71

ff.,

78

f.,

118 f., 148 ff., 215 ff. Sprachsymbolik s. u. Wort Sprachtheorien,

antike:

87

ff.,

98

Ε΄.

39 f., 641, 671,71

Subjektivität: des Erkennens: 111, 117, 260; transzendentale S. s. u. Bewußtsein Syllogismus: nicht Prinzip des Gedankenfortschritts, nicht Denkform

nenden der

Subjekts:

Dianoetik:

29;

des erken-

14 ff.; kein Thema nicht

eine

Konse-

quenz der Pl. Diairesis-Methode: 15; Ergebnis der formalisierenden Reflexion auf die dialektische Technik: 14 ff. Symbol s. u. Schrift und Wort Synonymik: 67!

283

Sachverzeichnis

Urteil: Pl. U.: 19 f., keit des Seite des

Grundlegung der Logik des 31 ff., 75, 97 ff.; DoppelseitigU., logische und psychische U.: 18 ff.; Antisth. Logik

des U.: 31 ff.; ıdentisches U.: 322, 33 f., 35, 37, 47, 50, 53; Logik des U. bei Pl. und Ar.: Einheit des U.: 74 ff.,

139 ff., 159 ff. ; Psychologie des U.: 29, 81 ff., 151 ff.; Wahrnehmungsu.: 91 ff.; Existenzu.:

143 ff. ; Wahrheitswert

des

U. s. u. Wahrheitsbegriff ; negatives U.: 157 f., 181 Vorstellung: 72, 91 196 ff., 246, 252

ff.,

144,

Wahrheitsbegriff: Alternative falsch (Wahrheitswert) — scher W.:

167,

189,

‚wahr

--

dianoeti-

21, 40 Εἴ. 87 ff., 119 ff., 149,

154 ff., 171 ff., 176 ff., 215 ff., 240 ἢ, 245 ff., 252 ff. ; Singularismus ‚wahr -

überhaupt nicht” = noetischer W.: 40 ff., 41 £.,119 ff., 125, 154, 163, 171 ff., 185 f., 212 ff., 215 ff., 240 ff., 245 Ε΄. 252 ff.; ontologische Bedingtheit des W.:125

f., 177

Wahrheitssicherung: 7, 122 ff., 248 ff. Wahrheitswert s. u. Wahrheitsbegriff Wahrnehmung,

sinnliche: 41 f., 44 ff., 86!,

88 ff. 91 ff., 128 f., 158, 162 £., 164, 161 ff., 186 ff., 191 fi., 213 f., 245, 249, 251 ff., 2562 Wahrnehmungsurteil s. u. Urteil Wissen des Wissens s. u. Bewußtsein Wort: als Bedeutungstráger, Symbol, Zeichen: 20 ff., 149 f.; Bedeutungspluralität des W.: 23 fi., 76; Zentralbedeu-

tung des Onoma

W.:

232;

Zeit: 160, 199 ff., 256?

Wortarten

s. u.

INDEX ἀγνοεῖν 185 ἄγνοια 119, 1201, 121 ἀγνωσία 120 u. A. 1, 241 ἄγνωσις 119 ἄγνωστον 41, 120 ἀδιαίρετον

ἀπόφασις

ἀποτελεύτησις ἄπτεσϑαι 169

159,

189,

197,

38,

216 42, 45%, 121, u. A. 3

91, 92, 93, 94, 96, 116, 196, 201, 255 197, 200

39, 41,

193, 194, 213, 239

453,

184,

189,

191,

αἰτία 169, 234 αἴτιον 171, 235

αἰὼν 200 ἀκολουϑεῖν 196 ἀκούειν

187,

188,

254

ἀκουστόν 22 ἄκρον 169 ἀλήϑεια 96, 125, 180 ἀληϑεύειν 1981 ἀληϑὲς 7) ψεῦδος 177, 241, 244 ἄλογον 41 ἀλλοίωσις

85,

88,

91,

92,

93,

140,

62°, 88, 92, 96, 97

ἄριστον 203 ἁρμόττειν 78 ἀρχὴ 43, 51, 88, 165, 167, 171, 206, 210, 234 ἀσύνδετον

142

ἀσύνϑετον 41, 42, 134, 152, 182, 183, 184, 185, 190, 213, 214, 216, 217, 222 ἄτομον 80!, 90, 113, 154 ἄτοπον

153, 211,

154, 212,

210

αὐτό 63, 66, 88, 93, 119, 133, 142, 145, 146, 173 A 1, 193, 195, 196, 202, 203, 216, 217, 224, 225, 226, 230, 234, 241 ἁφὴ 1864 βλέπειν 169 βούλεσθαι 197, 198 βουλευτικόν 197

178,

179,

182,

1929

ἀμαϑές 121 ἀμαϑία 122 ἀμερές 154 ἄμεσον 206 ἀμέσως 165 ἀναγκάζειν 188, 193 ἀναλογισμός 90 ἀναμάρτητον 120 ἀνόητον 110, 112

ἀντιλέγειν 39, 40, 41

591,

149, 156, 178, 217

134%, 152, 153, 154, 156,

161, 162, 190, αἰσϑάνεσϑαι 41, 254, 255, 256 αἴσϑημα 190 αἴσϑησις 89, 90, 162, 164, 194, αἰσθητικόν 193, αἰσϑητόν

VERBORUM

ἀνυπόϑετον 88 ἀξίωμα 166 ἀπάτη 1831, 241 ἁπλοῦν 1344, 142, 154, 171, 190, 235, 244 ἁπλῶς 142, 155 ἀπόφανσις 140, 142, 215 ἀποφαντικόν 28, 140, 146

γένεσις 88. 120 γένος 38, 52, 53, 64, 66, 67, 74, 85. 101, 136, 137, 179, 223, 224, 227, 231 γιγνώσκειν 42, 43, 105, 120, 228 γνῶσις 119, 120 u. A. 1, 121, 158! γνωστόν 120 δεκτικόν

192,

203

δηλοῦν 37, 74, 75, 76, 801, 140, 141, 142 δήλωμα διαιρεῖν 229 διαίρεσις διαιρετόν διάλογος

74 52, 67, 69,

153, 178, 179, 182,

25, 67, 114, 152, 156, 178, 182 154 87

διανοεῖσθαι

28,

72,

92,

118, 119, 159, 1981 διανόημα 115,116 u. A 1 διανοητικόν 1581 διανοητόν 247

96,

1141,

1161,

Index

διάνοια 28, 62°, 70, 74, 87, 88, 89, 91, 92, 93, 96, 97, 99, 104, 112, 115, 116, 117, 125, 149, 163, 164, 165 A 3, 171, 178, 179, 201, 208, 247 διὰ τί 234, 235, 236, 239 διαφορά 38, 801, 237, 238, 239 δόξα 34, 36, 45, 47, 491, 54, 62?, 70, 72, 13, 861, 87, 88, 89, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 115, 120, 121, 149, 165, 180, 198!, 201 δοξάζειν 73, 84, 89, 90, 92, 93, 94, 116, 122 δοξαστόν 89, 90 — δύναμις 146, 170, 193, 195, 196, 217, 222, 239, 255 εἶδος 50, 51, 52, 60, 63, 64, 65, 66, 67, 69, 74, 78, 801, 88, 89, 90, 91, 92, 101, 112, 113, 119, 122, 123, 224, 125, 153, 161, 162, 163, 167, 183, 184, 185, 189, 190, 191, 193, 194, 195, 210, 212, 213, 215, 217, 218, 219, 221, 222, 225, 227, 228, 230, 231, 234, 235, 236, 238 εἴδωλον 801, 97, 117 exacta 88, 96 εἰκών 97 εἶναι 322, 54, 78, 136, 139, 143, 146,1811, 182, 222, 226, 229, 230, 234, 241, 244, 256 u. A. 3 ἐμπειρία 7 ἕν 24, 30, 65, 67, 90, 123, 125, 1344, 140, 141, 154, 159, 161, 1811, 190, 193, 194, 211!, 223, 228, 237, 239, 240 ἕν μὲν... τὸ δὲ ἕν 242 ἐνέργεια 146, 170, 1831, 193, 217, 222,, 234, 239 ἑνοποιεῖν 159 ἐντελέχεια 195 ἐντύπωσις 44, 45 ἐνυπάρχειν 142, 216 ἐπαφὴ 186% ἐπίσκεψις 39, 43 ἐπισκοπεῖν 43, 75, 171 34,

ἔσχατον 163, 205 ἐφάπτεσθαι 1864 ζὴν 255, 256

ζήτησις

200,

235

ἥδιστον 203 ϑαυμαστόν 203 ϑεᾶσϑθαι 210 ϑεωρεῖν 115, 171 θεωρία 169, 203 θησαυρίζειν 198 ϑιγγάνειν 167, 169,185,186, 203, 212, 236 ἰδέα 52, 113, 114 u. A. 1

εἰδέναι 421, 45

ἐπιστήμη

285

Verborum

35,

36,

861,

89,

90,

106,

107, 108, 109, 117, 119, 120, 163, 165, 166, 201, 228 ἐξαίφνης 88, 112, 125 ἔξωϑεν 198 ἔργον 671 ἕτερον 52, 60, 83, 84,125,133,179,193, 202

ἰδεῖν 42

ἴδιον 25, 162, 166, 213 καθόλου 153 κατασχοπεῖσϑθαι 210 καταφάναι 162 κατάφασις

133,

140,

141,

149,

u. A. 2, 178, 215, 217 κατηγορεῖσθαι 134, 143°, 224 κατηγορία 17753 κατηγορούμενον 142 κεχωρισμένον 133, 155, 159, 216 xıveiv 193 κίνησις 192, 210 κινητόν 89

156,

162

κοινόν 137, 166, 195, 196 κοινωνία 52, 74, 90, 124 u. A. 1, 125

κυριεύειν 204 κύριον 204 κυρίως 179, 255

λαμβάνειν 42, 209 λεγόμενον 23, 134, 179, 223, 229 λέξις 282 λογισμός 43, 44 λογιστικόν 197

λόγος

22, 28,

34, 35, 36, 37, 41, 42,

54,

56, 59 u. A. 1, 60, 68, 69, 70, 71, 72,

13, 14, 75, 16, 11, 18, 19, 80 u. A. 1,

83, 104, 141, 168, 231, λοιπόν

84, 88, 89, 91, 93, 94, 95, 97, 99, 115, 117, 125, 129, 133, 139, 140, 142, 146, 153, 154, 158, 164, 165, 176!, 184, 185, 209, 227, 230, 238 179

286

Anhang

μάϑημα 115 μέϑεξις 240 μέϑοδος 66, 67 μέρος 133, 202 μετάληψις 208 μετέχειν 53, 96 μίμημα 212, 117 μίμησις 66, 70 μνήμη 94, 96, 97!, 196 μονάς 116 μορφὴ 38, 239

ὁρισμός 59, 223, 227, 238, ὅρος 59, 163, 164, 165, 167 οὐσία 38, 39, 74, 801, 88, 137, 153, 162, 176, 177, 213, 215, 216, 217, 218, 223, 224, 226, 228, 230, 236, 237, 238, 240, 248 πάϑημα

νοητόν

38,

39, 41, 45?,

94, 183, 219, 231,

134, 184, 221, 234,

136, 203, 222, 235,

7, 21, 90, 96, 97, 117,

118,

148,

150 u. A. I

νοεῖν 42, 43, 48, 72, 112, 116, 159, 186, 187, 193, 194, 195, 1981. 202, 203, 212, 217, 241, 254, 255, 256 u. A. 3 νόημα 109, 110, 112, 115, 118, 152, 154, 155, 159, 161, 167, 194, 198, 214, 247 νόησις 88, 89, 96, 112, 116, 154, 156, 162, 163, 166, 168, 192, 193, 194, 195, 202, 203, 208, 210, 211, 212, 248, 255 νοητικόν 241 89, 96,

189, 190, 191, 192, 193, 203, 239, 241 νοούμενον 193, 194, 202 νοῦς 112, 114 u. A. 1, 159, 164, 165, 166, 167, 168, 188, 192, 193, 194, 195, 203, 206, 208, 236, 248

125, 136, 196, 197, 222, 236, 119, 149, 185, 190, 125, 152, 186, 189, 205, 206, 163,

184,

194, 195, 196,

161, 162, 163, 169, 186, 187, 196, 200, 202,

οἰκεῖον 35, 41, 91

ὄμμα 42, 112, 188 ὁμοιότης 209 ὁμονοητικῶς 119 ὁμώνυμον 25, 68 ὄναρ 120 ὄνομα 21, 22, 23, 25, 30, 35, 37, 38, 39,

43, 46, 56, 57 u. A. 2, 58, 59 u. A. 1l,

60, 61, 62, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 72, 74, 77, 18, 19, 80 u. A. 1, 861, 91, 99, 101, 118, 119, 124, 133, 134, 135, 136, 139, 140, 143, 149, 154, 158, 216 ὀνομάζειν 76 ὅπερ 65, 66, 221, 222, 223, 224, 225, 226, 227, 228, 229, 230, 231, 232, 234, 244 ὁρᾶν 45, 164, 187, 188, 254 ὁρατόν 89, 90 ὄργανον 67 ὁρίζειν 79. 114, 255

240

πάϑος

7, 91, 93, 1501,

ποιεῖν

193, 195

178,

πάρεργον 201, 205 παρουσία 240 παρώνυμον 68 περαίνειν 76, 77 u. A. 1, 83! πέρας 76 u. Α. 4 πίστις 481, 88, 96, 249! πλεοναχῶς 23

237

ποιητικόν 190

ποιόν 801, 83

πολλά 30, 65, 67, 83, 90, 115, 141, 142, 237, 239 πολλαχῶς 23, 229 πολυώνυμον 68

πρᾶγμα 22, 23, 611, 14, 78, 122, 125, 136,

178, 193, 238, 243 πρᾶξις 74, 18 προσαγορεύειν 30, 65, 66, 67 προσχκατηγορεῖν 143? προσσημαίνειν 133, 136, 143 πρῶτον 36, 75, 1344, 167, 169, 190, 192, 200, 216, 223, 227, 235 πτῶσις

139 u. A. 1

ῥῆμα 56, 57, 58, 591, 60, 69, 70, 72, 74, 18, 19, 801, 861, 99, 101, 118, 119, 124, 133, 134, 135, 136, 139, 140, 143, 146, 149, 154, 216 σαφήνεια 96 σημαίνειν 133, 140, 143, 223, 224, 231 σημαντικόν 133, 149, 216 σημεῖον

25, 14, 78, 119,

133,

136,

149

σιγὴ 96 σοφία 122 στοιχεῖον 36, 37, 41, 134%, 238 συγκείμενον 41, 60, 136, 153, 178, 243 συγχεῖσϑαι 142, 1811, 182, 240, 243 συλλαβὴ 36 συλλογισμός 90, 165 συμβαίνειν 41

Index

συμβεβηκός 133, 142, 145, 146, 161, 1731, 201, 212, 213, 214, 215, 216, 225, 229, 238 σύμβολον 22, 23, 148, 149 σύμμειξις 91, 93 συμπέρασμα 771 συμπλοκὴ 35, 42°, 56, 75, 78, 90, 91, 134%, 171, 178, 190, 215 συναϑροίζειν 198 συνάπτειν 179 συνδεσμός 142 σύνϑεσις 70, 1344, 136, 143, 152, 156, 159, 161, 162, 182 συνϑετόν 38, 39, 4]. 56, 1344. 142, 154, 182, 183, 184, 202, 212, 215, 218, 221, 222, 227, 234, 236, 237, συνιέναι 189 σύνολον 153, 218 συνορᾶν 114 συνουσία 240 συντίϑεσθϑαι

162, 223,

124,

155, 153, 217, 248

155, 156

συνώνυμον 68 σχῆμα 28°, 65, 89

τελευταῖον

238

τί ἐστι 37, 44, 171, 179, 212, 213, 216, 217, 223, 224, 230, 234, 236 τί ἣν εἶναι 37, 167, 184, 212, 213, 216, 218, 2201, 226, 227, 228, 230, 231, 234, 235, 236, 237 τόδε τι 153, 223, 227, 228, 234, 236

Verborum

287

τοιόνδε 219, 228, 234 τυφλότης 241 ὅλη 39, 153, 162, 163, 183, 184, 185, 195, 202, 212, 213, 214, 218, 221, 228, 231, 235, 236, 238, 239 ὕπαρ 120 ὑπάρχειν 135, 194, 196, 202, 227, 236, 241 ὑπόϑεσις 88, 112 ὑποκείμενον 30, 134 u. A. 1, 136, 142, ὑπολαμβάνειν 159 φαίνεσθαι 95, 96 φάναι 156, 215 φαντάζεσϑαι 95 φαντασία

91,

93,

94,

234, 229

95,

196,

197,

φάντασμα 190, 197, 199, 200 φάσις 59!, 85, 88, 91, 92, 93,

133,

149,

198!

87,

193, 222,

161, 215, 216, 217 φρονεῖν 43 φρόνησις 43, 114, 122, 163, 164 φύσις 611, 118, 192, 221 φωνή 70, 74, 78, 87, 95, 119, 133, 141, 148, 150, 238 xeóvoc 200 ψεύδεσϑαι 41, 116, 198!

ψυχή 42, 88, 91, 93, 96, 109, 112, 117, 148, 149, 150, 159

VERZEICHNIS Alexander Aphrodisiensis

ın Arıst. Metaph. (Hayduck) 250, 19: 25? 211, 121ff.: 25!

Pseudo-Alexander

in Arist. Metaph. (Hayduck) 554: 38 599. 24 fi.: 1831, 1861 600, 31: 2341

39: 242? 1 f.: 243? 3: 242? 4: 2442 . Ammonios in De int. (Busse) 600, 601, 601, 601,

22, 16-23, 9: 150° XIV,

I Winckelmann:

. » » »

U di IV V

Archilochos fr 68 Diehl: 47!

^ , " »

Aristoteles Cat.

1b 25-2 a 10: 216

2 b 1-3a 6: 225 3 b 33-4 a 9: 224

4 b 8-10: 1771

6 a 36-b 2: 225

1b15-8a 12: 177 8 a 32: 226

14 b De int. 16 a 16 a 16 a 16 a 16 a 16 b 16 b 16 b

18-22:

AUTOREN

UND

STELLEN

16 b 26-30: 133, 216, 217 17a 17 a 17 a 17 a

1 ff.: 28 8 ff.: 140, 142 13 ff.: 142 16: 140

17 a 16-26: 216

18 a 12 f.: 140 18 a 19 a 19 b 19 b 19 b 20 b 20 b 21 a 21a

18 ff.: 141 33: 177} 14 ff.: 1432 19: 143? 20 ff.: 143 12 ff.: 141 20 f.: 141 7-16: 142 17 f.: 142

2]

b

9 f.:

2]

b

2]:

2] a 25 ff.: 146

Antisthenes fr

DER

1771

3 ff.: 20 ff. 9-18: 150, 155 19-21: 133 27 ff.: 22, 148 32-b 5: 139 6 f.: 133 8 f.: 135 19 f.: 135

16 b 22-25: 136

39

33" 37 39 40

21 22 23 24

b a a b

136

1621

29: 143 8 ff.: 143 32-35: 149 1-4: 149

Anal. pr. 46 a 8 ff.: 1801

49 a 6 ff.: 145 65 a 36 f.: 180!

Anal. post.

11a1f.: 1581, 168? 11 b 23: 166!

12, a 6: 166!

12 a 11 ff.: 140

12 a 14 ff.: 166! 16a 171: 166!

81 b 18 ff.: 1801 83 a 24 f.: 224 86 b 33-36: 181 87 b 28-39: 2141 88 b 28: 1661 88 b 36: 165? 89 a 35-37: 228 91 b 28 Ε΄: 238° 92 b 13 f.: 137 96 b 35 fi.: 238?

100 b 5-17: 165

Verzeichnis

Topık

102 103 104 116 120 120 122

a b b a b b b

31 ff.: 236! 20 #.: 145 20: 39 23-28: 223, 224 21: 224 23: 224 17: 801

141 142 143 144 146 162

a b a a b b

35: 27: 18: 21: 3: 32

der

139 a 29: 2391

226 223, 2391 239! 80! 226 f.: 180!

De Soph. el.

165 a 6 fl.: 23 175 a 6 ff.: 23 178 b 38 ff.: 228 179 a 4 f.: 228 179 b 2: 212 Physik 184 a 26-b 5: 76%, 158? 185 b 27 ff.: 322, 138 186 a 22-187 a 11: 228, 229, 230 187 b 11 f.: 153 191 a 33 ff.: 143! 221 b 1 ff.: 200? 223 a 25 fl.: 200* De caelo 219 b 11 ff.: 200?

De gen. et corr.

318 b 27 f.: 180! 330 a 21 f.: 223 330 b 15: 25? De anima A 407 a 20: 192°

410 a 10 ff.: 1937 B 414 a 8 ff.: 1921 416 417 417 41^ 417 418 418 422 422 424

b a a b b a a a b a

33 f.: 190?, 1929 6 fF.: 191°, 1917 18: 190° 20 ff.: 191}, 193? 24 f.: 198! 3 ff.: 1913 11-16: 1625, 1631, 213! 1: 193! 15: 193! 1 f: 190%, 191°

424 a 17 ff.: 191?, 192!

424 a 23 ff.: 1931, 193*

425 a 27: 196°

19

Oehler, Die Lehre

Autoren

und

Stellen

D 425 b 23 ff.: 191?, 1921, 1934 427 a 8 ff.: 192! 421 b 12: 162?

421 428 428 428 428 429 429

b a a b b a a

14-24: 198! 6: 191* 24 ff.: 97 18 ff.: 163! 21 f.: 213! 13 ff.: 192? 22 ff.: 159, 192?, 1931

429 429 430 430 430 430 430 430 431

b b a a a b b b a

26—430 a 9: 194 30 ff.: 192?, 1931 3 ff.: 1938, 1935, 195! 19 ff.: 193°, 195! 26-b 6: 151, 154, 155!, 216 6-20: 159 20-26: 161! 26-31: 161 1 f.: 1951

43] 43] 431 431 43] 431 43] 432 432 432 432 433 434 435 435

a a a b b b b a a a a b b a b

8: 192? 16: 162! 19: 193° 17: 1935 21: 1935 22 f.: 1951 28 ff.: 1935, 1937 2 f.: 1941 4 f.: 189! 1 f.: 189? 13: 190! 6 ff.: 200% 28: 1911 22: 191? 1 ff.: 186?

429 a 27 f.: 1939, 193?

43] a 4 f.: 1919

De sensu 431 a 12 ff.: 22 442 b 8 f.: 1623 448 a 26-30: 256? De mem. et rem. 449 b 28 ff. : 200% 450 a 9 ff.: 196°, 200% 450 a 12 ff.: 197! 45] a 31 ff.: 200° 453 a 6 ff.: 2004, 2005 453 a 9 ff.: 200° De sormnno 455 a 16: 196? De hist. animal. 486 a 5 ff.: 153

289

Anhang

290 488 b 25 ff.: 2004, 200°

535 a27fl.: 148° De part animal.

642 b 12: 25? 643 a 27 fl.: 2382 643 b 17 ff.: 2382 686 a 31: 196?

De gen. animal.

160 b 30 Ε΄: 129! 162 a 23: 1521

Metaphysik

A 980 a 27-981 a 12: 168! 087 b 10: 102 B 998 b 22 ff.: 1371 D 1003 b 26 ff.: 145! 1003 b 32 f.: 223, 223? 1004 a 2: 255 1006 a 34 ff.: 24, 25 1007 a 20 ff.: 231 1007 a 32 f.: 223 1008 a 34: 1621 1010 b 2 ff.: 162? 1010 b 16-26: 213! 1010 b 31-1011 a 2: 1925 1012 a 2 ff.: 247? 1012 a 4: 162! A 1015 b 17: 142 1016 a 35: 154 1017 a 7- 9: 173! 1017 a 31-35: 246!

1021 a 26 ff.: 136, 226! 1024 b 17: 2461 1024 b 26-37: 39, 40, 185, 2461 1025 al: 2461 1025 b 6 f.: 1581 E 1026 a 33-b 2: 173! 1027 b 17-1028 a 4: 1591, 171, 177, 178, 179 Z 1028 a 30 ff. : 1791 1029 b 22 ff.: 227 1030 a 13 f.: 2373 1031 b 6 f.: 228 1033 b 32: 219 1034 a 5 ff.: 219

1034 b 20 ff.: 154

1038 a 5-9: 238

1038 1038 1039 1041

a a a a

19 25 14 13

f.: f.: ff.: ff.:

238 238 1541 235

H 1043 b 23 ff.: 37 1044 a 10 f.: 2241

1045 a 14 f.: 239 1045 a 23 ff.: 239 (9 1050 b 2: 222

1050 b 22 f.: 183!, 222

1051 a 34-b 2: 173, 1753, 1791

1051 b 3-5: 176, 179 1051 b 6 fi.: 177, 179, 1811, 240 1051 b 11 ff.: 181, 181!, 240 1051 b 17-21: 182, 183,1831!,185,241 1051 b 22 f.: 185, 241, 242 1051 b 24 f.: 215, 217, 242 1051 b 25 f.: 212, 213, 242 1051 b 26-33: 183, 183!, 184, 186, 217, 221, 234, 236, 242, 244 1051 b 33-1052a 4: 186, 234, 240, 241, 242, 243 1052 a 4-11: 180, 182 I 1052 a 29-b 1: 211

1054 1054 A 1069 1072 1072 1074 1014 1074 1075

M 1076 N 1089 Ethica 1128 1139 1139 1140 1141 1141 1142 1142 1143 1170 1170 1170 1170

a a b a b b b b a

17 f.: 137 30: 25? 27 f.: 173! 30: 192? 18-25: 192!, 192?, 202, 203 19: 204 36: 201 38 ff.: 195! 3 ff.: 193?

b 18 f.: 153 a 26 ff.: 1731, 1752 Nicomachea b 23 f.: 180! a 6 ff.: 242 b 15 fi.: 165% b 35 ff.: 1654 a 3 ff.: 1659 a7 f.: 1652 a 26: 163, 1641 a 28 f.: 164 b 5: 164 a 16 f.: 255 a 18 f.: 255 a 29 ff.: 1961, 254 a 33 f.: 256

Magna Moralia 1212 b 33-1213 a 7: 209 Politik 1252 a 18 ff.: 153 1285 b 3 ff.: 242 1300 a 12: 242 Rhetorik

1358 a 10 ff.: 1661 1404 a 20 f.: 212

Verzeichnis

der

Fragmente fr 118-124 Rose: 25? [Divisiones Aristoteleae (Mutschmann)] div. 1 -41 D.L.: 25? div. 42-66 c.M.: 252. 246! div. 64-69 c.M.: 803. 91! div. 69 c.M.: 91!, 242?

Demokrit 68 A 38: 186* 68 A 105: 453 68 B 165: 45? Diogenes Laertios 9. 119: 50 9. 134: 322

2, 135: 322, 51

3, 80—109: 252 4, 13: 252 6,3: 332 6. 1: 33? 6,12: 43 6,17: 43

Empedokles 31 B 21: 188

Epicharm Ete

Gorgias 82 B 3: 23

Herakhit

22 B 32, 48: 61! Homer Odyssee 548—554:

57

c 132-140: 47! Leukipp 67 A 6: 186* Parmenides 28 B 1, 14: 48 28 B 4, 7: 187 28 B 8, 11: 48? 28 B 8, 38 ff.: 67! Platon Alkibiades II 140 C: 572 140 D: 57? 150 C: 572 Apologie 17 B: 58! 17 C: 581 21 B: 122! 19*

und

Stellen

Charmides 163 D: 611 164 D-172 D: 105 ff. Epinomis 988 C: 116!

99] B: 1141 Epistulae

[III]|315 VII 326 341 342 342 343 343

D: D: C: B: C: A: B:

116! 57? 781 59!, 60, 80! 59!, 60 64, 101 101

344 A: 18!

344 B; 59!, 113 344 C: 113 Euthydemos 214 E: 67! 278 A: 67! 278 B: 67!

283 E: 40° 284 6: 83"

Gorgias 40 454 C: 77: |

188

Diss. l, 17, 2: 43

9

Autoren

ΝῊ Ἢ E

506 B: 771 522 E: 771

523 D: 117

594 D: 118 Hippias I 304 C: 771 Kleitophon

409 A: Kratylos 385 A: 386 E: 388 C: 393 C: 393 D: 398 B: 399 A: 399 B: 399 C: 411 A: 411 B: 421 E: 424 D: 425 A: 429 D:

59! 572 78? 67 101 74 57? 58, 58!, 59! 58!, 591 58, 58! 517: 57? 59! 70 591, 70 40

291

292 43] B: 593. 70 43] C: 70 435 B : 572 Laches

197 D f.: 572, 67! Leges 688 C: 116! 692 E: 116! 7113 B : 71} 136 A: 572 140 A: 116! T11 4A: 116! 816 D: 116! 818 D: 116! 842 E : 572 895 D : 591, 801 895 E : 591 896 A : 591, 116 964 A : 591 Menexenos 236 B - 771 Menon 14 D: 591 14 E : 591 85 B: 91* 87 B: 57: 96 D: 672, 122! 97 À: 1221 91 B: 1221 91 C: 1221 97 D: 1221 97 E: 122! 100 B : 122! Parmenides

130 131 132 132 133 144 147 147 149 155

E: A: B: C: C: E: D: E: D: D:

Phaidon

100 100 109, 110 110, 111, 112 66! 771 591 591 57? 591

11 B: 572

14 D: 65 14 E: 65 15 D: 62? 19 D: 186% 100 A: 128 102 B: 100

103 E: 59!, 65 104 A: 591

104 B: 65 Phaidros 253 A: 186* 259 E: 117

263 A: 572, 118

265 265 266 266

D: E: B: C:

114 114 114 114

276 A: Philebos

117

267 D: 572 15 D: 125

33 31 38 38 38

E: E: B: C: E:

572 572 94 94, 95 95, 96

39 A: 96 39 B: 97 39 C: 97

43 E: 572 48 B: 57?

59 A: Politeia 382 B: 454. A: 454. B:

122! 117 69 69

476 A: 18?

476 477 477 478 418

E: A: E: A: B:

120 120 120 120 121

496 506 509 509 510 510

A: C: D: E: A: B:

115 1221 122! 122! 1221 122!

511 oll 511 533 >33

€: D: E: C: D:

89 96 96 112 112

479 A: 120, 121

911 B: 88, 89

233 E: 88, 122! 534 A: 88 57] C: 246?

Verzeichnis

der

571 D: 2462 571 E: 2462 596 A: 591, 66 601 A: 58! Politikos 258 C: 62? 266 D: 771 261 A: 591, 80 296 B: 57: Protagoras 326 D: 57? 341 A: 671 348 D: 116! 353 B: 771 355 B: 57? 355 C: 572 355 E: 57? 358 A: 671 Sophistes 218 B: 60 218 C: 591, 60

221 221 226 234 231 240 240 251 251 251 253

A: B: B: C: C: D: E: A: B: C: D:

60 591, 57? 125 572 84 83? 31, 31, 33 53,

259 260 260 260 261 261 261

E: A: B: C: C: D: E:

54, 54, 53, 55 56 74, 74

60

57, 572 33, 57, 572, 86! 123

255 C: 66! 259 D: 54, 78, 861

78, 85 78, 102 54, 78 85!

262 A: 56, 591, 74, 75, 782

262 B: 591, 75, 78?

262 C: 591, 75, 76, 136

262 D: 1001, 262 E: 263 A: 263 B:

591, 762, 77, 771, 78, 18?, 831, 136 591, 78, 78°, 79, 83 761, 80, 801, 81, 83 83

263 C: 761, 79, 841

263 D: 551, 591, 841, 87 263 E: 87, 88, 91

Autoren

und

Stellen

264 A: 88, 91, 93, 941, 95, 97 264 B: 56, 91, 95 267 D: 61 Symposion 198 B: 581 202 A: 121, 122! 210 D: 115 211 B: 115 212 A: 1864 22] E: 58! Theaetet 150 A: 57? 151 B: 611 160 D: 1041 160 E: 1041 166 D: 1041 168 B: 58! 179 C: 941 180 E: 67! 182 A: 512 184 C: 58!

185 185 185 186 186 186 186 186 187 188 189

C: D: E: A: B: C: D: E: A: A: E:

137 137 137 137 137 90, 129, 137 90, 187 129, 187 89 45 71

193 193 193 195 195 196 200

C: D: E: C: D: C: B:

942 942 942 572 942 115 105

190 A: 71, 88, 92 193 B: 942

201 €:

41

201 D: 34, 35 202 B: 59!

202 205 206 206 206

C: C: B: D: E:

35, 41 41 41 591, 70 36, 37

207 A: 37

207 B: 37, 591 207 C: 37, 771

293

Anhang

294 208 Β: 34, 36 Tımaios

29 35 31 31 38 38

D: B: D: E: A: B:

771 134 200?, 2008 2002 200? 200?, 200?

39 39 39 49

C: D: E: E:

2005 200? 1141 57?, 2002

39 B: 200?

50 A: 57,2 51 E: 122!

52 A: 941, 200?

52 B: 200?

11 B: 116! [Definitiones] 413 C: 162? 414 D: 591, 701, 134 Plutarch Adv. Col. 22: 331 " 24, 2: 44!

Protagoras 80 A 24-26: 671 Simplikios in Cat. (Kalbfleisch) 208, 30 f. : 45? 211, 17 f.: 45* Speusipp fr 5-26 Lang: 25? fr 31-32 ,, 25?

Themistios

in De an. (Heinze) 56, 20: 1982

Theophrast Metaphysik

9 a 23-9 b 24: 169 Xenokrates fr 1 Heinze: 25?

fr 5-12 4. fr 13-14 », fr 29-36 »,. Xenophanes 21 B 24: 187 Xenophon Memorabilien 3, 14, 2: 611

25? 25? 25?

BUCHANZEIGE

ZETEMATA MONOGRAPHIEN KLASSISCHEN

Heft 18

Gopo

107

Seiten.

LIEBERG:

1959. XII,

Heft 20

ALTERTUMSWISSENSCHAFT

Ruporr KASSEL: Untersuchungen zur griechischen und römischen Konsolationsliteratur 1958. XII,

Heft 19

ZUR

130

HEINRICH

Geheftet DM

Die Lehre

Seiten.

Geheftet

DÖRRIE:

DM

12.—

von

der Lust

in den

Ethiken

des Aristoteles

15.—

Porphyrios’ ,,Symmikta Zetemata“

Ihre Stellung in System und Geschichte des Neuplatonismus nebst einem Kommentar zu den Frag-

menten

Heft 21

1959. XIII,

WOLFGANG

225

Seiten.

SPEYER:

Geheftet DM

22.50

Naucellius und seın Kreis

Studien zu den Epigrammata Bobiensia 1959. VIII, 128 Seiten. Geheftet DM 16.—

Heft 22

C. JoACHIM CLASSEN: Sprachliche Deutung sokratischen Philosophierens 1959. XII,

Heft 23

187

TuHoMAS

Seiten.

Geheftet

DM

als Triebkraft platonischen und

22.—

GELZER: Der Epirrhematische Agon bei Aristophanes

Untersuchungen zur Struktur der attischen Alten Komódie 1960. XIII,

Heft 24

296

HARTMUT

EnBsE:

1960. XII, 444

Heft 25

HERWIG XIV,

Heft 26

Geheftet

Geheftet

DM

Heft 28

Seiten.

164 Seiten.

Geheftet

Geheftet

VINZENZ BUCHHEIT: Ein

159

DM

38.—

Beiträge zur Interpretation von Platons Nomoi 26.—

Kommentar DM

KARL-OTTO WEBER:

VIII,

35.—

THEOPH. KAknipis:

Versuch einer Interpretation XVI,

DM

Beiträge zur Überlieferung der Iliasscholien Geheftet

GÖRGEMANNS:

JonawNEs 119

Seiten.

Seiten.

stilistischer XII,

Heft 27

231

Seiten.

Seiten.

Der Thukydideische

Epitaphios

14.80

Origenes der Neuplatoniker DM

24.—

Studien zum Corpus Priapeorum

Geheftet DM

Sonderprospekt

VERLAG

20.—

der Reihe

C HLBECK

liegt vor

MÜNCHEN

— ein

He ctii Meri PA yd

x 1

43

«haga

Dior:

ia