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German Pages 221 [224] Year 1841
Die
Lehre vom
schwarzen
Staar
und
seiner Heilart.
Von
Ph.
F r .
von
W a
11 h e
r.
(Aus v. G r a e f e ' s and v. W a i t h er's Journal der Cbinugie und Augenheilkunde Rand XXX. besonders abgedruckt).
B e r I i 11, iim
V e r l a g e
von
1841.
G.
Reimer.
I
Einleitung.
n
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.
a
l
.
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.
.
Kapitel I. S y m p t o m a t o l o g i e der Amaurose. 1. Amblyopie. Oxjo1»ie.
S u b j e c t i r e Symptome. .
.
.
' .
Photophobie. Njrctälopie and Hemeralopie, ficotophle. Scotomia I ncida.. Scotomia opaca. . Chromopsia opaca. HyoJtiopsM. Visus reticalatu, ncbulosas, nubeculoiui. Gutta «erena. . Viiut trabeculari«. Visus maculosa«. Chromopsie. • Acbrematopsie. Photopsie. Opbtkalmo Ei>tozoen.
Seite . t
u Seite Hemiopie. . . . . 3 1 Diplopie und Polyopie. . . . 3 2 Micropie, Megalopie. . . . . 3 5 Visus elevatus, deprecias, erroneus. . .36 Myopie und Presbyopie. . . . .37 MeUmorphosie. . . . . .40 Visus evanidus, increicens. . . .41 Visus interruptus, nullus. . .42 Krankhafte Veränderungen und Affectionen des Gemeinge(uhls. . . . . . 4 3 Psychische Stimmung der Amaurotischen. . . 41 2. O b j e c t i v e S y m p t o m e . . . 49 Verhalten des Amaurotischen. . . . 5 1 Aussehen seines Aug es. . . .52 Glaucoma. . . . . .58 Gestörte Palpebral-Bewegang. . . .74 Nystagmus, Blepharospasmus, Blepbaroplegie. 75 Strabismus. . . . .81 (Myotomie). . . . .88 Gestörte Irisbewegungen. . . 101 Iridoplegie. . . . . 102 Mydriasis, Myosis, Bewegungslosigkeit der Iris. 104 Ectropium uveae. . . . . 112
K a p i t e l 11. N o s o l o g i e der Amaurose. A. Eintheilung der Amaurose n a c h d e r tiven G r ö s s e . . . . 1. Amaurosis imperfecta. . a. Amblyopia ainaurotica. b. Amaurosis imperfecta proprie 2. Amaurosis perfecta. . a. Amaurosis perfecta. . b. Amaurosis absoluta. .
. 112
quantita. 113 . . — • • — sie dicta. . — .113 . • ~ . • —
III
Seite B. Einteilung der Amaurose n a c h d e m q u a l i t a tiv e n C h a r a c t e r . . . . 1. Amaurosis erethica. . . 2. Amaurosis congestiva. . 3. Amaurosis inflammatoria. 4. Amaurosis tórpida . . 5. Amaurosis paralitica. . Pathologische Anatomie der Amaurose. C.
Einteilung der Amaurose n a c h i h r e r len Relation. . . . 1. Amaurosis idiopathica. . 2. Amaurosis deuteropatbica. 3. Amaurosis symptomatica. . 1. I d i o p a t h i s c h e
causa-
Amaurosen.
Amaurose aus dynamisch wirkenden Schad lichkeiten. b. Amaurose aus mechanisch wirkenden Schad lichkeiten. . . a.
2.
Deuteropathische
Amaurosen.
Erste A r t : die e n c e p b a l i s c h e n . a. Die encepbalitische. . . b. Die apoplectiscbe. . . c. Die hydroenccpbalische. . d. Die convulsiviscbe puerile. e. Die encephaliscbe ron Comprfssion ode Degeneration gewisser Hirnthcile. f.' Die spinale. . . Zweite a. b. c.
Art: d i e A b d o m i n a i a i n a u r o s e n . Die Sabburralamaurose. Die crapulöse. Die Abdominalamaurose nach Gemülbtsaffectionen.
IT
3
d. Die vermtnose. • c. Die Vüceral-Amaurosen. «. Haemorrhoidal-Amaurosen. . ß. Menstrual-Aniaurosen.
Seile . 169 . 170 . 17( .
S y m p t o m a t i s c h e Amaurosen. .
. 173
A.
Von Neurosen ausgehende Amaurosen. Amaurosis epileptica. . . ß. Amaurosis hysterica. . . y. Amaurosis hypochondriacs. .
B.
Dyscrasiscbe Amaurosen. 0. Amaurosis catarrhalis. . ß. Amaurosis rheumatica. y. Amaurosis arthritica. . J. Amaurosis scropbulosa. 1. Amaurosis scorbutica. .
C.
Nosologie
2. 3. 4. 5.
. 176 . 177 . 178 . 179 . — . 180
Von Hermatosen ausgehende Amaurosen. . 181 «. Amaurosis exanthemalica. . — ß. Amaurosis impetiginosa. . • —
Kapitel 1.
. . . . . .
. — . 174 . 175 . —
III.
der Amaurose.
Cur der erethischen Amblyopie. a. Diabetische Bezüge. . b. Therapie. . . Cur der congestiven Amaurose. Cor der entzündlichen Amaurose. Cur der torpiden Amaurose. . Cur der paralytischen Amaurose.
.
. . . . . .
. 182
.
. 185 . 185 195 . 1911 . 201 . 201 . 208
I c h habe vor Kurzem (Band XXIX. pag. 505. des Journals für Chirurgie und Augenheilkunde) eine Abhandlung über die Superciliar - Amaurose geschrieb e n , und die dort gepflogenen Untersuchungen haben mich am Schluss zum Versuche einer Begriffsbestimmung der Amaurose Oberhaupt geführt. Indem ich wünsche, dass der geneigte Leser jene Abhandlung, 'welche freilich mehr negative Resultate enthält, als eine Einleitung und als ein Vorstudium zu der nun folgenden betrachten möge, erlaube ich mir, diese an jene in einer gewissen Art anzuknüpfen und den Schlusssatz der ersten zum Ausgangspunkte für die Zweite herüberzunehmen. — A m a u r o s e (von «'»«•»•«, ¡ch mache dunkel, verdunkele) heisst dem Wortbegriffe nach Verfinsterung. Die lateinische Uebersetzung G u t t a S e r e n a ist w o h l •on einem einzelnen und noch dazu sehr selten vorkommenden amaurotischen Symptome abgeleitet, welches ich unten näher zu bestimmen mich bemühen werde. Ausser dieser von mir versuchten Ableitung möchte es kaum eine andere irgend wahrscheinliche 1
2 fi'ir Gutta Serena geben können. Die deutsche Benennung s c h w a r z e r S t a a r drückt den Gegensatz der (.ialarad und Amaurose aus, da bei jener die Pupille grauweiss suffundirt ers( heint, bei dieser schwarz bleiLt. Das griechische W o r t Amaurose (obwohl es die allen Griechen wohl in anderer und weniger genau bestimmter Bedeutung gebrauefiten) ist gut gewählt und trefflich bezeichnend: denn wirklich ist die Amaurose eine Verfinsterung, ein Abfall vom Li« hie. Sie allein ist die wahre Blindheit: — Beschränkung oder Abolition des S e h v e r m ö g e n s a l s s o l c h e m : — nicht bloss verllinderte Ausübung dieser Fakultät durch mechanische Ursachen. Der leukomatöse, kataraktöse und der an Pupillensperre Leidende ist nicht eigentlich blind, sondern sehkräftig hinter der undurchsichtigen Scheidewand, die zwischen dem Sehenden in seinem Auge und den sichtbaren Objekten aufgeführt ist. E r ist eben so wenig blind, als der Sehende bei geschlossener Augenliderspalle, oder am hellen Tage bei geschlossenen Fenstirladen dies ist. Aber der Amaurotische ist dem Lichte entfremdet, er hat das Vermögen, dasselbe sensitiv zu pereipiren, verloren. Sein Auge empfindet den Lichteindruck gleich andern Körpertheilen nur durch die noch fortbestehende allgemeine oder Kommunserisibilität. Zum Seher» (so wie zu andern Srnnesverrichlungen) konkurriren drei Momente: 1) das Licht macht einen Lindruck auf die für seine Einwirkung specifisch-empfangliche Netzhaut; 2) dieser Lichteiridruck wird i/iillest der Sehnerven zum Hirn iorlgeleilet; 3) das Hirn reagirt speciiisch gegen den ihm milgelheillen Licliteiridruck. Die eigentliche Sirineswahrnchmung, Perceplion, wird oft in diesem dritten Momente, der Cerebialreaction, vollendet. Früher und vor der Cerebralreaction ist noch keine Perception vorhanden; — der auf die Netzhaut
3 gemachte Lichteindruck ¡st w o h l Gegenstand der Sinneswahrnehmung, aber noch nicht sie selbst. Zu ihrer Vollendung gehört die EmpfSngniss der Netzhaut. die Leitung im Sehnerven und die Cerebralreaction. Diese drei Funktionen müssen ungestört von statten gehen, w e n n der Sehakt zu Stande kommen soll; jede Störung, auch nur einer Einzigen, hat seine Beschränkung oder Abolition zur Folge. Amaurotische Erblindung tritt ein, w e n n die Retina zerrissen, oder bei unverletzter Netzhaut der Sehnerv discontinuirt ist, oder w e n n im unverletzten Zustande beider, die Ccrcbralreaction Wegen Hirnkrankheit nicht erfolgt. Alle drei in organischer Verbindung und im lebendigen Zusammenhang konstituiren den vital-optischen Apparat. Amaurose ist daher Krankheit des optischen Apparats, und die Anriau) oseologie ist die Monographie aller Krankheiten jenes Apparats. Diese Krankheiten aber sind wenigstens eben so zahlreich und mannigfach, als die Krankheiten jedes anderen organischen Apparates. Daher ist die A n a n r o s e nicht eine besondere einzeln f ü r sich bestehende Krankheit, sondern sie ist der kollektive liegriff vieler und von einander sehr abweichender Krankheiten. In einem (künftigen) natürlichen nosologischen Systeme w i r d f ü r die Amaurose keine Stelle sein; — die einzelnen in ihr begriffenen Krankheiten der Netzhaut, des Sehnerven und des Hirnes w e r d e n von einander getrennt an sehr verschiedenen Stellen cingereihet w e r d e n . In einem künstlichen Systeme, n.it welchem w i r uns bei der noch fragmentarischen Natur unserer Erkenntnisse vor der Hand begnügen müssen, erscheinen sie als verschiedene Arten einer und derselben Krankheit. IJei jeder Amaurose, welcher Art sie auch sei, ist ein Leiden (Funktionsstörung) der Netzhaut v o r h a n d i n ; denn auch w e n n die krankmachende Ursache im Seh1"
4 nerven oder im Hirn liegt, verliert die Netzhaut ihre specifische, optische Sensibilität, welche ihr nur durch die vom Hirne ausgehende und durcli den Sehnerven ihr mitgetheille beständige Innervation zukömmt. Derngemäss kann die Amaurose auch ganz einfach als Retinalkrnrikheit defiriirt werden. Bei jeder Amaurose ist rine Retinalkrarikheit, wenigstens Funktionsstörung, w e n n auch nicht sichtbare Gewebsveränderung der Netzhaut vorhanden — und umgekehrt, jede Retinalkrarikheit (z. B. Dyctitis) bringt Amaurose, w e n n auch nicht immer vollkommen, doch unvollkommen hervor. Amaurose und Retinalkrankheit sind daher, von einem gewissen Standpunkte aus betrachtet, identische und sich vollkommen deckende Begriffe, und die Amauroseologie kann auf die Monographie der Retinalkrankheilen beschränkt werden. N u r gehen diese Krankheiten, und somit auch die Amaurose, nicht immer von der Netzhaut selbst aus; nicht bloss, w i e oben bemerkt w o r d e n , entspringen sie öfters aus dem Hirn oder Sehnerven, — sondern auch häufig aus arideren Orgarilhcilen des Augapfels, z. 15. aus der Chorioidea, dem Ciliarnervensysteme, dem Blutgefässsysteme des Bulbus. Aber amaurotisch ist oder wird ein solcher Krankheitszustand doch nur alsdann und in sofern, als EU jenen Affectionen anderer Organtheile des Augapfels secundair und später ein Uetinalleiden und durch dasselbe eine Störung oder Abolition des Sehvermögens als solchem sich zugesellen. Denn Amaurose, w e n n auch nicht ursprünglich vorhanden, kömmt zuletzt zu allen anderen mit Erblindung (im gewöhnlichen Sinne des W o r t e s ) verbundenen Augenkrankheiten hinzu, w e n n auch das anfängliche Hinderniss des Sehens ein rein mechanisches, und die Sehkraft als solchc nicht beeinträchtigt w a r . Nämlich jeder, w i e immer, Erblindete v\ ird zuletzt amaurotisch, — selbst der kataraktöse
5 nach vieljährigen durch Decennien ausgedehntem B e stände der Opacilät im Linsensysteme, indem durch die damit verbundene andauernde Lichtprivation die Netzhaut zuletzt ihre sensitive Kraft, der Sehnerv sein Leilungs vermögen und das Hirn die Fähigkeit auf jene eigentümliche und specifische W e i s e gegen den Lichteindruck zu reagiren verlieren. Nach Atrophie oder purulenler Zerstörung eines Augapfels atrophirt der Sehnerv auf dieselbe unten näher zu bestimmende W e i s e wie nach moriolatcralcr Amaurose. Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung der Augen von Menschen, welche lange Zeit blind gewesen sind, ohne gerade an ursprünglicher Amaurose gelitten zu haben, ist daher wohl zu unterscheiden, welche Textur- und Struktur-Veränderungen der früheren eigentlichen Krankheit, und welche der später hinzugetretenen Amaurose angehören. E s giebt eine alle, sich hier und da noch geltend machende rein riegirende Definition des schwarzen Staares, gemäss welcher die Amaurose derjenige Krankheitszustand sein soll, w o der Kranke nichts sieht, und aucli der Arzt nichts (Fehlerhaftes, Abnormes im Auge des Kranken): — somit beide Llind sind, der Kranke äusserli« h, körperlich, der Arzt innerlich, geistig. Dieses Isichtsehen hat aber bei beiden keinen objektiven, sondern einen rein subjektiven Grund. D e r Kranke so wie der Arzt sehen nicht darum nichts, weil nichts Sichtbares vorhanden ist, sondern weil beiden die S e h fäliigkeit auf gleiche W e i s e abgeht. Denn bei der Amaurose fehlen weder subjektive, noch objektive Zeichen: sie sind vielmehr beide in prägnanter Fülle vorhanden: — wie sich aus dem Folgenden ergeben wird. E s ist meine Absicht, zur vollständigen und erschöpfenden Begründung der Amauroseologie in drei Capitcln, im ersten die S y m p t o m a t o l o g i e der in
6 Rede stehenden Krankheit, und z w a r diese als die w i s senschaftliche G r u n d l a g e tles (Manzen, dann im zweiten die N o s o l o g i e und im drillen die T h e r a p i e der A m a u r o s e abzuhandeln. W e n n man hierLei die A e t i o logie und pathologische Anatomie derselben, so w i e ihre Prognostik als besondere Hauptabschnitte verniisst, so bemerke i c h , dass bei ), sondern nur den Eindruck, welchen dasselbe auf das Sinnesorgan macht, und den hierdurch veränderten Zustand dieses Organ e * , welcher Eindruck für sie eine Erscheinung (£«»itfiHi) ist. Durch das Auge 'werden die sichtbaren Gegenstände nicht selbst wahrgenommen, sondern nur die Lichtreflexe von ihrer dunkelen Oberfläche mit d e m hellen Einfassungsramen an ihrer räumlichen Begränzung. D a s Sehorgan ist der wirkliche Lichtsinn: — es sieht nur Licht als solches und polarisirles (gefärbtes) Licht und Lichtreflexe in begränzten Räumen und Einfassungen. Das Licht aber pereipirt die Netzhaut im Auge wirklich, ja sie iritussuscipirt dasselbe und erkennt sich in ihm als dem ihr Gleichartigen, so w i e Intussusreplion nur zwischen homologen möglich und Erkennen nur das Sich wiederfinden in dem Gleichartigen ist. Eben darum ist der Srhakt auch ein positiver Beweis von dem Dasein des Lichtes auch ausserhalb des sehenden Auges und unabhängig von demselben. Ausser dem Lichte aber wird nichts gesehen, und darum ist der Sehnkt, wie er wirklich ausgeübt w i r d , kein einfacher, sondern ein sehr zusammengesetzter Prozess, in dein sich eine Couibinaliou somatischer und psychischer Elemente findet. Der Sehakt ist daher dem Menschen nirlit angeboren, sondern er rouss (gleich dem Gehen und Sprechen) mühsam und allmählig durch Reflexion erlrrnt und eingeübt werden, w i e das Beispiel ncugeborrirr Kinder, welche anfangs wirklich nichts als das Licht sehen, beweist, und jenes der später durch operative Hülfe zum Sehen gelangten Blindgebornen Katarakiftsen, bestätigt. J. CamplieII (in Thomson'* Annal. ol philosophy. Vol. X. pag. 17.)
87 b< merkt sehr ri htig, ä w dw GfiMitainn' i w n -Sinne in «ich vereinige, «inert quantitativen (gleich dein Tastund H'trsinn) für die Gestalt, und einen qiiaktaliren (gleich dem (»eschmack und Geruch) fflr die Firbf, Wenn die Skotopsie gemäss des Vorstehenden lediglich eine von der Lirhfreinwirkung unabhängig aber der durch diese gesetzten Erregung ganz korrel.ilive Reaktion der Netzhaut SLC. ist; so bleibt die Frage zu beantworten, 1) wodurch diese Retinal-Reaktion in amaurotischen Zuständen • verursacht wende, Und 2) ob sie einzig auf diese beschrankt sei und nieht auch bei anderen, nicht amaurotischen Augenleiden vorkomme? Man hat den Grund der Skotopsie in materiellen Ursachen gesucht und das Sckeinsehen bei derselben für ein wabiM Sehen — von im Auge wirklich iwv hanrientr KOrperchen erklärt Diese Erklärung könnt« allenfalls für einige, aber doch nur für äusseret wenige Skotome, fttr das Sehen von Punkten, Linien, Schläagelchen, MOckenkflpfen, — Iceinesweges aber fi'ir jenes von grossen dunkelen Flecken, Wolken, Balken