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German Pages 122 Year 2002
H E I N R I C H SCHOLLER
Die Rechtsvergleichung bei Gustav Radbruch und seine Lehre vom überpositiven Recht
Schriften zur Rechtstheorie Heft 210
Die Rechtsvergleichung bei Gustav Radbruch und seine Lehre vom überpositiven Recht
Von Heinrich Scholler
Duncker & Humblot · Berlin
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0472 ISBN 3-428-10904-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ
Dem Gedächtnis meines Freundes Arthur Kaufmann gewidmet
Vorwort Die Arbeiten von Gustav Radbruch, der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg verstarb, sind in der von Arthur Kaufmann besorgten 20-bändigen Gesamtausgabe nunmehr fast völlig erschienen. Der Rechtsphilosoph und Strafrechtslehrer Radbruch hat sich in besonderer Weise auch mit der Rechtsvergleichung beschäftigt, der in der Gesamtausgabe ein eigener Band (Band 15) gewidmet wurde. Allerdings muß Radbruchs Leistung für die Rechtsvergleichung im Zusammenhang seines Gesamtwerkes betrachtet werden, das sich über die drei wichtigen Schaffensperioden seines Lebens erstreckt. Radbruchs Methode und Verstehen der Rechtsvergleichung mündet schließlich in dem, was wir heute vergleichende Rechtskulturwissenschaft nennen. Dies ist am deutlichsten erkennbar bei seiner bahnbrechenden Schrift: „Der Geist des englischen Rechts", die auch nach seinem Tod noch eine Reihe von Auflagen erfahren hat. In einer Zeit, wo in Europa die Rechtsfamilien zusammenwachsen und in der das Common Law des englischen Rechtes mit dem Civil Law des Kontinentes eine Verbindung eingeht, ist eine Schrift, wie die von Radbruch über den Geist des englischen Rechtes, ein ganz wichtiges Mittel, um über den reinen Normenvergleich hinaus die kulturelle Differenz darzustellen. Gleichzeitig ist es aber auch darum gegangen, diese vergleichende Rechtskulturwissenschaft Radbruchs in Verbindung zu bringen mit seinen rechtsphilosophischen Ansätzen. Die nach der Wiedervereinigung besonders beliebte Diskussion um die Radbruchsche Formel, d.h. um die These, dass es übergesetzliches Recht und gesetzliches Unrecht gäbe, wurde mit in diese Schrift aufgenommen. Denn sie entstammt im Tiefsten der Rechtsphilosophie Radbruchs, hängt aber auch mit seinen rechtsvergleichenden Studien, aber vor allem auch mit den durchlittenen 12 Jahren der Verfolgung und Bedrohung unter dem nationalsozialistischen Regime zusammen. An dieser Stelle möchte ich meinem Freund Arthur Kaufmann danken, der mir zu dieser Untersuchung Mut gemacht hat, der aber die Fertigstellung dieses Manuskriptes nicht mehr erleben konnte. Für die Mitarbeit am Manuskript möchte ich vor allem Herrn Rechtsreferendar Christoph Herdlein meine Anerkennung aussprechen. Heinrich Scholler
Inhaltsverzeichnis I.
Allgemeines
13
II.
Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch
17
III.
Die rechtsvergleichenden Arbeiten i m Allgemeinen
23
IV.
Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert
26
V.
Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten
32
VI.
Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
40
1. Das Common Law
42
2. Die Equity
47
3. Das englische Gerichtsverfahren, barkeit
insbesondere die Schwurgerichts52
4. Habeas corpus und indictment
57
5. Radbruchs Beschäftigung mit John Austin
59
6. Rechtssicherheit i m englischen Recht und in der englischen Rechtsphilosophie
66
VII. Rechtsvergleichung und das Internationale Recht
76
VIII. Juristisches Studium und Studienreform
78
IX.
Zur Rechtskultur in den Zeitungsartikeln
91
X.
Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht
95
Literaturverzeichnis
106
Abkürzungsverzeichnis abgedr.
abgedruckt
AfS
Archiv für Sozialwissenschaft und Politik
Anm.
Anmerkung
a. ο.
außerordentlich
ARSP
Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
A.T., Allg. Teil
Allgemeiner Teil
Aufl.
Auflage
Bd., Bde.
Band, Bände
Bearb.
Bearbeiter
BGH
Bundesgerichtshof
BGHSt
Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen
B.T., Bes. Teil
Besonderer Teil
CBEx
Chief Baron of the Exchequer
CJ
Chief Justice
CJKB
Chief Justice King's Bench
ders.
derselbe
DJZ
Deutsche Juristen-Zeitung
DRZ
Deutsche Rechts-Zeitschrift
dt.
deutsch
ebd.
ebenda
erg.
ergänzt
etc.
et cetera
f., ff.
folgende
Fn.
Fußnote
FS
Festschrift
gest.
gestorben
GRGA
Gustav-Radbruch-Gesamtausgabe
Hrsg., hrsg.
Herausgeber, herausgegeben
IKV
Internationale Kriminalistische Vereinigung
JA
Juristische Arbeitsblätter
JCP
Justice Common Pleas
Jg.
Jahrgang
JKB
Justice King's Bench
Journ.Comp.Leg.
The Journal of Comparative Legislation and Intenational Law
JuS
Juristische Schulung
JW
Juristische Wochenschrift
Abkürzungsverzeichnis JZ
11
Juristenzeitung
LC
Lord Chancellor
LQR
Law Quarterly Review
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
Mitt.
Mitteilung
MR
Master of the Rolls
MSchrKrim
Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform
M.Schr.Krim.Psych. Monatszeitschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform (von 1904-1936) m. w. Nachw. mit weiteren Nachweisen neubearb.
neubearbeitet
NJ
Neue Justiz
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
NStZ-RR
Neue Zeitschrift für Strafrecht - Rechtsprechungs-Report
o.J.
ohne Jahresangabe
Phil. Rev.
Philosophical Review
s.
siehe
S.
Seite
SchwZStrR
Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht
sec.
section
SJZ
Süddeutsche Juristen-Zeitung
sog.
sogenannte(n)
Sp.
Spalte
StGB
Strafgesetzbuch
u.
und
u.a.
unter anderem
Univ. Diss,
Universität Dissertation
verb,
verbunden
vgl.
vergleiche
Vol.
Volume
Zeitschr.
Zeitschrift
ZfIR
Niemeyers Zeitschrift für Internationales Recht
zit.
zitiert
ZStaatsW
Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft
ZStW
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
Zugl.
zugleich Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft (1878-1992, 1953 ff.)
ZvglRWiss
I. Allgemeines Gustav Radbruch hat im ersten Abschnitt seiner „Vorschule der Rechtsphilosophie" das Verhältnis von Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung zueinander bestimmt. Dort schreibt er in Beziehung auf Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung in ihrem Verhältnis zum positiven Recht: „Die Rechtswissenschaft im engeren Sinn, die dogmatische Rechtswissenschaft, die systematische Rechtswissenschaft ist die Wissenschaft vom objektiven Sinn des positiven Rechts. Vom positiven Recht: dies ist der Unterschied von der Rechtsphilosophie und Rechtspolitik, die vom Wert des Rechts und von den Mitteln handeln, die zur Verwirklichung dieses Wertes dienen. Vom objektiven Sinn des positiven Rechts: dies ist der Unterschied von der Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung, der Rechtssoziologie und Rechtspsychologie, welche das Dasein des Rechts und die Tatsachen des Rechtslebens zu ihrem Gegenstand haben" 1 .
Somit sind das Dasein des Rechts in der Geschichte und sein Verhältnis zu anderen Rechtskulturen sowie das Rechtsleben im vergleichenden Verständnis Aufgaben der Rechtsvergleichung. Während Rechtsgeschichte das Sein, das Werden und das Wirken des Rechts in der historischen Dimension im temporalen Ablauf zum Gegenstand hat und diese im Verhältnis zu anderen Kulturerscheinungen verstehen will, hat die rechtsvergleichende Betrachtung nicht diese temporale Dimension. Während die Rechtsgeschichte das „zeitliche Nacheinander der Rechtszustände zu ihrem Gegenstand" hat, stellt die Rechtsvergleichung ein Nebeneinander der „verschiedenen nationalen Rechtsordnungen dar" 2 . Der Rechtsphilosoph Radbruch zeigt hier deutlich die innere Verbindung von Rechtsgeschichte und Rechtsvergleichung als ein Einander gegenüber von Nacheinander und Nebeneinander. Soweit nun die Rechtsvergleichung über das positive Recht hinausgreift und das Recht als Erscheinung der Kulturvölker verglichen wird, entsteht eine weitere Dimension, nämlich die rechtspolitische 3. Die rechtspolitische Bedeutung der Rechtsvergleichung erkennt man sogleich beim Hinweis auf das 16-bändige Monumental werk: 1
Radbruch, „Vorschule", 3. Aufl. 1965, S. 9/10; ders., „Feuerbach", S. 190; GRGA-Bd. 3 (Bearb.: Hassemer), 1990, S. 121 ff.; Scholler, „Rechtskreis", S. 373386; ders., „Rechtsvergleichung", S. 743-759. 2 Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 11/12; s. auch ders., „Rechtsschöpfung", S. 359/360; s. auch ders., „Literaturbericht", S. 251/252, S. 688. 3 Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 11/12.
I. Allgemeines
14
„Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, Vorarbeiten zur deutschen Strafrechtsreform" 4 , zu welchem Radbruch selbst wichtige Beiträge geliefert hat: vor allem die Beiträge über A b t r e i b u n g 5 , Aussetzung 6 und Strafrechtsänderung 7 . Radbruch fasst aber die Rechtsvergleichung bereits weiter u n d sieht i m Hineinnehmen sogenannter autochthoner V ö l k e r (bei i h m p r i m i t i v e V ö l k e r genannt) eine Konstruktion der Vorgeschichte der Rechtsentwicklung der Kulturnationen. Schließlich als letzte Stufe erreiche die Rechtsvergleichung i n der Universalrechtsgeschichte ihren Höhepunkt. Hier erwähnt er als Vorläufer dieser D i s z i p l i n Montesquieu ( „ D e l'esprit des lois", 1748) 8 , A n s e l m v o n Feuerbach 9 , Henry Sumner M a i n e 1 0 , Joseph Kohler11.
4
Radbruch, „Vergleichendes Strafrecht", A T Bd. II, S. 227 ff. („Erfolghaftung"), Bd. III, S. 189 ff. („gesetzl. Strafänderung"), BT Bd. V, S. 159 ff. („Die Abtreibung"), Bd. V, S. 185 ff. („Die Aussetzung"); GRGA-Bd. 15 (Bearb.: Scholler), S. 188 ff., 156 ff., 103 ff., 131 ff. Hans-Heinrich Jescheck sagt von Radbruch aus dieser Zeit: „Er war damals der junge, auch von den ausländischen Studenten verehrte, durch glänzende Vorlesungen berühmte Privatdozent", Jescheck, „Radbruchs Strafrechtsvergleichung", in „Gedächtnisschrift", S. 358; s. zur Würdigung dieser rechtsvergleichenden Beiträge: Jescheck, „Strafrechtsvergleichung", S. 13 f.; ders., „Radbruchs Strafrechtsvergleichung", S. 356 ff. 5 Radbruch, Abtreibung - §§ 218-220, in: „Vergleichendes Strafrecht", BT Bd. 5 (Fn. 4), S. 159-183; GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 103 ff. 6 Radbruch, Aussetzung - § 221, in: „Vergleichendes Strafrecht", BT Bd. 5 (Fn. 4), S. 185-203; GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 131 ff. 7 Radbruch, Die gesetzliche Strafänderung, in: „Vergleichendes Strafrecht", A T Bd. 3 (Fn. 4), S. 189-217; GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 156 ff. 8 Auf Montesquieu geht Radbruch besonders ein, s. dazu Radbruch, „Natur der Sache", S. 157-176; s. auch die Sonderausgabe in der Reihe „Libelli", Bd. 59, 1964, S. 24/25. 9 Gustav Radbruch kann als Wiederentdecker von Paul Anselm Feuerbach gelten: Aus seinen Veröffentlichungen hierzu sind folgende Werke zu erwähnen: „Feuerbach"; „Feuerbach Gedenkrede u. Aufsätze". Die Feuerbach-Forschung wurde von Arthur Kaufmann fortgesetzt, s. dazu: Kaufmann, „Feuerbach", S. 181 ff.; Naucke, „Feuerbach", S. 861 ff.; Haney, „Naturrecht". In seiner „Einführung" schreibt Radbruch im Vorwort zur 1. Aufl., dass er die großen Schatten Savignys, Feuerbachs für die studentische Jugend beschwören wolle. Er rückt Paul Johann Anselm von Feuerbach, 1775-1833, in die Gegenposition Friedrich Carl von Savignys und an die Seite von Thibaut. Radbruchs Beurteilung Anselm Feuerbachs als Vorkämpfer und Begründer der Rechtsvergleichung drückt sich in seinen beiden Aufsätzen, „Feuerbach - précurseur", S. 284-291, und „Feuerbachs Vergleichungen", S. 22-38, ebenso in: „Elegantiae", 2. Aufl. 1950, S. 193-207, aus. Die Geistesverwandtschaft erkennt man in den Versen: Licht vom Feuer, du wie ich! Über das Jahrhundert winken, Von den Höhen, da sie blinken, Die verträumten Zeichen sich, in: „Deutschland", S. 17 f.
I. Allgemeines Unter dieser Universalrechtsgeschichte versteht Radbruch bestimmte T y pen universalgeschichtlicher Abläufe und führt dazu Beispiele an, wie: v o m Urkommunismus
z u m Privateigentum, v o m Mutterrecht zur patriarchali-
schen Familie, von der Endogamie zur Exogamie (Raub- u n d Kaufehe), von der Polygamie zur Einehe, v o m Status z u m Contractus, v o n der Gemeinschaft zur Gesellschaft. I m Strafrecht sieht er als Erkenntnisgegenstand der universalen Rechtsgeschichte die E n t w i c k l u n g von der Sippenrache zur öffentlichen Strafe und verweist hier u. a. auf Theodor M o m m s e n 1 2 . I n seinem Beitrag „Erneuerung des R e c h t s " 1 3 hat Radbruch auf das U n wandelbare und Wandelbare i m Recht i m H i n b l i c k auf die vergangenen z w ö l f Jahre der Gewaltherrschaft hingewiesen. Dort führt er aus: „Was am Rechte wandelbar, was ewig ist, wird am anschaulichsten sichtbar durch Rechtsvergleichung. Notwendig ist besonders die Vergleichung der beiden großen Rechtskulturen, die sich in den Erdkreis teilen: der europäisch-kontinentalen und der angloamerikanischen, jene aufgebaut auf das römische Recht und die späteren Kodifikationen, also auf Gesetze, dieses auf richterliche Entscheidungen. Erst der Vergleich zwischen den beiden Rechtskulturen lernt jede von ihnen in ihrer Eigenart kennen, in ihren Mängeln und Vorzügen würdigen." Deshalb war für Radbruch das Studium des angloamerikanischen Rechts aus v i e l tieferen und allgemeineren Gründen als nur aus der damaligen Nachkriegssituation Deutschlands erforderlich 1 4 . Der B e g r i f f der Universalrechtsgeschichte ist für i h n das, was heute i m Angloamerikanischen
mit
Comparative Legal Culture bezeichnet w i r d 1 5 . 10
Sir Henry Sumner Maine, 1822-1888, englischer Rechtsgelehrter, 1868-1869 Regierungsmitglied in Indien, 1869 Professor in Oxford, 1887 in Cambridge, der Ideen von Savignys in die englische Rechtshistorie eingeführt hat. 11 Joseph Kohler, 1849-1919, Rechtsgelehrter, wurde 1878 Professor in Würzburg, 1888 in Berlin. Forschungen auf dem Gebiet der ethnologischen Rechts vergleichung, des Patent- und Urheberrechts, rechtsphilosophische Schriften, „Rechtsvergleichung", S. 279-284. 12 Zum ältesten Strafrecht der Kulturvölker, 1905, s. Radbruch, „Elegantiae", 2. Aufl. 1950, S. 1 ff.; ders., „Vorschule" (Fn. 1), S. 67/68. Dort schreibt Radbruch: „ A u f die glanzvolle, ... Entfaltung der humanistischen Schule bei den Franzosen, die ... in Cujas eine Vereinigung der Rechtsgelehrtheit mit Philologie und Geschichte hervorbrachten, welche bis auf unseren Mommsen nicht mehr da gewesen ist, ...". Mommsen, 1817-1903, Historiker und Politiker, 1848 Professor für römisches Recht in Leipzig, 1851 wegen seines Engagements in der März-Revolution Amts enthoben, 1852 Professor in Zürich, 1854 in Breslau, ab 1858 Beamter der Preußischen Akademie der Wissenschaften, ab 1861 Professor für römische Geschichte in Berlin, 1863 -1866 und 1873-1879 Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses, 1881-1884 Mitglied des Reichstages, 1902 Nobelpreis für Literatur für sein Hauptwerk: „Römische Geschichte". 13 Radbruch, „Erneuerung", u.a. auch in GRGA-Bd. 3, S. 80 ff., vgl. Fn. 1.
16
I. Allgemeines
Diese Bedeutung des angloamerikanischen Rechts hat Radbruch dadurch betont, dass er nach dem Krieg ein kleines, aber gehaltvolles Werk mit dem Titel: „Der Geist des englischen Rechts" 16 veröffentlicht hat. Dieses Werk ist als erster Teil der rechtsvergleichenden Schriften in GRGA-Bd. 15 abgedruckt. Unter den Schriften findet sich auch noch ein Aufsatz in englischer und französischer Sprache zum gleichen Thema, der im Gegensatz zu dem in mehreren Auflagen erschienenen „Der Geist des englischen Rechts" über einen umfangreichen wissenschaftlichen Anmerkungsapparat verfügt 17 .
14 Radbruch, „Geist"; ders., „Espiritu"; s. auch ders., „Sécurité en droit", S. 8699; ders., „Anglo-American Jurisprudence", S. 530-545; s. auch: „Théorie angloaméricaine", S. 29-45 (GRGA-Bd. 15, Fn. 4, S. 265 ff.). 15 Friedman, „Legal Culture", S. 11 ff. 16 Radbruch, „Geist" (Fn. 14). 17 s. Fn. 14.
II. Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch Ehe noch weiter auf die (in GRGA-Bd. 15 gesammelten) rechtsvergleichenden Schriften eingegangen werden kann, soll die Beziehung der Rechtsvergleichung zur Rechtsphilosophie im Sinne Radbruchs klargestellt werden. Dabei kann es sich nur um einen Versuch handeln, der aber erforderlich ist, weil Radbruch nachgesagt wurde, dass er wenig auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung geleistet habe 18 . Dies ist schon deshalb unzutreffend, weil er sowohl auf dem Gebiet der universalen Rechtsgeschichte und Kulturrechtsvergleichung wichtige Beiträge veröffentlicht hat. Dennoch mag die Auffassung von an Radbruchs relativ geringerer rechtsvergleichender Betätigung dadurch verständlich sein, dass er in einer Zeit hinein geboren wurde, in welcher die Rechtsphilosophie durch nationale Rechtsvergleichung ersetzt wurde mit dem Ziele, in einer allgemeinen Rechtslehre die Rechtsphilosophie aufgehen zu lassen 19 . Radbruch selbst war und blieb immer Rechtsphilosoph unter dem Einfluss sowohl der Zweckjurisprudenz als auch des Neukantianismus. Die Umwandlung der Rechtsphilosophie mündete zu Beginn des Jahrhunderts in wichtige rechtsvergleichende Werke, die gleichzeitig die allgemeine Rechtslehre konkretisierten. Hierher gehören gerade jene zwei großen Sammelwerke 20 : Die Strafgesetzgebung der Gegenwart und Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts 21. Radbruchs Lehrer Franz von Liszt 2 2 hatte vor, mit „diesen Großbetriebsformen der Wissenschaft", die „für das Zeitalter der Induktion zu kenn18
Jescheck weist in seinem Beitrag, „Radbruchs Strafrechtsvergleichung" (Fn. 4), darauf hin, dass weder der Nachruf von Eberhard Schmidt, „Radbruch", S. 114, noch Günter Spendeis Vortrag, „Lebensbild Radbruchs", s. auch ders., „Zeitwende", auf Radbruchs Lebensleistung für die Rechtsvergleichung eingegangen sind. Ein gleiches Defizit stellte er auch in der Biographie Erik Wolfs, „Rechtsdenker", S. 713, fest. 19 Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 10-11. 20 Radbruch, „Strafgesetzgebung"; ders., „Vergleichendes Strafrecht" (Fn. 4); s. auch Fn. 5. 21 Jescheck, „Strafrechtsvergleichung", S. 13 ff. 22 Franz von Liszt, 1851-1919, Strafrechtslehrer und Kriminalpolitiker, 1879 Professor in Giesen, 1882 in Marburg, 1889 in Halle und ab 1899 in Berlin, seit 1908 preußischer Abgeordneter, ab 1912 MdR für die bürgerlich-liberale Fortschrittliche 2 Schüller
18
II. Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch
zeichnen sind", eine allgemeine Rechtsdisziplin im Sinne einer „allgemeinen Rechtslehre" zu erstellen, die als positivistischer Ersatz für die totgesagte Rechtsphilosophie zwischen dem absterbenden Hegelianismus und dem Heraufkommen des Neukantianismus mit großem Eifer erstellt wurde. Radbruch meinte, dass neben Franz von Liszt auch Adolf Merkel 2 3 in einer solchen allgemeinen Rechtslehre die Krönung der Rechtswissenschaft gesehen hätte. In der Nachzeichnung des Lebenswerkes von Liszt bemerkt nun Radbruch, dass sein Lehrer bei seinem Vorhaben Widerspruch auch in der eigenen Schule fand, als er im Jahre 1906 seine Theorie zur Diskussion stellte 24 . Ihm wurden die Argumente des inzwischen emporgewachsenen Neukantianismus der südwestdeutschen Schule von Windelband 25 und Rickert 2 6 entgegengehalten, die in einem schroffen Dualismus von Sein und Sollen, Wert und Wirklichkeit mündeten. Radbruch erwähnte ausdrücklich, dass auch ein zweiter Aufsatz von Franz von Liszt diese Tendenz verfolge 2 7 . Er nimmt auch zum Strafgesetzentwurf in diesem Zusammenhang Stellung 28 . Hier werden die Vorschläge der Wissenschaft mit dem inzwischen erschienenen Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch 1909 verglichen. Radbruch ist der Auffassung, dass sozusagen alle Fragen des „Allgemeinen Teils" unter rechtspolitischen Gesichtspunkten diskutiert werden. Er
Volkspartei. Er war Begründer der sog. Soziologischen Strafrechtsschule und akademischer Lehrer Radbruchs. 23 Adolf Merkel, 1836-1896, Strafrechtslehrer, Professor in Prag, Wien und Straßburg, förderte die Strafrechtsdogmatik und die allgemeine Rechtstheorie und nahm in dem Streit zwischen klassischer und soziologischer Strafrechtsschule eine vermittelnde Stellung ein. 24 Radbruch, „von Liszt", in: „Elegantiae", 2. Aufl. 1950, S. 208. Liszts methodologische Grundgedanken finden sich in: ZStW 26 (1906), 553 ff. und 27 (1907), 91, die Gegenäußerungen finden sich ebd., 27 (1907), S. 246, 742; 28 (1908), 251. 25 Wilhelm Windelband, 1848-1915, Schüler des Philosophen Hermann Glotze, der in Heidelberg lehrte. Sein Buch „Philosophie", bediente sich der problemgeschichtlichen Methode. Zusammen mit Heinrich Rickert, 1863-1936, begründete er die Südwestdeutsche Philosophenschule des Neukantianismus. Emil Lask, 1875— 1915, ein Freund Radbruchs beeinflusste ihn; Radbruch, „Rechtsphilosophie", 1. Aufl., S. 185 und 6. Aufl., S. 1 Anm. 1; s. auch GRGA-Bd. 2 (Bearb.: Kaufmann), 1993, S. 175. 26 Heinrich Rickert, 1863-1936, Philosoph, ab 1916 Professor in Heidelberg. Er begründete zusammen mit Wilhelm Windelband die Südwestdeutsche Schule des Neukantianismus; methodologisch arbeitete er die Unterscheidung zwischen Naturund Kulturwissenschaften heraus; als Aufgabe der Philosophie sah er die Untersuchung des Reiches zeitlos gültiger Werte an. 27 von Liszt, „Entwicklungsgedanke", S. 497 ff. 28 von Liszt, „Strafgesetzentwurf", S. 257.
II. Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch
19
beschreibt diese Situation i n seinem Nachruf auf Hermann K a n t o r o w i c z 2 9 w i e folgt: „Er folgte damit einer Anregung Franz von Liszts, der seine evolutionistische Methode der Rechtsvergleichung zur Debatte gestellt hatte. Liszt hatte die Auffassung vertreten, richtiges Recht sei dasjenige Recht, das mit der Entwicklungstendenz der Rechtswelt übereinstimmt, aber er hatte unter dem Einfluß des Neukantianismus, der Südwestdeutschen Philosophenschule und des von beiden vertretenen Dualismus von Sein und Sollen, fast durchgängigen Widerspruch gefunden, auch bei seinen eigenen Schülern. Auch Hermann Kantorowicz gesellt sich diesen Gegnern zu, aber noch nicht mit werttheoretischer, vielmehr mit psychologischer Begründung: das Sollen wird als eine Art des Wollens aufgefaßt, seine Ableitung aus dem Sein ad absurdum geführt als eine Ableitung dessen, was ich will, aus dem was andere wollen. Aber dieses Liszt'sehe Problem ist in dem umfangreichen Aufsatz nur eines von vielen Problemen der Rechtsvergleichungsmethodik" 30 . Hermann Kantorowicz hatte also den Dualismus der Neukantianischen Schule i n dem Sinne zu überwinden versucht, indem er aus dem „ S o l l e n " ein „ W o l l e n " machen wollte. Radbruch selbst, der ebenfalls i n diesem K o n f l i k t der Fortsetzung der Liszt'sehen Theorie und des Einflusses der Neukantianer stand, wandte sich mehr einer M o d i f i k a t i o n des Sein-Sollen-Schemas dergestalt zu, dass sein Sein eine „soziale" Komponente
erhalten
s o l l t e 3 1 . M a n hat gesagt: „ D i e H i n w e n d u n g z u m Sozialen gehört zur Signatur unserer Z e i t " 3 2 . A b e r schon i m 19. Jahrhundert fanden sich Vorkämpfer w i e Otto v o n G i e r k e 3 3 , Franz v o n L i s z t 3 4 und A n t o n M e n g e r 3 5 . Gerade und vor allem
29
Hermann Kantorowicz, 1877-1940, Rechtswissenschaftler, ab 1915 Professor in Freiberg, 1929 Berufung nach Kiel, 1933 Emigration, lehrte ab 1934 in London. Er war führender Kopf der Freirechtsbewegung, die ihren Ausgang von seinem Werk: „Rechtswissenschaft" (unter dem Pseudonym Gnaeus Flavius), 1906, nahm. Radbruch und Kantorowicz waren freundschaftlich eng verbunden, s. dazu Radbruch, „Kantorowicz", S. 22. 30 Radbruch, „Nachruf 4 , S. 262, 271 f. 31 Radbruch, „Mensch", Heidelberger Antrittsvorlesung. 32 Würtenberger, „Soziales Recht", S. 200 ff. 33 Otto von Gierke, 1841-1921, Rechtsgelehrter, ab 1867 Professor für Deutsches Recht in Berlin, nach Berufungen nach Breslau, 1872, und Heidelberg 1884, 1887 Rückkehr nach Berlin. Gemäßigter Anhänger der Historischen Rechtsschule. Er betonte gegenüber dem positiven (römischen) Recht den Vorrang der deutschen Rechtsidee. 34 Radbruch schreibt über Franz von Liszt: „Er gehört jenem sozialreformerischen Neoliberalismus an, der in dem Eintritt Friedrich Naumanns und seiner national-sozialen Freunde in die freisinnige Vereinigung, 1903, politischen Ausdruck gefunden hat. Liszt blieb der Liberale mit einem sozialen Ideal im Herzen." Radbruch, „von Liszt" (Fn. 25). Das von ihm gebrauchte Zitat geht auf Kohlrausch, „Rektoratsrede", S. 16, zurück. 2*
20
II. Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch
auch Radbruch wurde durch sie und nach ihnen zum Kämpfer für das „soziale Recht" 3 6 und entwickelte Grundanschauungen, die diese Signatur der Gegenwart bestimmt haben. Für diese soziale Dimension seines Rechtsdenkens war neben Franz von Liszt und Emil Lask 3 7 auch der französische Jurist Léon Duguit 3 8 maßgebend: Mit Emil Lask verband ihn das Bekenntnis zum Neukantianismus der südwestdeutschen Schule, die das Recht als soziale Tatsache vom Recht als Norm unterschied 39 . Für beide war das Recht „realer Kulturfaktor" und „sozialer Lebensvorgang". Daher kam es, dass Radbruch der juristischen Methode eine „sozial-theoretische Betrachtung des Rechtes" gegenüberstellte 40 . Man hat allerdings bemerkt, dass es Radbruch, wie vielen anderen Anhängern der Neukantianischen Schule, an der empirischen Methode oder der Wirklichkeit empirisch gewonnener Ergebnisse gefehlt habe, so dass das Gedankengebäude ohne Realsubstrat blieb 4 1 . Trotz dieses empirischen Defizits hat der Rechtsphilosoph Radbruch zur Erhellung historischer Hintergründe für die Rechtsentwicklung Bleibendes geleistet, wie durch den Hinweis auf die „Elegantiae Iuris Criminalis" (1950) und „Gestalten und Gedanken gezeigt" (1954) 4 2 werden kann. Ein Zentralbegriff, der auch für seine rechtsvergleichenden Studien von Bedeutung werden sollte, war der Begriff der „Natur der Sache" 43 , mit wel-
35
Anton Menger, 1841-1906, österreichischer Jurist und Sozialpolitiker, Professor in Wien, Arbeiten zum Zivilprozessrecht und zu einer neuen sozialistischen Gesellschaftsauffassung, Staats- und Sittenlehre. 36 Würtenberger, „Soziales Recht" (Fn. 33), S. 204; Würtenberger weist auf „Sozialismus", S. 69, hin; sowie Radbruch, „Mensch" (Fn. 13), S. 9-22 und S. 32, wonach im Anschluss an Duguit das Wort von „Der Sozialisierung des Rechts" von Radbruch geprägt wurde. 37 Emil Lask, 1875-1915, Philosoph, ab 1910 Professor in Heidelberg, Schüler Rickerts und Exponent der Badischen Schule des Neukantianismus. 38 Léon Duguit, 1859-1928, Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät in Bordeaux. Werke: „Droit constitutionnel"; „Traité 1911", 2. Bde.; „Traité 1921-25", 5 Bde.; „Traité 1930", 5 Bde., von denen nur drei erschienen sind; „Constitutions depuis 1789". 39 Wolf, „Umbruch oder Entwicklung", S. 481, 487. 40 Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 25); GRGA-Bd. 2 (Fn. 25), S. 9 ff. 41 Kaufmann, „Neukantische Rechtsphilosophie", S. 66/67; Wolf, „Umbruch oder Entwicklung" (Fn. 39), S. 496. 42 Radbruch, „Elegantiae", 2. Aufl. 1950 (Fn. 12); ders., „Gestalten". 43 Radbruch, „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 5-40. Angeregt von Radbruch ist hierzu eine umfangreiche Literatur entstanden. Nach ihm haben sich damit beschäftigt: Coing, „Rechtsphilosophie", 1950, S. 118 ff., 5. Aufl. 1993, S. 181; Fechner, „Rechtsphilosophie", S. 146; Stratenwerth, „Rechtsphilosophie"; Maihofer, „Natur der Sache", S. 53 ff. und Engisch, „Natur der Sache", S. 204 ff. Im gleichen Sammelband sind auch die Beiträge von Bobbio über den Begriff der „Natur der Sa-
II. Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch chem er die schroffen Gegensätze des Neukantianismus zwischen Sollen und Sein, Wert und Wirklichkeit, überwinden wollte. Die Natur der Sache deutet bei ihm auf das „historische Klima" hin, indem der Rechtsgedanke erzeugt wird und sich verwirklicht 4 4 . In diesem Sinne erklärt er bei rechtsvergleichenden Arbeiten Begriffe wie „soziale Solidarität", „soziale Interdependenz" 45 und „soziale Rollen" zu obersten Strukturprinzipien und Leitideen der Rechtsgestaltung und der Rechtssysteme. Sowohl für Duguit als auch für ihn war das Zeitalter der „Sozialisierung des Rechtes" angebrochen 46 . Dies verband ihn auch mit dem geistigen Vater der soziologischen Schule, Franz von Liszt, dessen Lehren Radbruch im Lichte des Wandels vom liberalen zum sozialen Staat, vom Rechtsstaat zum Sozialstaat sah 47 . Er hat sich bei seinen rechtsvergleichenden Schriften vor der Gefahr zu bewahren versucht, vorschnelle Hypothesen aufzustellen und der Fantasie zu freien Raum zu lassen. Allen Untersuchungen lagen minutiöse - aus allen erreichbaren Quellen zusammengetragene - Tatsachen zugrunde. Bei Anwendung seiner kultur-, sozial- und geistesgeschichtlichen Methode musste es bei aller Rechtsgeschichte oder Rechtsvergleichung darum gehen, neue Fragestellungen zum Ausgangspunkt zu machen, um auch zu neuen möglichst endgültigen Ergebnissen zu kommen. So war es sicher auch das Anliegen Radbruchs, die Strafrechtsgeschichte zu Ende zu schreiben 4 8 . Die Rechtsvergleichung ist daher für Radbruch ein Mitwirken „an dem erhabenen Problem der Selbsterkenntnis der Menschheit". Neben diesem Wunsche eines Zu-Ende-Schreibens und seiner damit verbundenen Erfüllung steht der andere Wunsch, dass das Recht sich im Prozess der Sozialisierung erfüllen möge. Dieses sich Erfüllen des Rechts als ein „ A n das Ende-Kommen" erhält die Züge eines Aufhebens und Vollendens. Denn, wenn auch Erfüllung - vor allem Erfüllung durch Aufhebung der Konflikte und Widersprüche - im sozialen Recht enthalten ist, ist ja gerade deshalb das soziale Recht bei Radbruch immer zugleich identisch mit dem Menschlichen, der Würde des Menschen, dem Humanum 49 : „In Radbruchs che", S. 87 ff., und der ältere Beitrag von Gutzwiller, „Natur der Sache", S. 14 ff., abgedruckt. 44 Radbruch, „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 16 f. 45 Radbruch, „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 12 f. 46 „Sozialismus", in: Sozialistische Monatshefte, Juni 1927, zit. nach Krämer, „Kriminalpolitiker", S. 69; Radbruch, in: „Mensch", S. 32. 47 Radbruch, „von Liszt" (Fn. 24). 48 Schmidt, „Rechtsgeschichte" (Fn. 4), S. 242-251. 49 Das Humanum erscheint bei Radbruch auch in der Gestalt des historischen Humanismus, der als Parallelphänomen zur Erneuerung der Kunst (Renaissance) und der Religion (Reformation) auftritt, s. Radbruch, „Einführung", 1. Aufl. 1910, S. 34 f.; GRGA-Bd. 1 (Bearb.: Kaufmann), 1987, S. 121.
22
II. Die Stellung der Rechtsvergleichung bei Radbruch
Leben und Werk verband sich das Soziale allezeit mit dem Humanen". 50 Somit ist für Radbruchs Rechtsvergleichung das Recht als Soziales immer auch das Humanuni, welches auf den verschiedenen Kulturebenen und in den verschiedenen Kulturepochen wertend zu vergleichen ist.
50
Schmidt, „Rechtsgeschichte" (Fn. 4), S. 206.
III. Die rechtsvergleichenden Arbeiten im Allgemeinen Die rechtsvergleichenden Arbeiten beginnen kurz nach der Jahrhundertwende mit seiner Teilnahme an dem Monumentalwerk: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts 51. In seinem Artikel aus dem Jahr 1905/06: Über die Methode der Rechtsvergleichung 52 bringt Radbruch zum Ausdruck, dass „das kriminalistisch interessierte Deutschland" das Erscheinen dieses Werkes mit „Spannung" erwarte. Seine Beiträge zur Rechtsvergleichung beginnen mit diesem Artikel und den Beiträgen in dem erwähnten rechtsvergleichenden Werk: Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts, das als Ausgangspunkt für die anstehende Strafrechtsreform gedacht war. In dem erwähnten Artikel fasst Radbruch seine Position zur Rechtsvergleichung dahingehend zusammen, dass es sich um eine selbstständige rechtswissenschaftliche Disziplin handle, die als Aufgabe nicht ein „Nebeneinander" der Resultate, sondern ein „In Beziehung setzen" derselben habe. Jene Resultate, seien unter den Kriterien der Gleichheit und Ungleichheit zu prüfen und zu werten. Das tertium comparationis aller (Rechts-) Vergleichung sieht er nach dem Zurücktreten des Naturrechts in dem „Rechtsideal" 53 . Das Naturrecht 54 hat sich nach Radbruch in zwei Teile zerlegt und getrennt weiterentwickelt, 51
Vgl. Fn. 4. Radbruch, „Rechtsvergleichung", in: M.Schr.Krim.Psych., 2 (1905/06), S. 422425, auch abgeduckt, in: Rechtsvergleichung, hrsg. von Zweigert/Puttfarken, 1978, S. 53-56 und in GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 152 ff. 53 Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 32/33; s. auch Radbruchs „Rezension Nelson", S. 1252 f. In seiner „Einführung," (Fn. 9), sagt Radbruch: „Der Gedanke des Narturrechts war also ein Irrtum - aber er war der denkbar fruchtbarste Irrtum. Es ist eine ,alte List der Weltgeschichte4, das Recht, das sie zur Geltung bringen will, für bereits in Geltung und das Recht, das sie außer Kraft setzen möchte, für schon außer Kraft anzugeben", S. 32/33. Die spätere Radbruch'sehe Formel stellt in gewissem Sinne eine Korrektur dieses Standpunktes dar, s. auch Bauer, „Gesetzliches Unrecht" (Fn. 4), S. 302 ff.; Lecheler, „Unrecht"; Kaufmann, „Radbruchsche Formel", S. 81 ff.; ders., „National Socialism", 1629-1649; von Niekerk, „Warning Voice" S. 234, 245 ff.;. Paulson/Fuller, „Positivist Thesis", S. 313 ff.; ders. „Unjust Laws", S. 489 ff. Zu Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht vgl. Kapitel X. 54 Radbruch hat in seiner „Vorschule" (Fn. 1), S. 86, ausgeführt, dass man deswegen zutreffend Hugo Grotius als Vater des Naturrechts bezeichne, weil er die Anwendbarkeit des Naturrechts postuliert und verwirklicht habe. Ansonsten betont Radbruch immer die Antinomiebezogenheit allen Rechts, ein Phänomen, das gerade bei der Anwendung von Naturrecht deutlich sichtbar wird. 52
24
III. Die rechtsvergleichenden Arbeiten im Allgemeinen
und zwar in den „Rechtstypus" 55 und das „Rechtsideal". Dabei stellt er gleichzeitig die Beziehung zur Rechtsphilosophie her, die für ihn nicht nur Methodenlehre ist. Radbruchs Aufsatz „Über die Methoden der Rechtsvergleichung" steht am Anfang seiner Arbeiten zu diesem Thema, die mit seinem Buch über den Geist des englischen Rechtes nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossen wird. Die Hinwendung der Rechtsvergleichung zum Common L a w 5 6 , zur Einbeziehung des angloamerikanischen Rechtes 57 ist charakteristisch für die Geschichte der Rechtsvergleichung und tritt besonders nach dem Ersten Weltkrieg überall in Erscheinung. Zunächst bedarf es aber noch der Klärung der Stellung Radbruchs und seiner rechtsvergleichenden Schriften in dem Entwicklungsprozess der Wissenschaft der Rechtsvergleichung selbst. Seine anfänglichen Arbeiten waren stark durch seinen Lehrer Franz von Liszt beeinflusst. Letzterer hatte seinen theoretischen Standpunkt in zwei Programmschriften (1894 und 1902) niedergelegt 58 . Der Einfluss auf Radbruch ist deutlich und doch auch wieder ist erkennbar, dass Radbruch eine eigene Position bezieht. Er sieht in den „fremden Rechten" nicht nur „Gedankeninhalte", die durch die Rechtswissenschaften in ihrer Bedeutung zu ermitteln seien, sondern „Kulturmächte", welche einer gesellschaftswissenschaftlichen Methode bedürfen, um erschlossen zu werden. Folglich
55
Radbruch überwindet die Krise des Naturrechts durch zwei Gedankenrichtungen: eine in Richtung auf das Rechtsideal und eine andere in Richtung auf die Entwicklung des Rechtstypus. 56 Gustav Radbruch, „Erneuerung" (Fn. 13), S. 11-13; ders., „Rezension Schwinge", S. 109-110. In der 1. Aufl. der „Einführung" (1910) bringt Radbruch im Kapitel „Gerichtsverfassungsrecht nach der Behandlung der richterlichen Rechtsschöpfung", S. 66, einen Abschnitt, den er als „Präjudizienkult" bezeichnet, S. 69, wobei er die Bindung des Richterstandes in England betont. Wesentlich ausführlicher geht Radbruch in der 7./8. Aufl. 1929, auf das Common Law ein, S. 133 ff. Er zieht dann auch einen positiven Vergleich zwischen dem ius gentium und der Equity-Rechtsprechung im englischen Gerichts- und Rechtswesen. Dazu auch Scholler (Fn. 1), S. 743, 749. Irrtümlich hat Vulpius aus meiner Darstellung der Hinwendung der Rechtsvergleichung zum Common Law nach dem ersten Weltkrieg den Schluss gezogen, dass sich diese allgemeine Festsstellung auf Radbruch bezieht; Carola Vulpius, „Radbruch in Oxford", S. 106, Fn. 192, 199. 57 Radbruch, „Erneuerung" (Fn. 13). Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatte sich Radbruch in drei Spezialuntersuchungen mit dem englisch-amerikanischen Recht befasst, und zwar „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14); ders., „Criminal Law", S. 212-225; ders., „Sécurité en droit" (Fn. 14); ders., „Justice and Equity", S. 1-13; GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 241 ff. Zu erwähnen ist auch die anonyme Passage in Rechtsphilosophie in England und USA, in: Del Vecchio, „Rechtsphilosophie", S. 480-487. Ferner, Campbell, „Rechtsphilosophie". 58 von Liszt, „Strafgesetzgebung", S. 14-25; ders., in: Festschrift zum 26. Deutschen Juristentag von Guttentag, 1902 (auch Aufsätze und Vorträge II, S. 422-43).
III. Die rechtsvergleichenden Arbeiten i m Allgemeinen müssen neben die Rechtswissenschaft, die es m i t „Gedankeninhalten" u n d ihrer Interpretation zu tun hat, die Gesellschaftswissenschaften treten. So verlangt Radbruch auch bei der A n w e n d u n g der gesellschaftswissenschaftlichen Methode ein Eingehen auf die j e w e i l i g e konkrete Interpretation und A n w e n d u n g des fremden Rechts i m j e w e i l i g e n Kulturkreis. I n seinem Aufsatz: Das „richtige Recht" i n der Strafgesetzgebung 5 9 ging Franz v o n Liszt auf die Ausführungen Radbruchs ein, m i t welchem er i n seinem Aufsatz
zur Methode der Rechtsvergleichung das
Sein-Sollende
oder Seiende i m Recht scharf geschieden hat und m i t dem Satz akzentuiert darstellte: „Das Sein-Sollende . . . ist Sache der wissenschaftlich undiskutierbaren . . . Überzeugung", v o n Liszt weist diesen Satz zurück. Er heißt bei Radbruch vollständig w i e folgt: „Das , Sein-Sollende4 läßt sich nimmermehr aus dem Seienden ableiten, die Betrachtung noch so vieler geltender Rechte vermag uns über das richtige Recht nicht zu belehren, es ergibt sich nicht empirisch, sondern apriorisch, es ist Sache der wissenschaftlich undiskutierbaren persönlichen Überzeugung. Insbesondere darf man nicht in den marxistischen Irrtum verfallen, zu glauben, durch den Nachweis, daß die Rechtsentwicklung, wenn sie in ihrer bisherigen Richtung fortschreite, eine bestimmte Rechtsgestaltung herbeiführen werde, daß ihre Entwicklungstendenz' auf diese Rechtsgestaltung hingehe, diese nun auch als richtig und erstrebenswert erwiesen zu haben. Nimmermehr läßt sich aus dem Sein das SeinSollende ableiten, gleichviel ob ein gegenwärtiges oder vergangenes oder ob ein wahrscheinliches zukünftiges Sein in Frage steht" 6 0 . M a n sieht hier also die Position der Neukantianer, die Radbruch gegenüber v o n Liszt einnimmt.
59 Zum Begriff vom „richtigen Recht" (Rudolf Stammler); s. Radbruch, „Einführung", 1. Aufl. 1910, S. 19/20; ders., „Literaturbericht", in: ZStW 25 (1905), S. 158/159; ders., „Literaturbericht", in: ZStW 27 (1907), S. 246/247 und S. 739/ 740. In seinem Geburtstagsartikel „Stammler", bezeichnet Radbruch Rudolf Stammler als „Neubegründer deutscher Rechtsphilosophie"; s. auch v. Liszt, „Richtiges Recht", ZStW 26 (1906), S. 553 ff., ebenfalls abgedr. in: „Rechtsvergleichung" (Fn. 52), S. 57 ff. 60 Radbruch, „Rechtsvergleichung", M.Schr.Krim.Psych. 2 (1905/06), S. 422, 423. Eine ablehnende Haltung Radbruchs gegenüber der Bedeutung der Rechtsvergleichung für das Rechtsideal wird von Zweigert/Kötz, „Rechtsvergleichung", S. 52 zu stark betont. Zwar sei die Rechtsvergleichung nicht unmittelbar auf die Ermittlung des richtigen Rechtes ausgerichtet und der „Sozialtheorie des Rechts" zuzuordnen wie Rechtssoziologie und Rechtsgeschichte. Allerdings zielt Radbruch immer auf das Rechtsideal und damit auf ein Plus gegenüber der Idee des richtigen Rechtes ab. Das geschieht insbesondere im Wege einer „vergleichenden Rechtsphilosophie", eine Rechtsphilosophie, die aufgelöst in „Rechtsideal" und „Rechtstypus" einen Vergleich der Rechtskulturen bedeutet. Dies zeigt sich vor allem in den zahlreichen Veröffentlichungen nach 1936.
IV. Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert Um Radbruchs Stellung in der Rechtsvergleichung richtig zu verstehen, muss auch das 19. Jahrhundert in seiner Bedeutung für diese Disziplin in die Interpretation einbezogen werden. Der Anfang des 19. Jahrhunderts war durch eine Welle nationaler einheitsbegründender Kodifikationen gekennzeichnet, die gleichzeitig eine Rechts Vereinfachung 61 herbei führten. Diese rationalistische Gesetzgebungsgläubigkeit wie auch die Wiederbelebung der Geschichte in der späteren historischen Rechtsschule 62 führten zu einer Einschränkung oder sogar Zurückweisung der Rechtsvergleichung, glaubte man doch, in der lex scripta oder in der geschichtlichen Mächtigkeit absolute Größen gefunden zu haben. Sah man doch in den neuen Kodifikationen oder in der Wiederbelebung des römischen Rechts durch die historische Schule perfekte Rechtssysteme, ja sogar in bezug auf das römische Recht das „Common Law of all Civilized Nations" 6 3 . Die nationale Rechtskodifikation oder das römische Recht schalteten jedes System für sich die Möglichkeit der Rechtsvergleichung aus 64 . In Deutschland brachte der Idealismus, vor allem aber das Gedankensystem Immanuel Kants, eine neue Wendung zur Rechtsvergleichung. Unter Kants Einfluss wurde Anselm von Feuerbach 65 einer der ersten neuen Vorkämpfer für die Rehabilitation der Rechtsvergleichung 66 . Ähnlich wie Feuerbach hat
61
Radbruch, „Einführung" (Fn. 9), S. 18 f. Radbruch stellt die Parallele zwischen Kunst und Rechtswissenschaft dar, indem er auf die Vorliebe für das Volkslied gegenüber dem Kunstlied i m 19. Jahrhundert verweist: Radbruch, „Einführung", 7./8. Aufl. (Fn. 9), S. 18/19; ders., ebd. (Fn. 9), S. 40-42; ders., „Rechtsgefühl", S. 337-339. In dem Kampf gegen die historische Schule fielen nach Radbruchs Meinung Rudolf von Jhering die entscheidenden Beiträge zu, s. dazu Radbruch, „Literaturbericht", in: ZStW 25 (1905), S. 254; ders., „Vorschule" (Fn. 1), S. 15/16, S. 44/45 und S. 73/74; sowie ders., „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 6-9. Die Rechtsfigur der „Natur der Sache" stellt hier wohl eine Vermittlung zwischen den beiden Richtungen des 19. Jahrhunderts dar, s. dazu Radbruch, „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 24 f. 63 Hug, „Comparative Law", S. 122; s. auch Yutema, „Comparative Law". 64 Hug (Fn. 63), S. 109-161. 65 So der Titel des französischsprachigen Aufsatzes von Radbruch, „Feuerbach précurseur" (Fn. 9). 66 Hug (Fn. 63), S. 121. 62
IV. Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert
27
aber auch der Hegelianer G a n s 6 7 die Rechtsvergleichung neu aufgegriffen. Walter H u g 6 8 sagt hierzu: „While Feuerbach's philosophical view was Kantian, Eduard Gans 6 9 the decided opponent of Savigny and the Historical School, was a faithful disciple of Hegel 7 0 , and strongly believed in Hegel's metaphiysical interpretation of history. Gans critizised severely the historical positivism, the retrospective tendency, and the »antiquarian micrology' of the Historical School" 7 1 . Es ist daher nicht verwunderlich, dass Radbruch sich dem Studium Feuerbachs ganz besonders widmete und seiner M i t - und Nachwelt eine berühmte Biographie dieses großen deutschen Juristen ü b e r l i e ß 7 2 . Dabei sah er Feuerbach durchaus Rechtsvergleichung,
als einen Vorläufer
w i e die Überschrift
der modernen
eines Artikels
in
universellen französischer
Sprache uns z e i g t 7 3 . Feuerbachs Schüler M i t t e r m a i e r 7 4 führte die Rechtsvergleichung fort, bildete eine rechtsvergleichende Schule i n Heidelberg, die auch später das Lebens- und Forschungszentrum Radbruchs werden sollte und begründete zusammen m i t Zacharias die „ K r i t i s c h e Zeitschrift Rechtswissenschaft
und
Gesetzgebung
des A u s l a n d e s " 7 5 .
Auch
für
damals
wurde schon i n dieser Schule das anglo-amerikanische Recht i n die kontinentale Rechtsvergleichung einbezogen. Es ist bedeutsam für die Rechtsvergleichung und ihre W u r z e l n i n Deutschland, wenn Bernhard Großfeld ihre Ausstrahlungskraft w i e folgt beschreibt: „Es ist immer wieder beeindruckend, wie hoch Mittermaier international geschätzt wurde, welchen Einfluß von Savigny über seinen Schüler Vinogradov und dessen Freund Maitland in England gehabt hat. Gleichermaßen groß ist die Wir-
67
Auch Radbruch hatte auf Eduard Gans, 1797-1839, hingewiesen und auf die sogenannte „antiquarische Rechtsschule", s. dazu Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 73/74. 68 Hug (Fn. 63), S. 123. 69 Gans (Fn. 67). 70 Auch Radbruch betont, dass Eduard Gans als Hegel-Schüler wirkte. 71 Hug (Fn. 63), S. 123. 72 Radbruch, „Feuerbach" (Fn. 1). 73 Radbruch, „Feuerbach - précurseur" (Fn. 9). 74 Karl Josef Anton Mittermaier, 1787-1867, Rechtsgelehrter und Politiker, 1811 a.o. Professor in Landshut, 1819 in Bonn, ab 1821 Professor in Heidelberg, 1833, 1835, 1837 und 1847 Präsident der Zweiten Kammer der badischen Ständeversammlung, 1848 Präsident des Vorparlaments. Er vertrat politisch einen gemäßigten Parlamentarismus und wurde in der Rechtswissenschaft vor allem durch seine Arbeiten zur Reform des Strafprozesses und Gefängniswesens bekannt; Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 73/74. 75 s. Fn. 74. So gründete Zacharias zusammen mit Mittermaier 1829 die „kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft" und Gesetzgebung des Auslandes, nachdem Robert von Mohl schon i m Jahre 1826 als Mittermaiers Koautor die „Kritische Zeitschrift für Rechtswissenschaft" gegründet hatte.
28
IV. Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert
kung von Jhering und Ehrlich über Holmes und Roscoe Pound auf das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika" 76 . Die Entwicklung in Frankreich und England, die ebenfalls auf Radbruch einen spezifischen Einfluss auf dem Gebiet der Rechtsvergleichung hatte, soll hier nur in ganz kurzen Zügen skizziert werden. In Frankreich war es der von Mittermaier beeinflusste Jurist Lerminier 7 7 und später Foelix 7 8 , der die Revue étrangère de Législation 1834 gründete, welche von dem hohen Ross gläubiger gesetzgeberischer Perfektion herunterstiegen und erneut die Rechtsvergleichung belebten. Es sollte auch ein Franzose sein, nämlich Duguit 7 9 , der neben anderen Radbruch später entscheidend beeinflusste. In England wurde die Rechtsvergleichung aus praktischer Notwendigkeit wiederbelebt, vor allem dadurch, dass das Privy Council 8 0 , ähnlich wie die gemischte Gerichtsbarkeit 81 im allgemeinen, sehr viel fremdes Recht anwenden musste. Es stand auch dort ein Werk mit dem Titel: „Commentaries on Colonial and Foreign Laws" 8 2 , ein Werk, das den Weg für ein internationales Handelsrecht auf dem Boden der Rechtsvergleichung ebnen sollte 83 . Von den amerikanischen Rechtswissenschaftlern seien hier nur Kent und Story erwähnt 84 . Insbesondere Story schrieb Kommentare zum Handelsrecht, wobei diejenigen zum Equity-Law und zu Kollisionsnormen hervorzuheben sind. Story prägte in seiner 1934 erschienenen Abhandlung 76
Großfeld, „Rechtsvergleichung", S. 196 f. Eugine Lerminier wurde 1830 Professor für Rechtsvergleichung am Collège de France und veröffentlichte eine allgemeine Geschichte der Rechts vergleichung: „Histoire du Droit"; Walther Hug (Fn. 63) bemerkt hierzu: „The title is misleading, because the book does not give a history of law, but a history of the main school of jurists in the period from 1200 to 1800. Lerminier is full of praise for Gans and accepts his fundamental ideas". 78 Walther Hug bemerkt allerdings, dass Jean Jacques Foelix nicht eigentlich Komparatist war und dass ihm die Fähigkeiten eines Mittermaier fehlte, weil er hauptsächlich auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts ein Experte gewesen sei. 79 s. die Erwähnung Duguit (Fn. 38) bei Ernst Rabel, „Rechtsvergleichung", S. 1 ff. 80 Das Privy Council wurde erst 1540 wohl unter Einwirkung des bekannten Kanzlers Thomas Wolsey, 1515-1529, von der Star Chamber getrennt. 81 Zur Entwicklung der gemischten Gerichtsbarkeit, vor allem in Nordostafrika s. Heinrich Scholler, „Court of Ethiopia 1822-36", S. 73 ff.; ders., „Court of Ethiopia 1920-35". 82 Hug (Fn. 63), S. 126 mit Anm. 160. Das berühmte Buch von Bürge, „Colonial Law", untersuchte holländisches, spanisches, französisches, schottisches, nordamerikanisches und westindisches Recht, und erlebte 1907-1928 durch A. W. Renton und G. Phillimore eine Neuauflage. 83 Hug (Fn. 63), S. 127 mit Anm. 168. 84 Hug (Fn. 63), S. 127 mit Anm. 174 und 175, unter Hinweis auf die Untersuchung von Gutzwiller, „Savigny - IPR", S. 110. 77
IV. Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert
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„Commentaries on the Conflict of Laws" den Ausdruck „international private law". Die Erkenntnis, dass das Common Law genauso wenig wie das römische Recht den modernen Bedürfnissen entsprach, führte schließlich zu einer sehr realistisch betriebenen Rechtsvergleichung. Walter H u g 8 5 sagt hierzu: „It was but a tentative beginning under the pressure of practical needs and had neither the breath of Grotius, the vision of Vico and Gans, nor the comprehensiveness of Montesquieu".
Damit war die Rechtsvergleichung schier zu einer „dienstbaren Magd" herabgesunken und hatte ihr Erstgeburtsrecht für ein Linsengericht verkauft. Trotz allem konnte aber Rudolf von Jhering ihre Wiedergeburt vorhersagen: „ . . . die Wissenschaft ist zur Landesjurisprudenz degradiert, die wissenschaftlichen Grenzen fallen in der Jurisprudenz mit den politischen zusammen. Eine demütigende, unwürdige Form für eine Wissenschaft. Aber es hängt nur von ihr selber ab, jene Schranken zu überspringen und den Charakter der Universalität, den sie so lange besaß, in einer anderen Form als vergleichende Jurisprudenz sich für alle Folgezeit zu sichern. Ihre Methode wird eine andere, ihr Blick ein weiterer, ihr Urteil ein reiferes, ihre Behandlung des Stoffes eine freiere werden, und so wird der scheinbare Verlust (seil, der formellen Gemeinschaft des römischen Rechts) in der That zu ihrem wahren Heile ausschlagen, sie auf eine höhere Stufe der wissenschaftlichen Thätigkeit erheben" 86 .
Ernst Zitelmann 87 hatte in einer Abhandlung aus dem Jahr 1900 die Bedeutung der Rechtsvergleichung für die Rechtsanwendung, die Rechtsforschung und die Gesetzgebung hervorgehoben. Josef Kohler 8 8 folgte 1901 mit einem ebenfalls beachteten Artikel über die Methode der Rechtsvergleichung. Auch Kohler verfolgt mit der Rechtsvergleichung ein doppeltes Ziel: „Das Ziel der Erkenntnis und das Ziel des praktischen Wirkens". So versuchte Kohler mit dieser Formulierung auf dem rechtsvergleichenden Kongress in Paris im Juli/August 1900 die beiden widerstrebenden Komponenten in dieser neuen Disziplin zu verbinden. Die erwähnte Pariser Konferenz zur Rechtsvergleichung hatte 1900 zwei Richtungen begründet oder besser gesagt verstärkt. Während die eine sich als Methodenlehre entwickelte (droit comparé théorique) hatte die andere mehr einen empirisch-historisch-sozialen Charakter. Beide Richtungen betrachteten aber die Rechtsvergleichung als eine anerkannte selbständige rechtswissenschaftliche Disziplin mit der Aufgabe: „le rapprochement systé85
Hug (Fn. 63), S. 128. Jhering, „Geist", I. Teil, 7./8. Aufl. 1924, S. 15; s. auch Yutema, „Comparative Law" (Fn. 63), abgedr. in: Rechtsvergleichung (Fn. 52), S. 166. 87 Zitelmann, „Rechtsvergleichung", S. 329-332. 88 Kohler (Fn. 11). 86
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IV. Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert
matique des institutions juridiques des différents pays" 8 9 . Die Komparatisten standen damals sehr stark unter dem Eindruck der neuen Kodifikationen, vor allem der Kodifikation des BGB in Deutschland und des Schweizer Zivilrechts, das dem BGB sehr bald folgte. Diese Kodifikationen verstärkten die erste Richtung: „En fait, les juristes de 1900 sont surtout frappés par la promulgation du BGB, le nouveau Code civil allemand de 1896, qui doit précisément entrer en application cette année. La plupart des juristes réunis au Congrès de 1900, sauf quelques exceptions notables, comme celle de Sir Frederick Pollock, sont des juristes continentaux élevés dans la tradition du droit romain. Le BGB d'abord et quelques années plus tard le Code civil suisse ou le Code suisse des obligations, leur paraissent en quelques sorte concrétiser Γ opposition entre les droits latins et les droits germaniques. I l s'agira surtout de marquer entre eux les différences essentielles pour rechercher ensuite une combinaison rationnelle dont la législation helvétique semble indiquer la voie. A la même époque, sur le plan du droit criminel, Γ Union internationale de droit pénal, qui fait fausse oeuvre comparative, trouve dans le projet Stoss de 1893, puis dans le Code pénal norvégien de 1902 la matière de confrontations, d'où elle dégage des orientations vers un système nouveau, mais toujours dans les perspectives propres au système romaniste continental. En fait, par conséquent, les comparatistes de 1900 ne cherchent pas sérieusement à prendre en considération des systèmes étrangers à la grande famille qu'on appellera plus tard romano-germanique" 90 .
Nach dem Ersten Weltkrieg verstärkt sich dagegen die empirisch-soziale Schule der Rechtsvergleichung. Diese Richtung umfasste auch die Einbeziehung des englischen Common Law und die sozial-empirische Ausrichtung auf das öffentliche Recht. Diese Entwicklung wurde vor allem dadurch gefördert, dass nach dem Ersten Weltkrieg die Gründung des Völkerbundes, der Internationalen Akademie der Rechtsvergleichung und die Idee einer allgemeinen öffentlich-rechtlichen Kooperation weite Kreise von einer Neubelebung der Rechts vergleichung überzeugten. Zweigert/Kötz 91 haben darauf hingewiesen, dass die (historisch-) „vergleichende Rechtswissenschaft" auch noch stark auf die Wiederbelebung der modernen Rechtsvergleichung gegen Ende des 19. Jahrhunderts eingewirkt habe, die durch eine beginnende Institutionalisierung wie Gesellschaften, Zeitschriften, Lehrstühle gekennzeichnet gewesen sei. Doch betonen sie, dass in Frankreich die neue Entwicklung am frühesten im Sommer 1869 einsetzte, dem Jahre, in dem Pollock 9 2 sagen konnte, dass mit ihm die Rechtsvergleichung als neuer Zweig der Rechtswissenschaft vollständig anerkannt wurde. 89
Ancel, „Recherche Comparative", S. 23-33, abgedr. in: Rechtsvergleichung (Fn. 52), S. 350, S. 351. 90 Ancel (Fn. 89), S. 350 ff., S. 353. 91 Zweigert/Kötz, „Rechtsvergleichung" (Fn. 60), S. 56. Zur Vergleichbarkeit analoger Rechsinstitute in verschiedenen Gesellschaftsordnungen s. auch Konrad Zweigert/Hans-Jürgen Puttfarken, in: Rechtsvergleichung (Fn. 52), S. 395 ff.
IV. Radbruch und die Rechtsvergleichung im 19. Jahrhundert
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Nach dem Ersten Weltkrieg sei sie durch Art. X des Versailler Vertrages, der die Liquidation privatrechtlicher Vorkriegsbeziehungen zwischen Angehörigen der kriegführenden Staaten zu regeln versuchte, aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen worden, was von Rabel als „seltsames Eingesponnensein" 93 in Geschichte und Kultur bezeichnet wurde. Radbruch und das Strafrecht hatten aber den Schritt zur Modernität der Rechtsvergleichung schon vor dem Ersten Weltkrieg getan, was von einer zu sehr auf das Zivilrecht fixierten Betrachtungsweise übersehen wird. Wichtig ist für die weitere Entwicklung der Rechtsvergleichung auch die Befreiung aus dem bloßen Gesetzesvergleich ohne Einbeziehung der Rechtsanwendung und des Richterrechtes 94 . Diesen Schritt hat Radbruch kurz nach dem Ersten Weltkrieg eindeutig getan, wenn er auch mit der empirischen Methode sparsam umging. A l l diese Tendenzen finden sich auch in den rechtsvergleichenden Schriften Radbruchs wieder: die Hinwendung zum Common Law, die Einbeziehung des Völkerrechts in seine Überlegungen und die stärkere Betonung des sozialen Rechts und der sozialen Richtigkeit im Rahmen der Rechtsvergleichung. Er war hier jedoch nicht nur ein Exponent dieser Entwicklung, sondern er war einer, der maßgeblichen Einfluss ausübte. Man kann die Arbeiten Radbruchs zur Rechtsvergleichung in drei Perioden einteilen. Während er sich in der ersten Schaffensperiode bis zum Ersten Weltkrieg rechtsvergleichend vorwiegend mit Strafrecht beschäftigt, beginnt er nach dem Ersten Weltkrieg seine Rechtsvergleichung in den Dienst des öffentlichen Rechts, ja der Politik, zu stellen. Die dritte Schaffensperiode beginnt im wesentlichen mit seiner Entlassung im Jahre 1933 und führt fort bis zu seinem Lebensende. Innerhalb dieser Schaffensperiode wendet er sich intensiv dem angloamerikanischen Recht zu. Diese Beschäftigung mit dem angloamerikanischen Recht findet ihren Höhepunkt und Abschluss in der Schrift „Der Geist des englischen Rechts" 95 .
92 93 94 95
Zweigert/Kötz, „Rechtsvergleichung" (Fn. 60), S. 56. Zweigert/Kötz (Fn. 60), S. 58. Zweigert/Kötz (Fn. 60), S. 60. Radbruch, „Geist" (Fn. 14).
V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten Im
Nachfolgenden
sollen
Radbruchs
Arbeiten,
eingeteilt
in
drei
Schaffensperioden, etwas näher untersucht und dargestellt werden. Z u der Zeit der ersten Schaffensperiode nach der Jahrhundertwende arbeiteten fast alle deutschen Strafrechtslehrer
an dem 16-bändigen Werk
„Vergleichende Darstellung des deutschen und ausländischen Strafrechts" (1905 bis 1909). Dieses Werk war als Vorarbeit für eine Strafrechtsreform gedacht und hat weitgehende Anerkennung bruch
97
gefunden 9 6 .
H i e r hat
Rad-
die Beiträge: Abtreibung, Aussetzung und Erfolghaftung geschrie-
b e n 9 8 . Außerdem hat er sich der gesetzlichen Strafänderung
zugewandt99.
Radbruch zählte damals zu den M i t g l i e d e r n der „ F r e i r e c h t s s c h u l e " 1 0 0 , welcher auch Hermann K a n t o r o w i c z 1 0 1 , ein enger Freund Radbruchs, angehörte. Von diesen erwähnten vier Arbeiten sagte Hans-Heinrich Jescheck: „Es ist ihm ihn diesen vier ersten Arbeiten gelungen, nicht nur die repräsentativen Auslandsrechte (das angloamerikanische Recht, Österreich, Italien, Frankreich, die Niederlande, die Schweiz, Rußland und Norwegen) in ihren gesetzgeberischen Lösungen kurz zu skizzieren, sondern auch die weitverzweigte deutsche Partikularstrafgesetzgebung mit einzubeziehen, so daß hier gewissermaßen sowohl der Außenhof als auch der Unterbau des RStGB. rechtsvergleichend untersucht werden. Das Bemerkenswerte aber ist, daß Radbruch in jeder dieser Arbeiten zu scharf profilierten rechtspolitischen Forderungen vorstößt und gesetzgeberische Vorschläge entwickelt, die teilweise fünfzig Jahre später verwirklicht worden 96
Zur Bedeutung der Rechtsvergleichung für die intendierte Strafrechtsreform zu Beginn des Jahrhunderts s. Franz von Liszt, „Richtige Recht" (Fn. 59), S. 553 ff. 97 Jescheck, „Strafrechtsvergleichung", 1955, S. 13 f. 98 s. Fn. 4. 99 Vgl. auch den Beitrag Radbruchs „Tötung, Abtreibung", S. 301; ders., „Vergleichendes Strafrecht", Allg. Teil. Bd. I I I (gesetzliche Strafänderung), 1908 (Fn. 4), S. 189 und Bes. Teil, Bd. V, 1905 (Fn 4), S. 159. 100 „Vergleichendes Strafrecht", Bes. Teil, Bd. V (Aussetzung), 1905 (Fn. 4), S. 185. 101 Gustav Radbruch gehörte zu dem engen Kreis um Kantorowicz, der mit seiner Flugschrift, „Gnaeus Flavius", 1906, die Freirechtsbewegung begründete. Radbruch trat immer schon der These entgegen, dass diese Bewegung antigesetzlich sei und sprach von der Entstehung der „contra-legem-Fabel". Radbruch, „Rezension zu W o l f , S. 99/100; ders., „Kantorowicz", S. 22; ders., „Nachruf 4 , S. 262/263.
V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten
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sind, teilweise in den letzten Strafgesetzentwurf (E 1962) Aufnahme gefunden haben" 1 0 2 .
Das erfolgsqualifizierte Delikt liegt eher zum Ausgleich mit dem Schuldprinzip, einer Bestimmung des allgemeinen Teils, dahingehend vor, dass der Handelnde den Erfolg voraussehen konnte 1 0 3 . Hinsichtlich der Abtreibung hat Radbruch die ausdrückliche Anerkennung der medizinischen Indikation als Rechtfertigungsgrund durch das Gesetz (vgl. § 157 E 1962) verlangt, wobei er es so auslegt, dass die Einwilligung der Mutter nicht für erforderlich gehalten w i r d 1 0 4 . Radbruch fordert hier statt der Aussetzung die Schaffung eines allgemeinen Gefährdungsdeliktes gegen Leib und Leben, ähnlich wie § 335 des österreichischen StGB es vorsah. Er schlägt die Umwandlung der Fahrlässigkeitsdelikte in vorsätzliche Gefährdungsdelikte wegen der „verschämten Zufallshaftung" vor. Er hält aber das Verlassen eines Kindes ohne Lebensgefährdung auch für strafwürdig 105 . Radbruchs Methode kennzeichnet sein Ausgehen von der Rechtsgeschichte, die aber nicht als Maßstab des fremden Rechts dient und nicht das eigene Gesetzbuch, sondern der Rechtstypus und das Rechtsideal werden als Maßstab herangezogen. Doch warnt er vor der Abirrung, dass „das Sein-Sollende aus dem Seienden" abgeleitet werde. Auch ist zutreffend, dass es für Radbruch ein marxistischer Irrtum war, wenn Entwicklungstendenz und richtiges Recht gleichgesetzt würden. In seinem Beitrag „Die gesetzliche Strafänderung" leitet Radbruch die Thematik mit der Feststellung ein, dass die verschiedenen Gruppierungen im Bereich der Täterschaft: Jugendliche, Rückfalltäter, Unverbesserliche auch eine besondere Differenzierung nach Tätergruppen erforderlich machen. Hier tritt das Denken im Typus 1 0 6 hervor, das wir bei Radbruch schon zu Beginn seiner rechtsvergleichenden Studien als ein neues notwendiges Modell des Rechtsdenkens finden. Im gleichen Aufsatz 1 0 7 bringt er dann in einem Abschnitt die außerordentlichen Milderungsgründe und hebt die besonders günstige und vorbildliche Entwicklung im Schweizer Entwurf hervor. Für ihn ist es auch wichtig, dass man zwischen Rückfall und gewohnheitsmäßiger Tat dergestalt unterscheidet, dass nicht jeder Rückfall 102
s. auch Fn. 30. Jescheck, „Radbruchs Strafrechtsvergleichung" (Fn. 4), S. 358 f. 104 Radbruch, Erfolghaftung, in: „Vergleichendes Strafrecht" (Fn. 4), Allg. Teil, Bd. II, S. 251. 105 Radbruch, Abtreibung, in: „Vergleichendes Strafrecht" (Fn. 4), Bes. Teil, Bd. V, S. 169 f. und S. 201 f. (zur Aussetzung). 106 Zur Fortwirkung Radbruchs und zur NichtÜbernahme einiger Vorschläge s. Kaufmann, „Alternativ-Entwurf", S. 324 ff., einerseits und Baumann, „Reformarbeit" S. 337 f., andererseits. 107 Radbruch, Die gesetzliche Strafänderung (Fn. 7); ders., „Klassenbegriffe", S. 46, S. 48/49, S. 52/53 und S. 54. 103
3 Scholler
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V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten
automatisch zur Annahme von gewohnheitsmäßigen Verbrechern führt. Der wichtigste Aspekt der jetzigen Strafrechtsänderung scheint nun die Frage zu sein, ob gleichartige oder ungleichartige Taten Voraussetzung für eine Rückfallverschärfung sein können. Der Artikel endet dann in einer Kritik der Rückfallverschärfung und in einer sehr präzisen Kategorisierung des Zusammentreffens der allgemeinen und besonderen Strafänderungsgründe sowie des Zusammenfallens der Strafänderungsgründe als Strafverschärfungs- und Strafmilderungsgründe. Den Beitrag Erfolghaftung 108 leitet er mit einem Zitat von Friedrich Hegel ein: „Nur die nächste Folge einer Tat darf dem Menschen zugerechnet werden; alles andere ist Eigentum der Götter; sie tun, was ihnen gefällt und uns nicht gefällt" 109
Seinen Aufsatz beginnt Radbruch mit dem Blickwinkel auf das deutsche Strafrecht wie folgt: „Wenn es richtig ist, daß der Weg der Strafrechtsgeschichte von der Erfolghaftung zur Schuldhaftung führt, so ist unser Strafrecht noch weit vom Ziele. Die , durch den Erfolg qualifizierten Delikte 4 sind keineswegs der einzige Fall, in dem die Wirkungsweise einer Handlung Einfluß auf ihre Strafbarkeit hat. Was ist das versuchte Verbrechen anders als ein durch Erfolglosigkeit privilegiertes, meist bis zur Straflosigkeit privilegiertes Delikt? (. . . ) " 1 1 0
Der Aufsatz endet mit Zitaten, die belegen sollen, dass die Gegnerschaft gegen die Erfolghaftung in allen Lagern der Kriminalpolitik gleichmäßig zu finden i s t 1 1 1 . Die Rechtsvergleichung biete für jede Strafrechtsreform kaum fertig abrufbare Rezepte, aber doch ein brauchbares Hilfsmittel der Betrachtung einer möglichst umfangreichen Rechtswirklichkeit. Als Frucht seiner rechtsvergleichenden Arbeiten kann man selbstverständlich auch die Vorschläge ansehen, die in das geltende Strafrecht übernommen wurden oder die wenigstens in Alternativentwürfen Eingang gefunden haben. Zu den nicht aufgenommenen Vorschlägen für die Straf-
108 Radbruch, Erfolghaftung, in: „Vergleichendes Strafrecht" (Fn. 7), Allg. Teil, Bd. II, 1908, S. 227. Die hier zitierte Tagebuchnotiz Friedrich Hegels stammt vom Juli 1886. 109 Radbruch, Erfolghaftung (Fn. 108), S. 227. 110 Radbruch, Erfolghaftung (Fn. 108), S. 227. 111 Die genannten Zitate stammen von Karl Birkmeyer, Franz v. Liszt, Adolf Merkel, Hermann Seuffert. Karl Birkmeyer, 1847-1920, seit 1874 Prof. in Rostock, 1886-1912 Prof. in München. Birkmeyer war einer der Hauptvertreter der klassischen Schule des Strafrechts und gehörte der Kommission zur Schaffung eines neuen deutschen Strafrechts an (Hauptwerke: „Dt. Strafrecht", 1890; „Strafprozessrecht", 1898; „Vorentwurf StGB", 1910). Vgl. zudem Seuffert, in: „Mitteilungen", Bd. 9, S. 108; „Strafgesetzbuch", S. 50 ff.
V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten
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rechtsreform hat sich Jürgen Baumann geäußert 112 . Zur Bedeutung Radbruchs für den Alternativentwurf hat Arthur Kaufmann sich in der Gedächtnisschrift ausführlich geäußert. Im Oktober 1966 hatten 14 deutsche und schweizerische Strafrechtslehrer einen Alternativentwurf eines Strafgesetzbuchs, Allgemeiner Teil (AT), veröffentlicht 113 . Arthur Kaufmann führt nun zu der Zentralproblematik der Freiheitsstrafe und ihrer Behandlung im Alternativentwurf folgendes aus: „Demgegenüber sind die bei aller Knappheit inhaltsreichen Bestimmungen der §§ 37-39 A E m.E. für die mit dem A E vollzogene Wendung notwendig, wichtig und aufschlussreich, weil sie die Quintessenz dessen besagen, was über die Resozialisierungsfunktion der Freiheitsstrafe gesagt werden kann und - darin stimme ich den Verfassern des AE durchaus zu - gerade schon in dem für den Strafrichter maßgebenden StGB und nicht erst in dem den Bestrafungsvorgang nach dem richterlichen Urteil normierenden Strafvollzugsgesetz gesagt werden m u ß " 1 1 4 .
Die dritte Schaffensperiode, in welcher sich Radbruch mit Rechtsvergleichung befasst, wird schon in die Zeit mit seiner Entlassung (1933) datiert, aber es ist auch auf das Jahr 1930 hinzuweisen, in dem er seine Kritik an der Wiedereinführung der Todesstrafe in dem italienischen Codice von 1930 niederschreibt 115 . In dieser Schrift kommt seine Hochschätzung Beccarias116 zum Ausdruck, den er einen „italienischen Montesquieu" nannte und der sich für die Entwicklung des rationalen und humanitären Strafrechts um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert verdient gemacht hat 1 1 7 . Die Biographie Paul Anselm Feuerbachs beginnt im Jahre 1933 und zeigt rechtsgeschichtliche und rechtsvergleichende Züge nebeneinander 118 . In dieser Biographie findet sich auch die aus dem Nachlass veröffentlichte Darstellung der geplanten Universalrechtsgeschichte auf rechtsvergleichender Grundlage, mit der Feuerbach - hätte er sie vollendet - einen Platz zwischen Montesquieu und Maines 1 1 9 erhalten hätte 1 2 0 . Jescheck bezeichnet 112
Baumann, „Reformarbeit" (Fn. 106), S. 337 ff. Zur Zusammensetzung dieser Gruppe s. Kaufmann, „Alternativ-Entwurf' (Fn. 106), S. 324 Anm. 1. 114 Kaufmann, „Alternativentwurf 4 (Fn. 106), S. 328 f.; zur Bedeutung Radbruchs für die Strafrechtsreform s. Krämer, „Kriminalpolitiker"; Schmidt, „Kriminalist", S. 150 ff.; ders., „Zuchthäuser", S. 34 ff.; Wolf, „Rechtsdenker" (Fn. 18), S. 713; sowie Kaufmann, in: Staatslexikon, Bd. 6, 6. Aufl., Freiburg 1961, Sp. 579 ff. m.w.Nachw. 115 Radbruch, „Cesare Beccarla", S. 363. 116 Cesare Beccaria, Marchese de Bonesana, 1738-1794. 117 Radbruch, Isaak Iselin über Cesare Beccaria, in: „Elegantiae", 2. Aufl. 1950 (Fn. 12), S. 181. 118 Radbruch, „Feuerbach" (Fn. 1); ders., „Feuerbachs Vergleichungen" (Fn. 9). 119 Sir Henry Sumner Maine (Fn. 10). 120 Radbruch, „Feuerbach - précurseur", S. 284; ders., „Feuerbachs Vergleichungen", S. 22; ders., „Elegantiae", 2. Aufl. 1950 (Fn. 12), S. 193. 113
3"
V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten diesen Fund „aus der großartigen Trümmerstätte des unvollendeten Werks" als eine epochemachende Leistung der ethnologischen Rechtsvergleichung, die Radbruch der Vergangenheit entrissen habe. Ein weiterer Schwerpunkt während der Zeit der Verfemung Radbruchs lag aber nicht im europäisch-kontinentalen Recht, sondern im englischen Recht und der englischen Rechtskultur. Der einjährige Aufenthalt in Oxford 1 2 1 hatte nach seinem eigenen Bekenntnis seine „Lebensanschauung nicht ohne Einfluss" gelassen 122 . Es erschienen im Jahr 1936 drei große Abhandlungen über englisches Recht in einer vergleichenden rechtsphilosophischen Methode. Die erste dieser drei rechtsvergleichenden rechtsphilosophischen Arbeiten beschäftigt sich mit der Darstellung einer Entwicklungsgeschichte der angloamerikanischen Rechtstheorie von Sir William Blackstone über Bentham bis zu Austin und zur soziologischen Schule Amerikas (Holmes, Brandeis, Pound, Cardozo) 123 . Hier wog Radbruch die Vor- und Nachteile der pragmatischen angloamerikanischen Rechtswissenschaft ab, die aller theoretisch-philosophischen Theorie abhold auf die Rechtspraxis abstellt 124 . Auch der zweite, französisch geschriebene Aufsatz befasst sich mit angelsächsischem Recht unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit 125 . Hier werden die drei großen Aufgaben der Rechtswissenschaft: Gemeinwohl, Gerechtigkeitsgewährung und Rechtssicherheit behandelt und in ihrem antinomischen Charakter dargestellt 126 . Radbruch hat hier die englische Tradition der Rechtssicherheit den damaligen Zuständen Deutschlands gegenübergestellt. In diesem Sinne ist das folgende Zitat zu verstehen: „Ainsi dans l'Allemagne actuelle une conception particulière du bien commun confère au droit son but unique: est droit tout ce qui sert la nation" 1 2 7 . 121
Radbruch, „Innerer Weg", 2. Aufl., S. 137, dort sagt er: „Ein Jahr verbrachte ich in Oxford als Gast des University College zu und gewann dort nicht nur ganz neue Einsichten in angelsächsisches Rechtsdenken, sondern auch ein unerwartetes Bild des englischen Volkscharakters, der auf meine Lebensanschauung nicht ohne Einfluß geblieben ist"; s. auch GRGA-Bd. 16 (Bearb.: Spendei), S. 168 ff.; ausführlich zu dem Aufenthalt in Oxford, Vulpius, „Radbruch in Oxford" (Fn. 56). 122 Radbruch, „Innere Weg" (Fn. 121), S. 186. 123 Benjamin Cardozo, 1870-1938, amerikanischer Richter und Rechtsgelehrter, 1917-1932 Mitglied des Court of Appeals des Staates New York, 1932-1938 des Obersten Gerichtshofs der USA. Radbruch, „O.-W. Holmes", S. 27; Louis Brandeis, 1856-1941, dessen Eltern als jüdische Emigranten 1848 aus Böhmen nach Kentucky eingewandert waren, war wie Holmes erst Rechtsprofessor in Harvard. 124 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 530, 541. 125 Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 14), S. 86. 126 Radbruch, „Rechtsphilosophie", 1950, S. 168 ff.; ders., „Mensch", 1961, S. 88 ff. (Titel: Der Zweck des Rechts); s. auch GRGA-Bd. 2 (Fn. 40), S. 278 ff. 127 Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 14), S. 86, 88.
V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten
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In seiner dritten hier zu erwähnenden Abhandlung zeigte Radbruch Unterschiede zwischen englischen und kontinentalen Strafrechtstheorien auf, die im Vorrang des prozessualen vor dem materiellen Strafrecht bestehen 128 . An der Fehlinterpretation oder der falschen Problemstellung im Mignonette-Fall 129 zeigt er die Bedeutung der allgemeinen Lehren des Strafrechts 130 Hier verlangt er im Sinne des deutschen und kontinentalen Strafrechts „more jurisprudence (Rechtstheorie) in the Criminal Law". Auch würdigt er das lange Jahre in Indien und Pakistan geltende englische Strafgesetzbuch von I 8 6 0 1 3 1 . Das Thema der Abtreibung wird von ihm erneut aufgegriffen und die Entstehungsgeschichte erklärt 1 3 2 . Die Bedeutung, die das englische Recht in Radbruchs Denken und Schaffen gewonnen hat, kann man an der Tatsache ermessen, dass viele englische Rechtssprichwörter in sein kleines Buch „Spruchbuch für Anselm", das Radbruch Ende 1942 seinem gefallenen einzigen Sohn ins Feld gesandt hatte, enthält. Dort sind Zitate von Sir William Blackstone, Johnson 133 , Macaulay 1 3 4 und dem Lord Chief Justice Hewart 1 3 5 aufgeführt. Der bedeutende englische Richter und Rechtsgelehrte Coke ist mit vier Zitaten vertreten 136 . Zum Strafvollzug hat Radbruch in dieser Zeit Stellung genommen 137 . In dieser Abhandlung stellt er die in Amsterdam 1596 (allg. seit 1700) entstandenen Gründungen von Werk- und Zuchthäusern den englischen Bridewells 128 Radbruch, „Criminal Law" (Fn. 57), S. 212; ders. „Het Engeische strafrecht", S. 145-153; s. dazu auch GRGA-Bd. 8 (Bearb.: Kaufmann), S. 238 ff. 129 Kenny, „Mignonette-Fall", S. 62 ff.; s. auch die deutsche und die englische Fassung des Mignonette-Falles, in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 71 ff. und S. 399 ff. 130 Den Zusammenhang zwischen Rechtstheorie und Strafrecht zeigt Radbruch auch im Hinblick auf das englische Recht, in: Radbruch, „Criminal Law" (Fn. 57). S. 212, 217. 131 Radbruch, „Das indische StGB", S. 142-152. 132 Radbruch, Abtreibung - §§ 218-220, in: „Vergleichendes Strafrecht", Bes. Teil, Bd. V, 1905 (Fn. 4), S. 159-183; ders., „Keimendes Leben"; ders., „Künstlicher Abort", S. 5-7; Radbruch/Grotian, „Leibesfrucht", S. 25-32. 133 Radbruch, „Dr. Johnson", 2. Aufl. 1954, S. 49; s. GRGA-Bd. 16, S. 119 ff. 134 Thomas Babbington Lord Macaulay Baron of Rothley, 1800-1859, Jurist, „Politiker und volkstümlicher Geschichtsschreiber, 1830 als Liberaler Mitglied des Unterhauses, 1834-1838 Gouverneur von Agra in Indien, 1839-1841 Kriegsminister, 1846-1848 Generalkriegszahlmeister. 135 Gordon Hewart, 1870-1943, Baron Hewart of Bury, Lord Chief Justice of England von 1922 bis 1940. Lehrte in Oxford, Mitglied des House of Commons, engagierter Redner. Stand in dem Ruf als Richter vorschnell zu urteilen und Partei zu ergreifen. Werke u.a.: „Despotism". 136 Radbruch, „Rechtsbrevier".
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V. Allgemeine Darstellung der rechtsvergleichenden Arbeiten
gegenüber und sieht in ihnen den Geist einer gesamteuropäischen Entwicklung, die einerseits durch die Entstehung einer proletarischen Massenkriminalität und andererseits durch die Idee der Staatsordnung als Erziehungsanstalt gekennzeichnet war. Diese Idee trat an die Stelle des eliminierenden Strafrechts. Die Entwicklung dieses Erziehungsgedankens hat Radbruch noch einmal in einem Beitrag in italienischer Sprache beschrieben 138 . Hier nimmt er zu der deutschen Entwicklung ironisch Stellung, die von den Reichsgrundsätzen über den Vollzug der Freiheitsstrafe 1923 - an welchen Radbruch mitgewirkt hatte - zur Aufhebung rechtsstaatlichen Strafvollzuges führte: „La educazione penale nel nuovo stato non riposa più sul principio fondamentale dell'autonomia, ma su quello della eteronomia e i l suo fine non é più i l riadattamento sociale ma l'ordinamento nella comunità nazionale" 1 3 9 .
In der Gedächtnisschrift für Radbruch hat Hans-Heinrich Jescheck bemerkt, dass die Strafrechtsvergleichung, aber auch die Rechtsvergleichung allgemein bei Radbruchs wissenschaftlichem Werk nicht an erster Stelle standen. Weder haben der Nachruf von Eberhard Schmidt 1 4 0 noch habe Erik Wolf in seiner Biographie „Große Rechtsdenker" 141 noch habe Spend e l 1 4 2 die Rechtsvergleichung erwähnt. Doch weist Jescheck darauf hin, dass Radbruch die Rechtsvergleichung geschätzt habe. Er fügt an: „..., daß gerade in seinen nicht zahlreichen rechtsvergleichenden 143 Schriften wesentliche Züge seiner geistigen Persönlichkeit höchst eindrucksvoll hervortreten"144.
Über Radbruch als Komparatist schreibt Jescheck an gleicher Stelle: „Der Dogmatiker Radbruch verstand es, durch seine systematische Kraft die Stoffülle, unter der jede Rechtsvergleichung zu leiden hat, mit leichter Hand zu bewältigen und Überblicke zu entwerfen, denen man die Mühsal der Vorarbeit nicht anmerkt. Die rechtsphilosophische Schulung befähige ihn, bei der Erforschung fremder Rechte das Allgemeine im Besonderen zu entdecken und zugleich den Fehler zu vermeiden, das vielen Auslandsrechten Gemeinsames deswegen schon für das richtige Recht zu halten. Gustav Radbruch als Kriminalpolitiker verwendete die Rechtsvergleichung bewußt zur Kritik an bestehenden Zuständen
137 Radbruch, „Zuchthäuser", in: „Elegantiae", 2. Aufl. 1950 (Fn. 12), S. 116, sowie in: Zeitschrift für Strafvollzug, Jg. 3, Nr. 3, 1962, S. 154-162; s. auch GRGA-Bd. 10 (Bearb.: Müller-Dietz), 1994, S. 97 ff. 138 Radbruch, „Pensiero educativo", S. 373. 139 Radbruch, „Pensiero educativo" (Fn. 138), S. 387. 140 Schmidt, „Rechtsgeschichte" (Fn. 4), S. 114. 141 Wolf, „Rechtsdenker" (Fn. 18), S. 713. 142 Spendel, „Lebensbild Radbruchs"; ders., „Zeitenwende". 143 s. auch Wolf, Einleitung zu Radbruchs „Rechtsphilosophie" (Fn. 25), S. 28. 144 Jescheck, „Radbruchs Strafrechtsvergleichung" (Fn. 4), S. 356 f.
39
V. Allgemeine Darstellung der rechts vergleichenden Arbeiten
und hat es damit verstanden, die Beschäftigung mit fremden Rechten als praktische Disziplin nutzbar zu machen. Sein Sinn für Geschichte befähigte ihn weiter, das der Gegenwart verhaftete Bild der ausländischen Gesetze, Lehrbücher und Gerichtsentscheidungen auf dem Hintergrund der Vergangenheit zu sehen und dadurch das fremde Recht gewissermaßen auf zwei Ebenen mit dem eigenen in Beziehung zu setzen. Der Politiker Radbruch endlich hatte ein scharfes Auge für die soziale Bedingtheit aller Rechtsnormen und hielt sich deshalb auch dort, wo er mit der Rechtsvergleichung ein rechtserzieherisches Ziel verfolgte, von jeder schwärmerischen Überschätzung fremder Rechte fern. Man sollte eigentlich erwarten, daß er sich der Rechtsvergleichung viel stärker zugewendet hätte, als er es wirklich getan hat, denn auch in der natürlichen Begabung, über die Radbruch verfügte, finden sich Anlagen, die ihn auf diesen Weg hinführen mußten" 1 4 5 . D i e Auswirkungen
der rechtsvergleichenden
Tätigkeit
Radbruchs
auf
Japan hat K o i c h i M i y a z a w a i n der Gedächtnisschrift für Radbruch beschrieben. H i n s i c h t l i c h der Rechtsphilosophie beginnt M i y a z a w a seine W ü r d i gung w i e folgt: „ A u f dem Gebiet der Rechtsphilosophie kann es in Japan als Phänomen angesehen werden, daß sich so viele Menschen mit dem Gedankengut eines Rechtsphilosophen befaßt haben wie mit dem Gustav Radbruchs" 146 . Ausführlich w i r d hier auch der Einfluss Radbruchs auf dem Gebiet des Strafrechts auf Toshita T o k i w a und seine Schule aufgezeigt. Der A u t o r stellt dann die Radbruchforschungen während des Z w e i t e n Weltkrieges und die Entstehung der japanischen Gesammelten Schriften Radbruchs d a r 1 4 7 . Dass Radbruch selbst aber auch die Bedeutung der Rechtsvergleichung für andere ostasiatische Länder erkannt hat, w i r d v o n C h o n g - K o C h o i betont: „Gustav Radbruch ..., einer der führenden Persönlichkeiten der Rechtsphilosophie des 20. Jahrhunderts, schlägt in seinem Werk Vorschule der Rechtsphilosophie das für die Forschung in der Rechtssoziologie bedeutende Thema der Rezeption des römischen Rechts in Korea v o r " 1 4 8 . C h o n g - K o C h o i n i m m t an, dass Radbruch, der selbst nie i n Korea war, über Ernst Fränkel (1898-1973), einem Schüler von H u g o
Sinzheimer
(1875-1945) und Freund Radbruchs, über die koreanischen Verhältnisse gut informiert w a r 1 4 9 .
145
Jescheck, „Radbruchs Strafrechtsvergleichung" (Fn. 144), S. 356 f. 146 Miyazawa, „Japanische Rechtswissenschaft", in: Gedächtnisschrift (Fn. 4), S. 366 ff. 147 148 149
Miyazawa (Fn. 146), S. 372. Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 51. Choi, „Korea", S. 29 ff.
VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs Die Behandlung des rechtsvergleichenden Schaffens Radbruchs folgt hier nicht der Lebens- und Wissenschaftschronologie des Autors, sondern geht nun der monographischen Abhandlung zur englischen Rechtskultur nach 1 5 0 . In einem Brief Radbruchs an Erik Wolf hat er bedauert, dass die neue Freiheit des Schaffens und der Zuwendung zur Rechtsvergleichung, bedingt durch die veränderten Verhältnisse (= das Kriegsende), an ihm vorübergeht: „Die Wendung der Verhältnisse kommt für mich zu spät" 1 5 1 . Doch konnte er die rechtsvergleichende Schrift über den Geist des englischen Rechts im Dezember 1945 abschließen. Radbruch hatte schon auf der Schule, in welcher er vortrefflich Latein lernt, auch sehr gut die englische und italienische Sprache erlernt. Seit der Zeit seiner Entfernung vom Heidelberger Lehrstuhl brachte er als Gast des University College in Oxford ein ganzes Jahr zu und hat „ganz neue Einsichten in angelsächsisches Rechtsdenken" gewonnen und auch „ein unerwartetes Bild des englischen Volkscharakters" erfahren 152 . Zu seiner Sprachbegabung trat die künstlerische Darstellungskraft hinzu, welche ihn in die Lage versetzte, auch einen spröden und in die Breite gehenden Stoff eines ausländischen Rechtsgebietes prägnant darzustellen und transparent zu machen. Unschwer erkennt man aus der zeitlichen und thematischen Befassung den pädagogischen Zweck dieser Schrift: Es handelt sich um ein Buch, das „der in ihrem Rechtsbewusstsein unsicheren jungen Generation zeigen sollte, wie ungeschriebene, feste GerichtsTradition in einem Volk wirken konnte, dessen gewachsenes Recht die Geschicke von Jahrhunderten überdauert h a t " 1 5 3 . Von diesem Buch sagt ein führender Vertreter der deutschen Rechtsvergleichung, der damals in der Kriegsgefangenschaft diese Schrift las, folgendes: „Da der Verfasser dieses Beitrages 154 seinerzeit selbst zu dieser Generation gehört hat und das Buch bereits in der Kriegsgefangenschaft zu lesen bekam, wo man sich unter Gleichgesinnten um die Gewinnung eines neuen Rechtsbewußtseins bemühte, vermag er seine rechtserzieherische Wirkung zu ermessen. Der Wert der Kontinuität des Rechtes (Tradition), die Verwandtschaft der englischen mit der 150 151 152 153 154
Radbruch, „Geist" (Fn. 14). Brief an Erik Wolf vom 12. Juli 1945, in: „Briefe", Nr. 213. Radbruch, „Innerer Weg" (Fn. 121), S. 186. Wolf, „Rechtsdenker" (Fn. 18), S. 748. Jescheck (Fn. 144), S. 364.
VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
41
klassischen römischen Rechtsfindung (case law), der Vorrang der Rechtssprechung vor der Gesetzgebung, der natürliche Rechtssinn des Volkes, als Grundlage jeder sozialen Ordnung (,We are a law-abiding people 4 ), der Wert der Freiheit als ,the best birthright and nobelst inheritance of mankind' 1 5 5 , das ,fair trial' als Fundament des Gerichtsverfahrens, die Unterordnung aller Staatsgewalt unter das Recht (rule of law) und die Bewahrung der Rechtssicherheit durch die Gerichte (judge made law) - das waren Lehren, welche die nach 1945 zurückkehrende Generation begierig in sich aufgenommen und bei dem Neubau des Staates seit 1919 auch nach Kräften verwirklicht h a t " 1 5 6 . Hier lag eine pädagogische Absicht Radbruchs vor. Das B u c h sollte die Lagerbibliotheken der deutschen Kriegsgefangenen bereichern. D i e W a h l des Titels: „ D e r Geist des englischen Rechts" zeigt, dass sich Radbruch ganz bewusst i n die Reihe der besonderen geisteswissenschaftlichen
Be-
schäftigung m i t dem Recht stellte, die von Montesquieus B u c h v o m „Geist der Gesetze" (De l'esprit des lois) über Autoren des 19. Jahrhunderts w i e R u d o l f v o n Jhering „ V o m Geist des römischen R e c h t s " 1 5 7 bis Autoren w i e Roscoe Pound und schließlich zu Radbruch selbst reicht. Was i m „ D e r Geist des englischen Rechts" uns an geistesgeschichtlicher Methode als Spielwerk entgegentritt, hatte Radbruch nun i n der Arbeit gezeigt, m i t welcher er die von seiner Tochter Maria, die durch ein Lawinenunglück aus dem Leben gerissen wurde, begonnene
kunstgeschichtliche
Doktorarbeit zu Ende führte. Sie erschien unter dem Titel: „ D e r deutsche Bauernstand zwischen Mittelalter und N e u z e i t " 1 5 8 . Eberhard Schmidt kennzeichnet diese A r b e i t und ihre Methode w i e folgt: „Auch diese Arbeit, obwohl aus kunsthistorischem Material entstanden, trägt wie alle andern, die wir oben kurz erwähnt haben, dazu bei, Gustav Radbruchs rechtshistorischer Methode in ihrer Eigenart, in ihrer Bedeutung für rechtshistorisches Forschen, in ihrer Notwendigkeit herauszustellen. Bewähren kann sie sich freilich nur da, wo der Forschende die Grenzen des Juristischen zu überschreiten und auf dem Gebiete der allgemein-politischen, der Kultur-, Sozial- und Geistesgeschichte sich mit wissenschaftlicher Sicherheit zu bewegen vermag. Gustav Radbruch hat über das dazu erforderliche geistige Rüstzeug verfügt. Dabei hat er durchaus verstanden, daß Voraussetzung für die Anwendung seiner Methode die minutiöse, saubere, oft sehr entsagungsvolle Erarbeitung des historischen Tatsachenstoffs
155
Jescheck (Fn. 144), S. 364; Gustav Radbruch hat aber auch in der Einführung diese Ideen schon im Ansatz entwickelt, s. Radbruch, „Einführung" (Fn. 9), S. 133. 156 Diesen Zweck hatte auch die Portraitskizze des großen amerikanischen Juristen Oliver Wendeil Holmes; s. Radbruch, „O.-W. Holmes" (Fn. 123). 157 von Jhering, „Geist" (Fn. 86). 158 Radbruch, „Bauernstand". 159 Schmidt, „Rechtsgeschichte", in: Gedächtnisschrift (Fn. 4), S. 250 f.
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VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
1. Das Common Law Radbruchs Untersuchung zum Geist des englischen Rechts befasst sich an allen Stellen immer wieder mit der zentralen Bedeutung des Common Law, seiner Entstehung und Abwandlung, seiner Konfrontation mit Equity, der Bedeutung der Precedents und vor allem der Aufgabe, die Richter und Gerichte in diesem Prozess haben. Die Aufgabe der Richter ist es, ius dicere and not ius dare. Das Common Law erschien den englischen Juristen bis ins 19. Jahrhundert als ein System unwandelbarer Volksrechte und genau wie die Vernunft des Menschen sich nicht wandeln könne, so könne auch das Recht nicht geändert werden. So wird von Edward Coke berichtet, dass er von der Maxime und der Rechtspolitik ausging, die besagte, dass jede Veränderung fundamentaler Rechtsgrundsätze des Common Law gefährlich sei. Von Matthew H a i e 1 6 0 - den auch Radbruch immer wieder imitiert - wird berichtet, dass er die Veränderung mehr in die Sache selbst als in das Recht verlegte: „The mutations hath not been so much in the law as in the subject matter of it"161.
Dennoch haben genauere Beobachter wie Sir Henry Sumner Maine (1888) zurecht festgestellt, das durch bestimmte Instrumente wie Equity, Fiktionen und schließlich die Gesetzgebung des Parlamentes einem Wandlungsprozess unterworfen werden 1 6 2 . Radbruch untersucht nun das judge made law mit dem in Deutschland entwickelten Freirechtsdenken und dann die Bedeutung der Precedents sowohl für das Common Law, als auch für die Equity. Das Kapitel über den Zweck im englischen Rechtsdenken behandelt zwar die Funktion der Precedents, doch taucht dieses Problem immer wieder auch an anderen Stellen seiner Beschäftigung mit dem englischen Recht auf, so dass es hier gerechtfertigt erscheint, etwas näher die Stellung der Precedents und des Case-Law zu vertiefen. Schon in der Zeit Bractons ist die Bedeutung der Precedents erkennbar. Doch muss darauf hingewiesen werden, dass der mittelalterliche Begriff des 160 Sir Matthew Haie, 1609-1676. Einer der größten Gelehrten des englischen Rechts (common law), bekannt vor allem durch seine Unparteilichkeit i m englischen Bürgerkrieg (1642-1651). 161 Preface to Henry Rolle, Abridgement des Plusierus Cases, 1668; Baker, „English Legal History", S. 223. 162 Sumner-Maine, „Ancient Law", S. 24-25.
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Precedents sich erheblich von der späteren Bedeutung dieses Begriffes unterschied. Die genaue Bedeutung von Precedents bestand darin, dass es sich um Urteile handelte, die in die Entscheidungsrolle (voll) eingetragen wurden. Das Zitieren einer solchen Entscheidung verlangte einen Voucher (Beleg) der gesammelten Entscheidung oder der Entscheidungssammlung. In der Regel bildeten aber solche Entscheidungen keine neue Rechtsquelle. Entscheidungen wurden später als common learning in den Prozess eingeführt oder als common opinion zitiert. Diese common opinion der Richter und Sergeants der Exchequer Chamber war die höchste Autorität. In der Tudor-Zeit wurde zum ersten Mal von dem Juristen Fitzherbert 163 die analytische Diskussion von Precendents eingeführt. Zur Zeit Plowdens 1 6 4 war bereits die Differenzierung zwischen dem Entscheidungssatz und dem obiter dictum feststehend. Die enge Bindung an Precendents entwickelte sich aber erst im 18. Jahrhundert. Zusammen mit dem Institut der res judicata wurde das Prinzip stare decisis erst Anfang des 19. Jahrhunderts zum starren Dogma, als Richter wie Lord Kenyon 1 6 5 und Parke (später Lord Wensleydale) diese Rechtsprechung stärker unterbauten 166 . Aus diesen Gründen der Rechtseinheit und der Rechtssicherheit (consistency) wurde ab 1833 eine strikte Bindung an precedents praktiziert. Schon der Chief-Justice Coke 1 6 7 hatte die Notwendigkeit der Rechtssicherheit (certainty in the land law and strove) betont. Interessant ist nun, dass Radbruch das Wesen des Common Law und damit des gesamten englischen Rechts gerade in der Rechtssicherheit sieht, die stärker betont wird als die individuelle Gerechtigkeit. Unter Rechtssicherheit verstehe der Engländer auch weniger eine Sicherung einer Rechtsposition als die Sicherung des objektiven Rechts selbst in dem uns geläufigen Sinne. Während Coke die Vernunft orientierte Komponente der Rechtssicherheit betont, habe Sir William Blackstone mehr die naturrechtliche Seite unterstrichen. Dabei ging die Diskussion um die Frage der Befolgung vernunftwidriger oder unsinniger Regeln des Common Law oder vom Parlament 163
Sir Anthony Fitzherbert, 1470-1558, JCP; 1522-1538; New Natura Brevium,
1534. 164 Edmund Plowden, 1518-1585, Bencher M. T.; Edmund Plowden nahm für sich und seine Urteile in Anspruch, dass es sich um Entscheidungen handelte, über die auf der Grundlage von schriftlichen Unterlagen diskutiert wurde. 165 Lloyd Kenyon, 1732-1802, Baron Kenyon, CJKB: 1788-1802; James Parke, 1782-1833; Baron Wensleydale, JKB: 1828-1834, Bex: 1834-1855. 166 Zum Zusammenhang zwischen: res judicate und: stare decisis s. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 227/228. 167 Vgl. die Erwähnung bei Radbruch, „Sentimento giuridico", S. 247/248; sowie George C. Christie, „Jurisprudence", S. 303 f., 339, 343, 873-875 und 877-881.
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VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
beschlossener Gesetze. Diese Diskussion wurde von Bentham 1 6 8 aufgenommen, der die Position von Sir William Blackstone angriff. Der ganzen Diskussion liegt die Entwicklung einer Gesetzgebungslehre zugrunde, welche die Beziehungen zwischen Rechtssicherheit, Gleichheit und individueller Gerechtigkeit unter Beachtung der Kontinuität des englischen Rechts neu definieren will. Radbruch sieht die Entwicklung dieses Streits nicht als eine an Formalien orientierte Juristendiskussion, sondern als eine gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Frage der gerechten Güterverteilung, Umverteilung oder Neuregelung des Gesellschaftsvertrages. Für ihn deutet sich bereits hier die proletarische Klasse und damit die proletarische Frage an. Dies würde aber bedeuten, dass der Zweck des Rechts sich von der Rechtssicherheit zur Gerechtigkeit verlagere. Sicher liegt auch der Rechtsphilosophie Benthams, nämlich der Auffassung, dass das englische Common Law durch eine kontinentaleuropäisch orientierte Gesetzgebung ersetzt werden soll, der Vorstellung einer neuen gerechten Verteilung der Eigentumsverhältnisse zugrunde. Der Abschnitt endet damit, dass Radbruch in seiner 2. Aufl., S. 66, aus einer Buchbesprechung Erdsieks 169 in der Deutschen Rechtszeitung zitiert und hinzufügt, dass er sich mit dem Rezensenten im Wesentlichen einig sei. Werfen wir noch einmal einen Blick auf die Stellung der Precendents in diesem Ausbalancierungsprozess zwischen Rechtssicherheit und Gleichheit. Lord Mansfield 1 7 0 brachte dieses Problem deutlich mit folgenden Worten hervor: „ . . . as the usages of society alter, the law must adapt itself to the various situations of mankind" 1 7 1 . 168
Jeremy Bentham, 1748-1832. Englischer Philosoph, Ökonom und Rechtstheoretiker, einer der ersten und glühendsten Utilitarier; studierte in Oxford; begeisterter Anhänger Mansfields. Er war ein Kritiker Blackstones, dessen Commentaries er in seinem Werk „Government" (1776) als fehlerhaft befand, da die „Bereitschaft zur Reform" fehlte. Einer der Mitbegründer der Westminster Review (1823). Er war weniger Philosoph als vielmehr ein Kritiker von Gesetz, Rechtsprechung und Politik. Werke u.a.: „Government" (1776); „Defence" (1787); „Morals and Legislation" (1789); „Catechism" (1809); „Théorie des peines" (1811); „Reward" (1825); „Punishment" (1830); „Constitutional Code" (1830). Vgl. auch die Bemerkung von Radbruch in: „Mensch" (Fn. 13), S. 97-98 (Titel: Der Zweck des Rechts); sowie Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 28-29. 169 Erdsiek, Rezension, DRZ 1946, 195. 170 William Murray, 1705-1793, Earl of Mansfield, CJKB: 1756-1788. Er hat sich auf den verschiedenen Gebieten der Rechtswissenschaft und der Rechtspraxis verdient gemacht, so besonders auf dem Gebiet des Handelsrechts, des Vertragsrechts (Consideration) und des Urheberrechts.
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Dies brachte ihm die Kritik von Kenyon 1 7 2 ein, der mit den Worten antwortete: „ I confess I do not think that Courts ought to change the law so as to adapt it to the fashions of the times" 1 7 3 .
Die Anpassung erfolgte dann über die Instrumente von Fiktionen und von Billigkeit (legal fiction and equity). Die Verbindung von Fiktion und Billigkeit zeigte schon die Rechtsregel, die das englische Recht entwickelte und die den folgenden Wortlaut hatte: „Fictione iuris semper est aeqitas" 1 7 4 . Später wurde dann die Equity Rechtsprechung zum Motor der Rechtsreform und Rechtsanpassung. So wurde über die Billigkeitsrechtsprechung (Equity) verheirateten Frauen die Rechtsbefugnis über eigenes separates Eigentum Jahrhunderte vorher zugesprochen, bevor sie 1882 legal capacity erlangte 175 . Der Anstoß zu einer Rechtsreform grundsätzlicher Art und zur Kodifikation des Common Law ging von dem Konflikt zwischen Parlament und Gerichten aus, der darin bestand, ob die Gerichte eine Prüfungsbefugnis über Rechtsetzungsakte des Parlaments hätten. Dieser Streit erreichte unter C o k e 1 7 6 seinen Höhepunkt und ist vor allem durch Bonhams Case von 1610 1 7 7 bekannt geworden. „It appears in our books that in many cases the common Law w i l l control acts of parliament and sometimes adjudge them to be utterly void; for when an act of parliament is against common right and reason, or repugnant, or impossible to be performed, the common law w i l l control it and adjudge such act to be v o i d " 1 7 8 .
Radbruch hat in seiner Darstellung die judicial review nicht erwähnt, obwohl sie hier wie auch bei den Ausführungen zur Rechtsstaatlichkeit am Platz gewesen wäre. Vielleicht lag ihm dieses Problem als Rechtsphilosoph, 171
Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 229 Anm. 25. Lloyd Kenyon (Fn. 165). 173 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 229 Anm. 25. 174 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 231 Anm. 44. 175 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 233 Anm. 49. 176 Sir Edward Coke, 1552-1634. Rechtsgelehrter, Mitglied des Unterhauses, Chief Justice, entschiedener Verfechter der Parlamentsrechte gegen die absolutistischen Tendenzen der Stuart-Könige und der Kirche, Urheber der Petition of Right von 1628. Vorsitzender Richter u.a. in den berühmten Gerichtsverfahren gegen Sir Walter Raleigh (1603) und die Verschwörer des Gunpowder Plot (1605). Seine „Institutes of the Laws of England" (1628-44) und seine „Reports" (13 Bde. mit gesammelten Entscheidungen) sind noch heute Standardwerke des englischen Rechts. 177 Der berühmte Dr. Bonham's Case (1610), in: Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 241 Anm. 85. Interessante Bemerkungen zu Sir Edward Cokes Entscheidungen finden sich bei Knafla, „Jacobean England", S. 307. 178 Knafla, „Jacobean England" (Fn. 177), S. 307, Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 241 Anm. 86. 172
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der vom Strafrecht kam, nicht so nahe. Auch mag es daran liegen, dass die Idee der Verfassungsgerichtsbarkeit als Zentrale neuer Ideen im deutschen Recht damals sich noch nicht realisiert hatte und erst später mit der grundsätzlichen Verankerung der Verfassungsgerichtsbarkeit und dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht in Erscheinung trat. Der Vollständigkeit halber sei hier aber noch etwas angefügt, was die spätere Kodifizierung des Common Law betrifft, die erst lange nach dem Tode Radbruchs einen gewissen Abschluss in Großbritannien fand. Während eine erste Welle der Reformkodifikation im 17. Jahrhundert über England hinwegging, ergriff dieses Land eine systematischere Bewegung im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts. Diese Reform ist mit den Namen von Jeremy Bentham (1748-1832) und Brougham 1 7 9 verbunden (Brougham eröffnete seine Kampagne in der Edinborough Review und später in Benthams Westminster Review). Auf Bentham ist hier noch näher einzugehen, doch soll erst einmal der Reformweg zu Ende gezeigt werden. In diese Diskussion schaltete sich auch Dicey (seit 1865) e i n 1 8 0 , der selbst in zwei Schriften sich dem Problem der Gesetzgebung annahm. Auch spielten hier soziale Veränderungen, oder besser gesagt die Sozialreform und die Wendung zum Sozialstaat, eine große Rolle, wenn es zum Beispiel um die Verbesserung der Bedingungen in den Fabriken und die Entschädigung für Arbeiter aufgrund von Berufsunfällen ging. Die Kodifikationsidee in England war sicher auch vom Code Napoléon (1804) mit beeinflusst 181 . Für Benthams Ansatz war es relativ unmaßgeblich, ob eine solche Kodifikation für Russland oder England erfolgen sollte. Gerechtfertigt schien dieser Ansatz durch die Erfahrungen, die man mit der Kodifikation des englischen Rechts in und für Indien zwischen 1830 und 1860 machte. Die Meinungen gingen dann auseinander, ob man nur eine consolidation des Rechts anstreben, oder ob Statute Law erlassen werden sollte. Beide Wege wurden beschritten, indem zum Beispiel ein Digest of the Law of Evidence und ein Digest of the Criminal Law erschienen 182 . Seit 1965 wurde dann die Law Commission zu einer ständigen Einrichtung in England.
179 Henry Peter Brougham, 1778-1838, I s t Baron Brougham and Vaux, LC: 1830-1834. 180 Albert Venn Dicey, 1835-1922, Professor of Law; vgl. Thomas Würtenberger, „Soziales Recht" (Fn. 32), S. 200 ff. 181 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 249 f. 182 Digest of the Law of evidence, 1886, und Digest of the Criminal Law, 1877, beide Digest stammen von Sir James Fitzjames Stephen, in: Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 251.
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2. Die Equity Die Stellung der Equity im englischen Recht nimmt bei Radbruch nicht überaus viel Raum in Anspruch 1 8 3 , doch zeigt diese Passage einen wichtigen Platz in der Beschäftigung mit dem englischen Rechtsgeist. Auch diese Stelle der Veröffentlichung „Der Geist des englischen Rechts" ist aus dem Aufsatz „Rechtsquellen und Rechtsfindung in England" entnommen. Zunächst bemerkt Radbruch, dass es sich bei dem Billigkeitsrecht (Equity) um eine Loslösung in dem Dismembrationsprozess handelt, dem die englische Königsgewalt unterworfen war, von der sich das Parlament und das Parlamentsrecht und das Statute Law getrennt hatten. Bezeichnenderweise überschreibt er dieses Kapitel mit „Common Law und Equity", da die Entwicklung des Systems der Equity nur in Kontrastierung und in Dialektik zum Common Law verstanden werden kann. Institutionell wurde das Common Law vom Kanzlergericht, Court of Chancery and Equity, gehandhabt und praktiziert. Während die Common Law-Gerichte nach formstrengen Regeln und Aktionen - writs - entscheiden mussten und daher dem römischen Aktionensystem unter dem Prätor verwandt waren, entschied der Lordrichter des Court of Chancery ex aequo et bono oder, wie es immer wieder in den englischen Rechtsquellen heißt, nach seinem Gewissen (conscience). Dieses naturrechtliche oder am Rechtsgefühl ausgerichtete Korrektiv des förmlichen englischen Rechts stellt eine Besonderheit dar, die in ihrer Bedeutung noch weiter skizziert werden muss, um die Beschäftigung Radbruchs gerade mit der Equity besser erklären zu können. Die Chancery selbst war ursprünglich königliches Sekretariat (the royal secretariat (office) - cancellarla). Herkömmlich waren die Kanzler (chancellor) Staatsbeamte und Diener der Krone. Wie Radbruch richtig bemerkt, waren die meisten Lordkanzler - jedenfalls im Mittelalter - Geistliche, ja sogar Bischöfe oder Erzbischöfe. Andere, wie Kardinal Wolsey 1 8 4 (1515-1529) und Lord Clarendon 185 (1658-1667), waren Premierminister. Daraus sieht man schon die Bedeutung des Kanzleigerichts und seine Stellung in Staat und Gesellschaft. Die Chancery hatte mit der Kronenverwaltung und Schenkungen der Krone zu tun, erhielt aber schon sehr früh Petitionen, mit welchem Bürger Englands Abhilfe gegenüber Maßnahmen der Krone erwarteten (petitions of 183
Radbruch, „Geist" (Fn. 14), S. 30-50. Diese Seiten sind identisch mit dem Aufsatz Radbruchs, „Rechtsquellen", S. 1085-1092, sowie aus der von Kurt Rossmann herausgegebenen kultursoziologischen Reihe, in: „Andere Länder", S. 10851092. Dieser Artikel wurde in die Schrift: „Geist" (Fn. 14) übernommen. 184 Caridinal Thomas Wolsey, gest. 1530, LC: 1515-1529. 185 Edward Hyde, 1619-1674, Earl of Clarendon, LC: 1658-1667.
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right). Die Chancery wurde so „a convenient clearing-house for all kinds of business transacted elsewhere" 186 . Bald verbreitete sich der Ruhm des Gerichts mit dem Satz: „nullus recedat a curia cancellariae sine remedio". Die Chancery und der Chancellor waren von der Einhaltung strenger Verfahrensvorschriften freigestellt, die unter dem Common Law Ursache für viele Ungerechtigkeiten waren. Die Chancery war geradezu ein Court of Con187
science . So war Equity Gewissensrecht und die Chancery ein Gerichtshof des Gewissens. Diese Funktion konnte das Kanzleigericht gerade deshalb erfüllen, weil in ihm die römische Rechtstradition und Tradition des kanonischen Rechts Eingang gefunden hatten, waren doch die Richter und Amtswalter Theologen und daher mit dem Evangelium und, soweit sie Juristen waren, auch mit dem römischen Recht vertraut. Gerade im 14. Jahrhundert, so zum Beispiel unter dem Lord-Chancellor John of Waltham 1 8 8 hatte das kanonische Recht 1 8 9 einen großen Einfluss auch und gerade auf die Chancery. Bei der Ausübung seiner Gewissensjurisdiktion war der Chancellor frei von den Nachteilen des Common Law, denn er entschied jeden Fall als singuläres Phänomen auf den Grundlagen der ihn bildenden Tatsachen, eingebettet in einen konkreten Lebenssachverhalt. So kam er nicht mit den allgemeinen Regeln in Konflikt, die in den Gerichten des strikten Rechts des Common Law angewandt wurden. Entscheidungen ergingen in personam und banden nur die Parteien des Rechtsstreits. Darüber hinaus hatten sie für niemanden bindende Wirkung. Radbruch hat das dialektische Verhältnis von Law und Equity richtig herausgearbeitet, wenn auch vielleicht der Eindruck entstehen kann, als würde dieser Gegensatz auch heute noch eine Rolle spielen und fortbestehen. Die Gegenüberstellung der Common Law Courts als Courts of Law und der Kanzleigerichte als Courts of Conscience verschärfte sich insofern, als sich schon in der elisabethanischen Periode das Recht zu sehr strikten Prozessregeln weiter entwickelte oder verhärtete. Demgegenüber stand die rechtsprechende Tätigkeit des Kanzlers, von der John Hamilton Baker sagt: „The chancellor's transcendent form of justice acquire the name ,equity'. But equity was nothing new. Aristotle had written of it as a means of correcting general law which in their nature could not provide for every eventuality; in particular it required written laws to be interpreted according to the intention rather than the letter" 1 9 0 .
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Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 117 Anm. 17. Milsom, „Historical Foundations", S. 80 f., S. 157. 188 John of Waltham, MR: 1381-1386. 189 Zur unterschiedlichen Kirchenrechtsauffassung in der katholischen und protestantischen Rechtstradition s. Radbruch, „Einführung" (Fn. 9), S. 167 ff. 187
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Die Verbindung dieser Equity-Rechtsprechung 191 mit der antiken Rechtsinterpretation tritt bei G l a n v i l l 1 9 2 schon stark in den Vordergrund. Auch Radbruch untersucht sowohl in „Der Geist des englischen Rechts" als auch in seinem Artikel die Equity-Einrichtung gerade unter dem Gesichtspunkt der Rechtsquellen und der Rechtsgeltung 193 . Innerhalb der Equity kann man aber auch von einer Wendung vom Gewissen (conscience) zur Billigkeit (equity) sprechen, weil sich auch in der Equitiy-Rechtsprechung und im Kanzleigericht Regeln der Billigkeit entwickelten, die immer stärker bindend wurden. Die geistlichen Lord-Chancellors wurden durch theologische und kanonische Regeln in der Handhabung ihrer Rechtsmacht gelenkt und beeinflusst. Das Gewissensrecht konnte streng genommen auch von einem Nichtjuristen als Lord-Kanzler ausgeübt werden und das war der Fall unter dem Kanzler Wolsey, dem dies in einer anonymen Schrift 1 9 4 (seijeant-at-law) kräftig zum Vorwurf gemacht wurde. Aber es gab auch Lord-Kanzler, die im Common Law gebildet waren, wie der Nachfolger Thomas M o r e 1 9 5 . So trat eine gewisse Vermischung von Conscience und Equity auf der einen Seite und Law auf der anderen Seite ein, indem sowohl in den Common Law-Courts Equity als auch in den Kanzleigerichten Common Law praktiziert wurde. Die subjektive Beliebigkeit solcher Gewissensentscheidungen wurde von Gegnern der Equity-Rechtsprechung dadurch hervorgehoben, dass man die mit der willkürlichen Festlegung von Längenmaßen nach der jeweiligen Fußlänge des Lord-Kanzlers verglich. Das „Gewis190 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 122. Schon bei Aristotoles findet sich in der nikomacheischen Ethik (V 10) ein Hinweis auf die Aequitas, aus welcher sich die englische Equity-Rechtsprechung entwickelt hat. 191 Radbruch, „Einführung", 7./8. Aufl. (Fn. 9), S. 133-134; ders., „Güteverfahren", S. 39 ff., S. 42 f.; ders., „Gerechtigkeit und Gnade", S. 35-41, S. 38-39. 192 Sir Ranulf de Glanvill, gest. 1190, wurde 1163 erstmals als Sheriff von Yorkshire erwähnt. CJ: 1180-1189. Er war wahrscheinlich der erste, der eine systematische Darstellung des Common Law versucht hat. Die letzte Darstellung nach ihm stammt von Bracton. Henricus de Bracton, eigentl. Henry of Bratton, 1210-1268, bis 1957 als hauptamtlicher Richter tätig; 1264 wurde er Kanzler der Kathedrale von Exeter. Englischer Geistlicher und führender englischer Jurist des Mittelalters. Wirkte unter König Heinrich III. als Richter und Mitglied des königlichen Rats. Er verfasste ein Note-Book, welches 2.000 gerichtliche Entscheidungen aufführte. Auch das wohl bedeutendste juristische Buch des englischen Mittelalters De legibus et concuetudinibus Angliae stammt von ihm (um 1240). Stark vom römischen und kanonischen Recht beeinflusst, hat er das common law weiterentwickelt. 193 Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57); ders., „Geist" (Fn. 14). 194 Simpson, „Essays". 195 Sir Thomas More, 1478-1535, LC: 1529-1532; s. dazu auch die Darstellung von Nipperdey, „Morus", S. 222 ff. 4 Scholler
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sensrecht" wurde als aequum et bonum bezeichnet und schon dadurch aus der rein subjektiven Willkürlichkeit herausgehoben. Der „Normenhunger" der Equity-Rechtsprechung war durchaus nicht nur hier, sondern auch zu späteren Zeiten immer deutlicher erkennbar, wenn zum Beispiel unter dem Lord-Kanzler Thomas Wriothesley 1 9 6 die Klage erhoben wurde, dass das Civil Law über die Equity-Rechtsprechung eingeführt werde. Auch Zusammenstöße zwischen den Gerichten und ihren Vorsitzenden waren dadurch vorprogrammiert, dass die Chancery immer wieder versucht war, Entscheidungen der Common Law-Courts zu korrigieren oder aufzuheben. Dies geschah vor allem unter Ellesmere 197 . Dieser Konflikt fing gerade in der Zeit von Sir Edwad Coke an, der 1613 zum obersten Richter der Kings Bench ernannt wurde. Radbruch hat sich vor allem im nachfolgenden Kapitel über den Zweck im englischen Recht dem berühmten Edward Coke zugewandt und seiner Vernunft orientierten und nicht autoritätsorientierten Interpretationen des Gesetzes und der Rechtssicherheit den Vorzug gegeben. Er nahm am Kampf gegen Ellesmere an der Seite des ebenfalls erst kürzlich ernannten Doktors des Civil Law, Sir Julius Caesar 198 , teil. Er entließ durch Anwendung der habeas corpusRegeln Gefangene, die von Lord Ellesmere festgesetzt worden waren, der sie wegen Missachtung von Gerichtsentscheidungen (contempt of injunctions) verhaftet hatte. Der Konflikt zwischen den Richtern kam 1616 vor König James I 1 9 9 . Ellesmere wurde von Francis Bacon 2 0 0 , dem großen Juristen, unterstützt, was zur Entlassung von Edward Coke führte. Nach dem Tode von Ellesmere (1617) stellte sein Nachfolger Bacon wieder die guten Beziehungen zwischen den Gerichten her. Diese Erklärung ist wohl auch deshalb notwendig, weil sie schon das Problem zeitigt, das Rad196 Sir Thomas Wriothesley, 1505-1550, Baron Wriothesley and Earl of Southampton, LC: 1544-1547. Zum Stand der neueren Forschung der Rezeption des Zivilrechts, s. Coquillette, „Civilian Writer", S. 25 ff., S. 4 ff. und S. 97 ff. 197 Thomas Egerton Brackley, 1540-1617, Baron Ellesmere, LC: 1603-1617. 198 Sir Julius D. C. L. Caesar, 1588-1636, MR: 1614-1636; s. auch Coquillette, „Civilian Writers" (Fn. 198), S. 104 f. Die Ernennung von Julius Caesar zum M R (Master of Rolls 1614) war der Höhepunkt im Streit um Lord Ellesmere. 1613 wurde Sir Edward Coke C. J. und geriet sofort in eine andauernde Auseinandersetzung mit Lord Ellesmere über die Rechtskraft von Urteilen, also insbesondere, ob gegen Urteile von Common Law-Gerichten die Kanzlergerichte angerufen werden könnten. Sir Edward Coke ordnete die Befreiung von Gefangenen im Rahmen von habeas corpus-Verfahren an, die von Lord Ellesmere wegen contempt of injunctions in Haft gehalten wurden. 199 James I, 1566-1625, König von England. 200 Sir Francis Bacon, 1561-1626. Philosoph und Staatsmann, Sohn von Nicholas Bacon. 1617 wurde er Großsiegelbewahrer, 1618 Lordkanzler; 1621 stürzte ihn das Parlament wegen passiver Bestechung. Hauptwerke: „De augmentis scientiarum" (1623); „Maxims" (1630).
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bruch im nächsten Kapitel ausführlich behandelt, ob der Rechtssicherheit im englischen Rechtsdenken und Rechtssystem mehr durch autoritativen Spruch oder durch Vernunft gedient werden sollte. Darauf wird im nachfolgenden einzugehen sein. Ein kritischer Vergleich geht auf John Seidon 2 0 1 zurück, der im 17. Jahrhundert ironisch vorschlug, man könne, genau wie man das Gewissen des Kanzlers zum Maß des Rechtes machte, seinen Fuß zur Grundlage der Längenmaße hernehmen 202 . Die weitere Verrechtlichung jener Equity-Rechtsprechung zeigt sich im 17. Jahrhundert, als im Jahre 1676 die Equity-Rechtsprechung als identische mit civilis et politica bezeichnet wurde. Ein weiteres Instrument trat schon zu Ende des 18. und deutlich am Anfang des 19. Jahrhunderts in die Equity-Diskussion ein, nämlich der Gedanke der Gleichheit: „Equality is Equity" lautete der Slogan. In diesem Sinne verfestigte sich die Regel der Equity so weit, dass man schließlich von einem rigor aequitatis sprach, der nicht geringer war als der rigor iuris 2 0 3 . A m Ende der Equity-Periode hat Lord E l d o n 2 0 4 nochmals das Bild vom chancellors foot aufgegriffen und es von sich gewiesen, dass seine lange rechtsprechende Tätigkeit als Lord in reine Subjektivität abgeglitten sei. Die Kosten dieser Equity-Rechtsprechung und die Schwierigkeiten personeller Art schließlich führten zu Reformversuchen 205 . Die Equity-Rechtsprechung und die Equity-Gerichte, die angetreten waren, um das Übel des rigor iuris im Common Law zu beseitigen, waren selbst ein Übel geworden und mussten einer Reform Platz machen. So wurde im Common Law Procedure Act 1854 die Chancery mit dem Com-
201 John Seidon, 1584-1654. Englischer Politiker, Jurist, Rechtshistoriker und Orientalist, ab 1623 Mitglied des Unterhauses, 1629-31 wegen seiner Opposition gegen königlichen Absolutismus in Haft, trat in seiner Schrift „Mare clausuni" (1618/19, 1635 veröffentlicht) gegen Hugo Grotius und dessen Pamphlet „Mare liberum" (1609) für Großbritanniens Herrschaft über das die Insel umgebende Meer ein. Seine „Table Talk" hat F. Pollock 1927 herausgegeben. Man könte ihn als politischen „Wendehals" bezeichnen, der einmal Partei für das House of Commons und gegen den König ergriff (wofür er zweimal inhaftiert wurde), um ein nächstes Mal dem König wieder loyal zu sein. Werke u.a.: „Titles of Honour" (1614); „Analecton Anglo-Britannicon" (1615); „De dies Syris Syntagmata" (1617); „History of Tythes" (1618); „Mare clausuni" (1635). 202
„Table Talk", 1927, S. 43; Milsom (Fn. 187), S. 80 ff. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 128. 204 John Scott, 1751-1838, Earl of Eldon, LC: 1801-1827. 205 Milsom (Fn. 187), S. 171, S. 357; A. H. Manchester, „Legal History", S. 10 ff., S. 22. 203
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mon Law-Courts vereinigt, so dass man von einer Fusion zwischen Law und Equity sprach. Wenn es auch unklar war, ob nur eine formale Verbindung der Gerichte erfolgt war oder eine Vermischung von Law (Common Law) und Equity, so stellte sich doch bald heraus, dass auch eine materiell-rechtliche Vereinigung stattfand. Bei Unklarheit, ob eine Equity-Regel oder eine Regel des Common Law anzuwenden sei, galt der Grundsatz: the rules of equity shall prevail 2 0 6 . Diese Vermischung von Equity und Recht hat zu einem gegenseitigen Annäherungsprozess dergestalt geführt, dass sich auf der einen Seite die Chancery Rechtsprechung in Recht verhärtete, während auf der anderen Seite sich das Common Law in etwas auflöste, was man als „abstract equity" bezeichnet hat, wodurch das Common Law an Klarheit und Rechtssicherheit verlor. Damit ist auch gleichzeitig das Stichwort für den nächsten Abschnitt in der Darstellung Gustav Radbruchs „Der Geist des englischen Rechts" gegeben, nämlich der Zweck der englischen Rechtsordnung, den Radbruch sehr zutreffend in der Rechtssicherheit 207 gegeben sieht.
3. Das englische Gerichtsverfahren, insbesondere die Schwurgerichtsbarkeit Im letzten Abschnitt seines Buches „Der Geist des englischen Rechts", der die Überschrift trägt: „Stumpling into W i s d o m " 2 0 8 beschäftigt sich Radbruch mit einem „Stück englischer Rechtsgeschichte", für welche gerade das Hineintaumeln oder Hineintorkeln in Weisheit von besonderer Bedeutung sei. Im Mittelpunkt dieses Abschnittes steht der englische Prozess, mit welchem sich Radbruch besonders als Strafrechtler und Prozessualist befasst hat.
206
Judicature Act, 1873, sec. 11, S. 25; Maitland, „Equity", S. 16-17; Underhill, „Change", S. 87; Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 132. Frederic William Maitland, 1850-1906. Englischer Jurist und Rechtshistoriker. Er war Professor in Cambridge (1888) und schrieb sein bekanntestes Werk, „History of English Law"., 2nd vol., 1895, zusammen mit Sir Frederick Pollock. Werke u.a.: „Note-Book"; „Roman Canon Law"; „English Law". 207 Radbruch, „Gesetzliches Unrecht", S. 107; ders., „Vorschule" (Fn. 1), S. 108 f.; ders., ebd. (Fn. 1), S. 33-36; ders., „Einführung", 1. Aufl. (Fn. 9), S. 59 f.; ders., „Einführung", 7./8. Aufl. (Fn. 9), S. 124 f.; ders., „Mensch", 3. Aufl., S. 88-104, S. 96 -104 (Titel: Der Zweck des Rechts). 208 Die Herkunft des „Stumbling into Wisdom" konnte nicht festgestellt werden. Vgl. unten Fn. 235.
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„Das Geschworenengericht", heißt es in der englischen Rechtskultur, „das Palladium der englischen Freiheit" 2 0 9 , das „Bollwerk der britischen Verfassung". Mit diesen Worten beginnt er das Kapitel und weist darauf hin, dass dieser Prozess in seinen Ursprüngen mehr französisch als englisch war und dass er im Laufe der Geschichte „das Dienstkleid der Unterjochung" abgelegt habe und das „Abzeichen der Freiheit" geworden sei. Er geht dann daran, das in Frankreich zur Karolingerzeit entwickelte Frageverfahren (in quisitio) auf englischem Boden nachzuzeichnen. Er weist dabei auf die doppelte Funktion der Geschworenen-Gerichte im Straf- und Zivilprozess hin, wobei er sie im Strafprozess als „Denunzianten", im Zivilprozess als „Zeugen" bezeichnet. So behandelt er dann die kleine und große Jury. Es ist vielleicht notwendig, zur Erläuterung des großen Interesses von Radbruch an der Entwicklung englischen Rechts und der im Jahre 1933 abgeschafften großen Jury noch einmal auf die geschichtliche Entwicklung zurückzukommen, die bei ihm meisterhaft in knappen Zügen dargestellt wird. Aber gerade diese Knappheit verlangt vielleicht in dem einen oder anderen Punkt eine Vertiefung. Das alte System des Gerichtsverfahrens bestand in „communal responsibility", ein System, das zunächst nicht abgeschafft, sondern dadurch gestärkt wurde, dass man die Zahl der Verantwortlichen auf 100 erhöhte. Sie sollten Informationen über Verbrechen sammeln und konnten auch - falls sie diese Aufgabe nicht erfüllten - kollektiv bestraft werden. Diese Einrichtung erhielt den Namen „grand j u r y " 2 1 0 . Sie erscheint bei Radbruch als „Große Jury". Der Sheriff besuchte diese zweimal im Jahr, um sich auf dem laufenden zu halten. Nach der Magna Charta 2 1 1 wurde das System geändert, weil die Hundertschaften unter privaten Einfluss geraten waren. Ein neues System trat an die Stelle des alten, in welchem ernannte Ritter (knights) nun mit dem Auftrag „keep the peace" ein Gericht bildeten. Unter Eduard I I I 2 1 2 (1327-1377) wurde diese Ordnung weiter in Richtung auf ein System „justices of the peace" entwickelt. Das Geschworenengericht war also eine Gruppe von Männern, die unter Eid genommen waren, um ein Urteil (veredictum) zu sprechen. Dieses veredictum wurde als wahre Antwort auf Fragen verstanden, die den Geschworenen gestellt wurden. Eine ähnliche Praxis war aus Skandinavien und dem Karolingerreich bekannt. Wahrscheinlich hatte die Jury auch bei der Anlage des DomesdayBuches 2 1 3 eine wichtige Funktion. 209 210 211 212
Langbein, „English Criminal Trial Jury", S. 41 ff. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 576. Magna Charta von 1215. Eduard III., 1327-1377, König von England.
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Unter Heinrich I I . 2 1 4 wurden dann die „petty assizes" und die „grand assizes" entwickelt, um eine Alternative zum Zweikampf zu haben, der schon im 12. Jahrhundert an Boden verloren hatte. So erwähnt Glanvill um 1179 beide Formen der Gerichtsbarkeiten als königliche Wohltat, um die Fehde durch ein Gerichtsverfahren förmlich zu ersetzen. Obwohl sich verschiedene Geschworenengerichte in Straf- und Zivilsachen entwickelten, blieb das Verfahren sehr ähnlich, das dem Beklagten oder Angeklagten die Möglichkeit durch eine „writ of venire facias" 2 1 5 gab, sich mit „not guilty" zu verteidigen. Daraufhin wurde vom Sheriff eine Mannschaft von 12 Nachbarn zusammengestellt, die mit den Parteien nicht verwandt waren und die den Namen „jurata" - also Geschworene erhielten. Außerdem wurden 1215 die Gottesurteile abgeschafft 216 , was einen weiteren Druck auf die Rationalisierung und Modernisierung der Gerichtsbarkeit bedeutete. Wenn somit der Zweikampf durch „writ of right" ersetzt worden war, so traten alternative Lösungsmöglichkeiten an die Stelle des alten Zweikampfes 2 1 7 . Formell bestand der Zweikampf als Prozesslösung noch bis zum Jahre 1818 fort, als ein Beklagter den Handschuh dem erstaunten Court of Kings Bench hinwarf 2 1 8 . Der letzte echte Zweikampf wird aus dem Jahre 1638 berichtet, denn der Kampf wurde 1818 im letzten Augenblick gestoppt 2 1 9 . 1985 suchte ein Beklagter vor dem High Court of Justiciary in Schottland vergeblich einen Zweikampf gegen den Lord Advocate unter Berufung darauf, dass das Gesetz aus dem Jahre 1819, welches diese Einrichtung abgeschafft habe, nicht in Schottland anwendbar sei 2 2 0 .
213
Ob der Domesday Survey 1080 eine Veränderung i m Landbesitz auf der untersten Ebene gebracht hat, wird von führenden englischen Rechtshistorikern wie Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 86, wohl zu Recht bezweifelt. 214 Heinrich II., 1133-1189, König von England. 215 Zu unterscheiden ist zwischen dem writ of venire facias juratores und venere facias adrespondendum. Hier handelt es sich um das erstgenannte Rechtsinstitut. Es bestand darin, dass ein writ of venere facias an den Sheriff gesandt wurde, um 12 Männer aus der Nachbarschaft zur Bildung einer Jury auszuwählen. 216 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 579. 217 Milsom (Fn. 187), S. 109-113, S. 356 f. 218 Ashford v. Thornton, 1818, 1 Β. & Aid. 405; Stat. 59 Geo. III, c. 46. 219 Claxton v. Lolburn, 1638, Cro. car. 52, zitiert nach Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 87 Anm. 10. 220 1985 versuchte ein Angeklagter vor dem High Court of Justiciary in Schottland den Lord Advocate zum Zweikampf herauszufordern. Er behauptete zur Begründung seines Anspruches, dass durch die Entscheidung von 1819 der Zweikampf vor Gericht nur für England, nicht aber für Schottland abgeschafft sei, diese Entscheidung keine bindende Wirkung für Schottland gehabt habe, s. dazu Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 87 Anm. 10.
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Im 18. Jahrhundert entwickelte sich ein neues Gerichtsverfahren, wenn es darum ging, ein fehlerhaftes Verfahren zu korrigieren. Das Verfahren vor der Jury wurde durch verschiedene Maßnahmen geregelt. Ein „statute" von 1285 bestimmte dazu, den Spruch der Geschworenen auf den konkreten Fall zu beschränken: „So that they do show the truth of the deed and pray aid of the justices." Wenn es darum ging, substantielle Beweisfragen zu klären, wurde es zu einer regelmäßig geübten Praxis, einen Bericht vom trial judge zu verlangen oder zu erhalten, so dass die Richter, um dieser Anfrage entsprechen zu können, von da ab sich Notizen während der Verhandlung machten. Der Meinung des Richters wurde in der Regel gefolgt, insbesondere um festzustellen, ob ein Urteil sich nicht gegen das Übergewicht der Beweise wenden würde. Diese Praxis wurde vor allem von dem Lordrichter Mansfield entwickelt. Seit dem 17. Jahrhundert war jedoch im Jury-System ein Niedergang zu bemerken, da die Prozessvorgänge ihre Einfachheit verloren hatten und weil an ihre Stelle Kniffligkeit und Gerissenheit getreten waren. Radbruch beschreibt diesen Wandlungsprozess sehr treffend: „ . . . Schließlich fand auch die Aufnahme des Entlastungsbeweises vor ihnen statt. Nun sind sie aus Zeugen zu Richtern geworden und von ihrer ursprünglichen Eigenschaft als Entlastungszeugen ist nur noch zweierlei übrig geblieben: Weil sie ein Organ der Entlastung sind, werden sie dann nicht herangezogen, wenn der Angeklagte auf Entlastung verzichtet: Wenn er gesteht; weil sie aber ursprünglich Zeugen waren, beschränkt sich auch ihre jetzige Richtereigenschaft auf den Prozeßteil, in dem allein die Zeugen zu Wort kommen: auf den Beweis, auf die Feststellung der Tat; sind sie bloße Tatrichter oder besser Schuldrichter, an der Festsetzung der Strafe haben sie keinen Teil. Diese steht allein dem Vorsitzenden Richter z u " 2 2 1 .
Radbruch behandelt nicht die Umgestaltung dieser Gerichte, auf die noch kurz eingegangen werden soll. Aus der Kapitelüberschrift: „Stumpling into Wisdom" sieht man seine Absicht klar, die dahingeht, aus der englischen Rechtsgeschichte zu klären, dass auf Umwegen Zwecke erreicht worden sind, die ursprünglich nicht intendiert waren. So schreibt er: „Es ist ja eine sich öfters wiederholende Tatsache der Geschichte, daß man diesen Zwecken dienen w i l l und auf dem Wege zu ihnen andere Zwecke erreicht . . . " 2 2 2 .
Hier bricht Radbruch die Untersuchung ab und tritt in eine rechtsphilosophische Reflexion ein, um diesen Gang der englischen Rechtsgeschichte von einer anderen Warte aus zu beleuchten. Er nennt diese Zweckerreichung auf Umwegen mit den Worten Wundts „Heteronomie der Zwecke" oder „die List der Idee" 2 2 3 . Dann betont er, dass gerade die englische 221 222
Radbruch, „Geist" (Fn. 14), S. 90. Er weist hier auf die „Heteronomien der Zwecke Wilhelm Wundts" hin.
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Rechtsgeschichte voll solcher Zufallserfolge sei. Hier soll jedoch die Weiterentwicklung kurz skizziert werden. Lordrichter Haie hat den Untergang der Geschworenengerichtsbarkeit auf das Ende des mündlichen Vortrages zurückgeführt. C. J. Hale „attributed the decline to the end of oral pleading: anciently pleading was at the bar, and then it did appear which governs the outcome. As an appellate judge observed with pride in 1887, law has ceased to be a scientific game that may be won or lost by playing some particular m o v e ' " 2 2 4 . Die Civil Jury wurde durch den Common Law Procedure Act 1854 beseitigt, wodurch die Richter nun auch über die Tatsache und Beweisaufnahme zu entscheiden hatten. Nach diesem Gesetz konnten die Parteien Fragen der Tatsachenermittlung (issues of fact to a judge) dem Richter überlassen. A m Ende des Jahrhunderts wurde nur noch die Hälfte der Zivilverfahren auf der Ebene des High Courts durch Geschworenengerichte behandelt. Seit 1933 haben die Parteien nur noch dann Geschworenengerichte anrufen können, außer in Fällen von l i b e l 2 2 5 (schriftliche Ehrenkränkung), wenn das Gericht dies zuließ. Dadurch wurde das Jury Trial zur Ausnahme und das Gerichtsverfahren durch den Richter die Regel. Auch englische Autoren sehen ähnlich wie Radbruch in der rechtsgeschichtlichen Entwicklung der Gerichtsbarkeit die List der Idee: Durch die Trennung der Tatsachen und der Rechtsfrage wurde das englische Verfahrensrecht differenziert und entwickelte eine Reihe von wichtigen Rechtsprinzipien. Solange Tatsachen, Feststellung und Rechtsfragen getrennt waren, war das Recht relativ klar und einfach, doch jetzt - so versichern englische Rechtshistoriker und Richter würden sich Tatsachen und Rechtsfragen vermengen und die Entwicklung eines Prozesses sei nicht recht vorhersehbar. Baker kommt hierzu zu folgendem Ergebnis: „Coke and Mallory were right in their predictions of a slide into uncertainty, but for the wrong reasons. The flight from forma formality and from the common law has brought a retreat from clear principles into a myriad of particular instances. Equity, in the old sense of deciding every case on its own facts, has begun to replace and not merely to supplement the l a w " 2 2 6 .
223
Arno Baruzzi, „Hegel", S. 187 ff. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 101. 225 Zur Entwicklung der libel-Rechtsprechung s. Baker/Milsom, S. 647-655. 226 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 110. 224
„Sources",
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4. Habeas corpus und indictment An dieser Stelle sollte vielleicht noch ein Wort zu dem habeas corpusVerfahren 227 oder dem Verfahren de homine replegiando gesagt werden. Sie waren als Teil der „Due Process of Law-Guarantee" gegen willkürliche Maßnahmen der Verwaltung - auch der königlichen - entwickelt worden. Die ursprüngliche Due Process-Gesetzgebung 228 richtete sich gegen irreguläre Maßnahmen der unteren Gerichte gegenüber Freiheitsentziehungen, die vom Common law nicht gerechtfertigt waren. Bald aber entwickelte sich das habeas corpus-Verfahren auch zu einem Hilfsmittel gegenüber König und Ministern, die zu ungerechtfertigten Freiheitsentziehungen griffen. So vor allem unter der Herrschaft der Könige Heinrich V I I . 2 2 9 und Heinrich V I I I . 2 3 0 glaubte man, zur Inhaftierung im Namen des Privy Council berechtigt zu sein. Der berühmte Fall des Thomas Cromwell (1530) 2 3 1 ist hierfür beispielhaft, der aus dem Tower durch ein writ of privilege (eine bestimmte Form des habeas corpus-Verfahrens) befreit wurde. Schließlich soll in diesem Rahmen auch noch das indictment-Verfahren Erwähnung finden. Für den Ursprung des Wortes „indictment" gibt es keine einhellige Meinung. Es stammt von dem lateinischen Wort „indicare" ab und bedeutete „den Anklagefinger erheben". Andere sagen, dass die wahre Bedeutung im Niederschreiben (indite) liegen würde. 227
Zu Edward Cokes Bedeutung in diesem Zusammenhang s. Thorne, „Essays", S. 223 ff. und zu Böham's Case s. ders., S. 279 sowie S. 239. Zu „prerogativ" s. Baker, zum „prerogative writ" ders., „English Legal History" (Fn. 161), S. 64, 165. Zum indictment s. ders., „English Legal History" (Fn. 161), S. 576 ff., 598 ff. Das indictment war jahrhundertelang das Verfahren, einen Strafprozess zu eröffnen. Über den Ursprung des Wortes indictment ist man sich nicht i m klaren. Teilweise wird es auf das lateinische indicare (= mit dem Finger zeigen), teilweise vom Niederschreiben (indite) herkommend bezogen, ders., „English Legal History" (Fn. 161), S. 65. 228 Zur Entwicklung des duress process-Gedankens im älteren englischen Recht s. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 112 und S. 135. 229 Henry VII., 1491-1547, König von England, König Heinrich VII., Tudor, war Mittelpunkt der Opposition gegen Richard III., landete 1485 in Wales und gewann durch die Schlacht bei Bosworth die Krone (Ende der Rosenkriege) und war wegen sparsamer Haushaltführung vom Parlament unabhängig und regierte fast absolut. 230 Henry VIII., 1509-1547, König von England. König Heinrich VIII., Sohn Heinrich des VII., ließ sich von seinem Schwiegervater Ferdinand dem Katholischen, in einen Krieg gegen Frankreich von 1511-1515 hineindrängen. Unter dem Einfluss von Kardinal Wolsey führte Heinrich eine Politik des Gleichgewichts zwischen Frankreich und dem Reich. Trotz der Anerkennung durch den Papst als vide defensor trennte er England von der römischen Kirche. Grund war der Scheidungswunsch bezüglich Katharina von Aragonien und die Verheiratung mit Anna Boleyn. 231 Thomas Cromwell, gest. 1540, Earl of Essex.
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In diesem Sinne war das indictment im 12. Jahrhundert eine Anklageschrift einer Kommission und nicht eines Einzelnen. Wir finden diese Erwähnung bereits bei der Assize of Clarendon aus dem Jahre 1166. Diese Anklageschriften waren auch unter dem Namen „bill of indictment" bekannt. Diese „bilia vera" (a true b i l l ) 2 3 2 wird auch von Radbruch als Prozesseröffnung erwähnt. Kam die Gruppe der Geschworenen zu einem negativen Ergebnis, so lautete die bill „ignoramus". Es waren für diese Anklageschrift der grand jury nur 12 Stimmen erforderlich (die Gesamtzahl der Juroren konnte bis zu 23 betragen). Indictment war also eine Anklageschrift der Geschworenen (written accusation upon oath). Der Erfolg des indictment und des trial by jury ging auf die Magna Charta zurück, als das schon erwähnte Palladium of English Liberty. Nach diesem Grundgesetz durfte niemand von den Freien bestraft werden: „except by lawful judgement of his peers" 2 3 3 . Baker 2 3 4 bemerkt, dass sich dies nicht auf das trial jury bezogen haben konnte. Eigentümlicherweise wurde das Jury-Verfahren erst eröffnet, wenn sich der Gefangenen „de bono et malo" auf dieses Gerichtsverfahren berief, sonst musste er bis zu einer anderen Lösung in Gefangenschaft verbleiben. Die Formulierung, mit welcher er das Jury-Verfahren in Gang setzte, war die Antwort auf die Frage, wie er denn vor Gericht gestellt werden wolle: By God and the country. Das bedeutete ein Verfahren durch das Nachbarschaftsgericht, d.h. die Nachbarschaftsgeschworenen. Stellt er nicht diesen Antrag, wurde er als „tanquam refutans legem communem", also als Verweigerer des Verfahrens ins Gefängnis zurückgebracht. Dass sich das englische Verfahren aus so verwickelten komplizierten und auch wenig liberalen Anfängen doch zu einem Palladium of English Liberty entwickeln konnte, ist vielleicht weniger ein „Stumpling into Wisdom" als ein „muddle through" 2 3 5 ; eine andere englische Lebensweisheit, mit welcher Radbruch treffend diesen Abschnitt seiner Arbeit über den Geist des englischen Rechts abschließt.
232
A. H. Manchester (Fn. 205), S. 93 ff.; Sir Francis Bacon, schreibt dazu: „ I f they (grand jurores) concidered that there was a case to answer, they found the bill , true 4 and it was endorsed bilia vera (a true bill), but i f they did not, it was endorsed ignoramous (we do not know)". 233 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 580 Anm. 38. 234 Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 537 f. Anm. 38, schreibt dazu: „obviously this could not, in 1215, have referred to the trial jury." 235 Radbruch hat leider nicht die Verbindungslinie von „muddle through" und „stumpling into wisdom" dargetan. Auch finden wir in seinem Beitrag: „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 157, S. 176, keinen Hinweis auf diese prozedurale Denkfigur.
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5. Radbruchs Beschäftigung mit John Austin In seinem Werk „Der Geist des englischen Rechts" hat Radbruch den zweiten Abschnitt überschrieben mit: „Englisches Rechtsdenken". Nach einer Untersuchung des Rechtszwecks nach englischer Auffassung wendet er sich der englischen Rechtsphilosophie z u 2 3 6 . Interessant ist nun, dass Radbruch nach kurzer Erwähnung von Sir William Blackstone 237 von welchem er ein zentrales Zitat an das Ende seines Werkes stellte über den Utilitaristen Bentham - von dem der Begriff „judge made l a w " 2 3 8 stammt - unmittelbar auf dessen Schüler John Austin (1790-1859) eingeht 2 3 9 . Er hebt ihn hervor als Begründer der „analytischen Jurisprudenz" 2 4 0 , die Radbruch als eine „allgemeine Rechtslehre" nach dem deutschen Sprachgebrauch darstellt. Eine solche allgemeine Rechtslehre 241 sollte die höchsten und allgemeinsten, allen Rechtsordnungen gemeinsamen Rechtsbegriffe systematisch behandeln, was von ihm als Aufgabe des Positivismus begriffen wird. Eigentümlich ist nur, dass sich Radbruch sehr intensiv mit Austin befasst, obgleich er sowohl in seinem Buch Rechtsphilosophie als auch in anderen Arbeiten auf John Austin nur gelegentlich eingeht 2 4 2 . Allerdings bedarf diese Bemerkung einer Einschränkung, denn in „Der Geist des engli236
Radbruch, „Geist" (Fn. 14), S. 68. Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 530. 238 Der Begriff „judge made law" ist am besten mit Richterrecht oder Freirecht zu übersetzen. Zur Entwicklung i m älteren englischen Recht s. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 225-230. 239 John Austin, 1790-1859, englischer Rechtsgelehrter, Lehrer des englischen Philosophen John Stewart M i l l , 1806-1873. Er suchte, die allgemeine Rechtslehre in England einzubürgern. Als Freund Benthams war auch er Utilitarier; wurde erst nach seinem Tode berühmt und als ernsthafter Rechtsphilosoph anerkannt. Sein Hauptwerk „Province of Jurisprudence" (1832) galt vielen (u.a. J. C. Gray, O. W. Holmes) als juristisches Standardwerk. Er postuliert darin eine Definition des Gesetzes als eine Art Befehl und versuchte, eine Trennung zwischen Gesetz und Moral zu erklären. 240 Auf die englische Jurisprudenz im allgemeinen geht Radbruch bereits in seinem „Literaturbericht" S. 258, 264, ein. Dort stellt er der Arbeit von Ernst Stampe zum Thema: „Rechtsfindung", S. 417, die Arbeit von Julius Hatschek, Englisches Staatsrecht I, insbesondere S. 94-163, gegenüber. Dies ist möglicherweise die erste Beschäftigung mit der englischen Jurisprudenz und dem Richterrecht, das, wie Radbruch bereits damals erkannte, in Jeremy Bentham seinen Gegner hatte. 241 Auf die Auflösung der Rechtsphilosophie in eine allgemeine Rechtslehre, hat Radbruch wiederholt hingewiesen; Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 10. 242 Radbruch, „Geist" (Fn. 14). So findet sich ein Hinweis auf John Austin in dem italienischen Artikel „Sentimento giuridico" (Fn. 167), S. 241-251, ebenfalls ein Ergebnis des Aufenthaltes in Oxford. Eine weitergehende intensive Beschäftigung mit John Austin vor dem Oxforder Aufenthalt ist nicht nachweisbar. 237
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sehen Rechts" wird neben Austin und Sir William Blackstone als dritter großer englischer Rechtslehrer Sir Henry Sumner Maine (1822-1888) erwähnt, den er als Rechtshistoriker, Rechtsethnologen und Rechtssoziologen bezeichnet. A m Ende des Abschnittes wird die Entwicklungslinie weiter gezogen und die amerikanische Rechtsphilosophie ins Blickfeld gerückt, in dem er sowohl Oliver Wendeil Holmes 2 4 3 als auch Roscoe Pound und Benjamin Nathan Cardozo erwähnt. Betrachtet man aber die beiden Artikel, die aus Radbruchs Oxforder Zeit hervorgegangen sind, dann sieht man, dass sein zentrales Interesse damals jedenfalls schon John Austin gehörte 244 . Von John Austins Lehrer Jeremy Bentham sagt Radbruch, dass sich seine Begriffe für eine allgemeine Analyse des positiven Rechts durchaus eigneten, dass diese Operation aber erst von John Austin durchgeführt worden sei. Nun bemerkt er in bezug auf John Austin und seinen Beitrag zur Schaffung einer allgemeinen Rechtslehre: „What the Continent achieved only after long by ways through historical and philosophical systems of many kinds, was suddenly created by Austin fifty years earlier but it must be added that his work had no great influence upon later continental development" 2 4 5 .
Was hat nun Radbruch im Tiefsten bewogen, sich intensiv mit Austin zu beschäftigen? War es die witzige Bemerkung des englischen Rechtsphilosophen, dass er, der zwei Jahre in Heidelberg wissenschaftlich gearbeitet hatte, gerne ein deutscher Professor geworden wäre? Oder war es der genius loci der Stadt Heidelberg, die beide verband? 246 Natürlich hat Radbruch selbst zu der Entwicklung beigetragen, die in Deutschland aus der Philosophie zu einer allgemeinen Rechtslehre führte, obwohl er den Positivismus selbst überwand und durch seine Betonung des sozialen Rechts 2 4 7 wie der neukantischen Prinzipien diesen Standpunkt bald 243
Zu Oliver Wendeil Holmes jr., 1841-1935, haben wir eine eigene biographische Studie aus der Feder Radbruchs, Oliver Wendeil Holmes, Biographie eines amerikanischen Juristen, in: SJZ 1946, S. 25 ff.. Oliver Wendell Holmes, bedeutender amerikanischer Rechtsgelehrter und Richter, der nach einer Anwaltstätigkeit seit Herbst 1882 für drei Monate Professor an der Harvard-University und von 1882 bis 1902 als Richter in Massachusetts am Supreme Court und seit 1899 dort selbst Gerichtspräsident war, Ehrendoktor der Universitäten Yale und Harvard, Mitglied des Supreme Court der USA. Er war für die Zurückhaltung des Richters bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes und für die Anpassung der Rechtsordnung an die sozialen Verhältnisse. 244 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 531. 245 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 531. 246 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 531. 247 Paul, „Konzeption des sozialen Rechts", in: „Gedächtnisschrift" (Fn. 4), S. 107 ff., s. auch Würtenberger, „Soziales Recht" (Fn. 32), S. 200-206.
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wieder hinter sich ließ. Man wird aber sicher richtig gehen, wenn man eine innere Verwandtschaft zwischen Austin und Radbruch annimmt, welche gerade in der Abstraktion und der Entwicklung allgemeiner Prinzipien zu finden i s t 2 4 8 . Dieser Idee der inneren Verbindung der Radbruch'sehen Konzeption einer allgemeinen Rechtstheorie oder Rechtslehre und der der Austin'sehen soll im folgenden weiter nachgegangen werden, indem vor allem aus Austins Leben und Werk Rückschlüsse auf Radbruchs Rechtsphilosophie gezogen werden. So sagt Radbruch ihm gleich „Austin, too, arrives at his notion of law a priori. Although he calls his theory, using an expression borrowed from Hugo, a »philosophy of positive law' he does not progress by induction from empiric legal phenomena to the notion of law, but begins to form his notion of law without any regard to these phenomena, e. g. customary law which he therefore finds difficult to fit into his scheme, or the law of nations which he banns altogether from the realm of law and places into the realm of morality" 2 4 9 . In dieser Würdigung Austins finden sich zwei Elemente, die Radbruch und Austin zu Neukantianern machen und untereinander verbinden würden: Einmal nämlich die Ableitung der allgemeinen Prinzipien aus apriorischer Gültigkeit und zum anderen die absolute Trennung von Moralität und Legalität. Auch sonst zeigt Austin sehr kontinentale Vorstelllungen, wenn er seinen Rechtsbegriff um die „vier Pfeiler" gründet 2 5 0 : „As is well known, Austin notion of law is built round the four pilars of command, sanction, duty and souvereignty".
Radbruch diskutiert nun diese vier Pfeiler des Rechtsbegriffes, trägt Einwendungen vor, kommt aber dann doch zu dem Ergebnis, dass diese Einwände nicht stark genug sind, um die Prinzipien zu Fall zu bringen, indem er sagt: „ A l l this objections against Austins notion of law, however, do not weigh heavily as compared with the principal achievement of Austin, namely, the strict separation of law from morals, of positive law from ideal law. Here again we should be inclined to asume some influence of German philosophy, possibly the ideas of Kant and of German idealism and liberalism in general" 2 5 1 .
Von der parallelen deutschen Entwicklung sagt Radbruch, dass die historische Rechtsschule nach verschiedenen Zwischenspielen schließlich in der „allgemeinen Rechtslehre" (General Theory of L a w ) 2 5 2 versteinert wurde.
248 So unterscheidet Gustav Radbruch bei John Austin „general" und „comparative jurisprudence" als Grundlage der allgemeinen Rechtstheorie. 249 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 533. 250 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 534. 251 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 535. 252 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 536.
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Diesem Schicksal sei die englische Rechtsphilosophie und Rechtslehre durch die Hinwendung zur Geschichte durch Henry Sumner Maine entgangen. Radbruch sieht auch auf deutscher Seite in der Figur von Rudolf von Jhering ein Ausbrechen aus der Petrifizierung, obwohl er Jhering eine stärkere Neigung zum Positivismus vorwirft. Er kommt dann zum Ergebnis, dass Jhering eher mit Bentham als mit Maine zu vergleichen sei, welchem er mehr als Rationalisten bezüglich seiner Geschichtskonzeption auffasste. Jhering und Maine haben sich nicht direkt beeinflusst, aber so fährt Radbruch dann fort: „Jhering and Maine did not directly influence each other, but they both were under the influence of the same idea of their time, the idea of evolution, which just then, proceeding from natural science, invaded other domains of knowledge" 2 5 3 .
Das Verhältnis von John Austin zu Maine ist ebenfalls kompliziert, da Austin fast 30 Jahre vor Maine mit seinen Thesen an die Öffentlichkeit trat, doch erst von Maine bekannt gemacht wurde. Auch stammt die Bezeichnung, die man später der Austin'sehen Richtung gab, nämlich: „analytische Jurisprudenz" von M a i n e 2 5 4 selbst. Zu den Hauptvertretern dieser Richtung zählt Radbruch dann Markby, Holland 2 5 5 und Salmond 2 5 6 . Bemerkenswert ist weiterhin eine Charakterisierung, die Radbruch der Austin'sehen Theorie und damit dem ganzen englischen Recht und umgekehrt gibt, wenn er sagt: „This practical and realistic character of English legal thinking has led it to realize the relativity of Austins rigid notion of law with its concentration upon command and souvereign" 257 .
In dem genannten Artikel befasst sich Radbruch dann mit der Weiterentwicklung der Ideen Austins durch Salmond, Pollock 2 5 8 und Bryce, doch kehrt er dann wieder zu Austin zurück, um die Bedeutung seines Denkanstoßes und seiner beständigen Wirkung zu erklären. Von der analytischen Philosophie haben sich dann erst die Amerikaner gelöst, indem sie den Schwerpunkt nach Radbruchs Auffassung von der analytischen Jurisprudenz 2 5 9 auf eine wertgerichtete Rechtsphilosophie legten 2 6 0 . 253
Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 536. Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 537. 255 Sir Thomas Erskine Holland, 1835-1926. Radbruch befasst sich insbesondere mit dem Werk von Holland, „Elements of Jurisprudence", 1924. 256 Sir John William Salmond, 1862-1924, Professor of Law und Jurisprudence in New Zealand. Salmond, „Theory of Law", 1902, 8. Aufl. 1930. 257 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 539. 258 Sir Jonathan Frederick Pollock, 1783-1870, CBEx: 1844-1866; Sir Frederick Pollock, 1845-1937, englischer Jurist, 1871 Barrister at Law, 1883-1903 Professor in Oxford, 1920 King's Counsel. 259 Nagl/Heinrich (Hrsg.), „Analytische Philosophie". 254
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Diese neue Bewegung, die von den Vereinigten Staaten ausging und sich als „Free Law Movement" bezeichnete - sie hatte in der Freirechtsbewegung in Deutschland ihr Gegenstück - , machte den Satz vom „judge made law", den Austin „respectful" nannte, zu einem zentralen Glaubensartikel. Aus dieser methodologischen Schule, meint Radbruch, habe sich die soziologische Rechtsschule mit ihren Repräsentanten Oliver Wendell Holmes, Louis Dembitz Brandeis, Roscoe Pound und Benjamin Nathan Cardozo herauskristallisiert 261 . Hand in Hand mit dieser Entwicklung wurde die Rechtsphilosophie rehabilitiert. Roscoe Pound konnte als erster seinem Werk wieder diesen Namen verleihen. So läuft die Analyse des Geistes des angelsächsischen Rechts auf ein paradoxes oder doch zumindest dialektisches Ergebnis hinaus, indem die eine Richtung pure Methodenlehre postuliert, die andere eine Wertphilosophie einfordert. Beide Richtungen, sagt Radbruch, hätten aber folgendes gemeinsam: „Needs have more strongly stressed than achievements. Fairness bids us in conclusion to emphasise the great advantages of Anglo-Saxon legal philosophy as compared with its Continental counterpart" 262 .
Sein hier behandelter Aufsatz aus dem Jahre 1936 sowie auch seine Abhandlung „Der Geist des englischen Rechts" schließen dann, um den Kreis zu Ende zu gehen, mit dem bereits erwähnten Zitat von Sir William Blackstone. Da schon Austin so eine zentrale Rolle in Radbruchs Beschäftigung mit dem angelsächsischen Recht einnimmt, soll hier noch kurz auf Leben und Werk Austins eingegangen werden, indem auch die Weiterentwicklung in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts mit einbezogen werden soll. John Austin wurde am 3. März 1790 in Suffolk geboren und trat mit 16 Jahren in die Armee ein, wo er fünf Jahre Dienst leistete. Offenbar hatte ihn die Armee in seiner Lebensauffassung stark geformt, eine Armee, die Austin achtete und schätzte. Mit 26 Jahren heiratete er Sarah Taylor und 260
Als „valuating philosophie of law" bezeichnet er sie: Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 541. 261 Oliver Wendell Holmes (Fn. 123), Louis Dembitz Brandeis (Fn. 123), Roscoe Pound und Benjamin Nathan Cardozo (Fn. 123). 262 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 544. Bezeichnend ist auch: „The Anglo-Saxon lawyer is convinced that law can be founded only on the basis of individual cases and for them only. He is inclined to believe that the individual case bears its law in itself and in that it can be gathered from the nature of the case ... ,ex facto iuris orbitur'". Radbruch bemerkt, dass diese Auffassung methodologisch zweifelhaft sein mag, zeigt aber seine Referenz für die positiven Ergebnisse des englischen RechtsfmdungsVerfahrens; s. auch Foulkes, „Freirechtslehre", in: „Gedächtnisschrift" (Fn. 4), S. 231 ff.
64
VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
hatte mit ihr eine Tochter, Lucie, die 1821 geboren wurde. In London wohnt das Ehepaar im Queen Square und sie waren Nachbarn von Jeremy Bentham. Außerdem wohnten James M i l l (1773-1836) und sein Sohn John Stewart M i l l (1806-1873) 2 6 3 in nächster Nähe. Austin wurde kein guter Anwalt und trat der University of London bei, die 1826 gegründet wurde. Dort erhielt er den Lehrstuhl für Jurisprudenz, ein Begriff, der sich schwer in das Deutsche übersetzen lässt, wie Radbruch selbst nachgewiesen hat. Austin verbrachte jedoch gleich die nächsten zwei Jahre in Deutschland, erst in Heidelberg und dann in Bonn, wo er hervorragende deutsche Gelehrte - insbesondere Romanisten - traf 2 6 4 . Seine Hörerschaft schwand in London, wohin er zurückgekehrt war, schon 1832 auf nur fünf. Austin gab seinen Lehrstuhl auf, veröffentlichte aber die ersten sechs seiner zehn Vorlesungen. 1833 wurde er Mitglied der Criminal Law Commission unter Lord Brougham und 1834 versuchte er, noch einmal Vorlesungen über Jurisprudenz am Innertemple aufzunehmen. John Austin verließ England und es folgten längere Aufenthalte in Malta und in Frankreich, bis er nach Ausbruch der Französischen Revolution nach England zurückkehrte. In das Jahr 1843 fiel auch eine erneute Reise nach Deutschland, wo er in Berlin auch mit Friedrich von Savigny 2 6 5 zusammentraf.
263
John Stewart Mill, 1806-1873, Professor of Law; s. Rausch. „J. S. M i l l " (Fn. 223), S. 240 ff. 264 Gustav Radbruch weist hierzu auf die Untersuchung von Schwarz, „Austin", hin. Er glaubt, dass nur bei Felix Somlo als einzigem deutschen Rechtsphilosophen John Austins Einfluss erkennbar ist. S. dazu Felix Somlo, „Juristische Grundlehre". 265 Friedrich Carl von Savigny, 1779-1812/13 zum Nachfolger Fichtes, Rektor der Universität Berlin, 1842 durch Friedrich Wilhelm IV. Ernennung zum Staatsund Justizminister; s. auch Hattenauer (Hrsg.), „Tübingen und Savigny". Die Bedeutung, die Friedrich Carl von Savigny hatte, ist aus Radbruchs Vorwort zur „Einführung", 1. Aufl. (Fn. 9), zu entnehmen, wo er die Schatten Savignys und Feuerbachs für seine jungen Leser und Hörer beschwört. Arthur Kaufmann hat mit Recht darauf hingewiesen, dass es von großer Bedeutung war, dass Erik Wolf ihn unter die großen deutschen Rechtsdenker neben Johann Freiherr von Schwarzenberg, Friedrich Carl von Savigny, Anselm von Feuerbach und Rudolf von Jhering eingereiht hatte. Savigny und Feuerbach sind gegnerische Pole in bezug auf die Rechtsentstehung und Rechtsgeltung. So sagt Radbruch: „ . . . und mit Fug hat man den Gegensatz Savigny - Feuerbach auf die gleiche Quelle zurückgeführt, wie den Gegensatz Goethe - Schiller und bis in die Stileigentümlichkeit hinein die Verwandtschaft zwischen Feuerbach und Schiller, Savigny und Goethe aufgewiesen: Dort das rednerische Pathos der Antithese, das dem dualistischen Gefühl des Widerspruchs zwischen der Wirklichkeit und dem Ideal zu entspringen pflegt, hier die in sich selbst ruhende Harmonie derjenigen, welche monistisch die Vernunft in den Dingen suchen und finden"; Radbruch, „Einführung" (Fn. 9), S. 21.
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Sowohl nach seinem Tode (1859) erfolgten Neuauflagen seines Werkes „The Province of Jurisprudence" als auch nach dem Tode seiner Ehefrau im Jahre 1867. A m Ende seiner Schaffenszeit hat Austin im Jahre 1859 noch eine Veröffentlichung vorgelegt mit dem Titel: „ A Plea for the Constitution" (ursprünglich war diese Veröffentlichung als Buchbesprechung des Werkes von Grey: „Parliamentary Governement Considered with Reference to a Reform of Parliament" herausgegeben worden). Zu John Austins Freunden gehörten außer den schon Erwähnten noch George Cornewall Lewis (1800-1863) und Lord Glenelg (1778-1866). Austin war Malthusianer 266 , sein Malthusianismus bestimmte auch seine Einstellung zu Arbeit und Kapital. Ohne Kapital und Managementtechniken, die vom Kapital abhängen, würde der Arbeitslohn sinken, denn das Kapital und die Managementtechniken sind Institutionen des Eigentums (Property). Der Utilitarismus dokumentiert sich dadurch, dass diese Institutionen sowohl für die Vielen als auch für die Wenigen gut sind. Der Arbeitslohn, welchen die Arbeiter erhalten, und das unterscheidet ihn ganz eindeutig von allen sozialistischen Vorstellungen, stammte grundsätzlich vom Kapital und die Arbeiter hätten genau wie die Eigentümer das gleiche Interesse, das Kapital vor Missbrauch zu schützen. Das Verhältnis Austins zu Bentham und anderen Utilitaristen bedarf noch einer kurzen Erörterung: Wie Bentham trat auch Austin für Klarheit des Rechts und Rechtsreformen ein, während der gemeinsame Gegner Sir William Blackstone Recht und Naturrecht - Common Law und Vernunftrecht verband. Allerdings unterscheidet Austin sich von Bentham dadurch, dass er dessen Ziel für unerreichbar hielt. Im Jahre 1945 wurde ein vergessenes Werk von Bentham von Charles Warren Everett unter dem Titel: „The Limits of Jurisprudence defined" veröffentlicht 2 6 7 , von dem wohl Radbruch keine Kenntnis mehr hatte, als er 266
Die Malthusianer sind Anhänger von Thomas Malthus, 1766-1834. Er war zunächst Pfarrer, dann seit 1805 Professor der Geschichte und politischen Ökonomie am Kollegium der ostindischen Company zu Haileybury. Malthus hat als einer der führenden Theoretiker der klassischen Nationalökonomie zu deren Fortbildung wesentlich beigetragen. In seiner Streitschrift: A n Essay on the principle of population, 1798, gegen den Sozialisten Francis Godwin entwickelte er seine von den herrschenden Lehren völlig abweichende pessimistische Auffassung der Bevölkerungsfrage. Obgleich Malthus die große Bevölkerungszunahme und die sozialen Folgen der Industrialisierung im 19. Jahrhundert noch nicht kannte, führte er das menschliche Elend seinerzeit auf das Anwachsen der Bevölkerung zurück, die stets die Tendenz zeige, über den Nahrungsspielraum hinauszuwachsen. Der Malthusianismus wandte sich sowohl gegen die Sozialisten als auch gegen die Sozialgesetzgebung. 5 Scholler
66
VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
„Der Geist des englischen Rechts" schrieb (diese Veröffentlichung wird als 2. Teil der Introduction to the Principles of Morals and Legislation, 1789, angesehen) 268 . Das Verhältnis von Bentham und Austin erscheint nunmehr in einem etwas veränderten Licht. Der starke Einfluss Benthams auf Austin tritt mit aller Deutlichkeit hervor, wenn man dieses Werk zu Rate zieht. Auch Austins Klassifikationsmethoden und sein analytischer Zugang wurden von Bentham mehr als bisher angenommen beeinflusst, so dass nicht nur seine Kenntnisse des römischen Rechts ihn zu dieser Methode bestimmten. Auch der Begriff des Souveräns ist bereits stark von Bentham beeinflusst. Dennoch ist Austins Werk auch nach dieser neu entdeckten Abhängigkeit eine Eigenschöpfung 269 . Für ihn gilt auch heute noch, was John Stewart M i l l von ihm sagte, nämlich dass Austin Genius „untying of intellectual knots" l a g 2 7 0 . Man hat mit Recht Austin einen Regel- oder Norm-Utilitaristen (rule-utilitarian) genannt, der sich vom „act utilitarian" grundsätzlich unterscheidet. Hier liegt auch das Interesse, das Austin für Radbruch haben musste, da diese „RuleUtilitaristen" doch in die Nähe der generalisierenden Thesen der Neukantianer kamen.
6. Rechtssicherheit im englischen Recht und in der englischen Rechtsphilosophie In der Schrift „Der Geist des englischen Rechts" 2 7 1 hat Radbruch sich mit zwei zentralen Problemen der Rechtsphilosophie beschäftigt, die sich aus dem Rechtsbegriff 272 selbst herleiten. Aber nicht nur in dieser Schrift, sondern auch an anderer Stelle tritt sein Interesse an der Rechtsvergleichung hinsichtlich der unterschiedlichen Schwerpunktbildung des Rechtsbegriffes deutlich hervor. In dieser Schrift beschäftigt sich Radbruch zentral mit dem Rechtsstaatsprinzip - Rule of Law - , ein Begriff, der gerade im Common Law seine 267
Everett, „Litmits of Jurisprudence". Eine neue Ausgabe wurde von Herbert Lionel Adolphus Hart als Teil der neuen Gesamtausgabe von Jeremy Bentham unter dem Titel: „ O f Laws in General", besorgt. 269 s. Hart, „Introduction to J. Austin"; s. auch Rawls, „Two Concepts", 64 Phil. Rev. 3, 195; ders., „Theory". 270 John Stewart M i l l , zitiert nach Christie, „Jurisprudence" (Fn. 167). 271 Radbruch, „Geist" (Fn. 14); ders., „Rechtsphilosophie" (Fn. 25), S. 169. 272 Radbruch unterscheidet Rechtswertbetrachtung vom Rechtsbegriff. In der Beurteilung der Rechtswertbetrachung schließt er sich an seinen Freund und Kollegen Emil Lask an, s. dazu Lask, „Philosophie", S. 50. 268
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67
besondere Bedeutung hat, der wegen der eigentümlichen Stellung dieses englischen Rechtsbegriffes nicht ohne weiteres m i t dem kontinental-europäischen Rechtsstaatsbegriff gleichgestellt werden kann. D a noch einmal Radbruchs Äußerungen z u m Rechtsstaat - Rule o f L a w - kurz dargestellt werden sollen, ist hier der Ort, auf seine rechtsvergleichende Position zur Rechtssicherheit einzugehen. I n seinem Lehrbuch hat sich Radbruch an verschiedenen zentralen Abschnitten m i t der Rechtssicherheit beschäftigt. Hier sollen dabei diese bedeutsamen Phasen zur Rechtssicherheit erörtert werden, u m dann Radbruchs Beschäftigung
mit
der angelsächsischen Rechtssicherheitsproblematik besser darstellen zu können. I n seinem Lehrbuch der Rechtsphilosophie hat Radbruch den Rechtsbegriff als K u l t u r b e g r i f f vorgestellt, der R e c h t s w e r t 2 7 3 und R e c h t s i d e e 2 7 4 verwirklicht 275. Rechtssicherheit erscheint i h m als einer der drei Teilbegriffe des Rechtsbegriffes selbst, den er neben dem Teilinhalt der Rechtssicherheit die weiteren Teilinhalte der Gerechtigkeit und der Zweckmäßigkeit zuweist.
Da
diese Teilinhalte zueinander i n Spannung stehen ist begreiflich, dass Radbruch das Problem der Rechtssicherheit unter dem Kapitel der „ A n t i n o -
273
Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 25), S. 168 ff. Begrifflich unterscheidet Radbruch richtiges und geltendes Recht, wobei das richtige Recht in der neukantischen Fortsetzung des Naturrechtsdenkens durch Rudolf Stammler im Gegensatz zum geltenden Recht tritt, welches als Ergebnis einer historischen Entwicklung (historische Rechtsschule) verstanden wird. Damit entstehen auch zwei methodologische oder fachspezifische Richtungen der Betrachtung, nämlich die Rechts-(Wirklichkeits-)Wissenschaft auf der einen, die sich mit dem geltenden Recht befasst und die Rechtswertbetrachtung auf der anderen Seite, die das richtige Recht zum Gegenstand ihrer Untersuchung nimmt. S. Radbruch, „Literaturbericht", S. 651. Zum Geltungsproblem s. auch Radbruch, „Einführung", 1. Aufl. (Fn. 9), S. 9, sowie die 7./8.Aufl. (Fn. 9), S. 14 f. 274 Rechtswertbetrachtung und Rechtswertbegriff treten bei Radbruch aus der Rechtsidee heraus oder an sie heran. Dabei tritt in seinem Werk immer stärker die Polarisierung von Rechtsstoff und Rechtsidee zum Verhältnis von Rechtsidee und Rechtsstoff in der Systematik des Strafrechts. Vgl. Roxin, „Rechtsidee und Rechtsstoff', in: „Gedächtnisschrift" (Fn. 4), S. 260 ff. So ist auch seine Definition des Rechts zu verstehen als Wirklichkeit, die den Sinn habe, den Rechtswert, der in der Rechtsidee verankert ist, hervortreten zu lassen. Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 126), S. 12. So sagt Radbruch: „Es gehört ebenso sehr zum Begriffe des richtigen Rechtes, positiv zu sein, wie es Aufgabe des Positiven Rechtes ist, inhaltlich richtig zu sein." Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 126), S. 169. Die Kontrastierung der Stoffbestimmtheit und der Wertorientiertheit (Rechtswertbetrachtung) kommt bei Radbruch wohl zum ersten Mal in seinem Beitrag im Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 17 (1923/24), S. 343, zum Ausdruck. Eine Vermittlung findet diese dialektische Spannung wohl im Begriff der Natur der Sache, s. hierzu Radbruch, „Natur der Sache" (Fn. 8). 275
5*
Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 126), S. 168.
68
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m i e n des Rechtsbegriffes" behandelt. Rechtssicherheit i n diesem Sinne ist für i h n gleichbedeutend m i t „ U n v e r b r ü c h l i c h k e i t " oder „ S t e t i g k e i t " 2 7 6 . A n dieser Stelle zitiert Radbruch C u c h e 2 7 7 , der i n seiner D e f i n i t i o n Frieden und Sicherheit als die ersten Wohltaten des Rechtes bezeichnet. D i e zweite zentrale Stelle, bei welcher sich Radbruch m i t der Rechtssicherheit beschäftigt, ist die Geltung des Rechts. I m Rahmen seiner Geltungslehre beruft er sich darauf, dass auch bei Kant die Durchsetzbarkeit des Rechts ein zentrales Element der R e c h s t s g e l t u n g 2 7 8 v o n Rechtsnormen ist. I m übrigen wendet sich Radbruch an dieser Stelle gegen eine dezisionistische Geltungslehre Carl S c h m i t t s 2 7 9 . H i e r zeigt sich, dass für Radbruch das zweite Probl e m der Rechtssicherheit
i m Rahmen der Geltungslehre,
dasjenige
der
Verknüpfung v o n M a c h t und Recht ist. Es soll hier aber noch v o n einem drittem Pfad die Rede sein, auf dem Radbruch uns z u m Problem der Rechtssicherheit führt, nämlich dem Pfade der R e c h t s p s y c h o l o g i e 2 8 0 .
Anknüpfend
an Eduard S p r a n g e r 2 8 1
und sein
Werk über die Lebensformen stellt Radbruch fest, dass der Jurist keiner der reinen v o n Spranger beschriebenen Lebensformen des theoretischen, ökonomischen, ästhetischen, des politischen oder des religiösen Menschen zuge276
Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 126), S. 168. Radbruch zitiert hier den französischen Autor Paul Cuche wie folgt: „La paix, la sécurité sont les premiers bienfaits que droit doit nous procurer. Alors même que nous serions en désaccord profond, irréductible sur les fins supérieurs du droits, nous pouvons cependant nous entendre pour lui faire remplir ces fins intermédianes auxquelles nous sommes tous intéressés." Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 126), S. 169; s. dazu ferner Radbruch, „Le but du droit", S. 48-59; s. auch in: „Mensch", Göttingen 1957 und 1961, S. 88-104 (Titel: Der Zweck des Rechts); ders., „La sécurité en droit" (Fn. 17). 278 Zur Geltung s. Radbruch, „Einführung" (Fn. 9), S. 8. Hier greift er auch das Problem der Geltung von Normen auf, S. 10. In der 7./8. Aufl. der „Einführung" (Fn. 9) finden sich die entsprechenden Ausführungen. 279 Carl Schmitt, 1888-1985. Staatsrechtler; Professor für Staatsrecht ab 1921 in Greifswald, ab 1922 in Bonn, ab 1928 in Berlin, 1933 in Köln und von 1933-1945 in Berlin; er hat die deutsche Staatsrechtslehre stark beeinflusst, wegen seiner offenen Gegnerschaft zur Weimarer Republik und seiner Verstrickungen mit dem NSRegime ist er zugleich sehr umstritten, s. auch Maschke, „Carl Schmitt", S. 5 ff., Bendersky, „Carl Schmitt", S. 369 ff. 280 „Sentimento giuridico" (Fn. 242), S. 241-251; s. auch Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), 14 f.; ders., „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 37 f. Radbruch zeigt eine gewisse Hinneigung zur Psychologie, insbesondere zur Wundtschen Lehre vom „Typus ohne feste Grenzen", s. dazu Wundt, Psychologie, S. 315. Es findet sich im Case Law eine gewisse juristische, „eine repräsentative Vorstellung", doch legt er sich hier nicht fest, was auch seinem Relativismus entspricht, s. hierzu Radbruch, „Relativismus", abgedr. in: „Mensch", S. 80-87. Dieser Beitrag geht auf den französischsprachigen Artikel „Philosophie du Droit", S. 105-110 zurück; s. ferner Radbruch, „Klassenbegriffe", S. 46-54; s. auch in: „Handelsbegriff 4 , S. 167-175. 281 Spranger, „Lebensformen". 277
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wiesen werden könne, denn der Jurist sei eine Mischform aus sozialem und theoretischem Menschenbild oder menschlicher Lebensform. Natürlich ist damit Radbruchs Stellungnahme zur Rechtssicherheit in gar keiner Weise erschöpfend beschrieben. Nur sind für das Verständnis seiner rechtsvergleichenden Arbeiten die drei Wege gezeigt, auf welchen er sich dem Problem von ganz verschiedener Seite immer wieder nähert und die auch für das Verständnis seiner rechtsvergleichenden Arbeiten von Bedeutung sind. Aus dem Jahre 1936, einem Zeitraum, in welchem Radbruch in England weilte, stammt eine in französischer Sprache geschriebene Studie über die Rechtssicherheit nach der „englischen Theorie" 2 8 2 . Radbruch nennt sich hier ehemaliger Professor der Universität Heidelberg und gibt damit seinen französischsprachigen Kollegen subtil Kenntnis von seiner eigenen Situation und von der mangelnden Rechtssicherheit in Deutschland. Die Studie, die in einer französischen Fachzeitung erschienen ist und nur 13 Seiten umfasste, ist eine sehr ausführliche Stellungnahme zu dem Problem der Rechtssicherheit im englischen Recht. Sie beginnt mit der Erwähnung der Auseinandersetzung von Hobbes und Coke, insbesondere mit der Polemik von Hobbes gegen Coke, in welcher Hobbes betont, dass es die Aufgabe des Rechts sei, Frieden und Gerechtigkeit zu sichern. Denn nicht die Weisheit, sondern die Autorität sei Grundlage des Rechts. Das Werk von Hobbes wird in einer französischen Übersetzung aus dem Jahre 1681 zitiert. Sicherheit und Wohlergehen erscheinen als selbstverständliche Forderungen der Vernunft (Dictament de la Raison). Die Arbeit wendet sich dann sofort Bentham zu und betont den Versuch, diesen Philosophen, die Utilität zur Grundlage des Rechts zu machen. Damit kommt die Untersuchung zu John Austin. Schon sehr früh in dieser Studie betont Radbruch, dass die Rechtssicherheit in England das prädominante Prinzip sei, was durch alle Phasen der englischen Rechtsgeschichte immer wieder bewiesen werde 2 8 3 . Unter Hinweis auf Sumner Maine tritt nun das Gegenprinzip auf den Plan, indem gezeigt wird, dass das Recht sich ständig in Veränderung und Bewegung befindet. Er sieht hierin ein rechtspsychologisches Element, das wohl auch von ihm herangezogen wird, um den Juristen als eine gemischte Lebensform zwischen theoretischen und praktischen sozialen Menschenbildern zu zeichnen. Die Billigkeitsrechtsprechung, die Equity, wird dann herangezogen, um diese Bewegung im englischen Recht und die dadurch verursachten Forde282 283
Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17). Radbruch, „Geist" (Fn. 9), S. 89; ders., „Sécurité en droit" (Fn. 17).
70
VI. Das englische Recht in der Sichtweise Radbruchs
rungen nach Rechtssicherheit besser verständlich zu machen. Das, was man in England eben Jurisprudenz der Billigkeit nennt oder was überhaupt Jurisprudenz genannt wird, ist ein Kampf zwischen Rechtssicherheit und anpassender Billigkeitsrechtsprechung. Neben dieser ersten Dimension der Jurisprudenz, die sich aus dem Spannungsverhältnis Common Law und Equity entwickelte, bestand eine zweite Dimension, die in der Auseinandersetzung von Hobbes mit der Theorie Cokes deutlich wird. Es geht um die Frage, ob Vernunft oder Befehl Geltungsgrund der Rechtsordnung ist. Hobbes nahm vor allen an nachfolgendem Passus Cokes Anstoß, der hier im englischen Originaltext folgen soll, bei Radbruch sowohl in deutscher als auch in französischer Übersetzung in Zeilen Zitaten auftaucht: „ A n artificial perfection of reason, gotten be long study, observation, and experience . . , " 2 8 4 .
Diese Worte legt Hobbes in den Mund der Studenten des Common Law, das dann als „summa ration" bezeichnet wird. Diese Äußerung findet sich bei Coke in seinem „First Institutes". Hierauf lässt Hobbes seinen Philosophen folgendes antworten: „This does not clear the place, as being partly obscure, and partly untrue. That the reason which is the life of the law, should be not natural, but artificial, I cannot conceive. I understand well enough, that the knowledge of the law is got by much study, as all other sciences are, which when they are studied and obtained, it is still done by natural, and not by artificial reason."
Hobbes stimmt dann der Vorstellung zu, dass „knowledge of the law" eine Kunst sei (art), fährt dann aber fort: „It is not wisdom, but authority that makes a law. Obscure also are the words legal reason. There is no reason in earthly creatures, but human reason" 2 8 5 .
Er betont dann, dass die Addition aller Weisheiten der Juristen und Richter die rechtsetzende Gewalt, die „legislative power" sei. Radbruch weist nun darauf hin, dass diese Äußerung eine entsprechende Kritik durch eine anonyme Schrift unter dem Titel „Sergeant at the Law of England" 2 8 6 erfahren hat. Er ergänzt das Zitat noch mit einem Satz aus dem Lateinischen: „Neminem oportet esse sapientiorem legibus" 2 8 7 . Da nie284
Radbruch, „Geist" (Fn. 9), S. 89; ders., „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 93. Das Zitat über „artificial perfection of reason" findet sich bei Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 93, und wird dort ebenfalls nicht in der Coke'sehen Urform, sondern in der Hobbes'sehen Attacke zitiert. 286 Dieser Buchtitel geht auf eine Einrichtung der englischen Organisation der Rechtsberufe zurück; s. dazu Baker, „Sergeants of Law". 287 Übersetzung: Niemand darf (oder es ziemt niemanden) klüger als das Gesetz sein (zu sein). Dieser Satz wird durch den anderen Satz ergänzt, den Radbruch so 285
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mand klüger sein kann als das Gesetz, wird die These von der Vernunft als „perfectionnement artificiel" abgelehnt und durch den Satz „Lex est Ultissime cassis" ersetzt 288 . Er nennt nun weiter die kritische Äußerung gegenüber dem Hobbes'sehen Dialog, die vom „Sergeant at the Law of England" geäußert wurde, einer anonymen Schrift aus der gleichen Epoche, eine Replik auf Hobbes. Sie betont vor allem die Notwendigkeit der Rechtssicherheit. Dort heißt es: „Je unsicherer das Recht in einem Königreich (Herrschaft) ist, um so größer ist das Übel für das gemeine Wohl. Wenn nun aber die Subjekte einer Herrschaft gezwungen sind, sich genaue Vorschriften zu geben und wenn sie dazu durch eine willkürliche Person angehalten werden, dann gibt es keine unsichere oder unbekannte Situation. Das subjektive Gewissen ist demgegenüber eine Sache geringster Sicherheit, denn ein Mensch kann sich einbilden, wenn er auf zwei ,brins de paille 4 geht, daß er dann sein Gewissen verletzt und ein anderer könnte denken, daß - wenn er zu wenig Geld hat und sein Nachbar zu viel - er mit gutem Gewissen einen Teil des Geldes des anderen nehmen könne. So sehr die Menschen verschieden sind, so sehr sind ihre Gewissen verschieden, denn niemand weiß besser als Sie, mein Herr Doktor, was das Gewissen i s t " 2 8 9 .
Die gegensätzlichen Positionen im Dialog, also zwischen Doktor und Student, und dem anonymen Autor, der sich „Sergeant at the Law of England" bezeichnet, findet Radbruch in der Aufspaltung der englischen Rechtsphilosophie und Rechtswissenschaft in zwei kontroversen Schulen bestätigt, ja reproduziert. So spricht er von der Gegnerschaft zwischen Coke und Sir William Blackstone auf der einen Seite und Hobbes auf der anderen. Den Kulminationspunkt sieht er eigentlich im Streit zwischen Sir William Blackstone und Bentham. Zwischen dieser dritten Etappe des Streits um die Begründung der Rechtssicherheit zwischen Bentham und Sir William Blackstone und der ersten Etappe zwischen Saint-Germain 290 , dem Autor des Dialogs auf der einen und dem Anonimus auf der anderen Seite, liegt die zweite Etappe des geistigen Kampfes um die Begründung von Recht und Rechtssicherheit, nämlich der Kontroverse zwischen Coke und Hobbes.
formuliert hat: „Das Gesetz ist klüger als der Gesetzgeber", s. Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 25), S. 211. 288 Übersetzung: Das Gesetz ist der sicherste Helm. 289 Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 91: „Tout en admettant, dit-il, qu'il faut déplorer les injustices du droit commun dans des cas d'espèces, il serait en plus grand mal de s'y immiscer; i l serait pire de rendre le droit incertain que de laisser subsister une injustice particulière sans la redresser". 290 Christopher Saint-Germain, 1457-1539; s. auch Coquillette, „Civillian Writers" (Fn. 196), S. 48-57.
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A m Kriterium der Rechtssicherheit ließe sich die englische Rechtswissenschaft in zwei Schulen zerlegen: die, die an das Vernunftrecht glaubt und die andere, die das Recht auf die Autorität stützen. Hier werden zwei Werte vertreten, die sich für die Methode der Präzedenzentscheidung auf der einen oder für die Methode der Kodifikation auf der anderen Seite, für historischen Zugang oder für analytische Methode aussprechen. Radbruch fügt dann hinzu, dass ein kontinental-europäischer Beobachter sich über diese Verbindung des Glaubens an die Vernunft mit dem Glauben an die Geschichte verwundern müsste 291 . Trotz dieser Differenz zwischen Coke und Sir William Blackstone gehörten beide zur ersten Schule, während die Gruppe der Autoritätsvertreter von Hobbes eröffnet, von Bentham und von Austin fortgesetzt wurde. Gerade im Hinblick auf die Rechtssicherheit sind sich aber auch die Gegner einig. Hier zitiert Radbruch zum Beweis dieser Behauptung einen Satz Campbeils 2 9 2 aus dem Jahre 1847, der gleichfalls die Equity-Gerichte und die Equity-Rechtsprechung den strengen Forderungen der Rechtssicherheit unterwerfen w i l l 2 9 3 und am Beispiel des „Kanzlerfußes" den Gedanken verwirft, dass das Equity-Recht unsicher sei 2 9 4 . Auch mit Francis Bacon, dem anderen Gegenspieler Cokes, besteht hinsichtlich der Rechtssicherheitsproblematik Einigkeit. Radbruch greift diesen Gedanken im Folgenden auf und zitiert Bacon 2 9 5 . 291
s. Fn. 289. Campbell, „Lord Chancellors", S. 642. 293 Übrigens bringt hier Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 91 Anm. 3, ein Zitat von John Seidon, in welchem die Figur des Kanzlerfußes ausdrücklich hervorgehoben wird. Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 126. Das Zitat stammt aus den „Table Talk" (Fn. 202). 294 Das Zitat bei Campbell lautet in deutscher Übersetzung: „Die Lehrsätze der Billigkeits-Rechtsprechung (Billigkeis-Gerichtsbarkeit) wurden genauso streng fixiert und fast genauso formuliert, als jene der Gerichte des Common Law. Und indem man diese Prinzipien so fixiert hat, hat man gleichzeitig achtgegeben, dass ihre Anwendung den besonderen Bedingungen des jeweiligen Einzelfalles folgt. Ich kann nicht die Auffassung teilen, dass die Prinzipien dieser Gerichtsbarkeit sich dem jeweiligen neuen Richter anpassen mussten. Nichts hätte mir größere Schwierigkeiten gemacht, als ich den Richtersitz verlassen hatte, als mit dem Gedanken zu leben, in irgendeiner Weise den Vorwurf auf mich gezogen zu haben, dass die Equity dieses Gerichtes veränderbar sei wie die jeweilige Fußgröße des jeweiligen Kanzler-Richters". 295 Zitiert nach Sir Francis Bacons berühmten Werk „De augmentis scientiarum", das Kapitel „De prima dignitate legum, ut sint certae". Dort führt er aus: „Legis tantum interest ut certa est, ut absque hoc nec justa esse possit". Radbruch weist auch auf die beiden möglichen Formen der Unsicherheit des Rechts bei Sir Francis Bacon hin, wenn er ihn zitiert: „Altera ubi lex nulla praescribitur, altera ubi ambignu et obscura." Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 93 und S. 97. 292
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Das Ende dieses Artikels nimmt die Würdigung ein, die Radbruch dem Diskurs zwischen Sir William Blackstone und Bentham zuteil werden lässt. Auch in der Monographie „Der Geist des englischen Rechts" lässt er seine Arbeit mit einem Zitat Sir William Blackstones abschließen. Letztlich geht es bei der Diskussion nicht nur um die Zurückweisung von Gesetzen aufgrund von Vernunftüberlegungen, sondern um das, was Radbruch das Recht zur Revolution gegen ein ungerechtes Recht nennt 2 9 6 . Man sieht das Jahr 1936 und erkennt, dass Radbruch sich nicht rein rechtstheoretisch, sondern wohl auch aus politischen Gründen mit dieser Frage beschäftigt und dann bis zum Problem des Widerstandsrechts vordringt. Das englische Recht scheint das Widerstandsrecht gegenüber ungerechten Rechtssätzen zu verneinen 297 . Diese Feststellung trifft Radbruch sowohl für die Reformatoren als auch für die scheinbaren (virtuellen) Revolutionäre und ihre Gegner in der englischen Rechtswissenschaft. Eigentümlicherweise schließt Radbruch seinen Artikel mit einem Hinweis auf Bacon, der einen Senator des Kaisers Galba mit den Worten zitiert: „Vaut mieux vivre la où rien n'est légal que la où est légal" 2 9 8 . Die Untersuchung geht dann auf Matthew H a l e 2 9 9 ein, der sich in einer berühmten Schrift gegen den Dialog Hobbes wandte. Er gilt auch wohl heute noch (so bereits Holdswoth) 3 0 0 als größter angelsächsischer Rechts296 Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 97. Radbruchs Einstellung zum Widerstandsrecht ist durch seine starke Betonung des Weites der Rechtssicherheit bedingt. Sein Verhältnis zum gesetzlichen Unrecht oder Nichtrecht entwickelt sich auf zwei Ebenen: Die erste Ebene ist die der Verletzung der Gerechtigkeit unter Wahrung der Zweckmäßigkeit und der Rechtssicherheit. Hier gilt das von Arthur Kaufmann in diesem Zusammenhang gebrachte Zitat von Max-Ernst Mayer, in: Radbruch, „Rechtsphilosophie" (Fn. 25), S. 21, „Der Richter, indem er sich dem Gesetze ohne Rücksicht auf seine Gerechtigkeit" zum Diener macht, „wird (...) trotzdem nicht bloß zufälligen Zwecken der Willkür dienstbar. Auch wenn er, weil es das Gesetz so will, aufhört, Diener der Gerechtigkeit zu sein, bleibt er doch immer Diener der Rechtssicherheit (...)." Dazu auch Kaufmann, „Radbruch", S. 77. Auf einer zweiten Ebene, auf welcher der Richter auch nicht mehr Diener der Rechtssicherheit sein kann, spricht dann Radbruch vom Nichtrecht und nicht nur bloß vom „richtigen - unrichtigem Recht". Hierzu vgl. Radbruch, „Erneuerung", S. 8-16, s. auch in: „Naturrecht", S. 1-10; sowie ders., „Reichsjustizministeriums" 5. 57-64; sowie ders., „Gesetzliches Unrecht", S. 105-108, s. auch in: „Mensch" (Fn. 13), weiterhin in: „Rechtsphilosophie", 4. Aufl., Stuttgart 1950, S. 182 und 6. Aufl. Stuttgart 1963, S. 347-357. 297 Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 97. 298 Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17), S. 99. 299 Sir Matthew Haie (Fn. 159). Seine Bedeutung für die Equity und die Rechtsreform wird von Baker, „English Legal History" (Fn. 161), S. 243-245 und S. 356, unterstrichen. 300 Ygi d a s Standardwerk von Holdsworth, „History".
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historiker nach Maitland und ist einer der großen Mitglieder der englischen historischen Rechtsschule. In dieser Arbeit wandte sich Haie gegen die Ablehnung des Common Law durch Hobbes. Ähnlich wie Coke sah Haie im Common Law die Herausbildung der Rechtserfahrungen früherer Generationen, ohne dabei den Begriff der Vernunft zu gebrauchen, wie das Coke tat. Radbruchs Untersuchung über die Rechtssicherheit im englischen Recht endet eigentlich mit der genau gezeichneten Attacke Benthams auf die Position Sir William Blackstones. Die naturrechtliche Position Sir William Blackstones und sein spiritueller Konservatismus erscheinen Bentham als widersprüchlich in sich selbst, denn auf der einen Seite schrecken Naturrechtler wie Sir William Blackstone vor jeder Neuerung zurück, auf der anderen Seite würde ihr System keine Sicherheit gegen radikale Veränderungen geben. Im „Dialogue" hatte Hobbes im Anschluss an seinem Leviathan und frühere politische Schriften seine bekannte These ausgebaut, dass die Waffengewalt die einzige ausreichende Stütze der Ordnung sei und dass weder das Parlament diese ersetzen, noch die Krone darauf verzichten könne. Deswegen hatte er Cokes Argumente angegriffen, der eine Korrektur der Gerichtsentscheidungen durch die Chancery ablehnte 301 . Hobbes wird daher in der angloamerikanischen Literatur auch als „vorerunner" von Bentham interpretiert, da sich beide gegen das Common Law aussprachen. Coke behauptete demgegenüber, dass das Recht von einigen weisen Richtern und Gelehrten abhänge und dass das Common Law „an artificial perfection of reason, gotten by long study, observation, and experience ... which Hobbes put into the mouth of his student of the common law and which the latter explains in the summa ratio; and therefore if all the reason that is dispersed into so many several heads, were united into one, yet could he not make such a law as the law of England is; because by so many successions of ages it hath been fined and refined by an infinite number of grave and learned men", sei 3 0 2 . Hobbes lässt seinen Philosophen darauf antworten:
301 „Hobbes arguments are publishes originally in 1680 contained in three dialogues which in the Latin version of Leviathan, take the place of the , Review and Conclusions' and they also appears in A n Historical Narration Concerning Heresy and the Punishment There of, published posthumously in 1680. A short summary of these arguments is contained in A Dialogue Between a Philosopher and a Student of the common Laws of England", in Christie, „Jurisprudence" (Fn. 167), S. 301, Anm. 18. 302 Zitiert nach Christie, „Jurisprudence" (Fn. 167), S. 303, Anm. 25. Cokes Feststellung „an artificial perfection . . . " steht in The First Part of „Institutes of the Laws in England", Sec. 138.
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„Die Vernunft, die die Lebensquelle des Rechtes sei, sollte sie wohl nicht natürlich, sondern künstlich (artificial) sein, so könne er, der Philosoph, es verstehen. Es sei ja richtig, daß die Rechtskenntnis durch viel Studium erworben werde, doch deswegen sei die dazu erforderliche oder dadurch entwickelte Vernunft immer noch natürlich und nicht künstlich."
Zwar könne man einräumen, dass „knowledge of the law" zwar eine Kunst sei, (art), doch sei es eben nicht die Kunst eines Mannes oder einiger weniger Männer. So fährt er fort: „It is not wisdom, but authority that makes a law. Obscure also are the words ,legal reason*. There is no reason in earthly creatures, but human reason."
Das Gesetz könne nur durch den Inhaber der „Legislative power" gemacht werden, nicht durch die „summa ratio" eines Juristen oder des Juristenstandes 303 . Von großer Bedeutung war auch die Konfrontation zwischen Edward Coke und Francis Bacon 3 0 4 . Radbruch hat Bacon wiederholt in seinen Werken über das angelsächsische Recht zitiert, ihm aber keinen entscheidenden Platz zugewiesen. Francis Bacon wurde am 22. Januar 1561 geboren und war der jüngere Sohn von Sir Nicholas Bacon (1509-1579). Er, sowie sein lebenslanger Rivale Edward Coke (1552-1634), waren Schüler des Trinity College, Cambridge. 1606 wurde Coke zum Chief Justice of the Court of Common Pleas ernannt. Bacon wurde bei der Wahl zum Attorney General übergangen.
303
s. auch Lionel/Hart, „Positivism", S. 593, und die dort ebenfalls abgedruckte Erwiderung von Lon L. Fuller, S. 630 ff.; zum Problem Macht, Moral und Ethik s. folgende Abhandlungen: Warrender, „Philosophy of Hobbes", besonders S. 299329; Taylor, „Doctrine of Hobbes", with Gauthier, „Leviathan"; s. auch Willms, „Hobbes". 304 Die umfangreichste Studie über Sir Francis Bacon ist das Buch von Spedding, „Francis Bacon".
VII. Rechtsvergleichung und das Internationale Recht Radbruch verfasste sehr unterschiedliche rechtsvergleichende Beiträge zu Fragen, die durch den Ersten Weltkrieg entscheidend beeinflusst worden sind, die das studentische und wissenschaftliche Leben betreffen, so der Beitrag über „Russische und deutsche Studenten" 305 , „Über römisches Recht und Revolution" und der Artikel „Zur Philosophie dieses Krieges" 3 0 6 . Der Artikel „Römisches Recht und Revolution" 3 0 7 war eine Erwiderung auf Gerhard von Beselers Angriff in der gleichnamigen Schrift vom 15. November 1919, der ebenfalls gedruckt wurde 3 0 8 . Auch Probleme des Völkerrechts wurden von Radbruch behandelt und sind in GRGA-Bd. 15 gesammelt, so der Beitrag „Das Papsttum im Völkerbund" 3 0 9 und ein weiterer über „Ius naturae et gentium" 3 1 0 als Umfrage zum Gedächtnis des Hugo Grotius. Daneben stehen die klassischen rechtsvergleichenden Artikel wie eine Untersuchung über die angloamerikanische Rechtstheorie mit dem Blickwinkel eines kontinentaleuropäischen Juristen 311 . Dieser in Oxford geschriebene Artikel bezeichnet Radbruch als ehemaligen Professor der Universität in Heidelberg 312 und stellt die Vorarbeit zu „Der Geist des englischen Rechts" dar 3 1 3 . 305
Radbruch, „Studenten". Radbruch, „Krieg", S. 139-160. Der Aufsatz ist gedanklich zugrundegelegt und ausgearbeitet in dem Abschnitt „Der Krieg" (§ 29) in Radbruchs „Rechtsphilosophie" (Fn. 25). 307 Radbruch, „Römisches Recht - Erwiderung", S. 3-10, auch abgedruckt in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 93 ff., als Erwiderung auf den Vortrag von Gerhard von Beseler, „Römisches Recht" (Fn. 308). 308 Georg von Beselers Antwort vom 15.11.1919 auf Radbruchs Flugschrift „Junge Juristen", S. 3-14, auch abgedruckt in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 77 ff. und vgl. zur Auseinandersetzung zwischen Radbruch und von Beseler, ebd. S. 409 ff. und 430 ff. 309 Radbruch, „Papsttum"; ders., „Krieg", 139 ff. 310 Radbruch, „Ius naturae", 165 ff.; auch abgedruckt in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 239 ff. Radbruch antwortete mit der Stellungnahme auf eine Umfrage der Niemeyers' Zeitschrift für Internationales Recht, s. dazu GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 443. S. auch Hoffmann-Loerzer, „Grotius", S. 293 ff. 311 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14). 312 Der Artikel bezeichnet Radbruch als ehemaligen Professor in Heidelberg, weil er bereits im Mai 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Lehramt entlassen worden war. 313 Radbruch, „Geist" (Fn. 14). 306
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Ausgangspunkt für diese Entwicklung war Anselm von Feuerbach, auf den Radbruch mit Recht so viel Lebenskraft verwendet hat und durch dessen Biographie erneut die Leistungen der Rechtsvergleichung zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Deutschland ihre Anerkennung gefunden haben 3 1 4 . Es hatte der europäischen Integration bedurft und der Konfrontation mit anderen Ausbildungssystemen in Europa, um das unsinnige System endlich zu reformieren. Bissig weist Radbruch auf das neue Rechtsbewusstsein der aufsteigenden Arbeiterklasse hin, auf Wandlung „und Veränderung", welchen er mit dem Begriff des sozialen Rechts kennzeichnen wollte.
314
Radbruch, „Feuerbach" (Fn. 1). Aus der Fülle von weiteren Feuerbachdarstellungen sei hier nur der in französischer Sprache erwähnt: Radbruch, „Feuerbach précuseur" (Fn. 9).
Vili. Juristisches Studium und Studienreform Fragen des wissenschaftlichen Nachwuchses beschäftigten Radbruch auch schon vor dem Kriege. So wendet er sich in einem Zeitungsartikel gegen Angriffe auf russische Studenten und betont, dass sie stets zu seinen aufrichtigsten und ernsthaftesten Hörern gehört hatten 3 1 5 . Die Studententhematik wird von Radbruch in einem schon erwähnten Beitrag wieder aufgenommen 316 : Dem Flugblatt Radbruchs „Ihr jungen Juristen" 3 1 7 . Es folgte eine Erwiderung von Gerhard von Beseler mit dem Titel: Römisches Recht und Revolution. Dieser Vortrag beginnt mit der Einleitung, dass es von Beseler schwergefallen sei, gegen Radbruch Stellung zu nehmen. Von Beseler ergreift Partei zugunsten des römischen Rechts und der römischen Juristen, die er einzeln aufzählt und sagt von ihnen, dass sie von leidenschaftlicher Liebe zur Gerechtigkeit und zur Ordnung beseelt gewesen seien und dass sie in höchstem Maße die intellektuellen Tugenden des guten Juristen besessen hätten. Er fährt dann fort, dass die Philosophie des Juristen sehr einfach sei: „honeste vivere, alterum non ledere, suum cuique tribuere" 3 1 8 . Nun wirft von Beseler Radbruch vor, im römischen Recht eine Lähmung durch Geschichte und Kultur zu erblicken und dass die Krise der gegenwärtigen Gesellschaft sich noch vor weniger Zeit in Zwei Prinzipien ausgedrückt habe: „Nur ein Fetzen Papier" und „Not kennt kein Gebot". Darauf erwiderte Radbruch, indem er von Beselers Angriff, mit den Worten apostrophierte: „Was weiß ein revolutionärer Kriminalist von Interpolationsforschung?" 319 . Radbruch ging es im wesentlichen um die Reform des Rechtsstudiums, einer Reform, die bereits auf den Schulen vorbereitend beginnen müsste. „Unter allen Studierenden sind die Juristen die einzigen, die ohne auch nur die elementarste Kenntnis ihres zukünftigen Arbeitsgebietes, ohne jedes Bewußtsein ihrer Eignung und Neigung für den künftigen Beruf der Universität überliefert werden ( . . . ) " 3 2 ° . 315
Radbruch, „Studenten" (Fn. 305). Radbruch, „Austausch", S. 527-528, es handelt sich hierbei um eine Antwort auf eine Umfrage. Diese ist erschienen unter der Rubrik Mitteilungen „Enquête", in: Deutsch-französische Rundschau, Band I Heft 3 März 1928, S. 265 f., vgl. hierzu GRGA-Bd- 15 (Fn. 4), S. 240 ff, 444 f. 317 Radbruch, „Junge Juristen", S. 3-14. 318 von Beseler, „Römisches Recht" (Fn. 307), S. 5. Iuris praecepta sunt haec: honeste vivere, alterum non laedere, suum cvique tribuere; Ulpian, 333 D - 1,1,10, 10. 319 Radbruch, „Römisches Recht - Eine Erwiderung" (Fn. 307), S. 3. 316
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Vor allem wehrt sich Radbruch gegen von Beselers Vorwurf, dass sein Lob des römischen Rechts „instinktiv listig" sei. Weiterhin beruft er sich auf Franz von L i s z t 3 2 1 - den von Beseler sicher auch einen revolutionären Kriminalisten genannt hätte - , der im politischen Kampf gestanden hatte, doch darauf geachtet habe, dass niemals Politik und Wissenschaft vermischt worden seien. Von Beseler sah in Radbruchs Flugschrift drei Gedanken ausgedrückt: Erstens, das Geschichtsstudium sei lähmend für das Wollen, zweitens, sei es eine konventionelle Lüge, den Bildungswert des römischen Rechts zu preisen, nachdem durch das Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches das römische Recht seine Geltung verloren habe, und drittens, sei der Durchmarsch durch Belgien 3 2 2 ein unrechtmäßiger Gewaltakt und eine Ausgeburt der Religion der Macht gewesen. Radbruchs Einstellung zum römischen Recht war selbst einer inneren Entwicklung unterworfen und eigentlich nie ganz frei von Antinomien. In seinem Aufruf „Ihr jungen Juristen" hatte er die Schwächen des römischen Rechts gegeißelt und dieses Rechtssystem als pädagogisch-zivilisatorisches Modell abgelehnt, weil in ihm zu stark das individuelle eigentumsbezogene Egozentrische des modernen Menschen betont werde, während offenkundig das vom ihm verfolgte Humanum, das Soziale im Recht vernachlässigt werde. Je mehr sich nun Radbruch aber im weiteren Verlauf seines Lebens mit dem englischen Common Law beschäftigte, erkannte er innere Verwandtschaften zwischen diesem englischen auf Entscheidungen basierendem Rechtssystem und dem römischen Recht. In gleichem Maße erkannte er nicht nur den pädagogischen, sondern auch den freiheits- und rechtssichernden Wert des römischen Rechts an. Eine Besonderheit soll hier noch betont werden. Zu Cicero hatte Radbruch immer ein positives Verhältnis und stand damit eigentlich im Gegensatz zur Tradition der Romanisten in Deutschland, die sich dem negativen Urteil Theodor Mommsens über Cicero angeschlossen hatten. Dies wird vor allem aus dem Briefwechsel Gustav Radbruchs deutlich. In seinem Brief an seinen Sohn Anselm vom 24. August 1940 3 2 3 beschreibt er seine Beschäftigung mit Ciceros philosophischen Schriften und sagt: „So ließ ich mich in den letzten Tagen auf Ciceros philosophische Schriften hinlenken und fand sie viel besser als ihr Ruf, voll gelungenen Formulierungen, und ein mir noch unbekanntes Stück, einen Traum Scipios, sogar von künstlerischer Kraft und Tiefe. Dabei habe ich das wehmütige Gefühl, zu der letzten Generation
320
Radbruch, „Römisches Recht - Eine Erwiderung" (Fn. 307), S. 5. Radbruch, „Römisches Recht - Eine Erwiderung" (Fn. 307), S. 8. 322 Zum Durchmarsch durch Belgien im Ersten Weltkrieg s. Radbruch, „Römisches Recht", Triplik (Fn. 307), S. 12. 323 Brief an Sohn Anselm vom 24.8.1940, B/150, in: Wolf (Hrsg.), „Briefe" (Fn. 151). 321
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zu gehören, die für solche Dinge noch Sinn hat, und fühle mich noch schmerzlicher bewegt durch den Gedanken, was alles Dir und Deiner Generation auferlegt ist, während mir nichts übrig bleibt, als mir über die Sorgen dieser Zeit mit zeitfernen Studien hinwegzuhelfen." I m B r i e f an Helga Einsele v o m 9. M ä r z 1 9 4 1 3 2 4 schrieb Radbruch: „Ich glaube, daß man ihn seit Mommsen unterschätzt hat. Jedenfalls ist er die Grundlage der Kenntnis antiken Geistes für das ganze Mittelalter gewesen und schon deshalb nicht nur so obenhin zu erledigen. Das zeigt das schöne Buch von Zielinski über Ciceros Nachleben". Ä h n l i c h ist Radbruchs U r t e i l über Cicero an E r i k W o l f v o m 24. Dezember 1 9 4 2 3 2 5 . Ergreifend ist auch seine Äußerung i m B r i e f v o m 28. M a i 1 9 4 3 3 2 6 an den gleichen Adressaten, wenn er schreibt: „Ich habe in der Tat in den letzten Jahren große Freude gehabt an lateinischer Lektüre, besonders an Cicero, über dessen consolatio beim Tode seiner Tochter Tullia ich auch einen kleinen Aufsatz geschrieben habe - er soll in einem Bändchen gesammelter (nichtjuristischer) Aufsätze erscheinen, an dem ich jetzt arbeite" 3 2 7 . K r i t i s c h zu Mommsens Cicerobild ist auch der B r i e f an D e l Vecchio v o m 28. Februar 1 9 4 9 3 2 8 . Radbruch hat i n der umstrittenen Schrift „ I h r j u n g e n J u r i s t e n " 3 2 9 aber auch andere Dinge gesagt, die sicher mehr Anstoß hätten erregen können, z . B . die Bedeutung des Sozialismus als Reduktion geistiger Vielfalt: „Der Luxus des Geistes und der Formen wird von den Einzelnen auf die Gemeinschaft übergehen. Wieder werden wie im Mittelalter Dom und Rathaus als der teure Gemeinbesitz aller erhaben und ziervoll zwischen schmucklosen Wohnungen ragen, und was der Geist an Fülle verliert, wird er an Einheit gewinnen ( . . . ) " 3 3 ° Er schreibt dann v o m Juristen, dass er i n der Verwaltung zurückgedrängt wird. Er bemerkt weiterhin, dass sich auch i n der Justiz die Aufgabe des 324
Brief an Helga Einsele vom 9.3.1941, B/156, in: Wolf (Hrsg.), „Briefe" (Fn.
151). 325
Brief an Erik Wolf vom 24.12.1942, B/186, in: Wolf (Hrsg.), „Briefe" (Fn.
151). 326
Brief an Erik Wolf vom 28.5.1943, B/194, in: Wolf (Hrsg.), „Briefe" (Fn.
151). 327 Radbruch, Cicero: Trauer und Trost um Tullia, in: „Gestalten", neue erw. Aufl., Stuttgart 1954, S. 14 ff. Dieses Buch ist Reinhard Buchwald, G. F. Hartlau und Franz Schnabel gewidmet. Im Vorwort sagt Radbruch: „Dieses Buch bedeutet für seinen Verfasser eine Bestandsaufnahme seiner geistigen Existenz". 328 Brief an Giorgio Del Vecchio vom 28.2.1949, B/264, in: Wolf (Hrsg.), „Briefe" (Fn. 151). 329 Radbruch, „Junge Juristen" (Fn. 317). 330 Vgl. Fn. 317, S. 3.
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Juristen grundlegend verändern werde. In dieser veränderten Funktion des Richteramtes komme eine veränderte Stellung des Rechtes zur Geltung. Radbruch greift hier Gedanken von Auguste Comte auf und versteht Recht wohl im Sinne eines Social Engeneering oder einer sozialen Physik 3 3 1 , wenn er selbstverständlich auch Vorbehalte gegenüber einem völligen Abgleiten in die tote Maschinenwelt hat. Das Recht habe vielmehr nur aufgehört, eine „freischwebende Welt für sich zu sein" 3 3 2 . Es macht sich beim Recht stärker bemerkbar, dass es eben eine Erscheinung und Aufgabe der Kultur sei und als solches erkannt werden müsse. Er wendet sich auch gegen die Geschichte und verneint, dass es in Zukunft die Weltanschauung des Juristen bestimmen dürfe. Zutreffend beklagt er, dass es heute in Deutschland, dem klassischen Lande der Philosophie, nicht einen einzigen Lehrstuhl für Rechtsphilosophie gebe. Ein Mangel, dem auch am Ende des Jahrhunderts kaum abgeholfen ist. Heute ist noch gültig, was er von den Jahren der Referendarzeit sagte: „Die Jahre des Vorbereitungsdienstes sind gerade für die Kleinsten und Tüchtigsten Jahre der Qual" ( ! ) 3 3 3 .
Der Aufsatz „Justice and Equity in International Relations" versucht 334 , die Grundlagen für die Schiedsgerichtsbarkeit oder die nichtstreitige Schlichtung als Problem eines doppelten Gegensatzes verständlich zu machen, nämlich des Gegensatzes zwischen Gerechtigkeit und Billigkeit (Justice und Equity) 3 3 5 einerseits und der gesetzlichen bzw. rechtlichen oder politischen Begründung von Positionen, welche einer Schlichtung zugeführt werden sollen andererseits. Radbruch versucht, den Begriff der griechischen Billigkeit aus der aristotelischen Vorstellung der „epieikeia" 3 3 6 abzuleiten. Schon nach der aristotelischen Definition der Billigkeit in der nikomacheischen Ethik wird das Institut der Billigkeit als Korrektivum des Gesetzes angesehen, wie das später in der abendländischen Tradition in der Gegenüberstellung von Recht und Gnade oder justice und equity fortgesetzt wurde. Die Arbeit geht dann auf die Grundsatzfrage ein, ob das Sollen aus dem Sein hergeleitet werden kann oder umgekehrt die Sollenskategorien unabhängig vom Sein zu denken sind. Radbuch weist hier auf den Gegensatz zwischen Goethes Anschauung vom Urphänomen 337 , wie sie in seiner 331
Leuschner, „Comte", S. 262. Radbruch, „Junge Juristen" (Fn. 317), S. 7. 333 Radbruch, „Junge Juristen" (Fn. 317), S. 11. 334 Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57), S. 1. 335 Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57), S. 1. 336 Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57), S. 2. 337 Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57), S. 4. Hier verweist Radbruch auf das Urphänomen und ein Zitat aus Goethes Farbenlehre. 332
6 Scholler
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Farbenlehre ausgedrückt wird, und Kants Philosophie hin. Eine ähnliche Unterscheidung sieht er auch in den Methoden der Gerechtigkeit und der Billigkeit, wobei die Billigkeit vom individuellen Problem den Ausgangspunkt nimmt und von da doch zu allgemeinen Prinzipien vorzustoßen versucht, die allgemein anwendbar sind. Dies wird dann mit einem Cicero-Zit a t 3 3 8 belegt, in welchem die Verbindung von Billigkeit zur Gleichheit und Universalität hergestellt wird. Der Gedankengang wird auch durch einen Hinweis auf Hugo Grotius abgestützt, von welchem ebenfalls die aequitas als aequalitas angesehen wurde. Die Arbeit untersucht dann die Beziehung der „corrective justice" zur „distributive", die als justitia commutativa bzw. distributiva dem privaten bzw. dem öffentlichen Recht zugeordnet werden 3 3 9 . Das Problem der Rechtssicherheit wird dann von Radbruch mit einem Hinweis auf den römischen Juristen Paulus 3 4 0 aufgeworfen, indem er auf dessen berühmte Definition verweist und dazu ein langes Zitat von John Seiden bringt. Ziel dieses Beitrages ist für Radbruch die Auflösung des Dilemmas, in welchem sich auch ein „ehrlicher Makler" - er bezieht sich hier auf Bismarcks Funktion in der völkerrechtlichen Konsolidierung - in der Regel immer nur bei der Beurteilung der beiden gleichgelagerten Interessen der Beteiligten sieht, dass er aber selten oder nie auf das common good, das internationale Interesse oder das Interesse der internationalen Gemeinschaft eingeht. Die internationale Billigkeit, sagt er, gerät leicht ins Abseits, denn es droht eine große Gefahr von der Kompromissbereitschaft der Parteien, die das übergreifende Gemeinwohl außer Acht lassen. Ein internationales Equity Tribunal kann nur funktionieren, wenn sich Richter finden, die über den nationalen Interessen stehen oder wenn sich gleichzeitig ein internationales Bewusstsein herausbildet, was in diesem vollem Umfange wohl erst nach dem Zweiten Weltkrieg der Fall war. Ein anderer Beitrag aus dem Jahre 1936 greift auf die angloamerikanische Rechtsphilosophie über, welche von Radbruch bewusst aus der Perspektive eines kontinental-europäischen Juristen gesehen w i r d 3 4 1 . 338
Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57), S. 5. Radbruch, „Justice and Equity" (Fn. 57), S. 6. 340 Paulus Julius, berühmter römischer Jurist unter Kaiser Septimus Ceverus, Caracalla und Alexander Sever; Schüler des Scaevola und Assessor Papians, Praefectus Praetorio. „Heumanns Handlexikon", S. 411, wurde von E. Seckel bearbeitet. Paulus verfasste ungefähr 90 Schriften, von denen zahlreiche Bruchstücke in den justinianischen Pandekten überliefert sind. 341 Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14). Zum angloamerikanischen Recht hat Radbruch auch an anderer Stelle noch veröffentlicht und zwar: „Rechtsphilosophie in England und USA" (Fn. 57) sowie „Het engelsche strafrecht", S. 145-153, vgl. Fn. 128. 339
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Diese Arbeit befasst sich zentral mit der Philosophie John Austins und spürt gleichzeitig nicht nur der Besonderheit der Austin'sehen Rechtsphilosophie nach, sondern versucht auch, die Verbindungen zwischen Austin und der deutschen Philosophie oder Rechtsphilosophie herzustellen. In der strikten Trennung von Recht und M o r a l 3 4 2 , die ja die Teilung in forum internum und forum externum hervorruft, sieht er einen starken Einfluss der deutschen Philosophie, insbesondere des Idealismus und der kantischen Philosophie. In seinem Artikel wendet sich Radbruch dann Sir Henry Sumner Maine zu. Nach dem Komparatisten Maine geht er auf John Chipman Gray ein. Das Buch John Chipman Grays: The Nature and Sources of the L a w 3 4 3 dient ihm zum Ausgangspunkt, weil der Autor hier die Behauptung aufstellt, dass sich die Grundprinzipien des Rechts in „general forces of human nature" vorgeformt finden. Die Jurisprudenz wird so zu einem Zweig der Anthropologie. In solchen Äußerungen sieht Radbruch den praktischen und realistischen Charakter des englischen Rechtsdenkens repräsentiert, das sich gegen Austins Rigorismus zur Wehr setzte. Die kritische Einstellung der praktisch und empirisch orientierten englischen Juristen gegenüber der Rechtsphilosophie zeigt Radbruch in einem Zitat von B r y c e 3 4 4 auf. Hier werden die von den römischen Juristen erarbeiteten Rechtsprinzipien dem philosophischen Rechtsdenken gegenübergestellt und es wird kein Zweifel gelassen, auf welcher Seite Bryce steht. Der Artikel geht dann auf Hohfeld und Kocourek sowie auf die noch wesentlich bekannteren amerikanischen Juristen wie Oliver Wendeil Holmes, Louis Dembitz Brandeis, Roscoe Pound und Benjamin Nathan Cardozo ein, ohne dass allerdings diesen Autoren sehr viel Raum gewidmet w i r d 3 4 5 . Unter Hinweis auf Nietzsches „Fröhliche Wissenschaft" 346 als Paradigma betont Radbruch die ungebrochene Natürlichkeit, ja die Heiterkeit amerikanischen und angelsächsischen Rechtsdenkens mit folgenden Worten: „What an experience and wisdom of life, what sound power of judgement, what straightness of argument compared with the extravagance or cloudiness of many a Continental thinker, what perfection in style .. . " 3 4 7 .
Er sieht in der amerikanischen Rechtsphilosophie ein fermentierendes Element, das wie durch Zauberkräfte gelenkt eine neue Gesellschaft hervorbringt, die vor allem durch den Geist der Freiheit gekennzeichnet ist, welche er auf die Arbeiten von Rechtsphilosophen wie Sir William Blackstone zurückführt. Radbruch, der in Deutschland Verfolgte, der in England ein 342 343 344 345 346 347
6*
Radbruch, Radbruch, Radbruch, Radbruch, Radbruch, Radbruch,
„Anglo-American „Anglo-American „Anglo-American „Anglo-American „Anglo-American „Anglo-American
Jurisprudence" Jurisprudence" Jurisprudence" Jurisprudence" Jurisprudence" Jurisprudence"
(Fn. (Fn. (Fn. (Fn. (Fn. (Fn.
14), 14), 14), 14), 14), 14),
S. S. S. S. S. S.
531 f. 538. 540. 541. 544 544.
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wissenschaftliches Asyl gefunden hatte, wurde gerade von diesem Geist der Freiheit und von den folgenden Worten Sir William Blackstones besonders angezogen: „The protection of the liberty of Britain is a duty, which they owe to themselves, who enjoy it; to their ancestors, who transmitted it down; and to their posterity, who w i l l claim at their hands this, the best birthright and noblest inheritance of mankind" 3 4 8 .
Dieser englischsprachige Beitrag hat eine französische Übersetzung unter dem Titel: La théorie anglo-américaine du droit vue par un juriste du continent gefunden 349 . Wir greifen daher noch einmal den Gedankengang auf, der in der französischen Fassung manchmal stärker konturiert hervortritt. Radbruch bemerkt wiederum einleitend, dass sich die englische Rechtsphilosophie einen insularen Charakter erhalten habe und daher in ihrer Entwicklung eigene Wege gegangen sei. Während so beispielsweise die Rechtsphilosophie im 19. Jahrhundert auf dem Kontinent mit der historischen Rechtsschule als Reaktion gegen das Naturrecht begonnen habe, sei in England ein geradezu entgegengesetzter Ausgangspunkt zu finden. Der in England verbreitete Konservatismus habe sich auf das Naturrecht gestützt, während die Reformisten ihrerseits sich stärker auf das positive Recht berufen hätten. Auch in diesem Beitrag geht Radbruch ebenso ausführlich auf John Austin ein und zeigt immer wieder Einflüsse deutscher Philosophie auf diesen englischen Rechtsphilosophen. Dabei lässt es Radbruch offen, ob Austin selbst, der ein Schüler Benthams war, diesen deutschen Einfluss übertrieben habe. Die Bewunderung des Gewohnheitsrechts und verschiedene andere Äußerungen rücken ihn immerhin in die Nähe der historischen Rechtsschule, nähert ihn an die deutsche Rechtsphilosophie an, wenn er den Gegenstand einer allgemeinen Rechtstheorie in der Entwicklung von Prinzipien, Konzeption und Differenzierungskriterien sieht. Auch in der bei John Austin vorfindbaren strikten Trennung zwischen Moralität und Legalität sieht er einen deutschen Einfluss, oder besser gesagt einen Einfluss Kants und des deutschen Idealismus. In diesem Zusammenhang weist er auch wiederum auf die Trennung von forum internum und forum externum als Konsequenz der Scheidung zwischen Moralität und Legalität hin. Schließlich wird die deutsche historische Rechtsschule der analytischen Schule in England gegenübergestellt. Nach einer Klärung der Beziehungen zwischen Austin und Henry Sumner Maine geht der Artikel auf die analytische Schule 3 5 0 ein. 348
Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 545. Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14). 350 Die analytische Schule wurde u.a. von Sir William Markby, Sir Thomas Erskine Holland und Sir John William Salmond (Fn. 256), gegründet. 349
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Aus der gleichen Zeit stammt der französische Artikel: La sécurité en droit d'après la théorie anglaise 351 . Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit ist ja bereits in den beiden vorerwähnten Artikeln angesprochen worden. Hier geht Radbruch diesem Problem in bezug auf England näher nach. Die Ziele Gerechtigkeit, Autorität, Frieden und öffentliche Ordnung stehen untereinander nicht in Harmonie, sondern in einem Spannungsverhältnis, welches durch das Recht gelöst werden muss. In der ganzen englischen Rechtsgeschichte sei die Rechtssicherheit ein hervorragendes und dominantes Problem gewesen. Die Wichtigkeit der Präzedenzfälle und ihre Verbindlichkeit bewiesen dies nach Radbruchs Auffassung eindrücklich. Die Schwierigkeit dieses Artikels wie des vorangegangenen über die angloamerikanische Rechtswissenschaft und Rechtsphilosophie (in französischer Sprache) besteht ja gerade darin, dass die vielen Zitate ins Französische wiedergegeben werden, obschon sie aus englischen Werken stammen. Radbruch hat diese englischen Zitate übersetzt oder übersetzen lassen, da für viele englische Werke keine französischen Übersetzungen vorhanden waren. Dadurch wird aber eine Verifikation von Zitaten praktisch nahezu unmöglich, da die Übersetzung keine wörtliche, sondern eine freie ist. Aus dem gleichen Jahre (1936) stammt auch der Beitrag Jurisprudence in the Criminal L a w 3 5 2 , den wir ebenfalls als eine Frucht der Oxforder Zeit ansehen können. Radbruch rechtfertigt diese Untersuchung damit, dass er feststellt, dass auf dem Gebiet der Verbrechens- und Verbrechervergleichung kaum etwas an Wertvollem geschaffen worden sei. Sein Artikel beginnt dann mit der Behandlung der englischen und der kontinentalen Straftheorie und geht sehr bald zu einer Darstellung vom Positivismus und Rechtsphilosophie über, wobei er darauf hinweist, dass Paul Anselm von Feuerbach den allgemeinen Teil seines Strafrechts als den philosophischen Teil bezeichnet hatte, um die enge Verbindung zwischen Recht und philosophischer Theorie zu zeigen. Hier wird ein Vergleich zwischen Absicht (intention), Vorsatz (malice), Wissentlichkeit (knowledge) und anderen strafrechtlichen Zentralbefugnissen angestellt 353 . Dann wendet sich Radbruch den Verbrechenstatbeständen in der englischen Pönologie (penal science) zu. Anschließend wird die Unterscheidung zwischen Rechtfertigung (justification) und Entschuldigungsgrund (excuse) untersucht. Radbruch untersucht hier als auch im nächsten Abschnitt über die Lehre der Notwendigkeit als einem Teil der Rechtfertigungsdoktrin die zugrunde liegenden rechtsphilosophischen oder jurisprudenziellen Beweggründe. Hier werden auch rechts-
351 352 353
Radbruch, „Sécurité en droit" (Fn. 17). Radbruch, „Criminal Law" (Fn. 57). Radbruch, „Criminal Law" (Fn. 57).
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VIII. Juristisches Studium und Studienreform
vergleichende Ansätze verfolgt. Anschließend behandelt er die Lehre der Typicity 3 5 4 . Es wird ein Vergleich zum deutschen Strafrecht und der „Lehre vom Tatbestand des Verbrechens" gezogen. Radbruch kommt dann auf seine Typuslehre zurück (Typus des Verbrechens) 355 , da er das Ende der Rechtsphilosophie in einem Auseinanderfallen von allgemeiner Rechtslehre und Rechtstypuslehre sieht 3 5 6 . Abschließend wird das „Absichtsziel" behandelt (scope of intention) und damit die Untersuchung abgeschlossen. Zweck dieser Analyse war, wie Radbruch am Ende des Artikels ausführt, die systematische Rechtswissenschaft (systematic jurisprudence). Sie ist nur ein allgemeiner Überblick zur Erleichterung des Rechtsstudiums. Dabei geht es bei der systematischen Beschäftigung um die Substanz selbst, dennoch folgt aus ihr eine Fülle praktischer Konsequenzen hinsichtlich des Essentiellen, sowohl im Rechtsleben als auch in der bürgerlichen Welt. Er fordert mehr „Jurisprudenz" im Strafrecht, weil „systematic study of law is neglected at the peril of injury to the law i t s e l f ' 3 5 7 . Die beiden nächsten Artikel befassen sich ebenfalls mehr oder weniger mit dem englischen Recht. Im unmittelbar folgenden Beitrag befasst sich Radbruch mit dem indischen Strafgesetzbuch, das auf den englischen Juristen Thomas Barbington Mac Carley 3 5 8 zurückgeht. Er weist darauf hin, dass Mac Carley mit Livingston und Bentham gemeinsam hat, dass sie den Gedanken der Kodifikation und die Gegnerschaft gegen das judge made law in den Vordergrund stellen mit dem Bestreben, unter möglichstem Aus-
354 Die „Typicity" das Äquivalent steht für die „Tatbestandsmäßigkeit" und nicht für den Typusbegriff. Radbruch hat sich für Ordnugs-, Funktions- und Typusbegriffe gegen Klassen und Klassenbegriffe ausgesprochen: Radbruch, „Klassenbegriffe" (Fn. 280). 355 Radbruch geht auch in seinem Artikel, „Natur der Sache" (Fn. 8), S. 31 ff. auf die Bedeutung des Typus ein. M i t der Typuslehre Radbruchs beschäftigen sich expressis verbis Hassemer, „Gesetzlicher Strafrechtsrahmen", in: „Gedächtnisschrift" (Fn. 4), S. 281 ff. und auch Roxin, „Rechtsidee und Rechtsstoff 4 (Fn. 274), S. 260 f., sowie Schmidhäuser, „Systematik der Verbrechenslehre" in: „Gedächtnisschrift" (Fn. 4), S. 268 ff. 356 Vgl. auch den Artikel von Radbruch über Georg Jellinek, „Schlachtfeld", S. 257, wo er vor allem die staatsrechtliche Typenlehre Georg Jellineks hervorhebt. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Radbruch an anderer Stelle das Auseinanderfallen von Rechtsphilosophie in allgemeine Rechtslehre und Typuslehre bedauert und nicht als reinen Fortschritt ansieht. 357 Radbruch, „Criminal Law" (Fn. 57), S. 225. 358 Thomas Barbington Lord Macauley of Robley, 1800-1859, Jurist, Politiker und volkstümlicher Geschichtenschreiber; 1830 Mitglied des Unterhauses, 18341838 Gouverneur von Agra in Indien, 1839-1841 Kriegsminister, 1846-1848 General und Kriegszahlmeister.
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VIII. Juristisches Studium und Studienreform schluss des
richterlichen
Ermessens den gesamten Rechtsstoff i n Gesetzes-
form zu bringen. Radbruch überschreibt
seinen A r t i k e l z u m indischen
Strafgesetzbuch:
„ Z u r Feier der 100. Wiederkehr dieser K o d i f i k a t i o n " 3 5 9 . Dies ist für einen kontinentalen Strafrechtler sicher ein sehr interessanter Vorgang aus einem Land, das die Rechtsordnung v ö l l i g als Richterrecht begriffen hatte. So kann man sagen, dass dadurch das judge made law durch l a w made judgements überholt wurde. Anschließend kennzeichnet er das indische Strafgesetzbuch w i e folgt: „Zu dem eigenartigen Gesetzeswerk, das wir mit einigen Federstrichen zu kennzeichnen bemüht waren, haben englische, amerikanische, französische Einflüsse zusammengewirkt. Von den besonderen Verhältnissen des asiatischen Landes, dem es gilt, ist sehr wenig darin zu bemerken. Und dennoch hat es sich in langer Geltungszeit voll bewährt. Sollte man angesichts solcher Tatsachen nicht ein bescheidenes Fragezeichen setzen dürfen zu den Lehren von der nationalen Bedingtheit allen Rechts? Sollte man nicht mit Sir James Fitzjames Stephen zu der Einsicht gelangen, daß die Ähnlichkeiten zwischen Menschen größer sind als ihre Unterschiede? Und mit Leopold V. Ranke erkennen, welche Wichtigkeit es hat, das ein richtig entwickeltes Recht von Partikularitäten frei gemacht werden, welche dessen Anwendung auf andere Nationen stören, wie es bei dem römischen Recht der Fall gewesen war?" 3 6 0 . I m folgenden A r t i k e l über Rechtsquellen und Rechtsfindung i n Engl a n d 3 6 1 geht Radbruch v o n der Intensität v o n case-law und c o m m o n - l a w aus. Er wendet sich dann dem englischen Rechtsstaatsbegriff (rule o f l a w ) zu362 Das Thema des Krieges und der damit zusammenhängenden
Fragen
greift Radbruch noch während des Ersten Weltkrieges auf. So i n seinem A r t i k e l „ Z u r Philosophie dieses K r i e g e s " 3 6 3 . Er nennt diesen Beitrag eine
359
Radbruch, „Das indische StGB" (Fn. 131). Radbruch, „Das indische StGB" (Fn. 131), S. 157 f. 361 Radbruch, „Rechtsquellen" (Fn. 183), S. 1085-1092. 362 Radbruch, „Rechtsquellen" (Fn. 183), S. 1080. 363 Radbruch, „Krieg" (Fn. 306). Schon in der „Einführung", 7./8. Aufl. (Fn. 53), S. 182-183 und S. 188-190, hatte Radbruch zum Krieg und zur Genese des Völkerrechts und zur Kriegsüberwindung Stellung genommen. Er nennt das Völkerrecht „verheißungsvolle Ansätze", um zu einer neuen Universalität zu kommen. In der „Vorschule" (Fn. 1), S. 103, spricht er von der Entwicklung zum Weltrecht durch die UN, wobei er auch die Entwicklung eines neuen übernationalen Menschentypus postuliert. M i t Entschiedenheit wendet er sich gegen Kriegsethos und Kriegsromantik. In dem bereits zitierten Werk „Einführung" (Fn. 9), S. 196/197, schreibt er: „Der Krieg hat seine Ehre verloren, seitdem er Giftmord, Hungertod, Dahinsterben nicht nur der Männer, sondern der Weiber und Kinder, seitdem er Wucher und Schiebung, Verwahrlosung der Jugend, Laster und Verbrechen aller Art bedeutet. Wer könnte naiver Friedensmeinungen vom Jungbrunnen' und ,Stahlbad4 des Krie360
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VIII. Juristisches Studium und Studienreform
methodologische Abhandlung. Er führt darin aus, dass durch die großen finanziellen Belastungen des Krieges das Innere des Staatswesens in Richtung Sozialismus und Demokratie umgebildet werde. Er wirft die Frage nach der Schuld oder doch wenigstens nach dem dolus eventualis 364 des Krieges auf und stößt damit zu völkerrechtlichen Fragen vor, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg in ihrer ganzen Dimension erkannt wurden. Hier findet sich auch eine Kritik am Verfall des Parlamentarismus: „Wenn das Volk in der Zusammensetzung und Beschlußfassung des Parlaments nicht mehr das verkleinerte Abbild, sondern nur noch eine Karikatur seiner Schichtungen und seiner Wünschen zu erkennen vermag, tritt letzten Endes die Barrikade in ihr altes Recht. Der Krieg bricht aus, wenn dem diplomatisch-symbolischen Ausdruck der Macht die Anerkennung versagt wird, die er nach Maßgabe des wirklich vorhandenen Machtvorrates beanspruchen zu können glaubt" 3 6 5 .
Von da aus versucht Radbruch, die Frage nach dem gerechten K r i e g 3 6 6 aufzugreifen und ihr eine rechtsphilosophische Relevanz zuzuweisen. Hier kritisiert er das Verhältnis der Religion zum Kriege 3 6 7 („... Aber die Religion findet auch noch in dem ungerechten Kriege einen Wert höherer Art.") und wirft dieser Religion vor, dass sie sich zum Kriege verhalte wie zum Schmerz, „den sie wegen seiner reinigenden Kraft heftig preist und dessen Zufügung sie dennoch verdammt" 3 6 8 . In dem Beitrag Völkerbundgesinnung 369 wird das Thema fortgesetzt und variiert. „Während das deutsche Volk", so schreibt Radbruch, „die größte Umwälzung seiner Geschichte ohne Führung, ohne tätige Anteilnahme seiner durch so vielfältige Irrungen jedes Vertrauen, ja beinahe auch jedes Selbstvertrauen beraubten Intelligenz" 3 7 0 begehen muss, ist diese Intelligenz unfähig, sich als prophetische Minorität dem Staate entgegenzustellen: „Da erwies es sich, daß die Intellektuellen jede neue Parole der Führenden willig aufnahmen, gewichtslos jedem Lufthauch der Zeitstimmung nachgaben, widerstandsloser als die Ungeistigen, die durch das Bleigewicht der Interessen an ihren Füßen auf der nüchternen platten Erde festgehalten wurden , . . " 3 7 1 .
ges jetzt anders als mit Schamgefühl gedenken? Der Krieg hat, indem er seiner eigenen Logik bis zur letzten Konsequenz folgte, sich selbst sittlich unmöglich gemacht." S. auch Radbruch, „Vorschule" (Fn. 1), S. 95-96. 364 Radbruch, „Krieg" (Fn. 306), S. 147. 365 Radbruch, „Krieg" (Fn. 306), S. 147. 366 Radbruch, „Gerechter Krieg", S. 1 f.; auch abgedruckt in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 228 ff. 367 Radbruch, „Gerechter Krieg" (Fn. 366), S. 82. 368 Radbruch, „Gerechter Krieg" (Fn. 366), S. 2. 369 Radbruch, „Völkerbundgesinnung", S. 52-57; Reprint 1960, Neue Erde. s. auch GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 232 ff. 370 Radbruch, „Völkerbundgesinnung" (Fn. 369), S. 56/57.
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Mit der Bedeutung der Menschenrechte für den Schutz vor Verbrechen gegen die Menschlichkeit befassen sich zwei kurze Beiträge Radbruchs: einmal die Stellungnahme zu dem internationalen Entwurf der Menschenrechte 3 7 2 und der Brief mit der Überschrift: Sulla giustizia della guerra 373 . Dem Brief voraus geht ein mit G. D. V. gekennzeichneter Vorspann, der wohl von Giorgio Del Vecchio 3 7 4 stammen dürfte. Radbruch setzt sich hier mit der zulässigen Strafaktion (spedizione punitiva) und dem Verteidigungskrieg (guerra diffensiva) auseinander 375 . Er spricht von dem Problem des Rechts gegen das Recht (diritto contro diritto). Er versucht, an die Stelle des Krieges Rechtsverfahren zur Lösung von Konflikten zu setzen. Der Brief endet mit einer Berufung auf Mommsen und einem Cicero-Zit a t 3 7 6 In dem zuerst erwähnten Beitrag zum internationalen Erklärungsentwurf der Menschenrechte nimmt Radbruch kritisch Stellung gegenüber solchen Entwürfen und Gesetzen wie z.B. dem Kontrollratsgesetz Nr. 10 über die Bestrafung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, weil sie nicht nur rückwirkende Straftatbestände schaffen würden, sondern weil sie auch in ihrer Formulierung zu vage und unbestimmt seien. Er erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Denunziationsfälle, ein Problem, das hinsichtlich der Vereinigung Deutschlands und den Stasi-Aktivitäten heute erneut aktu-
371
Radbruch, „Völkerbundgesinnung" (Fn. 369), S. 56 f. Folgendes Zitat aus dieser Schrift soll hier auch wegen der Aktualität folgen: „Wenn wir an ihr Verhalten zur Friedensfrage vor dem Kriege denken, wollen uns bange Zweifel beschleichen. Wo waren damals die Theologen, die das erschütternde Wort widerstrebet nicht dem Bösen! gleich Tolstoi ohne Umdeutung schlicht und recht gepredigt, die es nicht den Bedürfnissen des praktischen Lebens klüglich anbequemt hätten? Wo die Juristen, die ein Recht über der Willkürsatzung des Staates gelehrt, die nicht im Götzendienste des positiven Rechts auch die schwächste Regung naturrechtlichen Denkens mit überlegenem Lächeln aus dem Bereiche der Wissenschaft gewiesen hätten? Wo die Historiker, die sich nicht einer möglichst unprofessoral-staatsmännischen, möglichst realpolitischen, machtstaatlichen und moralinfreien Geschichtsauffassung beflissen hätten? Wo überhaupt die Geistigen, die nicht den Geist gelästert, die nicht die Rolle der Vernunft und des Willens in den Geschäften der Menschen zerstörungslustig verkleinert oder geleugnet, die Dumpfheit der Triebe und das Dämmern der Gefühle, die Macht des Irrationalen gepriesen hätten statt des hellen und scharfen Lichtes des Bewußtseins? (...)". 372 Radbruch, „Menschenrecht", S. 11. 373 Ein Brief Radbruchs vom 28. Februar 1949. 374 Radbruch erwähnt seinen freundschaftlich verbundenen italienischen Rechtsphilosophen Giorgio Del Vecchio ausdrücklich in seiner Biographie: „Innerer Weg" (Fn. 121), S. 137. 375 Vgl. Fn. 373. 376 Die Annahme, dass der Verfasser des Vorspannes Georgio Del Vecchio ist, wird dadurch bestärkt, dass zwar die Anrede des Briefes nur wie folgt lautet: „Carissimo amico e collega", dass aber das Ende des Briefes den Adressaten erkennen lässt, nämlich „ A l Prof. Georgio Del Vecchio, Universita - Roma".
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VIII. Juristisches Studium und Studienreform
eil geworden ist. Er beruft sich schließlich auf das englische Vorbild, nach dem Menschenrechte weniger Gegenstand pathetischer Proklamationen als Bestandteil des Common Law seien. Schließlich kann in diesem Abschnitt auf den posthumen Beitrag Radbruchs hingewiesen werden mit dem Titel: Geistige Mächte als Subjekte des Völkerrechts 377 . Dieser Artikel wurde, wie die Anmerkung mitteilt, aus dem Nachlass Radbruchs von Erik Wolf zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig sollte der Abdruck dieses Beitrags dem Gedenken des am 23. November 1949 in Heidelberg verstorbenen Gelehrten, Rechtsphilosophen und Strafrechtsreformers gewidmet sein. Einleitend betonte Radbruch in diesem Artikel, dass die Politik Nationen trenne, die Kultur sie aber vereine. Von diesen zwischennationalen Beziehungen habe es einmal eine übernationale Organisation der gesamten Kultur gegeben, nämlich die katholische Kirche des Mittelalters. „Damals war die ganze Christenheit eine körperschaftliche religiöse Einheit und zahlreiche religiöse Sonderorganisationen von internationalem Umfang, vor allem Mönchsorden, waren quasi durch die Nationen gelegt" 3 7 8 .
Seitdem sei die Kultur national geworden und habe ihre internationale Organisation verloren. Es gäbe, mit den Worten Goethes, keine patriotische Kunst und keine patriotische Wissenschaft, denn schon das Postulat der Voraussetzungslosigkeit der Wissenschaft und der Kunst würden nationale Disziplinen in dieser Art verbieten. Er postuliert in seinem Artikel, dass kulturelle Körperschaften völkerrechtliche Anerkennung finden mögen. Der Beitrag endet mit der Alternative: „Weltfrieden oder Weltuntergang. Wir können die Hoffnung nicht aufgeben, daß die Geistigen der Welt die furchtbare Gefahr für die Menschen und ihren Geist noch rechtzeitig begreifen und beschwören werden" 3 7 9 .
Abgesehen von den Buchbesprechungen und den Zeitungsartikeln enden hiermit die rechtsvergleichenden Schriften Radbruchs. Gerade dieser letzte Beitrag betont sein Lebenswerk, seine tiefe Sittlichkeit und Aufrichtigkeit.
377 Radbruch, „Geistige Mächte", S. 385-389 und in GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 327 ff.; s. auch Fn. 371. 378 Radbruch, „Geistige Mächte" (Fn. 377), S. 385. 379 Radbruch, „Geistige Mächte" (Fn. 377), S. 389.
IX. Zur Rechtskultur in den Zeitungsartikeln Im Folgenden soll auf die Zeitungsveröffentlichungen eingegangen werden. Der erste Beitrag betrifft „Russische und deutsche Studenten", auf den bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde 3 8 0 . Im Artikel über seine Heimatstadt Lübeck 3 8 1 hat er mit dem Begriff in partibus infidelium, den er aus dem kanonischen Recht entlehnt, seine Situation an der Kieler Universität geradezu als Diaspora bezeichnet, aus welcher er die 700-Jahrfeier Lübecks wehmütig verfolgt. In dem Artikel in der Vossischen Zeitung „Haus ohne Wetter" 3 8 2 nimmt Radbruch zur Atmosphäre des Reichstagsgebäudes Stellung, ein Thema, das im Jahre 1990 wieder aktuell geworden ist. Radbruch, der selbst vier Jahre in diesem Reichstagsgebäude als Abgeordneter gearbeitet hatte, spricht davon, dass das Gebäude „inbrünstig gehasst wurde", dass die Abgeordnetenzimmer unter dem Dach wie „Bleikammern" oder „Zuchthauszellen" gewesen, und dass „Budenangst" ausgebrochen, und wie das ganze abbruchreife Gebäude wirklich offenbar nur zum Reden und nicht zum Arbeiten konzipiert worden sei. In einem weiteren Artikel nimmt er nach dem Krieg zur Frage des internationalen Status der „Geistesmächte" 383 Stellung, ein Thema, das auch in dem posthumen Artikel, der von Erik Wolf der Öffentlichkeit übergeben wurde, den Ausgang seines Lebenswerkes bildete. In diesem und einem weiteren Zeitungsartikel, der die gleiche Überschrift trägt: Die Internationale des Geistes 384 werden ähnliche Gedanken ausgebreitet von der Spannung Kultur und Politik, von der Reduktion der mittelalterlichen Religionsund Kulturbünde, angefangen von der Universalkirche bis zu den Mönchsorden und dem Abbau dieser internationalen Kulturvereinigungen durch den Nationalstaat. Er postuliert im Gegensatz zu der überkommenen Auffassung, wonach der Vatikan und seine völkerrechtliche Stellung ein Überbleibsel der Vergangenheit sei, dass dieser angebliche Rückstand zum Vor380
Radbruch, „Studenten" (Fn. 305). Radbruch, „Innerer Weg" (Fn. 121), S. 7 ff. 382 Radbruch, „Haus ohne Wetter", auch in GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 365 f. 383 Radbruch, „Die Internationale", in: Der Tagesspiegel vom 10.3.1946, S. 2 und in GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 369. Dieser Artikel ist weitgehend identisch mit dem Artikel „Das Übernationale", in: Hessische Nachrichten vom 12.7.1946, S. 1 f., auch in GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 366. 384 Radbruch, „Die Internationale" (Fn. 383), S. 2. 381
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IX. Zur Rechtskultur in den Zeitungsartikeln
bild für die Zukunft gemacht werde und dass die Vertreter der Weltliteratur mit christlichen Kirchen, Wissenschaft und Kunst, ja auch der Wirtschaft und der Intellektuellen solche geistigen völkerrechtlich anerkannten Mächte werden sollten. Er verlangt eine Weltbürgergesinnung, den Weltrichter könnte es nur unter Weltbürgern geben. Zu den Zeitungsartikeln zählt auch die Besprechung Emil Beizners Buch „Kolumbus vor der Landung" 3 8 5 . Schließlich ist ein Zeitungsartikel zu erwähnen, der einen anderen Radbruch oder eine andere Seite von ihm aufscheinen lässt, nämlich der Artikel „Österreichisch-deutsche Einheit" 3 8 6 . In diesem Artikel spricht er sich für Wachhalten der Einheitsidee aus, wie es in Frankreich hinsichtlich EisassLothringen durchgehalten wurde. Er gebraucht hierbei das Wort „Anschluss". Unter Radbruchs zahlreichen Buchbesprechungen sollen nur die typisch rechtsvergleichenden hervorgehoben werden. Dazu sind zu zählen: die Bücher von Theodor Sternberg, Das Verbrechen in Kultur und Seelenleben der Menschheit; Edgar Voltin, Die Zumutbarkeit im tschechischen und österreichischen Strafrecht; August Wimmer, Einführung in das englische Strafverfahren und der Band von Schönke, Ausländisches Strafrecht. Im Strafrecht, insbesondere im Strafvollzugsrecht stellt Radbruch einige rechtshistorische und ethnologische Bücher vor, wie z.B. das Buch von Anselm Feuerbach, Merkwürdige Verbrechen; ein Buch von Karl Finkelnburg, Die Bestraften in Deutschland. Zu dieser Kategorie gehören auch die beiden Bücher, die sich mit Justiz und Strafvollstreckung im Ausland befassen, so das Buch von Robert Haindl, Meine Reise nach den Strafkolonien und jenes von Pierre Ramus, Der Justizmord in Chicago. Zwei Werke zur Friedensbewegung sollen noch erwähnt werden, weil es für Radbruch typisch ist, sich sehr früh mit diesem Thema beschäftigt zu haben, so das Buch von Marek, Imperialismus und Pazifismus als Weltanschauung 387 sowie Fried, Handbuch der Friedensbewegung 388 . In der Regel sind die Besprechungen sehr kurz gehalten, doch macht sich Radbruch immer die Mühe, auf die einzelne Thematik besonders einzugehen, was natürlich bei einem Buch von Georgio Del Vecchio, bei der Rede Rümelins verständlich ist, was aber nicht ohne weiteres Büchern zukommt, wie jenem von Anton Heß, Die Phantasie im Leben der Völker und der Wissenschaft, insbeson-
385 386 387
Radbruch, „Kolumbus". Radbruch, „Einheitsidee". Marek, „Imperialismus und Pazifismus", S. 806 ff. und GRGA-Bd. 15 (Fn. 4),
S. 349. 388
Fried, „Friedensbewegung", 1. Teil: Grundlagen, Inhalt und Ziele der Friedensbewegung, S. 302 f., und in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 344.
IX. Zur Rechtskultur in den Zeitungsartikeln dere im Recht, ein Buch, das die Rechtsbeziehungen in psychologische Beziehungen auflösen w i l l 3 8 9 . Radbruchs Rechtsvergleichende Schriften haben zu fast allen juristischen Disziplinen einen inneren Bezug. Selbstverständlich ist das für die Rechtsgeschichte und das Strafrecht einschließlich der Strafrechtsgeschichte. Selbstverständlich ist auch der jeweilige Bezug zur Rechtstheorie und Rechtsphilosophie, den Radbruch immer wieder herstellt, insbesondere wenn er sich mit dem „Geist des englischen Rechts" und den Grundprinzipien der angloamerikanischen Jurisprudenz beschäftigt. Für Radbruch wird die Rechtsvergleichung nicht nur ein fruchtbares Arbeitsgebiet, ein Gebiet, auf dem er die Richtigkeit seiner Grundideen beweisen kann, sondern auch ein Feld, das ihn selbst wieder „befruchtet" und zu neuem Denken anregt. Die in den 30er Jahren intensiv einsetzende Beschäftigung mit dem angloamerikanischen Recht bringt in vielem eine Erweiterung der grundsätzlichen Rechtsphilosophie Radbruchs. Vielleicht kann man sein Position, die er bis zum Jahre 1933 einnimmt mit einem Zitat belegen, in welchem er das Recht nicht als Verwirklichung eines Programms ansieht, sondern als Selbstverwirklichung der Notwendigkeit: „Die soziale Entwicklung des Rechtes, und das ist das große und eindrucksvolle an ihr, stellt sich nicht als Verwirklichung eines Programms dar, sondern als Selbstverwirklichung einer überbewußten geschichtlichen Notwendigkeit, die eher da war als sie erkannt wurde, die stärker als alle Widerstände und zielbewußter als alle Mißverständnisse der einzelnen Menschen i s t . " 3 9 0
Ist hier noch die Rechtsentwicklung in einem historisch notwendigen, sich selbst darstellenden und sich selbst offenbarenden Prozess eingebettet, so tritt die Bedeutung der Einzelpersönlichkeiten für die Schaffung regionaler, nationaler oder weltbürgerlicher Rechtskulturen stärker in den Vordergrund. So sieht Radbruch 1946, also nach dem Zusammenbruch und dem Ende des Zweiten Weltkrieges die übernationale Kultur und damit auch die Rechtskultur nur dann garantiert, wenn Menschen vorhanden sind, „die bereit sind, soweit der Wille darüber etwas vermag, aus den Grenzen des Nationalen herauszutreten und mit allem, was in ihrem Bewusstsein ist, dem Übernationalen zu dienen" 3 9 1 . Im Fortgang seines Lebenswerkes versteht Radbruch die Rechtsvergleichung auch immer mehr dahin, einer übernationalen Rechtsordnung den Weg zu bereiten:
389
Heß, „Phantasie im Leben der Völker", in: GRGA-Bd. 15 (Fn. 4), S. 340. Radbruch, „Mensch" (Fn. 126), S. 49. 391 Radbruch, „Mensch" (Fn. 126), S. 127; s. auch ders., „Vorschule" (Fn. 1), S. 106; ders., „Die Internationale" (Fn. 383); ders., „Geistige Mächte" (Fn. 377), S. 388 f. 390
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IX. Zur Rechtskultur in den Zeitungsartikeln
„Eine übernationale Rechtsordnung muß sich in einer Anzahl übernationaler Menschen verkörpern. Weltrichter kann es nur geben, wenn es zuvor Weltbürger gab".392 Allerdings wäre es unzutreffend, w o l l t e man diese Betonung der Einzelpersönlichkeit gegenüber der E n t w i c k l u n g nationaler oder übernationaler Kulturwerte als ein Ergebnis der E n t w i c k l u n g nach 1933 bei Radbruch bezeichnen. Schon 1919 hatte er i n bezug auf Weltbürger und Weltrichter folgendes ausgeführt: „Nur Weltbürger können Weltrichter sein, und ohne einen solchen internationalen Menschentypus dürfen wir nicht auf internationale Streitentscheidungen hoffen, in denen statt des blendenden Geräusches der Jurisprudenz oder der Diplomatie, des dünnen Klanges individuellen Vernünfteins der volle Ton eines starken Gemeinbewußtseins, die Resonanz einer großen Gemeinschaft hörbar w i r d " 3 9 3 .
392
Radbruch, „Geistige Mächte", Der Tagesspiegel vom 10. 3. 1940, abgedr. auch in: ZStaatsW., 106, 1950, S. 386 ff. 393 Radbruch, „Völkerbundgesinnung" (Fn. 369), S. 55, 58, sowie die „Einführung", S. 188; vgl. auch ders., „Staatsbürgerlicher Unterricht", S. 146.
X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht Nach dem Zweiten Weltkrieg sind drei wichtige Werke von Radbruch erschienen, die eine Wendung zum überpositiven Recht darstellen. Ja, man hat sogar über die „Kehre" Radbruchs gesprochen. Damit meint man vor allem die Gedanken, die Radbruch in seinem berühmt gewordenen Aufsatz vom „gesetzlichen Unrecht" niedergelegt h a t 3 9 4 . Er kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass unter bestimmten Voraussetzungen bei einer Verletzung überpositiver Gerechtigkeitsprinzipien das formal gültige Gesetzesrecht nichtig werden kann. Ausschlaggebend dafür ist die Evidenz einer unerträglichen Verletzung von Gerechtigkeitsvorstellungen. Hier soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit Radbruchs rechtsvergleichende Arbeiten ihn automatisch zu diesem Bruch mit dem Positivismus geführt haben, also ob es sich in Wirklichkeit nicht um eine „Kehre" handelt, sondern um eine konsequente Weiterentwicklung eines grundsätzlichen Ansatzes 395 . Hierbei muss man nun den Rechtsphilosoph Radbruch analysieren und untersuchen, ob bereits vor seinem Studienaufenthalt in Oxf o r d 3 9 6 1936 Tendenzen erkennbar waren, seien sie naturrechtlicher Art oder aus einem bestimmten Gerechtigkeitsideal hergeleitet, die ihn zur Kritik am positiven Recht führten. Der Aufenthalt in England allein konnte ihn nicht veranlassen, eine so grundsätzlich kritische Einstellung gegenüber dem Gesetzgeber und dem von ihm gesetzten positiven Recht einzunehmen. Denn das englische Recht kennt nicht den Begriff der Supremacy of the constitution, der dem amerikanischen Recht, das auf geschriebenem Verfassungsrecht beruht, selbstverständlich und geläufig ist. Das Fehlen einer geschriebenen Verfassung, die Interpretation des ungeschriebenen Verfassungsrechts als „constitutional Conventions", die Vorstellungen von der Gleichheit aller Rechtsquellen musste eigentlich Radbruch in Oxford davon überzeugen, dass das englische Richterrecht nur seiner Rechtsquelle nach ein Gegensatz zum kontinentalen Gesetzesrecht darstellen würde, dass es selbst aber als Rechtsquelle zu positivem Recht führt.
394 Vgl. Fn. 207. Der Aufsatz ist auch abgedruckt, in: GRGA-Bd. 3 (Bearb.: Kaufmann (Rechtsphilosophie III), Heidelberg 1990, S. 83. 395 v. Hippel, „Gustav Radbruch". 396 Zum Aufenthalt in Oxford: Vulpius, „Radbruch in Oxford", vgl. Fn. 56 und 121 hierzu.
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X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht
Vielleicht kann man davon ausgehen, dass die Bindung an die Präjudizien im Common Law nicht so streng ist, wie die Bindung an das Gesetzesrecht nach kontinentaleuropäischer Vorstellung. Dennoch dürfte ihn sein Aufenthalt in Oxford allenfalls in einer gewissen Gedankenrichtung, die auf die Kritik des positiven Rechtes bereits vorher abgezielt hatte, bestärkt haben. Eine andere Möglichkeit der Interpretation liegt vielleicht darin, dass seine rechtsvergleichende Beschäftigung sowohl mit dem englischen als auch mit dem amerikanischen Recht ihm eine andere Blickrichtung verschaffte, von welcher er nun das kontinentale Recht zu beurteilen vermochte. Diese Idee der neuen Blickrichtung wird bestärkt durch den Titel des Aufsatzes, der in englischer und französischer Sprache erschien und der gerade diese Blickrichtung zum Gegenstand hat, weil es dort heißt: „Das angloamerikanische Recht mit kontinentalen Augen betrachtet." 397 Die amerikanische Verfassungsgerichtsbarkeit, die im Federal Supreme Court und in dem Supreme Court der Gliedstaaten verankert ist, musste zwangsläufig bei Radbruch die Vorstellung erwecken, dass es wohl nicht nur im höherrangigen Verfassungsrecht, sondern auch in höherrangigen Gerechtigkeitsprinzipien eine Schranke des positiven Gesetzgebers geben müsse. Betrachtet man aber den eben zitierten Artikel näher, so findet man darin nicht ein Rekurrieren auf einen Verfassungsstaat, also die Supremacy of the constitution, sondern eher eine Beschäftigung mit dem Verhältnis von anglo-amerikanischen Richterrecht zu kontinentaleuropäischem Gesetzesrecht. Allerdings untersucht Radbruch hier auch die Bedeutung der Rechtsphilosophie von Dicey, der Recht auf die Pfeiler von Command, Sanction, Duty und Sovereignty stützt. In dieser Theorie sieht er die endgültige Trennung von Recht und Moral im Bereich des englischen Common Law. Durch diese Trennung entsteht dann die Frage, ob bei grundsätzlicher und prinzipieller oder unerträglicher Verletzung von Ethikgeboten das Gesetz so fehlerhaft sein kann, dass es als nichtig angesehen werden muss. 3 9 8 Damit wäre eben doch die Beschäftigung mit dem angloamerikanischen Recht spätestens seit dem Aufenthalt in Oxford zumindest ein wesentlicher Pfeiler für seine neue Auffassung gewesen, die allerdings erst nach dem Weltkrieg niedergelegt wurde. Selbstverständlich hat auch mit dem Bruch des Nationalsozialismus und der damit verbundene Zusammenbruch des rechtsstaatlichen Gesetzgebers dazu geführt, Zweifel an der Legitimität des formellen Gesetztes zu entwickeln. Dennoch ist damit nicht die weitere Frage beantwortet, ob nicht Radbruch in seiner eigenen rechtsphilosophischen Ausgangsposition bereits 397 398
Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14). s. Fn. 2 sowie 53 und 207.
X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht Grundelemente mitgebracht hatte, die ihn dann zu einer Theorie des gesetzlichen Unrechtes führten. Arthur Kaufmann hat mit viel Überzeugung diese Vermutung dargelegt und versucht nachzuweisen, dass Radbruch bereits Anfang der 30iger Jahre in seiner Rechtsphilosophie die Grundposition zu seiner späteren „ K e h r e " 3 9 9 gelegt hatte. Damit ist die „Kehre" dann doch keine echte grundlegende Positionsveränderung, sondern nur die Fortführung und konsequente Realisierung früherer Ideen. Diese Realisierung war allerdings nur möglich, weil sich Radbruch sehr intensiv mit einem anderen Rechtssystem nämlich dem angloamerikanischen beschäftigte 400 . Es ist schon unrichtig davon auszugehen, dass Radbruch ein ausgesprochener Anhänger des Rechtspositivismus gewesen sei. Nicht der formelle Rechtsetzungsprozess lässt eine Rechtsnorm entstehen, sondern doch nur dann, wenn die Norm ihrer Intention nach auf die Gerechtigkeitsverwirklichung zielt, wenn sie also gerechtigkeitsorientiert ist. Deshalb betont auch Arthur Kaufmann, dass dieser wertbezogene und wertorientierte Rechtsbegriff bei Radbruch schon 1932 in seiner Rechtsphilosophie angelegt war und darüber hinaus auf seine Grundzüge aus dem Jahre 1914 zurückgeht 401 . Diese frühen Ansätze bei Radbruch verbinden sich mit einer Anlehnung oder Berührung mit der neukantischen Philosophie der sog. südwestdeutschen Schule. Radbruch hebt sich dadurch deutlich von der Marburger neukantianischen Schule ab, die unter starker und radikaler Betonung des Gegensatzes von Stoff und Form zu dem Ergebnis kam, dass der Stoff alleine, also der Rechtsgegenstand ohne die Rechtsform nicht erkennbar sei. Wichtiger Exponent auf dem Gebiet der Rechtsphilosophie war Rudolf Stammler mit seiner Theorie vom richtigen Recht, die aber eine formale Rechtslogik darstellte. Ihm gegenüber ist Radbruchs Rechtsbegriff immer wertbezogen, denn das Recht ist für ihn eine wertorientierte Wirklichkeit. Wegen der zu postulierenden Beziehung zwischen Wirklichkeit und Wert kann es daher keine absolute Trennung zwischen Sein und Sollen geben. Wenn auch bei Radbruch in seiner früheren Periode eine Tendenz zum Methodendualismus, also zur Trennung von Sein und Sollen vorhanden war, so hat er sich doch hiervon später deutlich getrennt. Kaufmann sagt hierzu: „Wenn Radbruch Positivist war, so war er es jedenfalls nicht im Sinne der Denkrichtungen des 19. Jahrhunderts, sein Positivismus war mehr humanistisch, realistisch an Goethes Denken geschult, als im naturwissenschaftlichem Empirismus der Zeit verwandt." 4 0 2 399
Vgl. Fn. 398. Kaufmann, „Radbruch", S. 71 ff. 401 „Relativismus", S. 17 ff. Hierauf weist auch schon Kaufmann hin (Fn. 400), S. 79, Anm. 273; ebenso der Hinweis (Fn. 241) auf Radbruchs „Rechtsphilosophie", 1914, S. 37. 400
7 Scholler
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Interessant ist der Hinweis bei Kaufmann, dass Radbruch in Gesprächen vor seinem Tode mitgeteilt habe, dass er bei der Neubearbeitung seiner Rechtsphilosophie dem Naturrecht mehr Raum geben wolle. Dabei wird auch darauf hingewiesen, dass Radbruchs Wille zum System sich dergestalt zu erkennen gab, dass er ein „topisches" oder „offenes" System befürwortet. In seinen rechtsvergleichenden Arbeiten, vor allem in jenen, die sich mit angloamerikanischem Recht beschäftigen, tritt immer wieder die Dreiteilung seiner Gerechtigkeitslehre hervor: „Das gerechte Gesetz muß dreierlei realisieren: Gleichheit, Rechtszweck und Rechtssicherheit".
So kommt er zu dem Ergebnis, dass das sich durchsetzende und realisierende Gesetz Recht ist, es muss darüber hinaus einen Rechtszweck erfüllen können. Den wichtigsten Rechtszweck sieht er dabei in der Rechtssicherheit403 An dieser Stelle wird von dem Gewissen des Einzelnen die Rede sein, und davon welche Rolle es bei der Gerechtigkeitsbeurteilung von Rechtsnormen inne hat. Sogenannten „Schandgesetzen" darf das Einzelgewissen den Gehorsam verweigern. Allerdings leitet Radbruch daraus kein Recht zum Widerstand gegen „Schandgesetze" a b 4 0 4 . Die Abwehr des Gewissensspruches gilt vor allem der Stellung des Richters, der immer danach zu fragen hat, was Rechtens sei und nicht danach, was ihm gerecht erscheine. Hier wird man allerdings an die Formulierung erinnert, die sich in dem berühmten Buch von Montesquieu findet, wonach der Richter nur der Mund ist, der die Gesetze verkündet 405 . Obwohl also dem Gewissen eine gewisse Funktion, ja eine wichtige Funktion zukommt, erscheint das Problem des Widerstandsrechtes und des Überzeugungstäters als unlösbar. So sieht Kaufmann die Bedeutung der Rechtsphilosophie Radbruchs gerade darin, dass er nach 100 Jahren inhaltloser Debatten sich wieder den wertbezogenen Aspekten des Rechtes zuwendet. Er spricht davon, dass Radbruch ein „inhaltlich gesättigtes soziales Ideal" aufstellen wollte. Damit wird die Tradition der inhaltslosen allgemeinen Rechtslehre verlassen und wieder über wertakzentuiertes Recht nachgedacht 4 0 6 Gleichwohl ist weiterhin fraglich, ob die rechtsvergleichenden Arbeiten von Radbruch ihn in der Neubearbeitung seiner Rechtsphilosophie, die er ja 402 403 404 405 406
Kaufmann (Fn. 400), S. 74. Radbruch, „Rechtsphilosophie", S. 82. Leicht, „Obrigkeitspositivismus", in: „Gedächtnisschrift" (Fn. 4), S. 191 ff. Vgl. hierzu: Desgraves, „Montesquieu", S. 296 ff. Kaufmann (Fn. 400), S. 76.
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plante, zu einer Überwindung des vielgescholtenen Relativismus geführt hätten. Autoren wie Emge, Sauer, aber auch Larenz und M a y e r 4 0 7 haben mit verschiedenen Schwerpunkten dem Rechtsphilosophen diesen Wertrelativismus vorgeworfen. Sieht man in dem Ausspruch, dass sich der Rechtsphilosoph nunmehr dem Naturrecht zuwenden wolle oder doch wenigstens dieses Naturrecht in seiner Neuauflage der Rechtsphilosophie stärker betonen wollte, ein Abgehen vom Wertrelativismus? Man wird diese Frage nicht eindeutig beantworten können. Man muss aber hinzunehmen, dass sich die Entwicklung seiner Gedanken nicht im luftleeren Raum vollzog. Er war von den Nationalsozialisten aus dem Amt vertrieben worden. Er hatte sich intensiv mit dem Common Law beschäftigt und war so nach dem Kriege zu einem Angriff auf das rechtswidrige Gesetz gekommen. Von dem Boden eines Relativismus alleine aus, konnte er dieses Postulat nicht erheben. Er musste wohl in einem christlichen Naturrechtsdenken einen Wert im Visier gehabt haben, der vielleicht nicht absolut, aber doch in concreto stärker bewertet werden musste, als der vom ungerechten Gesetz verfolgte Zweck oder die von ihm gewährte Rechtssicherheit. Man hat mit Recht eingewandt, dass Radbruchs Wertrelativismus niemals ethische Indifferenz gewesen sei. So verweist Kaufmann auf den Lyoner Vortrag Radbruchs aus dem Jahre 1934: „Der Relativismus in der Rechtsphilosophie". Hier leitet Radbruch die Postulate des klassischen Naturrechtes aus dem Relativismus ab. Dazu zählt er selbstverständlich auch die Garantie der Menschenrechte, den Rechtsstaat und die damit verbundene Funktionsteilung der Gewalten. Man hat deshalb auch den Relativismus bei Radbruch einen „positiven Rationalismus" genannt 408 . Dieser Vortrag greift eine Äußerung wieder auf oder unterstreicht sie, die unser Philosoph schon 1919 gemacht hatte, als er den Positivismus als „Götzendienst der Macht" bezeichnet hatte. Hier ist wohl auch wichtig festzustellen, dass Relativismus verbunden war mit der Idee der Demokratie und der Toleranz, was natürlich nicht in gleicher Weise für den Rechtspositivismus gelten kann. So wird man dem zustimmen müssen, dass man hier bei Radbruch den Durchbruch zum materiellen Rechtstaatsgedanken feststellt 409 . Das Verhältnis von Demokratie und Rechtsstaat wird in dem erwähnten Beitrag zum rechtswidrigen Gesetz dahingehend klargestellt, dass der Rechtsstaat wie das tägliche Brot und das Wasser sei und dass nur er die notwendige demokratische Regierungsform hervorbringen könne. 407 408 409
7*
Kaufmann (Fn. 400), S. 78, Anm. 267-270. Kaufmann (Fn. 400), S. 79 Anm. 274 f. Kaufmann (Fn. 400), S. 80 Anm. 283.
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Wiederholen wir die Frage noch einmal: War die Kritik am Rechtspositivismus, wie sie nach dem Zweiten Weltkrieg bei Radbruch deutlich wurde, das Ergebnis eines Umbruchs im Denken einer „Kehre" oder sogar eines Damaskuserlebnisses? 410 Hat der nationalsozialistische Gewaltstaat oder hat die Beschäftigung mit der Rechtsvergleichung, insbesondere mit dem angloamerikanischen Recht, ihn dazu hingeführt oder sind diese beiden Elemente nur Begleiter auf einem Weg, den der Autor schon zögernd vor dem ersten Weltkrieg betreten hat, den er aber dann 1932 und 1934 beherzt verfolgte, und auf den die persönlichen und politischen Ereignisse zu seinen rechtsvergleichenden Studien ebenfalls führten? In der nordamerikanischen Auseinandersetzung um die Radbruch'sche Formel 4 1 1 haben sich zwei Sichtweisen herausgebildet: Auf der einen Seite steht die transformation-thesis und auf der anderen die unity-thesis. Die erstere besagt, dass Radbruchs Theorie des rechtswidrigen Gesetzes (unjust law) eine Wende oder Kehre in seiner Rechtstheorie darstelle, während die unity-thesis daran festhält, dass es sich nur um eine Fortentwicklung der früheren Gedanken handelt. Paulson, der wohl führende Vertreter der Radbruch-Interpretation in den Vereinigten Staaten, folgt hier der Interpretation durch Arthur Kaufmann. Die Radbruch'sche Formel ist nach ihm eine Weiterentwicklung seiner ursprünglichen Lehre von der Rechtsidee als Vereinigung der Postulate nach Gerechtigkeit, Gleichheit und Rechtssicherheit, in dem allerdings dann die Schwerpunkte etwas anders gesetzt werden. Die Bedeutung der Rechtssicherheit wird zurückgestuft. Man könne in diesem Vorgehen eine gewisse Korrektur eines früheren stark dem Positivismus verhafteten Fehlers erkennen. Nunmehr wird diese Korrektur unter Anerkennung der Tatsache vorgenommen, dass die Ausnahmesituation der Jahre 1933-1945 mit dem Erlass und der Anwendung von sog. „Schandgesetzen" eine solche Schwerpunktverlagerung verlangten. Der Begriff der „Schandgesetze" ist in den Spätschriften Radbruchs der Kernsatz, den man heranziehen muss, wenn man den Begriff des unerträglichen Widerspruches zwischen Gesetz und Recht interpretieren will. Solche „Schandgesetze" sind eben Normen, mit welchen politische Gegner, Menschen anderer Rasse und Religion verfolgt, erniedrigt oder ums Leben gebracht werden (Zweckmäßigkeit an die Stelle von Gleichheit!). Zwar hatte ein anderer berühmter Schüler Radbruchs, Erik Wolf, aufgrund einer intensionalen Auslegung der Radbruch-Schriften ebenfalls die Meinung vertreten, dass hier eine Wendung 410
v. Hippel (Fn. 395), S. 28 ff., 99 ff. und Kaufmann (Fn. 400), S. 81. Schünemann, „Aufarbeitung von Unrecht", S. 97 ff., insb. S. 109 ff. Ferner zur Aufarbeitung des DDR-Unrechts, allerdings ohne näheren Bezug zur Radbruch'schen Formel: ders., „Strafrechtliche Aufarbeitung", S. 1304-1380 und „Dogmatische Sackgassen". M i t der Radbruch'sehen Formel und den Mauerschützprozessen beschäftigt sich vertiefend auch die Monographie von Seidel, „Mauerschützenprozesse" . 411
X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht in Radbruchs Philosophie vorliege, doch konnte Paulson überzeugend drei Gründe vorbringen, warum Radbruchs Position eben nur diese Akzentverlagerung darstellt: Das Verhältnis von statutory-non-law und des subra-statutory-law wird nur in Ausnahmefällen zu einem mehr oder weniger radikalen Konflikt, denn im Wesentlichen und im Regelfall bleibt das Gesetz die Grundlage der Herstellung von Gerechtigkeit, Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit. Wichtig für die Beantwortung der Frage nach der Einheit in Radbruchs Denken oder einer grundlegenden Kehre ist schließlich auch der moderne Begriff des überpositiven Rechtes, das für ihn nicht universalistisches, sich immer gleichbleibendes Naturrecht ist, sondern vielmehr ein überpositives Recht mit wechselndem Inhalt. Dieses überpositive Recht hat dann eben auch einen überpositiven Gesetzgeber, der durchaus Wertewandel und Akzentverschiebungen dort übernehmen kann, wo solche Modifikationen aufgrund des Gerechtigkeitspostulats erforderlich werden. Der Streit um die Frage, ob der Rechtspositivismus dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet hat, oder ob er hier eine Bremse war, bedarf hier keiner Entscheidung. Bemerkt sei nur, dass es wohl auf den Zeitpunkt der Betrachtung ankommt: Vor Beginn mag der Rechtspositivismus einer radikalen Bewegung Unterstützung verleihen, im Verlauf der Verletzung traditioneller Werte und grundsätzlicher Prinzipien wird er aber als Hemmung wirken. In der Zeit nach der Wiedervereinigung Deutschlands hat die Radbruch'sehe Formel eine intensive Wiederbelebung erfahren. Die Mauerschützenprozesse 412 haben bei der Frage, ob der befehlende Offizier oder der ausführende Soldat oder schließlich der leitende Politiker durch ein positives Gesetz oder eine entsprechende Norm gedeckt gewesen sei, in den Mittelpunkt der Judikatur gestellt. Dabei handelt es sich nicht allein um die Frage, ob die nulla-poena-Formel durch die Radbruch'sehe Formel aufgehoben wurde, sondern auch darum, ob es überhaupt eine gesetzliche Normierung des Schießbefehles gegeben habe. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg vom 21.03.2001 hat offenbar den Ausgangspunkt der Entscheidung nicht in der Gültigkeit der Rad412 Zur Radbruch'sehen Formel und ihrer Bedeutung für die Mauerschützenprozesse siehe u.a.: BGHSt 39, 1-36 und 39, 353 ff.; BGH, NStZ-RR 1996, 323-325; NStZ-RR 1996, 325-330; Alexy, „Mauerschützen"; Kaufmann, „Radbruch'sehe Formel", 81 ff. und bereits die Nachw. hierzu in Fn. 53; Dannecker/Stoffers, „Aufarbeitung der Todesschüsse", S. 490-494; Sprenger, „50 Jahre Radbruch'sehe Formel", S. 3-7; Ambos, „Todesschüsse", S. 983-990; Simon, „Recht und Gerechtigkeit", S. 2-6; Denninger, „Menschenrechte", S. 1129-1135; Nill-Theobald, „Weltstrafgerichtshof', S. 1051-1054; Alwart, „Vernünftigkeit" S. 227-232; Jachmann, „Rechtsnorm", S. 336-340.
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bruch'sehen Formel, sondern in der Garantie des Grundrechts auf Leben gesehen, das auch die DDR-Verfassung enthält. Außerdem stützt die Entscheidung sich auf die Tatsache, dass die DDR internationale menschenrechtliche Verträge ratifiziert habe, welche das Recht auf Leben anerkannt haben. Dadurch gelingt es der Entscheidung das Problem des übergesetzlichen Rechtes auszuklammern. Es wird nämlich der DDR-Regierung und ihren Exponenten nicht ein Verstoß gegen ungeschriebenes, übergesetzliches Recht vorgeworfen, sondern eine Verletzung von DDR-Recht (Grundrechtsgarantie des Lebens in der Verfassung der DDR), sowie Verletzung internationaler menschenrechtlicher Konventionen. Damit hat die Entscheidung nicht den Weg beschritten, der von der bundesdeutschen Rechtsprechung im Rahmen der Mauerschützenprozesse eingeschlagen worden war. Eine weitere Rechtfertigung erhält die Entscheidung deshalb, weil Art. 7 Abs. 2 der Menschenrechtskonvention wie auch die von der DDR abgeschlossenen internationalen menschenrechtlichen Konventionen einen Rückgriff auf allgemein anerkannte menschenrechtliche Grundsätze enthält, die zwar nicht nationales Recht, doch qua internationales Gewohnheitsrecht angesehen werden. Natürlich ist dieses internationale quasi - menschenrechtliche Gewohnheitsrecht eben noch nichts anderes als das ungeschriebene überpositive Recht als Recht mit wechselndem Inhalt. Insofern knüpft die Entscheidung doch wiederum an der Radbruch'sehen Formel in einem erweiterten Sinne an. Die Frage nach der Bedeutung des Rechtspositivismus für die Wegbereitung oder zumindest die Erleichterung einer Diktatur hat für die Rechtsvergleichung schon in sofern Bedeutung, als ihre Beantwortung ein Unwerturteil für alle Systeme des kodifizierten Rechtes darstellen würde. Wäre dann Rechtsvergleichung zwischen dem rechtspositivistischen kontinentaleuropäischen Recht und Naturrecht orientierten Systemen überhaupt sinnvoll. Die These von der Geburtshelferfunktion des Rechtspositivismus gegenüber dem Nationalsozialismus wurde vor allem von John F. Fuller aufgestellt 413 . Fuller beschäftigt sich mit der Frage, ob der Rechtspositivismus in Deutschland als Lehre, die Übernahme durch die Nazis erleichterte und möchte diese mit einem vorsichtigen ja beantworten. Paulson nennt diese Fragestellung die causal thesis. Radbruch beschäftigt sich mit der Frage, ob der Rechtspositivismus Nazirichter von ihrer Schuld entbindet, bzw. sie entlastet. Auch er gibt eine positive Antwort. Paulson nennt diese Fragestellung die exoneration thesis. Beide Thesen werden als die Positivist theses bezeichnet. Vor allem in Bezug auf die exoneration thesis hat sich die Betrachtung gewandelt, da sie 413
Vgl. Fn. 53.
X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht aus heutiger Sicht einer rechtspositivistischen Grundlage entbehrt. Paulson zitiert Carl Schmitt, der sich explizit von der Bindung an das geschriebene Gesetz losgelöst wissen will und eine mutigere und tiefere Verpflichtung fordert. Paulson selbst glaubt an eine negative Antwort auf beide Positivist Theses und möchte zeigen, dass Fullers und Radbruchs Antworten auf deren Verständnis des Rechtspositivismus beruhen, aber nicht aufrecht erhalten werden können. In Radbruchs Texten findet Paulson sowohl Hinweise auf eine engere als auch auf eine weitere Lesart des Rechtspositivismus. Beide helfen nicht die exoneration thesis zu stützen. Die enge, striktere Lesart bindet den Richter stark an den Gesetzestext und räumt ihm keine Freiheit der Interpretation, bzw. eine moralische Betrachtung im Spiegel der Idee der Gerechtigkeit ein. Diese strenge Befolgung des Gesetzwortlautes zum Schutz der Rechtssicherheit soll für Radbruch als Prämisse für die exoneration thesis gelten. Paulson wendet ein, dass diese strikte Lesart in keinster Weise den Tatsachen entsprach. Zu oft verließen Richter wissentlich den Bereich des statutory law während des Naziregimes. Die zweite Lesart legt ein eher offenes Verständnis des Rechtspositivismus zugrunde vergleichbar der philosophischen Erkenntnisposition von Paul Feyerabend: „Anything goes." Gesetz wird hier gleichgesetzt mit der Macht es durchsetzen zu können. Radbruchs Anmerkungen zur Idee des Rechts, seine dreigeteilte Konzeption der Rechtsidee legen aber nahe, dass dieser radikale anything-goes-Ansatz nicht seinem Anliegen entsprach und auch nicht seinem Begriff der Rechtsidee bzw. der Idee der Gerechtigkeit gerecht werden würde. Gegen Fullers These, dass der Rechtspositivismus in Deutschland und das damit einhergehende quasi blinde Befolgen des geschriebenen Rechts, dass den Richtern es nicht ermöglichte gegen das Nazirecht ihre Stimme zu erheben, führt Paulson drei Gründe an. Damit Fullers These Gewicht gewinnt, also eine kausale Verbindung zwischen Rechtspositivismus und der Machtergreifung Hitlers besteht, muss er eine enge Lesart des Rechtspositivismus zugrunde legen und nachweisen, dass diese die vorherrschende Meinung in Deutschland zu jener Zeit war. Paulson wendet erstens dagegen ein, dass die prominentesten deutschen Vertreter des Rechtspositivismus von den Nazis entweder aus dem Amt vertrieben wurden oder ihre Tätigkeit in Deutschland beendeten. Ihre Positionen und Thesen wurden diskreditiert und stellten nicht die gängige Lehrmeinung im Dritten Reich dar. Des weiteren weist er auf die Weimarer consitutional review hin. Eine Forderung nach dieser ist gleichbedeutend mit einer Absage an rechtspositivistische Prinzipien, hauptsächlich dem Gedanken, dass Gesetz Gesetz ist.
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X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht
Letztlich führt Paulson an, dass Weimarer Richter schon längst zu der Praxis übergegangen waren, sich nicht mehr sklavisch an den Wortlaut des Gesetzes zu halten und sich von einer strengen rechtspositivistischen Vorgehensweise längst entfernt hatten. Und sobald diese Tradition der vielfältigen Interpretation der Gesetze gegeben war, kann man nicht mehr von einer kausalen Verbindung zwischen Rechtspositivismus und der damit verbundenen Erleichterung der Machtergreifung sprechen. Auch die kausale These muss abgelehnt werden 4 1 4 . Die Modernität der Rechtsphilosophie Radbruchs hat man dadurch zu charakterisieren versucht, dass er ein Vorläufer der Vertreter der „offenen Gesellschaft" war, dass er aber auch zu der Gruppe des „kritischen Rationalismus" gezählt werden muss, ja dass er im Grunde genommen die Rechtshermeneutik vorweggenommen hat. Arthur Kaufmann kennzeichnet die Stellung und die Fortwirkung der Rechtsphilosophie Radbruchs wie folgt: „Radbruchs Rechtsphilosophie hat also genau dahin geführt, wohin der Naturrecht/Rechtspositivismus-Streit geführt hat: zu einer Philosophie der Menschenrechte, die sich mehr schon der große Ahnherr Radbruchs Paul Johann Anselm von Feuerbach von den Gedanken eines objektiven Naturrechts gelöst hat, sich indessen um den Nachweis bemüht, daß der Mensch als eine Art natürliche Grundausstattung bestimmte subjektive Rechte besitzt, die vorstaatlich sind und daher vom Staat nicht verliehen werden, von ihm aber anzuerkennen und zu gewährleisten sind."
Von hieraus können wir jetzt auch den Standpunkt Radbruchs bestimmen: Radbruch ist, wenn man nicht Einzelteile aus seinem Werk herausbricht und verselbständigt, sondern es alles in allem nimmt, weder Positivist noch Naturrechtler, sondern steht jenseits von Positivismus und Naturrecht 4 1 5 . So lässt sich noch einmal die Frage aufnehmen und dergestalt variieren: Was bedeutet die Trias der Rechtsphilosophie, nämlich die Aufgliederung in Gleichheit, Rechtszweck und Rechtssicherheit für die Rechtsvergleichung? Diese drei Elemente sind bei ihm immer Ausdruck einer konkret historischen Rechtskultur, die sich im Verstehen der Solidarität und der Gleichheit und dem Rechtstelos widerspiegelt. Aber auch das dritte Element, die Garantie der Rechtssicherheit, ist Ausdruck einer Rechtskultur, vielleicht ist hier Radbruch am stärksten deutschrechtlich orientiert. Deshalb nimmt auch das Gewicht der Rechts414 Abschließend fügt Paulson einige kurze Bemerkungen zu Radbruch und Fuller an, um deren besondere Position näher zu erläutern, die sie als Einzeldenker und nicht als Vertreter bestimmter Hauptströmungen verstanden werden lassen will. 415 Kaufmann (Fn. 400), S. 84 f.
X. Radbruchs Wendung zum überpositiven Recht Sicherheit, die ursprünglich einen sehr hohen Rang hatte, im Verlauf der Entwicklung seiner Gedanken ab. In der Auseinandersetzung mit A u s t i n 4 1 6 wird das am Klarsten. Inwieweit Austin von deutschen Rechtsvorstellungen oder vom deutschen Rechtsdenken beeinflusst war oder nicht, kann hier dahingestellt bleiben. Radbruch geht dieser Frage jedenfalls nach und findet in diesem englischen Rechtsdenker einen kongenialen Partner zum deutschen Rechtsdenken, da er dessen vier Pfeiler der Rechtstheorie in Befehl, Sanktion, Pflicht und Souveränität sieht. Wichtiger scheint hier jedoch zu sein, dass er den englischen Rechtsdenker mit der deutschen Rechtskultur vergleicht oder in Elementen des englischen Rechtes eine Widerspiegelung deutschrechtlicher Rechtskultur vorzufinden glaubt. Ähnlich ergeht es ihm auch bei dem Vergleich mit Maine, der in seiner Konzeption Elemente einer gemeinsamen Rechtskultur aufweist 4 1 7 . So kann man schließlich in dem berühmten Artikel aus dem Jahre 1946, in dem er das Phänomen des gesetzlichen Unrechtes nicht nur aufzeigt und anerkennt, sondern auch das übergesetzliche Recht fordert, als ein Ausdruck der gemeinsamen angloamerikanischen und germanischen Rechtskultur auffassen. Sind es doch letztlich auch seine Bemühungen um die Rechtsvergleichung, vor allem mit dem angloamerikanischen Recht, die zu diesem letzten großen Ansatz geführt haben und dem wir auch neben dem zitierten Artikel über gesetzliches Unrecht auch die beiden Alterswerke verdanken: „Der Geist des englischen Rechts" 4 1 8 und die „Vorschule der Rechtsphilosophie" 419 .
416 417 418 419
Radbruch, „Anglo-American Jurisprudence" (Fn. 14), S. 251 ff. Radbruch, „Geist" (Fn. 14), S. 2, 14, 50 und 60. Vgl. Fn. 14. Vgl. Fn. 1.
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