Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur [1 ed.] 9783428504350, 9783428104352

Der vorliegende Band enthält die Vorträge, die auf der Tagung der Gesellschaft für Rechtsvergleichung 1999 in Freiburg i

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Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur [1 ed.]
 9783428504350, 9783428104352

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HEINRICH SCHOLLER / SILVIA TELLENBACH (Hrsg.)

Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur

Schriften zur Rechtstheorie Heft 201

Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur Herausgegeben von

Heinrich Scholler Silvia Teilenbach

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur / Hrsg.: Heinrich Scholler ; Silvia Tellenbach. - Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zur Rechtstheorie ; H. 201) ISBN 3-428-10435-8

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 2001 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0472 ISBN 3-428-10435-8 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 Θ

Inhaltsverzeichnis Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur Heinrich Scholler

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Menschenrechte in verschiedenen Rechtssystemen: Formale Differenzen und kulturelle Affinitäten Wolf gang Schmale

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Conflits conjugaux en immigration. Libérer malgré elle, la femme musulmane immigrée marocaine Marie-Claire

Foblets

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Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und die Rechtskultur: Das Beispiel der Volksrepublik China Harro von Senger

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Die Rechtskultur und die Rolle der Rechtskreislehre in Thailand Kittisak Prokati

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Die Sterbehilfe in Japan als Beispiel der Japanisierung westlicher Rechtskultur Kenji Ueda

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Diskussionsbericht Silvia Teilenbach

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Die Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur - Vorwort Von Heinrich Scholler* I. Die Entwicklung der Lehre von den Rechtsfamilien und Rechtssystemen 1. Die Einteilung des globalen Rechtsstoffes Man sprach oder spricht auch heute noch von den Rechtsfamilien oder den Rechtssystemen, wenn man eine Einteilung des globalen Rechtsstoffes nach bestimmten inneren Kriterien vornimmt. Die Lehre von den Rechtskreisen dagegen ist weniger üblich, obwohl sie eigentlich aus der Anthropologie auch den Rechtsanthropologen geläufig ist. Dort unterscheidet man Kulturkreise nach bestimmten kulturellen Elementen, Töpferei und Hausbau, die ganz verschiedene Ethnien in ganz verschiedenen geographischen Gegebenheiten innerlich verbinden. Schon Leo Frobenius1 hat mit großem Erfolg diese Lehre vom Kulturkreis auf afrikanische Kulturzusammenhänge angewandt. Es ist vielleicht verfrüht, im Nachstehenden von Rechtskulturen und Rechtskulturkreisen zu sprechen, aber dennoch soll der Begriff Rechtskreis andeuten, daß man sich löst von dem Begriff der Rechtsfamilie und des Rechtssystems. Die Idee der Rechtsfamilie setzt voraus, daß wie in der natürlichen Familie Rechtsordnungen auseinander hervorgegangen sind, sich wie Elternrechtsordnung und Abkömmlinge oder Geschwister zueinander verhalten. Die Lehre von den Rechtssystemen dagegen knüpft an andere Kriterien an, die meistens rechtstechnisch ausgerichtet sind, ζ. B. die Normenstruktur, die Bedeutung der Entstehung der Norm aus der Rechtsprechungspraxis, die Gliederung in öffentliches und privates Recht und wiederum in personae, res und negotium, um nur ein Einteilungssystem des römisch-germanischen Rechtes zu verwenden. Diese

* Prof. Dr. Dr. h.c. Heinrich Scholler, Ludwig-Maximilians-Universität München. 1 Adolf E. Jensen, Leo Frobenius, Leben und Werk, in: Paideuma 1 (1938), S. 15-58; Eike Haberland, Leo Frobenius, 1873/1973, in: Paideuma 19/20, (1973/74), S. 1 - 3 . Lebenswerk des Frobenius-Schülers Eike Haberland s. Siegfried Seyfarth, Eike Haberland 1924-1992, in: Paideuma 38 (1992), V-XXII wie auch zum Problem der vergleichenden Wissenschaften, Ernst-Wilhelm Müller, Plädoyer für vergleichende Geisteswissenschaften, in: Paideuma 39 (1993) S. 7 ff.

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Kriterien greifen aber nur nach sekundären Merkmalen und treffen nicht das Zentrum der Rechtskultur oder des Rechtskreises.2

2. Die Entwicklung bis 1914 Zu Recht hat man festgestellt, daß sich die europäische Rechtswissenschaft bis 1914 nur mit dem kontinentalen oder besser gesagt mit dem abendländischen Rechtssystem beschäftigt hat, da natürlich neben dem römisch-germanischen Recht auch das Common Law 3 Gegenstand der Rechtsvergleichung war. Hier ging es im wesentlichen um die Differenzierung zwischen Common Law auf der einen Seite und kontinental-europäischem Recht oder römisch-germanischem Recht auf der anderen Seite. Dabei brachten es die nationalgesetzlichen Strömungen und die Kodifikationen des 19. Jahrhunderts mit sich, daß man versucht war, auch zwischen den römisch-germanischen Rechtsfamilien die Untergruppen stärker hervorzukehren und gegeneinander auszuspielen. Gemeinsamkeiten des französischen Rechtes, das auf dem code civil beruhte, des schweizer Rechtes und des deutschen Rechtes, das mit dem BGB im Jahre 1900 in eine kodifizierte gesamtdeutsche Form überging, wurden dabei häufig übersehen. Die Unterscheidungen basierten aber in der Regel nicht auf den primären Differenzierungsmerkmalen, sondern auf sekundären oder tertiären. 4

3. Die Entwicklung bis 1989 Die Entwicklung seit dem Jahre 1914, also dem Ausbruch des 1. Weltkrieges, und dem Jahr 1989, dem Jahr der Wende und des anschließenden Zusammenbruchs der UdSSR, war gekennzeichnet durch den Versuch einer weiteren Differenzierung und Untergliederung der einzelnen Rechtsfamilien, insbesondere der Familie des römisch-germanischen Rechtskreises. Innerhalb der Gruppe des römisch-germanischen Rechtskreises unterschied man demzufolge den romanischen Rechtskreis, den lateinischen, den skandinavischen, den südamerikanischen Rechtskreis oder entsprechend viele Rechtsordnungen. Gleichzeitig aber regte sich eine innere Kritik an den überkommenen Unterscheidungskriterien wie Richterrecht, Gesetzgebungsrecht, Normqualität, Hierarchie der Normen usw.. Man erkannte mit Pound , daß die Rechtsnorm, an der man die Unterscheidung gerne festgemacht hätte, im Grunde genommen in ihrer höchsten Verfeinerung oder Rückführung Ausdruck 2 René David/Günther Grasmann: Einführung in die großen Rechtssysteme der Gegenwart. 2. Aufl. München 1988 S. 131 ff., 146 ff., 152 ff. 3 PS. Atiyah, Common Law and Statute Law in: Michael Arnheim (ed.), Common Law, Dartmouth/UK, 1994, S. 1 ff.; George Winterton, The British Grundnorm: Parliamentary Supremacy Re-examined, in: Common Law, S. 139 ff.; s.a. Heinrich Scholler, Gustav Radbruch Gesamtausgabe Band 15 „Rechtsvergleichung", Heidelberg 1999. 4

Auch René David /Günther Grasmann, S. 107.

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philosophischer Ansätze oder einer weltanschaulichen Konzeption zur Gerechtigkeitsfrage ist.5 Wenn Pound an dieser Stelle das Recht als social institution to satisfy social wants bezeichnet, verlagert er die Grundnorm in den sozialen Bereich, während doch die sogenannten jural postulates als Voraussetzungen für richtiges Recht in der ethischen Sphäre liegen. Die Identität der jural postulates und der rechtlichen Grundnorm findet sich dagegen bei den sogenannten religiös orientierten Rechtsordnungen des islamischen Rechtes, des jüdischen Rechtes und des Hindu-Rechtes.6 Fraglich ist, ob man das kanonische Recht auch zu diesen religiösen Rechtsordnungen zählen kann. Hiergegen wird vor allem eingewandt, daß das kanonische Recht nicht für alle Bürger eines bestimmten Territoriums verbindlich sei. Dem ist entgegenzuhalten, daß das kanonische Recht ähnlich wie das islamische Recht in seinem religiösen Ausgangspunkt einen universellen Charakter hat. Ein weiterer Einwand gegen das kanonische Recht als Teil der religiösen Rechtskreise geht dahin, daß es zum großen Teil eben nicht religiösen Ursprungs sei, sondern sich auf dem Boden des römischen Rechtes entwickelt hat.7 Die Grenzlinie zwischen rein religiösem Ursprung und nicht-religiös orientiertem Ursprung dürfte jedoch im Einzelfall sehr schwierig sein. Schließlich ist fraglich, ob die Gewohnheitsrechte vor allem in Afrika, aber auch in den Philippinen oder in Indonesien eine eigene Rechtsfamilie darstellen.8 Man wird sie aber doch eher als einen Rechtskreis begreifen können, weil zwar die Voraussetzungen für ein System oder eine Familie fehlen, aber bestimmte kulturelle Normen oder Grundnormen vorhanden sind, die die Identität von Rechtskreisen ausmachen. Der von uns vor zwei Jahren behandelte Konflikt zwischen modernen Menschenrechten und traditionellen Gewohnheitsrechten oder autochthonen Rechten ist hierfür ein Beweis. In allen gewohnheitsrechtlich charakterisierten Rechts- und Kulturkreisen treten solche Konflikte typisch auf. Ein weiteres für den Rechtskreis von Gewohnheitsrechten typisches Merkmal ist die Flexibilität und die Fähigkeit der Akkulturation durch religiöse oder säkulare Rechtsordnungen. Als besonderes Beispiel kann hier die Verbindung von nordafrikanischen Gewohnheitsrechten mit den islamischen Rechtsvorstellungen gelten. Auch wird man nicht von einem einheitlichen Rechtskreis der Gewohnheitsrechte sprechen können, sondern den gewohnheitsrechtlichen Rechtskreis nur als einen vagen Oberbegriff ge5

René David /Günther Grasmann, S. 17; s. a. Konrad Zweigert/Hein Kötz, An Introduction to Comparative Law, 2 n d edition, Oxford 1992. 6 Es handelt sich aber richtig gesehen in entwickelten Rechtssystemen um einen qualitativen Sprung von den jural postulates (Zweck im Recht bei Rudolf von Jhering) zu den Rechtsnormen, weder um einen Schritt innerhalb eines Rechtsgewinnungsverfahrens, noch um die Spitze der Stufenpyramide des Rechts. Siehe auch: Ludo Rocher, Hindu Conceptions of Law, in: Ved P. Nanda (ed.), Hindu Law and Legal Theory, Dartmouth / U K 1995, S. 3 ff. 7

Judith Romney Wegner, Islamic and Talmudic Jurisprudence: The Four Roots of Islamic Law and their Talmudic Counterparts, in: Ian D. Edge (ed.), Islamic Law and Legal Theory, Dartmouth/UK 1995, S. 35 ff.; zum jüdischen Recht siehe: Martin P. Golding (ed.), Jewish Law and Legal Theory, Dartmouth / U K 1993. 8

Wojciech Koskenniemi (ed.), Law and Religion, Dartmouth/UK 1992.

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brauchen können, unter den dann ganz verschiedene, rechtskulturell orientierte Gruppierungen aufgezählt werden sollten.9 Ein Merkmal eines bestimmten gewohnheitsrechtlichen Rechtskreises könnte die segmentäre oder akephale Gesellschaft sein, die sich prägend auf das Verständnis des Gewohnheitsrechtes auswirkt. Ein anderes Merkmal könnte die matrilineare Familienrechtsordnung und das entsprechende Erbrecht sein. Diese Fragen können hier nicht weiter behandelt werden und sollen daher nur eine kurze Andeutung erfahren.

II. Die heutige Lage 1. Wegfall des sozialistischen Rechtskreises Das auffallendste Merkmal der gegenwärtigen Situation ist der Zusammenbruch des sozialistischen Rechtskreises. Zunächst einmal muß die Frage beantwortet werden, ob das sozialistische Recht tatsächlich dem Charakter eines Rechtskreises entspricht? Wenn man auf die rechtskulturelle Grundnorm abstellt, so ist dies wohl zu bejahen, obschon das Element des Richterrechtes, also der Mangel der unabhängigen rechtsprechenden Rechtsverwirklichung, deutlich hervortritt. Der Wegfall dieses Rechtskreises hat zunächst zu einem Vakuum geführt, das durch konkurrierende Rechtskreise oder Rechtssysteme aus dem okzidentalen Recht aufgefüllt wird. 10 Es gilt in geringerem Maße auch für China 11 , da die Marktöffnung die Modernisierung des Rechtes es notwendig machte, sich des westlichen Rechtsrepertoires zu bedienen. Aber auch Indonesien erkannte vor Jahren die Notwendigkeit, die Kommandoordnung des Staates durch modernes Recht zu ersetzen. Das Gleiche gilt beispielsweise für die Mongolei 12 oder auch Äthiopien 13 und Südafrika. 14 Während in den beiden ersten Fällen eine marxistische oder sozialistische Rechtsord9 Wolfgang Fikentscher, Wechselspiel von Gewohnheitsrecht und Menschenrecht im Kulturvergleich, in: Gewohnheitsrecht und Menschenrechte: Aspekte eines vielschichtigen Beziehungssystems, Heinrich Scholler Hrsg., Baden-Baden 1998, S. 29. 10 Zum Transformationsprozeß Beiträge in Adam Podgorecki/ Vittorio Olgiati: Totalitarian and Post-Totalitarian Law. Dartmouth / U K 1996. 11 Michael Palmer, Chinese Law and Legal Theory, Dartmouth / U K 1995; zu der ähnlichen Problemstellung im japanischen Recht siehe: Hideo Tanaka, The Role of Law in Japanese Society, Comparisons with the West, in: Koichiro Fujikura (ed.), Japanese Law and Legal Theory, Dartmouth/UK 1996, S. 285 ff. 12

G. Sovd, Die Entwicklung des Rechtswesens in der Mongolei und seine Besonderheiten, in: Menschenrechte und nationale Sicherheit, Dokumente eines internationalen Symposiums, 30.9./4. 10. 96 in Ulan Bator, Mongolei, Hanns-Seidel-Stiftung München 1998, S. 27 ff. und die dort zitierte weiterführende Literatur. 13

Jacques van der Linden, Introduction au Droit de L'Ethiopie Moderne, Bibiliotheque Africaine et Malgache, Bd. 10, 1971; René David, Sources of the Ethiopian Civil Code, in: Journal of Ethiopian Law Vol. IV No. 2, 1967 S. 341 ff. 14 Heinrich Scholler, Der Verfassungsdialog in der Republik Südafrika, in: ZOR 52/ 1997 S. 63-89.

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nung ersetzt werden muß, gilt in Südafrika die Aufgabe der Substituierung eines rassistisch ausgeprägten Rechts.15 Also ein rechtsstaatliches demokratisches Recht als ein Recht einer open and democratic society based on peace and justice. Im öffentlichen Recht gab es in Südafrika eine Konkurrenz zwischen dem kanadischen föderativen, menschenrechtlich orientierten System und dem bundesdeutschen. Die Mongolei dagegen, die ursprünglich eine sowjetische Orientierung ihrer Rechtsordnung hatte, blieb zwar nicht von amerikanischen Einflüssen unberührt, orientiert sich aber wesentlich stärker am römisch-germanischen Recht. Dies gilt aber nicht durchweg. So ist zum Beispiel das Strafprozeßrecht eine Mischform zwischen dem amerikanischen Recht, also dem Parteiensystem, und dem deutschen Strafverfahrensrecht, das auf der Inqusitionsmaxime beruht. 16 Auch im Verfahren vor dem mongolischen Verfassungsgericht gilt das amerikanische Prinzip des Parteienstreites. Demgegenüber kennt das deutsche Verfahrensrecht vor dem Bundesverfassungsgericht je nach der Natur des Streites die Inquisitionsmaxime oder den Parteienstreit. 17

2. Ein Kampf der Rechtskreise Mit der Charakterisierung rechtlicher Zusammenhänge als Rechtskreis hat man auch ein besseres Verständnis für einen Vorgang, den vor einiger Zeit Samuel Huntington als den Kampf der Kulturen bezeichnet hat. 18 Versteht sich das Recht als Teil eines Rechtskulturkreises, wird viel leichter verständlich, warum die jeweilige Rechtsordnung nicht nur Gegenstand einer politischen Konfliktlage und Auseinandersetzung geworden ist, vielmehr dient sie zum Teil als primäre Waffe im Kampf der Kulturen. Huntingtons Ansatz ist insofern allerdings korrekturbedürftig, als er davon ausgeht, daß die abendländischen Rechtskreise, also Common Law und römisch-germanischer Rechtskreis, Waffen- und Angriffsinstrumente im Kampf gegen religiöse und asiatische Rechts-, Wirtschafts- und Kultursysteme sind. Der 15

Richard D. Reiston, Apartheit, South Africa's ,Peculiar Institution': Law Versus Justice in a Repressive Society, in: Adam Podgorecki /Vittorio Olgiati, Totalitarian and Post-Totalitarian Law, Darthmouth/UK 1996, S. 215. 16 Sowohl die mongolische Strafprozeßordnung, die nach der Wende als vorläufige Prozeßordnung neu geschaffen wurde, als auch der Entwurf von 1998/99 sehen das Parteiverfahren vor. 17 Im deutschen Verfassungsgerichtsprozeß gilt für die Verfassungsbeschwerde nach § 90 BVerfGG das Parteiverfahren, während die objektiven Verfahren vom Inquisitionsprinzip beherrscht werden. 18 Samuel P. Huntington, Kampf der Kulturen, Die Neugestaltung der Politik im 21. Jahrhundert. Dt. Ubersetz. München 1997, 4. Aufl., s. hierzu auch die Auseinandersetzung mit Huntingtons Thesen in: Konvergenz oder Konfrontation?, Transformationen kultureller Identität in den Rechtssystemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, hrsg. von Werner Krawietz / Gerd Reichers / Jens Vedder, Huntington-Sonderheft, Berlin 1998, Rechtstheorie Bd. 29 H. 2/4. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit den dort vorgetragenen kritischen Analysen ist hier nicht möglich.

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Kulturkampf als Kampf von Rechtskreisen vollzieht sich aber auch gerade als Wettlauf zwischen abendländischen Rechtskreisen, also vor allem dem Common Law und dem römisch-germanischen Recht in Asien. Allerdings ist ja nicht unbekannt, daß Ende des vorigen Jahrhunderts ein ähnlicher Kampf innerhalb Japans stattgefunden hat um die Frage, ob das französische Recht des code civile, das Common Law oder das deutsche Recht neue Grundlage für die Reform der japanischen Gesellschaft werden sollte. 19 Also auch in den Subkreisen und zwischen ihnen, ζ. B. zwischen dem französischen und dem deutschen Recht, besteht eine bestimmte Konkurrenzlage. Der Konflikt der Rechtskulturen wird aber in der Diskussion unter einem anderen Kennwort geführt, und zwar unter den Begriffen der Globalisierung oder der Indigenisierung. a) Von der Globalisierung spricht man in der Regel im Zusammenhang von wirtschaftlichen Prozessen der Expansion oder des wirtschaftlichen Transfers. Dabei scheint das einzelne Wirtschaftsunternehmen als global player und die gesamte Welt als Markt oder Spielplatz des wirtschaftlichen Wettkampfes. Dies bedeutet selbstverständlich auch, daß in diesem globalen Wettkampf eine einheitliche und für alle verbindliche Wettkampfregel gelten muß, will man Konflikte irgendwie einheitlich und vielleicht auch gerecht entscheiden.20 Den Regelungsrahmen dafür findet die World Trade Organization (WTO), doch ist für den Zugang zu ihr, wie das Beispiel der Volksrepublik China zeigt, erforderlich, daß auch im Binnenraum nationaler Politik und Wirtschaft Grundsätze des Marktmechanismus eingeführt und eingehalten werden. Jedes wirtschaftliche Ungleichgewicht in einem solchen Weltmarktsystem führt selbstverständlich auch dazu, daß die konkrete Entwicklung des übermächtigen Rechtskreises bei Verdrängung anderer Rechtskreise expandiert. b) Die gegenläufige Bewegung kann man als Indigenisierung bezeichnen, worunter man die Rückkehr zur eigenen Rechtskultur versteht, wendet man diesen Begriff auf die Lehre von den Rechtskreisen an. Einen solchen Fall der Indigenisierung kann man in dem Prozeß der „Japanisierung" des westlichen Rechtes in Japan oder der „Sinisierung", also der Wiederbelebung chinesischer Rechtstradition, sehen. Ob diese Prozesse so weit gehen können, daß sie die Elemente der Schuld und Verantwortungskultur durch solche der Schamkultur ersetzen können, ist fraglich. Der Druck auf die weitere „Advokatisierung" in Japan ist ein deutlicher Beweis, daß durch den amerikanischen Rechtskreis und die ihn begleitende Wirtschaftspo19 Koichiro Fujikura (ed.), Japanese Law and Legal Theory, Dartmouth / U K 1995; s. auch die Beiträge in Toward Comparative Law in the 21 th Century, Chuo University Press, Japan 1998, neben dem Beitrag von Lawrence Friedman, Some Thoughts on the Rule of Law, Legal Culture and Modernity in Comparative Perspective, S. 1075 ff. auch die Beiträge zu dem Grundrechtsvergleich in Japan und Deutschland sowie Roy N. Freed, A Task for Comparative Law Teachers in the Age of Globalization: To Harmonize Laws through International Cross Fertilization, S. 1057 ff.

20 s. dazu auch die Ausführungen in der vorstehenden Anmerkung sowie die zur Auseinandersetzung mit Samuel P. Huntington zitierte Literatur.

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litik eine Amerikanisierung der japanischen Rechtskultur und des japanischen Rechtskreises angestrebt wird. Die Indigenisierung finden wir aber auch in anderen Teilen der Welt, so ζ. B. in Südafrika, wo traditionelles Familienrecht im Vordringen ist, oder in Äthiopien, wo der berühmte code civile Äthiopiens, eine Schöpfung des Komparatisten Renév David, in bezug auf für die wirtschaftliche Einheit nicht notwendige Rechtsgebiete in die Kompetenzen der neuen Regional- oder Länderregierung gelegt wurde. 21 Auf dieser Ebene wird Erb- und Familienrecht nunmehr durch ein neukodifiziertes autochthones Recht ersetzt werden oder zumindest ersetzt werden können. Eine andere Tendenz, die den religiösen Rechtskreis in besonderer Weise betrifft, stellt der Fundamentalismus dar. Er ist als besonderes Phänomen des Islam bekannt geworden und führte dazu, daß die traditionellen islamischen Staaten, die monokratisch organisiert waren, sich zu sogenannten Islamischen Republiken entwickelten. Besonders herausragende Beispiele sind der Iran und der Sudan. Fundamentalistische Strömungen mit dem Postulat nach Wiedereinführung der Sharia finden sich aber selbst in Ländern wie Marokko oder Mauretanien. Die Strömungen des Fundamentalismus zeigen eine gewisse Ähnlichkeit mit der Bewegung, die oben als Indigenisierung bezeichnet wurde. Auch das Hindu-Recht und die konservativ-radikalen religiösen Gruppen in Israel zeigen deutlich solche Tendenzen. Auf der Grazer Tagung wurde ein Teilaspekt dieses Problems sehr verdienstvoll mit dem Ergebnis untersucht, daß selbst die UNO zögert, gegen die Tradition der Beschneidung energischer vorzugehen. 22

I I I . Was kann eine Lehre vom Rechtskreis heute leisten? 1. Die Einführung des Begriffes Rechtskreis und Kulturkreis soll - ohne daß man von einem Rechtskulturkreis sprechen muß - eine engere Anbindung einer oder mehrerer nationaler oder übernationaler Rechtsordnungen an die ihr zugrunde liegenden Grundnormen bedeuten. Damit erhält man einen Brückenschlag von den Grundnormen zur ausdifferenzierten Rechtsordnung auf der einen Seite 21 Der Prozeß der Indigenisierung ist am stärksten im Familien- und Erbrecht ausgeprägt. So hatte Prof. Bennett vor zwei Jahren den Auftrag der südafrikanischen Regierung, ein neues Familienrecht vorzulegen. In Äthiopien ist Familien- und Erbrecht in die Zuständigkeit der Member States gefallen. Im Bundesland No. 1 (Tigre) ist bereits ein neues Familienrechtsgesetz vom Landesparlament angenommen worden. In Tigre bestand allerdings schon lange ein kodifiziertes Gewohnheitsrecht. Friederike Kemink, Tegrenna Customary Law Codes, in: Paideuma 37 (1991), S. 55-72; s. auch dazu Bairu Tafla, The Dispensation of Justice in Traditional Ethiopia - An Appraisal of Legal Historiography, in Lothar Philipps /Roland Wittmann, Rechtsentstehung und Rechtskultur - Heinrich Scholler zum 60. Geburtstag, Heidelberg 1991, S. 91-111. 22

Sami A. Aldeeb Abu-Sahlieh, Circoncision masculine et feminine, in: Gewohnheitsrecht und Menschenrechte: Aspekte eines vielschichtigen Beziehungssystems, Heinrich Scholler (Hrsg.), Baden-Baden 1998, S. 81.

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und umgekehrt eine bessere Verknüpfung der einzelnen Normordnungen untereinander. Ob diese Grundnormen identisch mit der Menschenwürde und den Menschenrechten sind, wie das Art. 1 Abs. 2 GG nahelegt und von vielen angenommen wird, ist eine mehr akademische Frage. Die Gefahr einer Fundamentalisierung des abstrakten Rechtssystemes ist nicht zu befürchten, da zu diesen Grundwerten und Grundnormen auf jeden Fall auch das Toleranz- und das Fairneßprinzip gehören. 23 2. Die Lehre von den Rechtskreisen bedeutet auch, daß die Trennungslinie zwischen den traditionellen Rechtsfamilien und Rechtssystemen neu gezogen werden muß. Die Systeme, die durch Gesetzgebungsrecht gekennzeichnet waren, haben in der Zwischenzeit insofern eine Modifikation erfahren, als die Rechtsprechung, insbesondere die Verfassungsgerichtsbarkeit, eine so große Kasuistik entwickelt hat, daß man nicht mehr so scharf zwischen legislativ und judikativ geprägten Rechtssystemen unterscheiden kann. Schon früher hat man bemerkt, daß von der Gerechtigkeitsidee her gesehen das Common Law und das Civil Law keine grundlegenden Unterschiede aufweisen, im Gegenteil inhaltlich verwandt sind. Für die Übertragung oder den Transfer für judikativ oder legislativ determinierte Rechtskreise kommt es allerdings entscheidender auf die Technizität und den Mechanismus der Normsetzungsverfahren an. Auch bedeutet die Rechtskreislehre, daß man in Zukunft mehr Wert und Augenmerk auf die Mischsysteme legen muß, d. h. auf Rechtskreise, in welchen Gesetzgebungs- und Richterrecht gemeinsam an der Fortentwicklung einer zukunftsoffenen Rechtsordnung arbeiten. Diese Mischformen von Rechtskreisen können dann ihrerseits untergliedert werden in solche, bei welchen die Intensität der Mischung geringer ist, also entweder das Gesetzgebungsrecht oder das Richterrecht überwiegen. Neben diesen Rechtskreisen mit gemischter Rechtskultur stehen dann die Rechtskreise, die überwiegend religiösen Ursprungs sind oder bei welchen das Recht in einem intensiven Kontakt zur Religion steht und der große Bereich der gewohnheitsrechtlichen Rechtskreise. 3. Pauschal läßt sich sagen, daß eine von der jeweiligen Rechtskultur her neu interpretierten Rechtskreislehre folgende Einteilungskategorien und Ansätze eines neuen Verständnisses erbringen kann. a) Die Wiederanknüpfung an rechtliche Grundweitentscheidungen. Damit würde die Rechtskreislehre ein bisheriges Versäumnis nachholen und die unter dem Stichwort Dritt- oder Horizontalwirkung entfaltete Grundrechtsdogmatik integrieren. b) Die Aufhebung der zu formalistischen Trennung zwischen Common Law und Civil Law zugunsten eines neuen Konvergenz Verständnisses. c) Analytische Ansätze bei der Neubewertung der Zugehörigkeit von Mischsystemen auf Grundlage der Relevanz der einwirkenden rechtskulturellen Grundlage. 23

Heinrich Scholler: Toleranz und Fairneß als objektiver Schutzgehalt der Religionsfreiheit, in: Die neuen Inquisitoren - Religionsfreiheit und Glaubensneid Teil I, Hrsg.: Gerhard Besier/Erwin K. Scheuch; Zürich 1999.

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d) Neugliederung und Differenzierung der autochtonen Rechtssysteme nach ihrer rechtskulturellen Affinität, wie ζ. B. Scham oder Schuldkultur, Pflichten- oder Rechtskultur u.s.w. Gerade in der besseren Beurteilung und Differenzierung autochtoner Rechtsordnungen scheint der besondere Vorteil der Einbeziehung rechtskultureller Ansatzpunkte zu liegen.

IV. Ausblick auf die Tagung Im ersten Tagungsreferat soll zunächst einmal der Umstand näher beleuchtet werden, daß selbst innerhalb einer Rechtsfamilie oder eines einheitlichen Rechtskreises wie des römisch-germanischen Rechtes auf einem Nebengebiet, nämlich dem Gebiet der Menschenrechte, doch erhebliche Differenzierungen bestehen. Wenn man das Augenmerk auf die Advokatur und Rechtsverwirklichung und nicht die Gesetzgebung richtet, zeigen sich deutliche Unterschiede im französischen und im deutschen Rechtskreis mit bezug auf die Realisierung der Grundrechte. Damit soll die These bekräftigt werden, daß nicht die Technizität der Rechtsverwirklichung, sondern die Bindung an die Grundnormen für einen Rechtskreis maßgebend ist. Das zweite Referat wird sich beschäftigen mit dem Konflikt zwischen dem abendländischen Rechtskreis, nämlich dem römisch-germanischen oder besser gesagt einem romanischen (französischen), und dem islamischen Recht auf dem Gebiet des Familienrechtes. Das Familienrecht ist ein besonders heikles Gebiet, auf dem sich die verschiedenen Rechtskreise konfligierend begegnen. Hier erscheint eine Riickbindung des Rechtskreises oder der Rechtskreise an überbrückende Grundnormen nicht möglich, weil solche gemeinsamen Grundnormen eben nicht bestehen. Die anschließenden Referate sollen das Problem der konfligierenden Rechtskreise Thailands, Japans und Chinas behandeln. Dort werden die Referenten dankenswerterweise im Prozeß der Indigenisierung an einzelnen Elementen darstellen. Am Nachmittag wird vor der allgemeinen Aussprache Herr Kollege Kötz eine Sicht der heutigen Bedeutung der Rechtssysteme oder der Lehre von den Rechtskreisen vortragen. Auch in der Postmoderne werden rationale und rechtstechnische Kriterien ihre Bedeutung zur Entwicklung der Lehre von den Rechtskreisen behalten.24

24 Auf die Bedeutung von Leo Frobenius für die Rechtsanthropologie haben Bernhard Großfeld und Christian Humpert, Leo Frobenius und die Rechtsvergleichung, Rechtstheorie 1998 S. 121 ff. in einem von mir erst jetzt gefundenen Artikel dankenswerterweise hingewiesen.

Menschenrechte in verschiedenen Rechtssystemen: Formale Differenzen und kulturelle Affinitäten Von Wolfgang Schmale* I. Die Entstehung von Menschenrechts-Rechtskreisen insbesondere nach 1945 Menschenrechte anders als universell zu denken stellt einen philosophischen Widerspruch dar. Dann wären es keine Menschenrechte. Die Universalität der Menschenrechte im Sinne der Frage nach dem Ist-Zustand allerdings läßt sich aus ganz verschiedenen Perspektiven her betrachten. Die vielen Menschenrechtsdokumente, die von der UNO, d. h. ihren Mitgliedsstaaten - nicht immer allen zusammen oder gleichzeitig - ausgegangen sind, tragen zur Implementierung einer globalen Rechtsordnung bei. Ahnliche wirksame Beiträge lassen sich im Bereich der internationalen Wirtschaftsbeziehungen feststellen, zu verweisen wäre auch auf das internationale Privatrecht, ohne hier auf Einzelheiten einzugehen. Von besonderer Relevanz erscheint in diesem Zusammenhang auch die Tätigkeit von NGO's: fördern sie eine globale Rechtsordnung durch ihren Einsatz für Menschenrechte oder nicht? Die Eckpfeiler eines globalen Rechtssystems stehen - wenn man es optimistisch betrachtet. Dessen ungeachtet und bei weniger optimistischer Anschauung wird freilich ein Großteil des Rechtsalltags bis in die internationalen Beziehungen hinein von, im Blick auf das Globale, regionalen1 oder auch nationalen Rechtskulturen und Systemen beherrscht. Hier stellt sich die Frage nach der Universalität der Menschenrechte in zweierlei Hinsicht: werden die Menschenrechtsnormen der Vereinten Nationen vor Ort umgesetzt, so daß die Universalität der Menschenrechte durch die weltweite Geltung als positives Recht hergestellt wird, oder sind die Menschenrechte geschichtlich-kulturell eine universelle Erscheinung und somit in Gestalt spezifischer Ausprägungen in den einzelnen Rechtskulturen vorhanden und aufzufinden? In der öffentlichen weltweiten Diskussion sind die Standpunkte z.T. polarisiert: die nicht-westlichen Kulturen werden der westlichen gegenübergestellt. Diese Polarisierung ging und geht durchaus, aber nicht nur, von den Trägern der westlichen Kultur aus, weil die Menschenrechte geschichtlich als Leistung dieser Kultur und nicht anderer Kulturen angesehen wurden und werden. * Prof. Dr. Wolf gang Schmale, Universität Wien. 1 Der Begriff „Region" (regional usw.) wird im Folgenden, soweit nichts Gegenteiliges vermerkt ist, nicht kleinräumig, sondern bezüglich der globalen Welt, großräumig verwendet. Es sind also Europa, der arabisch-islamische Raum, Lateinamerika usf. „Regionen". 2 Scholler / Tellenbach

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In die Entgegnungen darauf werden oft kulturrelativistische Elemente eingewoben. Vor einigen Jahren hat Selim Abou, Rektor der St.-Josephs-Universität in Beirut, die Berechtigung solcher Diskussionen in Frage gestellt. Sein Argument lautet, daß das Primäre, das Wesentliche die Einheit des Menschseins auf der Erde sei, dem gegenüber die nicht zu leugnende Unterschiedlichkeit der Kulturen ein sekundäres Merkmal darstelle.2 Abou argumentierte philosophisch, es ließe sich aber auch geschichtlich-kulturell argumentieren, indem Grundwerte in verschiedenen Kulturen und Gesellschaften untersucht und verglichen werden. Solche Vergleiche sind immer wieder in Angriff genommen worden. Vor Jahren schon hatte der Rechtsphilosoph René Marcie von einer „menschlichen Minimalethik" gesprochen, die er sowohl im diachronen wie synchronen geschichtlichen Raum erkannte.3 Diese These hat den Vorteil, daß sie bei allgemeiner Anerkennung eine globale Verständigung über den Kern der Menschenrechte erleichtert. Im historischen Bewußtsein herrscht aber doch eine andere These vor, nämlich die bereits referierte, daß Menschenrechte eine kulturelle Leistung Europas und Nordamerikas seien sowie, in der jüngeren Geschichte, einer Reihe weiterer Staaten, die sich der westlichen Kultur zurechnen wie Australien oder Neuseeland. Innerhalb der westlichen Kultur ist diese These positiv konnotiert, weil sie zur westlichen Identität entscheidend beiträgt. Die gravierenden Fehlleistungen im Hinblick auf die Einhaltung der Menschenrechte im und durch den Westen selber werden dabei häufig als Marginalie behandelt. Außerhalb der westlichen Kultur ist obige These negativ konnotiert, weil sie z. B. als westlicher Kulturimperialismus interpretiert wird. Unterhalb dieser Polarisierung, der eher eine polemische denn faktische Realität entspricht, zeichnet sich eine Regionalisierung der Menschenrechte4 ab. „Regionalisierung" versteht sich als Relativierung im globalen Kontext. Zu verweisen ist auf die Menschenrechtsdebatten und die Verabschiedung eigener Menschenrechtserklärungen, die Ausdruck eines spezifischen Menschenrechtsverständnisses sein sollen, im arabisch-islamischen Raum, in Afrika, in Lateinamerika, in Europa selbst. Haben wir es, statt mit der Implementierung eines globalen Rechtssystems im Geiste der Menschenrechte, nicht vielmehr mit der Entwicklung neuer Rechtskreise auf der Erde zu tun, deren primäre Gemeinsamkeit im Konflikt um die Uni2

Sélim Abou, Menschenrechte und Kulturen. Aus dem Französischen v. Almut Franke u. Wolfgang Schmale, Bochum 1994 (frz.: Cultures et droits de l'homme. Leçons prononcées au Collège de France, mai 1990, Paris, Hachette, 1992). Zum Begriff des Menschen vgl. Harro von Senger, From the limited to the universal concept of human rights: Two periods of human rights, in: Wolfgang Schmale (ed.), Human Rights and Cultural Diversity..., Goldbach 1993, S. 47-100. 3 Vgl. René Marcie, Geschichte der Rechtsphilosophie. Schwerpunkte, Kontrapunkte, Freiburg 1971. 4 Vgl. Wolfgang Schmale, Human Rights in the Intercultural Perspective and the Reorganisation of the International Debate, in: ders. (ed.), Human Rights and Cultural Diversity..., Goldbach 1993, S. 3 - 2 7 , passim. Zu „régionalisation des droits de l'homme" s. Frédéric Sudre, Droit international et européen des droits de l'homme, Paris 1989, Kapitel 3.

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versalität oder nicht, um die Interpretation der Menschenrechte besteht? Oder entspricht diese als Regionalisierung der Menschenrechte bezeichnete Entwicklung regionalen kulturgeschichtlichen Voraussetzungen wie im Fall Europas? Werden spezifische geschichtliche und kulturelle Entwicklungen aufgegriffen und mit menschenrechtlichen Normen in Einklang zu bringen versucht? Sollten wir es mit der Entstehung neuer Rechtskreise zu tun haben, die ursächlich mit dem Konflikt um die Menschenrechte zu tun haben, so wäre dies auch ein Hinweis auf die rückgängige Bedeutung von Nationalstaaten, die im allgemeinen ein nationalstaatliches, vom theoretischen Anspruch her autonomes Rechtssystem ausgebildet haben. Die Entwicklung eines globalen Rechtssystems oder einer Weltrechtskultur steht nicht unbedingt im Gegensatz zur Ausbildung regionaler Rechtskreise, die sich durch eine für sie charakteristische Ausformulierung von Menschenrechten auszeichnen und Funktionen übernehmen, die den nationalstaatlichen Rechtskulturen vorbehalten waren. Es klingt wahrscheinlich paradox, die Entstehung von Menschenrechts-Rechtskreisen hier als (Forschungs-)These aufzustellen, aber man muß realistisch sein: ein invariables Menschenrechtsverständnis und eine invariable Umsetzung in überall gleiches positives Recht gibt es derzeit nicht und ist derzeit nicht als Zukunft abzusehen. Diese Tatsachenfeststellung ist von dem, was zu wünschen wäre, zu trennen. Die These nimmt sich wahrscheinlich weniger paradox aus, wenn man sich die hohe Zahl von Rechtsnormen vergegenwärtigt, die heute unter dem Titel „Menschenrechte" vereinigt werden. Die hohe Zahl besagt den interkulturellen Kompromißcharakter des Begriffs „Menschenrechte" und es widerspräche jeder menschlichen Erfahrung, gäbe es da nicht Raum für unterschiedliche Interpretationen, von der praktischen Umsetzung ganz zu schweigen. Besonders bei den sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechten leuchtet der Hinweis auf die Unterschiedlichkeit von Gesellschaften und Kulturen ein. Da sich Gesellschaften und Kulturen permanent wandeln, da überall Globalisierungstendenzen nachzuweisen sind, sind die vorgebrachten Argumente immer wieder neu auf ihre Stimmigkeit hin zu prüfen. Die These, daß bestimmte Menschenrechte grundsätzlich mit einer bestimmten Gesellschaft und Kultur nicht vereinbar seien, kann keine Geltung beanspruchen. Die aufgeworfenen Fragen geben genug Stoff für einen Vergleich von Rechtskulturen her. Die Möglichkeiten des vorliegenden Beitrags gehen nicht soweit. Lediglich können einige Fragen am Beispiel Europas diskutiert werden, die Vorüberlegungen sollen aber deutlich machen, daß im Folgenden zwar von Europa die Rede ist, dahinter aber kein europazentristischer Ansatz steckt. Ich selber bin nicht der Uberzeugung, daß „Menschenrechte" eine spezifisch europäisch-nordamerikanisch kulturelle Leistung oder gar ein Ausdruck europäischer Überlegenheit sind. Ich halte es eher mit Marcie und anderen, die in der Perspektive der Untersuchung von Grundwerten in unterschiedlichen Kulturen nicht von der Einmaligkeit Europas in der Geschichte ausgehen, sondern um eine interkulturell objektive Betrachtung bemüht sind. Was mit Blick auf die Universalgeschichte jedoch richtig ist, ist 2*

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die Tatsache, daß das Wort (nicht zwangsläufig die Sache) „Menschenrechte" eine europäische Erfindung darstellt und daß es durch die Rezeption der französischen Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 als Schlüsselwort in die internationale politische Sprache eingedrungen ist. Als Ausdruck einer gemeinsamen westlichen rechtlichen und politischen Identität kann es wohl erst seit dem Zweiten Weltkrieg, vielleicht auch erst seit kürzerer Zeit gelten. Das wird gerne verdrängt, weil der Grund- und Menschenrechtsdiskurs in Europa wesentlich weiter zurückreicht, aber oft genug handelte es sich um den Diskurs einer Minderheit und nicht um den Ausdruck eines gesellschaftlichen bzw. kulturellen Grundkonsenses. Erst die Konvention über den Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (4. 11. 1950 unterzeichnet, 3. 9. 1953 in Kraft getreten5) in Verbindung mit der Europäischen Kommission für Menschenrechte und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beförderten einen solchen Grundkonsens. Meine These lautet, daß sich nach dem Zweiten Weltkrieg ein europäischer Menschenrechts-Rechtskreis herausgebildet hat und über die Schiene der Europäischen Integration an Festigkeit gewinnt. Mit „Rechtskreis" 6 meine ich hier die Geltung sowie Teilhabe an bestimmten Menschenrechtskonventionen und entsprechenden supranationalen Institutionen zur Verwirklichung von Menschenrechten. In der Regel handelt es sich, da der Nationalstaat als völkerrechtliches Subjekt nach wie vor das grundlegende Ordnungselement darstellt, um eine bestimmte Zahl von Staaten, die meist, aber nicht ohne Ausnahme, auch in einem geographischen Zusammenhang stehen und die den Konventionen usf. beigetreten sind. Die Einigung auf Konventionen, supranationale Institutionen etc. wird durch die Existenz einer gemeinsamen Rechtskultur erleichtert. Beides - tradierte Rechtskultur und jüngere Rechtskreisbildung - soll nun an Hand von Europa untersucht werden.

II. Europäische Rechtskultur: Formale Differenzen und kulturelle Affinitäten Eine kleine Geschichte aus dem Jahre 1800: Ein Grundherr aus Sachsen beklagte sich beim Geheimen Rat des Kurfürsten über ein Urteil, das das Appellationsgericht in Dresden in einem Prozeß zwischen ihm, dem Grundherren, und den Bauern aus einem seiner Dörfer gefällt hatte. Der Grundherr hatte von seinen Bauern Abzugsgeld für den Fall gefordert, daß jemand aus der Grundherrschaft wegziehen und sich anderswo niederlassen wollte. Die Bauern hatten dagegen geklagt, sie verteidigten ihre Niederlassungsfreiheit und wehrten sich dagegen, diese Freiheit erkaufen zu müssen. Das Gericht begründete sein für die Bauern positives Urteil damit, daß die natürliche Freiheit zu schützen sei. Der Grundherr warf darauf5 Die Konvention lehnt sich explizit an die UNO-Erklärung von 1948 an, ohne diese vollständig aufzugreifen. Auf Zusätze im Lauf der Jahre ist hier nicht weiter einzugehen. 6 Vgl. zum Begriff „Rechtskreis" den Diskussionsbeitrag von Hein Kötz in diesem Band.

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hin dem Gericht vor, die französischen Prinzipien der Freiheit und Gleichheit übernommen zu haben, was als ziemlich schwerwiegender Vorwurf zu verstehen war. Die Richter wiesen den Vorwurf zurück; sie hätten nicht im französischen, sondern „im juristischen Sinne" von der „natürlichen Freiheit" gesprochen.7 ,Freiheit im französischen Sinn' war gleichbedeutend mit dem Umsturz tradierter gesellschaftlicher und rechtlicher Verhältnisse. »Natürliche Freiheit im juristischen Sinn' besagte, daß individuelle oder kollektive Freiheiten, die im tradierten positiven Recht beispielsweise einer Grundherrschaft wie im vorliegenden Fall bzw. im einschlägigen positiven Landesrecht durch das Nichtvorhandensein einer einschränkenden Norm zustandegekommen oder, besser gesagt, übrig geblieben waren, nicht einseitig und eigenmächtig durch den Grundherrn aufgehoben werden konnten. Mit dem Argument der natürlichen Freiheit sollten keine neuen Freiräume geschaffen werden, das Argument besaß einen defensiven Charakter und sollte die nicht-konsensuelle Begrenzung von Freiräumen, von Freiheiten verhindern. Der Kern dieses Konflikts bezeichnet recht gut, was man unter „formalen Differenzen" und „kulturellen Affinitäten" verstehen kann.8 Eine formale Differenz bestand hinsichtlich des defensiven Moments in der deutschen bzw. des revolutionären Moments in der französischen Argumentation. Sowohl in Frankreich wie im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation allerdings zählte die „natürliche Freiheit" zu den zentralen Argumenten in Gerichtsprozessen und in der öffentlichen politischen sowie rechtsphilosophischen Diskussion. In beiden Ländern haben wir es mit einem Naturrechtsdiskurs zu tun, der aber insgesamt unterschiedlich ausfällt, so daß wir es mit einem deutschen Naturrechtsdiskurs einerseits und einem französischen andererseits zu tun haben. Naturrechtsdiskurse lassen sich im 18. Jahrhundert von den britischen Inseln bis Italien, von Bordeaux bis Warschau oder Buda feststellen. Der Kern der Vorstellung von der natürlichen Freiheit des Menschen ist transnational gleich: der Mensch ist von Natur aus frei. Das naturrechtliche Argument war gerichtsfähig, es diente dazu, Lücken im positiven Recht zu erhalten, wenn sie der individuellen - oder auch kollektiven Freiheit einer Gemeinde etc. - zugute kamen bzw. um solche Lücken zugunsten der individuellen oder kollektiven9 Freiheit auszulegen. Die unterschiedlichen Ausdeutungen beginnen dort, wo der Mensch nicht mehr als im Naturzustand, sondern im Zustand der Gesellschaft, im Zustand der Zivilisation gedacht wird. An dieser Stelle differenziert sich der Aufklärungsdiskurs aus. Als transnationaler Diskurs steht der Naturrechtsdiskurs mit vielem anderen für das 7

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Bestand Appellationsgericht N° 14054, Konzeptschrift vom 13. September 1800. 8 Ich folge mit den Begriffen „formale Differenz" und „kultureller Affinität" einem Vorschlag von Heinrich Scholler. 9 In der frühen Neuzeit verbanden sich die Bauern einer Gemeinde oft durch einen Vertrag, in Sachsen z. B. „Syndikat" genannt, wenn ein Prozeß geführt wurde. Eine übliche Schwurformel war, daß „alle für einen Mann" stehen. Es wurde, wenn es um Freiheitsrechte ging, also nicht nach individueller oder kollektiver Freiheit unterschieden.

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Phänomen einer europäischen Rechtskultur, aber zugleich erfährt er charakteristische Variationen oder Ausprägungen, die man vorsichtig als „protonational" bezeichnen kann. Proto-nationalkulturelle Rechtssysteme waren in Europa seit dem Mittelalter in der Ausbildung begriffen, aber sie wurden durch europaweit wirksame Faktoren wie die Rezeption des Römischen und des Kanonischen Rechts, das Netz der Universitäten und Hohen Rechtsschulen, durch die Vernetzung untereinander der Rechtsgelehrten usw. usw. nie zu rein autonomen nationalkulturellen Rechtssystemen. Nicht lupenreine Homogenität, sondern mal engere, mal weitmaschigere rechtskulturelle Affinitäten machen den Begriff der „europäischen Rechtskultur" möglich. Auf ähnliche Weise läßt sich wahrscheinlich von einer arabisch-islamischen (wohlgemerkt: arabisch-islamischen, nicht generell islamischen, was Pakistan oder Malaysia, die islamischen Teilrepubliken Rußlands, oder Bosnien usf. einschließen müßte) Rechtskultur sprechen. Die Grenzen der europäischen und letztlich jeder anderen Rechtskultur sind immer nur schwer zu definieren. Sie bleiben im Lauf der Geschichte nicht gleich, weitere Differenzierungen sind bezüglich des geographischen Raumes der betreffenden Rechtskultur einzuräumen. In der Europahistoriographie wird mit dem Modell historischer (Groß-)Regionen gearbeitet, oft mit der Annahme von drei unterschiedlichen Großregionen, von West über die Mitte Europas nach Ost fortschreitend. Der Norden und der mediterrane Süden werden je nach Epoche häufig als weitere Regionen angeführt. Am bekanntesten geworden ist sicher das Büchlein des ungarischen Historikers Jeno Szucs über die „Drei historischen Regionen Europas". 10 Szucs hat vor allem auch Rechtsinstitute in die Überlegungen einbezogen. Bis heute sind diese drei Regionen erkennbar, auch wenn sich seit 1989 die westeuropäische und die mittelosteuropäische Rechtskultur schnell annähern, während die osteuropäische, im wesentlichen die russische, weißrussische und ukrainische langsamer oder kaum konvergieren. Dem sind mit Blick auf die Ausbildung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises weitere historische Differenzierungen hinzuzufügen. Da wären als erstes Rechtsdebatten, die als Menschenrechtsdebatten bezeichnet werden können. Heutzutage haben wir es mit einer permanenten Debatte in den europäischen Ländern zu tun. Die Anlässe sind verschieden, die Debatte ist permanent. In den drei Jahrhunderten zwischen dem Beginn der sog. europäischen Expansion und der Französischen Revolution brachen immer wieder Menschenrechtsdebatten aus konkreten Anlässen hervor, ohne zu einer permanenten gemeineuropäischen Institution zu werden. Zu erinnern ist an die Debatte um die Rechte der Indianer, die in Spanien in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Las Casas11 und Vitoria 12 initiiert wurde und über Spaniens Grenzen weit hinausdrang; zu 10

Jenö Szucs, Die drei historischen Regionen Europas. Aus dem Ungarischen von Béla Râsky, Frankfurt 1990. 11 Vgl. u. a. Marianne Mahn-Lot„ Bartolomé de Las Casas et le droit des indiens, Paris 1982.

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erinnern ist an die Debatte um Widerstandsrechte, ebenfalls im 16. Jahrhundert, oder an den Abfall der Niederlande in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der von einer die Landesgrenzen übergreifenden Debatte um Grund- und Bürgerrechte begleitet wurde. 13 Daneben wurden entsprechende Debatten in kleineren räumlichen Zusammenhängen geführt, ζ. B. in Oberdeutschland während des Bauernkrieges 1525 oder in Frankreich während der Fronde 1648-1653 usw. Erst das Ereignis der Französischen Revolution und deren Rechteerklärung aber gruppierte die Debatte um einen gemeinsamen Kern und verschaffte ihr eine gemeineuropäische Grundstruktur. Daß dies geschehen konnte, lag nicht zuletzt an den seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts rasant veränderten Kommunikationsbedingungen innerhalb Europas, also nicht nur an der Sache. Während auf der Ebene von Rechtsdebatten, die von literaten Personen geführt wurden, eben aufgrund der eingespielten Rezeptionsmechanismen von Beginn an europäische, mal mehr, mal weniger europäische Dimensionen ausgemacht werden können, sind auf der Ebene der Rechtspraxis kleinräumig-regionale Grundrechtekonjunkturen festzustellen. 14 Zugrundeliegt dieser These ein Vergleich zunächst zweier Regionen in Europa (Kursachsen im Heiligen Römischen Reich und Herzogtum Burgund in Frankreich). Verglichen wurden der Rechtsbedarf der Bevölkerung, die Arbeit der Gerichte, die Entwicklung der Rechtslehre und die Konstitution sowie Veränderung rechtlichen Wissens auch bei der nicht-literaten Bevölkerung. Die Analyse der Prozeßtätigkeit der Bevölkerung als Meßwert für den Rechtsbedarf ergab für Kursachsen einen erhöhten Bedarf an Schutz von Grundrechten für das Jahrhundert grob von 1650 bis 1750 mit Spitzenwerten um die Jahrhundertwende, im Herzogtum Burgund hingegen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit steigenden Werten im Vorfeld der Revolution. Diese zeitliche Differenz läßt sich mit der Bewältigung komplexer Krisen in Zusammenhang bringen und auch auf größere Einheiten als die beiden Regionen projektieren. In weiten Teilen des Reichs mußte nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges eine komplexe gesellschaftliche, wirtschaftliche und staatlich-institutionelle Krise bewältigt werden, Frankreich befand sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in einer ähnlich komplexen Krisensituation, wenn auch aus anderen Gründen. Umgekehrt war im Reich gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die angesprochene komplexe Krise bewältigt, während Frankreich nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zwar eine politische Krise erlebte, die aber mit der im benachbarten Reich nicht vergleichbar war. Es ist zu erwarten, daß entsprechende 12

Franciscus de Vitoria [auch: Victoria], De Indis recenter inventis et de jure belli Hispanorum in barabaros relectiones (1539), lat.-deutsch, hrsg. von Walter Schätzel, Tübingen 1952. 13 s. dazu Martin van Gelderen, The Political Thought of the Dutch Revolt, 1555-1590, Cambridge 1992. 14 Dazu Wolfgang Schmale, Archäologie der Grund- und Menschenrechte in der Frühen Neuzeit. Ein deutsch-französisches Paradigma, München 1997. Zum Begriff der „Grundrechtekonjunktur" ebd., S. 441 -458.

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Studien für andere regionale Räume in Europa die These von räumlich begrenzten und zeitlich zwischen den Räumen differierenden Grundrechtekonjunkturen bestätigen würden. Der Begriff „Grundrechte" ist rechtssoziologisch wie folgt zu definieren: Grundrechte meint „solche Regeln zur Vermeidung oder ordnungsgemäßen Beilegung von Konflikten, die ihrer Bestimmung nach in einer gegebenen Gesellschaft auf allgemeine Gültigkeit hin angelegt und als Grundlegung der gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Ordnung, kurz der Ordnung einer gegebenen societas humana als solcher zu erachten sind." 15 Diese Definition umschließt ggf universal gedachte Menschenrechte, setzt aber Universalität nicht voraus. Bei den analysierten Grundrechtekonjunkturen vor 1789 geht es formal um dasselbe - Grundrechte - , im einzelnen aber um differierende Inhalte. Das hängt mit der zeitlichen Differenz, aber auch mit den zu Beginn dieses Abschnitts am Beispiel des Naturrechts beschriebenen ,proto-national-kulturell' zu charakterisierenden Differenzen zusammen. Die Geschichte der Grund- und Menschenrechte in Europa ist bisher nur im Ansatz erforscht, wenn an eine umfassende kulturgeschichtliche Aufarbeitung gedacht wird. Das gilt ganz besonders für das 19. und 20. Jahrhundert. Einiges läßt sich dennoch wenigstens skizzieren. Die vor 1789 bestehenden proto-nationalen Rechtssysteme werden durch die Verfestigung des Nationalstaatsprinzips im 19. Jahrhundert zu nationalen Rechtssystemen ausgebildet. Der Vergleich dieser vielen nationalen Rechtssysteme ist an dieser Stelle nicht leistbar, er könnte sich auch nur auf wenige vergleichende Forschungsarbeiten stützen.16 Offen muß bleiben, wie tiefgreifend Grund- und Menschenrechte als positives Recht die Rechtssysteme strukturierten. Wurde überall das Strafrecht mit grund- und menschenrechtlichen Prinzipien in Einklang gebracht? Die Vermutung, daß wir es nach wie vor mit einer europäischen Rechtskultur, aber nationalen Rechtssystemen, nicht jedoch nationalen Rechtskulturen an Stelle einer europäischen Rechtskultur zu tun haben, wird wohl zutreffen, müßte aber sehr genau geprüft werden. Es gab ja dezidiert rückbildende „Entwicklungen", wie es Gerald Stourzh mit der Ethnisierung des Rechts in der KK-Monarchie 15 Wolf gang Schmale, Archäologie, 95. Die Definition von „Grundrecht" baut auf einer Definition von Recht des Rechtshistorikers Hermann Kantorowicz auf. Vgl. Schmale, ebd. 16 Immer noch: Felix Ermacora, Menschenrechte in der sich wandelnden Welt, Band 1: Historische Entwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Wien 1974. Außerdem (nur als Beispiele): Jürgen Kocka/Ute Frevert (Hrsg.), Bürgertum im 19. Jh. Deutschland im europäischen Vergleich, München: 3 Bände, 1988, hier Band 1; Jutta Kohout, Gewähr der Verfassung und Anfänge des Grundrechtsschutzes im europäischen Konstitutionalismus (1814-1848), Wien, Diss., 1980; Hans-Dietrich Loock/Hagen Schulze (Hrsg.), Parlamentarismus und Demokratie im Europa des 19. Jh., München 1982; Aldo Mazzacane/Reiner Schulze (Hrsg.): Die deutsche und die italienische Rechtskultur im „Zeitalter der Vergleichung", Berlin 1995; Antoine de Baecque (ed.), Une histoire de la démocratie en Europe, Paris 1991; Michele de Salvia /Mark E. Villiger (eds.), The Birth of European Human Rights Law. L'éclosion du Droit européen des Droits de l'Homme. Baden-Baden 1998.

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um 1900 gezeigt hat. 17 Die Pervertierung vieler nationaler Rechtssysteme sukzessive durch Bolschewismus, Faschismus, Frankismus und Nationalsozialismus nach dem Ersten Weltkrieg vertiefte die Gräben zwischen den nationalen Rechtssystemen. An diesem Punkt ist ernsthaft zu fragen, ob es für diese historische Phase noch sinnvoll ist, von europäischer Rechtskultur zu sprechen, selbst wenn es in Italien wie Spanien wie Deutschland genug Menschen gab, die die gemeineuropäischen Ideale nicht aufgegeben hatten. Die Spaltung des Kontinents am Ende des Zweiten Weltkriegs hat zu einem weiteren Auseinanderdriften der Rechtssysteme geführt, nicht nur zwischen West und Ost, sondern zusätzlich zwischen Mittelosteuropa und der Sowjetunion. Darin scheinen im übrigen die drei historischen Regionen Europas nach Szucs wieder auf. Sind sozialistische Rechtssysteme und westeuropäisch-demokratische Rechtssysteme noch mit den Begriffen „formale Differenzen", aber „kulturelle Affinitäten", also unter dem Oberbegriff „europäische Rechtskultur mit verschiedenen Rechtssystemen" zu subsumieren? Selbst wenn das bejaht werden sollte, weil auch die sozialistischen Rechtssysteme ihre Wurzeln in den rechtsphilosophischen Debatten der Aufklärung des 18. Jahrhunderts und noch mehr der Revolutionsepoche gegen Ende jenes Jahrhunderts hatten, sind die Differenzen zwischen den Rechtssystemen größer denn je in der europäischen Geschichte gewesen.

III. Die Entstehung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises Nach 1945 wurden einerseits durch den Aufbau der westeuropäisch-demokratischen bzw. sozialistischen Rechtssysteme die Differenzen vergrößert, andererseits wurden von der Europäischen Menschenrechtskonvention 1950 über die KSZESchlußakte von 1975 bis hin zur Revolution von 1989 entscheidende Voraussetzungen für eine spätere Integration der Rechtssysteme nicht nur innerhalb der Europäischen Union, sondern im ganzen europäischen Raum geschaffen. Besonderes Gewicht ist jener Integration der Rechtssysteme beizumessen, die von der Europäischen Union seit einigen Jahren ausgeht. Diese ist nicht ganz Europa, aber sie bedeutet den Motor auch von Integrationsprozessen in Nichtmitgliedsstaaten, weil sich diese auf einen Beitritt zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt einrichten. Die nationalen Rechtssysteme in Polen, Tschechien, Ungarn und weiteren Ländern werden schon jetzt durch die sukzessive Übernahme europäischen Rechts modifiziert. Die Existenz permanenter europäischer Institutionen macht einen gewaltigen Unterschied gegenüber früheren historischen Epochen aus. Nationale Rechtssysteme wird es noch sehr lange geben und mit ihnen entsprechende Differenzen in 17

Gerald Stourzh, Ethnisierung der Politik in Altösterreich, in: Wiener Journal Nr. 228, September 1999, S. 35-40 (Festvortrag anläßlich der Verleihung des Anton Gindely-Preises an den Autor), Wien 1999. Vgl. ders. y Begründung und Bedrohung der Menschenrechte in der europäischen Geschichte, Wien: Akademie der Wissenschaften, 2000.

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der europäischen Rechtskultur, aber das werdende europäische Recht verlangt Grund- und Menschenrechte als verbindliche und gemeinsame Basis der nationalen Rechtssysteme. Die essentielle Charakterisierung der einzelnen Rechtssysteme durch Grund- und Menschenrechte hängt damit nicht mehr so sehr von den Wechselfällen der Geschichte wie bis weit in das 20. Jahrhundert hinein ab, sondern ist europäisch gewollt, entspricht einem gemeinsamen Programm, für dessen Umsetzung es Institutionen gibt. Damit wird später oder früher aus dem Flickenteppich der Grund- und Menschenrechtskultur vor 1789 allmählich ein mehr oder weniger gleichmäßig gewebter Rechtsteppich. Das europäische Menschenrechtswebmuster leitet sich aus der Konvergenz von nationalem Recht und europäischem Primärrecht ab. Dieses Recht ist im Gegensatz zu den meisten Rechtsdokumenten der Vereinten Nationen verbindliches Recht, dessen Verletzung Sanktionen durch den Europäischen Rat, das EU-Parlament, die EU-Kommission oder Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof nach sich ziehen kann. Im Blick auf Grund- und Menschenrechte wird durch diese auf Europa bezogene institutionelle und ideelle Verdichtung die Ausbildung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises gefördert. Dahinter stehen ganz pragmatische Motive, weil dies als der beste Weg erscheint, aus Idealen Wirklichkeit werden zu lassen. Zugleich wird aber die Differenz zwischen der Integration der europäischen Rechtssysteme in der Perspektive der Grund- und Menschenrechte einerseits und der außerhalb dieses Integrationsprozesses stehenden Länder, insbesondere nichteuropäischen Ländern, immer größer - trotz UNO. Die Ausbildung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises zeichnet sich sowohl durch Integration wie Ausschließung, durch die Parallelität unterschiedlicher Verhaltensweisen, je nachdem, ob sie auf den Integrationsraum oder nicht gerichtet sind, aus. Sami Aldeeb hat diesen Ausschlußcharakter einmal kritisch hervorgehoben. 18 Es ist zu erwarten, daß sich daraus ein spezifisch europäisches Menschenrechtsverständnis entwickelt, das sich von der seit 1789 oft missionarisch vorgetragenen Universalität der Menschenrechte durch seine europäische Spezifität unterscheiden wird. Der Prozeß zeitigt einen durchaus ambivalenten Charakter. Die These lautet nicht, daß die Ausbildung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises willentlich, bewußt herbeigeführt wird; das wäre erst zu beweisen. Die These lautet lediglich, daß ein entsprechender Prozeß im Gange ist, der neben dem positiven Aspekt der Förderung der europäischen Integration, neben seinen pragmatischen Motiven, auch Anlaß zu kritischen Fragen und Anlaß zu Sorgen geben kann. Anlaß zur Sorge geben Entwicklungen, die das Schlagwort „Festung Europa" meint. Ein Merkmal dieser „Festung" ist das werdende „europäische Asylrecht". Zwar fällt das Asylrecht bisher noch wesentlich in die nationalstaatliche Kompetenz, insofern gibt es kein „europäisches Asylrecht", aber die nationalstaatlichen Standards werden seit einigen Jahren in gegenseitiger Abstimmung nach unten verschoben. Die Berichte über die 18 SamiA. Aldeeb Abu-Sahlieh, Muslims and Human Rights: Challenges and Perspectives, in: Wolfgang Schmale (ed.), Human Rights and Cultural Diversity. Europe - Arabic-Islamic World - Africa - China, S. 239-268, Goldbach 1993, hier S. 239 f.

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Bedingungen in den Sonderzonen an Flughäfen oder in der Abschiebehaft sowie über den Tod von Schubhäftlingen (1999) während des Vollzugs von Abschiebungen verstärken den Eindruck, daß hier die Prinzipien der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit vor aller Augen außer Kraft gesetzt werden. Wenn sich diese Zustände verfestigen, wird dies zu einer europaspezifischen Einschränkung der Menschenrechtsidee führen. Die faktische Ausbildung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises bedeutet nicht nur eine stärkere Beachtung von Menschenrechtsprinzipien in der Rechtspraxis und in der Politik, sondern u.U. auch die Verstetigung eines minimierten Menschenrechtsverständnisses, eines Menschenrechtskonsenses auf einem kleinen gemeinsamen Nenner. Im folgenden sollen nun auf der institutionellen Ebene einige Aspekte angesprochen werden, die den entstehenden europäischen Menschenrechts-Rechtskreis charakterisieren. Die Existenz bestimmter Institutionen oder institutionalisierter Verhaltensweisen ist nicht gleichzusetzen mit der Menschenrechtspraxis, aber notwendige Voraussetzung für eine kontrollierbare Integration der europäischen Rechtssysteme. Mit dem Vertrag von Amsterdam hat die EU deutlicher als mit dem Vertrag von Maastricht Grund- und Menschenrechte zur Grundlage der EU-Politik gemacht. Um Mißverständnissen vorzubeugen: es geht dabei zunächst um die Schaffung einer juristisch verläßlichen und verbindlichen Grundlage innerhalb der EU, nicht um das Prinzip der Anerkennung von Grund- und Menschenrechten, das als solches unstrittig ist. Diese werden von den Verfassungen der Mitgliedsstaaten anerkannt, außerdem gilt die EMRK, kann der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte angerufen werden. Mit Blick auf diese Verhältnisse, in denen ausreichende Garantien für die Anerkennung von Grund- und Menschenrechten als Grundlage einer europäischen Rechtskultur gesehen wurden, hat es bisher keine besonderen EU-Vereinbarungen hinsichtlich der Menschenrechte gegeben. Ein geschlossener Beitritt der EU-Mitgliedsstaaten als EU zur EMRK ist bisher aus juristischen Gründen gescheitert, es gibt dazu eine Entscheidung des Luxemburger Gerichtshofes vom 26. März 1996. Schon im Maastrichter Vertrag existierte ein Artikel, der mit Erweiterungen in den Amsterdamer Vertrag übernommen wurde, „in dem die Grundrechte, wie sie in der Europäischen Menschenrechtskonvention gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedsstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts vorgestellt werden." Im Amsterdamer Vertrag wurde hinzugesetzt, „daß die Aussetzung der Mitgliedschaft in der Union im Falle einer «schwerwiegenden und anhaltenden» Verletzung der Grundsätze, zu denen sich die Union bekennt (u. a. die Achtung der Menschenrechte), möglich ist. Dieser Artikel ist auch eingeführt worden, damit die Achtung der Menschenrechte in jenen europäischen Staaten sichergestellt werden kann, die nach der Mitgliedschaft in der Union streben." 19 Der 19 Dieses und vorheriges Zitat: Johannes van der Klaauw, Gibt es eine eigenständige Menschenrechtspolitik der Europäischen Union? in: Franz-Josef Hutter/Heidrun Speer/ Carsten Tessmer (Hrsg.), Das gemeinsame Haus Europa. Menschenrechte zwischen Atlantik und Ural, S. 45-55, Baden-Baden 1998, Zitate S. 46. Der Autor ist Senior European Affairs Officer im Regionalbüro des UNHCR in Brüssel.

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Vertrag erlaubt dem Europäischen Rat, zur Förderung der Nichtdiskriminierung „eine Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten anzustreben, die hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, nicht jedoch unmittelbar wirksam sein müssen. Ein solcher Beschluß soll Diskriminierungen wegen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder des Glaubens, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung bekämpfen." 20 Der Amsterdamer Vertrag soll, so resümiert van der Klaauw, darüber hinaus die Gleichstellung von Frauen und Männern, „ein hohes Beschäftigungsniveau, ein hohes Maß an sozialem Schutz und sozialem Zusammenhalt sowie die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten" in der EU fördern. Van der Klaauw stellt fest, daß es „im Vertrag keine Hinweise auf soziale und wirtschaftliche Rechte, die direkt einklagbar sind, (gibt), wenn auch ein neuer Absatz in der Präambel auf die sozialen Grundrechte Bezug nimmt, die in der Europäischen Sozialcharta von 1961 und in der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 festgelegt sind." 21 In der EU-Außenpolitik zeichnen sich seit einiger Zeit die Grundlinien einer Menschenrechtspolitik ab. Dazu gehört u. a. „die Aufnahme von Menschenrechtsklauseln in Verträgen und Abkommen mit Drittländern, beispielsweise mit den mittel- und osteuropäischen Ländern. So werden die Achtung der Menschenrechte und die Wahrung der Grundsätze der Demokratie jetzt als wesentlicher Bestandteil eines Abkommens qualifiziert und systematisch in alle neuen Verträge aufgenommen. Derartige Klauseln werden ergänzt um Artikel, die im Falle einer erheblichen Verletzung wesentlicher Vertragsbestimmungen - wie den Menschenrechtsklauseln - die völlige oder teilweise Aussetzung des Abkommens ermöglichen." 22 Das sind einige institutionelle Voraussetzungen, die, wenn sie tatsächlich genutzt werden, die Integration von Rechtssystemen bewirken. Vielleicht sollte hinzugefügt werden, daß das nur funktioniert, wenn auch die langjährigen EU-Mitglieder die aufgestellten Ansprüche an sich selber überprüfen. Die institutionellen EU-seitigen Voraussetzungen sind mit denen des Europarates sowie der KSZE/ OSZE zu kombinieren, ohne das hier im Detail auszuführen. Dieter Senghaas sah in den KSZE-Dokumenten von 1990 - Dokument des Kopenhagener KSZE-Treffens über die Menschliche Dimension vom 29. Juni 1990; Pariser Charta für ein neues Europa vom 21. November 1990 - die grundsätzliche Möglichkeit zur Entstehung eines „homogenen Rechtsraumes" in Europa begriffen. 23 Die EMRK wird der Feststellung von Alfred Grosser zufolge zunehmend auch unmittelbar in der nationalen Rechtsprechung berücksichtigt, 24 also nicht mehr nur im Zuge einer 20 Ebd., S. 47. 21

Ebd., S. 47. Die inzwischen auf dem EU-Gipfel von Nizza (Dezember 2000) verabschiedete EU-Grundrechtscharta ist rechtlich nicht bindend. 22 Ebd., S. 53; s. jetzt umfassend: Philip Aiston (ed.), The EU and Human Rights, Oxford 1999. 2 3 Dieter Senghaas, Friedensprojekt Europa, Frankfurt, 1. Aufl. 1992, 2. Aufl. 1996, S. 18 (der 1. Aufl.).

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Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Dies alles und mehr trägt zu einer europäischen Rechtskultur bei, die unter dem Gesichtspunkt der Menschenrechte im universalen Maßstab einem europäischen MenschenrechtsRechtskreis gleichkommt.

IV. Regionalisierung der Menschenrechte und Entwicklung von Menschenrechts-Rechtskreisen in der Welt Die Ausführungen in den Abschnitten zwei und drei können nur einige Leitlinien andeuten, inwiefern Europa das Beispiel für die Ausbildung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises liefert. Die hier angesprochenen Aspekte und viele mehr einschließlich der Menschenrechtsverletzung und der Nichtahndung von Menschenrechtsverletzungen sowie der Tätigkeit von NGO's wären nun in bezug auf andere Rechtskulturen bzw. Staatensysteme zu untersuchen. Im Falle Europas sind die geographischen Grundlagen der Rechtskultur und des europäischen Staatensystems25 annähernd gleich, beide blicken auf eine sehr lange und mit einander verkreuzte Geschichte zurück. Die Entwicklung eines europäischen Menschenrechts-Rechtskreises wird auch durch diesen Umstand vorangetrieben. Die zu Beginn des Beitrages angeführte Regionalisierung von Menschenrechten in Afrika, Amerika und im islamisch-arabischen Raum stützt sich in unterschiedlicher Weise auf historische Rechtskulturen oder Staatensysteme bzw. lockere Verbünde.26 Im folgenden können nur einige Hinweise gegeben werden, die wirklich nicht mehr als Hinweise sein wollen. Institutionelle Voraussetzungen - institutionell im rechtssoziologischen Sinn - sind durch die Organisation der Amerikanischen Staaten und die interamerikanische Kooperation gegeben sowie durch die Organisation für Afrikanische Einheit. Für den islamisch-arabischen Raum ist vorwiegend eine Vielzahl von Dokumenten, die ein islamisches Verständnis von Menschenrechten darlegen sollen, festzustellen. Eine gewisse historische Tradition ist im Bereich der Organisation der Amerikanischen Staaten und der interamerikanischen Zusammenarbeit zu verzeichnen. 27 24 Alfred Grosser, Menschenrechte in der Architektur des „gemeinsamen Hauses" Europa: Fundament oder Zierrat?, in: Franz-Josef Hutter/Heidrun Speer/Carsten Tessmer (Hrsg.), Das gemeinsame Haus Europa. Menschenrechte zwischen Atlantik und Ural, S. 237-243, Baden-Baden 1998, hier S. 238. 25 Hagen Schulze begreift das heutige Europa am Ausgang des 20. Jahrhunderts wieder als Staatensystem. Vgl. Hagen Schulze, Phoenix Europa, Berlin 1998. 26 Asien klammere ich hier aus und verweise auf die Beiträge von Prokati, von Senger und Ueda in diesem Band. 27 Vgl. zum Folgenden Frédéric Sudre, Droit international et européen des droits de l'homme, Paris 1989, S. 79-81, S. 102 (§ 95).

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1927 wurde ein interamerikanisches Institut für den Schutz des Kindes, 1928 eine interamerikanische Kommission für Frauen zum Abbau geschlechtsbegründeter Diskriminierung gegründet. Auf der Konferenz von Bogota vom 30. April 1948 wurde die Charta der Organisation der Amerikanischen Staaten verabschiedet, die in einigen Artikeln allgemeine Grundrechte der menschlichen Person proklamiert. Auf derselben Konferenz wurde die Amerikanische Erklärung der Menschenrechte und Menschenpflichten verabschiedet, die entsprechend dem Charakter von Deklarationen keine Rechtsverbindlichkeit besitzt. Letztere kommt allerdings der Amerikanischen Konvention über Menschenrechte vom 22. November 1969 zu, die am 18. Juli 1978 in Kraft trat. Inhaltlich weist sie eine große Nähe zur europäischen Menschenrechtskonvention aus. Zur Durchsetzung der Menschenrechte wurden wie in Europa entsprechende Institutionen geschaffen: die interamerikanische Kommission und der interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte. Die Statuten der Kommission waren schon 1960 beschlossen worden, nachdem deren Einrichtung bereits in der Charta von 1948 vorgesehen worden war. Die Zuständigkeit des Gerichtshofes war bis 1988 lediglich von 10, weniger als der Hälfte der Mitgliedsstaaten, anerkannt worden. Außerdem kann der Gerichtshof nur von der Kommission oder einem Mitgliedsstaat, der den Gerichtshof anerkannt hat, angerufen werden (Informationsstand Anfang 1989). Das erste Urteil wurde in einer Costa Rica betreffenden Angelegenheit am 13. November 1981 gesprochen. Den Vergleich mit Europa stärkt die Tatsache einer Vielzahl von Institutionen, die der Schaffung eines gemeinsamen Marktes, und sei es in amerikanischen Teilregionen, sowie der Integration besonders Südamerikas dienen sollen. Eventuelle Interferenzen wären wie im Fall Europas genau zu prüfen. Während im Fall Nord-, Mittel- und Südamerikas die inhaltlichen und institutionellen Parallelen zu Europa offensichtlich sind, sind im Fall der Organisation für Afrikanische Einheit die Unterschiede offensichtlich. 28 Die Afrikanische Charta für Menschen- und Völkerrechte vom 28. Juni 1981 (am 21. Oktober 1986 in Kraft getreten) hebt die Rechte der Völker stärker hervor als die klassischen Menschenrechte. Ebenso unterstreicht sie mit Blick auf afrikanisches Gewohnheitsrecht die Pflichten des Einzelnen. Der erste Punkt erklärt sich vor allem auch historisch, er setzt die Grundideen der Charta für Afrikanische Einheit vom 25. Mai 1963 (Addis Abeba) fort, die sich an der spezifischen Situation der Entkolonialisierung orientierte. Mit der Charta von 1981 wurde die Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte geschaffen. Die Kommission kann von den Mitgliedsstaaten, aber auch von Individuen angerufen werden, es entscheidet aber die Konferenz der Staatschefs, was mit den Berichten der Kommission über die Verletzung der afrikanischen Menschen- und Völkerrechte geschieht. Die zahlenmäßig meisten Menschenrechtserklärungen stammen aus den islamischen Staaten bzw. von muslimischen Auslandsorganisationen. Hinzu kommen Dokumente aus dem Schoß der Arabischen Liga oder einzelner Staaten wie Liby28 Frédéric Sudre, S. 81-85.

Menschenrechte in verschiedenen Rechtssystemen

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en. Der prinzipielle Unterschied zwischen der islamisch-religiösen Menschenrechtsbegriffsbildung einerseits und der Menschenrechtsauffassung, wie sie der UN-Deklaration von 1948 oder den europäischen sowie amerikanischen Erklärungen zugrunde liegt, ist mehrfach hervorgehoben worden. Die subtilsten Analysen, die dieses grobe Unterscheidungsraster sehr genau differenzieren, stammen, soweit ich das beurteilen kann, von Sami Aldeeb. 29 Aus historischen Gründen scheint die Ausbildung regionaler MenschenrechtsRechtskreise unvermeidlich, den Beginn haben die Europäer 1950 gemacht, und sie scheint auch prinzipiell sinnvoll zu sein, sofern sie einer besseren Durchsetzung der Menschenrechte dient. Das erweist sich z.T. aber nicht als gesichert, wie die „Festung Europa" zeigt; hinzu kommt, daß sich das Menschenrechtsverständnis derzeit auseinander entwickelt, indem eine regionalspezifische Auswahl an den von der UNO definierten Menschenrechten vollzogen wird.

29

Sami Aldeeb Abu-Sahlieh„ Les Musulmans face aux droits de l'homme. Religion & droit & politique. Étude et documents, Bochum 1994. Sami Aldeeb Abu Sahlieh, Les mouvements islamistes et les droits de l'homme, Bochum 1998.

Conflits conjugaux en immigration Libérer malgré elle, la femme musulmane immigrée marocaine? Par Marie-Claire Foblets* I. Introduction «Bedeutung der Lehre vom Rechtskreis und der Rechtskultur». C'est le titre provocateur d'un des dix débats organisés, entre les 22 et 25 septembre 1999, par le comité organisateur des 27 journées de droit comparé de la Gesellschaft für Rechtsvergleichung . Notre objectif est de soumettre à la discussion quelques-unes parmi les nouvelles interrogations que soulève sur le plan des conflits entre cultures juridiques la question de l'agencement de la vie familiale de communautés musulmanes aujourd'hui installées en Europe. A cet effet, nous portons une attention particulière à la question de la mise en œuvre de la protection des droits de l'homme et des libertés fondamentales dans le cas particulier de la femme musulmane d'origine immigrée. Plus concrètement, nous présentons ici les résultats d'une recherche menée entre janvier et décembre 19971 sur la position matrimoniale des femmes marocaines en Belgique et en particulier sur les difficultés éprouvées à ce jour par celles-ci à agencer une vie conjugale harmonieuse et respectueuse du principe de l'égalité des sexes. Il est clair que la question de la position matrimoniale de la femme musulmane marocaine en immigration n'épuise pas la totalité des questions liées au thème des droits fondamentaux de la femme en Islam. Nous rapportons ici, dans les grandes lignes, quelques-unes des interrogations qui ont dirigé notre recherche et qui, à leur manière, traduisent un aspect particulier de la vaste question qui nous * Professeur de droit et d'anthropologie aux universités de Louvain (K.U.L.), Bruxelles (K.U.B.) et Anvers (U.I.A.) en Belgique. Avocat honoraire de l'Ordre français des avocats du Barreau de Bruxelles. Cette contribution contient la version remaniée et actualisée d'une étude publiée antérieurement, début 1999, sous le titre: «Conflits conjugaux en immigration: libérer la femme marocaine musulmane malgré elle?», Annales de Droit de Louvain , 1999, n° 1 - 2, 45 - 68. 1 Trois universités ont participé à cette recherche: 1. Université catholique de Louvain-laNeuve (Centre de droit international, sous la direction du Prof. Jean-Yves Carlier et l'Unité de sociologie, sous la direction du Prof. Felice Dassetto); 2. L'Université de Gand (Institut de droit international privé, sous la direction du Prof. Johan Erauw) et 3. la Katholieke Universiteit Leuven (Département d'Anthropologie sociale et Culturelle, sous notre direction). Chaque centre a pris en charge un aspect de la recherche. L'ensemble a été dirigé et coordonné par nous-même. 3 Scholler / Tellenbach

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occupera à cette rencontre, à savoir celle du sens à donner à la conception de culture(s) juridique(s) d'origine non-occidentale lorsque les valeurs véhiculées par celles-ci heurtent les grands principes fixés par les Conventions en matière de protection des droits de l'homme et des libertés fondamentales. La recherche, commanditée par les services fédéraux belges des Affaires scientifiques, techniques et culturelles (Programme de recherches socio-économiques prospectives) avait pour but de mener à une meilleure compréhension des conflits familiaux opposant devant nos autorités judiciaires et administratives des ressortissants d'origine marocaine et entraînant de ce fait la question de l'application, par la voie du droit international privé belge,2 des prescrits d'un Code de la famille étranger, en l'occurrence le Code de Statut Personnel et des Successions marocain, inspiré du droit musulman3 (en l'espèce, marocain). La recherche a été menée sur trois fronts: un volet de l'étude est entièrement consacré à l'expérience d'hommes et de femmes d'origine marocaine, qui nous ont apporté le témoignage de leurs conflits et de la manière dont ils ont vécu et vivent aujourd'hui encore l'intervention du droit dans leur vie familiale. Deux autres sources d'informations ont également été utilisées. D'une part, nous avons récolté les expériences d'environ septante praticiens du droit qui, chacun dans leur domaine de compétence, au cas par cas, sont chargés de mettre en application les règles du droit international privé belge. Nous avons interrogé des magistrats, des avocats, des notaires, des officiers de l'état civil, qui nous ont parlé de leurs difficultés et de leurs attentes concrètes, de leurs propositions, en réponse à la question de la loi à appliquer aux conflits familiaux impliquant au moins un ressortissant d'origine marocaine. D'autre part, nous avons cherché à compléter le tableau des sources par un examen de la jurisprudence belge, francophone et néerlandophone, des dernières années (1980-1997) dans le domaine particulier du mariage et de sa dissolution se rapportant à des justiciables - hommes et femmes - marocains. S'agissant d'une recherche dictée par des besoins - de politique judiciaire, administrative et législative - clairement définis, immédiats, pratiques aussi, nous avons dû imaginé une méthode de travail efficace qui devait nous permettre de terminer endéans les quelques mois l'analyse des données recueillies. De ce fait, notre approche fut tout entière dictée par le souci de cibler au plus près, dans un laps de temps extrêmement limité (douze mois) et des conditions de travail strictement dictées par un contrat de recherche, une problématique particulière qui nécessite, de l'avis des autorités, des solutions urgentes et concrètes. 2

Les résultats de la recherche sont publiés dans un ouvrage collectif: Marie-Claire Foblets (dir.), Femmes marocaines et conflits familiaux en immigration: quelles solutions juridiques appropriées? [Marokkaanse migrantenvrouwen in gezinsgeschillen: wat zijn passende juridische oplossingen?]?, Anvers / Apeldoorn, Maklu, 1998. 3 Voyez: François-Paul Blanc/R. Zeidguy, Moudawana. Code de Statut Personnel et des Successions (Edition synoptique franco-arabe), Sochepress-Université, 1994.

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Nous exposons d'abord brièvement cette problématique (Partie I: «La situation familiale de la femme marocaine immigrée: un test pour l'étude de la mise en œuvre en droit belge de la protection des droits fondamentaux au bénéfice de la femme musulmane»). Nous nous expliquons ensuite sur la méthode de travail utilisée (Partie II: «La méthode de travail: trois types de sources»). Dans une troisième partie, nous passons en revue les principaux constats que nous amènent à faire la collecte des données de terrain recueillies (Partie III: «Le traitement inégal des femmes immigrées dans le domaine du droit des personnes et de la famille: principaux constats et solutions préconisées»). Dans cette troisième partie, nous présentons également les solutions concrètes que nous soutenons et qui, à notre sens, permettraient de consolider considérablement, en droit belge, la position matrimoniale des femmes que nous avons rencontrées dans le cadre de cette recherche. Nous expliquons brièvement en quoi consisterait selon nous cette consolidation.

II. La situation familiale de la femme marocaine immigrée: un test pour l'étude de la mise en œuvre en droit belge de la protection des droits fondamentaux au bénéfice de la femme musulmane 1. La mise en œuvre du droit familial marocain en Belgique Dans son ensemble, la question de la mise en œuvre du droit familial marocain en Belgique touche à une problématique vaste, complexe et technique, qui englobe un nombre impressionnant de questions liées à la mise en œuvre d'un droit d'origine non-occidentale dans des comportements et des pratiques qui, jusqu'à ce jour, continuent à déterminer la position familiale d'un groupe non négligeable de femmes, non seulement en Belgique, mais dans la plupart des pays européens.4

4 Avant nous, nombreux sont les auteurs, dans les différents pays européens, qui se sont intéressés au phénomène de la persistance, au quotidien, de droits non-occidentaux. En France, l'intérêt est surtout porté sur la survivance du droit familial musulman, importé du Maghreb. Voyez entre autres: Béatrice Bourdelois, Mariage polygamique en droit positif français, Paris, GLN-Joly, 1993; Jean-Yves Cartier/Michel Verwilghen (dir.), Le statut personnel des musulmans. Droit comparé et droit international privé, Bruxelles, Bruylant, 1992; Jean Deprez, Droit international privé et conflits de civilisations. Aspects méthodologiques (Les relations entre systèmes d'Europe occidentale et systèmes islamiques en matière de statut personnel, Recueil des Cours de l'Académie de Droit International de La Haye, 1988 IV, 9 - 372; Jean Deprez, «Au carrefour de droit comparé et du droit international privé, quelle place pour le droit musulman?», in Jean-Robert Henry (dir.), L'enseignement du droit musulman en France, CNRS (Cahier du CRESM, 1989, 17-92; A. Kessmat Elgeddawy, Relations entre systèmes confessionnel et laïque en droit international privé, Paris, Dalloz, 1971; Selim Jahel, «La lente acculturation du droit maghrébin de la famille dans l'espace juridique français», Revue internationale de droit comparé, 1994, 31-58; Edwige Rude-Antoine , La vie des familles. Les immigrés, la loi et la coutume, Paris, O. Jacob, 1997. Pour la Belgique, voyez entre autres: Philippe Lardino is, «Réflexion critique sur la réception du statut personnel musulman en Belgique, ou de la négociabilité de l'ordre public dans une société pluri-culturelle»,

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De manière générale, le traitement inégal des femmes immigrées dans le domaine du droit des personnes et de la famille s'explique aujourd'hui de deux manières. Une première explication, qui ne pourra par définition pas être combattue à court terme par la voie du droit (c'est-à-dire, les techniques juridiques), vient des coutumes: au sein de certaines familles, des pratiques discriminatoires persistent. Elles concernent principalement l'éducation et la culture. Les discriminations qui sont la conséquence de traditions et de coutumes ne sont pas propres aux cultures musulmanes. Elles traversent l'ensemble des classes de la société. On pense, par exemple, à l'éducation plus sévère donnée aux filles, ou encore, à la revendication par les parents du choix des partenaires de leurs enfants, en particulier de leur(s) fille(s) et à la gestion par l'époux du patrimoine commun. Une deuxième explication est liée au système de la personnalité des lois aujourd'hui encore en vigueur dans plusieurs pays européens, c'est-à-dire un système qui permet d'appliquer dans le pays de résidence (cela vaut tant pour la France que pour la Belgique) un droit étranger discriminatoire. Cette possibilité résulte de la règle de conflit en droit international privé (déduite de l'art. 3, alinéa 3 du Code civil belge) qui, tantôt déclare applicable une loi étrangère, tantôt reconnaît en Belgique les conséquences d'une situation juridique ou d'un jugement prononcé à l'étranger. Nous y revenons. La jurisprudence et la doctrine sont divisées sur la (ou les) manière(s) de combattre les effets discriminatoires de la règle de conflit. En pratique, les discriminations à raison du sexe dans le domaine du statut personnel, dues à l'applicabilité en Belgique de dispositions de droit(s) étranger(s), se heurtent couramment à Vexception d'ordre public: 5 les officiers et employés de l'état civil refusent l'appli-

in: Paul Gerard/ François Ost/Michel van de Kerchove (dir.), Droit négocié, droit imposé, Bruxelles, Facultés universitaires Saint-Louis, 1996, 605-629; Michel Taverne , Le droit familial maghrébin (Algérie, Maroc, Tunisie) et son application en Belgique, Bruxelles, Larder, 1981; Marie-Claire Foblets, Les familles maghrébines et la justice en Belgique. Anthropologie juridique et immigration, Paris, Karthala, 1994. 5 Sur l'exception de l'ordre public et de son utilisation en droit international privé, voyez en particulier: Paul Lagarde, «La théorie de l'ordre public international face à la polygamie et à la répudiation. L'expérience française», in: Nouveaux itinéraires en droit. Hommages à François Rigaux, Bruxelles, Bruylant, 1993, 263-282. Pour une approche particulièrement critique de l'utilisation de l'exception de l'ordre public en droit international privé belge, voyez: Alfons Heyvaert, «De grenzen van de gezinsautonomie en de internationale openbare orde in België» [Les limites de l'autonomie du couple et l'ordre public international en Belgique], Rechtskundig Weekblad, 1981-1982, 2221-2242; du même auteur: «De gezinsrechtelijke situatie van Marokkanen met vast verblijf in België» [Le position familiale des ressortissants marocains résidant de manière durable en Belgique], in: Koen de Feyter/Marie-Claire Foblets / Bernard Hubeau (dir.), Migratie- en migrantenrecht (I), Bruges, La Charte, 1995, 287 338; Alfons van Mensel «De houding van de Belgische rechters t.a.v. de echtscheiding door verstoting» [L'attitude des juges belges face à la répudiation], (note sous: Justice de Paix, Gand, 30 avril 1990 et 22 mai 1989, Tijdschrift voor Gentse Rechtspraak, 1990, 8 - 1 5 ; JeanYves Carlier, «Volonté, ordre public et fraude dans la reconnaissance des divorces et répudiations intervenus à l'étranger», Revue trimestrielle de droit familial, 1991, 165-172.

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cation en Belgique d'une réglementation discriminatoire de facture étrangère. 6 La Belgique est liée par différents traités et réglementations non-discriminatoires. 7 L'interdiction de la discrimination à raison du sexe ressort du domaine de l'ordre public, qui en principe ne souffre pas l'exception. Pour autant, la référence à l'ordre public n'élimine pas le problème d'un traitement inégal de certaines catégories d'étrangers dans le domaine du statut personnel. En dépit de la fonction protectrice de l'ordre public, quelques discriminations spécifiques se maintiennent avec force. Soit (1) parce que ces discriminations restent effectivement reconnues et maintenues par des systèmes étrangers de droit de la famille, ce qui implique des différences de traitement - en Belgique et à l'étranger - du même cas de figure 8 (situations qualifiées en droit international privé de ), soit (2) parce qu'en Belgique tous les tribunaux et administrations ne respectent pas de la même manière l'interdiction de discrimination: certains magistrats donnent la préférence à la reconnaissance partielle en Belgique de rapports discriminatoires, parce qu'ils partent du principe qu'en faisant autrement on ne ferait pas mieux, c'est-à-dire qu'on n'apporterait pas davantage de solution. 9 Nous y revenons. 6

Voyez pour des illustrations, entre autres: Sylvie Sarolea, «Chronique de jurisprudence. Les conflits de lois relatifs à la personne et aux relations familiales (1988-1996)», Revue trimestrielle de droit familial, 1997, 9 - 3 0 . 7

Voyez entre autres: Paul Lemmens/ André Alen (dir.), Egalité et non-discrimination, Anvers, Kluwer Rechtswetenschappen, 1991; Marc Bossuyt, L'interdiction de la discrimination dans le droit international des droits de l'homme, Bruxelles, Bruylant, 1976; Jacques Velu, Les effets directs des instruments internationaux en matière des droits de l'homme, Bruxelles, Swinnen, 1981, Karel Rimanque, De toepassing van het E.V.R.M. in de praktijk [L'application en pratique de la Convention européenne des droits de l'homme et des libertés fondamentales], Anvers, Kluwer Rechtswetenschappen, 1987; plus récemment: Jacques Theunis, «Het gelijkheidsbeginsel - Juridisch interpretatiekader, met bijzondere aandacht voor en doorwerking in private rechtsverhoudingen» [Le principe d'égalité - Cadre d'interprétation juridique, avec une attention particulière portée aux inégalités correctives> et à l'effet horizontal dans les relations privées], in: Publiekrecht. De doorwerking van het publiekrecht in het privaatrecht [Les répercussions du droit public en droit privé], Gand, Mys & Breesch (cycle W. Delva 1996-1997), 1997, 129-182. 8

Cela vaut également dans le cas de femmes naturalisées belges, bipatrides. Voyez par exemple: Tribunal de Première Instance (civil, 5ème chambre), Namur, 17 mai 1990. Le tribunal estime que le talaq (répudiation unilatérale à l'initiative de l'époux) est un acte juridique public qui a sa force obligatoire dans la seule volonté du mari, sans possibilité de refus ou de sanction pour défaut d'homologation. Pour le juge, il n'y a là place pour aucun débat, avec la conséquence que le contrôle du respect des droits de la défense (de la femme) ne se conçoit pas. Le talaq ne saurait être tenu pour contraire à l'ordre public international belge au seul motif du non-respect des droits de la défense de l'épouse. De l'avis du tribunal, on ne saurait pas plus arguer du non-respect de l'égalité entre les époux, car il faut comprendre et accepter l'existence dans d'autres ordres juridiques d'une conception différente du divorce. Quant à la notion d'ordre public, il faut distinguer l'acquisition d'un droit en Belgique et la production des effets d'un droit acquis à l'étranger. Le tribunal reconnaît la validité de la répudiation. Pour autant, quant à la pension alimentaire, la loi marocaine est écartée au nom de l'ordre public. Outre le don de consolation, qui est jugé insuffisant, le 9

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L'expérience de ces dernières années un peu partout en Europe nous apprend que, dans les contacts qu'ils entretiennent avec notre droit, les systèmes de droit musulman plus que d'autres résistent aux influences juridiques occidentales. Cela vaut surtout dans le domaine des relations familiales qui recouvrent plus ou moins la totalité du statut personnel. Le droit marocain appartient à la catégorie des droits dits résistants. C'est précisément cette persistance du droit marocain dans les comportements et les pratiques qui concernent en particulier la position matrimoniale de la femme marocaine en Belgique, qui en pratique pose le problème de la mise en œuvre des critères de protection des droits de l'homme et des libertés fondamentales. En quelque sorte, la position matrimoniale de la femme marocaine en immigration constitue, cinquante ans après l'adoption par l'Assemblée générale des Nations-Unies de la Déclaration universelle des droits de l'homme, un des nouveaux domaines-test de leur mise en application. Dans notre étude, nous avons cherché à repérer quelques-uns des facteurs qui, dans la recherche de solutions aux litiges familiaux dans lesquels elles se trouvent impliquées, incitent les femmes ou leurs époux - à privilégier tantôt le droit marocain, tantôt le droit belge et les institutions du pays de la résidence habituelle (la Belgique). Parmi ces facteurs, nous avons analysé: la nature des litiges, leur fréquence, les arguments utilisés par les parties, la connaissance active de sa propre culture juridique et la transmission de cette connaissance, et enfin, l'utilisation stratégique du droit. 10

2. Une attention particulière au mariage et à la dissolution du mariage Initialement, c'est-à-dire au moment d'élaborer notre méthode de travail, nous avions envisagé d'examiner le plus grand nombre possible d'aspects et d'institutions qui, dans le domaine juridique, interviennent dans la vie familiale. Nous recherchions, au départ, à faire un tour d'horizon de la position familiale d'une catégorie spécifique de femmes, à savoir les femmes d'origine marocaine qui séjournent en Belgique, afin de repérer les points centraux des difficultés éprouvées par celles-ci dans l'organisation de leur vie conjugale. Au fur et à mesure que la recherche nous permettait de récolter des précisions sur ces difficultés, il est apparu que la position matrimoniale de la femme immigrée d'origine marocaine en Belgique, à ce jour est principalement déterminée par (1) le type de mariage que ces femmes ont contracté et (2) la manière dont, le cas échéant, ce mariage a été dissous et la manière dont ont été réglées les conséquen-

tribunal accorde à l'épouse une pension alimentaire. De l'avis du juge, conformément au droit belge, la répudiation unilatérale peut, à l'instar du divorce basé sur la séparation de fait (art. 232 du Code civil belge) être considérée comme faisant peser sur le mari une présomption d'imputabilité de la séparation des parties (Civ. Namur (5ème ch.), Revue trimestrielle de droit familial, 1990, 431, note Jean-Yves Carlier; et Revue du droit des étrangers, 1991, n° 64, 225).

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ces de cette dissolution, tant pour la femme que pour les enfants. Le mariage et le divorce occupent une position centrale dans la vie de toutes les femmes marocaines que nous avons rencontrées dans le cadre de notre étude. I l en va de même dans la jurisprudence et dans les entretiens que nous avons eus avec des magistrats, des travailleurs sociaux et des praticiens du droit. Aussi, le mariage et le divorce constituent pour ainsi dire le squelette de notre étude.

I I I . L a méthode de travail: trois type de sources Nous avons pris appui sur trois types de sources: une série d'entretiens semidirectifs avec des femmes (et quelques hommes) marocains, une étude de la jurisprudence récente et enfin, une série d'entretiens avec des praticiens du droit. 1 1 - Les entretiens semi-directifs avec des hommes et des femmes marocains: 1 2 une soixantaine d'informateurs (hommes et femmes) ont été interrogés sur leur vécu et sur les constatations qu'ils tirent de l'application du droit marocain des personnes et de la famille à leurs rapports familiaux en Belgique: avantages et inconvénients de cette application, conséquences juridiques, expériences propres, etc. Nous avons interviewé une soixantaine d'informateurs répartis géographiquement en Flandre, en Wallonie et à Bruxelles. A u travers des témoignages et des entretiens recueillis, notre objectif était de rechercher quels sont les facteurs 10 L'étude traite pour ainsi dire exclusivement de situations familiales conflictuelles. Notre but n'a pas été de (vouloir) déterminer la réalité quotidienne des familles marocaines qui vivent en immigration en fonction de l'échelle des relations qui ont échoué et qui se retrouvent dans la jurisprudence. Pour autant, l'étude de situations conflictuelles permet de mettre au jour des situations épineuses qui indiquent clairement quels sont les aspects de la vie familiale qui génèrent régulièrement des problèmes, et qui, dès lors, demandent des solutions structurelles. C'est la raison qui nous a amenés, dans notre étude, à porter une attention prioritaire aux situations qui ont entraîné des procès. Ce n'est pas dire que la situation de conflit soit la plus représentative des familles marocaines. 11 En annexe de l'ouvrage, est reproduite une traduction commentée du Code de Statut Personnel marocain. Le prof. Dirk Beke, rattaché au Séminaire de «droits non-occidentaux» de l'Universiteit Gent, s'est attelé à une (re)lecture approfondie des traductions françaises et néerlandaises actuellement en circulation du Code de Statut Personnel (et des Successions) marocain (la Moudawana), depuis l'entrée en vigueur des modifications de 1993. Le but de ce travail de traduction (commentée) est double. A ce jour, il n'existait pas de traduction du droit marocain des personnes et de la famille qui soit adaptée à la pratique du droit en Belgique. Nous avons tenté de combler cette lacune. En outre, cette traduction est accompagnée d'un commentaire: D. Beke donne des éclaircissements sur les adaptations qu'il apporte, tantôt sur une expression, tantôt sur un passage ou une disposition qui prêtent à confusion (et, par là, à des malentendus) résultant de l'inexistence de certaines institutions du droit marocain en droit belge ou de leur enracinement culturel profondément différent. 12

Le travail d'enquête a été mené par Nouhza Bensalah, sociologue rattachée à l'Université Catholique de Louvain-la-Neuve, qui dirigeait entre autres: Nouhza Bensalah (dir.), Familles turques et maghrébines aujourd'hui. Evolution dans les espaces d'origine et d'immigration, Louvain-la-Neuve/Paris, Academia/Maisonneuve Larose, 1994.

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qui expliquent certains comportements familiaux, pour obtenir du même coup une meilleure vision du vécu juridique de la communauté marocaine de Belgique et de ses attentes concrètes vis-à-vis du droit belge et du pouvoir judiciaire. Les interviews ont été effectuées à l'aide de questionnaires détaillés et standardisés. - Une enquête classique sur les sources du droit, 13 centrée principalement - pour rester dans le cadre du vécu - sur la jurisprudence. La jurisprudence (180 décisions répertoriées entre 1980 et 1997) donne à voir les grandes tendances qui se dessinent depuis quelques années et qui, en Belgique, sont déterminantes pour la position juridique des femmes immigrées marocaines dans leurs rapports avec des parents et apparentés. - L'enquête sur les sources du droit est complétée par une série d'entretiens avec des praticiens du droit: 14 magistrats, avocats, notaires, employés de l'état civil et travailleurs sociaux. L'objectif était d'interroger des praticiens sur les difficultés spécifiques qu'ils rencontrent dans leurs prestations de services à l'intention des familles marocaines.

IV. Le traitement inégal des femmes immigrées dans le domaine du droit des personnes et de la famille: principaux constats et solutions préconisées 1. Combattre en droit les effets discriminatoires de règles de droit étranger Le traitement discriminatoire de la femme marocaine qui résulte de l'application de la règle de conflit du droit international privé belge 15 peut être combattu de différentes manières. Un premier moyen est de mettre en cause, et par là modifier cette règle. La règle de conflit de lois qui actuellement désigne le droit étranger est remplacée par une règle de conflit qui désigne le droit belge au motif que celui-ci offre davantage de garanties d'égalité entre les époux (par exemple, en ce qui concerne le divorce). Un deuxième moyen consiste, tout en maintenant la règle de conflit désignant le droit étranger, de refuser l'application en Belgique de dispositions ou institutions discriminatoires en droit étranger. Cette deuxième solution suppose une attitude plus souple: l'on acceptera les conséquences des dispositions non-discriminatoires

13 Cette partie du travail a été effectuée par Annabel Belamri et Goedele Franssens, deux juristes, rattachées respectivement à l'U.C.L. et la K.U.L. (Katholieke Universiteit Leuven). 14 Entretiens effectués par Jinske Verhellen, juriste rattachée à la faculté de droit de l'Université de Gand.

15 Cf. infra IV.2.

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du droit étranger, mais l'on refusera de reconnaître des dispositions et/ou institutions discriminatoires. Du fait de sa plus grande souplesse, cette solution est aussi la moins sûre: que le droit étranger soit ou non considéré comme discriminatoire est affaire de casuistique, les tribunaux jugeront au cas par cas. Une troisième solution enfin, est celle qui est à l'essai en Belgique depuis quelques années: il s'agit, à l'exemple d'ailleurs de la France 16, de la solution qui consiste à conclure des accords bilatéraux avec les pays d'origine des communautés musulmanes - c'est-à-dire en premier lieu le Maroc. Le but de ces accords est d'établir entre la Belgique et le Maroc des règles de conflit de lois et de juridictions qui garantissent la reconnaissance réciproque des solutions qui, tant en Belgique qu'au Maroc, auront été élaborées par les tribunaux pour régler les litiges familiaux entre partenaires marocains en Belgique, ainsi qu'au sein des couples belgo-marocains 17. Chacune de ces trois solutions reflète un choix politique . Par la modification de la règle de conflit de lois belge au profit de l'application généralisée du droit belge, l'on opte pour une formule d'intégration forcée de ces femmes - et de leurs familles - aux règles du droit belge des personnes et de la famille. Ce faisant, l'on ne se soucie pas des complications éventuelles qui peuvent résulter de cette solution, tel le fait que l'application à ces femmes du droit belge n'est généralement pas reconnue dans leur pays d'origine 18 . La solution belge n'est pas . La deuxième solution, qui maintient notamment aux femmes marocaines vivant en Belgique l'application du droit étranger pour autant que ce dernier ne soit pas discriminatoire 19, autorise un certain degré de pluralisme dans le domaine du statut personnel, aussi longtemps que ces femmes conservent leur nationalité étrangère et ne la cumulent pas avec la nationalité belge. Dans cette hypothèse, ces femmes ont la possibilité, dans le cadre de leurs relations familiales, de continuer à invoquer le Voyez en particulier: Françoise Monéger, La Convention franco-marocaine du 10 août 1981 relative au statut des personnes et de la famille et à la coopération judiciaire, Revue critique de droit international privé, 1984, 29-69 et 267-288. 17 Voyez entre autres: Jean-Yves Carlier, «Les conventions entre la Belgique et le Maroc en matière de droit familial», Revue trimestrielle de droit familial, 1994, n° 3, 447-462; Marie-Claire Foblets, «Remaniements de quelques dispositions-clés du Code de Statut Personnel et des Successions marocain relative à la position matrimoniale de l'épouse. Des modifications génératrices d'une pacification des relations internationales privées?», Revue du droit des étrangers, 1994, 125-135. 18

F. Sarchane/N. Lahlou-Rachdi, «Réflexions sur quelques règles de conflit de lois à l'épreuve de la pratique», in: Le droit international privé dans les pays maghrébins. Les conflits de lois: le statut personnel (Cahiers des droits maghrébins), 1995, n° 1, 81 -108; A. Kessmat Elgeddawy, 1971; Jean Deprez, 1988. 19

Sur base de l'un ou l'autre critère de discrimination que le droit belge exclut. Voyez entre autres: Nadine Watté, «Les relations familiales en droit international privé et l'incidence du principe de l'égalité entre l'homme et la femme», in: Mélanges offerts à Raymond Vander Elst (T. II), Bruxelles, Nemesis, 1986, 911-928.

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respect des dispositions du droit marocain (loi de leur nationalité) pour certains aspects de leur statut personnel. Le but de l'étude était d'aboutir à des suggestions qui permettent à moyen terme de consolider, au moyen des techniques du droit, la position matrimoniale de la femme marocaine dans ses rapports matrimoniaux.

2. Principaux constats et solutions préconisées Les données récoltées au gré de nos entretiens et au moyen d'un examen approfondi de la jurisprudence récente nous ont amenés à faire plusieurs constats et à formuler, pour chacun de ces constats, des solutions sinon globales, du moins partielles au problème de la discrimination de la femme marocaine immigrée dans le domaine (du droit) familial. C'est le propre d'une recherche commanditée: il faut conclure et formuler des suggestions concrètes, susceptibles d'ouvrir des nouvelles pistes de réflexion. Pour faire bref, nous prenons ici appui sur trois constats et formulons, pour chacun de ces constats, la solution alternative que nous suggérons.

a) Premier constat: la grande insécurité juridique dans laquelle vivent les femmes marocaines en Belgique pour ce qui touche à l'ordonnancement de leur vie conjugale Notre premier constat concerne les répercussions discriminatoires indirectes de la règle de conflit belge découlant de l'article 3, alinéa 3 du Code civil sur la situation familiale des femmes marocaines en immigration qui, du fait de leur nationalité, restent soumises à une législation familiale comportant des discriminations à raison du sexe. En Belgique, comme nous le disions plus haut, pour les questions relatives au statut personnel et à la famille, c'est la loi nationale qui, en principe, est appliquée. Cela implique que pour toutes les questions relatives entre autres au nom, à la filiation, au mariage, à la dissolution du mariage et aux successions, c'est la loi nationale des parties qui, en principe, régit leurs rapports mutuels. A cette règle est fait exception chaque fois que le droit étranger va à Γ encontre de principes fondamentaux du droit belge. Dans la pratique, l'application de la loi nationale entraîne souvent d'épineux problèmes pour la régulation des relations familiales de femmes en immigration, chaque fois par exemple que la loi ou la réglementation du pays d'origine, applicable sur la base de la nationalité des intéressés, ne respecte pas l'égalité entre l'homme et la femme inscrite dans la constitution belge. La règle de conflit de loi belge appliquant la loi nationale donne alors lieu à une discrimination de la femme

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par rapport à ses proches, en premier lieu par rapport à son mari. Nos entretiens avec des femmes marocaines ont montré que le rattachement au droit marocain est plus d'une fois ressenti par ces femmes comme une injustice , car elles ont l'impression que la loi de conflit de lois belge en référant à la loi marocaine cherche à défendre avant tout les intérêts de l'époux. En pratique, les tribunaux écartent les effets du droit marocain chaque fois que celui-ci, de leur avis, viole des principes fondamentaux, jugés d'ordre public, tel le principe d'égalité entre l'homme et la femme, notamment en matière de mariage et de divorce. Ils substituent pour ainsi dire le droit belge, comme au traitement inégal de la femme. Pour autant, l'application du droit belge par le biais de l'exception d'ordre public n'offre pas de solution structurelle pour les femmes marocaines en immigration et ce, pour une double raison: d'une part, comme nous l'écrivions plus haut, elle ne peut garantir Γ exportabilité de la solution belge> dans le pays d'origine de la femme; le traitement harmonieux, sur le plan international, de son statut personnel n'est donc plus assuré. D'autre part, la fréquence avec laquelle le pouvoir judiciaire ces dernières années manifeste sa désapprobation des effets du droit familial marocain pour les ressortissants marocains en Belgique 20 , est peu favorable aux relations de confiance entre les deux pays. La grande majorité des femmes que nous avons rencontrées se plaignent de la grande insécurité juridique qu'entraîne cette situation pour elles: elles ne sont jamais rassurées quant à la solution juridique qui sera appliquée à leur cause. - Solution préconisée: Des solutions qui éliminent la nationalité étrangère comme cause et fondement juridique de discrimination des femmes en immigration 21 sont à l'essai dans plusieurs pays européens ou font l'objet de discussion(s) en doctrine. 22 Elles se présentent d'abord comme une alternative: ou bien l'on choisit l'application automatique du droit du tribunal saisi (lex fori); on ne tient plus compte de la nationalité étrangère et le même droit s'applique à tout le monde; ou bien on 20 En ce sens, voyez entre autres: Alfons Heyvaert, 1981 -1982 & 1995; Alfons van Mensel, 1990. 21 Et cherchent par là à également éliminer l'insécurité juridique qui accompagne une situation souvent difficilement supportable au quotidien. Les femmes ont du mal à s'organiser, ne sachant pas au préalable à quelle solution de droit elles peuvent s'attendre. 22 Voyez entre autres: Erik Jay me, «Identité culturelle et intégration: le droit international privé postmoderne», Recueil des Cours de l'Académie de Droit International de La Haye, 1995, 9-268; Michel Verwilghen/Michel de Valkeneer (dir.), Relations internationales familiales. Sélection de questions actuelles, Bruxelles, Bruylant, 1993, X., Nouveaux itinéraires de droit. Hommages à François Rigaux, Bruxelles, Bruylant, 1993; Françoise Dekeuwer-Defossez (dir.), Le droit de la famille à l'épreuve des migrations transnationales, Paris, L.G.D J., 1993; Jean-Yves Carlier, Autonomie de la volonté et statut personnel. Etude prospective de droit international privé, Bruxelles, Bruylant, 1992; Johan Meeusen, Nationalisme en internationalisme in het internationaal privaatrecht [Nationalisme et internationalisme en droit international privé], Anvers, Intersentia, 1997.

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laisse aux parties le choix de la loi qui s'appliquera à leurs relations (l'autonomie de la volonté). Certains plaident pour une troisième solution qui laisse plus de place à une intervention législative. Dans cette troisième hypothèse, c'est le législateur et non le juge qui doit déterminer la place laissée au droit étranger dans la régulation des rapports familiaux entre partenaires et parents de nationalité étrangère. 2 3 Une quatrième solution, déjà citée, 2 4 est la collaboration bilatérale. Plusieurs pays d'Europe Occidentale depuis quelques années négocient des conventions bilatérales avec les principaux pays d'origine des immigrés. Ces conventions règlent notamment le problème de la loi applicable aux questions familiales. 2 5

23 En Belgique, d'aucuns plaident depuis plusieurs années pour la solution de la codification du droit international privé. Voyez notamment: Johan Erauw, De nood aan codificatie van het Belgisch internationaal privaatrecht [La nécessité de codifier le droit international privé belge], in Johan Erauw (dir.), Liber Memorialis François Laurent (1810-1887), Bruxelles, E. Story-Scientia, 1989, p. 745-763 et Johan Meeusen, 1997, 463 et suiv. 24 Cf. supra notes 17 et 18. 25

II y a quelques années, pendant plusieurs mois jusqu'en juillet 1991, la Belgique a également mené des pourparlers avec le Maroc en vue de conventions bilatérales. Trois conventions ont été signées le 15 juillet 1991 à Rabat, dont une sur la loi applicable et la reconnaissance des mariages et de leur dissolution. A ce jour, cette convention n'a été ni ratifiée ni publiée au Moniteur Belge. La convention s'appliquerait à la reconnaissance, dans les deux pays (le Maroc et la Belgique), des divorces et des séparations de corps obtenus dans l'autre Etat. A propos de la reconnaissance des dissolutions du mariage, le texte de la convention indique dans les grandes lignes que lors de l'application de la convention, la dissolution du mariage est régie par la loi de la nationalité commune des époux. Cela signifie par exemple que la dissolution d'un lien matrimonial entre un homme marocain et son épouse belgo-marocaine (article 11 de la convention) pourrait tomber sous l'application de la loi marocaine sur le divorce. On peut avoir des doutes sur les effets d'une telle règle. La convention prévoit il est vrai quatre cas de dérogations à cette règle: 1) l'hypothèse du litis pendentis; 2) l'incompatibilité avec l'ordre public; 3) le cas du jugement par défaut, lorsque la partie défaillante ne dispose pas de suffisamment de temps pour faire opposition et/ou pour exercer ses droits à la défense; et 4), le cas de la signification irrégulière de la citation. Il s'agit de dérogations formulées de façon relativement vaste. D'autre part, la convention maintient la possibilité pour les époux marocains de divorcer au Maroc selon la loi marocaine et donc pour le mari de recourir à la répudiation. Cette possibilité d'application de la loi nationale marocaine commune est même étendue au divorce réalisé en Belgique. Le texte de la convention fait en outre apparaître que cette possibilité est maintenue même si la femme, dans Γ entre-temps, a acquis la nationalité belge (la loi se référant à la nationalité commune des parties). Dans la pratique, cela n'ira probablement pas jusque là et le juge belge conserve la possibilité de ne tenir compte que de la nationalité belge de la femme, en application de la règle de la nationalité effective. Ce qui aurait alors pour résultat que la convention resterait sans effet en Belgique. L'état actuel des choses nous laisse supposer que la ratification de la convention bilatérale entre la Belgique et le Maroc sur la loi applicable et la reconnaissance des mariages et de leur dissolution signifierait un pas en arrière dans la lutte pour le renforcement de la situation juridique des femmes marocaines en immigration dans notre pays. En conclusion de notre étude nous insistons pour que la solution proposée par les Pays-Bas en cette matière soit suivie, à savoir l'attitude consistant à inciter du côté belge les gouvernements des pays d'origine à signer les conventions de droit international privé multilatérales existantes (Voyez entre autres: Leila Jordens-Cotran, «De wenselijkheid van een bilateraal verdrag Marokko-Nederland. Ver-

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Notre préférence va à la solution qui consiste à réserver un plus grand rôle à la résidence habituelle comme facteur de rattachement. 26 La règle de conflit ne renvoie plus à la nationalité des personnes concernées, mais à la loi du lieu de leur résidence habituelle. Dans le domaine du droit de la famille et matrimonial en particulier, la généralisation du principe de la territorialité en droit international privé a d'importantes conséquences. Cela signifie entre autres que le droit belge des personnes et de la famille sera appliqué aux problèmes relatifs aux relations familiales des immigrés résidant en permanence en Belgique. Le principe de territorialité présente plusieurs avantages pour la femme marocaine résidant en Belgique. Premièrement, l'application territoriale des règles de droit relatives au statut personnel garantit à toutes les femmes, quelle que soit leur nationalité , la même application du droit belge des personnes et de la famille. Du point de vue du principe d'égalité de droit, l'application du droit interne belge est donc préférable. Deuxièmement, les tribunaux ne doivent plus se prononcer sur le contenu, ou plutôt les effets du droit étranger ou introduire dans leur argumentation en faveur du droit belge une hiérarchie au sein des systèmes de droit de la famille mis en concurrence. Le juge qui applique le principe de territorialité ne doit pas donner de motif(s) pour cette application. Le droit belge est appliqué de manière identique aux justiciables belges et étrangers, indépendamment de leur nationalité. Point n'est besoin de faire encore référence à l'exception de l'ordre public. L'examen de la jurisprudence des dernières années indique qu'en Belgique, les juges contraints de choisir entre l'application, d'une part, du droit marocain (principe de la loi nationalité) et, d'autre part, du droit belge, favorisent ce dernier (principe de territorialité). Les Marocains qui résident en Belgique sont de ce fait aujourd'hui déjà, en pratique, soumis plus fréquemment au droit belge, dans les matières portant sur le droit de la famille. L'exception au principe de l'application de la loi nationale est pour ainsi dire devenue la règle. L'enquête menée par nous auprès des praticiens du droit placés devant ce choix confirme que ceux-ci sont pour

slag van een studiedag», Nederlands Juristenblad, 1992, 552-553). Ce faisant, on éviterait, à l'inverse des conventions bilatérales, de créer des catégories particulières d'étrangers qui, en matière(s) de statut personnel resteraient soumis à des règles de conflit de lois particulières. Les conventions multilatérales évitent de stigmatiser certaines populations en les cantonnant dans des . Par l'uniformisation plus large des règles de droit international privé, l'on simplifie la tâche des praticiens et, partant, renforce la sécurité juridique. La signature des conventions multilatérales existantes par les pays avec lesquels la Belgique règle actuellement la majorité de ses conflits internationaux de droit familial, n'impliquerait pas seulement des avantages de simplification, mais offrirait en outre, en particulier aux femmes marocaines en immigration, une plus grande protection juridique contre les lois familiales appliquant une discrimination à raison du sexe. 26 Le principe de territorialité ou l'application de la loi de la résidence habituelle est lié à la constatation que la mise en œuvre d'une règle de droit (par exemple en matière de capacité de la femme, de conclusion du mariage ou de régime matrimonial) repose habituellement, c'est-à-dire dans la grande majorité des cas, sur des faits qui se déroulent sur le territoire du pays de résidence.

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la plupart favorable à la solution de la loi de la résidence habituelle. Les femmes marocaines interrogées à ce sujet reconnaissent également à une vaste majorité, préférer Vapplication du droit belge . Pour autant, si dans notre conclusion nous nous rallions à la solution du rattachement territorial, ce n'est pas de façon inconditionnelle, c'est-à-dire que cette solution ne souffrirait aucune exception. Le principe de la territorialité comporte en effet desrisques - déjà signalés - pour les femmes marocaines. Il en va en particulier du risque de la non-reconnaissance à l'étranger des actes et/ou des décisions judiciaires passés dans notre pays conformément au droit belge, contrairement au droit étranger qui eût été applicable dans le respect de la loi nationale des parties. 27 Ce risque est très réel dans le cas des femmes marocaines. Des solutions plus pluralistes doivent de ce fait rester possibles. Afin de tenir à la fois compte du principe de la nationalité et du principe de territorialité, nous plaidons en faveur de l'adaptation du principe de territorialité par une autonomie limitée de la volonté des parties, sous forme d'option (de droit) entre la loi nationale et la loi du domicile. La règle de conflit principale resterait donc la règle préconisée qui rattache le statut matrimonial de la femme à la loi de la résidence habituelle. Une règle subsidiaire de conflit de lois permettrait toutefois aux parties d'opter pour leur loi nationale. Nous élaborons plus loin {cf. infra IV.2.3.1.) les modalités d'effectuation d'une telle option. Aujourd'hui déjà en droit belge, sans avoir à attendre une modification législative, il est parfaitement possible de faire jouer, soit-il partiellement, l'intervention de l'autonomie de la volonté entre époux, à savoir en matière de clauses de droit matériel dans le contrat de mariage. 28 Dans l'ensemble, nous suggérons de réserver une plus grande place au libre choix des parties. 29 A défaut d'option expresse pour la loi nationale, le droit belge s'appliquerait. 27

Cf. supra note 19. Voyez entre autres: Hélène Casman, Notarieel Familierecht, Gent, My s & Breesch, 1991,27 et suiv. 29 Dans le cas d'époux marocains, il ne s'agirait pas d'introduire une modification de la règle de conflit de loi, mais d'inviter ceux-ci à introduire dans leur contrat de mariage non seulement une, voire plusieurs clauses relatives aux biens, mais également des clauses relatives aux personnes. Ceci peut être envisagé dès à présent aussi bien pour un couple uninational marocain que pour un couple mixte belgo-marocain (lex patriae communis). Ces clauses sont effectivement autorisées par le droit marocain pour autant qu'elles ne portent pas atteinte aux fondements et aux buts de mariage (voyez entre autres, l'article 30 de la Moudawana). Une clause par laquelle le mari renonce à la polygamie est conforme au droit marocain. De même, selon une partie de la doctrine marocaine (voyez entre autres: Abderrazak Moulay R'chid, La femme et la loi au Maroc, Casablanca, Le Fennec, 1991; Fadéla Sebti Lahrichi, Vivre musulmane au Maroc. Guide de droits et obligations, Paris, 1985), une clause par laquelle le mari renonce à la répudiation est également conforme au Code de Statut Personnel marocain. De telles clauses ont le mérite d'attirer l'attention des époux sur ces questions dès la conclusion du mariage. Du point de vue du droit belge ces clauses relatives aux personnes, 28

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b) Second constat: la mauvaise connaissance du droit familial marocain dans le chef des praticiens en Belgique Le second constat a trait à la complexité - du point de vue juridique - de la situation que vivent les femmes immigrées, à cheval entre (au moins) deux systèmes de droit. Au cours des entretiens, les juristes que nous avons pu rencontrer dans le cadre de nos enquêtes se sont plaints à plusieurs reprises de la difficulté pour eux de trancher sans équivoque, à partir de dossiers concrets, la question du droit à appliquer aux situations familiales comptant au moins un membre possédant la nationalité marocaine. 30 De leur côté, les femmes marocaines en immigration n'ont souvent pas d'autres connaissance(s) de leurs droits et devoirs que celle qui leur est transmise au sein de leur propre cercle familial et à travers leurs expériences personnelles. A défaut d'une bonne compréhension de leurs droits et devoirs, elles ne sont pas à même d'en exiger le respect, voire de faire appel au droit belge, dans le but de s'assurer d'une meilleure protection juridique. Notre conclusion est que le femmes marocaines en immigration en Belgique ont le plus grand besoin d'une assistance juridique et judiciaire compétente et accessible. - Solution préconisée: une aide juridique compétente et accessible aux femmes en immigration Plusieurs moyens permettraient de garantir une meilleur aide juridique aux femmes. Nous distinguons deux types de moyens. D'une part, l'amélioration des informations sur le droit étranger fournies aux praticiens du droit, aux professionnels, c'est-à-dire la collaboration administrative internationale 3 1 et les informations aux praticiens du droit. 32 D'autre part, l'amélioration de l'aide juridique fournie aux conformes au statut personnel des intéressés, seraient valables dans la mesure où elles ne comportent rien de contraire à l'ordre public. Qui plus est, de telles clauses, dans certains cas, permettent d'écarter des institutions qui pourraient être jugées contraires à celui-ci (l'ordre public). Juridiquement possibles dès à présent, ces clauses mériteraient à notre sens une large information des personnes et milieux concernées, particulièrement des notaires. 30 Nombreux sont les avocats que nous avons rencontrés qui exigent simplement l'application du droit belge, sans s'arrêter à la possibilité de se référer au droit marocain. Pour nombre d'entre eux, l'étude des problèmes de conflits de lois et de juridictions prendrait trop de (leur) temps: « [ . . . ] la conséquence est que l'on devient un avocat trop cher» (extrait d'entretien). Ceux qui utilisent les techniques du droit international privé, le font souvent pour des raisons pragmatiques: « [ . . . ] Tout d'abord, on vérifiera quel but on cherche à atteindre; ce n'est qu'ensuite que l'on recherchera la manière d'atteindre ce but: soit par l'application du droit belge, soit en se référant au droit marocain. Ce n'est qu'après coup que l'on recherchera la justification de l'une ou l'autre de ces solutions» (extrait d'entretien). 31 En prenant exemple, pour la collaboration multilatérale au système existant d'échange international de données dans le domaine de l'état civil (C.I.E.C.), et pour l'assistance bilatérale, aux renseignements juridiques mis à la disposition des juridictions dans le cadre de la Convention belgo-marocaine du 30 avril 1981 (Rabat). 32 Nous pensons, entre autres, à l'assistance que pourraient offrir des centres (universitaires) de recherche; au service rendu par les ambassades qui, sur demande, produisent des

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femmes elles-mêmes: une plus grande accessibilité juridique, en garantissant par exemple une assistance judiciaire équivalente aux femmes en immigration ou encore, la mise sur pied de centres d'assistance judiciaire à part entière, et enfin, et surtout peut-être, l'amélioration et la démocratisation de l'enseignement et de la formation des femmes. 33

c) Troisième constat: trois générations de femmes, chacune en lutte avec ses problèmes juridiques spécifiques Au travers des interviews effectués auprès des femmes marocaines qui nous ont confié leurs récits de vie, nous repérons trois profils, trois générations sociologiques de femmes, chacune en lutte avec ses problèmes juridiques propres. - Un premier groupe, une première en quelque sorte, sont les femmes immigrées dans les années soixante et septante, aujourd'hui à l'âge de la pension. Elles refusent de retourner avec leur mari au pays d'origine, préférant rester auprès de leurs enfants en Belgique. Il n'est pas rare que le mari prenne une seconde épouse. Ces femmes se sentent alors mises sur