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German Pages 426 Year 2009
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Band 55
Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht Von
Christian Brünkmans
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN BRÜNKMANS
Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nürnberg durch die Professoren Dr. Thomas Ackermann und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 55
Die Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht
Von
Christian Brünkmans
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2009 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 978-3-428-13114-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Für Izabela
Vorwort Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2008 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis April 2009 berücksichtigt. Ein großer Teil der Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Zivilprozessrecht der Universität Bonn. An erster Stelle möchte ich mich bei Professor Dr. Gerhard Wagner, LL.M., für die Betreuung der Arbeit und für die schnelle Erstellung des Erstgutachtens bedanken. Mein Dank gilt auch Professor Dr. Daniel Zimmer, LL.M., für die Erstellung des Zweitgutachtens. Priv.-Doz. Dr. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. danke ich für seine Bereitschaft, während seiner Zeit als Habilitand und wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl von Professor Wagner jederzeit die bei der Bearbeitung aufgetauchten Fragen zu diskutieren und deren Lösungen kritisch zu hinterfragen. Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht“ danke ich den Herausgebern Professor Dr. Thomas Ackermann und Professor Dr. Karl Albrecht Schachtschneider. Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner Frau Izabela bedanken, von der ich in der Hochphase der Bearbeitung der Dissertation viel Geduld und Verzicht abverlangt habe. Ihr ist diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im August 2009
Christian Brünkmans
Inhaltsverzeichnis 1. Teil Der Konzern in der Insolvenz A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gang der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit bei rechtlicher Vielfalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sinn einer näheren Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der aktienrechtliche Konzernbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Konzern als betriebswirtschaftliche Organisationsform. . . . . . . . . . . 1. Allgemeines Konzernverständnis in der Betriebswirtschaftslehre . . . 2. Organisatorische und leistungswirtschaftliche Verflechtung im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zentraler oder dezentraler Konzern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Horizontale, diversifizierte, funktionale und vertikale Konzerne aa) Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gründe für die Konzernbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Horizontale Zusammenschlüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Funktionale und vertikale Zusammenschlüsse . . . . . . . . . (a) Funktional . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Vertikal im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auswirkung auf die Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis der Konzernstrukturanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Konzernleitungsmacht als rechtlicher Garant der wirtschaftlichen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der faktische Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der faktische Aktienkonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der faktische GmbH-Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mehrgliedrige Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einmann-GmbH. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Verwirklichung des Konzerninteresses als Ziel der wirtschaftlichen Einheit in den Grenzen der partiellen Eigeninteressen der Konzernglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzerninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17 17 17 24 25 25 26 27 27 29 29 31 31 33 33 34 34 34 39 40 41 41 44 44 46 48 51
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Inhaltsverzeichnis 2. Verhältnis Konzerninteresse und Eigeninteresse je nach rechtlicher Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkung der rechtlichen Struktur auf den wirtschaftlichen Verflechtungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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C. Das Insolvenzverfahren: Zweck und Mittel zur Zweckerreichung . . . . . . . I. Verwertungsoptionen/Verfahrensziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Liquidation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Übertragende Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Entscheidungsfindungsprozess zur optimalen Verwertung. . . . . . . . .
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D. Der Konzern in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Folgen des Rechtsträgerprinzips. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Konzern im Stadium des Insolvenzeröffnungsverfahrens. . . . . . . a) Insolvenzgründe und Insolvenzursachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) „Domino Effekt“ aufgrund leistungswirtschaftlicher Konzernverflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) „Domino Effekt“ aufgrund finanzwirtschaftlicher Konzernverflechtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Besonderheiten im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Konzern im Stadium des eröffneten Insolvenzverfahrens . . . . . . a) Einsetzung autonom agierender Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . aa) Der Insolvenzbeschlag in der Unternehmensinsolvenz. . . . . . bb) Kompetenzaufteilung im Rahmen der Gesellschaftsinsolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis Insolvenzbeschlag und Konzernleitungsmacht . . . b) §§ 1, 159 InsO: Die freie Verwertungsentscheidung der Gläubiger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis: Aufspaltung der wirtschaftlichen Planungs- und Handlungseinheit Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung des Rechtsträgerprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konzernweite Verwertungsstrategien als effiziente Ausnutzung der Verwertungsoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gründe für das Scheitern von koordinierten und gemeinsam abgestimmten Verwertungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchbrechung des Rechtsträgerprinzips im Einzelfall? . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorteile einer Einheitsbetrachtung für die verfahrensmäßige Bewerkstelligung der Konzerninsolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Substantive consolidation“ als US-amerikanisches Vorbild einer Gesamtbetrachtung?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Substantive consolidation“ kraft gerichtlicher Anordnung . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
IV.
aa) Voraussetzung einer „substantive consolidation“ . . . . . . . . . . bb) Rechtsfolgen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kritische Stimmen in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ansätze einer materiellen Konsolidierung im deutschen Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme/Kritik an der wirtschaftlichen Betrachtungsweise aa) Egalisierung der Haftungsmassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine zwingende Egalisierungswirkung im Planverfahren? 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fazit/Bedingung für Gesamtverwertungsstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Teil Koordination durch Kooperationspflichten
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A. Kooperationspflichten des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 B. Kooperationspflichten der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kooperationspflicht aus gesellschaftsähnlicher Sonderverbindung aller Gläubiger des Konzerns?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigener Ansatz: Verbot treuwidriger Verwertungsentscheidungen in Anlehnung an § 245 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Kooperationspflichten aus gesellschaftsähnlicher Verbindung der „Konzerngläubiger“ . . . . 2. Einschränkung des Verwertungsspielraums der Insolvenzverfahrensorgane zugunsten konzernweiter Gesamtverwertungsstrategien a) Bedürfnis für eine Einschränkung des Verwertungsspielraumes b) Einschränkung des Verwertungsspielraumes in Fällen treuwidriger Rechtsausübung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Voraussetzungen für die Einschränkung der Verwertungsentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausgangssituation in § 245 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Übertragung auf eine konzernweite Verwertungslösung . . . . cc) Wann liegt ein obstruktives (treuwidriges) Verhalten im Verhandlungsprozess um eine konzernweite Verwertungslösung vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO: Das Pareto-Prinzip . . . . . . . . . (2) § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO: Angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Mehrwert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) § 245 Abs. 1 Nr. 3 Zustimmung der Mehrheit der Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis dd) Obstruktives Verhalten im Rahmen einer konzerneinheitlichen Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 d) Rechtsfolge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123
C. Kooperationspflichten der Gerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 D. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Teil Koordinationsmechanismen A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen durch Einsetzung eines personenidentischen Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . I. Der personenidentische Konzerninsolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise/Verfahrenseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Verfahrenseffizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortführungs- und Verwertungseffizienz: Erhalt der einheitlichen Leitung der Konzernunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtliche Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Konfliktpunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtliche Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Generelle Ungeeignetheit nach § 56 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mögliche Instrumente zur Beseitigung der Interessenskollision . . aa) Die zusätzliche Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters (1) Der Sonderinsolvenzverwalter/Begriff/Rechtsstellung/ Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Sonderinsolvenzverwalter in der Konzerninsolvenz bb) Verstärkte Dokumentationspflicht zur Absicherung der Verwalterhaftung aus § 60 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gestattung des Insichgeschäfts § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatsächliche Grenze im rechtlichen Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung des Insolvenzverwalters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Substitution als anerkannte Grenze einer Delegationsbefugnis . . . b) Wann liegt eine unzulässige Substitution vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen für die Konzerninsolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gerichtliche Pflicht zur Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zusammenfassung/Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente in Anlehnung an die US-amerikanischen „protocols“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Funktion einer rechtsverbindlichen Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Inhaltsverzeichnis III.
IV.
Konturen einer vertraglichen Koordinierung der Insolvenzverfahren . . 1. Protokolle im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zielbestimmungen und Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Typischer Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorbild für eine vertragliche Koordinierung von Konzerninsolvenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustimmungs- und Konsultationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Typischer Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorbild für eine vertragliche Koordinierung von Konzerninsolvenzen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragliche Koordinierung der Insolvenzverfahren des Konzerns in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Gleichordnungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die einheitliche Leitung gleichberechtigter Konzernglieder bb) Einheitliche Leitung der Konzernglieder über einen Lenkungsausschuss Qualität/Umfang und Grenzen. . . . . . . . . . . . (1) Verbindliche Koordinierung der Konzernglieder über einen Lenkungsausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Nachteilige Beschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sinngemäße Übertragung auf die Koordinierung der Konzerninsolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vertragliche Regelung gerichtet auf die konzernweite übertragende Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Muster für die Ausgestaltung eines Vertrages zwischen den Insolvenzverwaltern (insolvenzspezifischer Verfahrensverbund) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erklärung der einzelnen Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Einordnung der Koordinierungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . 1. Vertragsparteien einer Koordinierungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschlussbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befugnisdisposition: Vereinbarung über Befugnisausübung des Insolvenzverwalters. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht des Insolvenzverwalters zur höchstpersönlichen Amtsführung als Grenze der vertraglichen Bindung?. . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grenzen inhaltlicher Ausgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) § 1 InsO Zweckwidrigkeit der Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insolvenzzweck größtmöglicher Befriedigung . . . . . . . . . . . . . bb) Insolvenzzweck gleichmäßiger Befriedigung (par conditio creditorum) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verstoß gegen zwingendes Recht der Insolvenzordnung . . . . . . . . 4. Pflichten aus der Kooperationsvereinbarung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Haftung des Insolvenzverwalters aus § 60 InsO gegenüber seiner Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Beendigung der Kooperationsvereinbarung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
V.
7. Kooperationsvereinbarungen bei internationalen Insolvenzen . . . . . . . 194 8. Kooperationsvereinbarungen im Eröffnungsverfahren und bis zum Berichtstermin im eröffneten Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Fazit zur vertraglichen Koordinierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 4. Teil Besondere Koordinationsmechanismen bei einer Reorganisation des Konzerns
A. Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Unterschiede zwischen Eigenverwaltung und Regelverfahren mit konzernspezifischer Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der schuldnerische Verband als Inhaber der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Eigenverwaltung als konzeptionelles Alternativmodell zur Insolvenzbewältigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für die Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Welche Sachverhalte eignen sich für die Eigenverwaltung? . . . . . . . . 4. Kompetenzverteilung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . a) Streitstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme zur Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung. . . . . aa) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Historie: Anlehnung an das Vergleichsverfahren . . . . . . . . . . . cc) Rechtsvergleichende Perspektive: Anlehnung am „debtor in possession“ im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Telos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis zur Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis zu Ausgangsfrage I.: Unterschiede zwischen Eigenverwaltung und Regelverfahren mit konzernspezifischer Bedeutung . . . IV. Gesellschaftsrechtliche Bindungen des zur Vertretung berechtigten Organs in der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Striktes Nebeneinander von Gesellschafts- und Insolvenzrecht . . b) Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systematisches Argument. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197 198 198 198 199 200 200 200 202 203 204 205 206 207 207 208 208 209 213 213 214 216 216 217 219 220
Inhaltsverzeichnis aa) §§ 275, 276, 277 InsO als abschließende Regelung über Zustimmungsvorbehalte (Konkurrenz zu den Gläubigerorganen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Jederzeitige Aufhebung § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO. . . . . . . . . . cc) Gesellschaftsrechtliche Bindung als sonstiger Nachteil i. S. d. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vergleichbarkeit der Stellung des vertretungsberechtigten Organs mit der des Insolvenzverwalters? . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsvergleichende Betrachtung zum US-amerikanischen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Historisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Teleologisches Argument . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sinn und Zweck der Eigenverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens, § 1 InsO . . . . . . . (1) Gefahr insolvenzverfahrenszweckwidriger Einflussnahme der Gesellschafter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Schutz vor negativer Einflussnahme durch die Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bindung der Gesellschafter an den Insolvenzverfahrenszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Möglichkeit jederzeitiger Aufhebung der Eigenverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Der Fortbestand faktischer Konzernleitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Darf sich das verbandsinterne Weisungsrecht zu einer Konzernleitungsmacht im Verfahren der Eigenverwaltung verdichten? . . . . . 2. Insolvenz der Obergesellschaft (Doppelinsolvenz) . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Gesellschaftsanteile als Bestandteil der Insolvenzmasse der Obergesellschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der konzernleitende Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vereinbarkeit des konzernleitenden Insolvenzverwalters mit seinen Aufgaben im Insolvenzverfahren der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere Gefahren durch die Insolvenz der Obergesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gleichzeitige Eigenverwaltung der Obergesellschaft als zwingendes Erfordernis für den Fortbestand der Konzernleitungsmacht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Besonderheiten im Vertragskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
220 222 224 226 229 233 233 234 236 236 238 238 240 240 241 241 241 241 243 243 245
246 247
249 250 251 251
12
Inhaltsverzeichnis a) Rechtsnatur des Beherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlussfolgerung für die weitere Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schicksal der beherrschungsvertraglichen Leitungsmacht in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Insolvenz der Obergesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Meinungsstand unter der Geltung der Konkurs- und Vergleichsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Eröffnung des Konkursverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Automatische Beendigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Suspendierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleichsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Streitstand unter Geltung der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . (1) Die Herrschende Meinung vom Fortbestand des Beherrschungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Lehre von Berthold und Altmeppen: Automatische Beendigung analog §§ 115, 116 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Fortbestand des Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Massezugehörigkeit des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Übertragbarkeit des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts, §§ 35, 36 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Eingriff in die Verbandsverfassung der Untergesellschaft durch den konzernlenkenden Insolvenzverwalter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Mangelnde Deckung des Verlustausgleichsanspruchs wegen Insolvenz der Obergesellschaft? . . . . . . . . . . . . . . . b) Insolvenz der Untergesellschaft/Doppelinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . aa) Automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages . . . . . bb) Fortbestand des Weisungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Regelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Untergesellschaft wird in Eigenverwaltung geführt. . . . . (a) Unvereinbarkeit mit dem Verfahrenszweck aus § 1 InsO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schicksal des Verlustausgleichsanspruchs in der Doppelinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zur möglichen beidseitigen Kündigung des Beherrschungsvertrages 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Das Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Konturen einer Koordinierung durch Eigenverwaltung, geeignete Anwendungsfälle und gerichtliche Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirtschaftlich organisatorischer Vorteil der Eigenverwaltung in der Konzerninsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
252 253 253 253 254 254 254 255 256 257 258 259 260 263 264 264
266 268 268 272 272 273 273 274 274 276 277 278 278 279 279
Inhaltsverzeichnis 2. Für welche Fälle eignet sich die Eigenverwaltung als Koordinationsmodell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtliche Weichenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Weichenstellung im Eröffnungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weichenstellung im Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Implementierung aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne . . . . . . . . . . 1. Der Einzelplan innerhalb eines Gesamtsanierungskonzepts . . . . . . . . 2. Die Durchsetzung der aus dem Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelten Insolvenzpläne in den einzelnen Planverfahren. . . . . . . a) Planinitiativrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Planinitiativrecht des Schuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Planinitiativrecht des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Planinitiativrecht in der Eigenverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Koordinierte Insolvenzpläne im Planverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gerichtliche Bestätigung eines koordinierten Insolvenzplans . . . . d) Aufhebung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Einbeziehung nicht insolventer Tochtergesellschaften . . . . . 4. Konsolidierung über einen Insolvenzplan „substantive consolidation“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Substantive Consolidation“ durch einen Reorganisationsplan im US-amerikanischen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der konsolidierende Reorganisationsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Substantive Consolidation“ durch einen Insolvenzplan im zentral-funktional integrierten Konzern nach deutschem Recht? . . . . aa) Mögliche Vorteile einer Konsolidierung im Rahmen einer Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Senkung der Verfahrenskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vermeidung von schwierigen Ertragsabgrenzungen im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verteilung des Kooperationsgewinns . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Steuerliche Vorteile. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Grundlage nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . cc) Aufbau eines konsolidierenden Insolvenzplans . . . . . . . . . . . . dd) Voraussetzung für eine gerichtliche Bestätigung. . . . . . . . . . . III. Zusammenfassendes Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13
281 283 283 284 286 286 288 288 289 290 290 291 292 292 293 294 295 296 296 297 297 298 299 300 300 301 302 303 304 306 307 308
14
Inhaltsverzeichnis 5. Teil Konzentration der Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen auf gerichtlicher Ebene
310
A. Vorteile einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit für konzernverbundene Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 B. Möglichkeit einer Konzentration der Insolvenzverfahren de lege lata . . . I. Die europäische Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand: „Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen“ bei juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hauptort der werbenden Geschäftstätigkeit („business activity“) b) Effektiver Verwaltungssitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ort der strategischen Entscheidung („mind of management“) . . . 2. Klärung durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen „Eurofood“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sachverhalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entscheidung des EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wertungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Effiziente Verfahrensbewältigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Unmittelbare Kosten des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . (aa) Unmittelbare Verfahrenskosten der Gläubiger (bb) Kosten der Insolvenzverwaltung . . . . . . . . . . . . . (cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Effektives Einrücken in die schuldnerische Leitungsstelle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erkennbarkeit für Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Risikoeinschätzung für eine effiziente Kreditvergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Kontinuität des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewegliches Zuständigkeitssystem versus Typisierung . . . . . cc) Typisiert teleologische Zuständigkeit bei juristischen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Anforderung an den effektiven Verwaltungssitz. . . . . . . . . . . . ee) Forum shopping? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die internationale Zuständigkeit im Konzern nach der EuInsVO . . . . . . 1. Horizontal-dezentrale Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zentral-funktionale Konzerne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
313 315 316 316 318 320 321 321 323 325 325 325 328 329 329 330 330 331 332 332 334 334 335 336 336 337 340 341 342 342 343
Inhaltsverzeichnis
III. IV. V.
VI.
a) Kennzeichen des internationalen zentral-funktionalen Konzerns . b) Wo lassen sich die Tochtergesellschaften dieser Konzernart typischerweise am besten abwickeln? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erkennbarkeit der Zugehörigkeit zum zentral-funktional integrierten Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erledigung der Tagesgeschäfte in der Konzernzentrale. . . . . bb) Statutarische Ausrichtung an das Konzerninteresse als für Dritte erkennbares Indiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die „Konzernfirma“ als erkennbares Indiz. . . . . . . . . . . . . . . . Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs: Nationale Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO für konzernverbundene Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berücksichtigung konzernspezifischer Besonderheiten: Konterkarierung durch das Sekundärverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Sekundärverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zweck eines Sekundärinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eröffnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besonderheit im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wirkungen eines Sekundärinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Werden die Vorteile einer zentralen Zuständigkeit durch die Eröffnung eines Sekundärverfahrens wieder genommen?. . . . . . . . . . . . . . . a) Die Koordinierungsvorschriften nach Art. 31 ff. EuInsVO allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einfluss des Hauptinsolvenzverwalters auf die Verwertungsentscheidung im Besonderen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorschlagsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Recht auf Aussetzung der Verwertung im Sekundärverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Allgemeine Voraussetzung für eine gerichtliche Aussetzung der Verwertung im Sekundärverfahren durch den Hauptverwalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besonderheit im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Liquidationsautomatismus im Sekundärverfahren?. . . . . . . . . bb) Sanierung durch koordinierte Insolvenzpläne? . . . . . . . . . . . . (1) Notwendigkeit von koordinierten Insolvenzplänen im Haupt- und Sekundärverfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Art. 34 Abs. 1, 3 EuInsVO als Garant eines abgestimmten Sanierungsplanes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bedeutung für die Konzerninsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zusammenfassendes Ergebnis zum Sekundärverfahren . . . . . . . . . Sekundärverfahren in Eigenverwaltung: Deutscher Sonderweg? . . . . . .
15 343 346 350 351 352 355 355 356 357 358 358 360 360 361 362 362 363 364 365 365 367
367 370 371 372 373 373 375 376 377 378
16
Inhaltsverzeichnis 1. Die Entscheidung des AG Köln „Automole“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 2. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378
C. Zusammenfassendes Ergebnis zur Konzentration der Insolvenzverfahren auf gerichtlicher Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 6. Teil Zusammenfassung und wesentliche Untersuchungsergebnisse
383
A. Das Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 B. Kooperationspflichten/Einschränkung der freien Verwertungsentscheidung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 C. Koordinationsmechanismen zur Förderung von Gesamtverwertungsstrategien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 I. Einheitlicher Konzerninsolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 II. Kooperationsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 D. Koordinierung bei einer Reorganisation des Gesamtkonzerns. . . . . . . . . . . 387 I. Eigenverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 II. Koordinierte und konsolidierende Insolvenzpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 E. Einheitliche gerichtliche Zuständigkeit im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416
1. Teil
Der Konzern in der Insolvenz A. Einführung I. Problemstellung In der Wirtschaftspraxis spielen Konzerne eine immer wichtigere Rolle. Der Konzern zeichnet sich dabei als wirtschaftlich einheitliches Gebilde aus, welches jedoch rechtlich zergliedert aus mehreren Rechtsträgern, meistens Kapitalgesellschaften, besteht. War der Konzern zunächst die Organisationsform von einigen Großunternehmen und wird der Begriff im Volksmund auch synonym verwendet, so hält er mehr und mehr Einzug auch in mittelständische Unternehmen.1 Dabei erfreut sich insbesondere die GmbH als Konzernbaustein einer besonderen Beliebtheit. Nach neueren Schätzungen sollen mehr als die Hälfte aller GmbHs faktisch konzernverbunden sein.2 Die Gründe für diese Tendenz sind vielfältig. Mit dem Zusammenwachsen zu einem einheitlichen europäischen Binnenmarkt und der fortschreitenden Globalisierung wächst zunächst gleichzeitig die Bedeutung des Konzerns als wirtschaftliche Organisationsform. Trotz Rechtsvereinheitlichungstendenzen, insbesondere auf europäischer Ebene, wird grenzüberschreitendes Engagement nach wie vor nicht in der Form einer rechtlich abhängigen Betriebsstätte, sondern in einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft organisiert.3 Aber auch ein immer differenzierter werdendes Finanzierungsund Ratingsystem führt zur Aufspaltung von betriebswirtschaftlich einheitlichen Unternehmen in einen rechtlich vielfältigen Konzern.4 Nicht zu unterschätzen sind in diesem Zusammenhang die steuerlichen Motive. Konzernarchitekten lassen sich bei der Bildung der Konzernstruktur vornehm1
Vgl. Liebscher, A Rn. 3. Meyer, GmbHR 2002, 177, 181; vgl. Liebscher, A Rn. 3; Roth/Altmeppen, Anh § 13 Rn. 1. 3 Theisen, S. 8; Schildbach, S. 10; zur Bedeutung des Konzerns als Unternehmensorganisation im europäischen Kontext vgl. die Einschätzung des zuständigen Generaldirektors der EU-Kommission G. E. Fitchew, in: Wymeersch, Groups of Companies in the EEC, S. V. 4 Vgl. Sester, ZIP 2005, 2099 ff. 2
18
1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
lich von dem Ziel leiten, die steuerlichen Vorteile möglichst zu optimieren. Neben diesen Motiven rechtlicher Gestaltung leisten auch moderne Management- und betriebswirtschaftliche Organisationsstrategien der Konzernbildung Vorschub.5 Die wachsende Bedeutung des Konzerns als Organisationsform des Wirtschaftslebens führt verständlicherweise dazu, dass auch immer mehr Insolvenzverfahren Konzernsachverhalte zugrunde liegen. In der frühen Nachkriegszeit bis in die achtziger Jahre kamen Konzerninsolvenzen zwar in regelmäßigen Abständen vor und nahmen wegen der volkswirtschaftlichen Bedeutung auch ein breites Licht der Öffentlichkeit ein. Dennoch waren sie eher die Seltenheit. Exemplarisch sollen die spektakulären Insolvenzen des Automobilkonzerns Borgward, des Schlieker Konzerns, des Bankhauses Herstatt und des AEG Konzerns6 Anfang der achtziger Jahre genannt werden. Entsprechend wurde im Schrifttum die Konzerninsolvenz auch als „fern liegende“ Ausnahmeerscheinung bezeichnet.7 Wegen der vornehmlichen Organisationsform für Großunternehmen und wegen der Wirtschaftsmacht großer Konzerne und ihrer Einbindung in einem Interessensgeflecht von Beteiligungen und Banken (Stichwort: Deutschland AG) ging man davon aus, dass dieses Interessengeflecht eine Insolvenz schon im Vorfeld verhindern wird, der Konzern somit in den seltensten Fällen mit gerichtlichen Insolvenzverfahren überzogen wird.8 Mit der Rezession in den späten neunziger Jahren, dem allmählichen Aufbrechen der „Deutschland AG“ waren jedoch plötzlich große deutsche Traditionskonzerne gezwungen, Insolvenzantrag zu stellen. Exemplarisch ist hier die Insolvenz des Baukonzerns Philipp Holzmann (zunächst 1999, dann wieder 2002)9; der Untergang des Kirch Imperiums (2002)10; die Insolvenz des Oberhausener Maschinenbaukonzerns Babcock-Borsig (2002)11; des Grundig Konzerns (2003)12; des Berliner Traditionsunternehmens Herlitz Konzern13 (2003); dem Walter Bau Konzern (2005); BenQ (2006), dem größten europäischen Möbelhersteller Schieder Konzern (2007)14 und jüngst die Insolvenz der Pin-Group zu nennen.15 Aber auch die Insolvenz weniger 5
Theisen, S. 100, vgl. auch Peter, I. Vgl. Bericht von Kübler, ZGR 1984, 560, 562 ff. 7 So etwa Peltzer, AG 1975, 309, 310. 8 Vgl. Acher, S. 3. 9 Vgl. dazu Görg, FS Uhlenbruck, S. 117 ff. 10 FAZ vom 9. April 2002. 11 Dazu Piepenburg, NZI 2004, 231 ff. 12 Dazu Braun, NZI 2003, 588 ff. 13 Dazu Rattunde, ZIP 2003, 596 ff. 14 Vgl. Handelsblatt, vom 1. Oktober 2007; www.handelsblatt.com. 6
A. Einführung
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großer Konzerne wie der Textilkaufhauskonzern Hettlage16, der Zenith Konzern17 und Senator Entertainment18 wurden bekannt. Ferner wurde Deutschland mit Insolvenzen ausländischer Konzerne bezüglich ihrer deutschen Tochtergesellschaften konfrontiert. Exemplarisch sei auf die Insolvenz des britischen Autobauers MG Rover19 und die Insolvenz der Betreibergesellschaften des Eurotunnels20 verwiesen. Trotz der zunehmenden Bedeutung von Konzerninsolvenzen stellt die deutsche Insolvenzordnung – wie die meisten europäischen Insolvenzordnungen – keine besonderen Regeln für die Bewältigung von Konzerninsolvenzen zur Verfügung. Der Konzern als solcher ist nicht insolvenzfähig, es gilt vielmehr das Rechtsträgerprinzip (§ 11 InsO), d.h. für jedes Konzernglied ist der Insolvenzgrund separat festzustellen, jeweils ein Insolvenzverfahren zu eröffnen und im Grundsatz jeweils ein autonom agierender Insolvenzverwalter einzusetzen. Die Reformkommission hatte sich zwar mit dem Problem der Konzerninsolvenzen, insbesondere unter dem Eindruck der Insolvenz des AEG-Telefunken Konzerns auseinandergesetzt. Man hielt jedoch an dem strikten Rechtsträgerprinzip fest und wollte dem Konzern als solches keine besondere Stellung im Insolvenzverfahren einräumen. Trotz der damaligen Sanierungseuphorie empfahl die Reformkommission, lediglich der Mutter eine beratende Funktion bei der Aufstellung eines Sanierungsplanes der Tochter zuzusprechen.21 Die Vorschläge der Reformkommission wurden jedoch vom Gesetzgeber größtenteils in bewusster Rückbesinnung auf den eigentlichen Zweck des Insolvenzverfahrens, der „Haftungsverwirklichung“, nicht aufgegriffen.22 Mit der zunehmenden Verbreitung von immer stärker integrierten Konzernen hat die Besinnung auf das Rechtsträgerprinzip jedoch gerade im Hinblick auf den Verfahrenszweck bestmöglicher Haftungsverwirklichung fatale Folgen, denn äußerst selten wird lediglich ein Konzernglied von der Krise oder Insolvenz erfasst. Je nach Konzernstrategie führt die leistungswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Verflechtung zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften dazu, dass Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung in der Regel nicht nur bei einem Konzernglied auftaucht, sondern sich 15
Vgl. AG Köln, ZInsO 2008, 215 ff. m. Anm. Knof/Mock, ZInsO 2008, 253 ff. 16 Vgl. AG München, ZIP 2004, 962 ff. „Hettlage“. 17 Vgl. AG Siegen, NZI 2004, 673, „Zenith“ m. Anm. Strasser, KTS 2005, 219. 18 Dazu Fritze, DZWiR 2007, 89. 19 Vgl. High Court of Birmingham, NZI 2005, 476 ff. „MG Rover“. 20 Tribunal de Commerce de Paris, Recueil Dalloz 2006, 2331 „Eurotunnel“. 21 Erster Bericht der Kommission, S. 290, 292. 22 Vgl. dazu instruktiv Balz, ZIP 1988, 1438 ff.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
wie ein Flächenbrand auf eine Vielzahl anderer Konzernglieder, bis hin zum ganzen Konzern, ausbreitet. In der insolvenzrechtlichen Literatur hat sich zur Beschreibung dieses Phänomens mittlerweile der Begriff „Dominoeffekt“ herausgebildet. Wird nun für jedes einzelne Konzernglied ein separates Insolvenzverfahren ohne Berücksichtigung des Konzernzusammenhangs eröffnet, führt dies unweigerlich zur Sprengung des Konzerns.23 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht im Regelverfahren gemäß §§ 80 Abs. 1, 148 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der von den einzelnen Konzerngliedern getragenen Unternehmen auf unterschiedliche Insolvenzverwalter über, die kraft ihrer Amtsstellung die Masse autonom verwalten und über sie verfügen. Die vormals strategische und u. U. auch operative Planungseinheit Konzern wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens demnach in eine Vielzahl von autonomen Entscheidungseinheiten aufgeteilt. Sind die einzelnen Konzernglieder wirtschaftlich eng miteinander verflochten, bildet somit in wirtschaftlicher Hinsicht der Konzern und nicht die einzelnen Konzernglieder das eigentliche Unternehmen, kann diese Aufspaltung fatale Folgen haben. Das Problem soll anhand des, sich seit dem Jahre 2002 im Insolvenzverfahren befindlichen, Babcock Borsig Konzerns veranschaulicht werden. Das Kerngeschäft des Oberhausener Babcock Borsig Konzerns war der Kraftwerksbau. Der Konzern war so strukturiert, dass an der Spitze die insolvente Babcock Borsig AG als Stammhaus stand und für Großprojekte nach außen hin auch den Kunden gegenüber als Vertragspartner auftrat. Die eigentlichen Leistungen und Funktionen wurden allerdings im Innenverhältnis von einer Vielzahl von insgesamt 360 Tochter- und Enkelgesellschaften erbracht, die überwiegend ebenfalls insolvent waren.24 Das eigentliche Kerngeschäft Kraftwerksbau wurde demnach vom Gesamtkonzern betrieben und nicht lediglich vom Stammhaus. Im Extremfall würden 360 Insolvenzverfahren jeweils von über aller Welt zerstreuten Gerichten eröffnet werden und jeweils 360 unterschiedliche Insolvenzverwalter, die mit eigener Machtvollkommenheit über ihre Masse regieren, eingesetzt. Wurden vor der Insolvenz die einzelnen Konzernglieder über die Konzernleitungsmacht aufeinander abgestimmt, ist dies nun nicht mehr möglich. Dies mag bei einer Liquidation in Reinform nicht näher stören, ist diese doch gerade auf die Einzelzerlegung von Unternehmen angelegt. Um auf das Beispiel Babcock Borsig zurückzukommen, mag die Aufspaltung der vormalig einheitlich regierten Sparte Kraftwerksbau in einzelne Entscheidungseinheiten nicht näher tragisch sein, wenn die Insolvenzverwalter so oder so die Bestandteile des vormals lebenden Konzernverbundes einzeln „versilbern“ 23 24
Lutter, ZfB, 1984, 781 ff.; Bous, S. 279; Ehricke, DZWIR 1999, 353, 353. Vgl. den Verfahrensbericht von Piepenburg NZI 2004, 231, 234.
A. Einführung
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müssen. Prima facie erweist sich die Aufspaltung des Konzerns in eine Vielzahl operativer Entscheidungseinheiten jedoch dann als problematisch, wenn im Konzern insgesamt noch ein aktivierbarer Fortführungswert steckt, d.h. die Reorganisation oder die übertragende Sanierung des Konzerns oder Teile von ihm Aussicht auf eine bessere Befriedigung als eine Einzelzerschlagung geben. Tendenziell besteht gerade bei mittelständischen und größeren Unternehmen, die typischerweise als Konzerne organisiert sind, eine größere Sanierungs- und Fortführungsmöglichkeit, bei der mit einer angemessenen Befriedigungsquote für die Gläubiger zu rechnen ist.25 Die Verfahrenskosten für ein Planverfahren lohnen sich ohnehin nur ab einer bestimmten Unternehmensgröße. Aber gerade auch die Chance auf eine übertragende Sanierung ist bei mittelständischen bis großen Unternehmen erheblich höher, wenn man bedenkt, dass sich mittlerweile auch vermehrt in Deutschland Private Equity Gesellschaften ansiedeln, die sich speziell auf den Kauf von mittelständischen und größeren Unternehmen aus der Krise und Insolvenz spezialisiert haben.26 Insoweit entsteht nach und nach ein Markt für „Pleiteunternehmen“.27 Neben der Reorganisation und übertragenden Sanierung gibt es noch viele andere, noch näher zu erörternde Verwertungsstrategien, die alle gemeinsam haben, dass mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Unternehmen zunächst über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden muss und zum Teil in eine Gesamtverwertung einmünden. Die Aufspaltung der vormaligen Wirtschaftseinheit Konzern in eine Vielzahl von autonomen Entscheidungseinheiten führt dann aber in zweierlei Hinsicht zu Problemen. Da der Konzern nun nicht mehr durch die Konzernspitze hierarchisch gesteuert werden kann, müssen die einzelnen Insolvenzverwalter auf horizontaler Ebene versuchen, den Konzern am Leben zu halten. Stellt nur ein Insolvenzverwalter seinen Betrieb ein und liquidiert das Unternehmen, kann dies u. U. zu einer Kettenreaktion führen, bei der am Ende die Einstellung und Einzelzerschlagung aller Unternehmen steht.28 Gleiches gilt im Hinblick auf die Verwertungsentscheidung. Wird die Verwertungsentscheidung in den einzelnen Verfahren jeweils autonom getroffen, so hängt die Realisierung eines optimalen Fortführungswertes u. U. von einer einheitlichen Entscheidung in allen Verfahren ab. Im Ergebnis hängt eine möglichst effiziente Verfahrensbewältigung und optimale Verwertung der Massen von einer intensiven Kooperation zwischen den Organen der einzelnen Insolvenzverfahren, insbesondere der Verwalter und der Gerichte, der konzernverbundenen Unternehmen ab. In der Praxis scheitern diese Kooperationen jedoch häufig, obwohl eigentlich offensichtlich ist, dass eine 25 26 27 28
Graeber, NZI 2007, 265, 265. Vgl. Welt am Sonntag Nr. 36, 9. September 2007, S. 50. Anders noch Eidenmüller, Sanierung, S. 38. Vgl. Piepenburg NZI 2004, 231, 234.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
Konzerngesamtverwertungsstrategie insgesamt ein besseres Ergebnis erzielt hätte.29 Besinnt man sich auf die viel zitierte Aussage von Lutter – „die Organisationsform des multinationalen Unternehmens ist der Konzern“30 –, dann wird der Konzern in der Regel nicht nur mit einer Vielzahl von separaten Insolvenzverfahren überzogen, sondern der Fortgang und das Ziel der Insolvenzverfahren bestimmt sich möglicherweise nach unterschiedlichen fremdländischen Rechtsordnungen mit jeweils unterschiedlichen Verfahrensregimen. Sollte ein einzelnes Konzernglied etwa in Europa grenzüberschreitend aktiv sein, kann dies sogar zu einer erneuten Teilung durch ein mögliches Sekundärverfahren (vgl. Art. 3 Abs. 2, 27 ff. EuInsVO) führen. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die deutsche Rechtsordnung ausdrücklich keinen Regelungsmechanimus zur Verfügung stellt, der die Zersplitterung des Konzerns in autonome Entscheidungseinheiten verhindert bzw. ein kooperatives Verhalten zwischen den einzelnen Verfahren und eine damit möglicherweise effiziente Gesamtverwertungsstrategie stimuliert. Ganz anders dagegen der angloamerikanische Rechtskreis. Dort ist man Konzerngesamtverwertungsstrategien gegenüber wesentlich aufgeschlossener eingestellt. Insbesondere der US-amerikanische Rechtskreis bietet mit der sog. „joint adminstration“, der „substantive consolidation“ bis hin zu vertraglichen Koordinationsformen wie den „protocols“ einen ganzen Strauss von Verfahrensgestaltungen, die dem Anliegen einer effizienten Gesamtverwertung im Konzern gerecht werden. Aber auch Großbritannien zeigt mit der großzügigen Auslegung der europäischen und nationalen Zuständigkeitsvorschriften im Sinne einer einheitlichen Gerichtszuständigkeit für konzernverbundene Unternehmen und der in ständiger Übung praktizierten Einsetzung sog. „joint administrators“31 eine gewisse Offenheit, die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten zu Gunsten einer optimalen Gesamtverwertungsstrategie des Konzerns zu nutzen. Nicht zuletzt auch die Rigidität der deutschen Insolvenzkultur im Hinblick auf die Berücksichtigung von 29
So etwa die einhellige Auffassung bei der Insolvenz des AEG-Telefunken Konzerns, vgl. Kübler, ZGR 1984, 560, 562 ff.; vgl. auch Beispiele aus der Praxis bei van Galen, II; Peter, S. 3. 30 Lutter, FS Stimpel, S. 826 ff.; deshalb ist die Konzerninsolvenz Hauptanwendungsfall grenzüberschreitenden Insolvenzgeschehens, vgl. Paulus, ZIP 2005, 1948, 1950; Ronen-Mevorach, S. 1 ff.; Ziegel, 7 Fordham J.Corp. & Fin.L. 367, 369 (2002); Rasmussen, 7 Fordham J. Corp. & Fin.L. 395 (2002). 31 In Großbritannien ist es absolut üblich, in den einzelnen Verfahren die gleichen Verwalter einzusetzen, vgl. High Court of Justice London, NZI 2006, 654, 655 „Collins & Aikmann“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467 „MG Rover“; High Court of Justice Leeds, NZI 2004, 219 f. „ISA Daisytec“; vgl. auch AG Köln NZI 2004, 151 „Automole“.
A. Einführung
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Konzernsachverhalten bei der Verfahrensbewältigung und die gleichzeitig großzügige Einstellung der englischen Gerichte bezüglich (vermeintlicher) Sitzverlagerungen veranlassen manche Schuldner in Absprache mit Großgläubigern die Flucht nach England anzutreten, wie die aktuellen Beispiele der Konzerne Schefenacker und Deutsche Nickel eindrucksvoll zeigen.32 Hierzulande wird sogar die Befürchtung ausgesprochen, Kontinentaleuropa verpasse den „Anschluss an die Moderne“33, wenn es in punkto Konzerninsolvenz weiterhin in Lethargie verharrt. In dieser überspitzten Äußerung reihen sich die auf seine Berufszunft selbstkritischen Worte des Insolvenzrichters Graeber ein, welcher die nur zögerliche Berücksichtigung von Konzernsachverhalten durch manche Gerichte im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Insolvenzrechts konstatiert: „Die kleindeutsche Behandlung des Konzerns durch unterschiedliche Entscheidungen der Insolvenzrichter schreckt ab.“34 Insbesondere die bereits erwähnten Migrationen der Konzerne Deutsche Nickel und Schefenacker haben das Bundesministerium der Justiz veranlasst, die Diskussion über eine mögliche Kodifikation des Konzerninsolvenzrechtes auf die Tagesordnung zu setzen.35 Die Frage nach einer optimalen Bewältigung von Konzerninsolvenzen konzentrierte sich in Deutschland bislang auf die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Insolvenzverfahren der Konzernglieder. Manche Gerichte machen von dieser Option Gebrauch und schaffen dadurch im Hinblick auf die Insolvenzverwaltung einen einheitlichen Gestaltungswillen. Dieses Vorgehen ist jedoch teilweise wegen der damit verbundenen Gefahr von Masseverschiebungen auf heftige Kritik gestoßen, insbesondere lehnen manche Richter ein solches Vorgehen kategorisch ab.36 Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es, die Möglichkeiten und Grenzen der Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht aufzuzeigen. Ziel einer solchen Koordinierung ist dabei immer die bestmögliche Masseverwertung und damit bestmögliche Befriedigung der Gläubiger.
32 33 34 35 36
Graeber, NZI 2007, 265, 265; vgl. auch Vallender NZI 2007, 129, 130 ff. Paulus, NZG 2006, 609, 612. „Der EuGH und das moderne Insolvenzrecht“. Vgl. Graeber, NZI 2007, 265, 267. Vgl. Hirte, ZIP 2008, 444, 444. Vgl. Graeber, NZI 2007, 265, 266.
24
1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
II. Gang der Untersuchung Die Untersuchung ist in fünf Teile aufgebaut. Der erste Teil beginnt mit einigen Ausführungen zum Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit bei rechtlicher Vielfalt (Abschnitt B.). Bisher wurde unterstellt, dass der Konzern das eigentliche Unternehmen, die betriebswirtschaftliche Einheit darstellt, die es im Insolvenzverfahren zur möglichen Aktivierung von Fortführungswerten u. U. zu wahren gilt. Diese Behauptung bedarf einer differenzierten Betrachtung im Hinblick auf die in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre bestehenden unterschiedlichen Konzernstrategien. Hier gilt es den Konzerntypus herauszuarbeiten, der die These von der wirtschaftlichen Einheitlichkeit stützt und einer besonderen Berücksichtigung im Insolvenzverfahren bedarf. Es folgt ein kurzer Abriss über das Verfahrensziel des deutschen Insolvenzverfahrens und die verschiedenen Verwertungsoptionen und ihrer Entscheidungsträger (Abschnitt C.). Schließlich sollen in Abschnitt D. die Folgen der Insolvenz auf den Konzern und die Aufspaltung der wirtschaftlichen Planungs- und Operationseinheit Konzern in eine Vielzahl separater Entscheidungseinheiten erläutert werden. Im Fokus dieser Ausführungen wird dabei die Erklärung stehen, warum die Konzernleitungsmacht nicht auf die in den Untergesellschaften eingesetzten Insolvenzverwalter durchgreift. Diese Ausführungen dienen gleichzeitig als Vorbereitung im Hinblick auf die im vierten Teil dieser Arbeit näher auszuführenden Unterschiede zur besonderen Verfahrensart der Eigenverwaltung. Als zweiter Schwerpunkt dieses Abschnitts wird die Suche nach möglichen Erklärungen sein, warum Kooperationen zwischen den einzelnen Verfahrensbeteiligten, insbesondere den Insolvenzverwaltern trotz eines möglicherweise zu erwartenden Verwertungsmehrwertes in der Praxis oft scheitern. Nachdem die Konfliktpunkte herausgearbeitet worden sind, soll der Frage nachgegangen werden, ob sich im Einzelfall eine Durchbrechung des Rechtsträgerprinzips zugunsten einer Einheitsbetrachtung empfiehlt. Am Ende der Diskussion stehen die Konturen und Wertungskriterien für eine koordinierte Verfahrensbewältigung fest. Danach beginnt mit dem zweiten Teil der Schwerpunkt dieser Arbeit, d.h. die Suche nach Koordinationsmechanismen, welche eine koordinierte Verfahrensbewältigung stimulieren und die herausgearbeiteten Konfliktpotentiale beseitigen könnten. Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob die Organe des Insolvenzverfahrens nicht unter bestimmten Voraussetzungen zur Kooperation, d.h. Förderung und Implementierung von Gesamtverwertungsstrategien verpflichtet sind. Im dritten Teil der Arbeit soll näher untersucht werden, ob durch besondere Koordinationsinstrumentarien eine optimale Gesamtverwertung im Hinblick auf die herausgearbeiteten Störpotentiale gefördert werden kann.
B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit
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Im Abschnitt A. steht dabei die Frage im Vordergrund, ob das Insolvenzgericht durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Verfahren einen einheitlichen Gestaltungswillen im Konzern herbeiführen kann. Schwerpunkt der Untersuchung werden dort insbesondere die bestehenden Interessenkonflikte und ihre mögliche Eindämmung sein. Im Abschnitt B. wird der Frage nachgegangen, ob die US-amerikanischen „protocols“ nicht Vorbild für eine vertraglich-„privatautonome“ Koordinierung der einzelnen Insolvenzverfahren sein können. Schwerpunkt der Untersuchung wird hier sein, ob eine vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters an eine mit seinen Verwalterkollegen ausgehandelte Kooperationsvereinbarung mit den Grundsätzen der deutschen Insolvenzordnung, insbesondere der Amtsstellung des Insolvenzverwalters, vereinbar ist. Im vierten Teil dieser Arbeit werden die Eigenverwaltung und das Insolvenzplanverfahren als besondere Koordinationsmechanismen für den Fall einer konzernweiten Reorganisation vorgestellt. Die Ausführungen zur Eigenverwaltung konzentrieren sich auf die Frage, ob anders als im Regelverfahren die Konzernleitungsmacht fortbesteht und der Konzern im Insolvenzverfahren weiterhin hierarchisch koordiniert werden kann. Im Abschnitt B. wird auf die besondere Berücksichtigung des Konzernsachverhaltes im Planverfahren (§§ 217 ff. InsO) einzugehen sein. Im fünften und letzten Teil dieser Arbeit wird die Bedeutung einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit für konzernverbundene Unternehmen näher untersucht. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob trotz des Fehlens eines ausdrücklichen Konzerngerichtsstandes für bestimmte Konzerntypen eine Verortung aller Insolvenzverfahren an einen für alle Konzerngesellschaften einschlägigen Insolvenzgerichtsstand möglich ist. Schwerpunkt wird hier eine objektiv-teleologische Bestimmung des die europäische Zuständigkeit begründenen Topos „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ (Art. 3 EuInsVO) sein.
B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit bei rechtlicher Vielfalt I. Sinn einer näheren Untersuchung Bisher wurde unterstellt, dass der Konzern das eigentliche Unternehmen im wirtschaftlichen Sinne darstellt, das in der Insolvenz durch die Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren bei gleichzeitiger Einsetzung autonom agierender Insolvenzverwalter gesprengt wird. Bevor diese Eröffnungswirkung tiefgründig untersucht wird, soll zunächst der werbende Konzern näher dargestellt werden. Im Vordergrund dieser Darstellung stehen dabei das
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
betriebswirtschaftliche Konzernverständnis, die unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen und rechtlichen Konzerntypen und die Gründe für ihre Bildung. Diese allgemeinen Ausführungen dienen gewissermaßen als vor die Klammer gezogenes theoretisches Rüstzeug, auf das im Laufe der Untersuchung immer wieder Bezug genommen wird. So wird sich etwa zeigen, dass die Eröffnungswirkung eines Insolvenzverfahrens maßgeblich vom jeweiligen Konzerntypus abhängt. Die Erklärungsansätze der Neuen Institutionenökonomik zu vertikalen Konzernbildungen zeigen dabei eines der Konfliktfelder auf, welches den Konzern in der Insolvenz zu zerstückeln droht. Die sich daran anschließende Darstellung der unterschiedlichen rechtlichen Formen der Konzernleitungsmacht und ihre Grenzen dient unmittelbar der Vorbereitung der im vierten Teil dieser Arbeit noch näher vorzustellenden Eigenverwaltung als mögliche Gestaltungsform, die Konzernleitungsmacht in der Insolvenz aufrecht zu erhalten. Die Grenze der Konzernleitungsmacht zum Schutz der außenstehenden Gläubiger und Mitgesellschafter ist Ausgangspunkt für die Untersuchung, ob im Verfahren der Eigenverwaltung bei angestrebter Sanierung die Aufrechterhaltung der Konzernleitungsmacht mit den Interessen der Gläubiger vereinbar ist. Wenn dies der Fall ist, stellt sich die Frage, wie die Grenze der Konzernleitungsmacht in diesem Fall zu definieren ist.
II. Der aktienrechtliche Konzernbegriff Das Aktiengesetz unterscheidet in § 18 AktG zwei Formen des Konzerns, den Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG) und den Unterordnungskonzern (§ 18 Abs. 1 AktG). Konstitutives Merkmal für beide Konzernformen ist die Zusammenfassung mehrerer rechtlich selbständiger Unternehmen unter einheitlicher Leitung. Beide Konzernformen unterscheiden sich jedoch dadurch, dass im Gleichordnungskonzern sich gleichberechtigt nebeneinander stehende Unternehmen unter eine einheitliche Leitung stellen, während im Unterordnungskonzern ein herrschendes und ein abhängiges Unternehmen (vgl. § 17 AktG) unter einer einheitlichen Leitung zusammengefasst sind (§ 18 Abs. 1 S. 1 Halbs. 1 AktG).37 Wegen der überragenden Bedeutung des Unterordnungskonzerns werden sich die nachfolgenden Ausführungen an diesem Grundtyp orientieren. Das konstitutive Konzernmerkmal der einheitlichen Leitung ist im Aktiengesetz nicht näher definiert. In der konzernrechtlichen Literatur wird dieser Begriff unterschiedlich gedeutet. Einigkeit besteht nur insoweit, als 37
Emmerich/Habersack, § 4 I., S. 48.
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das herrschende Unternehmen tatsächlich Einfluss auf die Politik der abhängigen Gesellschaft nehmen muss, und zwar mit dem Ziel, die Politik der verbundenen Unternehmen beständig, nicht nur punktuell, zu koordinieren.38 Auf welchen Bereich sich diese zentrale Koordination der Geschäftspolitik beziehen muss, ist dagegen zwischen den Vertretern eines sog. engen und weiten Konzernbegriffs umstritten. Der sog. enge Konzernbegriff fordert zwingend eine einheitliche Finanzplanung, d.h. ein Konzern i. S. v. § 18 Abs. 1 AktG liegt nach diesem Verständnis nur dann vor, wenn für die verbundenen Unternehmen einheitlich festgelegt wird, welchen Beitrag jedes Konzernunternehmen zum Konzernerfolg leisten muss, über welche Mittel es verfügen darf und wie diese aufzubringen sind. Ein Indiz für eine einheitliche Finanzplanung ist dabei, dass der Kredit für den Konzern insgesamt aufgenommen und durch das Vermögen aller Konzernglieder gesichert wird.39 Nach dem weiten Konzernbegriff ist die zentrale Finanzplanung für das Vorliegen eines Konzerns i. S. v. § 18 AktG eine hinreichende, jedoch nicht notwendige Bedingung. Ausreichend ist vielmehr auch eine einheitliche Planung in anderen Bereichen, wie etwa dem Einkauf, der Organisation, dem Personalwesen oder dem Verkauf.40 Insgesamt kann festgehalten werden, dass das Aktiengesetz unter einem Konzern mehrere rechtlich selbständige Unternehmen versteht, welche tatsächlich auf eine Konzerngesamtstrategie ausgerichtet werden und der Erfolg dieser Konzerngesamtstrategie – und nicht die Teilerfolge der Einzelglieder – dabei im Vordergrund steht.41
III. Der Konzern als betriebswirtschaftliche Organisationsform 1. Allgemeines Konzernverständnis in der Betriebswirtschaftslehre Während die Rechtswissenschaften die rechtliche Vielfalt des Konzerns betonen, betrachtet die betriebswirtschaftliche Organisationslehre den Kon38 Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 52 Anh Rn. 18; Hüffer, § 18 Rn. 8–13; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 18 Rn. 14; Milde, S. 70 ff. 39 LG Oldenburg, ZIP 1992, 1632, 1636; Emmerich/Habersack, § 18 Rn. 12. 40 MünchKomm AktG/Bayer, § 18 Rn. 33; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 220 ff.; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 51 Rn. 29; Emmerich/Habersack, § 4 III. 1. b), S. 53; Krieger, in: Münch Hdb Bd. 4, § 68 Rn. 67 ff. 41 Adler/Düring/Schmalz, § 18 Rn. 20.
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zern als Wirtschaftseinheit, welche je nach Integrationsgrad dem Einzelunternehmen entspricht.42 Der Konzern wird wie das Einheitsunternehmen als „Pool produktiver Ressourcen“ verstanden, der auf ein einheitliches Ziel, möglichst hohen Gewinn zu erwirtschaften, ausgerichtet ist.43 Der Ressourcenpool besteht dabei aus einer Vielzahl heterogener Gegenstände, wie Materialien, Maschinen, Arbeitskräften, Gebäuden, Patenten, Know How, logistische Einrichtungen, einem Vertriebsnetz, dazugehörige Maschinen, Kundenstamm usw. (Produktionsfaktoren).44 Diese Zusammenstellung des Ressourcenpools ist dabei nicht eine zufällige Anhäufung von Vermögenspositionen, sondern eine auf den Unternehmensgegenstand abgestimmte Zusammenstellung, die dem Unternehmen sein individuelles Gepräge gibt. Im Sinne eines betriebswirtschaftlichen Optimums sind die Produktionsfaktoren aufeinander abzustimmen und zu koordinieren, um eine möglichst effiziente Herstellung des Produktes oder Dienstleistung zu erreichen.45 Ist der Gegenstand des Unternehmens beispielsweise der Kraftwerksbau, so hat es eine Vielzahl von Produktionsfaktoren auf dieses Ziel abzustimmen. Das Kraftwerk muss geplant werden, der Rohbau erstellt, die technische Anlage wie Turbinen und Steuerung konzipiert werden. Je größer diese Produktionsfaktoren voneinander abhängig sind (Interdependenzen), desto komplexer ist deren Koordination.46 Genau diese Koordination erfolgt bei Unternehmen nicht über den Markt durch Angebot und Nachfrage, sondern hierarchisch mittels mehr oder weniger detaillierten Weisungen einer übergeordneten Instanz.47 Rechtlich abgesichert wird diese hierarchische Weisungsmacht im Einzelunternehmen im Hinblick auf die Sachgegenstände und Rechte über das Eigentum (§ 903 BGB), bezüglich der Arbeitskraft über das aus dem Arbeitsvertrag gespeiste Arbeitgeberweisungsrecht.48 Dieser Prozessablauf gilt im Grundsatz auch für den Konzern. Auch hier besteht das vornehmliche Ziel der Konzernspitze, durch die optimale Koordination der dem Konzernunternehmen insgesamt zur Verfügung stehenden Ressourcen einen größtmöglichen Konzerngesamtertrag zu erwirtschaften.49 42
Albach, ZfB 1984, 773, 773; Binder, S. 11, 66 ff.; Scheffler, Konzernmanagement, S. 1 ff., 32 ff.; ders., FS Goerdeler, S. 471 ff.; Theisen, S. 4 ff.; Hoffmann, in: ders., Konzernhandbuch, S. 5, 8 ff.; Kirchner, ZGR 1985, 214, 214. 43 Vgl. Bous, S. 15; Penrose, S. 24; Scheffler, Konzernmanagement, S. 193; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 141. 44 Bous, S. 15. 45 Bühner, S. 1. 46 Laux/Liermann, zfbf 1987, 807, 807. 47 Laux/Liermann, zfbf 1987, 807, 807; Schildbach, S. 1 ff. 48 Vgl. v. Werder, zfbf 1986, 589, 594. 49 Vgl. Theisen, S. 128; Kirchner, ZGR 1985, 214, 214.
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Unterschiede zum Einzelunternehmen bestehen dabei lediglich in der rechtlichen Organisation.50 Die einzelnen Ressourcen (Eigentumsrechte, Nutzungsrechte, Dienstverhältnisse) sind als Subsysteme rechtlich den einzelnen Konzerngliedern zugeordnet, weil der Konzern keine Rechtsfähigkeit besitzt. Die unterschiedliche Zuordnung der Rechtspositionen wird im Hinblick auf die einheitliche Steuerung durch die rechtlich abgesicherte Konzernleitungsmacht überwunden. Mittels der Konzernleitungsmacht und der daraus resultierenden Einflussmöglichkeit bis hin zum Weisungsrecht können die einzelnen Konzernglieder als ein Unternehmen geführt werden.51 Die Konzernleitungsmacht kann demnach als „Leim“52 verstanden werden, welcher die einzelnen Ressourcenpools der Konzernglieder zu einem Gesamtressourcenpool des Konzerns zusammenhält. Solange die Konzernleitungsmacht rechtlich abgesichert ist, kann die unternehmerische Planung ohne Rücksicht auf die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzernglieder für den gesamten Konzern und nicht gesondert für die einzelnen Konzerngesellschaften vorgenommen und durchgesetzt werden.53 Wird mit der Eröffnung von Insolvenzverfahren über die einzelnen Konzernglieder die Konzernleitungsmacht zerstört, können die Ressourcen nun nicht mehr hierarchisch aufeinander abgestimmt werden. Die Auswirkung dieses, in rechtlicher Hinsicht noch näher zu untersuchenden Abbruches, hängt dabei unmittelbar mit der organisatorischen und leistungswirtschaftlichen Verflechtung der einzelnen Konzernglieder zusammen, welche wiederum von der jeweils verfolgten Konzernstrategie determiniert wird, die nachfolgend grob kategorisiert nachgezeichnet werden soll. 2. Organisatorische und leistungswirtschaftliche Verflechtung im Konzern Im Hinblick auf den organisatorischen Aufbau des Konzerns lassen sich in der betriebswirtschaftlichen Literatur eine Vielzahl von Parametern finden. a) Zentraler oder dezentraler Konzern Zunächst wird zwischen dem zentral und dezentral geführten Konzern unterschieden. Entscheidendes Kriterium für diese Kategorisierung ist die 50
Kirchner, ZGR 1985, 214, 214. Kirchner, ZGR 1985, 214, 214; Theisen, S. 159 f. 52 Vgl. Schanz, S. 6. 53 Adler/Düring/Schmalz, § 18 Rn. 6; Albach, ZfB 1984, 773, 773; Binder, S. 1 ff.; Theisen, S. 259 ff.; Wörn, S. 2, 11; Emmerich/Habersack,§ 4 II. 1., S. 50. 51
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Frage, wie intensiv die Konzernspitze von ihrer Konzernleitungsmacht Gebrauch macht und wie viel Entscheidungsautonomie sie den einzelnen Konzerngliedern belässt. Ein zentral geführter Konzern zeichnet sich durch eine intensive Leitungsdichte aus, welche sich auf die detaillierte Vorgabe von Anweisungen an das Exekutivorgan der Tochtergesellschaft auch und gerade bezüglich des Tagesgeschäfts erstreckt.54 Im Extremfall fungiert das Exekutivorgan lediglich als „Befehlsempfangsstelle“ bezüglich Geschäftsführungsmaßnahmen. Seine Aufgabe beschränkt sich auf die Ausführung der Entscheidung. Die eigentliche Entscheidung und insbesondere der Entscheidungsfindungsprozess der wesentlichen Geschäftsführungsmaßnahmen finden bei der Mutter – oftmals in den eigens für die Führung der einzelnen Töchter aufgebauten Leitungsstäben – statt.55 Charakteristisch für eine zentrale Konzernführung ist auch die personale Verflechtung, die sich durch die gleiche personale Besetzung von Geschäftsführer der Konzernmutter und Tochter auszeichnet. Eine Zentralisierung der Leitung wird häufig auch durch die Einsetzung bloß leitender Angestellter der Konzernzentrale als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft hergestellt.56 Entsprechend häufig führt zumindest ein Teil der Geschäftsführer die Tagesgeschäfte von der Konzernzentrale am Sitz der Mutter aus.57 Mit der zentralen Führung durch die Konzernspitze geht die Verlagerung wesentlicher Unternehmensfunktionen (head office functions), wie z. B. Unternehmensplanung, Rechnungswesen, rechtliche Betreuung, Finanzwesen, auf die Konzernspitze einher, d.h. die für die Geschäftsführung der Tochtergesellschaften notwendigen Informationen sowie sachlichen und personalen Kompetenzen sind oftmals bei der Mutter angesiedelt.58 Bildlich gesprochen verlagert sich bei einem so geführten Konzern der Kopf der Gliedgesellschaft auf die Muttergesellschaft, während lediglich die Muskeln bei der Tochtergesellschaft verbleiben.
54
Holtmann, S. 21; vgl. auch Lutter, in: ders., Holding-Handbuch, § 1 Rn. 15. Holtmann, S. 21. 56 Liebscher, B. Rn. 132; Semler, Doppelmandats-Verbund, S. 728; Theisen, S. 20; vgl. auch Sachverhalt in: AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“; AG Siegen, NZI 2004, 673, 674 „Zenith“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 467 „Rover“; Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“; The Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1971 „Eurofood“. 57 Weller, ZHR 169 (2005), 570, 572; Liebscher, B. Rn. 130; Moss/Fletcher/ Isaacs, 8.39; Fletcher, Rn. 7.74; so etwa im Fall AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 467 „Rover“; Tribunale die Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“; The Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1971 „Eurofood“. 58 Liebscher, B. Rn. 130; Emmerich/Habersack, § 4 I., S. 49; Holtmann, S. 21. 55
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b) Horizontale, diversifizierte, funktionale und vertikale Konzerne aa) Begriffe Als weitere phänotypische Einteilung, die für eine koordinierte Bewältigung der Insolvenzverfahren von Bedeutung sein könnte, ist die Unterscheidung zwischen horizontaler, funktionaler, vertikaler und diversifizierter Konzernstruktur hervorzuheben. Diese Einteilung drückt das Verhältnis der von den einzelnen Konzerngliedern hergestellten Produkteinheiten aus, d.h. die eigentliche wirtschaftliche Verflechtung der einzelnen Konzerngesellschaften zueinander. Bei einem horizontalen Konzern stellen die Konzernglieder Produkte der gleichen Art her.59 Dabei produzieren sie im Idealtypus jeweils eigenständig Produkte mit eigenem Marktzugang. Verbindungslinien zwischen den einzelnen Konzerngliedern bestehen bei dieser Konzernstruktur lediglich im Bereich der Konzernfinanzierung, Forschung, Entwicklung, Verwaltung, Recht, Steuern, Marketing, etc. Der diversifizierte (konglomerate) Konzern (Mischkonzern) besteht dagegen aus Konzerngliedern, die sich in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen betätigen. Es handelt sich um Zusammenschlüsse vormals selbständiger Wirtschaftseinheiten, die weder auf dem gleichen relevanten Markt tätig sind (horizontal) noch in einem Käufer-Verkäufer-Verhältnis (vertikal) stehen. Zwischen den einzelnen Konzerngliedern bestehen geringe Interdependenzen und es findet entsprechend kein oder nur ein unbedeutender konzerninterner Leistungsaustausch statt.60 Der Autonomiegrad ist bei dieser Konzernform in der Regel sehr hoch. Jedes Unternehmen im Konzernverbund produziert autonom seine Produkte (Sparten) und hat in der Regel eigenständigen Marktzutritt. Möglichkeiten zur Erzielung von realen Verbundvorteilen werden typischerweise nur in den Bereichen Finanzierung sowie Organisation und Management erreicht.61 Anders ist die Lage jedoch bei einem funktional-vertikalen Konzernaufbau. Bei einer solchen Konzernorganisationsstruktur werden einzelne Funktionen eines Unternehmens, wie etwa Forschung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb auf einzelne rechtlich selbständige Konzernglieder ausgegliedert (funktional gegliederter Konzern). Werden bei dieser Vorgehensweise Funktionen einer jeweils vor- und nachgelagerten Produktionsstufe auf einzelne Konzernglieder verteilt, dann handelt es sich zusätzlich um einen vertikal integrierten Konzern. Entscheidend ist dabei, dass die einzelnen Kon59 Scheffler, Konzernmanagement, S. 18 ff.; Holtmann, S. 18; vgl. auch Lutter/ Scheffler/Schneider, in: dies. Handbuch der Konzernfinanzierung, 1.8. 60 Scheffler, Konzernmanagement, S. 19; v. Werder zfbf 1986, 589, 594; vgl. auch Lutter/Scheffler/Schneider, in: dies., Handbuch der Konzernfinanzierung, 1.8. 61 Holtmann, S. 18; Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 139.
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zernglieder nicht nach in der Wertschöpfungskette mehr oder weniger selbständig zu produzierenden Endprodukten (Sparten) aufgeteilt werden, sondern nach Funktionen innerhalb der unternehmerischen Wertschöpfungskette.62 Für den Absatz an den Endverbraucher muss das Produktionsobjekt u. U. die Produktionsstätten einer Vielzahl von rechtlich selbständigen Produktions- und Vertriebsgesellschaften durchlaufen. Im Extremfall besteht die betriebswirtschaftliche Organisationseinheit zur Entwicklung, Produktion und Absatz eines Produktes aus dem Gesamtkonzern. Die Praxis bedient sich dabei häufig sog. Konzernfunktionäre63, d.h. Tochtergesellschaften, meist in der Rechtsform der GmbH, die lediglich eine bestimmte Funktion innerhalb des Konzerns wahrnehmen.64 Beispielhaft sollen hier die in der Automobilindustrie oftmals anzutreffenden Leasing-Gesellschaften, deren Aufgabe häufig nur darin besteht, Fahrzeuge ihrer Muttergesellschaft zu vermieten65, den häufig anzutreffenden Finanzierungs-GmbHs66, EDV/Organisation-GmbH67, Rechenzentrums68, Gebäudeunterhaltungs- oder Forschungstöchter GmbH, welche keinen Vertrieb und keinen Marktzugang haben.69 All diese Gesellschaften sind ohne den Konzernverbund nicht lebensfähig.70 In den Kategorien des Sachenrechts beschrieben, sind sie wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzerns (§ 94 BGB) und nicht als Zubehör (§ 97 BGB) zu verstehen, denn der Konzern lässt sich nicht jederzeit ohne Schaden für die Konzernteile in seine Bestandteile zerlegen. Die Konzernglieder sind in dem Maße voneinander abhängig, dass eine Trennung aus dem Konzernverbund nicht nur Synergien und Verbundwerte zerstören würde, sondern eine wirtschaftliche Tätigkeit insgesamt unmöglich werden lässt, da der dem Konzernglied zugeordnete Ressourcenpool unabdingbar für die Produktionskette ist. Entsprechend hoch ist der konzerninterne Leistungsaustausch im funktional-vertikalen Konzern.71 Die 62
Binder, S. 76. Der Begriff geht auf Hommelhoff zurück, ZGR 1994, 395, 403. 64 Vgl. Lehmann, FS Beusch, S. 479, 489; Lutter, DB 1994, 129, 130.; Timmann, S. 311; Emmerich/Habersack, § 8 IV., S. 99; vgl. auch Altmeppen, Abschied, S. 19; Liebscher, D, Rn. 226. 65 Lutter, DB 1994, 129, 130. 66 Lutter, DB 1994, 129, 130. 67 Konzen, S. 54; vgl. auch LG Darmstadt AG 1987, 218 m. Am. Stein ZGR 1988, 163 ff., Ausgliederung der gesamten Datenverarbeitung der Adam Opel AG auf eine 100%ige GmbH-Tochter. 68 Konzen, S. 54; Blank, S. 78. 69 Lutter, DB 1994, 129, 130; Timmann, S. 36; vgl. auch Sachverhalt LAG Schleswig, DB 1985, 47. 70 Lehmann, FS Beusch, S. 479, 489; Lutter, DB 1994, 129, 130. 71 Vgl. Lutter/Scheffler/Schneider, in: dies., Handbuch der Konzernfinanzierung, 1.8. 63
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wirtschaftliche Tätigkeit stellt höchste Anforderungen an die Führung der Konzerngesellschaften durch Koordination und Integration, um einen reibungslosen Liefer- und Leistungsverkehr zwischen den einzelnen Konzerngliedern sicher zu stellen.72 Aus diesen Gründen wird ein funktional-vertikal integrierter Konzern auch immer zentral im Sinne der unter a) aufgezeigten Definition geführt werden.73 Die Geschäftsführer sind in diesen Fällen oft personenidentisch, um eine reibungslose Abstimmung der Unternehmensfunktionen zu ermöglichen.74 Insbesondere bei Stammhauskonzernen, bei denen die Mutter anders als im Holdingkonzern im operativen Tagesgeschäft eingebunden ist, sind Tochtergesellschaften häufig zentral-funktional im Stammhausunternehmen integriert.75 bb) Gründe für die Konzernbildung Die Gründe für eine Konzernbildung sind vielfältig und können hier nur ansatzweise und unter dem Gesichtspunkt der Relevanz für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand dargelegt werden. (1) Horizontale Zusammenschlüsse Horizontale Zusammenschlüsse finden zwischen vormals selbständigen Wirtschaftssubjekten statt, die auf dem gleichen sachlich und räumlich relevanten Markt tätig sind. Sie dienen in der Regel der Realisierung von Skalen- und Synergieeffekten in den verschiedenen Funktionsbereichen der Unternehmen (Beschaffung, Forschung und Entwicklung und Absatz).76 Diversifizierte (konglomerate) Konzerne dienen hingegen überwiegend der Risikostreuung.77
72
Binder, S. 69; Scheffler, Konzernmanagement, S. 20. Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, 1.63; Limmer, Haftungsverfassung, S. 90; Semler, Leitung, S. 212; Lehmann, FS Beusch S. 479, 484. 74 Konzen, S. 53; zum Zusammenhang Funktionsaufteilung und zentraler Führung vgl. auch Lehmann, FS Beusch S. 479, 484. 75 Lutter, Holding-Handbuch, § 1 Rn. 15; v. Werder, Organisationsstruktur und Rechtsnorm, S. 335; Frese, S. 306. 76 Schmidt, Wettbewerbspolitik, S. 138. 77 Binder, S. 76; Scheffler, S. 20. 73
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(2) Funktionale und vertikale Zusammenschlüsse (a) Funktional Die Gründe für einen funktionalen Konzernaufbau sind vielfältig. Häufig spielen historische, steuerrechtliche, bilanztechnische sowie sonstige betriebswirtschaftliche und organisatorische Gründe eine Rolle.78 Er kann das Ergebnis einer gewachsenen Konzernintegration sein, nachdem die Anteile eines Unternehmens gekauft und das Unternehmen in den Konzernverbund nach und nach eingeschlossen wurde.79 Auch moderne Managementstrategien leisten einem funktionalen Konzernaufbau Vorschub. So wird etwa in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre die Gründung einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft gegenüber einer unselbständigen Betriebsstätte bevorzugt, weil sich die Aufwertung des Betriebsstättenleiters zum Geschäftsführer positiv auf Motivationseffekte auswirkt.80 Auch die Bildung von Risikoklassen oder Projektfinanzierungskonzepte sehen oftmals eine rechtlich funktionale Aufspaltung eines Unternehmens vor.81 Die Aufspaltung eines Unternehmens in Produktions- und Vertriebsgesellschaften lässt sich im Übrigen teilweise aus werbestrategischen Gründen erklären. Der produzierenden Muttergesellschaft steht dann eine Reihe von örtlich gegliederten Vertriebsgesellschaften gegenüber, die auf bestimmte Produkte oder Leistungen durch entsprechende Firmenzusätze hinweisen.82 Eine solche organisatorische und rechtliche Abtrennung zwischen den Bereichen Herstellung eines Produkts von dessen Veräußerung auf den Markt ist gerade im internationalen Konzern festzustellen.83 Entsprechend häufig treten insbesondere Vertriebsgesellschaften bei grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen in Erscheinung.84 (b) Vertikal im Besonderen Auch für die häufig vorkommende rechtliche Verselbständigung von Teilfunktionen innerhalb eines Produktionsvorgangs85 mag es eine Vielzahl von 78
Vgl. Liebscher, B 130; Konzen, S. 55; van Galen, II; Peter, S. 1. Bleicher, ZfO 1977, 316, 316; Blaschka, ZfB 1982, 397, 399; Peter, S. 1. 80 Theisen, S. 100, Peter, I. 81 Vgl. Konzen, S. 56; Sester, ZIP 2005, 2099, 2100. 82 Vgl. Konzen, S. 52, 55; Blank, 68 ff.; zur Firmenvielfalt als Konzernvorteil; vgl. auch Schildbach, S. 9 83 Konzen, S. 51; Knoppe, S. 24; Blank, S. 151 ff., 291 f. 84 Vgl. dazu unten Nachweise in Fn. 142, S. 345. 85 Vgl. Konzen, S. 52; mit einem Beispiel aus der chemischen Industrie; Blank, S. 151 ff., 291 f.; vgl. auch Lutter, DB 1994, 129, 130; Timmann, S. 37. 79
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Gründen geben, die hier nicht abschließend erörtert werden können. Durch die fortschreitende technische wie logistische Entwicklung ist es den Unternehmen möglich, für jede Stufe in der Wertschöpfungskette den idealen Standort ausfindig und für sich nutzbar zu machen.86 Einfache Produktionsarbeiten werden dabei in Billiglohnländer verlagert, während die Forschungssparten oder technisch aufwendige Produktionsprozesse nah an solchen Märkten platziert werden, die den neusten technologischen Entwicklungsstand und entsprechendes Personalangebot aufweisen.87 Mit der Tendenz zur regionalen Aufteilung der Wertschöpfungskette steigen gleichzeitig die Abhängigkeiten und der Koordinationsbedarf zwischen den einzelnen Organisationseinheiten.88 Trotz des mit dieser Entwicklung einhergehenden Abbaus von Handelshemmnissen, Rechtsvereinheitlichungen etc. organisieren sich die Unternehmen im grenzüberschreitenden Kontext nach wie vor über Tochtergesellschaften und nicht durch rechtlich unselbständige Niederlassungen oder Betriebsstätten.89 Die Existenz vertikaler Konzerne lässt sich im Übrigen allgemein mit dem Erklärungsansatz für die Existenz hierarchischer Koordinationsformen wie dem Einzelunternehmen erklären. Dieser kann – wie noch zu zeigen sein wird – auch Aufschluss über Koordinationsprobleme der einzelnen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen geben. Für die Produktion von Gütern und Erstellung von Dienstleistungen bedarf es einer Vielzahl von Beiträgen (Produktionsstufen), die miteinander abgestimmt, d.h. koordiniert werden müssen.90 Von der Rohstoffgewinnung über die Be- und Verarbeitung von Vorprodukten bis zur Produktion und Vermarktung der Endleistung greifen insbesondere bei der Erstellung von Sachgütern zahlreiche Wertschöpfungsketten ineinander.91 Jedes Unternehmen hat sich dabei zu fragen, ob es Vorprodukte auf dem Markt beschafft oder selbst herstellt (sog. „make or buy“ Entscheidung).92 Dem Ideal der Marktwirtschaft entspricht die Lösung dieses umfassenden Koordinationsproblems über den Markt. Aus den individuell geplanten Angeboten an Beiträgen zur Erstellung von Gütern und Dienstleistungen einerseits und der Nachfrage andererseits ergeben sich Werterelationen zwischen 86 Für die Automobilindustrie vgl. Seidenfuß, in: Berndt, Global Management, S. 77 ff. 87 Porter, S. 57 f.; Gerpott/Meier, HM, 1990, S. 59 ff.; Patel/Pavitt, S. 280 ff. 88 Bullinger/Warnecke/Westkämper, S. 610; Evans/Wurster, S. 1 ff. 89 Theisen, S. 8; Schildbach, S. 10; Fitchew, in: Wymeersch, Groups of Companies in the EEC, S. 1 ff. 90 Schildbach, S. 2. 91 Wellenhofer-Klein, S. 4; Schildbach, S. 2. 92 Vgl. Kräkel, S. 9.
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den Beiträgen, die sich in einer Geldwirtschaft in Preisen niederschlagen.93 Die Koordination über den Markt gelingt aber nur im Ideal des vollkommenen Marktes kostenlos. Die Neue Institutionenökonomik geht nach Coase davon aus, dass die Abwicklung von Tauschbeziehungen (Transaktionen) über den Markt Kosten verursacht (sog. Transaktionskosten).94 Zu diesen Transaktionskosten gehören: (1) Anbahnungskosten, d.h. Suchkosten für die Informationen über potentielle Partner (z. B. Ermittlung des Transaktionspartners); (2) Vereinbarungskosten, d.h. Kosten des Aufwands für Verhandlungen und Vertragsvereinbarungen (z. B. Opportunitätskosten der Zeit für langwierige Vertragsverhandlungen). Zu den Transaktionskosten gehören auch die oftmals besonders hohen Kosten einer im Detail geregelten Qualitätsabsprache; (3) Kontrollkosten, d.h. Kosten der Überwachung der Einhaltung der Vertragsbedingungen (Qualitätssicherung); (4) Durchsetzungskosten (z. B. Realisierung impliziter und expliziter vertraglicher Ansprüche vor Gericht); (5) Anpassungskosten, d.h. Kosten für die Durchsetzung von Vertragsänderungen während der Laufzeit des Abkommens.95 Wird dieselbe Leistung nicht am Markt bezogen, sondern intern erstellt, fallen diese Transaktionskosten nicht an, dafür jedoch Aufwendungen für die unternehmensinterne Organisation und Koordination der Leistungserstellung (Organisationskosten). Die Entscheidung „make or buy“ erfolgt durch einen Vergleich der internen Organisationskosten mit den externen Transaktionskosten, die bei der Benutzung des Marktmechanismus angefallen wäre. Der Unternehmer wird sich für die kostengünstigste und damit effizienteste Koordinationsform entscheiden.96 Einen spezielleren Erklärungsansatz für die Existenz von Organisationen aus Transaktionskostensicht hat Williamson97 geliefert, der im Hinblick auf die Koordinierung paralleler Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen in vertikal integrierten Konzernen von Bedeutung sein könnte. Nach Williamson sind Organisationen aus Transaktionskostensicht aus der Existenz unvollständiger Verträge, transaktionsspezifischen Investitionen sowie der Annahme begrenzter Rationalität und opportunistischen Verhaltens zu erklären. Realistischer weise sind in den meisten Verträgen nicht sämtliche transaktionsrelevanten Details explizit geregelt. Verträge sind im Regelfall unvollständig und weisen Lücken auf. Solche Vertragslücken entstehen 93
Schildbach, S. 2. Coase, Economica 4, 387–405. 95 Joskow, Journal of Law, Economics, and Organisation, Vol. I.1, 1985, S. 33, 36; Picot, zfbf 1991, 336, 344; Kräkel, S. 12; Schildbach, S. 4. 96 Williamson, Institutionen, S. 20, 325; Baur, Make or buy Entscheidungen, S. 48; Kräkel, S. 8; Wellenhofer-Klein, S. 4. 97 Williamson, The Journal of law and economics 22 (1979), 233 ff. 94
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beispielsweise aufgrund prohibitiv hoher Vereinbarungskosten, weil die Berücksichtigung sämtlicher denkbarer Zukunftskonstellationen in der vertraglichen Vereinbarung mit hohem Aufwand verbunden wäre. Ferner sind nicht sämtliche zukünftigen transaktionsrelevanten Umweltzustände von den Vertragsparteien antizipierbar (Ex-post Überraschungen) bzw. die Erfüllung einer expliziten vertraglichen Regelung mit prohibitiv hohen Durchsetzungskosten verbunden.98 Unvollständige Verträge sind nun vor allem dann von erheblicher Brisanz, wenn die Transaktion von einem Vertragspartner eine transaktionsspezifische Investition voraussetzt.99 Eine solche liegt vor, wenn die Investition außerhalb der Transaktion von geringem Wert ist. Als Lehrbuchbeispiel kann auf das Verhältnis zwischen Druckerei und Zeitungsverlag100 oder Kohlebergwerk und Kraftwerksbetreiber101 verwiesen werden. Eine Druckerpresse ist lediglich für die Fertigung einer speziellen Zeitung geeignet.102 In der Transaktionsbeziehung Druckerei – Zeitungsverlag ist die Investitionsentscheidung der Druckerei transaktionsspezifisch, weil die Druckerpresse außerhalb der Transaktionsbeziehung zum jeweiligen Zeitungsverlag nicht verwendet werden kann und ihr Alternativwert als Schrottwert anzusetzen ist. Derjenige, der die transaktionsspezifische Investition unternimmt, begibt sich in eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom anderen Vertragspartner. Letzterer könnte die bestehenden Vertragslücken opportunistisch zu Lasten des Investors so weit ausnutzen, bis er maximal gleichsam die Rente des Investors erbeutet hat.103 Vertragslücken werden dabei immer bestehen, weil eine lückenlose vertragliche Transaktionsregelung prohibitiv hohe Transaktionskosten erzeugen würde. Aus diesen Gründen liegen im Detail geregelte Qualitätsabsprachen in der Regel nicht vor. Kann der Abnehmer die entsprechenden Zulieferteile auch ohne größere Probleme von einem anderen Lieferanten beziehen, ist der Zulieferer mit der Spezialmaschine bis zur Höhe der Rente vom Abnehmer ausbeutbar, indem der Abnehmer zusätzliche Kulanzleistungen, Preisnachlässe oder ungewöhnlich hohe Qualitätsanforderungen vom Zulieferer verlangt.104 Der ausgebeutete Vertragspartner kann in solch einer Situation nicht glaubhaft mit einem Abbruch der Vertragsbeziehungen drohen, solange ihm noch ein marginaler Anteil an 98
Kräkel, S. 10. Kräkel, S. 10. 100 Klein/Craford/Alchian, Journal of Law and Economics, 21 (1978), 297 ff. 101 Joskow, Journal of Law, Economics, and Organisation, Vol. I. 1, 1985, S. 33 ff. 102 Klein/Craford/Alchian, Journal of Law and Economics, 21 (1978), 297 ff. 103 Kräkel, S. 9. 104 Kräkel, S. 12. 99
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
der Rente verbleibt.105 Auch die Einschaltung von Gerichten ist als Lösung nicht möglich, da die ausgebeutete Partei dort opportunistisch aktiv wird, wo aufgrund prohibitiv hoher Transaktionskosten keine rechtsverbindlichen, expliziten Vertragsabsprachen gelten. Diese Art von nachvertraglichem Opportunismus, vor dem Hintergrund transaktionsspezifischer Investition und unvollständigen Verträgen, findet man in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur unter der Bezeichnung Hold-up-Problem.106 Da diese Hold-up Gefahr transaktionsspezifischer Investitionen antizipierbar ist, führt dies in der Realität zu vertikalen Integrationen, insbesondere auch zur Konzernbildung107, bei der ein Akteur einen anderen aufkauft, der auf den vor- oder nachgelagerten Produktionsstufen derselben Wertschöpfungskette angesiedelt ist. Die Zuliefereinheit kann dann über die hierarchische Koordination für die Herstellung des Endprodukts gesichert werden. Der Austausch findet gerade nicht über eine freiwillige Transaktionsbeziehung über den Markt statt. Eine Gefahr von opportunistischem Verhalten im Rahmen von Zulieferbeziehungen besteht dann freilich nicht. Die Koordination im Konzern bewegt sich dabei zwischen Markt und Unternehmen. Dem Leistungsaustausch zwischen den einzelnen Konzerngliedern liegt zwar eine vertragliche Vereinbarung zugrunde, andernfalls würde der Leistungsaustausch zwischen zwei verschiedenen Rechtsträgern ohne Rechtsgrund erfolgen. Da aufgrund der hierarchischen Absicherung Einfluss auf das Unternehmen genommen werden kann, erfolgt der konzerninterne Leistungsaustausch jedoch nicht auf Grundlage von unter Marktbedingungen ausgehandelten Verträgen, sondern durch hierarchisch festgesetzte Verrechnungspreise, denen oftmals lediglich pro forma eine vertragliche Vereinbarung zugrunde liegt.108 Die Konzernleitungsmacht der Mutter reduziert das Risiko, dass ausbeutungsoffene Vertragspositionen opportunistisch ausgenutzt werden, weil sie Schlichtungen im Sinne der Mutter wahrscheinlich machen.109 105
Kräkel, S. 11. Kräkel, S. 11. 107 Vgl. Schildbach, S. 8; Picot/Dietl/Franck S. 79. 108 Vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231, 234; der BFH verlangt außerhalb der steuerrechtlichen Organschaft zwar in ständiger Rechtsprechung eine vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung über den Leistungsaustausch und der Vergütung zwischen den Konzerngesellschaften, um eine verdeckte Gewinnausschüttung zu vermeiden, vgl. Vögele/Fischer, A 74. Nach Einschätzung von Knobbe-Keuk (§ 19 I S. 652 f.) sei eine vorherige Vereinbarung des konzerninternen Leistungsaustauschs jedoch lebensfremd. In der Konzernpraxis komme es auf den schnellen Leistungsaustausch an, die Preisgestaltung erfolge erst später. 109 Schildbach, S. 9. 106
B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit
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cc) Auswirkung auf die Unternehmensbewertung Der funktional-vertikale oder horizontale Konzernaufbau hat auch Einfluss auf die Unternehmensbewertung, die für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand, insbesondere für die übertragende Sanierung des Gesamtkonzerns und die Verteilung des Veräußerungserlöses auf die einzelnen Massen Bedeutung hat. Ohne an dieser Stelle ausführlich auf die äußerst schwierige und komplexe Materie der Unternehmensbewertung einzugehen, wird der Unternehmenswert allgemein als der objektivierte Nutzen begriffen, den ein Berechtigter aus dem Unternehmen ziehen kann. Diesen objektivierbaren Nutzen betrachtet man in den zukünftig zu erwartenden Erträgen, weil ein Unternehmen üblicherweise den Sinn und Zweck hat, wirtschaftliche Erträge abzuwerfen (Ertragswertmethode).110 Gegenstand der Unternehmensbewertung im Rahmen der – etwa beim Unternehmenskauf – gängigen Ertragswertmethode ist demnach nicht die Summe der Einzelgegenstände, sondern der Wert des Unternehmens als zukünftige Einkommensquelle. Bei der Ertragswertberechnung können die Erträge entweder durch Einnahmen aus einer Unternehmensfortführung oder den Erlös aus der Veräußerung einzelner oder aller Unternehmensteile gebildet werden. Je nachdem, ob die Erträge aus der einmaligen Veräußerung unternehmenszugehöriger Produktionsfaktoren oder aus der Bewirtschaftung des lebenden Unternehmens stammen, spricht man von Liquidations- oder Fortführungswert.111 Der Fortführungswert entspricht dem sog. Nettoertrag, d.h. die Summe aller zukünftigen Bruttoeinnahmen vermindert um sämtliche Kosten, die voraussichtlich mit der auf unbegrenzte Dauer angelegten Unternehmensfortführung verbunden sind.112 Es ist allgemein anerkannt, dass auch der Wert eines Konzerns nach dieser Ertragswertmethode berechnet werden kann. Als funktionale Wirtschaftseinheit ist er taugliches Bezugs- und Bewertungsobjekt ohne Rücksicht auf ihre Aufteilung in mehrere rechtlich selbständige Rechtsträger (sog. konzernspezifischer Verbundwert).113 Der konzernspezifische Verbundwert entspricht dabei dem Nettoertrag, den die Konzernspitze durch das Zusammenspiel der am Konzern beteiligten Unternehmen unter einheitlicher Leitung voraussichtlich erzielt. Konzerntypische Synergieeffekte und 110
WP-Handbuch, A Rn. 77; Wöhe, S. 789. WP-Handbuch, A Rn. 77; Bous, S. 53. 112 Theysohn-Wadle, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, Kap. 3, Rn. 56; Drykarczyk, Unternehmensbewertung, S. 209 ff. 113 WP-Handbuch, Rn. 79; Bellinger/Vahl, S. 13, 184; Binder, S. 66 ff.; Theysohn-Wadle, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, Kap. 3, Rn. 15; Scheffler, Konzernmanagement, S. 193 f., 198 f. 111
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
sonstige gewachsene Verbundvorteile fließen als Wert in den sich bei der Konzernspitze niederschlagenden Gesamtertrag ein.114 Die Unternehmensbewertung nach der Ertragswertmethode ist dabei vom Prinzip der Bewertungseinheit geprägt. Danach müssen für die Ermittlung des Fortführungswertes alle zusammenwirkenden Teilbereiche und Funktionen des Unternehmens erfasst werden, unabhängig von ihrer rechtlichen oder organisatorischen Zuordnung. In die Bewertung müssen alle Faktoren eingehen, die für eine eigenständige Fortführung des Unternehmens notwendig sind.115 Entsprechend lässt sich bei einem funktional gegliederten Konzern ein Ertragswert in der Regel ausschließlich nur im Rahmen einer Konzerngesamtbetrachtung ermitteln.116 Folglich ist im Rahmen eines Unternehmenskaufs der funktionale Gesamtkonzern als Ertragsquelle für die Bestimmung des Kaufpreises entscheidend, nicht dagegen die Einzelergebnisse der Konzerngesellschaften.117 Welche Auswirkung dies auf eine übertragende Sanierung im Konzern hat, wird noch näher zu beleuchten sein. c) Ergebnis der Konzernstrukturanalyse In der betriebswirtschaftlichen Konzernorganisationslehre bestehen unterschiedliche Konzernphänotypen. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ist dabei insbesondere der zentral-funktional integrierte Konzern von Bedeutung, weil gerade bei diesem Konzerntypus der Konzern als wirtschaftliche Einheit in besonderem Maße in Erscheinung tritt und eine Insolvenz bedingte Aufspaltung hier eine Fortführung und Verwertung besonders schwierig erscheinen lässt. Der zentral-funktionale Konzern zeichnet sich in Abgrenzung zum Phänotypus des dezentral-horizontalen Konzerns dadurch aus, dass die Konzerngliederung nicht nach mehr oder weniger unabhängigen Sparten erfolgt, sondern eine Vielzahl, das eigentliche Unternehmen darstellende Funktionen, von rechtlich selbständigen Gesellschaften wahrgenommen werden. Die aus der funktionalen Aufspaltung folgende Notwendigkeit der Abstimmung der einzelnen Konzernglieder führt zu einer intensiven Leitungsdichte, die eine zentrale Konzernführung charakterisiert. Eine vertikale Konzernintegration liegt dann vor, wenn Zulieferfunktionen einer produktiven Wertschöpfungskette auf jeweils unterschiedliche Rechtsträger ausgegliedert sind. Vertikale Konzernintegrationen 114
Scheffler, Konzernmanagement, S. 193 f.; Bous, S. 56. WP-Handbuch, Rn. 79; Scheffler, Konzernmanagement, S. 198; TheysohnWadle, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, Kap. 3, Rn. 15. 116 Vgl. WP-Handbuch, A Rn. 79; Altmeppen, Abschied, S. 30. 117 Theysohn-Wadle, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, Kap. 3, Rn. 15; vgl. Spliedt, S. 31, 45; Scheffler, Konzernmanagement, S. 198. 115
B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit
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lassen sich durch die bei alternativen Transaktionen über den Markt verbundene Gefahr opportunistischen Verhaltens erklären. Der Leistungsaustausch zwischen den einzelnen Konzerngliedern wird durch die mögliche Einflussnahme der Mutter über die Konzernleitungsmacht abgesichert, um so die Möglichkeit opportunistischen Verhaltens eines Zulieferers zu verhindern. Ein Unternehmenswert nach der in der Unternehmenstransaktionspraxis gängigen Ertragswertmethode lässt sich bei diesem Konzerntypus nur für den Gesamtkonzern, kaum dagegen für die Einzelgesellschaften, ermitteln.
IV. Die Konzernleitungsmacht als rechtlicher Garant der wirtschaftlichen Einheit Das zentrale Merkmal eines Konzerns im Rechtssinne war die einheitliche Leitung mehrerer Unternehmen, d.h. die Konzernspitze stellt für die zentralen unternehmerischen Bereiche in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Planung auf und setzt diese bei den Konzerngliedern ohne Rücksicht auf deren Selbständigkeit durch.118 Die Abstimmung der einzelnen Konzernglieder auf die Konzerngesamtplanung erfolgt dabei durch ausdrückliche Weisungen, die bis in die Einzelheiten des täglichen Geschäfts hineingehen können119 oder durch Personalpolitik, indem der Vorstand der Obergesellschaft die Einsetzung von „Leuten seines Vertrauens“ für die Geschäftsführung der Untergesellschaften veranlasst oder durch personale Verflechtungen, wie etwa den Vorstandsdoppelmandaten.120 Eine rechtliche Absicherung dieser Einflussnahme der Obergesellschaft auf die einzelnen Konzernglieder erfolgt durch die sog. Konzernleitungsmacht. Nachfolgend soll die Konzernleitungsmacht im Aktien und GmbH-Konzern und ihre rechtlichen Grenzen näher dargelegt werden. 1. Der Vertragskonzern Im Vertragskonzern entsteht die Konzernleitungsmacht der Obergesellschaft durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrages. Letzterer erzeugt ein verbindliches Weisungsrecht der Obergesellschaft unmittelbar gegenüber dem Vorstand der Untergesellschaft (§ 308 Abs. 1 AktG). Der Vorstand der Untergesellschaft ist grundsätzlich zur Befolgung der Weisungen verpflichtet (§ 308 Abs. 2 S. 1AktG). Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht 118 119 120
Siehe oben, 1. Teil, B.II. Vgl. OLG Stuttgart, AG 1990, 168, 169. Emmerich/Habersack, § 4 III. 1.d), S. 54.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
tritt im Ergebnis an die Stelle der eigenverantwortlichen Leitung der abhängigen Gesellschaft durch ihren Vorstand (§ 76 AktG). Es wird dabei vom Vorstand der Obergesellschaft wahrgenommen und nimmt dem Vorstand der Untergesellschaft die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung seiner Geschäfte. In der Praxis wird die Obergesellschaft in der Regel auch die qualifizierte Mehrheit der Gesellschaftsanteile der Untergesellschaft innehaben, so dass ihr zusätzlich die daraus resultierenden Einflussmöglichkeiten offen stehen.121 Diese sind im Aktienkonzern aber bei weitem nicht so umfangreich wie das durch den Beherrschungsvertrag entstehende unmittelbare Weisungsrecht der Obergesellschaft gegenüber dem Vorstand der Tochtergesellschaft (§ 308 AktG). Der Beherrschungsvertrag gibt der Muttergesellschaft ein umfassendes Weisungsrecht bezüglich des gesamten Tätigkeitsfeldes des Exekutivorgans der Tochter122, d.h. der Vorstand der Aktiengesellschaft kann zu Maßnahmen der Betriebsführung123 und nach herrschender Meinung124 auch zu innerkorporativen Maßnahmen, wie etwa die Einberufung der Hauptversammlung oder die Vorbereitung von Kapitalerhöhungen, angewiesen werden. Nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG sind auch nachteilige Weisungen – etwa zum konzerninternen Leistungsaustausch ohne adäquate Gegenleistung – zulässig, wenn die konkrete Maßnahme den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm oder der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dient, § 308 Abs. 1 S. 2 (sog. Konzerninteresse125). Bildlich gesprochen muss durch die nachteilige Weisung dem Konzern als wirtschaftliche Einheit an anderer Stelle ein Vorteil entspringen, der den Nachteil wertmäßig per saldo ausgleicht, wenn nicht sogar überwiegt.126 Im Übrigen darf das herrschende Unternehmen den Vorstand der abhängigen Gesellschaft nicht zu gesetzeswidrigen Maßnahmen anweisen und ist an den satzungsgemäßen Gegenstand der beherrschten Gesellschaft gebunden.127
121
MünchKomm AktG/Bayer, § 18 Rn. 6; Bitter, ZHR 166 (2002), S. 713, 718. BGHZ 135, 374, 377 ff.; Acher, S. 18; Glaser, S. 48. 123 KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 18; GrossKomm AktG/Würdinger Anm 9; Emmerich Habersack, § 23 V., S. 344; Veit, S. 145 f. 124 OLG Karlsruhe AG 1991, 1444 „Asea/BBC“; Baumbach/Hueck, Rn. 2; Emmerich/Habersack, § 23 V. 1., S. 344; Hüffer, § 308 Rn. 12; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 21; Exner, S. 101 ff.; a. A. Brachvogel, Leitungsmacht, S. 48; Geßler/Hefermehl/Geßler, AktG § 308 Rn. 41 ff.; Kanzas, Weisungsrecht, S. 70 ff. 125 Bous, S. 71 f.; Emmerich/Habersack, § 22 V. 2. b), S. 346; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 18. 126 Bous, S. 71 f.; Emmerich/Habersack, § 22 V. 2. b), S. 346. 127 MünchKomm AktG/Altmeppen, § 308 Rn. 100; Emmerich/Habersack, § 23, V. 4., S. 348; Kantzas, S. 109 ff.; Sina, AG 1991, 1, 7 f.; Ulmer, ZHR 148 (1984), 391, 408 ff. 122
B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit
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Auch existenzgefährdende Weisungen werden überwiegend als unzulässig erachtet.128 In seiner dogmatischen Einordnung wird der Beherrschungsvertrag als ein Organisationsvertrag verstanden, welcher wegen der umfassenden Eingliederung des herrschenden Unternehmens in die Organisation der abhängigen Gesellschaft auf eine (befristete) Satzungsänderung derselben hinausläuft.129 Der Gesellschaftszweck, möglichst hohen Ertrag zu erwirtschaften, wird dabei insbesondere bei gleichzeitigem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages während der Vertragsdauer zeitweise außer Kraft gesetzt (überlagert). Gewissermaßen als Ausgleich für das umfassende Weisungsrecht der herrschenden Gesellschaft erhält die abhängige Gesellschaft einen Anspruch auf Verlustausgleich gemäß § 302 AktG. Dieser verpflichtet die herrschende Gesellschaft der abhängigen Gesellschaft „jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag bei der abhängigen Gesellschaft auszugleichen.“130 Die Ursache des Fehlbetrags spielt dabei keine Rolle. Das herrschende Unternehmen kann sich insbesondere nicht der Verlustausgleichspflicht durch den Nachweis entziehen, die Verluste seien nicht von ihr verursacht worden. Das herrschende Unternehmen muss vielmehr das volle Unternehmensrisiko der abhängigen Gesellschaft tragen.131 Ist die Solvenz des herrschenden Unternehmens und damit der die Untergesellschaft schützende Verlustausgleichsanspruch nicht mehr gesichert, so soll nach herrschender Meinung das Weisungsrecht insoweit eingeschränkt werden, als dass das herrschende Unternehmen nachteilige Weisungen nur bei gleichzeitigem Ausgleich des zu erwartenden Nachteils erteilen darf.132
128 OLG Düsseldorf, AG 1990, 490, 492; Clemm, ZHR 141 (1977), 197, 204 ff.; Ennerich/Habersack, Kommentar, § 308 Rn. 61; Hüffer, § 308 Rn. 19; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 148, 307 ff. 129 OLG Karlsruhe, NJW 1967, 831, 832; LG Ingoldstadt, AG 1991, 24, 25; Bälz, AG 1992, 277, 285, 299 f.; W. Bayer, Beherrschungsvertrag, S. 13 ff.; Exner, Beherrschungsvertrag, S. 53 ff.; Emmerich/Habersack, S. 170. 130 Dies gilt nach ganz herrschender Meinung auch im GmbH-Vertragskonzern, BGHZ 103, 1, 5 f. „Familienheim“; 105, 324, 336 „Supermarkt“ 116, 37, 39 „Stromlieferung“; Altmeppen, Haftung, S. 73 f.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, Anh. Nach § 52 Rn. 82; a. A. Ehricke, abhängige Konzernunternehmen, S. 430 ff. 131 BGH 116, 37, 41 f. „Stromlieferung“; Henze, Konzernrecht, Rn. 344; Emmerich/Habersack, § 20 V 3. b), S. 280. 132 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 Rn. 64; dies., S. 350; Wilhelm, S. 140 ff.; Eschenbruch, Rn. 3057; a. A. MünchKomm AktG/Altmeppen, § 308 Rn. 122.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
2. Der faktische Konzern In der Praxis wird die faktische Konzernleitungsmacht häufig durch die Mehrheitsbeteiligung des herrschenden Unternehmens an einer abhängigen Gesellschaft vermittelt. Die Möglichkeit der rechtsverbindlichen Einflussnahme wird allerdings entscheidend von der Rechtsform der abhängigen Gesellschaft geprägt. Während der Vorstand der Aktiengesellschaft im Grundsatz nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung leitet, sind die Gesellschafter der GmbH nach § 37 GmbHG berechtigt, dem Geschäftsführer im Hinblick auf die Geschäftsführung der Gesellschaft umfassend Weisungen zu erteilen. Letzteres ist der Grund, warum die GmbH sich bei der Konzernbildung besonderer Beliebtheit erfreut. GmbHs werden bewusst als Bausteine weit verzweigter Großkonzerne verwendet.133 Dies rechtfertigt eine differenzierte Betrachtungsweise. a) Der faktische Aktienkonzern Der faktische Aktienkonzern ist in den §§ 311 ff. AktG geregelt, genauer gesagt hat der Gesetzgeber die Schranken faktischer Einflussnahme geregelt. Obwohl in der Aktiengesellschaft der Vorstand im Grundsatz nach § 76 Abs. 1 AktG die Gesellschaft in eigener Verantwortung leitet, stehen dem Mehrheitsgesellschafter eine Vielzahl von Einflussmöglichkeiten zur Verfügung, die zwar in rechtlichen Kategorien nicht einem verbindlichen Weisungsrecht entsprechen, jedoch unter faktischen Gesichtspunkten den Vorstand dazu veranlassen können, die Geschäfte der abhängigen Aktiengesellschaft auf die Fremdinteressen der Obergesellschaft oder einem davon zu abstrahierenden Konzerninteresse zu Lasten der Untergesellschaft auszurichten. Die wohl wichtigste Möglichkeit der Einflussnahme liegt in der Personalpolitik. Dem Mehrheitsaktionär steht unmittelbar das Recht zur Bestellung und Abwahl der Aufsichtsratsmitglieder (§§ 101, 103, 119 AktG) und mittelbar über den Aufsichtsrat wiederum die Möglichkeit zur Bestellung und Entlassung der Vorstandsmitglieder (§ 84 AktG) zu. Ihm ist über das Vetorecht des Aufsichtsrates (§ 111 AktG) im Einzelfall auch die konkrete Einflussnahme auf Geschäftsführungsmaßnahmen möglich. Der Mehrheitsaktionär ist durch die Wahl der ihnen nahe stehenden Personen in den Aufsichtsrat mittelbar imstande, die Richtung der Geschäftspolitik in ihrem Sinne zu beeinflussen. Im Wirtschaftsleben ist es absolut üblich, dass die Vorstandsmitglieder einer Obergesellschaft zugleich dem Aufsichtsrat der Tochter angehören, um die Tochter im Rahmen der einheit133 Emmerich/Habersack, § 29 I., S. 414; dies., Kommentar, Anh § 318 Rn. 4; Liebscher, A 3; Kuhlmann/Ahnis, Rn. 233.
B. Der Konzern als Phänomen wirtschaftlicher Einheit
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lichen Leitung zu koordinieren und zu kontrollieren.134 Eine besonders intensive einheitliche Leitung wird dabei durch sog. Vorstandsdoppelmandate erzeugt, indem etwa der Vorstandsvorsitzende der Tochtergesellschaft gleichzeitig den Posten eines Bereichsvorstands der Obergesellschaft einnimmt. Bei entsprechend qualifizierten Mehrheiten kann der Hauptaktionär über die Formulierung des Unternehmensgegenstandes, aber auch bezüglich Maßnahmen der Kapitalbeschaffung oder Kapitalherabsetzung (174, 179, 182 ff. AktG) unmittelbaren Einfluss auf den Kurs der Untergesellschaft nehmen.135 Der Gesetzgeber hat mit der Einführung der §§ 311 bis 318 AktG die Einflussnahme im Konzerninteresse trotz Fehlens eines Beherrschungsvertrages anerkannt, solange die Vermögensinteressen der abhängigen Gesellschaft und die daran anknüpfenden Interessen der Gläubiger und außenstehenden Aktionäre unangetastet bleiben.136 Entsprechend sind dem herrschenden Unternehmen gegenüber der abhängigen Gesellschaft neutrale oder sogar vorteilhafte Einflussnahmen grundsätzlich erlaubt. Eine nachteilige Einflussnahme ist dem herrschenden Unternehmen dagegen nur unter Beachtung der Spielregeln der §§ 311 ff. AktG erlaubt, d.h. von der Obergesellschaft veranlasste Nachteile sind von dieser bis zum Geschäftsjahresende der abhängigen AG auszugleichen. Ob durch die Einflussnahme bei der Untergesellschaft ein Nachteil entstanden ist, wird durch den Vergleich mit einem fiktiv unabhängig agierenden Vorstand ermittelt. Nur wenn ein am Sorgfaltsmaßstab des § 93 AktG handelnder Vorstand einer unabhängigen Untergesellschaft, die zwar nicht in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem herrschenden Unternehmen steht, die aber im Übrigen unter gleichen tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen agiert, entsprechend gehandelt hätte, ist die Einflussnahme nicht nachteilig.137 Demzufolge ist bei einer Veranlassung der Obergesellschaft zum konzerninternen Leistungsaustausch darauf zu achten, dass der Leistung der abhängigen Gesellschaft eine gleichwertige Leistung des herrschenden Unternehmens gegenüber steht. Anders als im Vertragskonzern ist im Rahmen des 134
MünchKomm AktG/Altmeppen, § 311 Rn. 102. Timmann, S. 27; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 4 II 3 b, S. 69; Wiedemann, GesR I, S. 345. 136 Altmeppen, ZIP 1996, 693, 694; Bälz, AG 1992, 291, 304 ff.; Emmerich/ Habersack, § 24, IV. 2.a), S. 368; Flume, Juristische Person, § 4 IV S. 122 ff.; Geßler, FS Westermann, S. 145, 150 ff., 155; Henze, BB 1996, 489, 498; Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 109 ff., 131, 146 f.; Hüffer, § 311 Rn. 6 f.; Kölner Komm AktG/Koppensteiner, Vorbem. zu § 311 Rn. 6 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 IV 2, S. 963; Selmer, S. 171. 137 BGHZ 141, 79, 84, 88; Emmerich/Habersack, § 25 II. 1., 1, S. 377; MünchKomm AktG/Kropff, § 311 Rn. 151. 135
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konzerninternen Leistungsaustausches auf angemessene Konzernverrechnungspreise zu achten, d.h. sie haben zu Marktpreisen bzw. Selbstkosten zzgl. eines Gewinnaufschlages zu erfolgen.138 Die Art des Vorteils, durch den der Nachteil ausgeglichen werden soll, ist gesetzlich nicht geregelt. Geeignet ist jeder geldwerte Vorteil, der die Nachteile in der Bilanz neutralisieren kann.139 Unterbleibt der Nachteilsausgleich bis spätestens zum Ende des Geschäftsjahres, so ist das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft unter den Voraussetzungen des § 317 AktG zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Schlüsselrolle im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit dieses Einzelausgleichssystems kommt dabei dem in § 312 AktG geregelten Abhängigkeitsbericht zu.140 Im Abhängigkeitsbericht hat der Vorstand der abhängigen Aktiengesellschaft über die auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens vorgenommenen Rechtsgeschäfte und sonstigen Maßnahmen zu berichten (§ 312 Abs. 1 S. 2 AktG). Die Verpflichtung zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts soll dazu beitragen, dass nachteilige Einflussnahmen dokumentiert werden und nur gegen Nachteilsausgleich erfolgen. Zugleich soll den außen stehenden Aktionären und Gläubigern die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen der Untergesellschaft gegen die Mutter wegen unterlassenem Nachteilsausgleich (§§ 317 Abs. 4, 318 Abs. 4 i. V. m. § 309 Abs. 4 AktG) erleichtert werden.141 b) Der faktische GmbH-Konzern In der Konzernpraxis erfreut sich gerade die GmbH besonderer Beliebtheit. Aufgrund der flexiblen Ausgestaltung durch das GmbHG ist die GmbH prädestiniert für die Einbindung in einen Unternehmensverbund und eignet sich in besonderem Maße als steuerbare Konzerntochter.142 § 45 GmbHG stellt die Organisationsverfassung der Gesellschaft weitgehend in das Belieben der Satzung.143 Die Gesellschafterversammlung bestellt die Geschäftsführer unmittelbar (§ 46 Nr. 5 GmbHG) und kann sie jederzeit ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes wieder abberufen (§ 38 138 BGHZ 124, 111, 118 f., „Vereinigte Krankenversicherung“; Emmerich/Habersack, § 25 II. 3. a) S. 382. 139 Emmerich/Habersack, § 25 IV., S. 387. 140 BGHZ 135, 107, 111 f. „VW“; OLG Braunschweig AG 1996, 271, 272; Emmerich/Habersack, § 26 II., S. 391; Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 313. 141 Begr. Zum RegE, bei Kropff, S. 410 f.; BGHZ 135, 107, 109 f.; K. Schmidt, JZ 1992, 856, 859; Emmerich/Habersack, § 26 II., S. 391; Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 313. 142 Bitter, ZHR 166 (2002), 713, 715; Emmerich/Habersack, § 8 II. 1, S. 93; Liebscher, A 3. 143 Emmerich/Habersack, § 8 II. 1, S. 93.
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GmbHG). Weitere Besonderheit ist, dass der Geschäftsführer nach § 37 Abs. 1 GmbHG an Beschlüsse der Gesellschafterversammlung gebunden ist und die Gesellschafter auch in Fragen der Geschäftsführung Beschlüsse fassen können (§§ 37 Abs. 1, 46 Nr. 6 GmbHG). Die Gesellschafterversammlung kann den Geschäftsführern detailliert vorschreiben, wie die einzelnen Geschäfte für die GmbH zu führen sind. Der Gesellschafter, der über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt, ist daher in der Lage, seinen Vorstellungen über die Geschäftspolitik der Gesellschaft im Wege der Beschlussfassung zum Durchbruch zu verhelfen. Er kann nach ganz herrschender Meinung dabei die Geschäfte soweit an sich reißen, dass die Funktion des Geschäftsführers auf ein reines Ausführungsorgan zurückgedrängt wird.144 Hält eine andere Gesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an einer GmbH, so ist die Gesellschaft faktisch in der Lage, durch ihr Mehrheitsstimmrecht in der Gesellschafterversammlung den Geschäftsführern Anweisungen zu erteilen und so die Geschicke der abhängigen GmbH zu lenken. Die herrschende Gesellschaft ist zunächst nicht gehindert, sich bei der Steuerung der abhängigen GmbH von ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse, bei gleichzeitiger Vernachlässigung individueller Belange der von ihr abhängigen GmbH, leiten zu lassen. Ist der Mehrheitsgesellschafter ebenfalls ein Unternehmen, so ist es ihm durch die gesellschaftsrechtliche Verbandsverfassung der GmbH an sich möglich, die Geschäftspolitik der GmbH im eigenen Interesse zu beeinflussen. Der Mehrheitsgesellschafter kann in diesem Fall zunächst durch die Beeinflussung der abhängigen GmbH das wirtschaftliche Risiko seiner eigenen unternehmerischen Interessen auf die GmbH und damit letztlich auf deren Gläubiger abwälzen. Diese Gefahr der faktischen Einflussnahme des herrschenden Unternehmens für Gläubiger und außenstehende Gesellschafter hat der Gesetzgeber für die Aktiengesellschaft in den §§ 311 ff. AktG berücksichtigt. Für die abhängige GmbH besteht eine solche Regelung indes nicht. Trotz Fehlens einer solchen Regelung ist jedoch allgemein anerkannt, dass der Einflussnahme eine Grenze gesetzt werden muss. Wie Gläubiger und Minderheitsgesellschafter im faktischen GmbH Konzern geschützt werden sollen, ist Gegenstand einer seit Jahrzehnten anhaltenden Debatte und kann hier nur grob skizziert werden. Dabei lässt sich ein dreistufiges Schutzkonzept aus 144
OLG Nürnberg, NZG 2000, 154 f.; Goette, DStR 1998, 938, 942; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 129; Michalski/Lenz, § 37 Rn. 10; Michalski/Lenz, § 37 Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, § 37 Rn. 22; GroßKomm GmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 14; Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 4; Scholz/Schneider, § 37 Rn. 38; Wank, GmbHR 1980, 121, 123; Mennicke, NZG 2000, 622 f.; Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 839, 845; Höhn, S. 5; kritisch dagegen nur, Zöllner/Noack, § 37 Rn. 19.
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mitgliedschaftlichen Treuepflichten, den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG und dem Verbot existenzvernichtender Eingriffe erkennen. Erstere schützt außen stehende Gesellschafter vor jeglichen schädigenden Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens, während letzteres die Gläubiger lediglich davor schützen soll, dass dem abhängigen Unternehmen die Fähigkeit geraubt wird, die unter ihrem Dach begründeten Verbindlichkeiten zu bedienen.145 Besteht die abhängige GmbH aus mehreren Gesellschaftern (mehrgliedrige Gesellschaft) und erfolgt die nachteilige Einflussnahme aufgrund eines nur vom herrschenden Unternehmen getragenen Gesellschafterbeschlusses, so greifen die Grundsätze über die mitgliedschaftliche Treuepflicht. Handelt es sich bei der Untergesellschaft dagegen um eine Einmann-GmbH oder ist die nachteilige Einflussnahme auf einen von allen Gesellschaftern getragenen Beschluss zurückzuführen, so greifen als Grenze einer Konzernleitung lediglich die Kapitalerhaltungsvorschriften aus §§ 30, 31 GmbHG und das Verbot existenzvernichtender Eingriffe. Entsprechend differenziert soll die nachfolgende Darstellung erfolgen. aa) Mehrgliedrige Gesellschaft In der mehrgliedrigen Gesellschaft versuchen Rechtsprechung146 und Lehre147 den Konzernkonflikt durch Rückgriff auf die aus dem Gesellschaftsverhältnis resultierende Treuepflicht zu lösen. Die Treuepflicht verbietet jede schädigende Einflussnahme der Gesellschafter auf die Gesellschaft.148 Sie obliegt allen Gesellschaftern gleichermaßen, also auch dem Mehrheitsgesellschafter gegenüber seinen Mitgesellschaftern.149 Dabei handelt es sich nicht um ein konzernspezifisches Rechtsinstitut, denn das auf der Treupflicht basierende Schädigungsverbot gilt innerhalb und außerhalb von Abhängigkeitsverhältnissen.150 Die Treuepflicht prägt vielmehr grundsätzlich die Mitgliedschaft eines jeden Gesellschafters und bildet das Korrektiv 145
Röhricht, FS BGH, S. 83, 105. BGH, NJW 1976, 191, 193 „ITT“; BGHZ 80, 69, 74 „Süssen“; 89, 162, 166 ff.; „Heumann/Ogilvy“; 95, 330, 340 „Autokran“; 115, 187, 193 „Vidio“. 147 Henze, ZHR 162 (1998), 186 ff.; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, Anh. 74 ff.; Lutter ZHR 162 (1998), 164 ff.; Lutter/Hommelhoff, GmbHG Anh. § 13 Rn. 17; Schulze-Osterloh, ZIP 1993, 1838, 1839; Stimpel, AG 1986, 117. 148 BGHZ 65, 15, 18 ff. „ITT“; BGHZ 95, 330, 340 „Autokran“; Kuhlmann/ Ahnis, Rn. 240, 245. 149 BGHZ 65, 15, 18 ff. „ITT“; BGHZ 103, 184, 194 f. „Linotype“; Kuhlmann/ Ahnis, Rn. 240. 150 Emmerich/Habersack, § 30, III. 2., S. 42; K. Schmidt, GesR, § 39 III, 2. b), S. 1220. 146
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für das in der Mitgliedschaft verkörperte Einflusspotential des GmbH-Gesellschafters. Dieses Korrektiv ist besonders erforderlich, wenn ein Gesellschafter nicht nur über ein hohes Maß an Einfluss verfügt, wie der Mehrheitsgesellschafter, sondern zugleich ein anderweitiges unternehmerisches Interesse verfolgt. In diesem Fall besteht die Gefahr, dass der Gesellschafter sich nicht mehr an den gemeinsamen Zweck gebunden fühlt und von seinem Einfluss zum Nachteil der Gesellschaft tatsächlich Gebrauch macht.151 Auch bei Zustimmung der Minderheitsgesellschafter zur Begründung der Abhängigkeit, haben die Mehrheitsgesellschafter bei der Ausübung ihrer Rechte die gegenseitige Treuepflicht zu beachten, insbesondere jede schädigende Einflussnahme der Gesellschafter auf die Gesellschaft zu unterlassen.152 Für die Frage, wann die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft schädigenden Charakter hat, wird – wie im Aktienkonzern (§§ 311 und § 317 AktG) – auf das fiktive Verhalten eines pflichtbewussten und ordentlichen Geschäftsführers einer unabhängigen Gesellschaft abgestellt.153 Haben die Gesellschafter nichts anderes (in der Satzung) vereinbart, bestimmen sich Inhalt und Umfang der Treuepflicht nach objektivierten Interessen der Minderheitsgesellschafter an ihrer Gesellschaft. Als vorwiegend objektivierte Interessen kommt das Interesse, mit dem Unternehmen Gewinne zu erzielen, den Unternehmenswert der GmbH mittel- bis langfristig zu steigern, in Betracht.154 Die Treuepflicht der Gesellschafter führt so zu einem Verbot des Mehrheitsgesellschafters, seine Herrschaftsmacht in für die abhängige Gesellschaft nachteiliger Weise auszuüben. Ein solcher zu einer Treuepflichtverletzung führender nachteiliger Einfluss liegt jedoch dann nicht vor, wenn mit der Weisung bei sorgfältiger ex ante Betrachtung ein genau absehbarer und abschließend bezifferbarer wirtschaftlicher Nachteil verbunden ist, der durch eine einmalige Ersatzleistung voll ausgeglichen werden kann und Zug um Zug auch erfolgt. Eine Gesamtbetrachtung von Weisung und Ausgleich muss in diesem Fall zu dem Ergebnis kommen, dass von einer „Schlechterstellung“ und damit Verkürzung der Rechtsstellung vorhandener Mitgesellschafter nicht gesprochen werden kann.155 Ein zeitliche Ausdehnung des Nachteilsausgleichs entsprechend 151
Emmerich/Habersack, § 30 II. 1., S. 418. BGHZ 65, 15, 18 ff. „ITT“; BGHZ 95, 330, 340 „Autokran“. 153 Emmerich/Habersack, Kommentar, Anh. § 318 Rn. 29; Eschenbruch, Konzernhaftung, Rn. 3366 ff.; z. B. unangemessene Konzernverrechnungspreise, Umlenkung von Geschäftschancen der abhängigen Gesellschaft, etc. 154 Bous, S. 96; Ehricke, S. 399. 155 Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh § 77 Rn. 141 a; Bälz, AG 1992, 277, 294; Bous, S. 100; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anhang 13, Rn. 75; Fleck, ZHR 149; Kropff, AG 1993, 585, 492; ders., FS Kastner, S. 279, 298; für mittelfristigen und späteren Ausgleich: Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403; Kreher, Konzernleitung, S. 105 f.; Rowedder, ZGR-Sonderheft Nr. 6 (1986), 20, 29 ff. 152
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§ 311 AktG lehnt die überwiegende Auffassung für die GmbH dagegen ab.156 Zur tatsächlichen Wahrung dieses umfassenden Schädigungsverbotes des Mehrheitsgesellschafters steht in der mehrgliedrigen GmbH den Minderheitsgesellschaftern eine Vielzahl von Rechtsbehelfen zur Verfügung. Gesellschafterbeschlüsse, die im Ergebnis eine kompensationslose nachteilige Wirkung auf die abhängige Gesellschaft haben und damit gegen die Treuepflicht der Gesellschafter verstoßen, sind zunächst anfechtbar.157 Bei bevorstehender Verletzung der Treuepflicht hat die abhängige Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen zusätzlich einen Anspruch auf Unterlassung.158 Anders als im Vertragskonzern und bei einer Einmann-GmbH kann in einer mehrgliedrigen GmbH das herrschende Unternehmen über ihre Mehrheit in der Gesellschafterversammlung die Untergesellschaft grundsätzlich nicht unmittelbar zu einem Rechtsgeschäft anweisen, welches einen konzerninternen Leistungsaustausch zum Gegenstand hat. Das herrschende Unternehmen ist nach 47 Abs. 4 GmbHG bei einer Abstimmung in der Gesellschafterversammlung von ihrem Stimmrecht ausgeschlossen.159 Repressiven Schutz erhält die Untergesellschaft bzw. ihre Minderheitsgesellschafter über eine flankierende Schadensersatzpflicht des herrschenden Unternehmens bei Verletzung seiner Treuepflichten. Das herrschende Unternehmen ist der abhängigen Gesellschaft zum Ersatz des aus der Treuepflichtverletzung entstandenen Schadens verpflichtet, wenn es die Treuepflichtverletzung zu vertreten hat. Der Inhalt des Anspruchs bestimmt sich nach §§ 249 ff. BGB. Nimmt das herrschende Unternehmen Geschäftschancen der abhängigen Gesellschaft unter Verletzung seiner Treuepflichten selbst wahr, so ist es gemäß § 252 BGB zur Herausgabe des dabei erzielten Gewinns verpflichtet.160 Lässt sich der Schaden der Gesellschaft auch unter Rückgriff auf § 287 ZPO nicht ermitteln, so greifen in der mehrgliedrigen GmbH die Grundsätze über die qualifizierte Schädigung ein.161 Wegen des Einflusses des herrschenden Unternehmens als Mehrheitsgesellschafter auf den GmbH-Geschäftsführer wird bis zur Eröffnung eines Insolvenzverfah156 BGHZ 65, 15 (18); ITT; BGHZ 95, 330, 340 „Autokran“; Emmerich/Habersack, § 29 III. 2.a); S. 415; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, Anh § 77 Rn. 55 f.; Baumbach/Hueck/Zöllner, GmbHG, Schlußanh. I Rn. 56; für eine analoge Anwendung der §§ 311, 317 AktG, Kropff, FS Semler, S. 517, 536 ff. 157 Emmerich/Habersack, § 30 IV. 1., b), S. 423. 158 Emmerich/Habersack, § 30 IV. 2., S. 423; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh. Konzernrecht Rn. 81; Hachenberg/Ulmer, GmbHG, Anh § 77 Rn. 89. 159 Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 107; GroßKomm GmbHG/Hüffer, § 47 Rn. 128. 160 BGH, WM 1978, 1205; Emmerich/Habersack, § 30 IV. 1., a), S. 422. 161 Emmerich/Habersack, § 30 IV. 1., a), S. 422 f.
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rens eine lückenlose Geltendmachung dieser Ansprüche der abhängigen Gesellschaft gegen das herrschende Unternehmen nicht gewährleistet sein. Aus diesen Gründen ist allgemein anerkannt, dass die Gesellschafter, unter im Einzelnen umstrittenen Voraussetzungen, die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Gesellschaft geltend machen können.162 Dabei werden die Minderheitsgesellschafter diese ihnen aus der Treuepflicht zustehenden Rechte geltend machen und darauf achten, dass das Vermögen der GmbH nicht geschmälert wird, um eine Schmälerung der Wertigkeit ihres Gesellschaftsanteils zu verhindern. Reflexiv werden dann aber auch die Gläubiger geschützt.163 Dieses Schutzsystem von Kontroll- und Abwehrmitteln wird überwiegend als sehr effektiv eingeschätzt.164 Beachtet man, dass Weisungen an den Geschäftsführer nur über die Gesellschafterversammlung erfolgen dürfen, wird dem Mehrheitsgesellschafter eine nachteilige Konzernleitung gegen den Willen außenstehender Minderheitsgesellschafter schwer möglich sein. Die Grenze der Konzernleitungsmacht ist bei einer mehrgliedrigen GmbH somit jede für die GmbH im Ergebnis nachteilige Einflussnahme des herrschenden Unternehmens. bb) Einmann-GmbH Dieser reflexartige Schutz der Gläubiger einer mehrgliedrigen GmbH über das aus der Treupflicht abgeleitete Schädigungsverbot und dessen Sanktion kommt dann nicht zum Tragen, wenn Mitgesellschafter nicht existieren oder sämtliche Minderheitsgesellschafter mit der schädigenden Einflussnahme durch das herrschende Unternehmen einverstanden sind.165 Ein generelles Verbot von schädlichen Einflussnahmen, wie es die mitgliedschaftlichen Treuepflichten vorsehen, ist für den Schutz der Gläubiger auch nicht erforderlich. Während Minderheitsgesellschafter ein Interesse daran haben, jede nachteilige Einflussnahme und die damit verbundenen Schmälerungen ihres Gesellschaftsanteils abzuwehren, haben die Gläubiger lediglich ein Interesse daran, Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens abzuwehren, welche dazu führen, dass das Vermögen der Untergesell162 Assmann, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 657, 681 f.; Emmerich/Habersack, § 30 IV. 2., S. 423; Scholz/Emmerich, GmbHG, Anh Konzernrecht, Rn. 79; Hachenberg/Ulmer, GmbHG, Anh. 77 Rn. 90. 163 Emmerich/Habersack, § 29 III., S. 415. 164 OLG Stuttgart NZG 2000, 159, 163; Altmeppen, Abschied, S. 94 ff.; Flume, Juristische Person § 4 IV, S. 129; Emmerich/Habersack, § 29 III. 2. a), S. 415; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, Anh zu § 13 Rn. 21. 165 Emmerich/Habersack, § 31 I. 1., S. 426.
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schaft nicht mehr ausreicht, die Forderungen ihrer Gläubiger zu bedienen. Dieser Gläubigerschutz wird zunächst über die Vorschriften der Kapitalerhaltung gemäß §§ 30, 31 GmbHG erreicht. Das herrschende Unternehmen kann über seinen Einfluss nicht die Zuwendung einer Vermögensposition veranlassen, welche zur Deckung des Stammkapitals der Untergesellschaft erforderlich ist. Diese Gefahr besteht in der Einmann-GmbH insbesondere deshalb, weil das herrschende Unternehmen hier – wie im Vertragskonzern – den Geschäftsführer unmittelbar zum Abschluss von (nachteiligen) konzerninternen Leistungsaustauschgeschäften anweisen kann, denn ein Stimmrechtsausschluss nach 47 Abs. 4 GmbHG gilt hier gerade nicht.166 Den Kapitalerhaltungsregeln liegt aber eine strenge bilanzmäßige Betrachtung zugrunde. Sie schützen die Gläubiger nur dann, wenn der Gesellschafter unmittelbar oder mittelbar (etwa an einer Konzerntochter) etwas aus dem zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen erhalten hat. Über eine bilanzmäßige Betrachtung werden jedoch nicht alle möglichen nachteiligen Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens auf die abhängige Gesellschaft erfasst. Insbesondere, wenn sich die unberechtigte Entnahme nicht im Vermögensabfluss erschöpft, sondern vielmehr zum Zusammenbruch der Gesellschaft führt, gewährt §§ 30, 31 GmbHG keinen hinreichenden Schutz. Dazu gehören insbesondere konzernintegrative Maßnahmen, der Entzug von Geschäftschancen oder betriebsnotwendiger Liquidität.167 So wird bei der Entziehung einer Produktionslinie und Übertragung auf ein anderes Konzernunternehmen im Rahmen einer Konzernintegration lediglich der (Sachwert) als Abfluss im Rahmen der Kapitalerhaltungsvorschriften erfasst. Dabei kann das Stammkapital durchaus noch gedeckt sein, also keine Unterbilanz entstehen. Dennoch kann der Gesellschaft durch eine solche Maßnahme langfristig die eigene Existenzfähigkeit genommen werden.168 Wie diese Gefahr nachteiliger Einflussnahme eines herrschenden Unternehmens eingedämmt werden kann ist Gegenstand einer seit Jahrzehnten stattfindenden Diskussion, welche sich schließlich mit den Entscheidungen „TBB“169, „Bremer-Vulkan“170, „KBV“171 und zuletzt „Trihotel“172 zu einem Verbot und entsprechende Haftung für existenzvernichtende Eingriffe entwickelt hat. Dieses Rechtsinstitut führt zu einer Haftung des Allein166 GroßKomm GmbH/Hüffer, § 47 Rn. 128; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 47 Rn. 107. 167 Emmerich/Habersack, § 31 I. 1., S. 426. 168 Vgl. dazu BGH NJW 2001, 3623, 3623 – Bremer Vulkan; Röhricht, FS BGH, S. 83, 92 ff.; Haas, WM 2003, 1929 ff. 169 BGHZ 122, 123. 170 BGH NJW 2001, 3623, 3623. 171 BGH, NJW 2002, 3024, 3025. 172 BGH ZIP 2007, 1552, 1554 „Trihotel“.
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gesellschafters oder zusammenwirkender Gesellschafter, wenn die Gesellschaft infolge missbräuchlicher Einflussnahme durch den Gesellschafter in die Insolvenz getrieben wird.173 Während der BGH einen solchen Umgang mit der GmbH zunächst durch den Verlust des Haftungsprivilegs im Wege einer Durchgriffshaftung sanktionierte174, stellt er neuerdings ausschließlich auf eine deliktische Innenhaftung aus § 826 BGB ab.175 Handelt es sich bei der Tochtergesellschaft um eine Einmann-GmbH, so hat das herrschende Unternehmen demnach eine nahezu uneingeschränkte Einflussmöglichkeit auf die GmbH. Insbesondere sind auch schädigende Einflussnahmen möglich. Die Einflussnahme stößt lediglich dort auf rechtliche Grenzen, wo die Ausführung der Weisung durch den Geschäftsführer das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen angegriffen wird (§§ 30, 31 GmbHG) oder unter den Voraussetzungen des subjektiven Tatbestandes des § 826 BGB die Insolvenz der abhängigen Gesellschaft verursacht wird.
V. Verwirklichung des Konzerninteresses als Ziel der wirtschaftlichen Einheit in den Grenzen der partiellen Eigeninteressen der Konzernglieder Ist der rechtliche Rahmen der Konzernleitungsmacht damit grob gesteckt, soll nun der Zusammenhang zum wirtschaftlichen Verflechtungsgrad näher untersucht werden. Kann man aus der rechtlichen Organisation des Konzerns Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Verflechtung, nach den obigen Ausführungen also eine zentral-funktionale Integration, ziehen? 1. Konzerninteresse Wie im Unternehmen, so wird auch im Konzern das Bestreben sein, die im Konzern gebundenen Ressourcen im Sinne eines optimalen Konzerngesamtergebnisses zu binden. Dies entspricht dem übergeordneten Konzerninteresse, welches darauf abzielt, durch die Koordination des Ressourcenpools einen am Marktgeschehen überlegenen einheitlichen Wirtschaftskomplex zu erzeugen.176 Die 173
BGH, NJW 2002, 3024, 3025 „KBV“; Emmerich/Habersack, § 31 I. 2., S. 427. BGH, NJW 2002, 3024, 3025 „KBV“. 175 BGH ZIP 2007, 1552, 1554 „Trihotel“; zu § 826 BGB in diesem Zusammenhang ausführlich Wagner, FS Canaris Bd. 2, S. 473 ff. 176 Binder, Beteiligungsführung, S. 11, 66 ff.; Bous, S. 16; 118 ff.; Götz, ZGR 1998, 524, 531 ff.; Hoffmann, KonzernR-Handbuch, S. 83, 93; Kirchner, ZGR 1985, 174
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Konzernspitze wird dabei die im Wirtschaftskomplex Konzern gebundenen Ressourcen möglichst optimal und ertragreich nutzen wollen. Es versteht sich von selbst, dass eine in der Konzerngesamtbetrachtung optimale Ausrichtung der in den einzelnen Konzerngliedern gebundenen Ressourcen nicht zwingend zu einer optimalen Einzelausrichtung der einzelnen Konzernglieder führen muss. Die größtmögliche Geltung des Konzerngesamtinteresses ist nicht zwingend mit der größtmöglichen Geltung des Eigeninteresses der einzelnen Konzernglieder verbunden. 2. Verhältnis Konzerninteresse und Eigeninteresse je nach rechtlicher Struktur Inwieweit das Konzerninteresse dabei das Eigeninteresse der Gliedgesellschaften verdrängen kann, also die Einzelgesellschaften Abstriche an einer optimalen Ausrichtung zugunsten einer optimalen Gesamtausrichtung machen müssen, hängt von der oben dargestellten rechtlichen Struktur des Konzerns ab. Im Vertragskonzern sieht § 308 Abs. 1 AktG ausdrücklich vor, dass für die abhängige Gesellschaft nachteilige Weisungen zulässig sind, wenn sie den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen. Im Vertragskonzern kann die Konzernspitze demnach ohne Rücksicht auf die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzernglieder den Konzerngesamtressourcenpool auf einen möglichst hohen Konzerngesamtertrag bzw. günstigste Unternehmenspolitik ausrichten. Als Ausgleich dieser vollständigen Unterordnung erhält die abhängige Gesellschaft lediglich einen Verlustausgleichsanspruch. Ihr Interesse wird demnach gewissermaßen vermögensmäßig auf den Stand des Abschluss des Beherrschungsvertrages eingefroren. Im faktischen Aktienkonzern und in der mehrgliedrigen GmbH hat die Konzernspitze das Eigeninteresse der Tochter grundsätzlich zu wahren.177 Die Mutter darf das von ihr repräsentierte Konzerninteresse nur innerhalb der Bahnen verfolgen, die ihr das eigenständige Tochterinteresse vorgibt. Dieses Eigeninteresse kann jedoch zugunsten des Konzerninteresses sachlich aufgeopfert werden, wenn der durch die Zurückdrängung des Eigeninteresses entstandene Nachteil finanziell ausgeglichen wird. Bei einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft kann die Konzernspitze das Konzerninteresse nahezu ungebrochen durchsetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Tochtergesellschaft bereits statutarisch auf das Konzerninteresse ausgerichtet 214 ff.; Scheffler, Konzernmanagement, S. 23 ff.; 32 ff.; ders., FS Goerdeler, S. 471 ff. 177 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 248.
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ist. Hier gibt es keine Minderheitsgesellschafter, deren Interessen dem Konzerninteresse entgegenstehen könnten. Doch besteht hier das Eigeninteresse der Tochter in der Fähigkeit, die Forderungen ihrer Gläubiger erfüllen zu können.178 Das Konzerninteresse braucht hier nicht vor jeder Zurückdrängung der Erwerbschancen der Untergesellschaft halt machen. Sie darf lediglich die Untergesellschaft nicht in die Insolvenz treiben. 3. Auswirkung der rechtlichen Struktur auf den wirtschaftlichen Verflechtungsgrad Die durch das Eigeninteresse gezogenen Grenzen der Konzernleitungsmacht lassen freilich Rückschlüsse auf den betriebswirtschaftlichen Verflechtungsgrad zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften zu. Je niedriger die rechtlichen Schranken für die Konzernleitungsmacht sind, desto intensiver wird in der Regel die Abhängigkeit und Verwebung der einzelnen Konzernunternehmen zu einer funktionalen Wirtschaftseinheit sein. Eine besonders enge wirtschaftliche Verwebung im Konzern zeigen in der Praxis dabei jene Gesellschaften auf, die von vornherein auf ein Konzerngesamtinteresse ausgerichtet sind und somit losgelöst von ihrer Funktion im Konzern kein Eigeninteresse haben.179 Diese, in der Regel als Hundertprozent abhängige GmbHs gegründete Gesellschaften, nehmen von vornherein lediglich eine bestimmte Funktion innerhalb des Konzernunternehmens wahr und sind ohne den Konzernverbund nicht überlebensfähig180. Hierzu zählen beispielsweise Finanzierungs-, Vertriebs-, Forschungs-, IT-Service oder Produktionszuliefergesellschaften.181 In den Kategorien des Sachenrechts beschrieben, sind sie wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzerns (§ 94 BGB) und nicht als Zubehör (§ 97 BGB) zu verstehen, denn der Konzern lässt sich in diesen Fällen nicht jederzeit ohne Schaden für die Konzernteile in seine Bestandteile zerlegen. Hommelhoff bezeichnet diese Gesellschaften veranschaulichend als „Konzernfunktionäre“ oder statutarische Konzernmagd.182 Der satzungsmäßige Zweck, meistens jedoch der Unternehmensgegenstand, ist dabei von vornherein auf die Interessen des Konzerns ausgerichtet. Eine Anbindung an den Konzern erfolgt in diesen Fällen nicht nur über das Weisungsrecht, sondern insbesondere bei engen Konzernbeziehungen gerade auch über die Ausgestaltung der Satzung der abhängigen 178
Siehe oben, 1. Teil, B.IV.2.b)bb). Vgl. Lutter, DB 1994, 129, 130. 180 Lehmann, FS Beusch, S. 479, 489; Lutter, DB 1994, 129, 130. 181 Lehmann, FS Beusch, S. 479, 489; Lutter, DB 1994, 129, 130; Timmann, S. 311; vgl. auch Altmeppen, Abschied, S. 19; Emmerich/Habersack, § 8 IV., S. 99; Liebscher, D Rn. 226. 182 Vgl. Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403. 179
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Gesellschaft. In der Praxis haben solche Tochtergesellschaften, deren Tätigkeit sich ganz darauf beschränkt, Teilfunktionen für andere Konzerngesellschaften zu erbringen, weite Verbreitung.183 Sie erweisen sich aufgrund ihrer engen Verflechtung im Gesamtkonzern in der Insolvenz zunehmend als Problemfall. Ein typisches Beispiel, in dem sich die Konzernmutter Tochtergesellschaften in Form von Konzernfunktionären bedienten, war die niederländische KPNQwest Gruppe. Die niederländische Telefongesellschaft KPNQwest betrieb Telefonverbindungsnetzwerke in Europa und über den atlantischen Ozean. Ein wesentlicher Kabelring führte durch Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden und verband die wesentlichen Städte in diesen Ländern. Die Kabelnetzwerke im jeweiligen Landesabschnitt betrieb dabei jedoch nicht die KPNQwest N.V., sondern diese wurden dabei von eigens zu diesem Zweck gegründeten Tochtergesellschaften, u. a. auch von einer deutschen GmbH, getragen.184 In der Insolvenz wurden entsprechend eine Vielzahl von Insolvenzverfahren in den einzelnen Staaten mit jeweils unterschiedlichen Insolvenzverwaltern eröffnet. Kooperationshemmnisse zwischen den Insolvenzverwaltern der einzelnen Landesgesellschaften führten zu einer Einzelveräußerung der Teilnetze zu Zerschlagungswerten, da das Datenverarbeitungsnetzwerk sich aus den assets aller Konzernglieder und somit der Summe der Einzelmassen zusammensetzte und Fortführungswerte nur durch kooperative Lösungen zwischen den Verwaltern hätten verwirklicht werden können. Die Einzelzerschlagung führte im Ergebnis zu einer suboptimalen Gesamtverwertung und damit in der Gesamtbetrachtung zu einer suboptimalen Befriedigung der Gläubiger.185 Auch die insolvente Eurofood IFSC Ltd. des Parmalat-Konzerns war eine solche Konzernfunktionärin, indem ihr satzungsmäßiger Hauptzweck sich auf die Beschaffung von Finanzmitteln für die Gesellschaften des Parmalat Konzerns beschränkte.186 Die Beschränkung einer Gesellschaft auf eine konzerndienende Funktion kann sich für Gläubiger als gefährlich erweisen. Zu den Gefahren gehören der Umstand, dass auf konzerndienende Funktionen beschränkte Tochtergesellschaften oftmals überhaupt keinen Ertrag oder zumindest nicht nach Marktbedingungen erwirtschaften.187 Im Übrigen übernehmen Konzernfunktionäre innerhalb des Konzerns oftmals riskante Sonderfunktionen, etwa indem Forschungstöchter mit einem bestimmten risikoreichen Forschungsprojekt betraut werden.188 Dennoch wird die Beschränkung einer Gesellschaft auf eine konzerndienende Funktion 183 184 185 186 187 188
Lehmann, FS Beusch, S. 479, 489; Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403. Siehe van Galen, I; vgl. auch Paulus, ZIP 2005, 1948, 1954. Vgl. dazu ausführlich van Galen, I. Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1220. Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403. Vgl. Wiedemann, ZGR 1986, 656, 665 f.
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grundsätzlich als zulässig erachtet.189 Damit Gläubiger die aus einer konzerndienenden Funktion resultierenden Risiken erkennen und einschätzen können, wird jedoch überwiegend eine klare und eindeutige Formulierung des Unternehmensgegenstandes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) in der Satzung der abhängigen Gesellschaft verlangt. Die Beschränkung des Gegenstandes der Gesellschaft auf Funktionsübernahmen im Konzern muss in der Satzung klar und deutlich zum Ausdruck gebracht werden.190 Dabei haben sich in der Praxis Standardformulierungen herauskristallisiert: So wird der Unternehmensgegenstand einer Vertriebstochter üblicherweise durch die Formulierung – „Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb der Produkte der X-AG“191 – beschrieben. Für die Einkaufsgesellschaft ist hingegen die Formulierung – „Gegenstand der Gesellschaft ist der Einkauf der vom Konzern benötigten Produkte“192 – üblich. Für die Forschungstochter: „Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung von Forschung und Entwicklung für die Y-AG“.193 Die Forderung nach einer Publizität der Funktionärseigenschaft über eine entsprechende Formulierung des Unternehmensgegenstandes reiht sich in die allgemeine gläubigerschützende Funktion des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstandes ein.194 Allgemein muss die Beschreibung des Unternehmensgegenstandes hinreichend konkret sein, damit sich die beteiligten Verkehrskreise, insbesondere die Gläubiger, ein sicheres Bild von der Tätigkeit der Gesellschaft machen können.195. Neben dem Handelsregister ist ein Hinweis auf die konzerndienende Funktion in der Praxis häufig auch in der Firma der Tochtergesellschaft zu finden. So setzt sich die Firma von Vertriebstöchtern der Konzernmutter oftmals aus 189
Ausführlich, Beinert, S. 34, S. 197; Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403; Lutter, DB 1994, 129, 130; Tieves, S. 161 ff.; Timmann, S. 310 f.; vgl. auch Lutter/Hommelhoff, Anh § 13 Rn. 29; Emmerich/Habersack, Anh § 318 Rn. 9; KölnerKomm AktG/Mertens, § 82 Rn. 19. 190 Ausführlich Beinert, S. 34, S. 197; Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403; Lutter, DB 1994, 129, 130; Tieves, S. 161 ff.; Timmann, S. 310 f.; vgl. auch Lutter/Hommelhoff, Anh § 13 Rn. 29; Emmerich/Habersack, Anh § 318 Rn. 9; KölnerKomm AktG/Mertens, § 82 Rn. 19. 191 Lutter, DB 1994, 129, 130; vgl. ähnliche Formulierungen bei Timmann, S. 40; Beinert, S. 35. 192 Beinert, S. 35. 193 Lutter, DB 1994, 129, 130. 194 Der Gegenstand des Unternehmens, § 3 Abs. 1 GmbHG, soll im Innenverhältnis die Befugnis der Geschäftsführer umschreiben und ihre Pflichten zur Unternehmensleitung konkretisieren. Im Außenverhältnis soll der Unternehmensgegenstand durch die Eintragung in das Handelsregister und durch die Anknüpfung der Sachfirma den Verkehr über die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft unterrichten; vgl. Schneider, BB 1989, 1985, 1986. 195 BGH BB 1981, 450; Beinert, S. 31; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rn. 12; Schneider, BB 1989, 1985, 1986; Wallner, JZ 1986, 721, 725.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
dem Firmenschlagwort der Mutter mit dem Hinweis auf die Vertriebsfunktion – „Vertriebsgesellschafts mbH“ – zusammen.196 In der Literatur wird teilweise sogar aus Gründen des Gläubigerschutzes die Verpflichtung erwogen, die Ausrichtung der Tochter auf den Konzern in der Firma der Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen.197 Die Aufteilung von verschiedenen Funktionen auf unterschiedliche Rechtspersonen ist auch im Insolvenzverfahren in möglichst sinnvoller Weise zu berücksichtigen. Darauf wird zurückzukommen sein.
C. Das Insolvenzverfahren: Zweck und Mittel zur Zweckerreichung I. Verwertungsoptionen/Verfahrensziele Als Insolvenzverfahrenszweck postuliert § 1 InsO, die Gläubiger eines Schuldners im Wege eines geordneten, gemeinschaftlichen Verfahrens zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung, insbesondere zum Erhalt des Unternehmens, getroffen wird (§ 1 InsO). Die Zielvorgabe des Insolvenzverfahrens hat der Gesetzgeber mit dieser Formulierung in § 1 InsO unweigerlich festgeschrieben, nämlich die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger. Das Insolvenzverfahren dient bei der Unternehmensinsolvenz somit weder allgemeinen arbeitsmarkt- oder wirtschaftspolitischen Interessen noch den Interessen des Schuldners am Erhalt seines Unternehmens.198 Die Haftungsverwirklichung der Gläubiger steht als ausschließliches Ziel des Insolvenzverfahrens auch bei der Unternehmensinsolvenz im Vordergrund. Auf welche Weise diese Haftungsverwirklichung erfolgen soll, schreibt die Insolvenzordnung indes nicht vor. Der Gesetzgeber hat die Art der Masseverwertung vielmehr offen gelassen und sich für einen Gleichrang von Liquidation, übertragender Sanierung und fortführender Sanierung (Reorganisation) des Schuldners entschieden.199 Diese Aufzählung der Verwertungsarten darf nicht den Anschein eines Typenzwangs bei der Verwertung des schuldnerischen Vermögens erwecken. Es gibt keinen gesetzlichen Typenzwang der Verwertungsarten. Jede von den Beteiligten angestrebte 196 Schneider, BB 1989, 1985, 1987; Müller, Firmenlizenz und Konzernfirma, S. 22; vgl. auch Parmentier/Steer, GRUR 2003, 196, 197. 197 Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 404; Timmann, S. 306. 198 Vgl. Begr.Reg.E. InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77. 199 Vgl. Regr.Reg.E. InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 77 f.; Bork, Rn. 375; Jaeger/ Henckel, InsO, § 1 Rn. 2.
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und legitimierte Art der Masseverwertung ist zulässig.200 Der Kreativität von Insolvenzverwaltern und Gläubigerschaft sind im Hinblick auf der Suche nach der bestmöglichen Befriedigung keine Grenzen gesetzt. Dennoch sollen die Grundtypen der Masseverwertung kurz erläutert werden. 1. Liquidation Grundtypus der Verwertung im Rahmen der Unternehmensinsolvenz ist zunächst die Liquidation des Unternehmens. Bei einer Liquidation werden die Aktiva des Schuldners durch Einzelveräußerung verwertet und der Erlös an die Gläubiger ausgekehrt. Durch die Einzelveräußerung wird das Unternehmen als lebender Verbund zerschlagen. Handelt es sich bei dem insolventen Unternehmensträger um eine Gesellschaft, wird gleichzeitig der Rechtsträger abgewickelt. Unter dem Gesichtspunkt der Haftungsrealisierung ist die Entscheidung zwischen Liquidation und der Fortführung des insolventen Unternehmens einfach zu treffen. Die Fortführung des Unternehmens ist immer eine Investitionsentscheidung. Diese ist nur dann zu rechtfertigen, wenn die in dem Unternehmen gebundenen Ressourcen in ihrer jetzigen Verwendung wertvoller sind als in einer anderen Verwendung. Dazu ist der Ertragswert des Unternehmens (Fortführungswert) mit dem Ertragswert der in dem Unternehmen gebundenen Ressourcen in ihrer bestmöglichen, alternativen Verwendung (Liquidationswert) zu vergleichen.201 Das Unternehmen sollte fortgeführt werden, wenn sein Fortführungswert größer ist als sein Liquidationswert. Oftmals werden nur Unternehmensteile, nicht aber das ganze Unternehmen, erhaltenswert sein. Die Unternehmensfortführung wird sich in diesen Fällen auf die entsprechend fortführungswürdigen Teile beschränken, die übrigen sind dann zu liquidieren. Auch wenn im Ergebnis die langfristige Fortführungsprognose negativ ausfällt, kann eine zeitweise Unternehmensfortführung mit anschließender Liquidation angezeigt sein. Insbesondere im verarbeitenden und produzierenden Gewerbe haben Rohstoffe und Halbfertigprodukte häufig nur einen geringen Marktwert. Auch wenn das Unternehmen als solches nicht erhaltenswürdig ist, kann in diesem Fall eine sog. Auslaufproduktion sinnvoll sein, die die Halbfertigprodukte in Fertigprodukte umwandelt. Nach deren Verkauf ist der Geschäftsbetrieb dann einzustellen.202 Durch die planmäßige und vertragsgemäße Abarbeitung von Aufträgen können zusätzlich Schäden verhindert werden, die die Vertrags200
Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 157 Rn. 3. Eidenmüller, Unternehmenssanierung S, 32. 202 Mönning, Rn. 716; Voigt-Salus, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 22 Rn. 65. 201
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
partner nach einer Nichterfüllungserklärung gemäß § 103 InsO ansonsten in Höhe des Nichterfüllungsschadens als Insolvenzforderung geltend machen können.203 Auf der Suche nach der bestmöglichen Verwertungsstrategie bedienen sich Insolvenzverwalter auch zunehmend des Konzepts der sog. Beendigungsschrumpfung.204 Eine solche Verwertungsstrategie zeichnet sich durch einen langsamen Marktaustritt des Unternehmens aus. Sie bietet sich an, wenn die Substanz des Unternehmens zu Beginn des Verfahrens noch vorhanden ist, aber letztlich ein Marktaustritt wegen nicht sanierbarer leistungswirtschaftlicher oder strategischer Defizite zu organisieren ist. Eine solche gestreckte Betriebsschließung kann sich über Jahre erstrecken. Die Betriebsmittel können in diesem Fall schonend ohne Verkaufsdruck verwertet werden, so dass gute Liquidationsergebnisse erzielbar sind.205 2. Übertragende Sanierung Die übertragende Sanierung zeichnet sich dadurch aus, dass das schuldnerische Unternehmen ganz oder teilweise zu Verwertungszwecken auf einen anderen Rechtsträger übertragen wird. Dabei kann es sich um eine eigens zu diesem Zweck gegründete Auffanggesellschaft handeln, aber auch um einen Konkurrenten oder um einen anderen Unternehmer, der seinen Geschäftsbereich erweitern möchte. Der durch die Veräußerung des Unternehmens als Ganzes erzielte Kaufpreis wird dann als Verwertungserlös an die Gläubiger des bisherigen Unternehmensträgers verteilt. Handelt es sich bei dem bisherigen Unternehmensträger um eine Gesellschaft, so wird diese liquidiert.206 Die übertragende Sanierung zeichnet sich demnach durch den Erhalt des Unternehmens als Pool produktiver Ressourcen aus, der jedoch vom insolventen Rechtsträger abgetrennt wird. Während das Unternehmen erhalten bleibt, wird dagegen der Rechtsträger – und darin besteht der wesentliche Unterschied zur Reorganisation oder fortführender Sanierung – liquidiert. Die übertragende Sanierung bietet sich in den Fällen an, in denen durch die Veräußerung des Unternehmens als Gesamtheit ein höherer Verwertungserlös erreicht werden kann, als die Summe der durch die Einzelliqui203 Voigt-Salus, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 22 Rn. 65. 204 Vgl. Groß, Fortführungsgesellschaften; Voigt-Salus, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 22 Rn. 66. 205 Voigt-Salus, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 22 Rn. 66. 206 Bork, Rn. 375.
C. Das Insolvenzverfahren
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dation erzielten Erwerbserlöse.207 Das wird immer dann der Fall sein, wenn in dem Unternehmen trotz des durch die Insolvenz manifestierten unternehmerischen Scheiterns ein gewisser Fortführungswert enthalten ist. Besteht in der Zusammensetzung des Ressourcenpools noch ein strategischer Vorteil im Sinne eines Verbundwertes, so kann dieser in den Dienst der Gläubigerbefriedigung gestellt werden. Da der Kaufpreis in der Regel unmittelbar in die Masse fließt, ist die übertragende Sanierung eine äußerst attraktive Verwertungsform, die es einerseits ermöglicht, die Gläubiger unmittelbar, zeitlich schnell zu befriedigen, andererseits der im Unternehmen noch steckende Fortführungswert für ihre Befriedigung genutzt werden kann. Anders als bei der fortführenden Sanierung (Reorganisation) brauchen sich die Gläubiger nicht auf ungewisse, mit Risiken behaftete Befriedigungsaussichten in der Zukunft verweisen lassen. Jedoch wird auch bei dieser Verwertungsform nicht immer mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Investor bereitstehen. Oftmals muss der Betrieb zunächst eine Zeit lang fortgeführt werden, um erst eine Chance zugunsten einer übertragenden Sanierung zu erarbeiten.208 3. Reorganisation Die Sanierung eines notleidenden Unternehmens in der Hand des bisherigen Unternehmensträgers lässt sich als „Unternehmensreorganisation“ (oder auch „fortführende Sanierung“) bezeichnen.209 Saniert wird dabei in erster Linie das Unternehmen, dessen Sanierungsfähigkeit von einer positiven Fortführungsprognose abhängt, d.h. es muss feststehen, dass nach verhältnismäßigem Sanierungsaufwand das konkrete Unternehmen in der Lage sein wird, Erträge abzuwerfen. Bei dem Unternehmen sind die nötigen Strukturmaßnahmen durchzuführen, etwa Reduzierung der Fixkosten, Erhöhung der Produktivität, Abbau von Arbeitsplätzen, Stilllegung von Betrieben oder Betriebsteilen, Veränderung der Führungsstrukturen etc. Dies bedarf einer umfangreichen, vorherigen betriebswirtschaftlichen Ursachenund Schwachstellenanalyse.210 Insoweit bestehen kaum Unterschiede zur übertragenden Sanierung. Auch bei Letzterer sind diese oftmals im Insolvenzverfahren durchzuführen, um die Ertragsfähigkeit zu steigern und dann die „hergerichtete Braut“ an einen Käufer zu veräußern. Im Unterschied zur übertragenden Sanierung wird im Rahmen einer Reorganisation jedoch 207
Vgl. K. Schmidt, in: Leiphold, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 67, 75. Mönning, Rn. 755; Voigt-Salus, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 22 Rn. 68. 209 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15; ders., ZGR 2001, 680, 680. 210 Bork, Rn. 357. 208
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
auch der Unternehmensträger, also der Schuldner, saniert.211 Nach einer Sanierung des Schuldners kann dieser dann das Unternehmen fortführen. Neben dem Ziel, den Fortbestand des schuldnerischen Unternehmens auf Dauer zu sichern und die Ertragskraft herzustellen, liegt ein zusätzlicher Schwerpunkt der Reorganisation auf der Beseitigung des Insolvenzgrundes durch einen Beitrag der Gläubiger.212 Die Fälligkeit der Forderungen kann etwa durch Stundung hinausgezögert werden und so der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit beseitigt werden. Die Überschuldung lässt sich durch einen Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen erreichen. Den absonderungsberechtigten Gläubigern wird dabei zugemutet, auf die Verwertung der Sicherheiten vorläufig zu verzichten, damit das Sicherungsgut für die Unternehmensfortführung weiterhin zur Verfügung steht.213 Anders als bei den bisher dargestellten Verwertungstypen erfolgt die Befriedigung der Gläubiger im Rahmen einer Reorganisation nicht durch unmittelbare Verwertung der Unternehmenssubstanz, sondern in der Regel durch Tilgungsleistungen aus späteren Erträgen des sanierten Unternehmens.214 Genau diese Sanierung des Rechtsträgers durch Gestaltung der Gläubigerrechte lässt sich – anders als eine übertragende Sanierung oder Liquidation – nur im Insolvenzplanverfahren, nicht aber im Regelinsolvenzverfahren ermöglichen.215 Die Gestaltung der Gläubigerrechte erfolgt dabei über einen zu verabschiedenden Insolvenzplan, der die Summen- und Kopfmehrheit der Gläubigergruppen erfordert und bei fehlender Mehrheit einer Gläubigergruppe unter den Voraussetzungen des Obstruktionsverbotes (§ 245 InsO) auch gegen dieses negative Votum durchgesetzt werden kann. Letzteres unterscheidet sich von einer außergerichtlichen Sanierung, bei der sich grundsätzlich alle Gläubiger mit einer Forderungskürzung, einem Rangrücktritt oder einer Stundung einverstanden geben müssen.216 Scheitert ein wirtschaftlich sinnvolles außergerichtliches Sanierungskonzept an dem obstruierenden Verhalten einzelner Gläubiger, so kann dieses Konzept durch eine frühzeitige Antragsstellung (§ 18 InsO, drohende Zahlungsunfähigkeit) in 211
Bork, Rn. 356. Vgl. Balz, ZIP 1988, 273, 277. 213 Bork, Rn. 366. 214 Bähr/Landry, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 14 Rn. 3; Balz, ZIP 1988, 273, 277; Bork, Rn. 356; Engberding, DZWIR 1998, 94, 94; Gilbert 43 Vand.L.Rev.207, 214, Fn. 50 (1990); Häsemeyer, Rn. 28.05; MünchKomm InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 166; ders., ZHR 169 (2005), 528, 536; Reinhart, S. 303; Smid/Rattunde, 2.11; Voigt-Salus, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb der Insolvenzverwaltung, § 22 Rn. 7. 215 MünchKomm InsO/Eidenmüller, vor §§ 217–269, Rn. 9. 216 BGHZ 116, 319 ff. „Akkordstörerentscheidung“; anders Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff. 212
C. Das Insolvenzverfahren
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ein gerichtlich überwachtes Planverfahren eingebracht werden und so gegen den Widerstand obstruierender Gläubiger durchgesetzt werden (sog. prepackeged plan).217 Neben diesen Beiträgen der Gläubiger wird eine Sanierung von Kapitalgesellschaften nicht ohne Beiträge der Gesellschafter möglich sein. Dies geschieht in der Regel durch die Zuführung von zusätzlichem Eigenkapital, etwa durch einen Kapitalschnitt.218 Diese Maßnahmen der Gesellschafter lassen sich allerdings nicht zwangsweise durch einen Insolvenzplan herbeiführen, sondern können als gesellschaftsrechtliche Regelung lediglich auf freiwilliger Basis in einen Insolvenzplan aufgenommen werden.219 In der Praxis wird wesentlich häufiger die übertragende Sanierung an Stelle der fortführenden Sanierung gewählt.220 Doch mehren sich nach einem anfänglichen Schattendasein des Planverfahrens die Berichte von einer erfolgreichen Sanierung über das Insolvenzplanverfahren.221 Beide Verwertungsformen stimmen darin überein, dass sie im Unternehmen steckende Fortführungswerte voll ausschöpfen können.222 Entsprechend einer Verwertungsoption im Dienste der Gläubiger mag die Reorganisation für die Gläubiger unattraktiv sein, weil ihre Forderungen auf langer Sicht getilgt werden und diese zukünftige Tilgung mit Unsicherheiten belastet ist, während sie bei der übertragenden Sanierung „schnell an ihr Geld“ kommen. Die Reorganisation führt aber oftmals im Vergleich zur übertragenden Sanierung zu einer besseren (wertmaximierenden) Verwertung. Im Rahmen der übertragenden Sanierung werden Unternehmen oftmals unterbewertet, weil die Veräußerung in der Regel unter erheblichem Zeitdruck erfolgt. Dieser Zeitdruck hat seine Ursache darin, dass sich eine längerfristige Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren häufig nur schwer finanzieren lässt. Unter diesem Zeitdruck ist es dem Insolvenzverwalter oftmals kaum möglich, eine Vielzahl von potentiellen Interessenten anzusprechen, sie über die Unternehmensverhältnisse umfassend zu infor217
Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenzen, S. 566 ff. Bei einem Kapitalschnitt wird die Kapitalherabsetzung von einer effektiven Kapitalerhöhung begleitet. Durch die Kapitalerhöhung werden neue Gesellschaftsanteile geschaffen, die von den bisherigen Gesellschaftern oder Dritten gegen Leistung der Stammeinlage übernommen werden; vgl. Müller, ZGR 2004, 842 ff. 219 Vgl. Eidenmüller, ZGR 2001, 681, 688. 220 Falk/Schäfer, ZIP 2004, 1337 ff.; Kluth, NZI 2002, 1 ff.; Menke, BB 2003, 1133 ff.; Müller-Feldhaemmer, ZIP 2003, 2186 ff. 221 Ehricke, ZInsO 2002, 393 ff.; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff.; Fritze, DZWiR 2007, 89 ff.; Braun/Kießner, InsO, Einf. Rn. 32; Piepenburg, NZI 2004, 231, 233; Rattunde, ZIP 2003, 596 ff.; ders., ZIP 2003, 2103, 2106; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff. 222 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 32. 218
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
mieren und so den Wettbewerb um das notleidende Unternehmen anzufachen.223 Auch steuerliche Erwägungen können eine Reorganisation im Hinblick auf den Zweck optimaler Gläubigerbefriedigung günstiger erscheinen lassen. So entfallen bei einer Reorganisation etwa die bei einer übertragenden Sanierung anfallenden Grunderwerbssteuern, denn der alte Unternehmensträger bleibt Eigentümer der Unternehmensaktiva. Im Übrigen können bei einer Kapitalgesellschaft Verluste grundsätzlich gemäß § 10 d EStG i. V. m. § 8 Abs. 4 KStG im Wege des Verlustrücktrages und subsidiär des Verlustvortrages in anderen Geschäftsjahren Gewinn mindernd in Abzug gebracht werden. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Körperschaft, die den Verlustrück- bzw. Verlustvortrag geltend macht, rechtlich und wirtschaftlich mit derjenigen identisch ist, die den Verlust erlitten hat.224 Auch unternehmensträgerspezifische Berechtigungen, beispielsweise die für Speditionsunternehmen regelmäßig erforderliche Genehmigungen nach dem Güterkraftverkehrsgesetz, die an den Unternehmensträger gekoppelt sind, bleiben im Rahmen einer Reorganisation erhalten und können weiterhin genutzt werden.225 Der Ausgang eines bei einer übertragenden Sanierung erforderlichen neuen Genehmigungsverfahrens wäre ungewiss und zeitaufwendig. Ausschlaggebend für eine Reorganisation statt einer übertragenden Sanierung mögen auch schuldrechtliche Verträge sein, die sich nicht oder nur zu wesentlich ungünstigeren Konditionen auf den neuen Rechtsträger übertragen lassen. Regelmäßig setzt diese Übertragung die Zustimmung des Vertragspartners voraus. Der Vertragspartner hat dadurch die Möglichkeit, die Konditionen des Austauschverhältnisses zu seinen Gunsten zu verändern oder aber eine Übertragung ganz zu verhindern.226 Gleiches gilt für Mietverträge über betriebsnotwendiges Vermögen. Diese können oftmals nur zu einem wesentlich höheren Mietzins von dem neuen Rechtsträger übernommen werden.227 223
Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 38; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2105; vgl. zu der oftmaligen Veräußerung unter Wert im Rahmen der übertrageden Sanierung auch Begr.RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 78. 224 Eidenmüller, Unternehmenssanierung S. 43 f. 225 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 44. 226 Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2105; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 45; Paulus, ZGR 2005, 309, 314; vgl. auch Erwägungen von Piepenburg, NZI 2004, 231, 232 f. Dies veranlasste die Insolvenzpraktiker die Servicegesellschaften des Bacock-Borsig Konzerns zu sanieren, statt die übertragende Sanierung anzustreben. Der Service-Bereich war gekennzeichnet durch eine hohe Zahl an Wartungs- und Rahmenverträgen. Die Servicegesellschaften waren durch diese Verträge mit Tausenden von Kunden verbunden. Ein asset deal hätte den Kunden die Möglichkeit des Ausstiegs oder einer substantiellen Konditionsanpassung zu Lasten der Service Gesellschaften gegeben. 227 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 45; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2105.
C. Das Insolvenzverfahren
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Trotz dieser möglichen Vorteile einer Reorganisation lässt sich bezüglich des Verfahrenszwecks, bestmögliche Befriedigung der Gläubiger, kein allgemeiner Vorrang der Reorganisation gegenüber der übertragenden Sanierung und umgekehrt erkennen.228 Es ist vielmehr in jedem Einzelfall die für die Gläubiger günstigste Verwertungsoption zu finden. 4. Ergebnis In der Unternehmensinsolvenz bestehen vielzählige Gestaltungsmöglichkeiten, um das vom Schuldner getragene Unternehmen bestmöglich zu verwerten. Abgesehen von der klassischen Liquidation durch sofortige Einzelzerschlagung der schuldnerischen Aktiva sind alle übrigen Verwertungsoptionen (Auslaufproduktion, Beendigungsschrumpfung, übertragende Sanierung und Reorganisation) mit einer zumindest zeitweisen Unternehmensfortführung verbunden. Im Hinblick auf die übertragende Sanierung und der Reorganisation kommt hinzu, dass zusätzlich die Verwertung des Unternehmens als lebender Verbund erfolgt.
II. Der Entscheidungsfindungsprozess zur optimalen Verwertung Kernaufgabe im Rahmen einer Unternehmensinsolvenz dürfte das Auffinden der im konkreten Fall günstigsten Verwertungsoptionen innerhalb der oben beschrieben Verwertungsarten sein. Mag der Insolvenzverwalter zwar konkret mit der Aufgabe betraut werden, aufgrund des ihm zur Verfügung stehenden Zahlen- und Datenmaterials die im konkreten Fall beste Verwertungsart zu finden, so hat der Gesetzgeber der InsO den Gläubigern maßgebliche Entscheidungskompetenzen in die Hände gelegt.229 So müssen die Gläubiger im Berichtstermin über die Fortführung des Unternehmens und damit über eine mögliche Sanierung beschließen (§ 157 InsO). Die Gläubigerversammlung kann insbesondere im Berichtstermin einen Beschluss über die Art und Weise der Verwertung treffen, an die der Insolvenzverwalter bei der Durchführung der Verwertung gebunden ist (§ 159 InsO).230 Der Gesetzgeber wich damit bewusst vom Vorschlag der Reformkommission ab, die Entscheidung über das Verfahrensziel in die Hände des Insolvenzgerichts zu legen.231 Ganz im Sinne eines marktwirtschaftlich ge228 229 230 231
Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 45 f.; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2105. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO § 157 Rn. 1. HK/Flessner, InsO, § 159 InsO Rn. 3. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht Ls 1.3.4.4, S. 149.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
prägten Insolvenzrechts soll die Entscheidung über die Form und Art der Masseverwertung, insbesondere über die Fortführung des Schuldnerunternehmens, durch diejenigen getroffen werden, deren Vermögenswerte auf dem Spiel stehen und die deshalb die Folgen von Fehlern zu tragen haben.232 Die Gläubiger sollen dabei die optimale Verwertungsentscheidung im Verhandlungsprozess entdecken.233 Als technischer Behelf zur Erleichterung der Entscheidungsfindung einer unkoordinierten Vielzahl Beteiligter wurde grundsätzlich auf die Mehrheitsentscheidung abgestellt, auch wenn damit im Ergebnis nicht immer in jedem Einzelfall die optimale Verwertungsform gefunden wird.234 Der Gesetzgeber hat sich im Grundsatz für eine umfassende Gläubigerautonomie und gegen eine „staatliche Bevormundung“ entschieden.235 Lediglich § 78 InsO, wonach Beschlüsse der Gläubigerversammlung durch das Gericht aufgehoben werden können236, die dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger nicht entsprechen und das Obstruktionsverbot in § 245 InsO, stellen eine Abweichung von diesem Mehrheitsprinzip dar.
D. Der Konzern in der Insolvenz I. Folgen des Rechtsträgerprinzips Obwohl sich der Konzern je nach seiner wirtschaftlichen Verflechtung und Integration aus betriebswirtschaftlicher Warte nicht von einem Einheitsunternehmen unterscheidet, kommt die rechtliche Vielfalt gerade in der Insolvenz zum Tragen. Der Konzern als solcher ist nicht rechtsfähig, sondern vielmehr nur die ihn tragenden Rechtsträger. Der in § 11 InsO zum Ausdruck kommende streng rechtsträgerorientierte Ansatz des deutschen Insolvenzverfahrens führt dazu, dass nur die einzelnen Konzernglieder, nicht jedoch der Konzern insolvenzfähig sind.237 Es gilt der Grundsatz: Eine Person, ein Vermögen, eine Insolvenz. Dieser Grundsatz hat sowohl bei der Feststellung der Insolvenzgründe als auch für die Abwicklung des Insolvenzverfahrens seine Gültigkeit.238 232
Begründung zum Reg.E. InsO, BT-Drucks, 12/2443, S. 80. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 1. 234 Begründung zum Reg.E. InsO, BT-Drucks., 12/2443, S. 79. 235 Neumann, S. 12; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 1. 236 Zur eingeschränkten Auslegung vgl. Smid/Smid, InsO, § 78 Rn. 3. 237 Jaeger/Ehricke, InsO, § 11 InsO Rn. 32; Gottwald, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 130 Rn. 22; Häsemeyer, Rn. 32.03; Uhlenbruck/Hirte, § 11 Rn. 394; K. Schmidt, Wege, S. 221; Jaeger/Weber, KO, §§ 207, 208, Rn. 10. 238 Ehricke, ZInsO 2002, 393; ders., in: Jaeger, § 11 Rn. 32; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 95 Rn. 2; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 394; Pau233
D. Der Konzern in der Insolvenz
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1. Der Konzern im Stadium des Insolvenzeröffnungsverfahrens Das Rechtsträgerprinzip führt zunächst zu notwendigen Insolvenzanträgen für jede einzelne Konzerngesellschaft. Bei juristischen Personen bestehen entsprechend separate Insolvenzantragspflichten für die jeweiligen Geschäftsführer und Vorstände. Da weder nach den deutschen noch europäischen Zuständigkeitsvorschriften ein einheitlicher Konzerngerichtsstand existiert, ist vor Stellung des Insolvenzantrages für jede Konzerngesellschaft individuell das örtlich zuständige Gericht zu ermitteln.239 Die zur Entscheidung berufenen Insolvenzgerichte haben dann jeweils über die Notwendigkeit von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren (§§ 21 ff. InsO) zu befinden. Ferner haben die Gerichte für jedes einzelne Konzernglied isoliert zu überprüfen, ob die Eröffnungsvoraussetzungen, insbesondere ein in §§ 17 ff. InsO geregelter Insolvenzgrund, vorliegt. a) Insolvenzgründe und Insolvenzursachen Dabei kommen zunächst die allgemeinen Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) in Betracht. Aber auch den speziellen Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) hat das Insolvenzgericht in Erwägung zu ziehen, weil die den Konzern zusammensetzenden Bausteine vornehmlich juristische Personen sind. Auch wenn im Ausgangspunkt eine strikte Verfahrens- und Beurteilungstrennung jedes einzelnen Konzerngliedes zu erfolgen hat, ist offensichtlich, dass Insolvenzursachen und Insolvenzgründe nur aus einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung zu erfassen sind. Die leistungswirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Verflechtung zwischen den Konzerngliedern führt in der Regel dazu, dass sich Krisen- und Insolvenzherd auf mehrere Insolvenzglieder übertragen und die Insolvenz eines Konzerngliedes eine Vielzahl anderer Konzernglieder mit in den Strudel reißt. In diesem Zusammenhang wird oft von einem „Domino-Effekt“ gesprochen.240 lus, ZIP 1996, 2141; Prütting, FS Metzeler, S. 1, 5; Uhlenbruck, NZI 1999, 41, 42; Wellensiek, ZGR 1999, 234, 237. 239 Damit ist nicht gesagt, dass ein konzernspezifischer Sachverhalt die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit für konzernverbundene Unternehmen nicht beeinflussen kann. Das Fehlen eines Konzerngerichtsstandes schließt lediglich einen gerichtlichen Zentralisierungsautomatimus kraft Konzerverbundenheit aus. Dazu ausführlich im 5. Teil der Arbeit. 240 Ehricke, Abhängige Unternehmen, S. 457; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 95 Rn. 2; FK/Jaffé, § 217 Rn. 174 d; Kübler, ZGR 1984, 560 ff.; Prütting, FS Metzeler, S. 1, 5; Rotstegge, S. 63 f.; Wellensiek, ZIP 1982, 1370; ders., ZIP 1984, 542; ders., ZGR 1999, 234, 236; vgl. auch Schlagzeile Handelsblatt vom
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
Die wesentliche Motivation der Konzernbildung, die Haftungsseparierung, zeigt sich in der Konzernpraxis oftmals nicht als isoliertes Insolvenzrisiko der einzelnen Konzernglieder, sondern bei enger leistungswirtschaftlicher Verflechtung allenfalls als separates Quotenrisiko. Die durch die Haftungsseparierung erstrebten „Brandschutzwände“ erweisen sich als durchlässig. Der Grund dafür liegt nicht immer in einer vorzuwerfenden Durchlöcherung seitens der Konzernspitze, wie noch zu zeigen sein wird. So entspricht es denn auch der Einschätzung erfahrener Insolvenzverwalter, dass es für eine konzernverbundene Tochtergesellschaft kaum möglich ist, sich den Folgewirkungen einer Insolvenz bei ihrem Mutternunternehmen zu entziehen.241 aa) „Domino Effekt“ aufgrund leistungswirtschaftlicher Konzernverflechtung Die Gründe, warum die Insolvenz eines Konzerngliedes – in der Regel die Mutter – eine Vielzahl von Konzerngliedern mit in den Strudel reist, sind vielfältig und können hier nur kurz umrissen werden. Vieles hängt wiederum vom Konzernaufbau und vom Grad der leistungswirtschaftlichen und finanzwirtschaftlichen Verflechtung ab. Am Anfang einer Unternehmenskrise steht in der Regel ein leistungswirtschaftliches Problem, dass sich zunehmend zu einem finanzwirtschaftlichen Problem entwickelt.242 In leistungswirtschaftlicher Hinsicht wird das Unternehmen strategisch falsch justiert, man verschläft die neusten technischen Entwicklungen, was mehr und mehr zu Absatzrückgängen führt243; es bestehen Produktivitätsdefizite244, der Einkauf ist zu teuer245, es wurden die falschen Investitionsentscheidungen246 getroffen, auf Branchenkrisen nicht rechtzeitig reagiert etc. Absatzrückgänge können dabei auch auf externe Faktoren zurückzuführen sein, wie etwa starke Rezession, Kostenexplosion auf Rohstoffmärkten, welche die Unternehmen nicht über die 26. Juni 2007: „Schieder-Töchter gehen reihenweise in die Insolvenz: Bislang 65 Insolvenzanträge“. 241 Kübler, ZGR 1984, 560, 569; vgl. auch Piepenburg, NZI 2004, 231, 233; Wellensiek, ZIP 1984, 541, 545. 242 Ley/Crone, in: Brühl/Göpfert (Hrsg), Unternehmensrestrukturierung, S. 93, 95; Wellensiek, ZIP 1984, 541, 541. 243 Ley/Crone, in: Brühl/Göpfert (Hrsg), Unternehmensrestrukturierung, S. 93, 95; Wellensiek, ZIP 1984, 541, 541. 244 Wellensiek, ZGR 1999, 234, 236. 245 Jaeger/Gerhardt, InsO, § 22 Rn. 160; vgl. auch IDW-Unternehmenskonzept, ZIP 1983, 1393. 246 Vgl. zur Insolvenzursache beim Herlitz-Konzern, Rattunde, ZIP 2003, 596 ff.
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Preise auf Abnehmer abwälzen können. Die leistungswirtschaftliche Krise entwickelt sich dann nach und nach zu einer finanziellen Krise, indem das Eigenkapital mehr und mehr angegriffen wird und die Liquidität nicht mehr gesichert ist.247 Diese leistungswirtschaftliche Krise wird im funktional-vertikal integrierten Konzern alle Konzernglieder gleichermaßen erfassen. Dieser Konzerntypus zeichnet sich ja gerade durch eine enge leistungswirtschaftliche Verflechtung aus. Indem unterschiedliche Rechtsträger an der Unternehmenswertschöpfung beteiligt sind, kommt es zu weitgehender produktionswirtschaftlichen und administrativen Abhängigkeiten der Konzernunternehmen untereinander.248 Die Krise ist in diesem Fall in der strategischen Gesamtausrichtung des Konzerns zu finden und betrifft alle Konzernglieder. Um auf das Extrembeispiel der rechtlichen Ausgliederung einer Wertschöpfungskette zurückzukommen, hieße dies, dass Forschungs-, Einkaufs-, verschiedene Produktionsgesellschaften und die Vertriebsgesellschaften gleichermaßen von der leistungswirtschaftlichen Krise betroffen sind. Kommt es zu einem Absatzrückgang, so wird dieser an die einzelnen Konzerngliedern weitergereicht. Mangels wirtschaftlich eigenständiger Tätigkeit werden sich solche Tochtergesellschaften der Insolvenz der Muttergesellschaft selten und wenn nur unter erheblichen Schwierigkeiten entziehen können.249 bb) „Domino Effekt“ aufgrund finanzwirtschaftlicher Konzernverflechtung Neben der leistungswirtschaftlichen Konzernverflechtung führen insbesondere finanzwirtschaftliche Verflechtungen der Konzernglieder untereinander zu einer Kettenreaktion in Krise und Insolvenz. Ursprung einer solchen finanzwirtschaftlichen Verflechtung zwischen den einzelnen Konzerngliedern ist oftmals eine zentrale Konzernfinanzierungsstrategie. Im Rahmen einer zentralen Finanzplanung wird für die verbundenen Unternehmen einheitlich festgelegt, welchen Beitrag jedes Unternehmen zum Konzernerfolg leisten muss, über welche Mittel es verfügen darf und wie diese aufzubringen sind.250 Zusätzlich zur zentralen Finanzplanung wird oftmals auch die Durchführung der Konzernfinanzierung zentral organisiert, etwa um Synergien bei der Kapitalbeschaffung zu nutzen.251 Die Deckung des 247
Ley/Crone, in: Brühl/Göpfert, Unternehmensrestrukturierung, S. 93, 95. Lehmann, FS Beusch S. 479, 484; Lutter/Scheffler/Schneider, in: dies., Handbuch der Konzernfinanzierung, 1.63; vgl. bereits oben, 1. Teil, B.III.2.b). 249 Vgl. Wellensiek, ZIP 1984, 541, 543; Gierson, S. 577, 577. 250 Emmerich/Habersack, § 4 III. 1. a), S. 52. 251 Durch die Zentralisierung der Kapitalbeschaffung und Verwendung werden Synergien (sog. Konzerneffekte) im finanzwirtschaftlichen Bereich verwirklicht. Es 248
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
Finanzbedarfs im Konzern erfolgt dann durch ein einzelnes Konzernunternehmen, in der Regel die Muttergesellschaft oder eine speziell hierfür vorgesehene Finanzierungstochtergesellschaft. Dabei tritt diese Konzerngesellschaft rechtlich gegenüber dem externen Kreditinstitut als Kreditnehmer auf und leitet die Kreditmittel an die jeweiligen Konzernunternehmen regelmäßig als konzerninternes Darlehen weiter.252 Sämtliche finanzierungsbezogenen Ein- und Auszahlungen laufen in diesem Fall über die Muttergesellschaft oder die Finanzierungsgesellschaft ab. Die zentrale Kreditaufnahme wird durch die Mithaftung der Tochtergesellschaften oder andere Kreditsicherheiten der Konzerngesellschaften gesichert.253 Bei einer zentralen Konzernfinanzierung kann sich die Krise der Tochter unmittelbar auf die Mutter auswirken. Kommt es zu einer leistungswirtschaftlichen Krise bei der Tochter (z. B. Absatzprobleme) und kann diese nicht entsprechende Liquidität aufbringen, um die von der Konzernmutter durchgereichten Darlehen zurückzuzahlen, wirkt sich die Zahlungsunfähigkeit der Tochter auch auf die Mutter aus, weil die Liquidität der Mutter wiederum von dem rechtszeitigen Durchreichen der ausgegebenen Kredite nach oben abhängt. Ein Übergreifen des Insolvenzgrundes auf andere Konzernglieder kann aber auch in der Einrichtung eines zentralen Cash-Managements seine Ursache haben. Um die Synergien aus Haben- und Sollzinsen konzernintern zu nutzen, ordnen sich die einzelnen Konzerngesellschaften in der Regel einer konzernweiten Liquiditätssteuerung (Cash-Managment) unter. Überschüssige Liquidität wird an die Betreibergesellschaft – meistens die Konzernmutter – abgegeben und dem Bedarf entsprechend an anderer Stelle weitergereicht. Die Tochter hat in diesem Fall zwar einen Darlehensrückzahlungsanspruch in Höhe der abgegebenen Liquidität. Der Darlehensrückzahlungsanspruch kann im Fall des eigenen Liquiditätsbedarfs jedoch bei anhaltenden Liquiditätsproblemen der anderen Konzernglieder unter Umständen nicht aktiviert werden.254 Dies kann die eigene Zahlungsunfähigkeit können Größenvorteile erzielt werden, indem sich die Kapitalnachfrage bündeln lässt. Insbesondere lassen sich Finanzierungskosten senken, die mengenabhängig sind, d.h. bei zunehmenden Finanzierungsvolumen degressiv steigen, wie beispielsweise Prospektkosten, Registerkosten, allgemein kostengünstigere Konditionen auf den Finanzmärkten, vgl. Theisen, S. 440. 252 Merkel, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, Rn. 17.26; Theisen, S. 440; ders., in: Lutter, Holding Handbuch, § 11, Rn. 4. 253 Eine Sicherheitenbestellung der Tochtergesellschaften für die Kreditaufnahme der Muttergesellschaften kann dabei in Konflikt zu den Kapitalerhaltungsvorschriften führen; vgl. dazu Maier-Reimer, in: Lutter/Scheffler/Schneider, Handbuch der Konzernfinanzierung, Rn. 16. 16 ff., Deyda, S. 27. 254 Vgl. BGH NJW 2001, 3623, 3623 „Bremer Vulkan“; Piepenburg, NZI 2004, 231, 234; Deyda, S. 28; Rotstegge, S. 26 f.; vgl. auch Ammelung/Kaeser, DStR 2003, 655, 659.
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– einer an sich ertragreich arbeitenden Tochter – bewirken bzw. aufgrund der Wertberichtigung im Fall der Insolvenz der Mutter oder Betreibergesellschaft zur Überschuldung führen. Eine finanzwirtschaftliche Verflechtung kann auch aus der leistungswirtschaftlichen Verflechtung stammen, etwa wenn der Absatz über eine Vertriebsgesellschaft des Konzerns erfolgt. Es besteht dann die Gefahr, dass der Absatz der eigenen Produktion keine direkte Auswirkung auf die eigene Liquiditätslage hat, denn im Rahmen des Finanzclearings hat die Warenlieferung der Produktionsgesellschaft an die Vertriebsgesellschaft lediglich die Erhöhung des Saldos im Verrechnungskonto der Konzernmutter zur Folge.255 Die Zahlungsfähigkeit hängt dann vom Durchreichen der Liquidität ab. Die Zahlungsunfähigkeit der Mutter führt in diesem Fall unmittelbar auch zur Zahlungsunfähigkeit der Produktionstochter.256 Da sich so bei der Tochter erhebliche Forderungen ansammeln können und diese im Fall der Insolvenz der Mutter im Wert zu berichtigen sind, kann dies gleichzeitig zu einer Überschuldung bei der Tochter führen. Schließlich bestehen im Fall der Insolvenz der Tochtergesellschaft bilanzrechtliche Auswirkungen auf die Muttergesellschaft, da diese die Beteiligungen an den Tochtergesellschaften abschreiben muss. Die durch die Abschreibung verursachte Verringerung der Aktiva im Überschuldungsstatus kann ebenfalls die Überschuldung der Mutter verursachen.257 Insgesamt besteht die Gefahr einer Kettenreaktion immer dann, wenn bei der Insolvenz eines Konzerngliedes mit hohen Forderungsausfällen bei den anderen Konzerngliedern zu rechnen ist. cc) Besonderheiten im Vertragskonzern Im Vertragskonzern besteht eine noch größere wechselseitige Abhängigkeit der Insolvenzgründe. Hier ist die Insolvenz der Tochtergesellschaft schon rechtlich kaum möglich ohne gleichzeitige Insolvenz der Muttergesellschaft. Was den Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) anbelangt, ist im Vertragskonzern zu bedenken, dass diese wegen des Verlustausgleichsanspruchs (§ 302 AktG) solange nicht eintreten kann, bis der Ausgleichs255 Vgl. dazu Wellensiek, ZIP 1984, 541, 543, im Zusammenhang mit der AEGTochter Neff-Werke GmbH. 256 So bei der an sich gesunden AEG-Telefunken Tochter Neff-Werke GmbH, die über keine eigene Vertriebsorganisation verfügte und bei ihrem Absatz auf eine AEG-Vertriebstochter (= Schwester) zurückgreifen musste, vgl. Wellensiek, ZIP 1984, 541, 543. 257 Deyda, S. 28.
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anspruch gegen das herrschende Unternehmen vollwertig ist.258 Durch die Verlustausgleichspflicht ist die Ausgeglichenheit der Bilanz der abhängigen Gesellschaft und damit die Befriedigung der Gläubiger gesichert.259 Erst wenn das Aktivvermögen der Mutter nicht mehr ausreicht, um den bei der Tochter eingerissenen Jahresfehlbetrag auszugleichen, ist der Verlustausgleichsanspruch der abhängigen Gesellschaft nicht mehr voll realisierbar und drückt ihre Bilanz u. U. ebenfalls in die Überschuldungszone. In diesem Fall liegt aber gleichzeitig auch der Insolvenzgrund der Überschuldung (§ 19 InsO) beim herrschenden Unternehmen vor. Wird daraufhin das Insolvenzverfahren über das Vermögen des herrschenden Unternehmens eröffnet, ist ein Rumpfgeschäftsjahr für eine Zwischenbilanz bei der abhängigen Gesellschaft zu bilden, um die bis dahin aufgelaufenen Verluste zu ermitteln. Die so ermittelte Forderung ist eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO.260 Etwaige Ansprüche von Gläubigern nach § 303 AktG entfallen, weil sie auf dasselbe Interesse wie der interne Verlustausgleichsanspruch gerichtet sind.261 Bei gleichzeitiger Insolvenz der Untergesellschaft hat der Insolvenzverwalter der Untergesellschaft den Verlustausgleichsanspruch zur Tabelle anzumelden.262 Anders als der Insolvenzgrund der Überschuldung kann der Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) bei der Untergesellschaft theoretisch auch ohne Insolvenz der Obergesellschaft entstehen. Nach herrschender Meinung geht mit der Verlustausgleichspflicht aus § 302 AktG nicht die Pflicht der Muttergesellschaft einher, einen Liquiditätsengpass zu beseitigen.263 Doch dürfte es der Untergesellschaft bei einem werthaltigen Verlustausgleichsanspruch aus § 302 AktG in der Regel gelingen, evtl. bestehende Liquiditätsmängel durch Aufnahme von Krediten zu überbrücken. Der Verlustausgleichsanspruch gegen die Mutter macht die Tochter für Banken zu einer „sicheren Schuldnerin“, solange die Mutter solvent ist.264 258 Acher, S. 14 ff.; Berthold, S. 52; Bitter, ZHR 166 (2002), 713, 717, mit deutlicher Kritik an den Erwägungen von Bous, 290; Lutter/Timm, ZGR 1983, 269, 279 f.; Meister, WM 1976, 1182, 1188; Paulus, ZIP 1996, 2141, 2142; Piepenburg, NZI 2004, 231, 233; K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 526; Uhlenbruck/Hirte, InsO § 11 Rn. 399; Wellensiek, ZIP 1984, 541, 542; GroßkommAktG/Würdinger, § 291 Anm 12. 259 Berthold, S. 55, Rn. 100. 260 Haas, in: Gottwald Insolvenzrechtshandbuch, § 95 Rn. 17; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 403, 407; MünchKomm InsO/Stodolkowitz, § 84 Rn. 16. 261 Häsemeyer, Rn. 32.11; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 403. 262 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 399; Kort, ZIP 1988, 681, 683. 263 Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht Rn. 712; Lwowski-Groeschke, WM 1994, 613, 615; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 95 Rn. 12; a.A. Berthold, Rn. 138 ff.
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Im Ergebnis dürfte im Vertragskonzern eine Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Töchter niemals vorliegen, wenn nicht auch die Mutter entsprechend überschuldet oder zahlungsunfähig ist. Umgekehrt ist eine insolvente Mutter mit gesunden Töchtern rechtlich durchaus denkbar, tatsächlich aber wohl eher selten der Fall.265 2. Der Konzern im Stadium des eröffneten Insolvenzverfahrens Der Rechtsträger bezogene Ansatz des Insolvenzrechts führt nicht nur zur isolierten Überprüfung der Insolvenzgründe für jedes einzelne Konzernglied, sondern verständlicherweise auch zur Eröffnung jeweils eines separaten Insolvenzverfahrens, wenn die Eröffnungsgründe durch die Insolvenzgerichte bejaht wurden. Werden mehrere Insolvenzverfahren über das Vermögen der einzelnen Konzernglieder – u. U. von verschiedenen Gerichten an verschiedenen Orten – eröffnet, so hat dies zunächst zur Folge, dass die Insolvenzgerichte nach § 56 InsO für jedes Insolvenzverfahren jeweils einen Insolvenzverwalter einsetzen. Dabei ist grundsätzlich von der Personenverschiedenheit der jeweils eingesetzten Insolvenzverwalter auszugehen.266 a) Einsetzung autonom agierender Insolvenzverwalter aa) Der Insolvenzbeschlag in der Unternehmensinsolvenz Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Schuldners hat allgemein die Bildung einer Insolvenzmasse und ihre Beschlagnahme zur Folge. Durch die Beschlagnahme soll dem Schuldner die freie Verwaltung und Verfügung des massezugehörigen Vermögens entzogen werden und in den Dienst der bestmöglichen Verwirklichung der Verfahrensziele (§ 1 InsO) gestellt werden.267 Die zur Insolvenzmasse zugehörigen Vermögensgegenstände werden den Gläubigern als Haftungsfond zu ihrer Befriedigung zugewiesen. Die Insolvenzmasse wird dabei durch alle der 264 Vgl. die Praxis der Kreditvergabe bei: Lwowski/Groeschke, WM 1994, 613, 613, welche der Kreditsicherungsfunktion der Konzernhaftung aus §§ 302, 303 AktG allerdings kritisch gegenüber stehen. 265 So etwa für ProSiebenSat.1 Media AG, als Tochter der insolventen Kirch Media GmbH & Co KG; vgl. Bitter, ZHR 166 (2002), 713, 715. 266 Die Frage, inwieweit über die Einsetzung eines personengleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Verfahren „künstlich“ ein einheitlicher Gestaltungswille erzeugt und damit ein Beitrag für eine koordinierte Verfahrensbewältigung geschaffen wird, wird im dritten Teil (Koordinationsmechanismen) näher zu erörtern sein. 267 Graf-Schlicker/Scherer, InsO, § 80 Rn. 1; HK/Eickmann, InsO, § 80 Rn. 1.
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Vollstreckung unterliegenden dinglichen Berechtigungen des Schuldners gebildet (§§ 35 ff. InsO).268 Der Entziehung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners folgt im Regelinsolvenzverfahren der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter (§§ 80, 148 InsO).269 Dieser hat nun als „Treuhänder des Verfahrenszwecks“ (§ 1 InsO) die Masse zu verwalten und zu verwerten. Dabei führt der Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners über das massezugehörige Vermögen jedoch nach allen noch heute vertretenen Verwaltertheorien, insbesondere der herrschenden Amtstheorie, nicht zum dinglichen Verlust. Der Schuldner bleibt vielmehr Eigentümer bzw. Inhaber der Massegegenstände, bzw. wird Eigentümer für die Masse neu erworbener Gegenstände.270 Führt der Schuldner im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung ein Unternehmen, so fallen zunächst die das Unternehmen (den Betrieb) ausmachenden Vermögensgegenstände in die Insolvenzmasse und werden entsprechend vom Insolvenzbeschlag erfasst. Zusätzlich fällt nach mittlerweile ganz herrschender Meinung das Unternehmen selbst in die Insolvenzmasse.271 Die Pflicht des Insolvenzverwalters, das Vermögen des Schuldners zu verwalten, verdichtet sich in diesem Fall zu einer Pflicht des Insolvenzverwalters, dass in die Insolvenzmasse fallende Unternehmen (als Pool produktiver Ressourcen) bis zum Berichtstermin (§ 157 InsO) fortzuführen.272 In diesem hat die Gläubigerversammlung über die Art der Verwertung zu entscheiden. Das Votum der Gläubigerversammlung stellt für den Verwalter die Handlungsmaxime der dann folgenden Verwertungshandlungen dar. bb) Kompetenzaufteilung im Rahmen der Gesellschaftsinsolvenz Die Insolvenz von Personen- und Kapitalgesellschaften findet in der deutschen Insolvenzordnung keine besondere Berücksichtigung. Das oben beschriebene Szenario ist demnach im Grundsatz auch auf die Gesellschaftsinsolvenz zu übertragen. Die Insolvenzmasse wird aus dem der Gesellschaft zugeordneten Vermögen (Gesellschaftsvermögen) gebildet.273 Wie in der In268
HK/Eickmann, InsO, § 35 Rn. 3. HK/Eickmann, InsO, § 80 Rn. 1; Gerhardt ZZP 109 (1996), 415 ff. 270 RGZ 105, 314; BGHZ 49, 11, 13; Graf-Schlicker/Scherer, InsO § 80 Rn. 1; HK/Eickmann, InsO, § 80 Rn. 3; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 80 Rn. 5. 271 Heute ganz h. M., Jaeger/Henckel, KO, § 1 Rn. 8; Kilger/K. Schmidt, KO, § 1 Anm 2 D; HK/Eickmann, InsO, § 80 Rn. 1; Kübler/Prütting/Holzer, InsO, § 35 Rn. 70; MünchKomm InsO/Lwowski, § 35 Rn. 464; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rn. 276; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 46. 272 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 135. 273 K. Schmidt, Wege, 69; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 1. 269
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solvenz des Einzelkaufmanns fällt auch das von der Kapitalgesellschaft getragene Unternehmen (Betrieb) in die Insolvenzmasse und ist haftungsrechtlich den Gläubigern der Gesellschaft zur Befriedigung ihrer Forderungen zugewiesen. Auch hier wird der Gesellschaft, d.h. ihrem Exekutivorgan, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse entzogen und einem Insolvenzverwalter übertragen. Die Herrschaftsgewalt über das Unternehmen wird demnach auch in der Insolvenz einer Kapitalgesellschaft auf einen vom Gericht eingesetzten Amtstreuhänder übertragen. Durch diese Übertragung werden die Gesellschaftsorgane jedoch nicht vollständig aus ihrem Amt verdrängt. Trotz der mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens verbundenen Auflösung der Gesellschaft (§§ 60 Abs. 1 Nr. 4, GmbHG § 262 Nr. 3 AktG) bleibt das Exekutivorgan im Grundsatz für die Gesellschaft zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigt.274 Dies hat zur Folge, dass sich im Insolvenzverfahren einer Kapitalgesellschaft die Organe der Gesellschaft (etwa Geschäftsführer, Gesellschafterversammlung einer GmbH) den Organen der Gläubiger (Insolvenzverwalter, Gläubigerversammlung, ggf. Gläubigerausschuss) gegenüberstehen. Die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen den Organen des Insolvenzverfahrens und den Gesellschaftsorganen erfolgt dabei anhand des Verfahrenszwecks aus § 1 InsO. Die Organe der Gesellschaft werden kraft Insolvenzrecht aus allen massebezogenen Kompetenzen durch den Insolvenzverwalter verdrängt (sog. Verdrängungsbereich).275 Den Organen der juristischen Person verbleibt lediglich eine Restkompetenz, die sich auf die Verfügungsbefugnis des nicht vom Insolvenzbeschlag erfassten Vermögens der Gesellschaft276 und den rein verbandsinternen Angelegenheiten bezieht. Der vermögensbezogene Ansatz der deutschen Insolvenzordnung greift grundsätzlich nicht in den originären Verbandsbereich ein. Im verbandsinternen Bereich bleiben die Kompetenzen der Gesellschaftsorgane, wie etwa die Befugnis der Geschäftsführer, die Gesellschafterversammlung einzuberufen oder die Befugnis der Gesellschafterversammlung, einen bestimmten Geschäftsführer zu wählen oder abzuwählen, bestehen.277 Diese verbandsinterne Kompetenzen spielen insbesondere im Rahmen einer Reorganisation eine wichtige Rolle. Reorganisationsmaßnahmen wie etwa die Herabsetzung des Stammkapitals in Verbindung mit einer Kapitalerhöhung §§ 55, 58 GmbHG (Kapitalschnitt) gehören zum ver274 RGZ 76, 244, 246; 127, 197, 200; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 120; Schneider, FS Oppenhoff, S. 349, 350; Jaeger/Weber, KO, § 207 f. Rn. 28, 32. 275 RGZ 76, 244, 246; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 118; Weber, KTS 1970, 73 ff. 276 Nach h. M. besteht auch bei juristischen Personen die Möglichkeit der Freigabe von Massegegenständen durch den Insolvenzverwalter, vgl. zum Meinungsstand Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzhandbuch, § 27 Rn. 8. 277 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 118; Schneider, FS Oppenhoff, S. 349, 350; Noack, ZIP 2002, 1873, 1876.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
bandsinternen Bereich und somit zur Entscheidungskompetenz der Gesellschaftsorgane.278 Die Gesellschaftsorgane nehmen aber insbesondere auch Aufgaben und Pflichten des Schuldners im Insolvenzverfahren wahr (Insolvenzschuldnerbereich).279 Die Befugnisse des Schuldners im Insolvenzverfahren, beispielsweise das Recht, einen Insolvenzplan vorzulegen (§ 218 Abs. 1 S. 1, 2. Alt InsO), werden bei einer juristischen Person nach außen hin durch das Geschäftsführungsorgan wahrgenommen, wobei es dabei intern der Willensbildung anderer Organe nach den Grundsätzen der jeweils einschlägigen Verbandsverfassung unterliegt.280 cc) Verhältnis Insolvenzbeschlag und Konzernleitungsmacht Die bisher herausgearbeiteten Grundlagen für die Abgrenzung zwischen den Kompetenzen des Insolvenzverwalters und den Kompetenzen der Organe der Gesellschaft können die Aufspaltung der operativen Planungs- und Entscheidungseinheit Konzern in separate Entscheidungseinheiten erklären, welche gerade Anlass für die Suche nach Koordinationsmechansimen gibt. Die Aufspaltung des Konzerns erfolgt durch den Übergang des von der Untergesellschaft getragenen, abhängigen Unternehmens in eine nun autonom vom Insolvenzverwalter regierte Betriebseinheit. Indem der Untergesellschaft die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das von ihr getragene Unternehmen entzogen und auf den Insolvenzverwalter übertragen wird, kann die Obergesellschaft die gesellschaftsrechtlich vermittelten Einflussmöglichkeiten auf die Untergesellschaft nicht mehr zur Ausrichtung des von ihr getragen Unternehmens verwenden. So kann im faktischen GmbH-Konzern die Obergesellschaft über die Mehrheit in der Gesellschafterversammlung bzw. in ihrer Eigenschaft als Alleingesellschafterin dem im Amt verbleibenden Geschäftsführer zwar weiterhin Weisungen erteilen. Dieses gesellschaftsrechtlich vermittelte Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer kann jedoch inhaltlich nur soweit reichen, als der Geschäftsführer zur Wahrnehmung der Kompetenzen weiterhin berichtigt ist.281 Wie soeben dargestellt, beschränken sich die Befugnisse des Geschäftsführers im Regelverfahren aber auf unbedeutende Restkompetenzen des beschlagfreien Vermögens und der Wahrnehmung der 278
Vgl. dazu oben, 1. Teil, C.I.3. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 118; Schneider, FS Oppenhoff, S. 349, 350; Weber, KTS 1970, 73, 77 ff. 280 Uhlenbruck/Lüer, § 218 Rn. 11 f.; Schneider, FS Oppenhoff, S. 349, 350; Weber, KTS 1970, 73, 78 f. 281 Vgl. Acher, S. 119 ff.; 179; Bous, S. 295; Scholz/Schneider, GmbHG, § 37 Rn. 52; Hachenberg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 101. 279
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schuldnerischen Rechte. Die Steuerung des vom Insolvenzbeschlag erfassten Unternehmens der Untergesellschaft ist dem Geschäftsführer gerade nicht möglich, weil er insoweit von der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters der Untergesellschaft verdrängt wird. Gleiches gilt im Vertragskonzern. Unabhängig von der Frage, ob der Beherrschungsvertrag im Regelverfahren mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Ober- oder Untergesellschaft automatisch endet oder in der Wirkung suspendiert ist282, kann ein evtl. weiterexistierendes Weisungsrecht aus § 308 AktG gegenüber dem Vorstand nur so weit reichen, als dem Vorstand weiterhin Kompetenzen zustehen. Auch hier gilt, dass die Steuerung des zur Insolvenzmasse gehörenden Unternehmens dem Vorstand in der Insolvenz der Untergesellschaft entzogen und in die Kompetenz des Insolvenzverwalters übergeleitet wurde. Eine hierarchische Koordinierung des Konzernverbundes im Sinne einer einheitlichen Ausrichtung der von den Konzerngliedern getragenen Unternehmen ist über ein Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer oder Vorstand nicht mehr möglich. Eine über den Beherrschungsvertrag oder das Stimmrecht der Gesellschafterversammlung vermittelte hierarchische Koordination des Konzerngesamtverbundes wäre nur dann möglich, wenn der Vorstand oder Insolvenzverwalter der Obergesellschaft Weisungen auch gegenüber dem Insolvenzverwalter der Untergesellschaft erteilen könnte. Ein solches auf den Insolvenzverwalter der Untergesellschaft durchgreifendes Weisungsrecht wird jedoch meist mit einem Hinweis auf seine in §§ 60 f., 80 f., 91, 115 f., 148 InsO zum Ausdruck kommende unabhängige Stellung als nahezu unumstößliches Dogma abgelehnt.283 Dem Insolvenzverwalter soll nach der gesetzgeberischen Konzeption die Verwaltung der Masse im Interesse der Verfahrensbeteiligten zugeschrieben und damit dem Einflussbereich des Schuldners oder Dritten entzogen werden. Dies bedarf im Hinblick auf die noch herauszuarbeitenden Unterschiede zur Eigenverwaltung einer näheren Erörterung. Gegen die Weisungsunterworfenheit des Insol282
Siehe dazu ausführlich unten, 4. Teil, A.VII.2. Acher, S. 119; Berthold, Rn. 50; Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Anm 8b; Bous, S. 291 ff. zum Vertragskonzern, S. 340 zum faktischen GmbH-Konzern; Ehricke, ZInsO 2002, 393 ff.; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 529, 548; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch, § 95 Rn. 7; Häsemeyer, Rn. 32.09; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 397; Hommelhoff, JbFSt 1992/93, 471, 479; InsRKomm, Erster Bericht, Begr. zu LS 2.2.3., S. 167; Limmer, Haftungsverfassung, S. 343; Mertens, ZGR 1984, 542, 550; Peltzer, AG 1975, 309, 310; Samer, Beherrschungsverträge, S. 82 ff.; K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 527; Tschernig, S. 93; Jaeger/Weber, KO, §§ 207, 208 Anm 11; Wilhelm, Beendigung, S. 32; soweit ersichtlich erwägt nur Piepenburg, NZI 2004, 231, 235, den Insolvenzverwalter dem beherrschungsvertraglichen Weisungsrecht zu unterstellen; de lege ferenda Kübler, ZGR 1984, 560, 589. 283
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venzverwalters spricht zunächst der Wortlaut der die Folgepflicht anordnenden Normen in §§ 308 AktG und § 37 GmbHG. Nach § 308 Abs. 2 AktG ist der Vorstand verpflichtet, den Weisungen des herrschenden Unternehmens zu folgen; die Geschäftsführer haben nach § 37 Abs. 1 GmbHG die durch Gesellschafterbeschluss erfolgten Beschränkungen einzuhalten.284 Sowohl das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung aus § 37 GmbHG als auch das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht aus § 308 AktG ist Ausdruck einer gesellschaftsrechtlichen Verbandskompetenzverteilung und betreffen die Binnenstruktur der Gesellschaft.285 Durch den Abschluss des Beherrschungsvertrages wird die gesellschaftsrechtliche Verbandsverfassung der Untergesellschaft insoweit modifiziert, als nach § 308 AktG der Vorstand der beherrschten Gesellschaft intern der Willensbildung der Obergesellschaft unterworfen ist und letztere somit quasi als Organ der Untergesellschaft einrückt.286 Die Unterwerfung des Insolvenzverwalters unter das gesellschaftsrechtlich vermittelte Weisungsrecht ließe sich allenfalls durch eine entsprechende Anwendung auf den Insolvenzverwalter oder durch ein Einrücken des Insolvenzverwalters in eine dem Vorstand oder Geschäftsführer entsprechenden Organstellung erklären. Ein solches Einrücken entspricht jedoch nicht dem der herrschenden Amtstheorie287 zugrunde liegenden Verständnis von der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters. Nach der Amtstheorie geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter als Inhaber eines privaten Amtes über. Die Bezeichnung „privates Amt“ soll dabei die Trennung der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters von der Rechtsträgerschaft zum Ausdruck bringen.288 Der Schuldner bleibt 284 Vgl. Bous, der ein Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung nach § 37 GmbHG gegenüber dem Insolvenzverwalter ablehnt, da dieser seine Kompetenz nicht aus dem Verband ableitet und es deshalb an einem „Medium der Einflussnahme fehle“; vgl. auch K. Schmidt, Wege, S. 227 f., aus der Warte der modifizierten Vertretertheorie: „Der Insolvenzverwalter beziehe seine Herrschaftsmacht aus der Insolvenzorganisation und nicht aus der Gesellschaftsorganisation“; für den Vertragskonzern vgl. auch Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl. S. 283, 285: „Der Insolvenzverwalter der Untergesellschaft wird mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft nicht Vorstand“. 285 Eberl-Borges, WM 2003, 105, 107. 286 Würdinger, DB 1958, 1447, 1452; MünchKommAktG/Altmeppen, § 308 Rn. 33. 287 Die Amtstheorie ist in der Rechtsprechung seit der Entscheidung des Reichsgerichts, RGZ 29, 29 ff.; absolut vorherrschend und findet auch in der Literatur weitgehend Gefolgschaft, vgl. statt vieler Bork, Rn. 68; Häsemeyer, Rn. 15.06; Kübler/Prütting/Lüke, § 80 Rn. 32 ff.; MünchKomm/Ott, § 80 Rn. 20 ff.; Pape/Uhlenbruck, Rn. 165; Stürner, ZZP 94, (1981), 263, 286 ff.; Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 275. 288 Vgl. Häsemeyer, Rn. 15.06.
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nach der Konzeption der Amtstheorie zwar weiterhin Träger des vom Insolvenzbeschlag erfassten Vermögens, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht dabei jedoch originär insolvenzspezifisch auf den Insolvenzverwalter über, welcher diese im eigenen Namen, nicht etwa derivativ als Vertreter des Schuldners ausübt. Mit diesem Verständnis grenzt sich die Amtstheorie bewusst von der Vertretertheorie in ihren verschiedenen Facetten, insbesondere der neueren Vertretertheorie, ab. Letztere versteht den Insolvenzverwalter gerade als ein Organ der im Insolvenzverfahren verwickelten juristischen Person289 und nicht als ein das Vermögen des Schuldners verwaltender und im eigenen Namen handelnder Amtstreuhänder.290 Die Begründung der Amtstheorie liefert neben dem eher formalen Argument der fehlenden Verbandszugehörigkeit des Insolvenzverwalters das entscheidende wertungsmäßige Argument gegen die Weisungsunterworfenheit des Insolvenzverwalters. Die „Auslagerung“ des Insolvenzverwalters außerhalb des Verbandes stehend soll dem Umstand gerecht werden, dass der Insolvenzverwalter die Interessen aller Verfahrensbeteiligten zu wahren hat. Dazu gehören insbesondere die Interessen der Gläubiger. Das Verständnis des Insolvenzverwalters als Vertreter des Schuldners oder Organ des schuldnerischen Verbandes würde insbesondere seiner Verpflichtung den Gläubigern gegenüber nicht hinreichend gerecht. Die herrschende Amtstheorie befürchtet mit der Aufgabe einer funktionalen Trennung zwischen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und schuldnerischer Rechtsträgerschaft die Verwässerung der Interessenlage. Ein Organ (oder Vertreter) des Schuldners nehme die Interessen des Schuldners wahr, während der Insolvenzverwalter die Interessen aller Beteiligten im Blick behalten muss, die des Schuldners, aber insbesondere die der Gläubiger.291 Zwar leugnet die modifizierte Vertretertheorie nicht, dass der Insolvenzverwalter trotz Verbandszugehörigkeit ausschließlich dem Verfahrenszwecke des § 1 InsO verpflichtet ist, daher insbesondere die Interessen der Gläubiger bei der Ausübung seiner Befugnisse zu berücksichtigen sind. Die Vertreter der herrschenden Amtstheorie halten dieses Gebot der Neutralität jedoch nicht für ausreichend, sondern verlangen eine funktionale Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters vom Verband. Die Amtstheorie betont demzufolge die Sachwalterstellung des Insolvenzverwalters, der nicht Vertreter (Organ) eines bestimmten Beteiligten ist, sondern vielmehr eigenverantwortlich tätig werden muss, um das Ver289 Freilich schöpft auch nach der modifizierten Vertretertheorie der Insolvenzverwalter seine Kompetenzen nicht aus der gesellschaftsrechtsrechtlichen Verbandsverfassung, sondern wird nach Maßgabe insolvenzrechtlicher Normen berechtigt und verpflichtet, vgl. K. Schmidt, Wege, S. 104 ff.; 146 ff. 290 Vgl. K. Schmidt, Wege, S. 107 ff.; ders., KTS 1984, 345, 362 ff.; 370 ff.; Hess/Weis/Wienberg, InsO, § 80 Rn. 101. 291 Bork, Rn. 66; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 68.
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fahrensziel zu erreichen.292 Mit der Zuordnung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zum „Amt“ des Verwalters wird die objektive Funktionsbestimmtheit dieser Befugnis – Haftungsverwirklichung der Gläubiger – angemessen ausgedrückt.293 Mit letzterem lässt sich das Verständnis eines weisungsunterworfenen Insolvenzverwalters jedoch nicht vereinbaren. Der Insolvenzverwalter soll gerade unabhängig frei von Einflussnahmen Dritter, insbesondere des Schuldners, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis in Richtung einer optimalen Verwirklichung des Verfahrenszwecks (§ 1 InsO) ausüben können. Diese Unabhängigkeit von Schuldner und Gläubiger hat das Gericht durch eine ordnungsgemäße Auswahl des Insolvenzverwalters gerade sicherzustellen (§ 56 InsO). Abschließend kann somit festgehalten werden, dass die Unterwerfung des Insolvenzverwalters unter eine Konzernleitungsmacht nicht mit dem Verständnis eines autonomen, außerhalb des schuldnerischen Verbandes stehenden und den Interessen der Gläubiger verpflichteten Amtstreuhänders vereinbar ist. Die bloße Verpflichtung auf den Insolvenzverfahrenszweck aus § 1 InsO ist jedoch nicht ausreichend, um die fehlende Weisungsunterworfenheit des Insolvenzverwalters zu erklären, denn der Verfahrenszweck könnte gleichzeitig Grenze des Weisungsrechts der Obergesellschaft bilden.294 Es ist vielmehr die Konzeption eines autonomen, außerhalb des Verbandes stehenden Amtstreuhänders, welche die Konzernleitungsmacht unweigerlich mit Verfahrenseröffnung suspendiert. Jeder Insolvenzverwalter der einzelnen Tochtergesellschaften ist demnach in der Lage, die Masse frei von Einflüssen der Konzernspitze bzw. des Insolvenzverwalters der Muttergesellschaft zu führen, auch wenn der in seiner Masse fallende Pool produktiver Ressourcen Teil eines Konzerngesamtunternehmens ist. Auch die Verwertung der Masse kann der Insolvenzverwalter in den Grenzen der Entscheidungskompetenzen seiner Gläubigerversammlung unabhängig betreiben, auch wenn die Masse wirtschaftlich lediglich eine Teilfunktion des Gesamtkonzerns einnimmt. b) §§ 1, 159 InsO: Die freie Verwertungsentscheidung der Gläubiger Auch das Verwertungsschicksal der Einzelmassen wird in den einzelnen Verfahren autonom durch die jeweilige Gläubigerversammlung oder jeweiligen Gläubigerausschuss entschieden. Der Insolvenzverwalter hat dabei das 292
Pape/Uhlenbruck, Rn. 165; vgl. auch Tschernig, S. 93; zur Konkursordnung vgl. Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286. 293 Häsemeyer, Rn. 15.06; vgl. auch Bork, Rn. 68. 294 Vgl. so im Ergebnis AG Duisburg, ZIP 2002, 1636, 1640, „Babcock-Borsig“.
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Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen, um sodann auf Grundlage eines von ihm zu erstellenden Berichts die Entscheidung der Gläubigerversammlung über die Fortführung des Unternehmens einzuholen. Die Gläubiger müssen über die Fortführung des Unternehmens beschließen (§ 157 InsO). Die Gläubigerversammlung kann insbesondere im Berichtstermin einen Beschluss über die Art und Weise der Verwertung treffen, an die der Insolvenzverwalter bei der Durchführung der Verwertung gebunden ist (§ 159 InsO).295 Trotz der möglichen wirtschaftlichen Verzahnung der einzelnen Konzernglieder agiert jede Gläubigerversammlung im Grundsatz autonom, d.h. unabhängig von der Entscheidung in den anderen Insolvenzverfahren. 3. Ergebnis: Aufspaltung der wirtschaftlichen Planungsund Handlungseinheit Konzern Die konsequente Anwendung des der Insolvenzordnung zugrunde liegenden Rechtsträgerprinzips führt zu einer Aufspaltung der vormals über die Konzernleitungsmacht abgesicherten Planungs- und Entscheidungseinheit Konzernunternehmen in eine Vielzahl separater Entscheidungseinheiten. Es wird gerade nicht der Konzernverbund als unternehmerische Organisationseinheit vom Insolvenzbeschlag erfasst (§§ 35, 80 Abs. 1 InsO) und in den Dienst der Befriedigung der Gläubiger des Konzerns gestellt.296 Vielmehr wird der dem jeweiligen Konzernglied zugeordnete Pool produktiver Ressourcen isoliert vom Insolvenzbeschlag erfasst und in den Dienst der Gläubigerbefriedigung (§ 1 InsO) gestellt. Entscheidungsträger sind im Regelfall jeweils unterschiedliche Insolvenzverwalter, Insolvenzrichter und Gläubigerversammlungen/Gläubigerausschüsse. Neben der personalen Aufspaltung kommt es zu einer Zielaufspaltung. Im werbenden Konzern besteht das vornehmliche Ziel, die einzelnen Konzernglieder auf ein einheitliches Konzerninteresse auszurichten, um auf diese Weise den Gesamtertrag zu maximieren. Die Ressourcen sollen demnach zu einem optimalen Gesamtergebnis kombiniert werden. Im Insolvenzverfahren hingegen steht die optimale Verwertung der Einzelmassen im Vordergrund. Für jedes Verfahren soll die bestmögliche Befriedigung der dem Rechtsträger zugeordneten Gläubiger ermöglicht werden. Diese Aufspaltung der vormals wirtschaftlichen Planungseinheit Konzern kann in zweierlei Hinsicht zu Problemen führen. Zunächst erweist sich die Unternehmensfortführung als problematisch. Die Insolvenzverwalter der ein295
HK/Flessner, InsO, § 159 InsO Rn. 3. Zu diesem Verständnis neigt allerdings der Ökonom Albach, ZfB 1984, 773, 776, 778. 296
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zelnen Konzernglieder haben – unabhängig von der Verwertungsentscheidung – die Unternehmen bis zum Berichtstermin und in der Regel über diesen hinaus fortzuführen (vgl. § 157 InsO). Je nach Konzernstruktur erfüllt nur der Konzernverbund die Eigenschaft eines Unternehmens. Insbesondere, wenn die Konzernglieder bloß Teilfunktionen eines Unternehmens übernehmen, kann ein Unternehmen nicht losgelöst vom Konzernsachverhalt fortgeführt werden. Dieses Fortführungsproblem wird beim funktional-vertikal integrierten Konzern besonders deutlich. Werden die Einheiten einer Wertschöpfungskette eines Produktes oder Leistung auf eine Vielzahl von rechtlich selbständigen Rechtsträgern verteilt, bevor es einen marktzugänglichen Fertigungsgrad erreicht, müssen die Produktionsschritte weiterhin aufeinander abgestimmt, d.h. koordiniert werden. Im werbenden Konzern war die Konzernleitungsmacht maßgebliches Instrumentarium für eine Koordinierung der einzelnen Produktionsschritte. Die Konzernspitze konnte die rechtliche Durchsetzung hierarchisch vorgegebener allgemeiner Zielvorgaben bis hin zur konkreten Weisung über die Konzernleitungsmacht rechtlich absichern.297 Befinden sich Mutter und Tochter in einem Insolvenzverfahren, greift die Konzernleitungsmacht im Regelverfahren nicht durch.298 Die Konzernleitungsmacht kann eine Koordination der Einzelfunktionen nicht mehr gewährleisten. Vielmehr hängt die Fortführung von der freiwilligen Zusammenarbeit der unabhängig agierenden Insolvenzverwalter ab. Koordinierungsbedarf bei parallelen Konzerninsolvenzverfahren besteht demnach zunächst bei der Bewerkstelligung der Unternehmensfortführung. Die koordinierte Unternehmensfortführung ist dabei jedoch kein Selbstzweck, sondern notwendige Bedingung für eine möglicherweise wirtschaftlich vorteilhafte Verwertung des Gesamtkonzernunternehmens. Bei einem stark integrierten Konzern werden die oben ausführlich dargestellten Verwertungsoptionen – abgesehen von einer sofortigen Einzelzerschlagung im Wege der Liquidation – oftmals nur im Konzerngesamtkontext möglich sein. Die Verwertungsentscheidung wird jedoch nicht im Konzerngesamtkontext, sondern von den Insolvenzverwaltern in den einzelnen Verfahren vorbereitet und letztlich von den Gläubigerversammlungen getroffen. Diese isolierte Entscheidungsfindung über die Verwertung steht dabei gewissermaßen im Widerspruch zum Faktum der wirtschaftlichen Verflochtenheit. Jede Neuausrichtung oder Liquidationsentscheidung über ein Konzernunternehmen hat zwangsläufig Auswirkung auf die Wirtschaftseinheit Konzern.299 Entscheiden sich etwa die Gläubiger der Konzernmutter für eine Fortfüh297
Siehe oben, 1. Teil, B.III.2.b)bb)(2)(b). Siehe ausführlich oben, 1. Teil, D.I.2.a). 299 MünchKomm InsO/Eidenmüller, Vor §§ 217 Rn. 35; ders., Unternehmenssanierung, S. 35. 298
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rung des Unternehmens, um eine Reorganisation oder eine übertragende Sanierung nach evtl. vorheriger werterhöhender Restrukturierung zu ermöglichen, dann kann die Entscheidung der Gläubiger der Tochtergesellschaft diese Absicht unmittelbar torpedieren. Lässt etwa ein Stammhauskonzern einen vorgelagerten Produktionsschritt durch eine selbständige Tochtergesellschaft erstellen, dann sind die Gläubiger der Obergesellschaft in ihrer Entscheidung zur Fortführung des Unternehmens auf eine entsprechende Entscheidung der Gläubiger der Tochtergesellschaft angewiesen. Entscheiden sich die Gläubiger der Untergesellschaft dagegen im Berichtstermin für eine Verwertung im Wege der Liquidation, dann hätte die Einzelzerschlagung für die Obergesellschaft schlimmsten Falls die Folge, dass sie nun ebenfalls zu einer entsprechenden Verwertungsentscheidung gezwungen würden, obwohl aus ihrer Perspektive eine übertragende Sanierung oder Sanierung die günstigere Verwertungsalternative gewesen wäre. Dass sich die Gläubiger einer notwendigen Tochtergesellschaft für die Liquidation und gegen die fortführende oder übertragende Sanierung entscheiden, muss dabei nicht unbedingt auf einer unterschiedlichen Fortführungsprognose beruhen. Vielmehr ist denkbar, dass der Abstand zum Einzelzerschlagungswert bei der Untergesellschaft wesentlich geringer ist, etwa wenn eine „Forschungstochter“ Inhaberin von werthaltigen Patenten ist, welche sich im Wege der Einzelveräußerung bei gleichzeitiger Zerschlagung des wertlosen Restvermögens bequem durch Einzelveräußerung verwerten lässt. Die Mutter ist aber möglicherweise auf die Patente und Forschungseinrichtung zur möglichen Absicherung ihrer Innovationskraft angewiesen. Als Ergebnis kann somit festgehalten werden, dass insbesondere im stark zentral-funktional integrierten Konzern eine Vielzahl von Entscheidungen des Insolvenzverwalters im Rahmen der Fortführung seines Unternehmens unmittelbar Auswirkung auf die Fortführung eines anderen Konzernunternehmens durch seinen Verwalterkollegen haben kann. Die Gläubiger der einzelnen Konzernglieder können zwar rechtlich autonom ihre Verwertungsentscheidung im Berichtstermin treffen, faktisch werden sie jedoch erheblich durch die Entscheidung der Gläubiger anderer Konzerngesellschaften beeinflusst.
II. Bewertung des Rechtsträgerprinzips 1. Konzernweite Verwertungsstrategien als effiziente Ausnutzung der Verwertungsoptionen Bedenkt man, dass je nach Konzernorganisation der Konzern die wirtschaftliche Einheit darstellt, dann liegt auf der Hand, dass eine Verwer-
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tungslösung zu Fortführungswerten, sei es im Wege einer übertragenden Sanierung oder Reorganisation, nur bei konzernweiten Lösungen erreicht werden kann. Isolierte Verwertungsstrategien können dann unter Umständen nur zu Liquidationswerten erreicht werden, aber zumindest wird der Fortführungswert eines Konzerngliedes nicht voll ausgeschöpft werden können. Die Realisierung von Fortführungswerten ist dabei nicht zwingend mit der Erhaltung des Gesamtkonzernunternehmens verbunden, sondern fortführende und übertragende Sanierung des Gesamtkonzerns können auch mit einer Abspaltung oder Liquidation einzelner Unternehmen oder Betriebe einhergehen. Entscheidend ist lediglich, dass aufgrund der Besonderheit der rechtsträgerübergreifenden betriebswirtschaftlichen Organisation mit großer Wahrscheinlichkeit eine über die einzelnen Rechtsträger hinausgehende Verwertungskombination im Ergebnis eine bessere Gesamtverwertung garantiert als Mikroverwertungstrategien in den einzelnen Verfahren. Eine zwischen den einzelnen Insolvenzverwaltern und Gläubigerversammlungen abgestimmte Gesamtverwertungsstrategie kann demnach zu einer Maximierung der insgesamt über alle insolventen Konzernunternehmen verfügbaren Haftungsmasse führen und bei entsprechender Verteilung und Partizipation im Interesse aller Gläubiger sein.300 Dieser theoretisch einleuchtende Befund wird durch ein Beispiel aus der Praxis bestätigt. Im Rahmen der Insolvenz des grenzüberschreitend stark integrierten mittelständischen Automobilzulieferkonzern Collins & Aikman301 wurde durch die Umsetzung eines konzernweiten Gesamtverwertungskonzepts nachweislich ein Mehrwert von 45 Mio. Euro geschaffen, der allen Gläubigern im Konzern zugute kam.302 Aber auch bei dezentralen, horizontalen Konzernen kann eine koordinierte Verfahrensbewältigung sinnvoll sein, insbesondere wenn eine konzernweite Sanierung angestrebt wird. In diesem Fall könnten Skaleneffekte wie beispielsweise gemeinträchtige Verwaltungsbereiche (Personal, EDV, Rechnungswesen, Recht und Steuern) auf der Ebene der Muttergesellschaft weiterhin genutzt werden. Es wäre ineffizient, wenn diese Aktivitäten von allen einzelnen Konzernunternehmen aufgebaut und durchgeführt werden müssten.303 Wegen der besonderen Bedeutung einer koordinierten Unternehmensfortführung und Verwertung sollen die nachfolgenden Ausführungen jedoch den zentralen, funktional integrierten Konzern im Blick haben. 300 Vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 800; ders., ZHR 169 (2005), 528, 533; Kübler, ZGR 1984, 50, 562 ff. 301 High Court of Justice London, NZI 2006, 654 ff. „Collins & Aikmann“. 302 Vgl. Ausführungen bei Meyer-Löwy/Plank, NZI 2006, 622, 623; Vallender, NZI 2007, 129, 134. 303 Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 534; Piepenburg, NZI 2004, 231, 235.
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2. Gründe für das Scheitern von koordinierten und gemeinsam abgestimmten Verwertungen Wie oben herausgearbeitet, kann eine Gesamtverwertungsstrategie im Stadium der Unternehmensfortführung und Verwertungsentscheidung scheitern. Besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Gesamtveräußerungsstrategie der Gesamterlös höher ist als die Einzelerlöse bei der Durchführung von Mikrostrategien in den jeweiligen Verfahren und dass bei einer entsprechenden Verteilung an die Gläubiger alle im Ergebnis besser befriedigt werden als bei der Implementierung von Mikrostrategien, so stellt sich die Frage, warum Gesamtverwertungsstrategien in der Praxis der Konzerninsolvenzen304 oftmals scheitern. Warum kooperieren die Beteiligten, insbesondere die Insolvenzverwalter, oftmals nicht? Zunächst werden kognitive Gründe genannt. So werden Wertschöpfungspotentiale aufgrund von Defiziten in der Informationsaufnahme und/oder Verarbeitung von den Verwaltern in den einzelnen Verfahren einfach nicht erkannt, weil jeder Verwalter nur „einen (seinen) Teil“, keiner aber den gesamten Konzern kennt.305 Von Insolvenzrichtern wird berichtet, dass Insolvenzverwalter oftmals nicht bereit sind, mit bestimmten Kollegen zusammenzuarbeiten oder grundsätzlich ungern „im Team“ mit dem anderen Insolvenzverwalter arbeiten und damit lieber gewissermaßen als Einzelkämpfer Mikrostrategien verfolgen.306 Eine auf freiwillige Kooperation beruhende Gesamtverwertungsstrategie kann auch aus Mangel an Rechtssicherheit und Verbindlichkeit scheitern. Gesamtverwertungsstrategien bedürfen der Vorbereitung im Insolvenzverfahren, welche im Hinblick auf ihre Verwertungsrealisierung für die einzelnen Verwalter mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein können. Die Abstimmung auf das gemeinsame Ziel einer Gesamtverwertung kann zumindest mittelfristig mit Einbußen verbunden sein. So könnten die Insolvenzverwalter etwa zunächst eine gemeinsame Sanierung und die Ausarbeitung von aufeinander abgestimmten Sanierungsplänen abgesprochen haben. Weicht etwa der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft von einer Gesamtsanierungsstrategie ab und hat der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft bereits aufwendige Maßnahmen, wie etwa die Verschaffung eines Massekredits, leistungswirtschaftliche Restrukturierung etc. teilweise durch304
Vgl. etwa die offensichlich wertvernichtenden Mikrostrategien im Rahmen der Insolvenz des AEG-Telefunken Konzerns, Kübler, ZGR 1984, 560, 562 ff., 569 f. und des KPNQwest Konzerns, van Galen, I. 305 Vgl. FK Kind, InsO, § 56 Rn. 37; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 535. 306 Vgl. Graeber, NZI 2007, 265, 267; zur unterschiedlichen Kooperationsbereitschaft zwischen den Verwaltern vgl. auch Braun, NZI 2003, 588, 590.
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geführt, so wären die damit verbundenen Kosten u. U. nutzlose Aufwendungen. Dies würde insbesondere dann gelten, wenn die Sanierung der Muttergesellschaft von dem Verbleib der Tochtergesellschaft im Konzernverbund abhängt, bzw. zumindest Leistungen der Tochtergesellschaft für die Aufrechterhaltung des Konzerngesamtunternehmens erforderlich sind. Vor dem Hintergrund, dass es sich bei einem Insolvenzverfahren nicht um ein punktuelles Ereignis handelt, sondern um ein mehrere Monate, ja sogar Jahre in Anspruch nehmendes Verfahren handeln kann307, wird deutlich, dass eine solche Gesamtabwicklungsstrategie als dynamischer Prozess jederzeit erneut auf die Probe gestellt wird. Die autonome Entscheidungskompetenz der Insolvenzverwalter und Gläubigerversammlung, die ein jederzeitiges Abweichen von abgesprochenen Strategien ermöglicht, mag manchen Insolvenzverwalter davon abhalten, überhaupt eine gemeinsame Strategie zu verfolgen, jedenfalls dann, wenn er für seine Masse zunächst einmal nachteilige Maßnahmen ergreifen muss. Entscheidender Grund für das häufige Scheitern dürfte jedoch sein, dass bei einer konzernweiten Verwertungsstrategie die Insolvenzverwalter vorab ein Distributionsproblem lösen müssen.308 Genau wie im werbenden Konzern die optimale Ausrichtung auf ein Konzerngesamtinteresse nicht zwingend mit einer optimalen Ausrichtung der Einzelinteressen der konzernzugehörigen Gesellschaften verbunden ist309, wird der durch eine koordinierte Verwertung geschöpfte Mehrwert in der Regel nicht proportional auf die Einzelmassen fallen. So kann eine im Gesamtergebnis optimale Verwertung bei einer Einzelmasse konkret nachteilige Folgen haben. In diesem Fall wird der Insolvenzverwalter nur bei entsprechender Ausgleichszahlung bereit sein, an einer Gesamtstrategie teilzunehmen. Gleiches gilt bezüglich der Verteilung des Kooperationsgewinns, d.h. welche Masse bekommt welchen Anteil an dem durch eine Gesamtverwertung geschaffenen Mehrwert. So wäre im Rahmen einer konzernweiten übertragenden Sanierung zwischen den einzelnen Insolvenzverwaltern der Konzernglieder auszuhandeln, wie viel vom Gesamterlös auf seine Masse abfällt. Ist der Konzern die Bewertungseinheit310, dann steht für den Käufer der Gesamtkaufpreis im Vordergrund. Die Zuordnung dieses Kaufpreises auf die Massen der einzelnen Konzernglieder interessiert den Käufer nicht und Berichten aus der Praxis zufolge wollen Investoren aus diesem Zuordnungsproblem 307 Reorganisationsverfahren dauern in Deutschland im Durchschnitt 3,82 Jahre, vgl. Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 477, aber auch andere Verwertungsarten können das Insolvenzverfahren über mehrer Jahre fortdauen lassen, vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231 ff. 308 Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 535. 309 Siehe oben, 1. Teil, B.V. 310 Siehe dazu oben, 1. Teil, B.III.2.b)cc).
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möglichst herausgehalten werden.311 Die Insolvenzverwalter haben sich demnach vorab über die Verteilung des Gesamtkaufpreises auf die einzelnen Massen zu verständigen. Wenn alle versuchen, jeweils das Maximum für die von ihnen verwaltete Masse zu erreichen, scheitern die Verhandlungen möglicherweise und der Kooperationsgewinn bleibt unrealisiert (Verhandlungsdilemma).312 Die Schwierigkeiten für eine kooperative Lösung potenzieren sich noch, wenn eine Konzerngesellschaft eine strategisch bedeutsame, spezifisch unsichere Leistung innerhalb der Gesamtwertschöpfungskette des Konzerns übernimmt. Einer Vertiefung dieses Problems sollen die Erfahrungen aus der Insolvenz des Babcock-Borsig-Konzerns vorangestellt werden. Die Babcock Borsig AG als Konzernmutter (Stammhaus) betätigte sich überwiegend im Kraftwerksbau.313 Trotz der Insolvenz hatte die Muttergesellschaft aber äußerst lukrative Großaufträge zum Bau von Kohlekraftwerken, die sie zur Masseanreicherung unbedingt erfüllen wollte. Die Kernsparte Kraftwerksbau des Babcock Borsig Konzerns war jedoch wirtschaftlich auf eine Vielzahl von insgesamt 360 Tochtergesellschaften verteilt (funktional-vertikale Integration). Die Durchführung von Großprojekten im Kraftwerksbau erfolgte in der Weise, dass das Stammhaus, die Babcock-Borsig AG, im Außenverhältnis die Verträge mit den Auftraggebern schloss und sie entsprechend gegenüber dem Vertragspartner erfüllte. Im Innenverhältnis bediente sich die Babcock-Borsig AG jedoch einer Vielzahl von – nun ebenfalls im Insolvenzverfahren befindlichen – Zuliefertöchtern. Die Funktionen der Wertschöpfungskette bis zum Kraftwerk befanden sich somit auf verschiedenen Tochter- und Enkelgesellschaften des Stammhauses. Manche Tochtergesellschaften waren ausschließlich durch Zulieferfunktionen im Konzern ausgelastet. Einige konnten dagegen ihr eigenes Geschäft über Drittkunden stabil halten.314 An dieser Stelle soll die Einschätzung des damaligen Insolvenzverwalters Piepenburg wiedergegeben werden: „Wären nun bei allen Tochtergesellschaften der Babcock Borsig AG unterschiedliche Insolvenzverwalter oder Sachwalter eingesetzt, würde dieses Kräfteverhältnis auf Biegen und Brechen getestet.“315 311 Vgl. Spliedt, S. 31, 45; vgl. auch Duursma-Kepllinger/Chalupsky, in: Feldbauer-Durstmüller, Sanierungsmanagement, S. 978, 993. 312 Vgl. allgemein zum Verhandlungsdilemma in diesem Zusammenhang, Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 535. 313 Piepenburg, NZI 2004, 231, 234. 314 Piepenburg, NZI 2004, 231, 234. 315 Piepenburg, NZI 2004, 231, 234, genauer handelte es sich um den erfahrenen Insolvenzverwalter Horst Piepenburg, der vor Eröffnung des in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahrens vom Aufsichtsrat zum Vorstandsvorsitzenden der Babcock-Borsig AG gewählt wurde.
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Diese Einschätzung entspricht der oben beschriebenen „hold-up“-Problematik.316 Diese zu umgehen war gerade eine Erklärung für die Existenz vertikal integrierter Organisationsformen wie dem Konzern.317 Es besteht immer dann die Gefahr zu opportunistischem Verhalten eines Vertragspartners, wenn Transaktionen von einem Vertragspartner eine transaktionsspezifische Investition voraussetzt, d.h. eine Investition außerhalb der Transaktion von geringem Wert ist, dem anderen Vertragspartner aber möglich ist, auf dritte Partner auszuweichen. Letzterer kann die bestehenden Vertragslücken opportunistisch zu Lasten des Investors so weit ausnutzen, bis er maximal gleichsam die Rente des Investors erbeutet hat. Der ausgebeutete Vertragspartner kann in solch einer Situation nicht glaubhaft mit einem Abbruch der Vertragsbeziehungen drohen, solange ihm noch ein marginaler Anteil an der Rente verbleibt.318 Da diese Hold-up Gefahr bei transaktionsspezifischen Investitionen antizipierbar ist, führt dies in der Praxis u. a. zur Konzernbildung, indem die Anteilsmehrheit der auf der vorgelagerten oder nachgelagerten Produktionsstufe derselben Wertschöpfungskette angesiedelten Transaktionspartner gekauft oder originär eine Vorproduktionseinheit auf einen separaten, aber beherrschten Rechtsträger aufgebaut wird. Auch wenn es, anders als im Einheitsunternehmen, zu einem Leistungsaustausch auf vertraglicher Grundlage kommt, kann über den herrschenden Einfluss auf den Transaktionspartner opportunistisches Verhalten verhindert werden.319 Werden über die einzelnen Konzernglieder Insolvenzverfahren eröffnet und unterschiedliche, nach der deutschen Rechtsordnung im Grundsatz unabhängig agierende Insolvenzverwalter eingesetzt, können die Konzernunternehmen nicht mehr über die Konzernleitungsmacht hierarchisch gesteuert werden. Entsprechend kann die Konzernleitungsmacht auch nicht mehr verhindern, dass Vertragslücken durch opportunistisches Verhalten der in strategisch günstigere Position befindlichen Tochtergesellschaft ausgenutzt werden.320 Die interne Leistungsbeziehung kann dann nicht mehr über die Konzernleitungsmacht abgesichert werden, sondern hängt vom vertraglichen Aushandeln der Insolvenzverwalter ab. Der Konzern als Koordinationsinstrument zwischen „Markt und Unternehmen“321 kann mit Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren nicht mehr über die Unternehmenskomponente gesteuert werden, sondern die Transaktionsbeziehung findet 316 317 318 319 320 321
Vgl. dazu ausführlich oben, 1. Teil, B.III.2.b)bb)(2)(b), S. 34 ff. Schildbach, S. 8; vgl. auch Picot/Dietl/Franck, S. 79. Kräkel, S. 9, 11. Schildbach, S. 7 ff.; vgl. auch, Picot/Dietl/Franck, S. 79. Siehe oben, 1. Teil, B.III.2.b)bb)(2)(b). Vgl. Schildbach, S. 8.
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ausschließlich über den Markt statt. Dabei ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter des Konzerngliedes, welches keine transaktionsspezifische Investition vorgenommen hat, gegenüber dem Konzernglied der transaktionsspezifischen Investition nicht nur die Lücken unvollständiger Verträge durch opportunistisches Verhalten füllen kann. Im konzerninternen Leistungsaustausch werden diese Lücken gerade zur Reduzierung der Transaktionskosten immer groß sein, weil im werbenden Konzern durch den Einfluss über die Konzernleitungsmacht ja die Gefahr opportunistischer Ausfüllung der Vertragslücken nicht besteht.322 Der Insolvenzverwalter ist über sein Wahlrecht aus § 103 InsO vielmehr in der Lage, Verträge für den konzerninternen Leistungsaustausch völlig neu zu verhandeln. § 103 InsO gibt dem Insolvenzverwalter ein freies Wahlrecht, ob er die Erfüllung beiderseitig nicht erfüllter Verträge ablehnt oder die Erfüllung zur Masse verlangt. Das Wahlrecht kann der Verwalter auch dazu benutzen, die Erfüllung abzulehnen und nun einen Vertrag über die Leistung zu massegünstigeren Konditionen mit dem Vertragspartner auszuhandeln. Dies gilt unter Beachtung der Grundsätze aus § 105 InsO auch für langfristige Sukzessivlieferverträge zwischen einzelnen Konzerngliedern. Sollte dem konzerninternen Leistungsaustausch eine langfristige und entgegen der üblichen Praxis auch detaillierte vertragliche Regelung zugrunde liegen323, kann der Insolvenzverwalter, der im Hinblick auf die von seinem Konzernglied produzierten Leistungen Alternativabnehmer hat, das andere Konzernglied aber zwingend auf die von ihm produzierte Leistung angewiesen ist, die Erfüllung ablehnen und aus der „Position der Stärke“ nun eine höchstmögliche Gegenleistung verlangen.324 Um auf das Beispiel aus den Erfahrungen der Babcock-Borsig Insolvenz zurückzukommen. Kann die Tochtergesellschaft im Hinblick auf ein Zulieferprodukt für den von der Mutter durchgeführten Kraftwerksbau unschwer auf andere Abnehmer ausweichen, ist die Muttergesellschaft in einer solchen Situation aber auf die Leistung angewiesen, so kann der Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft nicht glaubhaft mit dem Abbruch der Vertragsbeziehung drohen, solange ihm zur Anreicherung der Masse noch ein marginaler Anteil am Gewinn der Auftragsdurchführung verbleibt. Der Insolvenzverwalter einer strategisch bedeutsamen Tochtergesellschaft könnte sogar dazu verpflichtet sein, das erpresserische Potential voll aus322
Siehe oben, 1. Teil, B.III.2.b)bb)(2)(b). Siehe oben, S. 38, Fn. 108. 324 Der Mehrwert an ausgehandelter Gegenleistung zur vertraglich vereinbarten Gegenleistung könnte das unterlegene Konzernglied nach § 103 Abs. 2 InsO als Nichterfüllungsschaden als Insolvenzforderung geltend machen. Da jedoch dieser Mehrwert vollumfänglich in die Masse fließt, lohnt sich die Ausübung zur Massemehrung. Letzteres ist ja auch vornehmlicher Zweck des Verwalterwahlrechts, vgl. Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, § 103 Rn. 3; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 103 Rn. 2. 323
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zuschöpfen, weil er entsprechend § 1 InsO im Grundsatz für die Befriedigung der Gläubiger der Untergesellschaft die Masse bestmöglich anreichern muss. Ein ähnliches Erpressungspotential setzt sich bei der Veräußerung des strategisch bedeutsamen Unternehmens fort. Aufgrund der antizipierbaren „Hold-up Gefahr“ wird ein potentieller Käufer im Rahmen einer übertragenden Sanierung beim Kauf der Konzernsparte „Kraftwerksbau“ nur bei gleichzeitigem Kauf des strategisch günstigen Tochterunternehmens bereit sein.325 Lässt sich letzteres allerdings getrennt veräußern, die Veräußerung der Sparte Kraftwerkbau allerdings nur mit diesem Unternehmen, dann könnte der Insolvenzverwalter dieser Gesellschaft gestützt von seiner Gläubigerschaft den Mehrwert einer Konzerngesamtveräußerung bis auf den Liquidationswert der Kraftwerkssparte herauspressen. Diese strategisch günstige Position fällt den Gläubigern der einen Gesellschaft aber mehr oder weniger zufällig in die Hände. Ausgangspunkt einer Konzerngesamtverwertungsstrategie ist demnach immer eine äußerst konfliktbeladene Verhandlungssituation, welche oftmals schon im Ausgangspunkt zum Scheitern verurteilt ist. 3. Fazit Ein fehlendes Konzerninsolvenzrecht in der deutschen Rechtsordnung führt dazu, dass für jedes Konzernglied separat Organe des Insolvenzverfahrens zu konstituieren sind. Der Formel: „Ein Rechtsträger, eine Insolvenz, ein Verfahren“ lassen sich „ein Insolvenzverwalter, ein Gläubigerausschuss, eine Gläubigerversammlung und ein Insolvenzgericht“ anfügen. Die Insolvenzorgane können für jede dem Konzernglied zugeordnete Masse ihre Entscheidung grundsätzlich autonom treffen. Dies führt in einem eng verflochtenen Konzern zu einem Fortführungs- und Verwertungsproblem. Das Fortführungsproblem entsteht durch die Einsetzung autonomer Insolvenzverwalter in den einzelnen Konzerngliedern jenseits der Muttergesellschaft. Konnte im werbenden Konzern die Konzernspitze durch die hierarchische Konzernleitungsmacht die einzelnen Konzernunternehmen auf ein einheitliches Ziel ausrichten, stehen im Insolvenzverfahren den wirtschaftlich aufeinander ausgerichteten Konzerngliedern jeweils weisungsunabhängige Insolvenzverwalter vor. Überzieht die betriebswirtschaftliche Organisationsstruktur gleichsam mehrere Rechtsträger, dann wird diese in der Insolvenz unweigerlich gebrochen. Die operative Fortführung der einzelnen Konzern325 So tatsächlich geschehen für das Kerngeschäft Kraftwerksbau des BabcockBorsig-Konzenrs, vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231, 233.
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unternehmen liegt in den Händen verschiedener Insolvenzverwalter. Dies lässt eine Fortführung äußert schwierig erscheinen. Ein Verwertungsproblem folgt zusätzlich aus der autonomen Verwertungsentscheidungsbefugnis der einzelnen Gläubigerversammlungen. Bei einem wirtschaftlich eng verflochtenen Konzern können die Gläubiger nur über die Verwertung eines u. U. isoliert nicht fortführungsfähigen Teilbausteins entscheiden. Sanierung und übertragende Sanierung sind in diesem Fall nur durch eine zwischen den einzelnen Gläubigerversammlungen abgestimmte Verwertungsentscheidung möglich. Aufgrund der konfliktbeladenen Verhandlungssituation, welche strategisches Verhalten bei der Verteilung des Mehrwertes wahrscheinlich werden lässt, ist das Scheitern einer Gesamtverwertungsstrategie wahrscheinlich bzw. führt aufgrund des strategischen Verhaltens einiger Insolvenzverwalter und Gläubigerversammlungen nicht zu einer gerechten Verteilung des Kooperationsgewinns.
III. Durchbrechung des Rechtsträgerprinzips im Einzelfall? Nachdem die Fortführungs- und Verwertungsprobleme im Konzern herausgearbeitet wurden, stellt sich die Frage: Ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten? Jedenfalls dann, wenn eine Realisierung von Fortführungswerten im Wege einer Reorganisation oder übertragende Sanierung angestrebt wird? Soll vom Grundsatz: Eine Person, eine Insolvenz, ein Verfahren bei einem zentralisiert aufgebauten Konzern, bei dem juristisch aufgespaltenen ist, was wirtschaftlich eine Einheit darstellt, abgewichen werden? Ist nicht vielmehr im Einzelfall eine Abweichung vom Trennungsprinzip geboten? Als Vorbild für eine Durchbrechung des insolvenzverfahrensmäßigen Trennungsprinzips könnte die Durchgriffslehre stehen.326 Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung käme freilich nur dann in Frage, wenn diese erforderlich ist. Die Untersuchung im vorhergehenden Abschnitt hat gezeigt, dass die Erforderlichkeit maßgeblich von den Parametern Verwertungsart und Konzernaufbau bestimmt werden.327 Auszugehen ist also von einer zentralen, funktional verflochtenen Konzernstruktur.
326 Vgl. dazu im US-amerikanischen Schrifttum die Einschätzung von Baird, Elements of Bankruptcy, S. 145: „Substantive consolidation in this context is simply the bankruptcy analog for piercing the corporate veil“. 327 So auch Paulus, ZIP 2005, 1948, 1951.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
1. Vorteile einer Einheitsbetrachtung für die verfahrensmäßige Bewerkstelligung der Konzerninsolvenz Die Vorteile der Aufhebung des Trennungsprinzips im Insolvenzverfahren liegen auf der Hand. Ein Insolvenzverfahren würde über das Vermögen des Konzerns – bzw. der Vermögen der einzelnen Konzernglieder – eröffnet. Die den einzelnen Rechtsträgern zugeordneten Vermögensgegenstände würden eine Insolvenzmasse bilden. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Konzernmasse befände sich in der Hand eines Konzerninsolvenzverwalters. Insbesondere würde eine Konzerngläubigerversammlung über den Fortgang des Verfahrens entscheiden und die Verwertungsentscheidung einheitlich festlegen. Ein, die Konzerngesamtmasse umfassender Insolvenzplan könnte ausgearbeitet werden und der Konzerngläubigerversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Kurzum: Die Verwaltungs-, Fortführungs- und Verwertungsentscheidung erfolgten aus einer Hand. Die mit einer verfahrensmäßigen Aufspaltung der wirtschaftlichen Einheit im oben beschriebenen Sinne verbundenen Probleme würden mit einem Streich beseitigt. Es mag seltsam anmuten, für die Lösung der mit dem rechtsträgerbezogenen Ansatz des Insolvenzrechts verbundenen Probleme eine wirtschaftliche Betrachtung in Erwägung zu ziehen, wurde der rechtsträgerbezogene Ansatz „eine Person, eine Insolvenz, ein Verfahren“ bisher als ein von Gesetzes wegen unumstößliches Dogma behandelt. Dennoch sollte und muss man sich der Frage zuwenden, wenn man sich darüber im Klaren ist, dass auch in vielen anderen Rechtsgebieten, wie etwa im Arbeitsrecht328, Bilanzrecht329 oder europäischen Beihilferecht330 eine wirtschaftliche Betrachtung des Konzerns dominiert und auch im Übrigen über die Fallgruppen der Durchgriffslehre das Trennungsprinzip – freilich wenige – aber immerhin Ausnahmen zulässt.331 Hinzu kommt, dass im USamerikanischen Recht mit dem seit Jahrzehnten praktizierten Rechtsinstitut der „substantive consolidation“ eine wirtschaftliche Betrachtungsweise unter 328 Nach § 2 Abs. 1 des Drittbeteiligungsgesetzes nehmen an der Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer des herrschenden Unternehmens eines Konzerns im Sinne des § 18 Abs. 1 AktG auch die Arbeitnehmer der übrigen Konzernunternehmen teil. 329 Vgl. etwa die besonderen Vorschriftem über den Konzernabschluss, §§ 290 ff. HGB. 330 Zur Praxis der EU-Kommission bei der Rückforderung von Beihilfen im Konzern vgl. Paulus, EWS 2002, 497, 500 f. 331 Nach der jüngsten Entscheidung des BGH, ZIP 2007, 1552, 1554, „Trihotel“, und der damit verbundenen Ablösung des Durchgriffskonzepts im Zusammenhang mit existenzvernichtenden Eingriffen durch eine deliktische Haftung aus § 826 BGB dürften lediglich die Vermögens- und Sphärenvermischung als anerkannte Durchgriffstatbestände übrig bleiben.
D. Der Konzern in der Insolvenz
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bestimmten Voraussetzungen möglich ist. In Deutschland hat jüngst Paulus332 eine Lanze für eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gebrochen und im Einzelfall ein Abweichen vom Rechtsträgerprinzip gefordert. 2. „Substantive consolidation“ als US-amerikanisches Vorbild einer Gesamtbetrachtung? Im US-amerikanischen Insolvenzrecht wird eine Abweichung vom Rechtsträgerprinzip im Sinne einer Gesamtbetrachtung bei der Bewältigung von Konzerninsolvenzen seit jeher praktiziert. Neben der verfahrensmäßigen Verbindung einzelner Insolvenzverfahren im Wege der „joint administration“ besteht die Möglichkeit, mehre Insolvenzmassen verschiedener konzernverbundener Unternehmen zusammenzulegen. Diese als „substantive consolidation“ geläufige Vorgehensweise hat je nach ihrer Ausgestaltung neben der materiellen Wirkung auch unmittelbar verfahrensmäßige Auswirkungen, indem über die Gesamtbetrachtung eine einzige Konzerngläubigerschaft über den Gang des Insolvenzverfahrens entscheidet.333 a) Einführung Der Konzernsachverhalt wird im US-amerikanischen Insolvenzrecht durch die Rechtsinstitute der „joint administration“ und „substantive consolidation“ gewürdigt. Bei der joint adminstration handelt es sich um eine rein verfahrensmäßige Konzentration der verschiedenen Insolvenzverfahren der einzelnen Konzernglieder. Diese sieht ein ganzes Bündel an richterlichen Gestaltungsmöglichkeiten vor, um den Konzernsachverhalt bei der Bewältigung der Insolvenzverfahren hinreichend würdigen zu können: So kann das Gericht, bei dem zeitlich als erstes ein Antrag auf Verfahrenseröffnung über ein konzernverbundenes Unternehmen eingegangen ist, nach dem Eingang weiterer Anträge bei unterschiedlichen Gerichten bezüglich anderer Konzernglieder, nach pflichtgemäßen Ermessen einen einheitlichen Gerichtsstand für alle Verfahren bestimmen.334 Das Gericht hat sich dabei vornehmlich von der 332
Paulus, ZIP 2005, 1948 ff., ders., Kommentar zur EuInsVO, Einl Rn. 45. Dabei ist zu beachten, dass die Gläubiger im US-amerikanischen chapter 11 Verfahren weniger unmittelbare Einflussmöglichkeiten auf den Gang des Verfahrens haben als im deutschen Insolvenzrecht. Unmittelbare Einflussnahme haben die Gläubiger bei der Abstimmung über einen Reorganisationsplan. Durch die Zweigleisigkeit chapter 7 (Liquidationsverfahren) und chapter 11 (Reorganisationsverfahren) können die Gläubiger nicht etwa frühzeitig über das Verfahrensziel entscheiden. 334 Bankruptcy Rule 1015 (b) (4). 333
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
Frage leiten lassen, an welchem Ort ein konzentriertes Verfahren am praktischsten durchgeführt werden kann.335 Die vor diesem einen Gericht anhängigen Verfahren können dann verbunden werden. Zusätzlich kann ein gemeinsamer Gläubigerausschuss (creditor’s committe) und ein einheitlicher Konzerninsolvenzverwalter (common trustee) eingesetzt werden.336 Die Insolvenzmassen bleiben jedoch grundsätzlich getrennt und im Fall einer angestrebten Reorganisation haben die Gläubiger der einzelnen Rechtsträger jeweils einen Reorganisationsplan zu verabschieden. Insbesondere müssen für jede Masse isoliert die Voraussetzungen zur Annahme eines Reorganisationsplans vorliegen, d.h. das Insolvenzgericht hat in jedem Abstimmungsverfahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bestätigung des Reorganisationsplans (sec. 1129 B.C., dort insbesondere (a) (7)337) vorliegen. Diese isolierte Betrachtung der einzelnen Konzernglieder wird jedoch unter noch näher zu erörternden Umständen durchbrochen, indem die Gerichte die verfahrensmäßige Konsolidierung der „joint adminstration“ zu einer materiellen Konsolidierung der „substantive consolidation“ weiterentwickeln.338 Eine in diesem Sinne verstandene „substantive consolidation“ hat eine materielle und verfahrensmäßige Auswirkung. Materiell führt sie zu einer Zusammenlegung der Massen bei gleichzeitigem Erlöschen aller konzerninternen Forderungen. Neben dieser materiellen Wirkung ist die substantive consolidation aber auch Instrument der Verfahrensvereinfachung.339 Diese Verfahrensvereinfachung kommt insbesondere bezüglich der Abstimmung über einen Reorganisationsplan zum Ausdruck, denn die gerichtliche Zusammenlegung der Insolvenzmassen zu einer Konzerninsolvenzmasse erzeugt gleichzeitig eine Konzerngläubigerschaft einer einheitlichen Masse. Entsprechend findet eine Abstimmung durch die eine Konzerngläubigerversammlung über einen Konzernreorganisationsplan statt. Ungesicherte Gläubiger aller Konzerngesellschaften werden bei der Abstimmung in eine 335
In re Sleuz, 94 B.R. 446, 449 (N.D. Ohio 1988); In re Portjeff Dev.Corp. 118, B.R.184, 193 (E.D.N.Y. 1990); In re Texaco, Inc., 89, B.R. 382, 387 (S.D.N.Y. 1988). 336 In re Parkway Calabasas Ltd. 89 B.R. 832, 836 (C.D.Cal 1988); vgl. Scheel, S. 25 m. w. N. 337 Nach sec. 1129 (a)(7) hat vor Bestätigung des Insolvenzplans durch das Gericht der sog. „best interest test“ zu erfolgen. Dabei muss jedem Gläubiger im Insolvenzplan mindestens eine Befriedigungsquote zugestanden werden, die er bei einer Liquidation nach chapter 7 erhalten würde. 338 Die substantive consolidation kann nur dann angeordnet werden, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen einer joint administration vorliegen, In the matter of Lewellyn, 26 B.R. 246, 250 (S.D.Iowa 1982). 339 In re Augie/Restivo Baking Co Ltd 860, F.2d 515, 518 (2d Cir. 1988): „consolidation is no mere instrument of procedural convenience, . . . but a measure vitally affecting substantive rights.“
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Klasse zusammengefasst.340 Eine Konsolidierung durch gerichtlichen Beschluss findet dabei weit überwiegend im Reorganisationsverfahren nach chapter 11 statt. Es sind nur wenige Fälle bekannt, bei denen in einem Liquidationsverfahren konsolidiert wurde.341 Rechtsprechung und Literatur in den USA verstehen unter dem Begriff „substantive consolidation“ aber nicht nur die Zusammenlegung der Insolvenzmassen kraft gerichtlichen Beschlusses, sondern auch eine „Konsolidierung“ der Massen durch einen Reorganisationsplan.342 Letzteres findet im deutschen Schrifttum kaum Beachtung.343 Dies ist umso erstaunlicher, weil sich auch in den USA die kritischen Stimmen bezüglich einer einseitig gerichtlichen Zusammenlegung der einzelnen Massen mehren und dabei insbesondere auf die Möglichkeit hingewiesen wird, eine Konsolidierung durch einen Insolvenzplan herbeizuführen. Darauf wird zurückzukommen sein. b) „Substantive consolidation“ kraft gerichtlicher Anordnung aa) Voraussetzung einer „substantive consolidation“ Die Voraussetzungen einer „substantive consolidation“ durch gerichtliche Anordnung sind im Bankruptcy Code nicht geregelt. Bisher ist auch keine Entscheidung des Supreme Court ergangen, in der die einzelnen Voraussetzungen herausgearbeitet wurden. Konturen wurden vielmehr durch die Entscheidungen der Court of Appeals, insbesondere des „Second Circuit“ gebildet.344 Als Ermächtigungsgrundlage für eine Konsolidierung der Massen stellen die Gerichte dabei auf sec. 105 (a) B.C. ab.345 Nach dieser Vor340 In re Augie/Restivo Baking Co Ltd 860, F.2d 515, 520 (2d Cir. 1988); In re Standard Brands Paint Co. 154 B.R. 563, 569 (Bankr.C.D.Cal.1993); Stratton/Hamilton, 2003 ABI JNL, 1, 1 ff. 341 Berry, 50 Am.Bankr.L.J. 343, 344, 349 (1976); Stratton/Hamilton, 2003 ABI JNL, 1, 2. 342 In re ORfa Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 416 (E.D.P.) „Putting consolidation at issue in the plan process places it before all of the debtors’ creditors for a vote, which is a more democratic process than deciding the issue by a motion“; vgl. dezidierte Kritik an die Praxis der Zusammenlegung kraft gerichtlicher Anordnung, Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000); Stratton/ Hamilton, 2003 ABI JNL, 1, 2; Tatelbaum, 89 Com.L.J. 285, 285 (1984); Weintraub & A. Resnick, Bankruptcy Law Manual P.8.16. 343 Soweit ersichtlich ist ein Ansatz einer Differenzierung nur bei Scheel, S. 321 f., erkennbar. 344 Baird, Substantive Consolidation, S. 3. 345 In re Bonham, 229 F.3d 750 (9thCir 2000); F.D.I.C. v. Colonial Realty Co 966 F.2d 57 (2nd Cir 1992); In re Augie/Restivo Baking Co Ltd 860, F.2d 515, 520
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schrift ist das Insolvenzgericht befugt, Maßnahmen anzuordnen, die notwendig und angemessen sind, um die Vorschriften des Bankruptcy Code auszuführen.346 Die Voraussetzungen, unter denen die Insolvenzgerichte die Massen mehrerer Konzerngesellschaften zusammenlegen, sind nicht einheitlich. Es besteht eine umfangreiche Rechtsprechung, die hier nicht erschöpfend dargestellt werden kann.347 In verfahrensrechtlicher Hinsicht müssen zunächst die Voraussetzungen einer „joint administration“ vorliegen, d.h. die Insolvenzverfahren müssen vor dem gleichen Insolvenzgericht anhängig und miteinander verbunden worden sein.348 In materieller Hinsicht legen die Gerichte unterschiedliche Kriterien für eine Konsolidierung der Massen fest. Überwiegend wird jedoch ein zweistufiger Test herangezogen. Dieser Test erfordert zunächst, dass die einzelnen Konzernglieder eine wirtschaftliche Einheit bilden. Als zweite Voraussetzung haben im konkreten Fall die Vorteile einer Konsolidierung gegenüber ihren Nachteilen zu überwiegen.349 Die wirtschaftliche Einheitlichkeit wird zunächst in den klaren Fällen der Vermögens- und Sphärenvermischung angenommen, Konzerngesellschaften z. B. halten keine getrennten Hauptversammlungen ab und es findet keine getrennte Buchführung statt350, Vermischung von Vermögenswerten, wenn Rechtsverhältnisse an wichtigen Vermögenswerten nicht mehr geklärt werden können, etwa durch die Benutzung eines gemeinsamen Bankkontos.351 Neben diesem typischen Fall der Vermögens- und Sphärenvermischung wird die wirtschaftliche Einheitlichkeit aber auch dann angenommen, wenn die einzelnen Konzerngesellschaften in hohem Maße funktional miteinander verflochten waren. Die Gerichte neigen dazu, die substantive consolidation anzuordnen, wenn die einzelnen Konzerngesellschaften funktional in der Weise miteinander verbunden sind, dass unter wirtschaftlicher Betrachtungs(2d Cir. 1988); In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 569 (Bankr.C.D.Cal. 1993); In re Deltacorp Inc. 179 B.R. 773 (Bankr. S.D.N.Y. 1995); Stratton/Hamilton, S. 1; Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000). 346 „. . . any order that is necessary or appropriate to carry out the provisions of the B.C“. 347 Im deutschen Schrifttum ist auf die umfassende (allerdings nicht mehr auf dem aktuellen Stand befindliche) Darstellung von Scheel, S. 248 ff. zu verweisen. 348 In the matter of Lewellyn, 26 B.R. 246, 250 (S.D.Iowa 1982); Scheel, S. 304. 349 In re Auto-Train Corp., Inc., 810 F-2d 270, 276 (C.D.Cir.1987); In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 569 (Bankr.C.D.Cal.1993); vgl. auch Baird, Substantive Consolidation, S. 4. 350 In re 1438 Meridian Place, N-W-, Inc 15 B.R. 89, 92 f. (Bankr.D.D.C. 1981); Scheel, S. 266. 351 In re Chemical Bank N.Y. Trust Co.v. Kheel, 369 F.2d 845, 846 (2d Cir. 1966); In re Mortgage Inv.Co of El Paso, Texas, 111 B.R. 604, 610 (W.D.Tex. 1990); Scheel, S. 270.
D. Der Konzern in der Insolvenz
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weise der Konzern das eigentliche Unternehmen darstellt. Sind die einzelnen Gesellschaften dermaßen funktional miteinander verflochten, dass die einzelnen Konzernglieder nicht selbständig überlebensfähig wären, ist dies für die Gerichte hinreichender Anlass, die Konsolidierung anzuordnen, auch wenn es nicht zu einer Sphären- oder Vermögensvermischung gekommen ist.352 Ist die erste Hürde in dem die substative consolidation bestimmenden zweistufigen Test überwunden, führen die Gerichte nun eine umfassende Abwägung zwischen den voraussichtlichen Vor- und Nachteilen der Konsolidierung durch. Als Vorteile kommen in Frage: Die Vermögensmassen lassen sich nicht oder nur kostspielig auseinanderdividieren, insbesondere die Feststellung konzerninterner Forderungen oder Geltendmachung von Anfechtungsrechten aus konzerninternen Transaktionen ist mit hohem Zeitaufwand verbunden und damit die Reorganisation gefährdet.353 Speziell bei einer funktionalen Verflechtung sehen die Gerichte folgende Vorteile einer substantive consolidation: (1) Zunächst werden die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Fortführungswertes beseitigt. Weil die Schuldner in der Gesamtheit die funktionale Wirtschaftseinheit bilden, lässt sich der auf dem jeweiligen Konzernglied abfallende Ertrag der einzelnen Konzernglieder (Fortführungswert) kaum realistisch ermitteln und mit dem Liquidationswert des Konzerngliedes vergleichen.354 (2) Ein Reorganisationsplan, der die zukünftigen Erträge konsolidiert berechnet und konsolidiert im Reorganisationsplan den einzelnen Gläubigern 352 Vgl. In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 573 (Bankr.C.D.Cal.1993), dort heißt es: „The SBP and all its subsidiaries keep seperate, audited, books and records, and observe all corporate formalities under state law. However, . . ., the more modern view of „substantial identity“, and the direction in which caselaw seems to be moving, is to view „substantial identity“ more in functional terms. . . . in functional terms, SBP and its subsidiaries all operate as a single consolidated entity.“; in diese Richtung schon: In re Auto-Train Corp., Inc., 810 F-2d 270, 276 (C.D.Cir.1987); Stone v. Eacho, 127 F.2d 284, 287 (4th Cir); interessantes Beispiel aus der Rechtsprechung auch: In re Pittsburgh Rys. Co 155 F.2d 477, 479 (3d Cir. 1946). In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde ein einheitliches Verkehrssystem der Stadt Pittsburgh von mehren Betreibergesellschaften durchgeführt. Das Gericht ordnete die Konsolidierung der Massen an; speziell zur funktionalen Verflechtung vgl. Baird, Substantive Consolidation, S. 2 ff.; Gilbert, 43 Vand.L.Rev.207, 216 (1990). 353 Baird, Substantive Consolidation, S. 4. 354 In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 570 (Bankr.C.D.Cal.1993). Das Gericht stellt darauf ab, dass ein Fortführungswert der einzelnen Konzernglieder nicht zu ermitteln und mit dem Liquidationswert zu vergleichen ist, weil die Konzernglieder Teil einer funktionalen Wirtschaftseinheit darstellten.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
gewährt, vereinfacht die Fortführung nach Bestätigung des Reorganisationsplans, weil die Finanzströme zwischen den einzelnen Konzerngliedern gelockert sind, denn die Erträge sind bei einer Konsolidierung aus dem Gesamttopf an alle zu verteilen.355 Diesen Vorteilen einer konsolidierten Betrachtung hat das Gericht die Nachteile gegenüber zu stellen und gegeneinander abzuwägen. Als Nachteile gelten insbesondere die Enttäuschung der Gläubiger in ihrem Vertrauen auf die Selbständigkeit der Gesellschaften, der Eingriff in die Privatautonomie, die Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte, weil Kreditzinsen sich nicht mehr sicher kalkulieren lassen.356 Die Vorteile einer Konsolidierung müssen deren Nachteile deutlich überwiegen.357 bb) Rechtsfolgen Nach traditionellem Verständnis folgte aus der Anordnung der substantive consolidation eine Verschmelzung der Gesellschaften.358 Mit der Entwicklung zu einer großzügigeren Anwendung von Missbrauchsfällen wie Vermögens- und Sphärenvermischung hin zu Praktikabilitätserwägungen wird unter einer substantive consolidation zunehmend die bloße Konsolidierung der Insolvenzmassen zu Verteilungszwecken verstanden.359 Aus einer fingierten Gesamtmasse werden die Gläubiger aller konsolidierten Gesellschaften befriedigt.360 Für die Ansprüche derselben Rangklasse wird in der Regel nur eine konzernweite Befriedigungsquote festgelegt. Die Einordnung der Rangklasse („absolute priority“) bleibt dabei unberührt. Im Rahmen der rein zu Verwertungszwecken erfolgten Konsolidierung bleiben die einzelnen Rechtsträger grundsätzlich bestehen, d.h. lediglich für das Insolvenzverfahren wird so getan, als handele es sich um eine Masse, obwohl in Wirklichkeit das Vermögen auf verschiedene Rechtsträger verteilt ist.361 Diese Fik355 In re ORfa Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 412 (E.D.Pa 1991), . . . „a free flow of cash among the three entities is beneficial to implementation of their (= proponant) plan.“ 356 In re Augie/Revisto Banking Co., Ltd, 860 F.2d 515, 519 (2d Cir. 1988). 357 In re Augie/Revisto Banking Co., Ltd, 860 F.2d 515, 519 (2d Cir. 1988); In re Autotrain Corp., Inc., 810 F.2d 270, 276 (C.D.Cir. 1987); In re Mortgage Inv.Co of El Paso, Texas, 111 B.R. 604, 610 (W.D.Tex.1990). 358 So beispielsweise: In re Parkway Calabasas, Ltd 89 B.R. 832, 836 (Bankr.C.D.Cal.1988), aber auch die alte Rechtsprechung nahm eine Verschmelzungswirkung nur bei identischer Inhaberschaft der Gesellschaftsanteile an. 359 In re Stone & Webster, Incor., et al 286 B.R. 532, 543. (Bankr.Del. 2002); Baird, Substantive Consolidation, S. 5. 360 Chemical Bank N.Y. Trust Co. V. Kheel 369 F.2d 845, 847 (2d Cir.1966); Eastgoup Properties v. Southern Motel Assoc. Ltd, 935 F 2.d 245, 248 (11.Cir 1991); Baird, Substantive Consolidation, S. 5.
D. Der Konzern in der Insolvenz
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tion schlägt sich unmittelbar im Konzernreorganisationsplan nieder, welcher Zahlungen an die verschiedenen Gläubiger vorsieht, als sei der Konzern ein Schuldner. Da im Rahmen einer Reorganisation die Befriedigung der Gläubiger durch die Zuteilung zukünftiger Erträge erfolgt, werden die zu erwartenden Gesamterträge des Konzerns (und nicht die einzelner Konzernglieder) errechnet und den Gläubigern zugesprochen als wären sie Gläubiger des Konzerns und nicht der einzelnen Konzernglieder. Auf diesem Wege erhalten sie eine einheitliche Quote, auch wenn bei isolierter Betrachtung die Insolvenzmassen der einzelnen Konzernglieder unterschiedliche Werte aufweisen und damit zumindest im Liquidationsfall die einfachen Insolvenzgläubiger der einzelnen Konzernglieder jeweils unterschiedliche Quoten erreicht hätten. Neben der Bildung einer „Befriedigungseinheit“ führt die substantive consolidation ferner zum Erlöschen aller konzerninternen Forderungen.362 Auch Sicherheiten von anderen Konzerngesellschaften, etwa Bürgschaften, Garantien und Schuldbeitritte fallen weg. Insbesondere ist dem Gläubiger nicht gestattet, die gesicherte Forderung im konsolidierten Verfahren zweifach anzumelden, d.h. es findet keine Addierung der Befriedigungsquoten statt.363 c) Kritische Stimmen in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur In jüngster Zeit mehren sich die kritischen Stimmen gegen eine Konsolidierung kraft gerichtlicher Anordnung. Nach einer Grundsatzentscheidung des Supreme Court zum Equity Recht364 wird zunächst bezweifelt, ob die Gerichte allgemein noch ihre Befugnisse zur Konsolidierung aus dem Equity Recht (§ 105 BC) herleiten können.365 Ferner wird der enorme Ein361
In re Orfa Corporation of Philadelphia 129 B.R. 404, 416 (E.D.P. 1991); Baird, Substantive Consolidation, S. 5, „substantive consolidation only for distributional purpose“; Gilbert, 43 Vand.L.Rev. 207, 215 (1990), „Substantive consolidation ignores artificial legal structures but looks only to the combined assets of the consolidated entities for satisfaction of all claims.“ Von einer Verschmelzung wird insbesondere aus steuerlichen Gründen abgesehen. 362 Chemical Bank N.Y. Trust Co. V. Kheel 369 F.2d 845, 847 (2d Cir.1966); In re Auto-Train Corp., Inc., 810 F-2d 270, 276 (C.D.Cir.1987); In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 563 ff. (Bankr.C.D.Cal.1993). 363 In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 563 ff. (Bankr.C.D.Cal.1993); In re Commercial Envelope Co., Inc, 3 B.C.D. 647, 648 (Bankr.S.D.N.Y. 1977). 364 In Grupo Mexicano de Desarrollo S.A. v. Alliance Bond Fund Inc., 527 U.S. 308, 119 S.Ct. 1961 (1999). 365 Vgl. dazu die Ausführungen in: In re Stone & Webster, Incor., et al. 286 B.R. 532, 537 ff. (Bankr.Del.2002).
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
griff in die Gläubigerautonomie durch die Zusammenlegung der Abstimmungsgruppen herausgestellt.366 Bei der durch das Gericht erfolgten Konsolidierung bestehe die Gefahr, dass die verfahrensmäßigen Rechte der Gläubiger im Reorganisationsverfahren unterlaufen werden.367 Insbesondere die Voraussetzungen für die Annahme eines Reorganisationsplans werden durch die insolvenzgerichtliche Anordnung verschoben. Denn erfolgt die Bildung einer Masse durch das Insolvenzgericht, dann werden die Gläubiger durch gerichtlichen Beschluss „in einen Topf geworfen“, da die Gläubiger der einzelnen Konzernglieder im Wege einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise so behandelt werden, als seien sie Gläubiger einer Person. Aufgrund der sich durch die Konsolidierung verschiebenden Stimmenverhältnisse, könnten sich die Gläubiger einer großen Muttergesellschaft wegen der ihnen zustehenden Summenmehrheit gegenüber den Gläubigern kleiner Tochtergesellschaften immer durchsetzen.368 Entsprechend wurden in den USA Anträge an das Gericht auf Anordnung der substantive consolidation strategisch eingesetzt, um die Entscheidungsmehrheiten der Gläubiger in den einzelnen Tochtergesellschaften zu verwässern, bzw. das Zustimmungsrecht missliebiger Großgläubiger von Tochtergesellschaften zu unterlaufen. In der Entscheidung In re Augie/Restivo Baking Co Ltd 369 hat der Court of Appeal des 2. Circuit jedoch klargestellt, dass eine Konsolidierung nicht allein deshalb angeordnet werden könne, um den Weg zu einer Zustimmung für den Reorganisationsplan zu ebnen. Wegen der mit der Konsolidierung verbundenen Mehrheitsverschiebung wird die Anordnung der „substantive consolidation“ zunehmend in Frage gestellt und eine Konsolidierungswirkung nur noch über einen in den einzelnen Verfahren an366 Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000); Baird, Substantive Consolidation, S. 6, 11; von vielen Gerichten wird die Konsolidierung durch einen Insolvenzplan als vorteilhaft angesehen; vgl. auch Erwägungen in der Entscheidung In re Stone & Webster, Incor., et al 286 B.R. 532, 537 ff. (Bankr.Del.2002). 367 Instruktiv: In re ORFA Corporation of Philadelphia 129 B.R. 404, 416 (E.D.P. 1991): „Putting consolidation at issue in the plan process places before all of the debtors’ creditors for a vote, which is a more democratic process than deciding the issue by a motion which only the most powerful creditors are apt to address“; Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000). 368 Vgl. dazu die Entscheidung In re Augie/Restivo Baking Co., Ltd 860 F.2d 515, 516 f. (2d Cir. 1988): In diesem Fall hätte die getrennte Abstimmung über einen konzernweiten Reorganisationsplan zu dem Ergebnis geführt, dass die Gläubiger der Obergesellschaft, die eine konzernweite Reorganisation anstrebten, den Plan mehrheitlich zugestimmt hätten, die Annahme des flankierenden Reorganisationsplans der Tochtergesellschaft wäre jedoch aufgrund der ablehnenden Haltung eines Großgläubigers gescheitert. Bei einer gemeinsamen Gläubigerversammlung nach vorheriger Konsolidierung durch das Gericht wäre der konzernweite Reorganisationsplan jedoch aller Voraussicht nach angenommen worden. 369 860 F.2d 515, 516 f. (2d Cir. 1988).
D. Der Konzern in der Insolvenz
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zunehmenden konsolidierten Reorganisationsplan als zulässig erachtet.370 Die vorherige Zusammenlegung führt freilich dazu, dass die konzerninternen Forderungen nicht ermittelt werden brauchen, um wiederum das Stimmrecht der Konzernglieder als Gläubiger zu ermitteln. Ferner brauchen nicht für jedes Konzernglied die Verfahrensvorschriften einzeln festgestellt werden. Die verfahrensmäßige Erleichterung der Konzerninsolvenz setzt demnach schon zu Beginn des Insolvenzverfahrens eine Konsolidierung voraus. 3. Deutschland Die Reformkommission lehnte ein konsolidiertes Insolvenzverfahren für Konzerne ab.371 Die Haftungsseparierung sollte sich gerade in der Insolvenz bewähren. In jüngster Zeit wurde im deutschen Schrifttum von Paulus ein Umdenken bezüglich der bis dato kategorischen Ablehnung der substantive consolidation verlangt. Vor ihm hatten bereits Uhlenbruck372 und Flessner373 im Einzelfall eine konsolidierte Bewältigung von Konzerninsolvenzverfahren begrüßt. a) Ansätze einer materiellen Konsolidierung im deutschen Schrifttum Zumindest für das Planverfahren halten Uhlenbruck374 und Paulus375 eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, insbesondere bei einer konzernweiten Sanierung, für möglich. Gerechtfertigt wird die Gesamtbetrachtung durch Effekte einer Gesamtverwertungsstrategie, d.h. die kombinierte Verwertung präsumtiv einen höheren Erlös schafft, und die Einsparung von Verfahrenskosten, welche auch durch eine bloß verfahrensmäßige Koordinierung nicht erreicht werden könne. Die Gläubiger des Konzerns sollen in einem einheitlichen Plan zusammengefasst werden können.376 In dem als führend bezeichneten Insolvenz370 Gegen eine gerichtliche Anordnung: Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000); kritisch auch Baird, Substantive Consolidation, S. 6 ff.; vgl. Ausführungen in der Entscheidung In re ORFA Corporation of Philadelphia 129 B.R. 404, 412 ff., 416 (E.D.P. 1991). 371 Erster Bericht der Kommission, S. 291. 372 NZI 1999, 41 ff. 373 Vgl. Flessner, Reorganisation, S. 296, aber nur bei ausdrücklicher Ermächtigung des Gesetzgebers. 374 NZI 1999, 41, 43; Uhlenbruck folgend, Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1611. 375 ZIP 2005, 1948, 1953; dieser wohl über das Planverfahren hinaus. 376 Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953.
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
verfahren der Mutter sei dann über den konzernweiten Insolvenzplan abzustimmen.377 Die ungesicherten Gläubiger der einzelnen Gesellschaften können dabei in einer Abstimmungsgruppe zusammengefasst werden.378 Angedacht wird aber auch, die Zugehörigkeit zu den einzelnen Konzerngliedern bei der Gruppenbildung nach § 222 InsO zu berücksichtigen.379 Konzerninterne Forderungen sollen mit einer Konsolidierung erlöschen.380 Ein besonderes Bedürfnis einer Gesamtbetrachtung betont Paulus für den Fall der Vermögensvermischung und für den zentral aufgebauten Konzern.381 b) Stellungnahme/Kritik an der wirtschaftlichen Betrachtungsweise Eine wirtschaftliche Betrachtung könnte in einem zentral geführten Konzern, insbesondere bei einer funktional-vertikalen Verflechtung zwischen den einzelnen Konzerngliedern, angebracht sein. Wird das betriebswirtschaftliche Organigramm gleichsam auf verschiedene Rechtsträger gestellt, würden die im Zusammenhang mit der Fortführungs- und Verwertungsentscheidung erörterten Abstimmungsprobleme beseitigt. Die Praktikabilität einer konsolidierten Betrachtung ist prima facie nicht von der Hand zu weisen. aa) Egalisierung der Haftungsmassen Die in verfahrensmäßiger Hinsicht durch eine wirtschaftliche Betrachtung geschaffenen Vorteile werden jedoch in materieller Hinsicht von ihrer Egalisierungswirkung überschattet. Werden die einzelnen Massen der insolventen Konzernglieder zusammengelegt, dann führt dies im Ergebnis zu einer konzernweiten par conditio creditorum. Vor einer Konsolidierung der Haftungsmassen mussten die Gläubiger der einzelnen Konzernglieder um ihre Einzeltöpfe ringen. Mit dem Übergang zu einer konsolidierten Betrachtungsweise werden die Einzeltöpfe in einen großen Topf gefüllt, aus denen nun alle Konzerngläubiger befriedigt werden sollen. Dies führt freilich zu einer Benachteiligung derjenigen Gläubiger, deren Schuldnerunternehmen mehr Masse aufzuweisen haben als der Durchschnitt aller anderen konzernverbundenen, ebenfalls insolventen Gesellschaften. Die Gläubiger der nur 377 Uhlenbruck, NZI 1999, 41, 43; Maus, in: Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1611. 378 Uhlenbruck, NZI 1999, 41, 43. 379 Vgl. Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953. 380 Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953, im Innenverhältnis erlöschen die wechselseitigen Forderungen und die damit verbundenen Sicherungsobjekte. 381 Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953.
D. Der Konzern in der Insolvenz
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unterdurchschnittlich ausgestatteten Schuldner gewinnen (ungerechtfertigterweise) dazu.382 Durch das Erlöschen jeglicher konzerninterner Ansprüche, insbesondere der Ansprüche aus Insolvenzanfechtungsrechten, kommt hinzu, dass die Instrumentarien, die den Gläubigern gerade einen Schutz vor Masseverlagerungen bieten sollen, außer Kraft gesetzt werden. Im Ergebnis führt die Gesamtbetrachtung dazu, dass jeder Gläubiger mit einem anderen Schuldner konfrontiert wird, als demjenigen, den er sich bei der Kreditvergabe ausgesucht hat, somit ein erheblicher Eingriff in die Privatrechtsordnung.383 Die Durchlässigkeit des Trennungsprinzips gerade in ihrer Bewährungsprobe Insolvenz stellt nicht nur ein Bruch mit der deutschen Rechtstradition dar, sondern gefährdet gleichzeitig die Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Den Gläubigern wäre aufgrund der drohenden Gefahr der Konsolidierung bei Konzernsachverhalten eine Bewertung des Insolvenzrisikos kaum möglich.384 Die Bewertung des Insolvenzrisikos auf Grundlage einer verlässlichen Haftungsbegrenzung und -separierung durch sog. Ratingverfahren385 bestimmen in der Praxis aber nahezu sämtliche Finanzierungsentscheidungen.386 Konzerne werden entsprechend ihrer rechtlichen Zergliederung in verschiedene Risikopräferenzklassen eingeteilt. Diese Risikopräferenzklassen bestimmen unmittelbar den Zinssatz, d.h. je höher die Risikoklasse, desto höher der von den Gläubigern geforderte Zinssatz.387 Wären die Kreditinstitute gezwungen, das Szenario einer Konsolidierung zu berücksichtigen, würden die Informationskosten von Kreditgebern stark steigen, weil diese – ggf. mit erheblichen Aufwand – versuchen müssten, sich über das konsolidierte Volumen aller Gläubigerforderungen sowie Haftungsmassen zu informieren, um ihr Kreditrisiko abschätzen zu können.388 Die bisher als schützenswert erachtete Haftungstrennung wird in der Konzernpraxis allerdings oftmals durch gegenseitige Kreditsicherheiten der einzelnen Konzernglieder im konspirativen Gleichschritt von Schuldner und Gläubiger durchlässig gemacht. Dies gilt insbesondere bei einer bereits an anderer Stelle erörterten zentral durchgeführten Konzernaußenfinanzierung. 382
Ehricke, Abhängige Unternehmen, S. 472. Ehricke, Abhängige Unternehmen, S. 472; Sester, ZIP 2005, 2099, 2100. 384 Ehricke, Abhängige Unternehmen, S. 473; Sester, ZIP 2005, 2099, 2100. 385 Durch das Ratingverfahren werden Kreditrisiken in einer breiten Skala unterschiedlicher Risikoklassen eingeteilt. 386 Sester, ZIP 2005, 2099, 2100. 387 Sester, ZIP 2005, 2099, 2100; Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 7; ders., ZHR 169 (2005), 528, 532; In re Augie/Restivo Banking Co., Ltd, 860 F.2d 515, 519 (2d Cir. 1988): „. . . lenders’ expectations are central to the calculation of interest rates and other terms of loans“. 388 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 7. 383
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
Dabei werden die Darlehen oftmals durch Bürgschaften, Garantien und andere Sicherheiten anderer Konzernglieder gesichert.389 Der Sache nach handelt es sich dabei um eine Haftungserstreckung auf einen anderen Schuldner.390 Die Egalisierungswirkung der „substantive consolidation“ könnte in diesen Fällen aber nur dann außer Kraft gesetzt werden, wenn alle Gläubiger sich gleichzeitig auch eine Bürgschaft oder Garantie der anderen Konzernglieder haben geben lassen. Dies wird wohl kaum jemals der Fall sein. Eine Haftungserstreckung auf ein anderes Konzernglied wird und soll genau dem Gläubiger zugute kommen, der sie sich aufgrund einer sorgfältigen Risikoanalyse hat geben lassen und dafür einen Aufschlag beim Vertragsschluss etwa in Form eines niedrigeren Zinses bezahlt hat.
bb) Keine zwingende Egalisierungswirkung im Planverfahren? Diese allgemeinen Bedenken gegen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gelten im Grundsatz aber auch für das Planverfahren.391 Im Ausgangspunkt ist auch das Insolvenzplanverfahren Teil des allgemeinen Insolvenzverfahrens und inkorporiert damit gleichermaßen das Rechtsträgerprinzip des Regelverfahrens aus §§ 11, 12 InsO. Auch die Intention des Gesetzgebers, mit dem Planverfahren ein flexibles Instrument der Insolvenzbewältigung zur Verfügung stellen zu wollen, ebnet nicht den Weg für ein Konzerninsolvenzplanverfahren. Nach § 217 InsO kann nur die Befriedigung der Gläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung abweichend von den Vorschriften des Gesetzes festgelegt werden. Vorschriften über den Ablauf des Insolvenzverfahrens selbst, soweit sie die Zeit vor dem Wirksamwerden des Insolvenzplans betreffen, können selbstverständlich nicht durch den Insolvenzplan verändert werden, weil damit die Wirkung des Insolvenzplanes vorweggenommen würde.392 Da das Insolvenzplanverfahren erst eine Abweichung ermöglichen soll, sind solche Vorschriften nicht disponibel, die das Planverfahren selbst regeln, wesentliche Schutzgarantien enthalten oder für das Insolvenzverfahren von konstitutiver Bedeutung sind.393 Denkbar wäre allerdings, durch eine Vielzahl von Einzelplänen im Ergebnis die Wirkung einer Konsolidierung herbeizuführen, weil bei einer solchen Vorgehensweise lediglich von den gesetzlichen Vor389
Siehe dazu oben, 1. Teil, D.I.1.a)bb). Vgl. Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953; vgl. auch Uhlenbruck, NZI 1999, 41, 43. 391 Anders Uhlenbruck, NZI 1999, Maus, in: K. Schmidt/Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, Rn. 1611; Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953. 392 HK/Eickmann, InsO, § 217 Rn. 3, 7; MünchKomm InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 96. 393 HK/Eickmann, InsO, § 217 Rn. 3. 390
D. Der Konzern in der Insolvenz
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schriften der Masseverwertung und Gläubigerbefriedigung abgewichen würde, was § 217 InsO ja gerade erlaubt.394 Neben diesem eher formalen Argument bestehen jedoch auch im Planverfahren nachteilige materielle Egalisierungswirkungen. Zwar hat die Beschränkung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auf das Planverfahren nicht zur Folge, dass die Befriedigungsquoten durch die Zusammenlegung der Massen automatisch egalisiert werden, weil die Befriedigungsquote ja im Insolvenzplan flexibel gestaltet werden kann und durch die Gruppenbildung eine Feinjustierung nach Konzernzugehörigkeit möglich wäre. Das wertungsmäßig entscheidende Argument gegen ein konsolidiertes Planverfahren ist jedoch die Verschiebung des Abstimmungsmodus und der Mindestgarantien im Planverfahren. Die Gefahr liegt zunächst darin, dass die Gläubiger der einzelnen Konzernglieder in eine Konzernklasse zusammengefasst werden, etwa indem alle ungesicherten Gläubiger des Konzerns eine Klasse bilden. Dies führt zu einer unmittelbaren Verschiebung der Stimmmacht. Auch wenn die Gläubiger einer Tochtergesellschaft den Insolvenzplan abgelehnt hätten, können sie überstimmt werden. Durch diese Vorgehensweise würde ihnen eine Sanierung und eine entsprechende Befriedigungsquote zugemutet, die sie einstimmig gar nicht wollten. Bei einer Konzernstruktur mit einer dominanten Mutter wären die Gläubiger der Töchter somit den Entscheidungen der Gläubiger der Mutter ausgeliefert, ihnen könnte das Sanierungskonzept der Mutter wegen der entsprechenden Gläubigermehrheiten aufgezwungen werden. Dieser negative Effekt kann auch nicht durch eine Berücksichtigung der Konzernzugehörigkeit bei der Gruppenbildung (§ 222 InsO) ausgeglichen werden, denn ein Konzerninsolvenzplanverfahren würde konsequenterweise auch den Minderheitenschutz (§ 251 InsO) und das Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) an einer konsolidierten Betrachtungsweise ausrichten.395 Für den Minderheitenschutz bedeutete dies, dass einzelne obstruierende Gläubiger innerhalb ihrer Klasse überstimmt werden könnten, wenn jedem Gläubiger im Insolvenzplan der Befriedigungswert zugesprochen würde, den er bei einer konzernweiten Liquidation396 erhalten hätte. Dies ist jedoch aus den allgemeinen Gründen gegen eine materielle Konsolidierung (dazu oben) abzulehnen.397 Jedem Gläubiger muss die Liquidationsquote in Höhe einer 394
Dazu ausführlich unten, 4. Teil, B.II.4, insbesondere S. 299. Vgl. entsprechende Kritik im US-amerikanischen Schrifttum, Tucker, 8 Am.Bankr.Inst.L.Rev. 427, 448 (2000). 396 Zur Orientierung des Minderheitenschutzes allgemein an einer hypothetischen Befriedigung im Fall einer Liquidation, vgl. Begr. RegE InsO BT-Drucks. 12/2443, S. 93; MünchKomm InsO/Sinz, § 251 Rn. 16. 397 Siehe oben 1. Teil, D.III.3.b)aa). 395
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1. Teil: Der Konzern in der Insolvenz
Einzelliquidation der Konzernglieder als Minimum zugestanden werden, bevor über eine privatautonome Gestaltung im Insolvenzplan davon abgewichen werden kann. Zu einer Verschiebung der Gläubigerrechte kommt es auch bezüglich des Obstruktionsverbotes gemäß § 245 InsO. Auch wenn die Zugehörigkeit zu den einzelnen Konzerngliedern über eine Gruppenbildung nach § 222 InsO zu berücksichtigen wäre, könnte faktisch ein Insolvenzplan durchgesetzt werden, der u. U. bezüglich eines bestimmten Konzerngliedes von keinem Gläubiger seine Zustimmung bekommen hat, solange eine Mehrheit der Gläubigergruppen auf konsolidierter Basis gefunden wurde. Aus den soeben dargestellten massiven Eingriffen in die Rechte der Gläubiger ist eine wirtschaftliche Betrachtung im Sinne eines Konzerninsolvenzplanverfahren de lege lata nicht möglich und auch de lege ferenda nicht wünschenswert, wenn man nicht grundsätzlich von dem Gläubiger bezogenen Ansatz des deutschen Insolvenzrechts abweichen will. So sehr der Blick über den Atlantik in diesem Zusammenhang verführerisch sein mag, so ist zu beachten, dass die materielle Konsolidierung in den USA weit überwiegend im Reorganisationsverfahren nach chapter 11, kaum dagegen im Liquidationsverfahren nach chapter 7 erfolgt.398 Zweck dieses Verfahrens ist dabei vornehmlich die Reorganisation, d.h. die erhaltene Sanierung des Unternehmens und seines Rechtsträgers. Im Dienste eines schuldnerischen Neuanfangs („fresh start“) wird den Gläubigern durch die rechtliche Ausgangslage und der Rechtstradition vieles zugemutet.399 Eine „mentale Offenheit“, in bestimmten Fällen eine nachträgliche Egalisierung der Gläubiger hinzunehmen, reiht sich in diese Tradition gewissermaßen ein. So sticht bei der Abwägung der Vor- und Nachteile einer materiellen Konsolidierung die schnelle und reibungslose Replatzierung des Schuldners am Markt bei den Entscheidungen der US-amerikanischen Gerichte immer wieder hervor.400 Das deutsche Insolvenzrecht verfolgt dagegen einen anderen Ansatz. Hier zu Lande steht die Haftungsverwirklichung der Gläubiger im Vordergrund. Eine nachteilige Veränderung ihrer Gläubigerposition lässt sich bei dieser Zielsetzung auch im Insolvenzplanverfahren nicht rechtfertigen.
398
Berry, 50 Am.Bankr.L.J. 343, 344, 349 (1976); Stratton/Hamilton, 2003 ABI JNL, 1, 2. 399 Vgl. die Kritik an den übersteigerten Schuldnerschutz von Jackson, 60 Am.Bankr.L.J. 399, 414 (1988) und Baird/Jackson, 51 U.Chi.L.Rev. 97 (1984). 400 Vgl. etwa In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 570. (Bankr.C.D.Cal. 1993); In re Stone & Webster, Incor., et al 286 B.R. 532, 537 ff. (Bankr.Del.2002).
D. Der Konzern in der Insolvenz
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4. Ergebnis Eine Gesamtbetrachtung in dem Sinne, dass der Konzern die Masse eines konsolidierten Insolvenzverfahrens bildet, ist de lege lata und auch de lege ferenda sowohl für das Regelverfahren als auch für das Insolvenzplanverfahren abzulehnen. Der Grundsatz „eine Person, eine Insolvenz, ein Verfahren, eine Masse“ ist zwingend. Die Auflösung der wertmäßigen Unterschiede zwischen den Massen der einzelnen Konzernglieder ist zu vermeiden.
IV. Fazit/Bedingung für Gesamtverwertungsstrategien Die Ausführungen im Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise sind gleichzeitig richtungweisend für eine notwendige Bedingung einer durch die Koordination der Insolvenzverfahren angestrebten Gesamtverwertungsstrategie. Soll sich die Haftungs- und Vermögenstrennung im Konzern gerade in der Insolvenz bewähren, so wird zunächst die Mindestanforderung einer Verfahrenskoordination deutlich: Keine beteiligte Masse darf durch die koordinierte Verfahrensbewältigigung schlechter gestellt werden als ohne sie, und jedenfalls einer muss profitieren (ParetoPrinzip).401 Diese im Grundsatz der Haftungstrennung liegende Mindestbedingung lässt sich aber insoweit ausbauen, als die einzelnen Massen an den durch eine Konzerngesamtverwertungstrategie geschaffenen Mehrwert partizipieren müssen. Es erscheint unzumutbar, Koordinationsmaßnahmen zu ergreifen, wenn ausschließlich die anderen Beteiligten davon profitieren.402 Insbesondere dürfen sich Wertschöpfungen einer Gesamtverwertungstrategie nicht bloß auf der Ebene der Mutter verteilen.403
401 402 403
Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 535. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 551. Anders Piepenburg, NZI 2004, 231, 236 f.
2. Teil
Koordination durch Kooperationspflichten Als Voraussetzung einer Kooperation wurde im vorherigen Teil dieser Arbeit herausgearbeitet, dass eine Gesamtverwertungsstrategie sich nicht nachteilig auf die einzelnen Massen auswirken darf und insgesamt alle Einzelmassen an dem durch die Gesamtverwertungsstrategie geschaffenen Mehrwert partizipieren müssen. Verinnerlicht man sich diese Voraussetzung, stellt sich die Frage, ob die einzelnen insolvenzrechtlichen Funktionsträger Insolvenzverwalter, Gläubigerausschuss und Insolvenzgericht nicht zur Kooperation verpflichtet sind und sich die im ersten Teil1 herausgearbeiteten Konfliktpotentiale – Einzelkämpferverhalten der Insolvenzverwalter, Informationsdefizite, Rechtsunsicherheit und die Gefahr strategischen Verhaltens – durch die Betonung der Pflicht zu einer Kooperation auflösen lässt. Ist das Ziel der Kooperation, durch eine Gesamtverwertungsstrategie ein Mehrwert für alle Massen zu schaffen, drängt sich als normativer Anknüpfungspunkt einer Kooperationspflicht unmittelbar § 1 InsO auf. Die Verfahrensorgane Insolvenzverwalter, Gläubigerausschüsse und Insolvenzgericht sind gemäß § 1 InsO auf das Ziel bestmöglicher Haftungsverwirklichung ihrer Gläubiger verpflichtet, was die Suche und Implementierung bestmöglicher Verwertungsstrategien mit einschließt.
A. Kooperationspflichten des Insolvenzverwalters Jeder Insolvenzverwalter eines jeden Konzerngliedes ist aus §§ 1 i. V. m. 60 InsO bei gleichzeitiger Haftungsandrohung verpflichtet, die Masse des insolventen Schuldners bestmöglich zu verwerten. Mit der im ersten Teil2 herausgearbeiteten Wahrscheinlichkeit besserer Verwertungsoptionen im Rahmen einer koordinierten konzernweiten Gesamtverwertungsstrategie lassen sich eine Vielzahl von konkreten Pflichten entwickeln, welche die (zeitweise) Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren und die Verwertungsentscheidung betreffen. Die im Rahmen der Unternehmensfortführung bestehenden Pflichten sind dabei kein Selbstzweck, sondern dienen dem Er1 2
1. Teil, D.II.2. 1. Teil, D.II.
A. Kooperationspflichten des Insolvenzverwalters
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halt des Unternehmens als lebendem Verbund und stehen daher im Dienst bestmöglicher Verwertung zu Fortführungswerten („going concern“).3 Aus dieser Pflicht bestmöglicher Verwertung entsteht zunächst einmal die Pflicht des Insolvenzverwalters, unmittelbar nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens4 mit seinen in den anderen Verfahren eingesetzten Verwalterkollegen Kontakt aufzunehmen, um Möglichkeiten einer gemeinsamen Verwertungsstrategie auszuloten. Tut er das nicht und entscheidet er sich bereits in dieser Phase des Verfahrens für einen Alleingang, setzt er sich gegenüber seinen Gläubigern dem Vorwurf aus, nicht alle möglichen Verwertungsoptionen überprüft zu haben. Kommen die Verwalter zu dem Ergebnis, dass eine Gesamtstrategie sinnvoll erscheint, insbesondere dann, wenn sich abzeichnet, dass eine Einzelzerschlagung nicht unvermeidbar ist, verdichtet sich die erste Kontaktaufnahme zu einer Pflicht, sich im Interesse einer potentiell optimierenden Gesamtverwertung kontinuierlich über abwicklungsrelevante Tatsachen und beabsichtigte Maßnahmen zu unterrichten.5 Diese, aus der Pflicht des Insolvenzverwalters zur bestmöglichen Haftungsverwirklichung abgeleiteten, Kooperationspflichten beseitigen zunächst die Gefahr vor eigenwilligen Alleingängen. Ein Insolvenzverwalter würde mit dem aus der Praxis berichteten Verhalten, aus persönlichen irrationalen Gründen eine Zusammenarbeit zu verweigern, sich unmittelbar der Haftung aus § 60 InsO gegenüber seiner Masse aussetzen. Da die Insolvenzverwalter ohnehin grundsätzlich verpflichtet sind, die Unternehmen bis zum Berichtstermin fortzuführen (vgl. § 158 InsO), ist bis dahin mit dem Ausscheren eines Konzerngliedes durch Liquidation oder Veräußerung im Wege der übertragenden Sanierung nicht zu rechnen. Ein solches Ausscheren könnte in einem zentral-funktional integrierten Konzern den unmittelbaren Zusammenbruch des Gesamtkonzerns und die endgültige Vernichtung einer Gesamtverwertungsstrategie führen. Auch wenn der Konzernverbund vor dem Berichtstermin nicht durch eine Einstellungs- und Verwertungsentscheidung des jeweiligen Insolvenzverwalters gesprengt werden kann, können aber andere Gründe zu einer Betriebseinstellung führen. Der konzerninterne Leistungsaustausch kann nämlich unter Umständen gestört werden, wobei die Störung sich nicht immer durch den Verweis auf die Pflicht des Insolvenzverwalters zur bestmöglichen Ver3
Vgl. Balz, ZIP 1988, 1438, 1442. Die Pflicht dürfte bereits im Eröffnungsverfahren bestehen unter dem Gesichtspunkt bestmöglicher Sicherung des Vermögens. 5 Allgemein zur Informations- und Konsultationspflicht vgl. Ehricke, DZWiR 1999, 353, 362; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 553. 4
110
2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
wertung seiner Masse ausschalten lässt. Produziert ein Konzernglied ein strategisch wichtiges Zulieferprodukt, sind die anderen Konzernglieder allerdings von der Lieferung mehr oder wenig abhängig, kann das andere Konzernglied jedoch auf den Markt durch Lieferung an Dritte ausweichen, besteht bereits hier ein Erpressungspotential für den Insolvenzverwalter. Dieser kann über sein Wahlrecht aus § 103 InsO evtl. im Konzernverbund geschlossene Zulieferverträge neu verhandeln und nun einen überhöhten Preis von den einzelnen Konzerngliedern bis an die Grenze einer noch lohnenswerten Fortführung der anderen Konzernglieder fordern. Im Widerspruch zur bestmöglichen Haftungsverwirklichung aus § 1 InsO steht dieses „inkooperative Verhalten“ jedenfalls nicht. Im Gegenteil, der Insolvenzverwalter nutzt vielmehr die ihm zur Verfügung stehenden Chancen, die Masse seiner Gläubiger so hoch wie möglich anzureichern. Den Gläubigern der anderen Konzernglieder ist er ja gerade nicht verpflichtet. Gleichzeitig schwindet möglicherweise eine Kooperation der einzelnen Insolvenzverwalter, wenn der Verwalter seine strategisch günstige Position bis an die Grenze ausreizt. Gleiches Erpressungspotential könnte der Insolvenzverwalter einer strategisch bedeutsamen Gesellschaft im Rahmen einer Gesamtveräußerung ausschöpfen, ohne dass ein Verstoß gegen § 1 InsO vorläge. Auch die durch Kooperation der einzelnen Verwalter bestehenden Rechtsunsicherheiten lassen sich freilich nicht durch einen Verweis auf die Pflichtenbindung aus § 1 InsO auflösen. Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Pflicht des Insolvenzverwalters zur bestmöglichen Haftungsverwirklichung zwar einer Konzerngesamtverwertungsstrategie förderlich, jedoch nicht in allen Fällen Garant einer solchen ist.6
B. Kooperationspflichten der Gläubiger Sollen Kooperationspflichten die Implementierung optimaler konzernweiter Gesamtverwertungsstrategien stimulieren, so bedarf es insbesondere Kooperationspflichten zwischen den Gläubigern bzw. Gläubigerversammlungen der einzelnen Konzerngesellschaften. Die Gläubiger, als die eigentlich vom Verfahren Betroffenen, nehmen aufgrund ihrer vielfältigen Einflussmöglichkeiten innerhalb des Verfahrens eine Schlüsselstellung im Hinblick auf die Umsetzung bzw. den möglichen Fehlschlag effizienter Koordinationsstrategien ein. Die Gläubiger haben zwingend im Berichtstermin über die vorläufige Fortführung oder Stilllegung des Unternehmens zu entschei6 Wohl anders Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 552; Ehricke, DZWiR 1999, 353, 362.
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
111
den (§ 157 InsO) und entscheiden damit zugleich, ob das Unternehmen liquidiert oder die Option einer übertragenden oder fortführenden Sanierung offen gehalten wird. Über die endgültige Fortführung durch den Schuldner votieren die Gläubiger erst später im Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 Abs. 1 InsO), wenn im Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan eingebracht wurde.7 Im Übrigen kann die Gläubigerversammlung jederzeit einen Beschluss über die Verwertung fassen (vgl. § 159 InsO).8 Strebt der Insolvenzverwalter eine Verwertung im Wege einer übertragenden Sanierung an, dann hat der Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung zwingend vorab den Insolvenzverwalter zu ermächtigen (vgl. § 160 InsO). Insgesamt besteht der Gläubigereinfluss auf die Verwertung der Masse mittelbar über die zwingend zu treffende Fortführungsentscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin und nur bei einer Sanierung erneut im Planverfahren und bei der übertragenden Sanierung durch den Gläubigerausschuss9 gemäß § 160 InsO. Ein strategisches Verhalten der Gläubiger im Hinblick auf die Verwirklichung von Gesamtverwertungskonzepten ist vor allem hier zu erwarten. Ähnlich wie der Insolvenzverwalter kann auch die Gläubigerversammlung oder der Gläubigerausschuss – in der Regel in gemeinsamer Absprache oder durch Autorisierung des Insolvenzverwalters – versuchen, sich durch strategisches Verhalten Sondervorteile im Rahmen eines konzernweiten Verwertungskonzepts zu sichern. Dies gilt insbesondere, wenn es sich bei den von der Gesellschaft produzierten Gütern um strategisch unsichere Leistungen handelt und eine Gesamtveräußerung nur mit dieser konkreten Betriebseinheit möglich ist.10 Diese strategisch günstige Stellung der Masse und ihrer Gläubiger hing unmittelbar mit der insolvenzbedingten Zerstörung der Konzernleitungsmacht zusammen, welche im werbenden Konzern opportunistisches Verhalten eindämmen konnte. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Gläubiger mehr oder weniger zufällig in diese strategisch günstige Stellung geraten und dadurch u. U. in der Lage sind, den gesamten Kooperationsgewinn auf ihre Masse zu lenken. Dies lässt sich im Ergebnis jedoch nur dann vermeiden, wenn sowohl dem Insolvenzverwalter als auch der Gläubigerversammlung bei ihrer Verwertungsentscheidung Grenzen gesetzt werden.
7
HK/Flessner, InsO, § 157 Rn. 3. HK/Flessner, InsO, § 159 Rn. 3; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 3. 9 Der Gläubigerausschuss muss sich nicht zwingend aus Gläubiger zusammensetzen (vgl. § 67 Abs. 3 InsO). 10 Siehe unten, 1. Teil, B.III.2.b)bb)(2)(b) und 1. Teil, D.II.2. 8
112
2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
I. Kooperationspflicht aus gesellschaftsähnlicher Sonderverbindung aller Gläubiger des Konzerns? Zur Lösung dieses Verwertungskonflikts könnte auf die von Eidenmüller11 entwickelten Gläubigerkooperationspflichten zurückgegriffen werden. Die zunächst für das Einzelunternehmen entwickelten Kooperationspflichten der Gläubiger werden von Eidenmüller aus einer zwischen ihnen angenommenen gesellschaftsähnlichen Verbindung hergeleitet. Ausgangspunkt ist die Annahme einer bereits in der Krise bestehenden bürgerlichrechtlich begründeten Pflicht der Gläubiger eines Unternehmens, sich Sanierungsbemühungen gegenüber kooperativ zu zeigen. Konkret sollen alle Gläubiger eines Schuldners verpflichtet sein, an Verhandlungen zum Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs teilzunehmen, die Pflicht zur fairen Verhandlungsführung bis hin zur Pflicht, einen bestimmten Vergleichsvorschlag zuzustimmen.12 Das Vorliegen einer gesellschaftsähnlichen Verbindung schließt Eidenmüller aus dem gemeinschaftlichen Interesse aller Gläubiger an eine maximale Befriedungsaussicht. Sie würden einen Kooperationsvertrag schließen, wenn jeder die Folgen unkooperativen Verhaltens absähe und wenn nicht hohe Transaktionskosten, asymmetrisch verteilte Informationen und strategisches Verhalten einen Vertragsschluss hinderten.13 Im Ergebnis haben die Gläubiger einem Vergleich zuzustimmen, dem sie zugestimmt hätten, „wenn sie – gewissermaßen in einer ruhigen Minute – die Logik der Situation und die Folgen unkooperativen Verhaltens bedacht hätten.“14 In diesem Fall hätte jeder Gläubiger eine Regelung akzeptiert, welche die Befriedigungsaussichten für das Kollektiv der Gläubiger maximiert und die für alle Beteiligten möglicherweise desaströse Folgen individuell gewinnmaximierenden Verhaltens ausschließt. Konkret heißt dies eine Pflicht zur Zustimmung eines außergerichtlichen Vergleichs, wenn Gläubiger durch diesen im Vergleich zum Scheitern der Vergleichsverhandlung offensichtlich besser gestellt werden. Diese gesellschaftsähnliche Verbindung der Gläubiger soll Eidenmüller zufolge nach Einleitung eines Insolvenzverfahrens fortbestehen und die Kooperationspflicht der Gläubiger noch intensivieren.15 Andererseits sollen die 11 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff.; ders., ZHR (160) 1996, 343, 360; ders., ZHR 169 (2005), 528, 556. 12 Eidenmüller, ZHR (160) 1996, 343, 360. 13 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 608 ff.; ders., ZHR 169 (2005), 528, 556; vgl. bereits Habscheid, FS Bruns, S. 253 ff. 14 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 610; ders., ZHR 169 (2005), 528, 556.
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
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bürgerlich-rechtlichen Kooperationspflichten durch die Insolvenzordnung überlagert und möglicherweise in vielen Fällen aufgrund ihrer Spezialität verdrängt werden.16 Für das eigentliche Akkordstörerproblem werden die Zustimmungspflichten zu einem Insolvenzplan durch die besonderen Regelungen des Planverfahrens, wie etwa dem Mehrheitsprinzip innerhalb der Gläubigergruppen (§ 244 InsO) und dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) verdrängt.17 Die bis hier vorgestellten Kooperationspflichten der Gläubiger überträgt Eidenmüller in einem nächsten Schritt auf die Gläubiger aller Konzerngesellschaften.18 Entsprechend soll bei mehreren Konzerngesellschaften, die in ein Insolvenzverfahren eintreten, die gesellschaftsähnliche Verbindung und die aus ihr resultierende Kooperationspflicht nicht nur jeweils zwischen den Gläubigern einer bestimmten Konzerngesellschaft bestehen. Sie sollen sich vielmehr auch auf die Gläubiger aller betroffenen Gesellschaften erstrecken. Sämtliche Gläubiger hätten nämlich ein gemeinsames Interesse an der Entwicklung und Implementierung einer Abwicklungsstrategie, die die insgesamt über alle Konzernunternehmen verfügbare Haftungsmasse maximiert.19 Eine konzernweite Kooperationspflicht der Gläubiger soll sich dabei auf ein Verbot offensichtlich obstruktiven Verhaltens gegenüber einer Konzerngesamtlösung beschränken. Wenn sich eine abstimmende Mehrheit im Einzelfall trotz einer evidenten Besserstellung im Vergleich mit einer isolierten Insolvenzabwicklung, aus strategischen Gründen – Erzielung weiterer Sondervorteile – gegen diese Koordination sperrt, soll eine diesbezügliche Stimmabgabe als rechtsmissbräuchlich und damit nichtig gewertet werden.20
15 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 876; ders., ZHR 169 (2005), 528, 556; Nach herrschender Meinung besteht zwischen den Gläubigern mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eine „Verfahrensgemeinschaft“, BGHZ 116, 319, 324 („Akkordstörer“-Entscheidung); MünchKomm InsO/Ehricke, § 74 Rn. 7, wobei unklar ist welche Rechtsfolgen mit dieser Einordnung verbunden sind. 16 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 876. 17 Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 885. 18 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 556; für die außergerichtliche Sanierung von Konzernen bereits; Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 799 ff. 19 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 556. 20 Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 558; vgl. auch Bamberger, in: Knops/ Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 236.
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2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
II. Eigener Ansatz: Verbot treuwidriger Verwertungsentscheidungen in Anlehnung an § 245 InsO 1. Keine allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Kooperationspflichten aus gesellschaftsähnlicher Verbindung der „Konzerngläubiger“ Die bürgerlich-rechtlich begründeten Gläubigerkooperationspflichten aus gesellschaftsähnlicher Verbindung basieren auf einem für die außergerichtliche Sanierung entwickeltes Konzept. Die Kooperationspflicht beschränkt sich dort effektiv in der Beseitigung der Insolvenz durch Forderungsverzicht, Rangrücktritt und Stundung in einem zwischen den Gläubigern geschlossenen außergerichtlichen Vergleich. Mag der Vergleichsvorschlag wirtschaftlich vernünftig und für alle Gläubiger vorteilhaft sein, so kann, wie der BGH21 völlig zu Recht in seiner „Akkordstörer“-Entscheidung feststellte, im Hinblick auf die Regelungsmechanismen der Insolvenzordnung keine Zustimmungspflicht angenommen werden. Mit dem Planverfahren (§§ 217 ff. InsO), verbunden mit dem Abstimmungsmodus und dem Obstruktionsverbot (§ 245 InsO, hat der Gesetzgeber für das „Akkordstörer-Problem“ ein geschlossenes gesetzgeberisches Konzept zur Verfügung gestellt. Der Gesetzgeber wollte durch die Bereitstellung des Planverfahrens – flankiert mit der Option Eigenverwaltung – und des schuldnerischen Insolvenzantragsrechts wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) gerade einen Mechanismus schaffen, um in der Sache ausgewogene und wirtschaftlich vernünftige außergerichtliche Vergleiche als „prepackaged“ Insolvenzpläne gegen den Widerstand obstruierender Gläubiger durchsetzen zu können.22 Angesichts dieses geschlossenen Systems würde die Annahme einer Kooperationspflicht aus gesellschaftsähnlicher Verbindung zwischen den Gläubigern und die damit verbundene Pflicht zum Zwangsbeitritt eines außergerichtlichen Vergleiches die Grenze richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.23 Aber auch in der Sache ist eine Zustimmungspflicht der Gläubiger zu einem außergerichtlichen Vergleich nicht erstrebenswert, denn nur in einem durch hoheitliche Gerichte überwachten Verfahren lassen sich unter verfassungsrechtlicher Rechtsschutzgewährleistung Minimalanforderungen an den Zwangsverzicht garantieren. Dazu gehören die Grobkontrolle der Begründetheit konkurrierender Forderungen zur Feststellung des Stimmrechts, die 21
BGHZ 116, 319. Vgl. Reg.Ent., InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 84. 23 Vgl. BGHZ 116, 319, 319 ff. zum Begründungsansatz einer Gefahrengemeinschaft. 22
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
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Überwachung der korrekten Bilanzierung des Schuldnervermögens, verfahrensmäßiges Gehör aller Gläubiger vor Willensbildung, eine geordnete und formalisierte Feststellung der Mehrheiten, gerichtliche Kontrolle der Mehrheitsprognose etc.24 Es ist nicht erstrebenswert, diese verfahrensmäßigen Sicherungen zu unterlaufen. Mit dem Verweis auf eine Zustimmungspflicht und mit der Drohung eines Schadensersatzes25 bei (vermeintlich) pflichtwidriger Verweigerung der Zustimmung könnte insbesondere auf Kleingläubiger, welche durch die dominierende Rolle der Großbanken (Stichwort: „work-outs“) ohnehin eher eine passive Rolle in außergerichtlichen Sanierungsbemühungen spielen, ein erheblicher Druck aufgebaut werden. Diese Bedenken bestehen für das hier maßgebliche, eröffnete Verfahren freilich nicht. Die Konstituierung der Gläubiger in der Gläubigerversammlung als Organ eines gerichtlich überwachten Insolvenzverfahrens deckt jedoch das eigentliche Verhältnis der Gläubiger untereinander auf. Sie sind in einer Zwangsgemeinschaft im Dienste der Verwirklichung der par conditio creditorum zusammengefasst, denn zu unterschiedlich sind die Interessen der einzelnen Gläubiger, insbesondere die Interessen zwischen absonderungsberechtigten und einfachen Gläubigern, als dass man sie einer privatautonom zu erklärenden bürgerlich-rechtlichen, gesellschaftsähnlichen Treuepflicht unterwerfen sollte. Der freiwillige, privatautonome Zusammenschluss in einer Gesellschaft ist von Anfang an auf eine gemeinsame Interessenverfolgung angelegt, während die Gläubiger eines Schuldners mehr oder weniger zufällig und zwangsweise in der Gläubigerversammlung zusammengefasst werden. Abgesehen von diesen Einwänden besteht zumindest außerhalb von Konzernsachverhalten auch überhaupt kein Bedürfnis für bürgerlich-rechtlich begründete Kooperationspflichten aus gesellschaftsähnlicher Verbindung im Insolvenzverfahren, da die Handlungsfähigkeit der Gläubigergemeinschaft durch die Insolvenzordnung geregelt wurde. Entscheidungen der Gläubiger, insbesondere und gerade auch über die Verwertung der Insolvenzmasse, unterliegen dem Mehrheitsentscheid (§ 76 Abs. 2 InsO Summenmehrheit). Im Hinblick auf den Eingriff in die Rechte der Gläubiger bestehen die besonderen Abstimmungsregeln des Planverfahrens nach §§ 242 ff. InsO. Eine Restanwendung bestünde allenfalls im Hinblick auf den Schutz der Gläubiger vor dem Diktat der Mehrheit, was entsprechend im Gesellschaftsrecht Hauptanwendungsgebiet der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht ist.26 Aber auch dieses Problem hat der Gesetzgeber durch § 78 InsO hoheitlich gelöst. Nach dieser Vorschrift kann das Insolvenzgericht auf Antrag eines Gläubigers oder 24 25 26
Vgl. Stürner, LM 1992 § 779 Nr. 58, Bl. 8. Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 558. Siehe oben, 1. Teil, B.IV.2.b)aa).
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2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
des Insolvenzverwalters einen Beschluss der Gläubigerversammlung aufheben, wenn dieser dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger widerspricht. Durch diesen Mechanismus soll dem Missbrauch einer Mehrheit in der Gläubigerversammlung entgegengewirkt werden.27 Das vom Gesetzgeber für die Gläubigerversammlung gewählte Konzept eines hoheitlichen Interessenausgleichs28 impliziert eine Absage an bürgerlich-rechtliche Kooperationspflichten zwischen den Gläubigern. Angesichts eines fehlenden Konzerninsolvenzrechts besteht dieser hoheitliche Interessensausgleich für die Gläubiger des Konzerns, d.h. die Gesamtheit aller Gläubiger der zum Konzern zugehörigen Schuldner, freilich nicht. Hier wäre gewissermaßen der exklusive Anwendungsfall von bürgerlich-rechtlichen Kooperationsvorschriften. Grundsätzliche Bedenken gegen eine gesellschaftsähnliche Verbindung zwischen den Gläubigern aller Konzerngesellschaften gelten hier jedoch in noch verstärkterem Maße. Die fehlende Vergleichbarkeit der durch privatautonome Verpflichtung zur gemeinsamen Zweckverfolgung begründeten Treuepflichten der Gesellschafter mit einer rein zufälligen Zugehörigkeit zur „Gläubigerschaft des Schuldners“ gilt im Konzern erst Recht. Ein Mindestmaß an Homogenität besteht hier noch nicht einmal in der Eigenschaft als Gläubiger eines Schuldners. Entsprechend schwer begründbar ist eine bürgerlich-rechtlich fundierte Pflicht der Gläubiger der verschiedenen Konzernglieder zur kooperativen Bewältigung der Insolvenz des Gesamtkonzerns. 2. Einschränkung des Verwertungsspielraums der Insolvenzverfahrensorgane zugunsten konzernweiter Gesamtverwertungsstrategien a) Bedürfnis für eine Einschränkung des Verwertungsspielraumes Neben diesen dogmatischen Bedenken gegen eine bürgerlich-rechtliche Kooperationspflicht der einzelnen „Gläubiger des Konzerns“ aus gesellschaftsähnlicher Verbindung ist zu beachten, dass ein verbleibendes obstruktives Verhalten des Insolvenzverwalters nicht erfasst wird. In den meisten 27 Ein Widerspruch zum gemeinsamen Gläubigerinteresse liegt vor, wenn der Beschluss einseitig lediglich das Sonderinteresse eines Gläubigers oder einer Gläubigergruppe auf Kosten des Gesamtinteresses aller Insolvenzgläubiger Rechnung trägt. Klassischer Anwendungsfall ist dabei der Konflikt im Rahmen der Fortführungsentscheidung nach § 157 InsO zwischen den Interessen der absonderungsberechtigten Gläubiger an einer schnellen Realisierung ihrer Sicherungsrechte und der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger, deren letzte Chance für eine Teilbefriedigung oftmals in der zeitweisen Fortführung des Schuldnerbetriebes liegt, vgl. Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, § 78 Rn. 1, 11; Kübler/Prütting/Kübler, InsO, § 78 Rn. 7. 28 Vgl. MünchKomm InsO/Ehricke, § 74 Rn. 9.
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
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Fällen wird der Insolvenzverwalter die konkrete Verwertungsentscheidung im Rahmen einer Gesamtverwertungsstrategie aushandeln und von der Gläubigerversammlung bzw. dem Gläubigerausschuss genehmigen lassen. Hat der Insolvenzverwalter durch obstruktives Verhalten trotz der Gefahr eines Scheiterns im Einzelfall ein günstiges Ergebnis für seine Gläubiger ausgehandelt, dann wird man ihm sicher keinen Verstoß gegen das Gebot bestmöglicher Haftungsverwirklichung seiner Gläubiger (§ 1 InsO) vorwerfen können. Andererseits ist die Gläubigerversammlung oder der Gläubigerausschuss erst im Rahmen der Genehmigungsentscheidung nach § 160 InsO involviert. Obstruktives Verhalten lässt sich demnach im Rahmen von konzernweiten Gesamtverwertungsstrategien nur durch homogene, alle Beteiligten eines bestimmten Verfahrens treffende Obstruktionsverbote verhindern. Die grundsätzlich freie Verwertungsentscheidung der Verfahrensbeteiligten in den Einzelmassen ist hier insoweit einzuschränken, als sie Ausdruck eines obstruktiven Verhaltens, d.h. strategischen Manövers, mit dem Ziel Sondervorteile zu erreichen, ist. b) Einschränkung des Verwertungsspielraumes in Fällen treuwidriger Rechtsausübung Die Einschränkung der grundsätzlich freien Verwertungsentscheidung von Insolvenzverwalter, Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss in den einzelnen Insolvenzverfahren zugunsten einer Konzerngesamtverwertungsstrategie lässt sich aus dem allgemeinen Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten. § 242 BGB regelt zwar dem Wortlaut nach nur die Art und Weise einer geschuldeten Leistung. In Rechtsprechung und Literatur ist aber seit langem anerkannt, dass aus § 242 BGB der das gesamte Rechtsleben beherrschende Grundsatz entnommen werden kann, dass jedermann in Ausübung seiner Rechte und Erfüllung seiner Pflichten nach Treu und Glauben zu handeln hat.29 § 242 BGB konstituiert somit ein den einzelnen Rechtsvorschriften übergeordnetes Prinzip, und zwar auch gegenüber Vorschriften des zwingenden Rechtes und beschränkt sich nicht nur auf Schuldverhältnisse und bestehende Rechtsbeziehungen.30 Der Grundsatz von Treu und Glauben stellt insbesondere eine anerkannte Grenze für die Ausübung an sich formal bestehender Rechte dar. Die sich aus einem Rechtsinstitut oder einer Rechtsnorm (scheinbar) ergebenden 29 RGZ 85, 108; BGHZ 85, 48; Palandt/Heinrichs, § 242 Rn. 3; Staudinger/Jürgen Schmidt, § 242 Rn. 115; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 125, Rn. 128. 30 RGZ 85, 108; Medicus, Schuldrecht I Rn. 125.
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2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
Rechtsfolgen müssen zurücktreten, wenn sie zu einem mit Treu und Glauben unvereinbaren Ergebnis führen.31 Letzteres ist für den vorliegenden Fall anzunehmen, wenn die Verweigerung der einzelnen Insolvenzverfahrensorgane gegenüber einem Konzerngesamtverwertungskonzept nicht als sachgerechte Ausübung der grundsätzlich freien Verwertungsentscheidung anzusehen ist, sondern vielmehr als Ausdruck obstruktiven Verhaltens, mit dem Ziel, sich auf Kosten anderer Rechtsvorteile zu verschaffen, zu bewerten ist. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen die Gläubiger eines Konzerngliedes durch die insolvenzbedingte Zerstörung der Konzernleitungsmacht mehr oder weniger zufällig eine strategische „hold-up Position“ einnehmen und diese destruktiv ausüben. c) Voraussetzungen für die Einschränkung der Verwertungsentscheidung § 242 BGB enthält weder Tatbestand noch Rechtsfolgen und eignet sich daher nicht zur Anwendung durch Subsumtion.32 Die Frage, wann die Ausübung eines formal bestehenden Rechtes als treuwidrig einzuordnen ist, ist möglichst aus den vorhandenen Normen und Prinzipien der Rechtsordnung zu entwickeln.33 Die Frage, wann die Ablehnung eines Konzerngesamtsanierungskonzepts durch die Insolvenzverfahrensorgane eines Konzerngliedes nicht als berechtigte Rechtsausübung, sondern bloßer Ausdruck obstruktiven Verhaltens und damit als treuwidrig einzustufen ist, lässt sich aus den Wertentscheidungen des Gesetzgebers zum Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) ableiten. aa) Ausgangssituation in § 245 InsO § 245 InsO fingiert die Zustimmung einer Gläubigergruppe zu einem Insolvenzplan, wenn die Gläubiger durch den Insolvenzplan voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden als sie ohne Plan stünden, die Gläubiger dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert, der auf Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll, beteiligt werden und die Mehrheit der abstimmenden Gruppen dem Plan mit den erforderlichen Mehrheiten zugestimmt hat (§ 245 Abs. 1 Nr. 1–3 InsO). Liegen diese Voraussetzungen vor, wertet der Gesetzgeber die fehlende Zustimmung zu einer im Verhand31
BGHZ 29, 10; 48, 398; Palandt/Heinrichs, § 242 Rn. 40; Medicus, Schuldrecht I, Rn. 133. 32 Medicus, Schuldrecht I, Rn. 130. 33 Vgl. Schmalz, Methodenlehre, Rn. 341.
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
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lungswege gefundenen Verwertungs- und Befriedigungslösung auf Grundlage eines Insolvenzplans in Abweichung zu den gesetzlichen Vorschriften als „Obstruktion“, d.h. als Entscheidung die Ausfluss strategischen Manövers ist, mit dem Ziel Sondervorteile zu erreichen.34 Durch die unter diesen Voraussetzungen stattfindende Zustimmungsfiktion soll von vornherein die Einnahme taktischer Störpositionen im Verhandlungs- und Abstimmungsprozess erschwert werden.35 Ausweislich der Gesetzesmaterialen vertraute der Gesetzgeber grundsätzlich darauf, dass im Verhandlungswege die beste Verwertungs- und Befriedigungslösung gefunden würde.36 Wettbewerb und freie Verhandlungen um die beste Verwertungsart sollen nach Ansicht des Gesetzgebers zur Auffindung und Durchsetzung der besten Lösung führen.37 Gleichzeitig räumte der Gesetzgeber ein, dass unreglementierte privatautonome Verhandlungen nicht immer unter wirtschaftlich optimalen Bedingungen stattfinden und damit der Markt bei der Insolvenzbewältigung teilweise versagt. Insbesondere die Notwendigkeit, mit jedem der einzelnen Beteiligten einig zu werden, gäbe Obstrukteuren die Möglichkeit, sich ihren „nuisance value“ zu Phantasiepreisen abkaufen zu lassen, und begründet die Gefahr, dass im Verhandlungswege kein Optimum an allokativer Effizienz erreicht wird.38 Klar obstruktives Verhalten sollte zur Erreichung des wirtschaftlich optimalen Verfahrensziels bei der Entscheidung über eine privatautonome Entscheidungsfindung39 über einen Insolvenzplan unbeachtlich sein. Lösungen im Verhandlungswege sollten dadurch nicht durch eine gesetzliche Lösung ersetzt, sondern stimuliert werden.40 bb) Übertragung auf eine konzernweite Verwertungslösung Diese § 245 InsO zugrunde liegende Ausgangssituation (Implementierung einer gläubigerautonomen Verwertungslösung im Verhandlungswege) ist mit der vorliegenden Ausgangssituation (Implementierung einer konzernweiten 34
MünchKomm InsO/Drukarczyk, § 245 Rn. 2. MünchKomm InsO/Drukarczyk, § 245 Rn. 3; Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 245 Rn. 1. 36 RegE, BT-DruckS 12/2443, S. 78; vgl. auch Balz, ZIP 1988, 273, 276. 37 RegE, BT-DruckS 12/2443, S. 78; vgl. auch Balz, ZIP 1988, 273, 276. 38 RegE, BT-DruckS 12/2443, S. 79; vgl. auch Balz, ZIP 1988, 273, 276. 39 Das Planverfahren hat dabei lediglich privatautonome Tendenzen. Es ist jedoch nicht vollständig privatisiert, weil es der gerichtlichen Bestätigung des Planes bedarf, auch wenn dem Gericht lediglich eine Rechtsentscheidung, jedoch keine Ermessensentscheidung, zukommt, vgl. MünchKomm InsO/Eidenmüller, Vor §§ 217 bis 269 Rn. 1 Fn. 4. 40 Balz, ZIP 1988, 273, 276. 35
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2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
Verwertungsstrategie) vergleichbar. Auch hier sollten die einzelnen Insolvenzverwalter und Gläubigergremien in Wettbewerb um eine vernünftige Verwertungslösung treten, d.h. im Verhandlungsprozess ausloten, ob eine konzernweite Verwertungsstrategie möglicherweise gegenüber Einzellösungen einen Mehrwert schafft und gleichzeitig im Verhandlungswege die Verteilung dieses prognostizierten Mehrwertes regeln. Gleichzeitig besteht aber auch hier die Gefahr, dass wirtschaftlich optimale Lösungen aufgrund taktischer Störpositionen im Verhandlungs- und Entscheidungsprozess nicht erreicht werden. Dies gilt in besonderem Maße für vertikal integrierte Konzerne, weil hier das Anliegen der Insolvenzordnung, marktgerechte Verwertungsentscheidungen zu garantieren und zu stimulieren41, im besonderen Maße durch das heraufbeschworene „Hold-up“ Problem durchkreuzt wird. Klar obstruktives Verhalten sollte demnach auch im Verhandlungsprozess um eine konzernweite Verwertungslösung die Grenze der grundsätzlich autonomen Verwertungsentscheidung in den einzelnen Insolvenzverfahren bilden und als unzulässige Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB zu werten sein. cc) Wann liegt ein obstruktives (treuwidriges) Verhalten im Verhandlungsprozess um eine konzernweite Verwertungslösung vor? Nachfolgend sollen die Kriterien für ein obstruktives Verhalten der Verfahrensbeteiligten im Rahmen einer Konzerngesamtverwertungsstrategie konkretisiert werden. Dabei soll die konzernweite übertragende Sanierung im Vordergrund stehen. Ein klar obstruktives Verhalten im Verhandlungsprozess um eine Konzerngesamtlösung lässt sich aus der gesetzgeberischen Wertung des § 245 InsO im Zusammenhang mit der Annahme eines Insolvenzplanes ableiten. Danach nimmt der Gesetzgeber unter folgenden Voraussetzungen ein obstruktives Verhalten an: (1) § 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO: Das Pareto-Prinzip Die Gläubiger der obstruierenden Gruppe dürfen aufgrund des Insolvenzplans voraussichtlich nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Plan stünden (§ 245 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Die Befriedigungsaussicht auf Grundlage des Insolvenzplanes darf demnach nicht schlechter sein als auf Grundlage der gesetzlichen Liquidationsvorschriften. Übertragen auf eine Gesamtverwertungsstrategie bedeutet dies zunächst, dass eine ablehnende Haltung des Insolvenzverwalters oder der Gläubigerorgane zu einer Gesamtverwertungsstrategie erst dann als obstruktives und damit treuwidriges 41
RegE, BT-DruckS 12/2443, S. 79.
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
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Verhalten in Frage kommt, wenn der auf die Einzelmasse abfallende Erlös einer Gesamtverwertungsstrategie nicht geringer ist als bei einer Einzelverwertung. (2) § 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO: Angemessene Beteiligung am wirtschaftlichen Mehrwert Weitere Voraussetzung für ein obstruktives Verhalten der Gläubigergruppe ist, dass die Gläubiger dieser Gruppe angemessen an dem wirtschaftlichen Wert beteiligt werden, der auf der Grundlage des Plans den Beteiligten zufließen soll (§ 245 Abs. 1 Nr. 2 InsO). Auch diese Forderung lässt sich auf die Implementierung von Gesamtverwertungsstrategien übertragen. Eine Beteiligungspflicht der einzelnen Massen wird man nur dann annehmen können, wenn zunächst durch eine Gesamtstrategie offensichtlich ein wirtschaftlicher Mehrwert geschaffen werden kann. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass jede Masse am Kooperationsgewinn angemessen beteiligt wird. Die Angemessenheit lässt sich wiederum anhand der Definition aus § 245 Abs. 2 InsO herleiten. Zunächst darf bei der Verteilung des Kooperationsgewinns selbstverständlich keine Zuwendung erfolgen, welche zu einem Masseüberschuss führen würde. Grenze einer Partizipation am Kooperationsgewinn ist demnach ein Wert, der die Einzelmasse soweit anreichert, dass alle Forderungen im konkreten Verfahren befriedigt werden können. (entsprechende Anwendung von § 245 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Auch der Rechtsgedanke aus § 245 Abs. 2 Nr. 3 InsO lässt sich für die Bestimmung der Angemessenheit im vorliegenden Fall übertragen. Danach führt jede Benachteiligung einer Gläubigergruppe gegenüber gleichrangigen Gläubigern zur Verneinung der angemessenen Beteiligung am wirtschaftlichen Wert.42 Der geschaffene Mehrwert ist demnach im gleichen Verhältnis auf gleichrangige Forderungen zu verteilen. Dies bedeutet für den vorliegenden Fall: Der durch eine konzernweite Gesamtverwertungsstrategie geschöpfte Mehrwert ist im Verhältnis zu den Einzelwerten der Masse zu verteilen. Dabei sollten im Grundsatz die Liquidationswerte herangezogen werden. Lediglich dann, wenn eine Einzelveräußerung eines Konzernunternehmens wahrscheinlich wäre, kann ein Fortführungswert angesetzt werden. (3) § 245 Abs. 1 Nr. 3 Zustimmung der Mehrheit der Insolvenzverfahren Nach § 245 Abs. 1 Nr. 3 InsO setzt das Eingreifen des Obstruktionsverbotes voraus, dass die Mehrheit der abstimmenden Gruppen den Plan mit der erforderlichen Mehrheit angenommen hat. Die Gläubiger eines Schuld42
Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 245 Rn. 32.
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2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
ners sind im Insolvenzplanverfahren in Gruppen einzuteilen (§ 222 InsO). Dabei sollen Gläubiger mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefasst werden.43 Die Beurteilung obstruktiven Verhaltens setzt nach der Wertung des Gesetzgebers voraus, dass zumindest die Mehrheit der unterschiedlich wirtschaftlich betroffenen Gruppen dem Plan zugestimmt hat. Trotz einer „objektiven Richtigkeit“ des Insolvenzplanes, welche mit den Kriterien Pareto-Prinzip (Nr. 1) und der angemessenen Beteiligung am Mehrwert (Nr. 2) gewährleistet werden soll, sollte ein obstruktives Verhalten einer Gläubigergruppe nur dann angenommen werden, wenn der Plan im übrigen auf einen Minimalkonsens im Sinne eines mehrheitlich zustimmenden Votums der Gläubigergruppen gründet. Ansonsten würde sich die Entscheidung zu sehr von der eigentlichen Maxime des Planverfahrens, dass im Verhandlungswege, nicht unmittelbar durch Gutachter oder Richter, das für alle Beteiligten richtige Ergebnis gefunden werden soll44, entfernen. Auch diese Wertung ist auf die Bewertung obstruktiven Verhaltens bei der Umsetzung von Gesamtverwertungsstrategien zu übertragen. Klar obstruktives Verhalten kann nur dann angenommen werden, wenn die Mehrheit der Insolvenzverwalter und Gläubigerorgane ihre Zustimmung zu einer konzernweiten Verwertungsstrategie erteilt haben. (4) Zwischenergebnis Die freie Verwertungsentscheidung von Insolvenzverwalter und Gläubigerorgane bei Konzernsachverhalten ist dann einzuschränken, wenn die Verweigerungshaltung im Hinblick auf eine einheitliche Veräußerung des Konzernunternehmens als klar obstruktives Verhalten zu werten ist. In Anlehnung an § 245 InsO ist die Verweigerungshaltung als obstruktives Verhalten zu werten, wenn die Masse im Rahmen des Gesamtverwertungskonzept nicht schlechter als bei einer Einzelverwertung steht, die Masse proportional am Mehrwert partizipiert und in der Mehrzahl der Verfahren auf Zustimmung gestoßen ist. dd) Obstruktives Verhalten im Rahmen einer konzerneinheitlichen Reorganisation Die Suche nach Bewertungskriterien für ein obstruktives Verhalten im Rahmen einer konzernweiten Verwertungsstrategie wurde bisher auf die übertragende Sanierung beschränkt. Fraglich ist, ob unter den gleichen Vo43 44
MünchKomm InsO/Eidenmüller, § 222 Rn. 1. Vgl. dazu Balz, ZIP 1988, 273, 275.
B. Kooperationspflichten der Gläubiger
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raussetzungen die ablehnende Haltung gegen eine konzernweite Gesamtsanierung als Obstruktion zu werten ist. Der Unterschied zu einer konzernweiten Liquidationsstrategie (eingeschlossen der übertragenden Sanierung des Gesamtkonzerns) liegt darin, dass die Verweigerung hier nicht vorschnell als obstruktives Verhalten und damit treuwidrige Rechtsausübung eingestuft werden darf. Anders als bei einer konzernweiten übertragenden Sanierung beruht die Sanierungsentscheidung auf einer Zukunftsprognose. Während bei der übertragenden Sanierung der Erlös unmittelbar in die Masse fließt, haben die Gläubiger bei einer Sanierung eine Reinvestitionsentscheidung bezüglich ihrer Forderungen zu treffen. Diese Reinvestitionsentscheidung beruht auf einer in der Regel unsicheren Prognose.45 Hier kann die Einschätzung der einzelnen Gläubigerschaften durchaus unterschiedlich sein. Bringt der Schuldner einen, aus einem Gesamtsanierungskonzept entwickelten, Insolvenzplan in die einzelnen Insolvenzverfahren ein46, so ist ein negatives Votum im Rahmen des Abstimmungsverfahrens (§§ 235 ff. InsO) in den seltensten Fällen als obstruktives Verhalten der Gläubiger zu werten. Allenfalls bei evidenter Besserstellung unter Berücksichtigung aller prognostischen Unsicherheiten im Vergleich zu alternativen Lösungen wird man ein obstruktives Verhalten annehmen können. Sanktionieren ließe sich ein solches Verhalten allerdings nicht durch die Zustimmungsfiktion zum Insolvenzplan, sondern allenfalls über einen Sekundäranspruch auf Schadensersatz nach § 826 BGB.47 d) Rechtsfolge Verweigern der Insolvenzverwalter oder die Gläubigerorgane ihre Zustimmung an der Teilnahme einer konzernweiten Gesamtverwertungsstrategie und ist diese Verweigerung als obstruktives Verhalten im oben definierten Sinne zu werten, dann verstößt die Ausübung der grundsätzlich freien Verwertungsentscheidung gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) und ist als unzulässige Rechtsausübung rechtswidrig. Das Insolvenzgericht hat in diesem Fall im Rahmen seiner Rechtsaufsicht aus § 58 Abs. 2 InsO auf den Insolvenzverwalter einzuwirken, notfalls die Ablösung des Insolvenzverwalters zu betreiben (§ 59 Abs. 1 InsO). Ein Beschluss des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung, welcher sich trotz einer evidenten Besserstellung im Vergleich mit einer isolierten Insolvenzabwicklung aus strategi45
Balz, ZIP 1988, 273, 275. Siehe oben, 1. Teil, C.I.2. 47 Vgl. allgemein zur Haftung der Gläubiger aus § 826 BGB bei unverhältnismäßig hohem Schaden durch Unterlassen zumutbarer Mitwirkung an einer Sanierung, Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 43 f. 46
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2. Teil: Koordination durch Kooperationspflichten
schen Gründen – Erzielung weiterer Sondervorteile – gegen eine Koordination sperrt, ist rechtswidrig und damit nichtig.48 Der Insolvenzverwalter ist an einen entsprechenden Beschluss nicht gebunden.
C. Kooperationspflichten der Gerichte Nach Einschätzung des Insolvenzrichters Graeber49 werden die positiven Effekte eines Zusammenhalts des Konzerns und der Stärkung der Erhaltungs- und Sanierungschancen im Konzern für die Gläubiger auch von den Gerichten oft verspielt. Dieses Eingeständnis erstaunt, wenn man bedenkt, dass auch die Insolvenzgerichte ihre Befugnisse am Ziel bestmöglicher Haftungsverwirklichung (§ 1 InsO) auszurichten haben50, auch wenn die zentralen Entscheidungen im Insolvenzverfahren freilich in den Händen anderer Verfahrensbeteiligter liegen. Aus der Verpflichtung der Insolvenzgerichte auf den Verfahrenszweck bestmöglicher Haftungsverwirklichung lassen sich unmittelbar positive Förderungspflichten der Gerichte im Hinblick auf die Realisierung optimaler Konzerngesamtverwertungsstrategien herleiten. Die Insolvenzgerichte haben zunächst bei der Suche und Implementierung konzernweiter Gesamtverwertungsstrategien eine unterstützende Aufgabe. Sind unterschiedliche Insolvenzgerichte involviert, so haben die Insolvenzgerichte bereits im Eröffnungsverfahren gegenseitig Kontakt aufzunehmen. Nach einer ersten Kontaktaufnahme sollten sich die Insolvenzrichter über geeignete Sicherungsmaßnahmen im Vorverfahren absprechen. Auch in organisatorischer Hinsicht kann das Gericht einen Beitrag für eine wertmaximierende Gesamtverwertungsstrategie leisten. So ist wegen der präjudiziellen Wirkung der Fortführungs- und Verwertungsentscheidung der Gläubigerversammlungen auf das Verfahren anderer Konzernglieder die möglichst zeitnahe Terminierung der Berichtstermine zwischen den einzelnen Verfahren anzustreben. Denkbar wäre auch eine örtliche Zusammenlegung der Berichtstermine. So könnten die Berichtstermine derart ausgestaltet werden, dass zunächst in einem „gemeinsamen Termin“ die Fortführungschancen des Konzerns bzw. allgemein Chancen und Risiken einer Gesamtverwertungsstrategie durch die Insolvenzverwalter und Gläubiger erörtert würden (informeller Teil). Daran könnten sich die Berichtstermine für die einzelnen Gesellschaften anschließen, in der die wirtschaftliche Lage der einzelnen Gesellschaft und Ursachen erörtert werden und die kon48 Vgl. im Ergebnis auch Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 558, Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, Sanierungsfinanzierung, § 16 Rn. 236. 49 Graeber, NZI 2007, 265, 266. 50 Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 17 Rn. 1; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 554.
D. Zusammenfassendes Ergebnis
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krete Abstimmung über die zeitweise Fortführung, Verwertungsentscheidungen oder die Beauftragung des Insolvenzverwalters mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes zu erfolgen hat (§ 156 InsO formeller Teil). Die organisatorische Verknüpfung der Berichtstermine könnte zum Abbau von Informationsdefiziten der einzelnen Gläubiger und Verwalter beitragen, welche häufig Mitverursacher eines Scheiterns von Gesamtverwertungsstrategien sind. Inwieweit die Insolvenzgerichte dazu verpflichtet sind, aktiv gestalterisch Gesamtverwertungsstrategien durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Verfahren oder durch die Anordnung der Eigenverwaltung zu fördern, wird im Rahmen der Ausführungen zum jeweiligen Koordinierungsinstrument zu erörtern sein.
D. Zusammenfassendes Ergebnis Im Zentrum des vorliegenden Teils stand die Suche nach möglichen Kooperationspflichten der einzelnen Verfahrensbeteiligten bezüglich der Entwicklung und Implementierung von konzernweiten Gesamtverwertungsstrategien. Aus der Pflicht des Insolvenzverwalters zur bestmöglichen Verwertung seiner Masse konnten konkrete Pflichten zur Kooperation mit seinem Verwalterkollegen aus dem Parallelverfahren formuliert werden, wenn dadurch ein Mehrwert auf der Ebene seiner Masse geschaffen wird. Eine aus § 1 InsO abgeleitete Kooperationspflicht versagt als Garant einer wertmaximierenden Gesamtverwertungsstrategie jedoch dann, wenn der Insolvenzverwalter durch strategisches Verhalten bei gleichzeitiger Rückendeckung durch die Gläubigerorgane versucht, sich Sondervorteile zu verschaffen. Zur Vermeidung von obstruktivem Verhalten im Rahmen von Konzerngesamtverwertungsstrategien wurde die grundsätzlich freie Verwertungsentscheidung der Verfahrensorgane insoweit eingeschränkt, als sie sich als gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende Rechtsausübung darstellt. In tatbestandlicher Hinsicht wurde ein Verstoß gegen Treu und Glauben unter Zugrundelegung der gesetzgeberischen Wertungen aus § 245 InsO bei klar obstruktiven Verhalten gegenüber Gesamtverwertungsstrategien eingeschränkt. Ein solches obstruktives Verhalten gegenüber einer Gesamtverwertungsstrategie von Insolvenzverwalter oder Gläubigerorganen wurde angenommen, wenn die Einzelmasse im Rahmen des Gesamtverwertungskonzepts nicht schlechter als bei einer Einzelverwertung steht, die Masse proportional am Mehrwert partizipiert und das Gesamtverwertungskonzept in der Mehrzahl der Verfahren auf Zustimmung gestoßen ist.
3. Teil
Koordinationsmechanismen Wie im vorhergehenden Teil gezeigt, können durch Kooperationspflichten und einer Einschränkung der freien Verwertungsentscheidung im Sinne eines Obstruktionsverbotes optimale Gesamtverwertungsstrategien stimuliert werden. Nachfolgend soll untersucht werden, ob Gesamtverwertungsstrategien möglicherweise zusätzlich durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Insolvenzverfahren oder durch Abschluss von Kooperationsvereinbarungen nach dem Vorbild der US-amerikanischen Protokolle optimiert werden können. Die Ausführungen konzentrieren sich dabei jeweils auf die Frage, ob und welchen Beitrag diese Gestaltungsmittel für eine optimale Gesamtverwertungsstrategie leisten können und inwieweit sie mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar sind.
A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen durch Einsetzung eines personenidentischen Insolvenzverwalters I. Der personenidentische Konzerninsolvenzverwalter Die Auswahl des richtigen Insolvenzverwalters wird gemeinhin als die Schicksalsfrage des Insolvenzverfahrens verstanden.1 Diese Erkenntnis lässt sich mit der aktiven Rolle begründen, welche die Insolvenzordnung dem Insolvenzverwalter zuschreibt. Er hat im Rahmen der Unternehmensinsolvenz das Unternehmen fortzuführen, verdrängt somit die Geschäftsführung aus ihrer aktiven Rolle und hat das Unternehmen evtl. nach den Vorgaben der Gläubigerversammlung zu verwerten. Dem Insolvenzgericht kommt dabei lediglich nur eine Aufsichtsfunktion zu. Der Gang des Verfahrens, insbesondere die Masseverwaltung und Verwertung liegt dabei vollständig in den Händen des Insolvenzverwalters. Dementsprechend hätte eine Zentrierung der Insolvenzverfahren aller konzernverbundenen Unternehmen in die Hände eines Insolvenzverwalters unmittelbar wirtschaftlich funktionale Be1 Jaeger, 6./7. Auflage § 78 KO Anm. 7; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 78 Rn. 2; Graeber, NZI 2003, 569, 569; Vallender, DZWir 1999, 265, 266.
A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen
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deutung. Wird nämlich in jeder Konzerngesellschaft der personenidentische Insolvenzverwalter eingesetzt, so liegt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Wirtschaftseinheit in seinen Händen; das Unternehmen Konzern wird also im Hinblick auf die Kompetenzen des Insolvenzverwalters gerade nicht in eine Vielzahl rechtlich selbständiger Entscheidungseinheiten zerlegt.2 Die Einsetzung eines personenidentischen Insolvenzverwalters für alle Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen ist sowohl im US-amerikanischen3 als auch englischen Recht4 anerkannt. In der US-amerikanischen Praxis ist die Einsetzung eines „common trustee“ zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen Bestandteil der verfahrensmäßigen Verbindung der einzelnen Insolvenzverfahren (joint administration). Doch hat diese Vorgehensweise in der praktischen Anwendung weit geringere Bedeutung als in der englischen Insolvenzpraxis, weil das Reorganisationsverfahrens nach chapter 11 grundsätzlich in Eigenverwaltung („debtor in posession“) geführt wird und nur in Ausnahmefällen ein Insolvenzverwalter („trustee“) bestellt wird. In reinen Liquidationsverfahren nach chapter 7 wird dagegen der Erhalt des Konzernunternehmens als lebender Verbund und somit auch die Einsetzung eines „common trustee“ von geringerer Bedeutung sein. Große Bedeutung in der Abwicklungspraxis von Konzernen kommt jedoch die Einsetzung einheitlicher „administrators“ im Rahmen des englischen administration-Verfahrens zu. Anders als im US-amerikanischen Verfahren nach chapter 11 steht nicht die Reorganisation des Schuldners, d.h. die Erhaltung des schuldnerischen Rechtsträgers, im Vordergrund, sondern die Rettung des Unternehmens als lebender Verbund („going concern“) zum Zweck einer bestmöglichen Haftungsverwirklichung der Gläubiger (sog. „rescue culture“).5 Dies kann zunächst durch Reorganisation erfolgen. Die Wahrung des Unternehmens als lebender Verbund wird jedoch wie in Deutschland wesentlich häufiger im Wege einer übertragenden Sanierung erreicht.6 Im 2 Zu den Kompetenzen der Gläubigerversammlung, siehe oben, 1. Teil, D.I.2.b), S. 80. 3 In Re H & S Transp. Co., Inc., 55 B.R. 786, 791 (Bankr.M.D.Tenn.1985); In the Matter of State Capital Corp., 51 B.R. 400, 404 (Bankr.M.D.Fla.1985); In re Parkway Calabasas Ltd. 89 B.R. 832, 836 (Bankr.C.D.Cal.1988); Scheel, S. 25. 4 Moss/Fletscher, Rn. 8.56, Fn. 71; vgl. High Court of Justice London, NZI 2006, 654, 655 „Collins & Aikmann“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467 „MG Rover“; High Court of Justice Leeds, NZI 2004, 219 f. „ISA Daisytec“; vgl. auch AG Köln NZI 2004, 151 „Automole“. In diesen Verfahren wurden jeweils die gleichen adminstrators eingesetzt. 5 Vgl. sec. 3 (1) (a), (b) Insolvency Act, vgl. zum häufigen Mißverständnis der britischen „rescue culture“ im Sinne einer Reorganisationsfreundlichkeit Goode, Corporate Insolvency, Rn. 10–26, 29. 6 Goode, Corporate Insolvency, Rn. 10–26, 29.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
englischen administration-Verfahren ist zwingend ein Insolvenzverwalter (administrator) zu bestellen. Die Möglichkeit, den Schuldner durch eine der Eigenverwaltung entsprechenden Verwaltungsform die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen, sieht das englische administration-Verfahren gerade nicht vor. Da bei Konzernsachverhalten aber je nach Konzernaufbau der Konzern das eigentliche Unternehmen im wirtschaftlichen Sinne darstellt, setzen die englischen Gerichte jeweils die gleichen Insolvenzverwalter (adminstrators) in den Insolvenzverfahren der einzelnen Konzernglieder ein, um den Zweck des administration-Verfahrens „Rettung des Unternehmens als „going concern“ auch im Konzern bestmöglich verwirklichen zu können.7 Auch die deutsche Gerichtspraxis bedient sich zur optimalen Bewältigung von Konzerninsolvenzen zum Teil der Figur des einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters.8 Manche Gerichte lehnen dagegen eine solche Vorgehensweise aufgrund der dadurch in der Person des Verwalters entstehenden Interessenskollisionen ab.9 Entsprechend uneinheitlich ist das Meinungsspektrum im Schrifttum10, wobei eine tiefgründige Auseinandersetzung mit den konkreten Chancen und Gefahren eines konzerneinheitlichen Insolvenzverwalters nicht stattfindet. Während die Befürworter die Chancen eines einheitlichen Gestaltungswillens im Konzern im Auge haben, greift 7 High Court of Justice London, NZI 2006, 654, 655 „In re Collins & Aikmann“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467 „MG Rover“; High Court of Justice Leeds, NZI 2004, 219 f. „ISA Daisytec“; vgl. auch in Sachen AG Köln NZI 2004, 151 „Automole“; vgl. auch Moss/Fletscher, Rn. 8.56, Fn. 71. 8 AG Duisburg NZI 2002, 556, (Leitsatz Nr. 3), 560 „Babcock-Borsig“; Wellensiek, ZGR 1999, 234, 237; vgl. allgemein zu der unterschiedlichen Praxis, Graeber, NZI 2007, 265, 269 f.; Ehricke, abhängige Unternehmen, S. 465 ff., 487 ff., insbesondere S. 498; ders., DZWiR 1999, 353, 356 ff.; vgl. auch jüngst zur Insolvenz des Schieder-Konzerns, Handelsblatt, 26. Juni 2007. 9 Vgl. Graeber, NZI 2007, 265, 269 f. 10 Die Möglichkeit der Einsetzung eines personenidentischen Konzerninsolvenzverwalters bejahen: Nerlich/Römermann/Abeltshauser, InsO, § 60 Rn. 55; Braun/ Uhlenbruck, S. 522; Ehricke, abhängige Unternehmen, S. 465 ff., 487 ff.; ders., DZWiR 1999, 353, 356 ff.; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 529, 541; ders., ZZP 2001 (114), 1, 9; FK/Kind, InsO, § 56 Rn. 37; Kögel/Loose, ZInsO 2006, 17 ff.; Braun/Kind, § 60 Rn. 17; Paulus, FS Kreft, S. 469, 473; ders., ZIP 2005, 1948, 1951; Rotstegge, S. 104 ff.; 171 ff.; Scheel, S. 40 f.; wohl auf Sanierungsfälle beschränkt, Lutter, ZfB 1984, 773, 786. Dezidiert gegen diese Vorgehensweise dagegen: Smid/Smid, InsO, § 56 Rn. 23 ff.; Smid/Rattunde, Insolvenzplan, Rn. 2.63; Mohrbutter, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Hdb Insolvenzverwaltung, § 6 Rn. 33; MünchKomm InsO/Graeber, § 56 Rn. 34; unter bestimmten Voraussetzungen aber jetzt Graeber, NZI 2007, 265, 265; Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 56 Rn. 30; Duursma-Kepllinger/Chalupsky, in: FeldbauerDurstmüller, Sanierungsmanagement, S. 978, 993; Breutigam/Blersch/Goetsch, § 56 Rn. 13.
A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen
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die ablehnende Haltung überwiegend die Bedenken der Reformkommission auf, die sich mit der Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters für alle Konzernglieder auseinandergesetzt hat und zu einem negativen Ergebnis gekommen ist. Die Reformkommission begründete ihre ablehnende Haltung wie folgt: „Eine einheitliche Insolvenzverwaltung würde dem Verwalter schwerwiegende Interessenskonflikte zumuten; sie würden ferner die Gefahr begründen, dass die Interessen der Gläubiger von abhängigen Konzernunternehmen zum Vorteil der Gläubiger und Gesellschafter des herrschenden Unternehmens hintangestellt werden.“11
II. Wirtschaftliche Betrachtungsweise/Verfahrenseffizienz Bevor auf die rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters eingegangen wird, sollen neben den allgemeinen Vorteilen einer koordinierten Verfahrensbewältigung im Konzern, zunächst die besonderen wirtschaftlichen Vorteile eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters herausgearbeitet werden. Erst wenn sich am Ende einer solchen Analyse herausstellt, dass die Einsetzung des gleichen Konzerninsolvenzverwalters unter ökonomischen Gesichtspunkten (partiell) vorteilhaft sein kann, scheint es angebracht, eine solche Vorgehensweise rechtlich zu würdigen. 1. Unmittelbare Verfahrenseffizienz Einer der wesentlichen Vorteile einer einheitlichen Insolvenzverwaltung ist zunächst einmal der in der Summe betrachtet geringere Zeitaufwand bei der Informationsgewinnung und Einarbeitung in die jeweiligen Strukturen des Konzernunternehmens. Wird für jedes Konzernglied ein unterschiedlicher Insolvenzverwalter eingesetzt, so muss sich jeder Insolvenzverwalter in die Strukturen und Beziehungen des von ihm verwalteten Unternehmens einarbeiten. Als vorläufiger Insolvenzverwalter oder Sachverständiger hat er im Eröffnungsverfahren insbesondere zu überprüfen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt und spätestens bis zum Berichtstermin muss er die Insolvenzursache analysiert haben. Insbesondere bei eng miteinander verflochtenen Konzernen wird der Verwalter weder Insolvenzgrund noch Insolvenzursache außerhalb des Konzerngesamtkontextes ermitteln können, denn diese können an anderer Stelle des Konzerns ihren Ursprung haben.12 Eine ordnungsgemäße Insolvenzverwaltung macht es erforderlich, dass sich jeder Insolvenzverwalter 11 12
Erster Bericht der Kommission, S. 292. Siehe oben, Insolvenzgründe und Insolvenzursachen 1. Teil, D.I.1.a).
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
der Konzernglieder in die Konzerngesamtstruktur einzuarbeiten hat, um die bisherige Funktion seines Unternehmens im Kontext zu verstehen. Da insbesondere bei einer zentralen Konzernfinanzierung auch die Gläubigerstrukturen partiell übereinstimmen13, ist auch im Hinblick auf die Kontaktaufnahme und Zusammenarbeit mit den einzelnen Gläubigern eine effizientere Verfahrensbewältigung zu erwarten. Die einmalige Einarbeitung durch einen einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter wird in der Summe wesentlich weniger Zeit in Anspruch nehmen als die jeweilige isolierte Einarbeitung durch eine Vielzahl von Insolvenzverwaltern. Dies schlägt sich unmittelbar auf die Kosten des Insolvenzverfahrens nieder, da bei der Verwaltervergütung nach § 3 Abs. 2 InsVV neben dem Massevolumen auch der Arbeitsaufwand durch Vergütungszuschläge oder Abschläge zu berücksichtigen ist.14 Auch die Verfahrenseffizienz im Hinblick auf die Kooperation des Insolvenzverwalters mit dem Insolvenzgericht wird durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in allen Verfahren der einzelnen Konzernglieder gesteigert, vorausgesetzt es besteht zusätzlich eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit. Hat das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht lediglich mit einem Insolvenzverwalter statt mit einer Vielzahl zu tun, wirkt sich die intensive Zusammenarbeit zwischen Gericht und Verwalter in der Regel positiv auf das Vertrauensverhältnis zwischen Gericht und Verwalter aus.15 Im Übrigen ist der Informationsweg aus der Perspektive des Gerichts einseitig und führt im Hinblick auf die gerichtliche Aufsichtsfunktion ebenfalls zusätzlich zu einer größeren Verfahrenseffizienz. Im Gegenzug kann der Insolvenzverwalter bei seiner Berichterstattung (vgl. § 58 Abs. 1 InsO) auf bereits dem Gericht vorgelegte Berichte anderer Konzerngesellschaften verweisen. In praktischer Hinsicht wird sich ein konzerneinheitlicher Insolvenzverwalter am einfachsten die Informationen verschaffen können, die er braucht. Dies gilt insbesondere bei stark integrierten Konzernen. Wichtige Verwaltungsbereiche, wie etwa Personalwesen, Buchhaltung und Rechnungswesen, Grundstückverwaltungen, Datenverarbeitung etc., werden hier oftmals nur auf der Ebene der Konzernmutter unterhalten. Die einzelnen Konzerninsolvenzverwalter müssten sich in diesem Fall erst Zugang zu den Informa13 Eine homogene Gläubigerstruktur wird insbesondere durch die zentrale Kreditaufnahme der Finanzierungsgesellschaft und der Gewährung von Sicherheiten der einzelnen Konzernglieder erzeugt, siehe oben, 1. Teil, D.I.1.a)bb). 14 Bei dieser kostenreduzierenden Wirkung ist jedoch die u. U. notwendige Einsetzung von Sonderinsolvenzverwaltern und der damit verbundenen Kosten zu berücksichtigen. Zu der notwendigen Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters, siehe unten, 3. Teil, A.III.2.c)aa), S. 141 ff. 15 Vgl. Duursma-Kepllinger/Chalupsky, in: Feldbauer-Durstmüller, Sanierungsmanagement, S. 978, 993; Ehricke, DZWiR 1999, 356.
A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen
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tionen in der Konzernzentrale verschaffen, was zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen kann.16 2. Fortführungs- und Verwertungseffizienz: Erhalt der einheitlichen Leitung der Konzernunternehmen Die wesentliche Wirkung der Einsetzung eines einheitlichen Insolvenzverwalters für alle Konzernglieder liegt allerdings in der dadurch bewirkten einheitlichen Leitung des Konzerns, welche eine Fortführung und u. U. günstigere Gesamtverwertung erleichtert. Im Hinblick auf die Fortführung des Konzernunternehmens wird durch die Einsetzung eines Insolvenzverwalters vermieden, dass sich die Konzernglieder in einzelne rechtlich unabhängig voneinander agierende Konzernglieder zerlegen, die jeweils autonom geführt werden. Die im werbenden Konzern bekannte personale Verflechtung, wie etwa den Geschäftsführerdoppelmandaten, als Mittel der Konzernbildung wird quasi insolvenzverfahrensspezifisch durch die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters bewirkt. Die im Rahmen der Unternehmensfortführung im ersten Teil näher erörterten Fortführungsprobleme, insbesondere strategisches Verhalten im konzerninternen Leistungstausche bei funktional-vertikal integrierten Konzernen, werden damit von vornherein vermieden. Die Konditionen für einen konzerninternen Leistungsaustausch werden nicht „horizontal“ zwischen den einzelnen Insolvenzverwaltern ausgehandelt, sondern durch den einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter über Insichgeschäfte „quasi hierarchisch“ veranlasst. Ein mögliches Auseinanderbrechen des Konzerns etwa im Wege der Verweigerung notwendiger Vorleistungen wird auf diesem Wege verhindert. Aber auch die Abstimmungsprobleme und Störpotentiale im Rahmen einer konzerneinheitlichen Veräußerung wären durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters beseitigt. Die Veräußerung des Gesamtkonzerns oder wesentlicher Teile erfolgen dann quasi aus einer Hand durch den Konzerninsolvenzverwalter. Potentielle Investoren brauchen somit nicht mit verschiedenen Insolvenzverwaltern zu verhandeln, bzw. sich diese vorab auf eine gemeinsame Vorgehensweise bzw. Erlösverteilung zu einigen.17 Konfliktpotentiale im Rahmen der Mitwirkungsbefugnisse der Gläubiger werden dabei freilich nicht beseitigt. Ihre freie Verwertungsentscheidung wird jedoch entsprechend der obigen Ausführungen dann eingeschränkt, wenn ihre Blockadehaltung gegenüber Konzerngesamtverwertungsstrategien Ausdruck eines klar obstruktiven Verhaltens ist.18 16 17 18
Vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231, 235. Zu den damit verbundenen Problemen, siehe oben, 1. Teil, D.II.2., S. 87. Siehe ausführlich oben, 2. Teil, B.II.2.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
Auch die durch die partiellen Kompetenzen der Insolvenzverwalter entstehenden Informationsdefizite, welche Verwertungsoptionen durch entsprechende rechtsträgerübergreifende Kombinationen des Gesamtressourcenpools oftmals nicht erkennen lassen, werden mit der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters vermieden. 3. Ergebnis In wirtschaftlicher Hinsicht ist die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters mit erheblichen Vorteilen verbunden. Unabhängig von der Verwertungsart führt sie im Hinblick auf die unmittelbaren Verfahrenskosten zu einer Minimierung des Verwaltungsaufwandes, insbesondere bei der Einarbeitung in den Konzernsachverhalt und der Informationsbeschaffung. Solange der Konzern als Unternehmen – wenn auch nur zeitweise – einheitlich fortgeführt werden soll, was insbesondere bei funktional-vertikal integrierten Konzernen in der Regel notwendig sein dürfte, oder zusätzlich eine Gesamtveräußerung angestrebt wird, werden Störpotentiale bei der Unternehmensfortführung vollständig und auch im Rahmen der Implementierung von Gesamtveräußerungsstrategien teilweise gelöst. Lediglich dann, wenn die vollständige Einzelzerschlagung unausweichlich ist, wird sich eine arbeitsteilige Abwicklung der Massen durch verschiedene Insolvenzverwalter als vorteilhafter erweisen, da in diesem Fall weder eine Betriebsfortführung19 noch eine Aktivierung von Verbundwerten in Frage kommt. Es können allenfalls verfahrensmäßige Einsparungspotentiale (Einarbeitungszeit, etc.) aktiviert werden.
III. Rechtliche Beurteilung Während die wirtschaftliche Beurteilung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters überwiegend positiv ausfiel, stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob und ggf. wo dieses Modell an seine rechtlichen Grenzen stößt. Eine ausdrückliche Regelung für die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters sieht die Insolvenzordnung nicht vor. Im Folgenden sollen die von der Reformkommission und einem Teil der Literatur angenommenen Interessenskonflikte näher beleuchtet und konkrete Kollisionspunkte aufgezeigt werden. Es können natürlich vielfältige Interessenkonflikte auftreten, die an dieser Stelle nicht erschöpfend herausgearbeitet werden können. Vielmehr soll hier eine Orientierung an die wesentlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters im Gang des Verfahrens erfolgen. 19
Anders wiederum natürlich für den Fall einer längeren „Ausproduktion“.
A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen
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1. Konfliktpunkte Ein wesentlicher Konfliktpunkt liegt in den konzerninternen Austauschgeschäften. Bei einem funktional-vertikal integrierten Konzern ist eine Fortführung des Unternehmens ohne eine Vielzahl von konzerninternen Austauschgeschäften nicht denkbar. Im Insolvenzverfahren handelt es sich bei diesen Geschäften um Massegeschäfte (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Im Rahmen des Austauschprozesses steht nun auf beiden Seiten jeweils der personenidentische Konzerninsolvenzverwalter, weil für beide Massen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf ihn übergegangen ist. Sowohl die vertragliche Causa als auch die dingliche Übertragung wird durch den einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter im Rahmen seiner Doppelfunktion im Wege eines Insichgeschäfts (§ 181 BGB) geschlossen. Wird etwa ein fertig gestelltes Teilprodukt einer anderen Konzerngesellschaft zur Endproduktion überlassen oder im Rahmen einer Restrukturierung eine Produktionslinie übertragen, so schließt der Insolvenzverwalter jeweils einen schuldrechtlichen Vertrag über den Leistungsaustausch (Kaufvertrag) mit sich selbst als Insolvenzverwalter der Masse des einen Konzerngliedes und als Insolvenzverwalters der Masse des anderen Konzerngliedes ab. Gleiches gilt für die dingliche Übereignung. Es besteht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter nicht dem Interesse beider Massen gerecht wird und es zu einer ungerechtfertigten Masseverlagerung kommt. Ein ähnlicher Interessenskonflikt besteht im Hinblick auf die Ausübung von Anfechtungsrechten. Die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten konzerninternen Transaktionen stehen in besonderer Weise unter dem Damoklesschwert der Insolvenzanfechtung, weil es nicht selten gerade vor Insolvenzeröffnung zu unberechtigten Vermögensverlagerungen im Konzern kommt.20 Mit entsprechender Sorgfalt hat insbesondere der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft konzerninterne Transaktionen auf ihre Anfechtbarkeit zu überprüfen. Steht auf beiden Seiten der gleiche Insolvenzverwalter, könnte dieser unter Umständen geneigt sein, die Interessen der Gläubiger der Tochtergesellschaften zugunsten einer schnellen und einheitlichen Fortführung des Gesamtkonzerns zu vernachlässigen. Gleiches Konfliktpotential besteht im Rahmen beiderseitig noch nicht erfüllter Verträge, wie etwa vor Verfahrenseröffnung zwischen Konzerngliedern abgeschlossene Rahmen- oder Sukzessivlieferungsverträge, etwa im Hinblick auf die Inanspruchnahme von Verwaltungsleistungen. Hier hat der Insolvenzverwalter über sein Wahlrecht aus § 103 InsO über eine noch nicht erfüllte Vertragsbeziehung zu befinden. Dabei hat er Nutzen und Las20 Vgl. Ehricke, Abhängige Unternehmen, S. 15 ff.; vgl. auch Böcker, GmbHR 2004, 1257, 1262, 1314, 1316.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
ten für die Masse sorgfältig gegeneinander abzuwägen.21 Da sich beide Vertragspartner sich im Insolvenzverfahren befinden, hätte ein konzerneinheitlicher Insolvenzverwalter eine solche Abwägung sowohl auf der Seite der Obergesellschaft als auch der Untergesellschaft durchzuführen, denn die Wahlrechte aus den §§ 103 ff. InsO stehen aufgrund der Doppelinsolvenz beiden Seiten zu. Auch hier könnte ein einheitlicher Konzerninsolvenzverwalter verleitet sein, das Wahlrecht einseitig zugunsten einer Partei auszuüben, etwa wenn er zur Aufrechterhaltung des einen Konzernunternehmens dringend auf die Erfüllung angewiesen ist.22 Da es sich beim Wahlrecht aus § 103 InsO um eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung handelt,23 ist auch hier ein Konflikt zu § 181 BGB anzunehmen.24 Ein überaus konfliktträchtiger Bereich bei einer einheitlichen Konzerninsolvenzverwaltung liegt im Anmeldeverfahren für Insolvenzforderungen. Mit Eintritt des Insolvenzfalles ist davon auszugehen, dass zwischen den Konzerngesellschaften noch eine Vielzahl von Forderungen konzerninterner Transaktionen offen steht. Vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Forderungen sind – jedenfalls bezüglich Forderungen der Tochter gegen die Mutter25 – als einfache Insolvenzforderungen einzustufen. Befinden sich sowohl Mutter als auch Tochter im Insolvenzverfahren, dann muss im Ergebnis der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft die Forderung beim Insolvenzverwalter der Muttergesellschaft anmelden. Gleiches gilt in umgekehrter Weise für Forderungen der Mutter gegen die Tochter. Wird nun für alle Konzernglieder der gleiche Insolvenzverwalter eingesetzt, so muss er die Forderungen der Tochtergesellschaft bei sich selbst anmelden und somit aus der Position des Insolvenzverwalters der Muttergesellschaft die Anmeldung entgegen nehmen. Eine eigentlich erforderliche (zweite) Prüfung der angemeldeten Forderung erfolgt dann verständlicher21 Vgl. Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 103 Rn. 1; Braun/Kroth, InsO, § 103 Rn. 2; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, § 103 Rn. 1. 22 Andererseits steht dem Insolvenzverwalter (bei Gestattung § 180 BGB) jederzeit die Möglichkeit zu, durch seine umfassende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Massen (§ 80 Abs. 1 InsO), den Leistungsaustausch auf ausgewogener vertraglicher Grundlage neu zu ordnen. Insbesondere wenn vorher ein Beherrschungsvertrag bestand, werden die vereinbarten Preise in der Regel nicht marktgerecht oder angemessen sein. 23 Huber, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 35 Rn. 3. 24 § 181 BGB ist u. a. auf Kündigung, Anfechtung, Zustimmung, Vollmachtserteilung und geschäftsähnliche Handlungen anwendbar, vgl. MünchKomm BGB/ Schramm, § 181 Rn. 13, m. w. N. 25 Umgekehrt besteht freilich die Gefahr des eigenkapitalersetzenden Charakters der Forderung.
A. Einheitlicher Gestaltungswille im Konzernunternehmen
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weise nicht mehr.26 So besteht im Vertragskonzern in der Regel eine erhebliche Forderungsposition der Tochtergesellschaft in Höhe des Verlustausgleichsanspruchs aus § 302 AktG gegenüber der Mutter. Ein Konzerninsolvenzverwalter müsste im Hinblick auf etwa bestehende bilanzielle Beurteilungsspielräume bezüglich der Höhe des entstandenen Verlustes einerseits wegen seiner Bestreitenspflicht als Insolvenzverwalter der Obergesellschaft beachten, dass die Forderung nicht zu hoch angesetzt wird. Andererseits muss er die Pflicht des Insolvenzverwalters der Untergesellschaft zur bestmöglichen Masseanreicherung beachten und den Verlustausgleichsanspruch möglichst hoch ansetzen. Insgesamt muss der einheitliche Insolvenzverwalter im Laufe des Insolvenzverfahrens eine Vielzahl von Entscheidungen bzw. Maßnahmen treffen, welche in einem Spannungsverhältnis zwischen den Interessen der einzelnen Massen stehen. 2. Rechtliche Hindernisse a) Generelle Ungeeignetheit nach § 56 InsO Für die Bestellung des Insolvenzverwalters gibt § 56 Abs. 1 InsO dem Insolvenzgericht inhaltliche Vorgaben.27 Danach muss der zu bestellende Insolvenzverwalter für den jeweiligen Einzelfall geeignet, insbesondere von den Gläubigern und dem Schuldner unabhängig sein. Die Einsetzung des personengleichen Insolvenzverwalters bezüglich der verschiedenen Konzernglieder könnte mit dieser gebotenen Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters von Schuldner und Gläubiger unvereinbar sein. In den Gesetzesbegründungen wurde das Gebot der Unabhängigkeit dahingehend erläutert, dass der Insolvenzverwalter „von den Verfahrensbeteiligten unabhängig sein muss, um sein Amt frei von sachwidrigen Einflüssen ausüben zu können.“28 Eine zweckentsprechende Auslegung des Begriffs Unabhängigkeit gebietet, dass der Insolvenzverwalter frei von Bindungen an einzelne Gläubiger 26
So im Ergebnis zu Recht Smid/Smid, InsO, § 56 Rn. 23; für zumindest konfliktträchtig haltend: Ehricke, Abhängige Unternehmen, S. 467; vgl. auch Hirte, ZIP 2008, 444, 448, der de lege ferenda das Anmeldeverfahren bei einem einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter durch die bloße Aufnahme der Forderung in die Tabelle ersetzt wissen will. 27 Diese gelten nicht nur für die Einsetzung des Insolvenzverwalters im Eröffnungsbeschluss, sondern auch für die gerichtliche Einsetzung eines in der ersten Gläubigerversammlung gewählten Insolvenzverwalters, vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56, Rn. 20, § 57 Rn. 15. 28 Begr.RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 127, zu § 65.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
und den Schuldner sein muss, die geeignet sind, die Verwirklichung der in § 1 InsO festgeschriebenen Ziele zu vereiteln oder zu gefährden.29 Die Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters fehlt immer dann, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Gläubigers aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Insolvenzverwalter werde seinen ihm nach der InsO zugewiesenen Aufgaben nicht in der Weise wahrnehmen, dass das einheitliche Hauptziel der bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung erreicht wird.30 Das Insolvenzverfahren berührt eine Vielzahl von Interessen, insbesondere der Gläubiger und des Gemeinschuldners als Verfahrensbeteiligte. Aufgrund der Masseinsuffizienz steht die Verwirklichung ihrer Interessen auf dem Spiel. Der Schuldner muss mit dem Verlust seines Vermögens bzw. seines Unternehmens als Existenzgrundlage oder Investment rechnen, die Gläubiger mit einem (teilweisen) Forderungsausfall. Jeder der Verfahrensbeteiligten will seine im Grundsatz berechtigten Interessen durchsetzen, nicht jeder könnte dies allerdings in vollen Zügen. Genau dies ist der Grund, warum der Gesetzgeber die Möglichkeit der Interessenswahrnehmung nur noch in einem geordneten, staatlichen Gesamtvollstreckungsverfahren vorsieht. Das Spannungsverhältnis der vielseitigen Interessen zwischen den Verfahrensbeteiligten geht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens natürlich nicht verloren. Vielmehr soll ein gerechter Ausgleich der Interessen durch das Insolvenzverfahren geschaffen, diese gleichermaßen zwangsweise gebändigt werden. Gerade der Insolvenzverwalter als maßgebliches Organ des Insolvenzverfahrens und Inhaber der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Masse (als von allen begehrtes Objekt) muss aus diesen Gründen von den Verfahrensbeteiligten unabhängig sein, um den Zweck, im staatlichen Gesamtvollstreckungsverfahren einen gerechten Ausgleich der Interessen herbeizuführen, nicht zu gefährden. Dabei stehen maßgeblich die Interessen der Gläubiger an einer bestmöglichen Befriedigung im Vordergrund31, die Interessen des Schuldners, insbesondere an einer Unternehmensfortführung, können sich dabei nur in diesem Rahmen verwirklichen. Eine gewisse Nähebeziehung des Insolvenzverwalters zum Schuldner könnte dazu führen, dass der Insolvenzverwalter im Hinblick auf den ersten Verfahrenszweck „bestmögliche Befriedigung der Gläubiger“ diesen nicht mehr im Auge hat, sondern – bewusst oder auch unbewusst – Interessen 29
Graf-Schlicker, FS Kichhof, S. 135, 141; vgl auch Graber, NZI 2002, 345,
346. 30 Vgl. Graf-Schlicker, FS Kichhof, S. 135, 141, zum Insolvenzverfahrenszweck bestmöglicher Befriedigung der Gläubiger vgl. auch BT-Druck 12/2443, S. 108; FK/Schmerbach, InsO, § 1 Rn. 12. 31 Jaeger/Henckel, InsO, § 1 Rn. 2; FK/Kind, InsO, § 56 Rn. 4.
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des Schuldners berücksichtigt, welche zu einer suboptimalen Befriedigung der Gläubiger führt. So könnte ein dem schuldnerischen Unternehmen nahe stehender Insolvenzverwalter dazu geneigt sein, den Beurteilungsspielraum über die Fortführungsfähigkeit (§ 156 Abs. 1 InsO) – eine solche ist immer mit Unsicherheiten verbunden – zugunsten des Schuldners auszuschöpfen. Aufgrund der zu positiv eingeschätzten Fortführungsprognose und zukünftigen Ertragsfähigkeit könnten dann die Gläubiger geneigt sein, die Fortführung und Sanierung eines Schuldners aufgrund des positiven Verwalterberichts zu beschließen. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens32 und Bestätigung des Insolvenzplans würden die Gläubiger dann u. U. in den Erträgen enttäuscht, denn es stellt sich im nachhinein heraus, dass eine sofortige Verwertung zu Lasten des Schuldners im Wege einer übertragenen Sanierung günstiger gewesen wäre. Neben dieser, für den Schuldner existentiellen, Frage gibt es eine Vielzahl Situationen, in denen der Insolvenzverwalter die Interessen des Schuldners zu Lasten der Gläubiger berücksichtigen könnte. Eine Nähebeziehung zu einem bestimmten Gläubiger führt dabei zu einer potentiellen Gefährdung des zweiten Verfahrenszwecks „der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung“( par conditio creditorum). Besteht eine Nähebeziehung des Insolvenzverwalters zu einem der Gläubiger, ist auch hier wiederum die Gefahr einer bevorzugten Behandlung dieses Gläubigers begründet. So wäre die objektive Überprüfung von Leistungen auf ihre Anfechtbarkeit gegenüber dem nahestehenden Gläubiger nicht gewährleistet. Auch eine objektive Überprüfung der durch den nahestehenden Gläubiger angemeldeten Forderungen durch den Insolvenzverwalter wäre gefährdet. Aber auch die bestmögliche Befriedigung durch bestmögliche Verwertung kann bei einer entsprechenden Nähebeziehung zum Gläubiger gefährdet sein. Um das Beispiel der Fortführungsprognose wieder aufzugreifen, könnte ein dem Gläubiger nahestehender Insolvenzverwalter dazu neigen, bei der Fortführungsprognose seinen Beurteilungsspielraum gegen eine Sanierung auszunutzen, weil auf diese Weise ein Wettbewerber des jeweiligen Gläubigers vom Markt verdrängt würde. Dies mag für den Gläubiger in der Position des Wettbewerbers vorteilhaft sein, würde aber eine aussichtsreiche Befriedigungsoption der Gläubigerschaft insgesamt verhindern. Betrachtet man nun die Ausgangslage, dass für alle Konzerngesellschaften der gleiche Insolvenzverwalter eingesetzt wird, so stellt sich aus der Sicht der Untergesellschaft zunächst die Frage nach der Unabhängigkeit vom Schuldner. Der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft übt nämlich 32
Der Insolvenzverwalter setzt sich hier freilich einer Haftung aus § 60 InsO aus, die aber in Zusammenhang mit Prognosen und Beurteilungsspielräumen nicht einfach durchsetzbar ist.
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die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der in der Insolvenzmasse der Obergesellschaften fallenden Anteile an der Untergesellschaft aus. Ohne das Trennungsprinzip übermäßig zu strapazieren, leuchtet ein, dass der Insolvenzverwalter aus der Perspektive der Obergesellschaft ein Interesse daran hat, den Gesellschaftsanteilen auf Dauer noch einen Wert zuzuführen und damit die Masse der Obergesellschaft anzureichern. Dies gelingt aber nur durch eine Sanierungsentscheidung, weil bei einer Liquidation/übertragenden Sanierung der Wert des Gesellschaftsanteils endgültig verloren geht.33 Die Gesellschaft ist zwar Gesamtschuldner, die Vermögensinteressen einer juristischen Person liegen jedoch bei den Gesellschaftern. Auf das Beispiel der Fortführungsprognose zurückgreifend, hat der Insolvenzverwalter aus der Sicht der Obergesellschaft ein großes Interesse daran, die Fortführung der Untergesellschaft zu forcieren, um den Anteilswert auf Dauer der Masse wieder zuschreiben zu können oder schlicht um rein funktional den Konzernverbund aufrecht zu erhalten und so eine effektive Verwertung der Masse der Obergesellschaft zu garantieren. Eine mögliche Vernachlässigung der Interessen der Gläubiger der Untergesellschaft liegt auf der Hand. Im Ergebnis besteht demnach bei der Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters im Verfahren der Ober- und Untergesellschaft eine Nähebeziehung zur schuldnerischen Untergesellschaft, welche durch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die in der Masse der Obergesellschaft fallenden Gesellschaftsanteile vermittelt werden und grundsätzlich den Verfahrenszweck aus § 1 InsO, bestmöglicher Befriedigung der Gläubiger der Untergesellschaft, gefährdet. Darüber hinaus fehlt dem Insolvenzverwalter in der Regel auch die gemäß § 56 Abs. 1 InsO gebotene Unabhängigkeit von den Gläubigern. Häufig besteht zwischen den einzelnen Konzerngesellschaften eine Vielzahl von Verbindlichkeiten. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter die Gläubigerrechte des Gemeinschuldners für die Masse geltend zu machen. Die Wahrnehmungsbefugnis ist sicherlich die intensivste Form der Nähebeziehung zum Gläubiger. Aus der Sicht der Obergesellschaft besteht somit eine Nähebeziehung zur Tochtergesellschaft als mögliche Gläubigerin der Obergesellschaft und aus Sicht der Tochtergesellschaft eine Nähebeziehung zur Obergesellschaft als Gläubigerin der Untergesellschaft. Die aufgezeigten Interessensgegensätze stehen der Einsetzung eines konzerneinheitlichen Insolvenzverwalters zunächst im Hinblick auf § 56 InsO entgegen. Zu hoch ist die Gefahr, dass es im Rahmen der Parallelverwaltung zu einer Umverteilung zwischen den Massen kommt. Diese Interes33 Zur Auswirkung der Sanierung der Untergesellschaft auf die Masse der Obergesellschaft vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231, 236.
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sensdivergenzen werden zum Teil mit der besonderen Amtstellung des Insolvenzverwalters zu entkräften versucht.34 Insbesondere Abeltshauser35 sieht die Unabhängigkeit zu Gläubiger und Schuldner im Sinne von § 56 InsO immer dann nicht beeinträchtigt, wenn der Insolvenzverwalter seine Wahrnehmungsbefugnis von Gläubiger- und Schuldnerpositionen aus seiner Stellung als Insolvenzverwalter eines andern Verfahrens herleitet. In diesem Fall sei die Gefahr von Interessenskollisionen nicht vergleichbar mit den Fällen, in denen der Insolvenzverwalter selbst Gläubiger im Verfahren ist oder als Vertreter des Schuldners oder Gläubigers agiere. Der Insolvenzverwalter verfolge im Hinblick auf die aus der Amtsstellung fließende Wahrnehmungszuständigkeit über Forderungen weder unmittelbare noch mittelbare Eigeninteressen in den Einzelverfahren, soweit er zu einer Mehrfachverwaltung herangezogen wird.36 Der Unterschied wird dabei in der besonderen Fähigkeit des Insolvenzverwalters gesehen, Interessensdivergenzen zu einem Ausgleich zu bringen.37 So habe er in jedem Verfahren die unterschiedlichen Interessen zwischen absonderungsberechtigten und einfachen Gläubigern und bei einer Sanierung auch noch zwischen den Gläubigern und den Gesellschaftern zu einem gerechten Ausgleich zu bringen. Diese Begründung überzeugt indes nicht. Zwar ist richtig, dass dem Insolvenzverwalter im Grundsatz eine einheitliche Verwaltung getrennter Vermögensmassen unter Aufrechterhaltung ihrer Trennung zuzutrauen ist. Aufgrund der vielzähligen Berührungspunkte der Verwaltungshandlungen, deren Vorteil für eine Masse unmittelbar zu einem Nachteil der anderen Masse führen, wird der Verdacht einer verfahrenszweckwidrigen Ausübung des Verwalteramtes mit einem Verweis auf seine Amtsstellung nicht hinreichend ausgeräumt. Im Grundsatz haben die Gläubiger jedoch mit dem Gebot der Unabhängigkeit aus § 56 InsO einen Anspruch darauf, dass jeder Verdacht eines nicht in ihren Interessen handelnden Insolvenzverwalters von vornherein ausgeschlossen wird. Ähnlich wie im werbenden Konzern mag eine gewisse – wenn auch unbewusste38 – Tendenz eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters bestehen, lediglich den Gesamterfolg aus der Perspektive der Muttergesellschaft im Blick zu haben, denn als Gradmesser seiner Reputation wird dieser Gesamterfolg im Vordergrund stehen. Dabei wird zumindest nicht auszuschließen sein, dass der Insolvenzverwalter hier mög34 Nerlich/Römermann/Abeltshauser, § 60 Rn. 54; ähnliche Erwägungen bei Rotstegge, S. 105 f.; Scheel, S. 40. 35 In: Nerlich/Römermann, § 60 Rn. 54. 36 Rotstegge, S. 106; ähnlich Scheel, S. 40. 37 Nerlich/Römermann/Abeltshauser, InsO, § 60 Rn. 54. 38 Gerade auch die Gefahr vor unbewusster Bevorzugung der Interessen eines anderen Vertretenen soll über § 181 BGB geschützt werden, MünchKomm BGB/ Schramm, § 181 Rn. 2.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
licherweise Nachteile in der einen Masse zu Gunsten eines Gesamtergebnisses hinnimmt. So sind denn auch in der Praxis Fälle ruchbar geworden, in denen Konzerninsolvenzverwalter die Verfahren von Tochtergesellschaften durch „Umbuchungen“ zu finanzieren versucht haben.39 Nicht zuletzt deshalb sehen manche Gerichte von der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters ab.40 Aber selbst wenn man für die gerichtliche Einsetzungsentscheidung nach § 56 InsO die Eignung des Insolvenzverwalters in seiner besonderen Fähigkeit zum Interessenausgleich sehen würde, könnte mit der Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters für alle konzernverbundenen Unternehmen eine einheitliche Verwaltung durch § 181 BGB wieder zunichte gemacht werden. Es ist nämlich zu beachten, dass der Insolvenzverwalter eine Vielzahl von rechtsgeschäftlichen Erklärungen und geschäftsähnliche Handlungen insolvenzspezifischer und allgemeiner Natur abzugeben hat und bei entsprechendem Verflechtungsgrad insbesondere auch für und gegen die jeweils andere Masse. Die Anwendung des Selbstkontrahierungsverbotes aus § 181 BGB auf den Insolvenzverwalter ist auch nach der herrschenden Amtstheorie allgemein anerkannt.41 Ein im Wege einer teleologischen Auslegung gefundener Ausschluss vom Anwendungsbereich dieser Norm wäre nur dann möglich, wenn es sich bei der Konzerninsolvenz um eine typische Fallgruppe handeln würde, die Interessenskollisionen von vornherein ausschließt. Wie oben herausgearbeitet, ist dies jedoch nicht der Fall. Die besondere Kompetenz des Insolvenzverwalters beim Umgang mit Interessenskollisionen schließt die Interessenskollision als solche nicht aus.42 Folgende Handlungen wären im Gang des Verfahrens wegen des Selbstkontrahierungsverbotes aus § 181 BGB nicht möglich: Konzerninterne Austauschgeschäfte zwischen den Massen könnten vom Insolvenzverwalter nicht abgeschlossen und durchgeführt werden. Da in einem funktional-vertikal integrierten Konzern die für die Herstellung erforderlichen Funktionen auf verschiedene selbständige Rechtsträger gestellt sind, wäre damit eine 39
Vgl. Hinweis bei Smid/Smid, InsO, § 56 Rn. 23. Graeber, NZI 2007, 265, 265. 41 BGH ZIP 1991, 324, 326; OLG Frankfurt, BB 1976, 571; LG Halle, ZIP 1994, 572, 576; AG Halle-Saalkreis, ZIP 1993, 1912; Hübner, S. 114 ff., 131; Graeber/ Pape, ZIP 2007, 991, 993; Graf/Wunsch, DZWiR 2002, 177, 178; Kögel/Loose, ZINsO 2006, 17; Staudinger/Schilken, § 181 Rn. 39; MünchKomm BGB/Schramm, § 181 Rn. 32. 42 Die im Vertragskonzern und faktischen Aktienkonzern bei personalen Verflechtungen auf Vorstandsebene angenommene teleologische Reduktion von § 181 BGB (vgl. Timm, AcP 193 (1993), S. 423 ff.) ist bereits deshalb nicht anzunehmen, weil die im werbenden Konzern bestehenden Ausgleichsmechanismen (§§ 302 AktG, 311 ff. AktG) hier nicht greifen. 40
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Unternehmensfortführung im Extremfall ausgeschlossen, weil diese ohne einen ständigen Leistungsaustausch zwischen den Massen nicht möglich ist.43 Erklärungen des Insolvenzverwalters bezüglich des Wahlrechts aus § 103 InsO bei bestehenden konzerninternen Austauschverträgen könnten nicht abgegeben werden. Auch an der Anmeldung von konzerninternen Forderungen und der Geltendmachung von Anfechtungsrechten konzerninterner Transaktionen wäre der Konzerninsolvenzverwalter gehindert. b) Zwischenergebnis Die Einsetzung eines Konzerninsolvenzverwalters ist im Hinblick auf den Zweck des Insolvenzverfahrens, für eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger durch optimale Verwertung der Masse zu sorgen, dienlich und hinderlich zugleich. Die Untersuchung hat ergeben, dass einerseits durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters das Verfahren insgesamt effizienter gestaltet wird, die zeitweise Fortführung des Konzernunternehmens möglich und die maximale Verwertung des Konzerngesamtunternehmens wahrscheinlich ist. Störpotentiale durch strategisches Verhalten anderer Insolvenzverwalter, welche für eine Fortführung des Konzerns und eine evtl. für alle Gläubiger vorteilhafte optimale Gesamtverwertungsstrategie hinderlich sein kann, werden von vornherein ausgeschaltet. Andererseits besteht die Gefahr der Vernachlässigung der Einzelinteressen in den einzelnen Insolvenzverfahren und es besteht die Möglichkeit eines Führungsstaus durch das Selbstkontrahierungsverbot aus § 181 BGB. Diese Gründe könnten dafür sprechen, einen bereits in einer anderen Konzerngesellschaft eingesetzten Insolvenzverwalter als ungeeignet und von Schuldner und Gläubiger abhängig im Sinne von § 56 InsO einzustufen, es sei denn, die oben ausgeführten Interessenskollisionen ließen sich auf anderem Wege beseitigen. c) Mögliche Instrumente zur Beseitigung der Interessenskollision aa) Die zusätzliche Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters Insbesondere zur Überwindung der mit § 181 BGB verbundenen Probleme wird zum Teil auf die mögliche Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters verwiesen.44 Sind eine Vielzahl von konzerninternen Rechtsgeschäf43
Vgl. allgemein für die Betriebsaufspaltung: Kögel/Loose, ZInsO 2006, 17, 19 f. Dahl, ZInsO 2004, 1014, 1015; Graeber, NZI 2007, 265, 269; Braun/Kind, § 56 Rn. 11; vgl. auch die mögliche Einsetzung eines Sondersachwalters, AG Duisburg, NZI 2002, 556, 556, 3. Leitsatz, 560. 44
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ten während des Insolvenzverfahrens zu erwarten, wird vorgeschlagen, dem Konzerninsolvenzverwalter einen Sonderinsolvenzverwalter zur Seite zu stellen, der für die Tochtergesellschaften die rechtsgeschäftlichen Erklärungen, etwa im Rahmen des konzerninternen Leistungsaustausches, abgibt.45 Der Sonderinsolvenzverwalter wäre an konzerninternen Transaktionen beteiligt. Bei einer von der Konzernmutter angeforderten Leistung würde auf Seiten der Konzerntochter der Sonderinsolvenzverwalter den Vertrag (für und gegen die Masse) schließen und entsprechend die dingliche Übereignungserklärung abgeben. Der Sonderinsolvenzverwalter würde konzerninterne Forderungen im Verfahren der Mutter anmelden und auch das Anfechtungsrecht bezüglich in der Vergangenheit liegender konzerninterner Transaktionen geltend machen. Auch das Wahlrecht aus § 103 InsO hätte der Sonderinsolvenzverwalter für die Tochter gegenüber dem Konzerninsolvenzverwalter als Verwalter der Mutter auszuüben. (1) Der Sonderinsolvenzverwalter/Begriff/Rechtsstellung/ Befugnisse Die im Gesetz nicht geregelte Figur des Sonderinsolvenzverwalters ist als eine zusätzliche Einsetzung eines Insolvenzverwalters zu verstehen, welcher parallel zum eigentlichen Insolvenzverwalter punktuell für einen bestimmten Bereich im Verfahren über das Vermögen des gleichen Gemeinschuldners eingesetzt wird, wobei in diesem Bereich der originäre Insolvenzverwalter wiederum punktuell verdrängt wird. Die Gesamtzuständigkeit verbleibt dabei beim eigentlichen Insolvenzverwalter.46 Trotz des Fehlens einer gesetzlichen Regelung ist die Möglichkeit zur Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters allgemein anerkannt, wenn der eigentliche Insolvenzverwalter aufgrund von Interessenskollisionen im Einzelfall an der Wahrnehmung seiner Befugnisse verhindern ist.47 Dies gilt insbesondere für die Verfolgung von Ansprüchen gegen den amtierenden Insolvenzverwalter wegen möglicher Verletzung seiner Verwalterpflichten.48 45 Graeber, NZI 2007, 265, 269, vgl. auch AG Duisburg, „Babcock-Borsig“, NZI 2002, 556, 556, 3. Leitsatz, 560, „Babcock-Borsig“, allerdings als Sondersachwalter mit nur Zustimmungsfunktionen. 46 Lüke, ZIP 2004, 1693, 1694. 47 BGH NZI 2006, 474; ZIP 2006, 36; BGH ZIP 2004, 1218; OLG Dresden ZInsO 2001, 671; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 77; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 992; Graf/Wunsch, DZWiR 2002, 177, 179; Lüke, ZIP 2004, 1693 ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 31; Smid/Smid, InsO, § 56 Rn. 1; Hess/Weiss/ Wienberg, InsO, § 56 Rn. 28. 48 Vgl. BGH ZIP 2004, 1218; Lüke, ZIP 2004, 1693 ff.; Jaeger/Gerhardt, InsO § 56 Rn. 77.
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Im Rahmen der punktuellen Aufgaben des Sonderinsolvenzverwalters, welche aus dem gerichtlichen Bestellungsbeschluss deutlich hervorgehen müssen49, hat er alle Rechte und Pflichten eines gewöhnlichen Insolvenzverwalters. Diese Befugnisse hat er selbständig und autonom, d.h. frei von Weisungen des amtierenden Insolvenzverwalters, auszuüben. Dabei kann er sich Zugang zu allen Geschäftsunterlagen verschaffen, die die Verwaltung des schuldnerischen Vermögens angehen und für die ihm übertragende Aufgabe von Bedeutung sind.50 (2) Der Sonderinsolvenzverwalter in der Konzerninsolvenz Die oben herausgearbeiteten Interessenskonflikte ließen sich beseitigen, indem die konfliktbehafteten Aufgaben auf einen Sonderinsolvenzverwalter übertragen werden. Dadurch könnten die im Rahmen der Eignungsvoraussetzungen aus § 56 InsO und § 181 BGB angenommenen Bedenken gegen die Bestellung eines Konzerninsolvenzverwalters evtl. beseitigt werden. So einfach und einleuchtend die Auflösung der Interessenskonflikte durch die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters erscheinen mag, bestehen doch Bedenken, dass mit seiner Einsetzung die Vorteile einer Verwaltung des Konzerns aus einer Hand wieder zunichte gemacht werden. Würde man den Sonderinsolvenzverwalter ausnahmslos mit allen konzerninternen Handlungen und Rechtsgeschäften betrauen, dann bestünde die Gefahr, dass der Sonderinsolvenzverwalter faktisch doch zu einem eigenständigen Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaften erstarkt.51 Dies gilt gerade für die Konzernstruktur, bei der die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters für besonders vorteilhaft gehalten wird, nämlich bei einem Wirtschaftsverbund mit ausgeprägten konzerninternen Geschäftsbeziehungen und Vertriebsstrukturen (funktional-vertikale Konzernstruktur). Bei einer solchen Konzernstruktur kommt es innerhalb eines Geschäftsjahres oftmals zu Tausenden von konzerninternen Leistungsaustauschen.52 Als ein wesentlicher Vorteil eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters wurde gerade die Betriebsfortführung und Verwertung aus einer Hand erachtet. Wenn nun 49 LG Frankfurt/O, ZInsO 1999, 45; Jaeger/Gerhardt, InsO § 56 Rn. 79; Graeber/Pape, ZIP 2007, 991, 996; Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697. 50 Lüke, ZIP 2004, 1693, 1697. 51 Vgl. Kögel/Loose, ZInsO 2006, 17, 20 für die Betriebsaufspaltung; vgl. auch Hirte, ZIP 2008, 444, 447. 52 Vgl. den empirischen Befund bei Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 313; vgl. auch Sachverhalt In re APEX OIL COMPANY, et al., 101 B.R. 92, 94 (Bankr.E.D. Miss. 1989): 520.000 konzerninterne Transaktionen innerhalb von zwei Jahren eines vertikal integrierten Konzerns bestehend aus 54 Gesellschaften.
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im Hinblick auf konzerninterne Austauschbeziehungen jedes Mal der Sonderinsolvenzverwalter auf Seiten der Tochtergesellschaft involviert wäre, dann käme es im Ergebnis zu ähnlichen Reibungsverlusten wie bei der Einsetzung unterschiedlicher vollwertiger Insolvenzverwalter, denn am Ende stünden sich doch wieder zahlreiche Insolvenzverwalter gegenüber, welche sich einigen müssten. Der durch die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters anvisierte einheitliche Gestaltungswille wäre damit wieder zunichte gemacht und eine Unternehmensfortführung würde in diesem Fall in ähnlicher Weise erschwert oder gar unmöglich.53 Trotz dieser Bedenken ist die Einsetzung des Sonderinsolvenzverwalters jedoch grundsätzlich ein geeignetes Mittel, die Interessenskollisionen zwischen den Massen zu minimieren. Inwieweit die Einsetzung des Sonderinsolvenzverwalters die Vorteile wieder zunichte machen, hängt maßgeblich von der Ausgestaltung der Rechte des Sonderinsolvenzverwalters ab. Bei der Ausgestaltung der Befugnisse des Sonderinsolvenzverwalters ist das Spannungsverhältnis einer möglichst effizienten Verfahrensgestaltung bei gleichzeitiger Wahrung der Interessen der Gläubiger in den Gliedgesellschaften so zu gestalten, dass beide Ziele möglichst optimal verwirklicht werden. Dabei sind Befugnisse des Insolvenzverwalters, die mit hohen Reibungsverlusten verbunden sind, so weit wie möglich beim Konzerninsolvenzverwalter zu belassen. Der Zweck der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters ist insbesondere, die (zeitweise) Unternehmensfortführung zum Erhalt des Konzernunternehmens als „going concern“ möglichst reibungslos zu gestalten. Die operative Planungseinheit Konzern soll nicht in eine Vielzahl autonomer Entscheidungszentren aufgespalten werden. Dieser Zweck ist bei der Aufteilung der Aufgaben zwischen dem Sonderinsolvenzverwalter und dem Konzerninsolvenzverwalter immer im Auge zu behalten. Ist die operative Planungseinheit Konzernunternehmen betroffen, dann sind dem einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter so viele Kompetenzen wie mit den Gläubigerinteressen vereinbar zu überlassen. Dazu gehört generell die Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 Abs. 1, 146 InsO) auch und gerade im Hinblick auf konzerninterne Transaktionen, um den konzerninternen Leistungsaustausch zu ermöglichen. Auch die Entscheidung über das Erfüllungswahlrecht für konzerninterne Verträge sollte dem Konzerninsolvenzverwalter vorbehalten sein. Dadurch kann das Konzerngesamtunternehmen ohne Reibungen zumindest bis zum Berichtstermin fortgeführt werden und die Veräußerung des Konzernunternehmens kann aus einer Hand erfolgen. Hat die konkrete Aufgabenwahrnehmung keine Auswirkung auf 53 Vgl. ähnliche Erwägungen bei Kögel/Loose, ZInsO 2006, 17, 22 für die Betriebsaufspaltung; vgl. auch die Bedenken von Eidenmüller, ZHR 169 (2005) 528, 541, Fn. 42, ökonomische Vorteile einer einheitlichen Verwaltung könnten durch den Sonderinsolvenzverwalter partiell wieder zunichte gemacht werden.
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die Fortführung des Unternehmensverbundes und besteht hier ein latenter Interessenskonflikt, dann sind diese Aufgaben ausnahmslos vom Sonderinsolvenzverwalter wahrzunehmen. Dazu gehören die Anmeldung von konzerninternen Forderungen der Tochter bei der Mutter und die Überprüfung der vom Konzerninsolvenzverwalter im Verfahren der Tochter angemeldeten konzerninternen Forderung. Im Falle eines Widerspruchs sind Feststellungsklagen zur Aufnahme in die Tabelle vom Konzerninsolvenzverwalter gegen den Sonderinsolvenzverwalter zu führen. Auch das Auffinden und die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen sollten hierzu gehören. Diese insolvenzspezifischen Aufgaben stehen nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Fortführung und Verwertung des Konzernunternehmens als lebender Verbund54 und können durchaus auf einen Sonderinsolvenzverwalter übertragen werden, ohne dass die Vorteile einer einheitlichen Verwaltung verloren gingen. Die Anmeldung und Prüfung konzerninterner Forderungen wird aber gerade von den Kritikern des einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters als für die Gläubiger der Einzelgesellschaften gefährlich und im Ergebnis unvereinbar erachtet.55 bb) Verstärkte Dokumentationspflicht zur Absicherung der Verwalterhaftung aus § 60 InsO Der für die Konzernfortführung für notwendig erachtete, einheitliche Gestaltungswille fordert im Ergebnis, dass Entscheidungen, welche die Unternehmensfortführung und Verwertung (Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Masse) betreffen, beim einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter zentriert bleiben. Die Verlagerung auf einen Sonderinsolvenzverwalter hat dabei zu unterbleiben. Die Gefahr der Masseverlagerung durch den fortführungsbedingten konzerninternen Leistungsaustausch lässt sich dabei durch eine verstärkte Dokumentationspflicht zur Absicherung der Verwalterhaftung aus § 60 InsO hinreichend reduzieren.56 Der Insolvenzverwalter ist den Gläubigern gegenüber beim Umgang mit der Masse an insolvenzspezifische Pflichten gebunden. Er hat dabei alles zu unterlassen, was zu einer Massekürzung führt und hat darüber hinaus aktiv zur Anreicherung der Masse beizutragen.57 Die Einhaltung dieser Pflichten 54 Dies entspricht in etwa der Aufgabenverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter, bei welcher der Gesetzgeber gerade die im Zusammenhang mit der Unternehmensfortführung stehenden Kompetenzen beim Schuldner und nicht beim Sachwalter verortet wissen wollte, vgl. dazu näher unten, im Rahmen der Eigenverwaltung, 4. Teil, A.II.4., S. 204. 55 Vgl. instruktiv Smid/Smid, InsO, § 56 Rn. 23 f. 56 Vgl. Hirte, ZIP 2008, 444, 449. 57 Braun/Kind, InsO, § 60 Rn. 7; Smid/Smid, InsO, § 60 Rn. 17.
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wird durch die insolvenzgerichtliche Aufsicht (§ 58 f. InsO) und repressiv durch den drohenden Schadensersatz im Fall einer Pflichtverletzung (§ 60 InsO) sichergestellt. Die drohende Schadensersatzpflicht wird dabei gegenüber dem Aufsichtsrecht als wesentlich effektiveres Mittel erachtet, den Insolvenzverwalter zu pflichtgemäßen Verwalten zu bewegen.58 Schwächen bestehen dabei lediglich in der für außen stehende Verfahrensbeteiligte schwierig zu erkennenden Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters.59 Eine solche Pflichtverletzung des Insolvenzverwalters ist grundsätzlich auch dann anzunehmen, wenn er während der Fortführung der einzelnen Konzernunternehmen die eine Masse auf Kosten der anderen anreichert. Nimmt der Insolvenzverwalter während der Fortführung des Unternehmens für eine Masse konzerninterne Leistungen aus einer anderen Masse in Anspruch, dann führt dies zu einer Haftung des Insolvenzverwalters gemäß § 60 InsO, wenn keine werthaltige Gegenleistung in die Masse zurückfließt. Die drohende persönliche Haftung des Konzerninsolvenzverwalters bei Vernachlässigung seiner Pflichten im Hinblick auf Transaktionen zwischen den Massen ist effektiver Anreiz, darauf zu achten, dass bei der Durchführung der Insichgeschäfte die Interessen beider Massen gewahrt bleiben, d.h. insbesondere für konzerninterne Transaktionen eine angemessene Gegenleistung in die Masse fließt. Problematisch ist dabei jedoch die in einem funktional-vertikal integrierten Konzern bestehende Fülle an konzerninternen Leistungsaustauschen. Eine repressive Haftung könnte zu einem stumpfen Schwert verkümmern, wenn die Transaktionen nicht mit für die Gläubiger und das Insolvenzgericht gebotener Transparenz erfolgen. Zur Gewährleistung dieser Transparenz bietet sich eine verstärkte Berichterstattungspflicht des Insolvenzverwalters an. Dabei könnte der im faktischen Aktienkonzern etablierte Abhängigkeitsbericht als Vorbild dienen. Dort wird der Vorstand der abhängigen Gesellschaft zur Absicherung der durch Einflussnahmen des herrschenden Unternehmens verursachten Ansprüche auf Nachteilsausgleich bzw. Schadensersatz (vgl. §§ 311, 317 AktG) zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts verpflichtet, in dem alle Rechtsgeschäfte zwischen dem herrschenden Unternehmen oder mit einem mit ihm verbundenen Unternehmen dokumentiert und überprüft werden müssen.60 Nach einer empirischen Studie durch Hommelhoff wird insbesondere die präventive Wirkung des Abhängigkeitsberichts in Verbindung mit der drohenden Schadensersatzpflicht aus § 317 AktG bei unterbliebenem Nachteilsausgleich als äußerst effektiv eingeschätzt. Durch die wiederum schadensersatzbewehrte Verpflichtung zur 58 59 60
Smid/Smid, InsO, § 60 Rn. 17. Lüke, ZIP 2004, 1693, 1695. Vgl. RegE, in: Kropff, Aktiengesetz, S. 410 f.; K. Schmidt, JZ 1992, 856, 859.
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Erstellung und Prüfung des Abhängigkeitsberichts gehe eine Vorfeldwirkung aus, die die Entscheidungsträger veranlasst, konzerninterne Praktiken auf ihre Ordnungsmäßigkeit zu überprüfen.61 Diese Erfahrungen und Funktionen des Abhängigkeitsberichts lassen sich auch auf den Konzerninsolvenzverwalter übertragen. Schutzbedürfnis und Schutzrichtung wären dieselben wie im werbenden Konzern. Die Steuerungsfunktion der verwalterspezifischen Haftung aus § 60 InsO würde gestärkt werden, weil eine entsprechende Dokumentation und Prüfung durch Sonderinsolvenzverwalter, Insolvenzgericht und Gläubigerausschuss dem Konzerninsolvenzverwalter Anreize geben würde, die Interessen der Masse der Tochtergesellschaft im Auge zu behalten. Der Sonderinsolvenzverwalter ist dabei mit der Aufgabe zu betrauen, die Einhaltung dieser Dokumentationspflicht zu überprüfen. Bedeutende Rechtsgeschäfte sind vorab dem Sonderinsolvenzverwalter anzuzeigen. Stellt er Unregelmäßigkeiten fest, dann kann er das Insolvenzgericht davon in Kenntnis setzen, welches u. U. über die Absetzung des Konzerninsolvenzverwalters zu befinden hat (§ 59 InsO). Rechtsgrundlage für eine solche Dokumentationspflicht könnte dabei § 66 InsO sein. Danach trifft den Insolvenzverwalter neben handels- und steuerrechtlichen Rechnungslegungspflichten (sog. externe Rechnungslegungspflicht § 155 Abs. 1 InsO) für das schuldnerische Unternehmen zusätzlich eine insolvenzspezifische Rechnungslegungspflicht (sog. interne Rechnungslegungspflicht). Die insolvenzrechtliche Rechnungslegung bezweckt, die am Insolvenzverfahren beteiligten Personen, insbesondere die Gläubiger und das Insolvenzgericht, mit den notwendigen Informationen über den Verlauf der Abwicklung des Insolvenzverfahrens durch den Insolvenzverwalter zu versorgen und somit deren Aufsicht über den Insolvenzverwalter (§§ 58 und 69 InsO) zu ermöglichen.62 Gläubigerausschuss, Insolvenzgericht und auch dem einzelnen Gläubiger soll damit die Prüfung einer ordnungsgemäßen Amtsführung und damit die Grundlage für die Durchsetzung möglicher Regressansprüche gegen den Insolvenzverwalter ermöglicht werden.63 § 66 InsO gibt keine inhaltlichen Anforderungen an die insolvenzrechtliche Rechnungslegung vor. Mangels anderweitiger Hinweise des Gesetzgebers der Insolvenzordnung knüpfen Rechtsprechung und Literatur am in61 Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 295 ff., 313; insbesondere auch bei personalen Verpflechtungen auf Vorstandsebene, welche insoweit mit dem personenidentischen Insolvenzverwalter vergleichbar ist; Hommelhoff, ZHR 156 (1992), 295, 303. 62 Kübler/Prütting/Onusseit, InsO § 66 Rn. 3; Pink, ZIP 1997, 177, 178. 63 Nerlich/Römermann/Delaes, InsO, § 66 Rn. 4; Kübler/Prütting/Onusseit, InsO, § 66 Rn. 3; Pink, ZIP 1997, 177, 178.
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solvenzspezifischen Zweck der Rechnungslegung an.64 Danach ist die Schlussrechnung vor allem ein Tätigkeitsbericht und hat als solcher die Geschäftsführung des Verwalters vollständig erkennen zu lassen sowie in größtmöglichem Umfang transparent und damit überprüfbar zu machen.65 Aufgrund der umfassenden Flexibilität und Zweckorientierung der insolvenzspezifischen Rechnungslegung wäre bei der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters der konzerninterne Leistungsaustausch im Besonderen zu dokumentieren. Die Erfahrungen und die Praxis im Umgang mit dem Abhängigkeitsbericht könnten dabei Vorbild sein. Auch die Verteilung des Erlöses im Rahmen einer Gesamtveräußerung auf die einzelnen Massen und die Erwägungen, von denen sich der Insolvenzverwalter dabei hat leiten lassen, sind entsprechend zu dokumentieren. d) Gestattung des Insichgeschäfts § 181 BGB Lassen sich die durch die Einsetzung eines einheitlichen Insolvenzverwalters verbunden Interessenskollisionen im Hinblick auf konzerninterne Transaktionen durch eine verstärkte Dokumentationspflicht und die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters hinreichend reduzieren, führt dies bei einer zweckentsprechenden Auslegung zu der Annahme, dass eine Einsetzung nicht mehr an dem Gebot der Unabhängigkeit aus § 56 Abs. 1 InsO scheitert. Der Zweck einer möglichst effizienten Masseverwertung wird bei gleichzeitiger Reduzierung der damit verbunden Gefahren vor Masseverlagerungen erreicht. Da eine Interessenkollision jedoch nicht vollständig auszuschließen ist, verbleibt für konzerninterne Massetransaktionen § 181 BGB als Hindernis. Diese Hürde kann lediglich durch eine Gestattung nach § 181 BGB überwunden werden. Dabei ist grundsätzlich anerkannt, dass auch der Insolvenzverwalter durch Gestattung vom Verbot eines Insichgeschäfts (§ 181 BGB) befreit werden kann.66 Unterschiedliche Auffassungen bestehen nur darüber, wem die Zustimmungskompetenz zustehen soll. In Frage kommen dabei der Schuldner als Vermögensträger, die Gläubiger und das Insolvenzgericht. Die auf Jaeger zurückführende Auffassung fordert im Grundsatz die Zustimmung von Insolvenzschuldner und vom Gläubigerausschuss bzw. Gläubigerversammlung.67 Gegen die notwendige Zustimmung des Schuldners wendet 64
Bähner/Berger/Braun, ZIP 1993, 1283, 1283; Kübler/Prütting/Onusseit, InsO, § 66 Rn. 12; Pink, ZIP 1997, 177, 185; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 66 Rn. 22. 65 Lievre/Stahl/Ems, KTS 1999, 1, 3; Kübler/Prütting/Onusseit, InsO, § 66 Rn. 12. 66 Nerlich/Römermann/Abeltshauser, InsO, § 60 Rn. 56; Hübner, S. 115; Jaeger, KO, 6./7. Auflage, § 126 Anm 6; Erman/Plam, BGB, § 181 Rn. 25; Scheel, S. 42; anders jedoch ohne Begründung MünchKomm InsO/Ott, § 80 Rn. 39.
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sich zu Recht Hübner.68 Die Zustimmung ist demjenigen zuzuschreiben, dessen Vermögenspositionen auf dem Spiel stehen. Das ist nicht der Schuldner, sondern dies sind ausschließlich die Gläubiger. Dem Schuldner ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis entzogen, stattdessen ist die Masse den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen. Die ausschließliche Zustimmung der Gläubigerversammlung/des Gläubigerausschusses ist demnach aus dogmatischer Sicht folgerichtig. Sie ist aber auch aus praktischer Sicht richtig, denn es ist nicht einzusehen, warum der Schuldner Instrumente einer effektiven Verfahrensbewältigung durch seine Zustimmungsverweigerung sollte verhindern können. Anders als im Rahmen der Eigenverwaltung, welche nur bei einer angestrebten Reorganisation in Betracht kommt, ist die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters gerade ein geeignetes Mittel für eine angestrebte übertragene Sanierung. Hier sind sachwidrige Zustimmungsverweigerungen des Schuldners zu erwarten.69 Übertragen auf die Konzerninsolvenz hat dies folgende Konsequenzen: Der einheitliche Konzerninsolvenzverwalter kann zur Unternehmensfortführung notwendige Insichgeschäfte nach einer allgemeinen Gestattung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung vornehmen. Damit wird gleichzeitig die Gläubigerautonomie gestärkt. Sie sind es, die über Chancen und Risiken einer einheitlichen Verwaltung im Konzern zu entscheiden haben. Ist noch kein (evtl. vorläufiger) Gläubigerausschuss bestellt, so kann das Gericht aufgrund seines allgemeinen Aufsichtsrechts (§ 58 InsO) die Zustimmung erteilen70, welche in den jeweiligen Verfahren im Berichtstermin von der Gläubigerversammlung oder vorher durch den Gläubigerausschuss revidiert werden kann. 3. Tatsächliche Grenze im rechtlichen Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung des Insolvenzverwalters Bisher wurde die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den Verfahren aller Konzernglieder auf seine unmittelbaren rechtlichen Grenzen hin überprüft. Da sich hauptsächlich große und mittelständische Unterneh67 Nerlich/Römermann/Abeltshauser, InsO, § 60 Rn. 56; Hübner, S. 115; Jaeger, KO, 6./7. Auflage, § 126 Anm 6; Erman/Plam, BGB, § 181 Rn. 25; Scheel, S. 42. 68 Hübner, S. 115; wohl auch Kögel/Loose, ZInsO 2006, 17, 23; ähnlich Skrotzki, KTS 1955, 111, 113, der zwar § 181 BGB nicht anwenden will, dennoch aber für Insichgeschäfte ausschließlich die Zustimmung von Gläubigerausschuss bzw. Gläubigerversammlung fordert. 69 Zum Interessensgleichlauf zwischen Schuldner (Gesellschafter) und Gläubiger bei einer angestrebten Sanierung ausführlich unten, 4. Teil, A.IV.2.a)cc). 70 So außerhalb von Konzernsachverhalten Hübner, S. 131; Kögel/Loose, ZInsO 2006, 17, 22.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
men der Organisationsform des Konzerns bedienen, stellt sich die Frage, ob das Modell eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters nicht an seine tatsächlichen Grenzen stößt. Zur Veranschaulichung soll erneut auf die Insolvenz des Babcock-Borsig Konzerns verwiesen werden.71 Wird für die Muttergesellschaft und 76 Tochter- und Enkelgesellschaften der gleiche Insolvenzverwalter eingesetzt, dann ist äußerst fraglich, ob der Konzerninsolvenzverwalter überhaupt tatsächlich in der Lage ist, für alle 77 Insolvenzverfahren eine ordnungsgemäße Abwicklung zu garantieren. In diesem Fall wird der Insolvenzverwalter kaum in der Lage sein, alle Verfahren selbst zu bewerkstelligen. Eine Delegation von Aufgaben auf selbständig arbeitende Mitarbeiter des Insolvenzverwalters und des schuldnerischen Unternehmens ist dann unvermeidbar. Eine solche Delegation ist im Grundsatz auch möglich. Bereits der Gesetzgeber der Konkursordnung ging davon aus, dass der Konkursverwalter seine Aufgaben nicht immer eigenhändig erfüllen könne. Nach den Motiven zur Konkursordnung kann sich der Verwalter „. . . der Unterstützung von Gehilfen bedienen, welche seiner Aufsicht und seinen Anweisungen unterworfen sind.“72 Auch der erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht von 1985 äußert sich zur Delegationsbefugnis des Insolvenzverwalters: „(1) Der Insolvenzverwalter kann für Teilbereiche der Verwaltung oder zur Vornahme bestimmter Rechtsgeschäfte oder Rechtshandlungen Vollmacht erteilen. Begründung: Der Insolvenzverwalter ist, vor allem bei der Fortführung des schuldnerischen Unternehmens, auf Unterstützung angewiesen. Diese Entlastung kann er sich verschaffen, indem er Vollmachten erteilt (Absatz 1).“73
Auch die Übertragung von Aufgaben auf Angestellte des Schuldners geht aus § 60 Abs. 2 InsO implizit hervor. Dies ist verständlich, da eine Zusammenarbeit mit Mitarbeitern des Schuldners in vielen Fällen faktisch zwingend ist, da diese über die notwendigen internen Kenntnisse des Unternehmens und der bisherigen Geschäftsführung verfügen und eine sinnvolle Abwicklung ohne Kenntnis der tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners nicht möglich ist.74 Steht demnach die grundsätzliche Delegationsfähigkeit von Aufgaben des Insolvenzverwalters fest, stellt sich die Frage, ob dieser Grenzen gesetzt sind. Eine exzessive Bevollmächtigung von Hilfskräften könnte theoretisch so weit gehen, dass keine der Aufgaben mehr durch den Insolvenzverwalter 71 Zur Babcock-Borsig Insolvenz, vgl. bereits oben, S. 24, 87. Dort wurde überwiegend der gleiche Sachwalter, aber in 22 Gesellschaften auch der gleiche Insolvenzverwalter eingesetzt. 72 Begr. Eines Entwurfs einer KO, 2. Legislaturperiode, II. Session 1874 Nr. 200, S. 306. 73 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, Leitsatz 1.2.1.3. 74 Graeber, NZI 2003, 569, 571; Wellensiek, in: Kölner Schrift, S. 403 ff., Rn. 93.
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selbst erfüllt werden. Eine vollständige Übertragung des Amtes des Insolvenzverwalters würde im Ergebnis nicht mehr eine Unterstützung des Verwalters durch Hilfskräfte darstellen, sondern auf eine Substitution des Verwalteramtes hinauslaufen.75 a) Substitution als anerkannte Grenze einer Delegationsbefugnis In der Rechtsprechung und Literatur besteht insoweit Einigkeit, dass der Insolvenzverwalter Aufgaben nicht unbegrenzt auf eigene Mitarbeiter, Mitarbeiter des Schuldners oder sonstige Dritte übertragen kann. Das Verwalteramt wird allgemein als höchstpersönlich angesehen. Daraus folgt, dass die Aufgaben nicht in dem Maße auf Dritte delegiert werden können, dass im Ergebnis eine Substitution der Person des Insolvenzverwalters stattfindet. Der aus dem Auftragsrecht (§ 664 Abs. 1 S. 1 BGB) stammende Begriff der Substitution bezeichnet die Übertragung von Geschäften, die jemanden kraft vertraglicher Übernahme oder gerichtlicher Übertragung obliegen, auf einen Dritten zu dessen eigener Verantwortung.76 Dem ursprünglich Verpflichteten ist der maßgebliche Einfluss auf die Ausübung der Geschäfte genommen und der Substitut trifft die anfallenden Entscheidungen und Maßnahmen aus eigenem Entschluss und unter eigener Verantwortung.77 Er ist dem Einfluss- und Kontrollbereich des ursprünglich Verpflichteten entzogen. Der Grund für ein Substitutionsverbot ist im Auftragsrecht (§ 664 Abs. 1 S. 1 BGB) das vom Gesetzgeber angenommene besondere persönliche Vertrauen zwischen Auftraggeber und Beauftragtem.78 Die Entscheidung des Auftraggebers, eine bestimmte Person mit der Geschäftsbesorgung zu betrauen, soll nicht durch eine uneingeschränkte Delegation durch den Beauftragten ausgehebelt werden. Im Insolvenzverfahren soll das Verbot der Substitution insbesondere die personenbezogene Auswahl und Aufsicht des Insolvenzverwalters durch das Insolvenzgericht absichern.79 Das Insolvenzgericht ist nach § 56 InsO von Gesetzes wegen beauftragt – vorläufig bis zum Berichtstermin – einen für den konkreten Einzelfall geeigneten Verwalter auszusuchen und kraft gerichtlicher Bestellung mit der Verwaltung fremden Vermögens im Interesse Dritter zu beauftragen und zu überwachen.80 Überträgt der Insolvenzverwalter sein Amt ganz oder auch nur teilweise auf 75
Eickmann, KTS 1986, 197, 198; Graeber, NZI 2003, 569, 572. Eickmann, KTS 1986, 197, 198. 77 RGZ 78, 310, 312; 161, 68, 72; Eickmann, KTS 1986, 197, 198. 78 MünchKomm BGB/Seiler, § 664 Rn. 1; Mot. II S. 531. 79 RGZ 76, 185; AG Münster Rpfleger 1988, 501; Eickmann, KTS 1986, 197, 198; Graeber, NZÍ 2003, 569, 572; Smid, DZWIR 2002, 265, 269. 80 Graeber, NZI 2003, 569, 572. 76
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einen Dritten, so dass er selbst faktisch lediglich als „Konzessionsträger“ fungiert, dann führt dies im Ergebnis zu einer Umgehung der Auswahl- und Beurteilungsentscheidung des Insolvenzgerichts.81 b) Wann liegt eine unzulässige Substitution vor? Fraglich ist, wann eine im Grundsatz zulässige Delegation von Verwalteraufgaben die Grenze der unzulässigen Substitution überschritten hat. Einigkeit besteht insoweit, als der Insolvenzverwalter sein Amt nicht im Ganzen durch Generalvollmacht auf einen Dritten übertragen darf.82 Abgesehen von diesen eindeutigen Fällen ist eine Abgrenzung jedoch schwierig. Da insbesondere bei Großverfahren ein erhebliches Bedürfnis nach Übertragung von Aufgaben auf Hilfskräfte und Mitarbeiter des Schuldners besteht, liegen die Aufgaben des Insolvenzverwalters im Spannungsfeld zwischen Delegationsbedürfnis und Höchstpersönlichkeit. Die herrschende Meinung in der Literatur83 und untergerichtlichen Rechtsprechung84 versucht dieses Spannungsfeld in Anschluss an Eickmann85 durch eine Differenzierung zwischen insolvenztypischen Rechtshandlungen und schuldnerischen Rechtshandlungen zu lösen. Handelt es sich um Rechtsgeschäfte, die nicht erst durch die Insolvenz ermöglicht werden, sondern nur deshalb dem Insolvenzverwalter obliegen, weil ihm nach §§ 80 Abs. 1, 148 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen wurde (= schuldnerische Rechtshandlung), soll uneingeschränkt die Delegation von Aufgaben möglich sein. Hierzu gehören alle im Rahmen einer Betriebsfortführung anfallenden Geschäfte und Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Verwertung des Schuldnervermögens. In diesem Aufgabenbereich sei der Insolvenzverwalter nur ein anstelle des Schuldners Handelnder und übe die Rechte des Schuldners mit Wirkung für und gegen diesen aus.86 Handelt es sich dagegen um Rechtshandlungen, die außerhalb eines Insolvenzverfahrens dem Schuldner nicht zur Verfügung stehen, wie 81
AG Münster, Rpfleger 1988, 501, 501; Graeber, NZI 2003, 569, 572. BGH ZIP 1991, 324, 325; LAG Schleswig-Holstein, ZIP 1988, 250, 251; AG Münster Rpfleger 1988, 501; Eickmann, KTS 1986, 197, 202 ff.; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 83; Graeber, NZI 2003, 569, 574; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 22 Rn. 12; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 24. 83 Eickmann, KTS 1986, 197, 202 ff.; Jaeger/Gerhardt, § 56 Rn. 89; Graeber, NZI 2003, 569, 574; ders., in: MünchKomm InsO, § 56 Rn. 110; Kübler/Prütting/ Lüke, § 56 Rn. 29. 84 LAG Schleswig-Holstein, ZIP 1988, 250, 251; AG Münster Rpfleger 1988, 501. 85 KTS 1986, 197, 202 ff. 86 KTS 1986, 197, 202. 82
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etwa die Ausübung des Wahlrechts nach § 103 InsO, die außerprozessuale Geltendmachung von Anfechtungsrechten, die Ausübung von Sonderkündigungsrechten nach §§ 109, 113, 120 InsO etc., dann soll eine Delegation generell ausgeschlossen sein. Der BGH hat dieser schematischen Differenzierung zwischen insolvenzspezifischen und schuldnerischen Aufgaben in einem Urteil aus dem Jahre 1991 implizit eine Absage erteilt.87 Welche Aufgaben der Insolvenzverwalter (Konkursverwalter) nicht delegieren darf, stehe – bis auf ein verhältnismäßig kleiner Kernbereich von Geschäften – nicht für alle Fälle fest. Die Grenze der Delegationsbefugnis richte sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalles, insbesondere welchen Umfang das einzelne Insolvenzverfahren hat sowie in wie vielen Verfahren der Verwalter mit Wissen des Insolvenzgerichts gleichzeitig beschäftigt sei.88 Trotz dieser negativen Stellungnahme durch den BGH wird auch in der insolvenzrechtlichen Literatur – teils mit89 teils ohne Auseinandersetzung90 mit den kritischen Äußerungen des BGH – nach wie vor an der Differenzierung zwischen insolvenztypischen und schuldnerischen Rechtshandlungen festgehalten. Dem ist eindeutig zu widersprechen. Die Frage, welche Aufgaben der Insolvenzverwalter delegieren darf oder nicht, hat streng am eigentlichen Zweck eines Substitutionsverbotes zu erfolgen. Zweck des Substitutionsverbotes im Insolvenzverfahren war die Wahrung der Auswahlentscheidung des Gerichts oder der Gläubigerversammlung. Der Gesetzgeber hat dem Insolvenzgericht die Aufgabe auferlegt, für einen so sensiblen Bereich wie das Insolvenzverfahren einen geeigneten Verwalter auszusuchen und diesen mit der Vermögensabwicklung zu betrauen. Die Delegation kann daher nur in dem Umfang erfolgen, wie das Vertrauen des Gerichts und evtl. der Gläubiger in diese Person nicht ausgehöhlt wird. Für sämtliche Verfahrensbeteiligte muss spürbar sein, dass das Insolvenzverfahren stets in den Händen des Insolvenzverwalters liegt.91 Nun ist klar, dass der Insolvenzverwalter bei Großverfahren nicht alle ihm übertragende Aufgaben bewältigen kann. Dem Zweck – Wahrung der besonderen Auswahl des Insolvenzverwalters und des damit verbundenen Vertrauens – würde eine Aufteilung zwischen höchstpersönlichen und delegierbaren Aufgaben dann aber eher entsprechen, wenn statt auf das schematische Kriterium insolvenzspezifischer Aufgaben auf die Wichtigkeit der Verwaltergeschäfte abgestellt 87
ZIP 1991, 324, 325. BGH ZIP 1991, 324, 325. 89 So Graeber, NZI 2003, 569, 572 f. 90 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 56 Rn. 29. 91 So Baade, KTS 1959, 40, 42; wohl auch Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 56 Rn. 24. 88
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
wird.92 Ist für die Vertrauensbildung des Insolvenzgerichts bei der Auswahlentscheidung nicht vielmehr die Fähigkeit des konkreten Verwalters bestimmend, durch den Umgang und die Verwertung der Masse eine bestmögliche Befriedigung der Gläubiger herbeizuführen? Wird das Vertrauen in die Bestellung des Insolvenzverwalters gestört, wenn er in Großverfahren die Prüfung und auch die Entscheidung über die Eintragung in die Tabelle bei Kleinforderungen seinem Mitarbeiterstab überlässt und sich auf die wesentlichen Aufgaben des Verfahrens konzentriert? Andererseits sind Entscheidungen über die Verwaltung und Verwertung von enormer wirtschaftlicher Bedeutung. Hier fast ausnahmslos die Delegationsbefugnis, d.h. die Bevollmächtigung Dritter, zuzulassen, ist nicht verständlich. Schon die Differenzierung zwischen insolvenzspezifischen und schuldnerischen Aufgaben ist fragwürdig. Auch die für die Unternehmensfortführung des Insolvenzverwalters erforderliche Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis leitet der Insolvenzverwalter letztendlich aus einer in §§ 80, 148 InsO geregelten insolvenzspezifischen Ermächtigung ab. Zwar verlangt die Lehre von der Insolvenztypizität nicht, dass der Insolvenzverwalter alle in diesem Zusammenhang stehenden Aufgaben selbst zu erledigen hat. Insbesondere Vorbereitungen zu insolvenztypischen Aufgaben, wie etwa Erstellung eines Berichtsentwurfes und Durchführungshandlungen, wie etwa die mechanische Eintragung der Forderung in die Insolvenztabelle, können auch hier delegiert werden. Jedoch soll nach wie vor die Entscheidungsfindung dem Insolvenzverwalter höchstpersönlich vorbehalten bleiben.93 Es braucht gar nicht die Besonderheit der Konzerninsolvenz herangezogen werden, um die mit der Lehre von der Typizität zusammenhängenden Probleme aufzuzeigen. So waren schon in der Insolvenz der AEG-Telefunken AG im Verfahren über das Stammhaus, Forderungen von 75.000 Gläubigern aus 63 Ländern in Höhe von 6 Milliarden DM anhand von 600.000 Belegen mit vielen Unterbelegen zu bearbeiten.94 Man wird wohl kaum verlangen können, dass hier die Entscheidungsfindung über die Eintragung in die Insolvenztabelle durch den Insolvenzverwalter selbst zu erfolgen hat. Auch bei noch so guter Zuarbeit und Vorprüfung durch ein Mitarbeiterteam würde ein starres Festhalten am Gebot der höchstpersönlichen Entscheidungsfindung über ein mechanisches Abzeichnen des Insolvenzverwalters nicht hinausgehen. Die vom BGH bei der Einordnung in höchstpersönliche Aufgaben geforderte Orientierung am Umfang des jeweiligen Verfahrens95 wird durch eine 92 93 94 95
So Baade, KTS 1959, 40, 42. Eickmann, KTS 1986, 197, 202; Graeber, NZI 2003, 569, 574. Vgl. Angaben bei Mertens, ZGR 1984, 542, 556. BGH ZIP 1991, 324, 325.
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Orientierung an insolvenztypischen und schuldnereigenen Aufgaben nicht erreicht. Mit der Größe des Verfahrens wachsen die insolvenzspezifischen Aufgaben des Insolvenzverwalters. In einem Großverfahren ist schier unmöglich, dass die Entscheidungsfindung über die Aufnahme in die Insolvenztabelle, über die Ausübung des Wahlrechts aus § 103 InsO, die Ausübung von Sonderkündigungsrechten (insbesondere bei einer Vielzahl von Arbeitnehmern96) und außergerichtliche Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen, vom Insolvenzverwalter persönlich getroffen werden. In der Konzerninsolvenz kommt neben der Verfahrensgröße hinzu, dass sich das „Konzerninsolvenzverfahren“ in eine Vielzahl von selbständigen Einzelverfahren aufteilt und die Vielzahl der insolvenzspezifischen Aufgaben eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters erhöht. Für jede Gesellschaft ist ein Berichtstermin, Prüfungstermin und Schlusstermin abzuhalten. Es steht außer Frage, dass die in diesen Terminen vom Insolvenzverwalter wahrzunehmenden Aufgaben insolvenzspezifisch sind. Gleiches gilt für die Erstellung des jeweiligen Berichts. Welcher Aufgabenbereich vom Insolvenzverwalter höchstpersönlich wahrzunehmen ist, hat nicht statisch durch die Differenzierung zwischen insolvenzspezifischen und schuldnerischen Aufgaben des Insolvenzverwalters, sondern flexibel anhand der Bedeutung der Aufgaben des Insolvenzverwalters zu erfolgen. Welche Aufgaben wichtig und damit nicht delegationsfähig sind, hängt vom Umfang des konkreten Insolvenzverfahrens ab. So wird in einem Insolvenzverfahren eines kleinen Familienbetriebes der Insolvenzverwalter zweifelsohne nicht berechtigt sein, die Entscheidung über die Aufnahme der angemeldeten Forderungen in die Insolvenztabelle an seine Mitarbeiter zu delegieren. Auch die Entscheidung über die Ausübung des Wahlrechts nach § 103 ff. InsO, die außergerichtliche Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen, ist vom Insolvenzverwalter höchstpersönlich zu treffen. Die wesentlichen organisatorischen Maßnahmen zur Fortführung des Unternehmens bis zum Berichtstermin und die Umsetzung der Beschlüsse des Berichtstermins sind vom Insolvenzverwalter höchstpersönlich durchzuführen. Auch die Verwertungsentscheidung wird er in diesem Fall selbst treffen müssen, wobei er die konkrete Verwertung jedoch einem professionellen Verwerter überlassen kann. Bei einer Insolvenz über ein Großunternehmen beschränken sich die höchstpersönlichen Aufgaben indes überwiegend auf Organisations- und Kontrollaufgaben. Die Entwicklung und Umsetzung des Fortführungskonzepts hat der Insolvenzverwalter zwar nicht selbst auszuführen, jedoch hat er die Entscheidung nach gründlicher Prü96
Vgl. LAG Schleswig-Holstein, ZIP 1988, 250, 251, dort hatte der Konkursverwalter gegenüber 4000 Arbeitnehmern die Sonderkündigung nach § 17 KO (= insolvenzspezifisch) auszusprechen.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
fung selbst zu treffen und die Umsetzung zu überwachen. Gleiches gilt für Verwertungsentscheidungen. Die Entscheidung über besonders hohe Forderungen zur Aufnahme in die Tabelle, die Wahlrechte bei Verträgen mit hohen Forderungsvolumina muss durch den Insolvenzverwalter selbst erfolgen. Im Übrigen kann er allgemeine Richtlinien und Vollmachten zur Verfahrensbewältigung an seine Mitarbeiter erlassen. Als nicht delegierbarer Kernbereich gilt demnach die Richtlinienkompetenz für die Fortführung des Unternehmens, die Organisation der Masseverwertung und die Entscheidung über die Veräußerung wesentlicher Vermögensgegenstände aus dem Schuldnervermögen. Im Bereich sog. insolvenzspezifischer Handlungen gehört zum nicht delegierbaren Kernbereich der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ebenfalls die Organisation der Verfahrensabwicklung. Der besonderen Bedeutung des Berichtstermins entsprechend hat der Insolvenzverwalter diesen selbst wahrzunehmen, kann sich somit nicht durch einen Mitarbeiter vertreten lassen. In diesem Termin muss der Insolvenzverwalter den Gläubigern sein Verwertungskonzept präsentieren. Hier hat er sich zum ersten Mal vor den Gläubigern zu rechtfertigen, die ihn nach § 57 Abs. 1 S. 1 InsO abwählen können. Auch der Bericht über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens und die Fortführungsaussichten (§ 156 InsO) ist unter seiner Aufsicht zu erstellen und persönlich vorzutragen. Die anschließende Umsetzung der Beschlüsse der Gläubigerversammlung hat er zu organisieren.97 Im Prüfungstermin kann sich der Insolvenzverwalter durch einen bevollmächtigten Mitarbeiter vertreten lassen, weil die Prüfung und Entscheidung über die Aufnahme in die Tabelle hier bereits im Vorfeld stattfindet.98 Die Wahrnehmung des Schlusstermins ist jedoch wiederum wie beim Berichtstermin als höchstpersönlicher Kernbereich einzuordnen. Hier geht es um die wesentliche Frage der Verteilung der Masse. c) Schlussfolgerungen für die Konzerninsolvenz Nach dem hier vertretenen flexiblen Verständnis von den höchstpersönlichen Aufgaben des Insolvenzverwalters ist die Bewältigung einer mit mehreren Einzelverfahren verbundenen Konzerninsolvenz durch einen Insolvenzverwalter grundsätzlich möglich. Solange die oben aufgeführten, nicht delegierbaren Kernbereiche vom Insolvenzverwalter in jedem Verfahren wahrgenommen werden können, ist das Substitutionsverbot bzw. das Gebot 97
Vgl. Smid, DZWIR 2002, 265, 271. Vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 56 Rn. 27. Nach ihm muss lediglich gewährleistet sein, dass die Prüfung der angemeldeten Forderung durch den Verwalter stattgefunden hat. 98
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der höchstpersönlichen Amtsführung nicht tangiert. Bei einer Bestellung des gleichen Insolvenzverwalters für eine Vielzahl von Insolvenzverfahren wäre allerdings die höchstpersönliche Amtsführung im Kernbereich nicht delegierbarer Verwalteraufgaben im Einzelfall nicht mehr gewährleistet. In diesem Fall haben die Insolvenzgerichte von der Einsetzung eines Insolvenzverwalters trotz aller wirtschaftlichen Vorteile Abstand zu nehmen. Hier wäre dann die Einsetzung mehrerer Insolvenzverwalter unausweichlich. In diesem Fall haben Insolvenzgerichte jedoch darauf zu achten, dass personenidentische Insolvenzverwalter jeweils in homogene Konzernglieder einzusetzen sind. Eine Koordination könnte dann durch andere, hier noch vorzustellende Koordinationsinstrumente gefördert werden. Insbesondere die Vorbereitung und Wahrnehmung der Vielzahl von Berichtsterminen dürfte im Hinblick auf die Arbeitsbelastung des Insolvenzverwalters auf tatsächliche Grenzen stoßen. Bei einheitlicher gerichtlicher Zuständigkeit könnte dies allerdings durch organisatorische Maßnahmen des Gerichts, etwa im Sinne einer örtlichen und zeitlichen Zusammenlegung der Berichtstermine, ausgeglichen werden.
IV. Gerichtliche Pflicht zur Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters? Stehen damit die Zulässigkeit eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters und sein rechtlicher Rahmen fest, stellt sich die Frage, ob die Gerichte u. U. nicht sogar verpflichtet sein können, einen einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter einzusetzen. Wie bereits ausgeführt, haben auch die Insolvenzgerichte ihre Befugnisse an dem Ziel bestmöglicher Haftungsverwirklichung (§ 1 InsO) auszurichten.99 Wegen der fördernden Wirkung in Bezug auf die Implementierung optimaler Gesamtverwertungsstrategien in einem zentral-funktional integrierten Konzern ist eine entsprechende Einsetzungspflicht zunächst nahe liegend, da sich über die oben herausgearbeiteten Maßnahmen Gefahren der Masseverlagerungen beseitigen lassen. Sind unterschiedliche Gerichte im Verfahren involviert, ist dabei jedoch zu beachten, dass neben der Frage der Unabhängigkeit des Insolvenzverwalters auch dessen Eignung jeweils individuell vom Insolvenzgericht mit entsprechendem Einschätzungsspielraum beurteilt werden muss. Gelangt das Insolvenzgericht jedoch zu der Überzeugung, dass im Hinblick auf die persönliche Eignung gegen die Einsetzung des Insolvenzverwalters nichts einzuwenden ist, die Interessenskollisionen im konkreten Fall über die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters ausgeglichen werden können und eine konzernweite Verwertungsstrategie zu diesem Zeitpunkt nicht als un99
Siehe oben, 2. Teil, C., S. 124.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
wahrscheinlich gilt, ist aus § 1 InsO die Pflicht des Insolvenzgerichts zur Bestellung eines einheitlichen Insolvenzverwalters anzunehmen.100
V. Zusammenfassung/Anwendungsfälle Die vorstehenden Ausführungen haben die fördernde Wirkung der Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in allen Insolvenzverfahren der einzelnen Konzernglieder im Hinblick auf Gesamtverwertungsstrategien aufgezeigt. Ein Auseinanderbrechen der wirtschaftlichen Funktionseinheit Konzern wird dadurch von vornherein verhindert und die Fortführung und Verwertung des Konzernunternehmens aus einer Hand ermöglicht. Zur Wahrung der Interessen der Gläubiger in den Einzelverfahren ist jeweils ein Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen. Dem Sonderinsolvenzverwalter kommen dabei folgende Funktionen zu, die im Bestellungsbeschluss hinreichend deutlich zu bezeichnen sind: Er hat Forderungen der Tochter gegen die Mutter oder anderen konzernverbundenen Unternehmen aufzudecken und im jeweiligen Insolvenzverfahren anzumelden, vergangene konzerninterne Transaktionen auf ihre Anfechtbarkeit zu überprüfen und evtl. Anfechtungsrechte geltend zu machen. Ihm kommt ferner die Aufgabe zu, vom Konzerninsolvenzverwalter angemeldete Forderungen zu überprüfen und im Prüfungstermin zu widersprechen. Dem Sonderinsolvenzverwalter ist allerdings nicht die rechtsgeschäftliche Abschlussbefugnis für konzerninterne Transaktionen zu übertragen, die im Zusammenhang einer einheitlichen Fortführung des Konzernunternehmens stehen. Hier hat der Sonderinsolvenzverwalter nur Kontrollaufgaben, insbesondere im Hinblick auf die Werthaltigkeit von Gegenleistungen und der ordnungsgemäßen Dokumentation des konzerninternen Leistungsaustauschs. Der Konzerninsolvenzverwalter ist dabei bezüglich des konzerninternen Leistungsaustausches vorläufig durch das Gericht und später durch den Gläubigerausschuss bzw. Gläubigerversammlung für konzerninterne Transaktionen vom Verbot des Insichgeschäfts aus § 181 BGB zu befreien. Die Gefahren einer Masseverlagerung werden durch eine verstärkte Dokumentationspflicht nach dem Vorbild des Abhängigkeitsberichtes eingeschränkt. Innerhalb dieses Rahmens sollten die Insolvenzgerichte bei einem stark integrierten Konzern von der Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Konzerngesellschaften immer dann Gebrauch machen, wenn eine günstige Gesamtverwertung des Konzerns als Einheit nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Der einheitliche Konzerninsolvenzverwalter wirkt sich im Hinblick auf die Implementierung einer übertragenden Sanierung 100 Im Ergebnis auch Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 554; a. A. Ehricke, DZWiR 1999, 353, 362.
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente
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und Reorganisation des Gesamtkonzerns förderlich aus, wobei – wie noch zu zeigen sein wird – bei offensichtlichen Reorganisationsaussichten die Eigenverwaltung als Koordinierungsinstrument für Konzerninsolvenzen der Einsetzung eines einheitlichen Insolvenzverwalters vorzuziehen ist.101
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente in Anlehnung an die US-amerikanischen „protocols“ I. Einleitung Für den Fall, dass in den einzelnen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen verschiedene Insolvenzverwalter eingesetzt werden, schlägt neuerdings Eidenmüller102 und ihm folgend Wittinghofer103 vor, diese parallelen Insolvenzverfahren über sog. „Insolvenzverwaltungsverträge“ zu koordinieren. Die Vorstellung, die hinter dem „Zauberwort“ Insolvenzverwaltungsvertrag steht, lässt sich wie folgt beschreiben: Die Insolvenzverwalter der Konzernglieder schließen einen rechtsverbindlichen Vertrag, in dem sie sich auf ein „maßgeschneidertes Abwicklungsregime“ einigen. Dieser Vertrag bildet dann die Grundlage der zukünftigen Kooperation der Insolvenzverwalter und kann je nach Ausgestaltung bereits konkrete Maßnahmen beinhalten. Die Idee, parallele Insolvenzverfahren über wirtschaftlich verzahnte, zusammenhängende Insolvenzmassen durch ad hoc Vereinbarungen zu koordinieren, ist nicht neu. Im angloamerikanischen Rechtsraum werden seit ca. 15 Jahren auf diese Weise mittels sog. Protokolle („order and protocols“) grenzüberschreitende Insolvenzverfahren multinationaler Unternehmen, den Verlautbarungen nach104, äußerst erfolgreich bewältigt. Dem Abschluss der Protokolle liegen dabei immer ähnliche Sachverhalte zugrunde: In den USA wird über eine im Ausland inkorporierte Muttergesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet.105 Dabei handelte es sich 101
Dazu ausführlich unten, S. 279 f., 281 f. Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 5. 103 Wittinghofer, S. 31 ff. 104 Vgl. ausführlich Flaschen/Silverman, Texas International Law Journal 1998, 587, 588, 599 f.; vgl. auch Brozman/Polivy, Commercial Law, S. 855, 890 ff.; Flaschen/Smits/Plank, 17 Conn. J. Ins’l L. 3 (2001); Fletcher, 27 Int’l Law 429 (1993); aus dem deutschen Schrifttum vgl. Paulus, ZIP 1998, S. 977 ff. 105 Vgl. so im Fall Maxwell, chapter 11 Verfahren über eine in Großbritanien inkorporierte Holding; so auch im Fall AIOC, chapter 11 Verfahren über eine in der Schweiz inkorporierte Aktiengesellschaft, Protolle abrufbar über www.iiiglobal.org/ international/protocols.html. 102
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
– trotz ausländischen Sitzes – immer um Hauptverfahren mit universellem Wirkungsanspruch. Gleichzeitig wird am Sitz der Gesellschaft oder Ort der Inkorporation ein Insolvenzverfahren mit ebenfalls universellem Wirkungsanspruch eröffnet. Im Rahmen ihres weiten Ermessensspielraums bei der Bestimmung ihrer internationalen Zuständigkeit nahmen manche USamerikanischen Konkursgerichte diese bereits dann an, wenn wesentliche Teile des Vermögens in den USA belegen waren.106 Dazu gehören auch Anteile der ausländischen Gesellschaft an US-amerikanischen Tochtergesellschaften.107 Insbesondere im Verhältnis USA und Kanada ist die Ausgangslage jedoch oftmals umgekehrt. In den USA wird ein chapter 11 Verfahren über die USamerikanische Muttergesellschaft eröffnet, während zusätzlich kanadische Tochtergesellschaften mit einbezogen werden. Über die kanadische Tochtergesellschaft wird gleichzeitig auch in Kanada ein Insolvenzverfahren eingeleitet.108 Insoweit bestehen Parallelen zur viel diskutierten europäischen Praxis, im Rahmen der europäischen Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen von Tochtergesellschaften am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter zu verorten. Um eine gegenseitige Masseabwehrschlacht zu verhindern, vereinbaren die Insolvenzverwalter109 in diesem Fall ein Kooperationsabkommen, welches schriftlich fixiert, von den Verwaltern unterzeichnet wird („protocol“) und durch einen Beschluss des Gerichts („procedural order“) bestätigt wird. Im Vordergrund der Vereinbarung zwischen den Verwaltern steht dabei die möglichst effektive Verfahrensbewältigung, insbesondere eine bestmöglich abgestimmte Verwertung anzustreben und weltweit die Gleichbehandlung aller Gläubiger zu erreichen. Auf den genauen Gestaltungsinhalt wird an anderer Stelle noch zurückzukommen sein. An dieser Stelle soll zunächst festgehalten werden, dass die vertragliche Koordinierung paralleler Insolvenzverfahren im angelsächsischen Rechtskreis ihren Ursprung in der Bewältigung mehrerer paralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen eines grenzüberschreitend agierenden Gemeinschuldners hat, somit kein originäres Koordinationsinstrumentarium zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen ist. 106 Die mit der Einführung des in chapter 15 neu geregelten internationalen Insolvenzrechts verbundenen Änderungen sollen an dieser Stelle offen bleiben. 107 Göpfert, ZZPInt 1 (1996), 269, 275. 108 Vgl. „Cross-Border Insolvency Protocol AgriBioTec Canada, Inc.“, Erwägungsgründe 2., abrufbar www.iiiglobal.org/international/protocols.html. 109 Auf US-amerikanischer Seite steht oftmals im chapter 11 Verfahren der sog. „Examiner“, dem ähnlich wie der deutsche Sachwalter im Verfahren der Eigenverwaltung nur Aufsichtsbefugnisse zustehen, oder der Schuldner als debtor in possession.
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Aus dem Blickwinkel rein nationaler Sachverhalte in den USA ist dies verständlich, weil dort – wie bereits an anderer Stelle ausführlich erörtert110 – ein Konzerninsolvenzrecht ja gerade existiert, somit nicht auf die „Notlösung“ einer vertraglichen Koordination zurückgegriffen werden braucht. Dennoch drängt sich auf, die Idee der vertraglichen Koordinierung paralleler Insolvenzverfahren auch für den Konzern nutzbar zu machen. Unter der Prämisse, dass es sich beim Konzern um eine mit dem einzelschuldnerischen Unternehmen vergleichbare wirtschaftliche Funktionseinheit handelt, führt die Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren über die Konzernglieder zu einer Aufspaltung der strategischen und operativen Verwaltung des Konzerngesamtunternehmens in einzelne autonome Entscheidungseinheiten. Insoweit ist dieser Zustand vergleichbar mit der Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren in verschiedenen Staaten über das Vermögen eines einzelschuldnerischen Unternehmens. Über eine rechtsverbindliche Vereinbarung zwischen den einzelnen Insolvenzverwaltern könnte auch im Konzern die Aufspaltung gewissermaßen revidiert werden.
II. Funktion einer rechtsverbindlichen Vereinbarung Es stellt sich die Frage, welchen Beitrag eine rechtverbindliche Vereinbarung zur Lösung der im ersten Teil dieser Arbeit herausgearbeiteten Kooperationshindernisse leisten kann. Zunächst können sie die Unsicherheitsfaktoren beseitigen, die mit einer Gesamtverwertungsstrategie verbunden sind. Als ein Grund für ein Misslingen von Gesamtverwertungsstrategien wurden die mit koordinierter Verfahrensbewältigung verbundenen Rechtsunsicherheiten erkannt. Auch wenn im Ergebnis mit einem gemeinsamen Verwertungs- oder Sanierungskonzept ein höherer Gesamterlös erreicht werden kann, besteht jederzeit die Gefahr, dass einer der Insolvenzverwalter ausschert und damit das Gesamtverwertungskonzept scheitert. Ein solches Ausscheren wird man nur in den eindeutigen Fällen als offensichtlich obstruktives Verhalten werten können.111 In den einzelnen Verfahren bereits gemachte Aufwendungen zur Ausrichtung auf ein Gesamtverwertungskonzept wären in diesem Fall nutzlose Aufwendungen.112 Wird ein Gesamtverwertungskonzept dagegen auf der Grundlage einer für die Verwalter rechtsverbindlichen Vereinbarung gestellt, dann sind die Gefahren eines Ausscherens und deren negative Folgen für die Einzelmassen zunächst gebannt, wenn sie Grundlage für gerichtlich durchsetzbare Ansprüche bildet. 110 111 112
Siehe oben, 1. Teil, D.III.2.a). Siehe oben, 1. Teil, D.II.2. Siehe oben, 1. Teil, D.II.2.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
Eine Koordination der einzelnen Insolvenzverwalter zur Verwirklichung einer Gesamtverwertungsstrategie auf Grundlage rechtverbindlicher Vereinbarungen kann im Übrigen einen Beitrag zur Lösung des im ersten Teil ausgeführten Distributionsproblems leisten. Wird eine Gesamtverwertungsstrategie auf eine vertragliche Grundlage gestellt, so kann in dieser bereits rechtsverbindlich vereinbart werden, welche Masse welchen Anteil an dem durch Koordinierung geschöpften Mehrwert erhalten soll. Ist eine gemeinsame Abwicklungsstrategie im Gesamtergebnis optimal, in der Einzelbetrachtung jedoch für einige Massen im Vergleich zu Mikrostrategien dagegen nachteilig, so kann eine vertragliche Koordinierungsvereinbarung bereits Regelungen für einen Nachteilsausgleich treffen. Anders als bei der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters113 wird mit dem Instrumentarium einer Koordinierungsvereinbarung nicht von vornherein ein einheitlicher Gestaltungswille geschaffen und somit nicht alle Koordinierungshindernisse gelöst, denn es ist zunächst der jeweils freiwillige Schritt der einzelnen Insolvenzverwalter zum Abschluss einer solchen Vereinbarung erforderlich. Nur wenn sich die ablehnende Haltung gegenüber einer Koordinierungsvereinbarung offensichtlich als Ausdruck eines strategischen Verhaltens darstellt, kann unter den im zweiten Teil dieser Arbeit ausgeführten Voraussetzungen eine Pflicht zum Abschluss einer Koordinierungsvereinbarung bestehen. Insgesamt bietet eine vertragliche Koordinierung in den Fällen, in denen sich eine Koordinierung durch die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters nicht verwirklichen lässt, zumindest partiell Möglichkeiten, Koordinationshindernisse auszuräumen. Die sich im Anfangsstadium befindliche Vorstellung, parallele Insolvenzverfahren über rechtverbindliche Vereinbarungen zu koordinieren, ist von Seiten Ehrickes auf heftige Kritik gestoßen. Er sieht in der rechtverbindlichen Vereinbarung eines Abwicklungsregimes zunächst die Gefahr der Verkrustung in den Koordinierungsmaßnahmen bei der Verwaltung der parallelen Verfahren. Eine vormalige Bindung könne im hochkomplexen Insolvenzverfahren hinderlich sein, um spontan auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können. In den Augen Ehrickes müsse die Rechtssicherheit der notwendigen Flexibilität weichen.114 Der Vorwurf der mangelnden Flexibilität einer vertraglichen Verknüpfung der Insolvenzverfahren lässt sich im groben dahingehend beschreiben, dass man aufgrund der Komplexität eines Insolvenzverfahrens nicht alle Eventualitäten ex ante statisch in ein „Vertragswerk gießen“ kann. Die einzelnen Kooperationsmaßnahmen seien vielmehr dynamisch jeweils an aktuellen Gegebenheiten orientiert zu entwickeln. Eine Vereinbarung, welche eine Vielzahl von Eventualitäten berücksichtigen 113 114
Siehe dazu oben, 3. Teil, A. Ehricke, Verfahrenskoordination, S. 337, 355; ders., WM 2005, 397, 402.
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wollte, würde zu exorbitant hohen Transaktionskosten führen und eine entsprechend offene Formulierung wieder die zu erreichende Rechtsklarheit nehmen.115 Dieser Einwand ist durchaus berechtigt, lässt sich jedoch nicht gegen die prinzipielle Rechtsverbindlichkeit halten. Die notwendige Flexibilität der Kooperation betrifft nämlich genau genommen nicht die Frage des ob der vertraglichen Bindung, sondern die Frage des wie. Wie noch zu zeigen sein wird, sind eine Vielzahl von Gestaltungsmöglichkeiten denkbar, welche einerseits eine notwendige Grundlage für Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bilden, andererseits aber genügend Raum für Flexibilität lassen. Außerhalb von Insolvenzverfahren sind in der Wirtschaftspraxis Kooperationsvereinbarungen bekannt, die genau diesen Voraussetzungen entsprechen, und ebenfalls der globalen Ausrichtung von Unternehmen auf ein einheitliches Ziel dienen und nicht nur einer punktuellen Zusammenarbeit, wie etwa strategische Allianzen, allgemeine Kooperationsvereinbarungen zwischen Unternehmen und insbesondere schuldvertragliche Gleichordnungskonzerne. Diese Vertragstypen haben in der Wirtschaftspraxis seit jeher einen festen Platz und regeln ebenfalls langfristige Kooperationen zwischen dynamischen Wirtschaftseinheiten, ohne deren Rechtsverbindlichkeit in Zweifel zu ziehen. Es ist vielmehr der Phantasie der Vertragsgestaltung zu überlassen, entsprechende Regelungen zu finden, um rechtsverbindliche Kooperationsregeln mit der angemessenen Flexibilität der Situation eines Insolvenzverfahrens in Einklang zu bringen. Dem Einwand Ehrickes liegt ein unzutreffendes Verständnis zu Grunde, welchem auch Wittinghofer116, als Befürworter einer vertraglichen Koordinierung, teilweise unterliegt. Es geht nicht darum, mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in einem Vertragswerk die gemeinsame Abwicklung des Insolvenzverfahrens en Detail zu regeln. Es geht vielmehr darum, eine vertragliche Basis für ein gemeinsames koordiniertes Vorgehen zu finden. Dies entspricht – wie noch zu zeigen sein wird – auch der inhaltlichen Ausgestaltung der US-amerikanischen Protokolle. Neben allgemeinen Erklärungen, man wolle nach Treu und Glauben die Verfahren koordiniert zu Gunsten einer größtmöglichen Masseverwertung abwickeln, lassen sich insbesondere Konsultationspflichten für bestimmte bedeutende Maßnahmen finden, um eine Kohärenz der Verfahrensabwicklung zu garantieren. Solche Konsultationspflichten sehen eine Zustimmungspflicht des anderen Insolvenzverwalters für bestimmte Maßnahmen im jeweils anderen Verfahren vor. 115
Vgl. Ehricke, Verfahrenskoordination, S. 337, 358; ders., WM, 2005, 397, 402. Ihm schwebt die Reglung einer Vielzahl von Detailfragen vor, wie etwa in welche Richtung das Wahlrecht des Insolvenzverwalters für einzelne Verträge auszuüben ist, vgl. Wittinghofer, S. 43 f., 59 f. 116
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
Damit wird ein Gleichlauf der Insolvenzverfahren ermöglicht, aber gleichzeitig die notwendige Flexibilität erhalten, um im Einzelfall angemessen im Gang der Verfahren reagieren zu können. Wie noch zu zeigen sein wird, sind auch weit formulierte Kooperationsvereinbarungen durchaus in der Lage, eine effektiv koordinierte Verfahrensbewältigung zu gewährleisten und insbesondere einen Vertrauensschutz für den anderen Vertragspartner zu garantieren. Die US-amerikanischen Protokolle sind ein klarer Beweis dafür.
III. Konturen einer vertraglichen Koordinierung der Insolvenzverfahren Wie Eidenmüller zutreffend hervorhebt, hängt eine Vielzahl von rechtlicher und ökonomischer Fragen einer Verfahrenskoordination durch Insolvenzverwaltungsverträge von deren praktisch relevanten Inhalten ab.117 Deshalb soll in Anlehnung an die US-amerikanischen Beispiele und unter Berücksichtigung der im ersten Teil herausgearbeiteten Koordinierungsbedürfnisse ein möglicher/wahrscheinlicher Inhalt vorgestellt werden. Anschließend sollen diese möglichen „Vertragsmuster“ unter IV. auf ihre Vereinbarkeit mit der deutschen Insolvenzrechtsordnung überprüft werden. 1. Protokolle im US-amerikanischen Recht Die dem Verfasser zur Verfügung stehenden Originalprotokolle118 aus großen US-amerikanischen Verfahren lassen sich im Hinblick auf ihren individuellen Inhalt grob wie folgt einteilen: a) Zielbestimmungen und Informationsaustausch aa) Typischer Inhalt Die meisten Protokolle weisen keine Vereinbarungen über konkrete Handlungspflichten im Insolvenzverfahren aus, sondern bestehen aus reinen Zielbestimmungen, allgemeinen Kooperationsverpflichtungen und der Verpflichtung zum Informationsaustausch.119 Die Verwalter oder der eigenver117
Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 10. Abrufbar auf der Website des International Insolvency Institute www.iiiglobal. org/international/protocols.html. 119 So insbesondere Protokolle bezüglich Parallelverfahren in den USA und Canada; vgl. z. B.: „Cross border insolvency protocol for Philip services Corp, Philip 118
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waltende Schuldner verpflichten sich auf eine effiziente Verfahrensbewältigung, insbesondere durch Kooperation die bestmögliche Verwaltung und Verwertung der Masse zu erreichen. Oftmals wird ferner das Ziel vereinbart, weltweit die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger (par condito creditorum) zu verwirklichen, soweit dies nach den jeweiligen Rechtsordnungen möglich ist. Diese Zielvereinbarung wird dann durch eine Verpflichtung zur gegenseitigen Anrechnung von Befriedigungen, welche in dem anderen Verfahren stattgefunden haben, konkretisiert.120 bb) Vorbild für eine vertragliche Koordinierung von Konzerninsolvenzen? Die Vereinbarung einer Verpflichtung zur allgemeinen Kooperation und zum Informationsaustausch ist auch für die Koordinierung von verschiedenen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen denkbar. Auch wenn die Vereinbarung allgemeiner Kooperationspflichten im Dienste einer effizienten Masseverwertung wegen ihrer Unbestimmtheit in der Regel keine konkrete Handlungspflicht erzeugen wird, kann sie als Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit dienen. Bei entsprechend klarstellender Formulierung wäre damit erreicht, dass konkrete Handlungsabsprachen, die als solche nicht rechtsverbindlicher Art zu sein brauchen, bei unberechtigtem Ausscheren, zumindest ein Ersatz des Vertrauensschadens zu erfolgen hat, wenn die unberechtigte Abweichung von der Absprache als treuwidrig einzuordnen wäre. Genau das gibt den notwendigen Vertrauensschutz des Insolvenzverwalters und lässt gleichzeitig hinreichend Raum für Flexibilität und angemessene Reaktion auf Veränderungen im Verfahrensgang. Die Formulierung allgemeiner Kooperationspflichten bezüglich einer effizienten Masseverwertung in einer vertraglichen Vereinbarung führt in der Konzerninsolvenz dazu, dass die Absprachen und Koordinationen aus dem „rechtsfreien Raum“ genommen werden und die Insolservices (deleware), INC and certain wholly owned subsidiaries“, (D) 11.: „To assist in the efficient administration of the Insolvenzcy Proceeding, the Debtor, the Committee and the estate Representative shall (a) cooperate with each other in connection with actions taken in both the US Court and the Canadian Court and (b) take any other appropriate stepps to coordinate the administration of the US Cases and the Canadian Cases to the Benefit of the debtors respective estate and stakeholders.“; vgl. auch Cross border insolvency protocol for Manhattan Investment Fund Ltd, Recitals N. „(. . .), the Joint Liqudators and the Trustee agree to the terms of this Protocoll to achieve the following objectives: (iii) promotion of international cooperation . . . between . . . the Joint Lquidators and the Trustee“; abrufbar www. iiiglobal.org/international/protocols.html. 120 Protocol for AIOC Resources AG, III.; www.iiiglobal.org/international/proto cols.html.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
venzverwalter durch einen als Masseverbindlichkeit (§ 55 Nr. 1 InsO) einzuordnenden Schadensersatzanspruch in ihren absprachegemäßen Dispositionen in Höhe des Vertrauensschadens geschützt werden. In der Wirkung entspräche dies einem in der Transaktionspraxis üblichen „letter of intent“.121 Dagegen kann die Vereinbarung einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung für die vorliegende Untersuchung, ob eine vertragliche Koordinierung paralleler Insolvenzverfahren auch für die Konzerninsolvenz fruchtbar gemacht werden kann, nicht übertragen werden. Anders als bei mehreren Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Einzelschuldners, kommt es nicht auf die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger des Konzerns122 an. Das Gegenteil ist der Fall. Die Haftungsseparierung im Konzern muss sich gerade in der Insolvenz bewähren, so dass von jeder Kooperation abzusehen ist, welche die Zuordnung der Massen zu den jeweiligen Konzerngliedern und ihren Gläubigern auflöst und im Ergebnis zu einer Gesamtbetrachtung führt.123 b) Zustimmungs- und Konsultationspflichten aa) Typischer Inhalt Eine wesentlich engere Bindung der Insolvenzverfahren wird häufig durch die Vereinbarung rechtsverbindlicher Zustimmungsvorbehalte erzeugt.124 Dabei werden die Zustimmungspflichten in der Regel ergänzend zu den oben ausgeführten Kooperationspflichten vereinbart. Ein Gleichlauf der Insolvenzverfahren wird in diesem Fall dadurch erreicht, dass die Verwalter sich gegenseitig verpflichten, (wesentliche) Maßnahmen der Masseverwertung125 oder die Aufstellung eines Insolvenzplans126 nur nach vor121
Der Umfang der Bindungswirkung eines „letter of intend“ hängt von der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung ab; Beisel, in: Beisel/Klumpp, Unternehmenskauf, Kap. 1 Rn. 70, Quack, ZGR 1982, 350, 357. Häufig werden zwar keine konkreten Erfüllungsansprüche vereinbart, allerdings besondere Pflichten, welche bei Nichteinhaltung einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens gewähren, Quack, ZGR 1982, 350, 357. 122 Damit ist die Summe der Gläubiger der einzelnen Konzernglieder gemeint. 123 Siehe oben, 1. Teil, D.III.3.b). 124 Vgl. etwa Protokoll für ein US-amerikanisches und schweizerisches Verfahren „Cross-Border Liquidation Protocol for AIOC Resources AG“, III.,V; Protokoll im Fall Maxwell zur Koordinierung der Verfahren in den USA und Großbritanien, Punkt D.ff. 125 So etwa im Protokoll für ein US-amerikanisches und schweizerisches Verfahren „Cross-Border Liquidation Protocol for AIOC Resources AG et al III., V“: „The (Trustee) shall attempt in good faith to obtain consent of the chapter 11 Trustee
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heriger Zustimmung des anderen Insolvenzverwalters vorzunehmen. Auf diese Weise wird vorab erreicht, dass Maßnahmen der Insolvenzverwalter zukünftig nur im Konsens erfolgen können. bb) Vorbild für eine vertragliche Koordinierung von Konzerninsolvenzen? Gerade diese Zustimmungsvorbehalte sind ein effektives Mittel, um einen Gleichlauf der Verfahren zu garantieren. Mit ihnen werden die einzelnen Massen gewissermaßen zu einer Schicksalsgemeinschaft verbunden, denn es können wesentliche Maßnahmen nicht gegen den Willen des anderen Insolvenzverwalters durchgeführt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, dass vereinbarte Zustimmungspflichten einen Entscheidungsstau heraufbeschwören können, der insbesondere bei der Beteiligung einer Vielzahl von Insolvenzverwaltern kontraproduktiv sein kann.127 Im Unterschied zu grenzüberschreitenden Insolvenzen sind gerade bei Konzerninsolvenzen viele Verfahren miteinander abzustimmen. In den der Protokollpraxis zugrunde liegenden Sachverhalten ging es aber immer um die Koordinierung zweier jeweils für sich universelle Wirkung in Anspruch nehmende Hauptinsolvenzverfahren über den gleichen Schuldner. Neben der Beschränkung auf zwei Vertragspartner besteht in den Fällen paralleler Hauptinsolvenzverfahren über den gleichen Schuldner ein weiterer wesentlicher Unterschied zu der Koordinierung mehrerer Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen. Neben ihrer Koordinierungsfunktion dienten die Protokolle vornehmlich zur Lösung eines internationalen Zuständigkeitskonfliktes. Es sollte die Pattsituation gelöst werden, welche mit der Eröffnung zweier Insolvenzverfahren über ein und denselben Gemeinschuldner mit jeweils universellem Wirkungsanspruch entsteht.128 Ausgangslage war demnach, dass das eine Verfahren das andere Verfahren nach den nationalen Vorschriften grundsätzlich nicht anerkannte. Man befürchtete, dass Verwertungshandlungen im Sinne einer Übertragung der Vermögensgegenstände an Dritte, von der anderen Rechtsordnung nicht anerkannt würden. Da man davon ausging, dass potentielle Erwerber der Massegegenstände in beiden Rechtsordnungen wirtschaftlich aktiv sind, hatte man die Befürchtung, dass die Gülprior to: disposing of shares in any Subsidiary to dispose of any assets“; vgl. auch Maxwell-Protokoll, Punkt D. ff. 126 Vgl. Maxwell-Protokoll G. 4. (b). 127 Anders dagegen Eidenmüller, ZZP 114, (2001), 3, 11; Wittinghofer, 62 f., S. 107 f., welche Zustimmungspflichten auch für die Koordinierung von Konzerninsolvenzen geeignet halten. 128 Vgl. zur Ausgangslage in der Maxwell Insolvenz: Paulus, ZIP 1998, 977, 979.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
tigkeit des Übertragungsaktes im anderen Staat vom jeweils anderen Insolvenzverwalter angreifbar wäre.129 Müssen die Insolvenzverwalter im Hinblick auf die Masse ihres Territoriums vorab die Zustimmung ihres Verwalterkollegen einholen, dann ist die Anerkennung von Massetransaktionen in beiden Verfahren gewährleistet. Bei der Koordinierung paralleler Insolvenzverfahren über das Vermögen mehrerer konzernverbundener Unternehmen bestehen diese Anerkennungsprobleme grundsätzlich nicht. Hier steht allein die effiziente Steuerung der Masse im Vordergrund. Da Zustimmungsvorbehalte (Eidenmüller spricht von „insolvenzverwaltungsbezogenen Veto-Rechten“130) gerade bei einer Koordinierung von mehr als zwei Insolvenzverfahren zu Blockadesituationen führen können, hat dies im Rahmen der Konzerninsolvenz zur Folge, dass sie nur bedingt als Vorbild einer effizienten Koordinierung dienen.131 2. Vertragliche Koordinierung der Insolvenzverfahren des Konzerns in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern Die US-amerikanische Praxis kann somit lediglich Ideenanstoß für die Koordinierung mehrerer Insolvenzmassen auf vertraglicher Grundlage geben. Auf der Suche nach einer geeigneten inhaltlichen Ausgestaltung für originäre Konzernsachverhalte sollte man nach spezifischen Ausgestaltungen suchen und sich insoweit von der Vorbildfunktion der US-amerikanischen Praxis lösen. Aus der deutschen Konzernperspektive sollten vielmehr die bereits oben erwähnten, auch im internationalen Wirtschaftsverkehr anerkannten vertraglichen Kooperationsvereinbarungen als Vorbild dienen. Vorbildfunktion könnten insbesondere die vertraglichen Regelungen zur Bildung eines Gleichordnungskonzerns haben. Der Gleichordnungskonzern zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen Konzernglieder über eine vertragliche Regelung auf ein einheitliches Konzerngesamtziel ausgerichtet werden. Im Unterschied zum Unterordnungskonzern geschieht dies jedoch über eine gleichberechtigte Abstimmung und nicht im Wege einer hierar129 Vgl. Bestätigungsbeschluss US Bankruptcy Court Southern District of New York, In re AIOC and AIOC Ressources AG, (abrufbar: www.iiiglobal.org/inter national/protocols.html.) Background, zehnter Absatz: „Absent such an operating strategy, Counter-Parties to transactions involving Resources (many of which transact Business in both the United States and Switzerland) would have no assurance that transactions agreed to by one estate representative would be free from challenge by the other estate representative.“ 130 Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 11. 131 Eine Übertragung der Zustimmungspflichten auf die vertragliche Koordinierung von Konzerninsolvenzverfahren bejahen dagegen Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 11; ihm folgend Wittinghofer, S. 62 f., S. 230 ff.
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chischen Fremdbestimmung durch die Konzernmutter. Nachfolgend soll das Wesen und die rechtliche Struktur des Gleichordnungskonzerns kurz dargestellt werden. Im Anschluss daran soll überprüft werden, ob Regelungstypen des Gleichordnungskonzerns nicht für die Ausgestaltung einer vertraglichen Koordinierungsvereinbarung zwischen den Insolvenzverwaltern herangezogen werden können. a) Der Gleichordnungskonzern aa) Die einheitliche Leitung gleichberechtigter Konzernglieder Der Gleichordnungskonzern wird in § 18 Abs. 2 AktG in bewusster Abgrenzung zum Unterordnungskonzern definiert. Danach liegt ein Gleichordnungskonzern vor, wenn rechtlich selbständige Unternehmen unter einheitlicher Leitung zusammengefasst sind, ohne dass das eine Unternehmen von dem anderen abhängig ist. Beide Konzernformen stimmen im Merkmal der einheitlichen Leitung der verbundenen Unternehmen überein. Für einen Gleichordnungskonzern ist ebenfalls eine umfassende, d.h. nicht nur auf einzelne Aspekte der Unternehmenspolitik oder auf einzelne Betriebe der Unternehmen beschränkte, Koordinierung der Geschäftspolitik der verbundenen Unternehmen erforderlich.132 Der Gleichordnungskonzern unterscheidet sich jedoch vom Unterordnungskonzern dadurch, dass es hier an der Abhängigkeit des einen Unternehmens von dem anderen als dem konstituierenden Merkmal des Unterordnungskonzerns fehlt. Die einheitliche Leitung wird nicht über eine hierarchische Einflussmöglichkeiten einer Gesellschaft gegenüber der anderen (etwa Weisungsrecht § 308 AktG) hergestellt, sondern vielmehr über einen Abstimmungsmechanismus, an der alle Konzernglieder gleichberechtigt beteiligt sind. Rechtstechnisch erfolgt die Bildung eines Gleichordnungskonzerns durch den Abschluss eines Vertrages, durch den sich die Beteiligten freiwillig einer einheitlichen Leitung unterstellen. In diesem Vertrag (Gleichordnungsvertrag) werden üblicherweise nähere Abreden über die einheitliche Leitung getroffen, wie etwa welche Ziele durch den Gleichordnungsvertrag erreicht werden sollen. Ferner werden die Grundsätze der allgemeinen Geschäftspolitik festgelegt.133 Als Zweck der Vereinbarung wird in der Regel die optimale Ausrichtung der von den Vertragsparteien geführten Unternehmen auf ein einheitliches Ziel formuliert.134 Die Abstimmung der Unternehmenspolitik im Einzelfall wird dabei 132
Emmerich/Habersack, § 4 IV., S. 58. MünchKomm AktG/Altmeppen, § 291 Rn. 211; Milde, S. 116. 134 Vgl. etwa Zweckvereinbarung im Gleichordnungsvertrag der Bofrost-Gruppe: „Zweck der Vereinbarung ist, . . ., „die Grundlinien der Geschäftspolitik der bofrost133
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
einem besonderen Leitungsorgan (Lenkungsausschuss), bestehend aus den Geschäftsführern der Einzelgesellschaften, übertragen. Der Gleichordnungskonzernvertrag ist kein Beherrschungsvertrag mit organisationsvertraglicher Wirkung (§ 291 Abs. 2 AktG), sondern ein gewöhnlicher schuldrechtlicher Vertrag, welcher in seiner typischen Ausgestaltung als Gesellschaftsvertrag (§§ 705 ff. BGB) im Sinne einer Innengesellschaft eingeordnet wird.135 Er kann formfrei geschlossen werden und braucht nicht zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet werden.136 Durch die Anerkennung dieser flexiblen Form in den §§ 18 Abs. 2, 291 Abs. 2 AktG erhoffte sich der Gesetzgeber, ein ideales Instrument für die grenzüberschreitende Kooperation von Unternehmen zur Verfügung zu stellen.137 bb) Einheitliche Leitung der Konzernglieder über einen Lenkungsausschuss Qualität/Umfang und Grenzen (1) Verbindliche Koordinierung der Konzernglieder über einen Lenkungsausschuss Die Einheitliche Leitung der einzelnen verbundenen Unternehmen wird im vertraglichen Gleichordnungskonzern in der Regel über einen gemeinsamen Lenkungsausschuss garantiert. Dieser, sich in der Regel aus den Geschäftsführern der einzelnen Gesellschaften zusammensetzende, Lenkungsausschuss beschließt rechtsverbindlich die Richtlinien der Geschäftspolitik.138 Häufig werden im Vertragswerk bestimmte bedeutsame Geschäftsführungsmaßnahmen aufgelistet, die von den Geschäftsführern der Unternehmen mit dem Ziel eines möglichst einheitlichen und effektiven Markteintritts der Marke bofrost in Europa unter Berücksichtigung der jeweiligen länderspezifischen Besonderheiten festzulegen“ Abgedruckt in der Entscheidung BAG ZIP 2004, 1468, 1468 ff. 135 MünchKomm AktG/Altmeppen, § 291 Rn. 212; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 35; Emmerich/Habersack, § 4 IV. 2., S. 58; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 18 Rn. 37; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 558; Milde, S. 111, 128, 204. 136 MünchKommAktG/Altmeppen, § 291 Rn. 213; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 35. 137 Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 557; Lutter, Verhandlungen 48. DJT, S. 11 ff. 138 Vgl. Gleichordnungsvertrag der Bofrostgruppe: Vertragsklausel 1.1.: „Die einheitliche Leitung aller in Europa operativ tätigen bofrost-Unternehmen erfolgt durch den von den Vertragsparteien in S etablierten „bofrost Lenkungsausschuss Europa“. Vertragsklausel 2.1.: „Der bofrost Lenkungsausschuss Europa hat die Aufgabe, die Grundlinien der Geschäftspolitik der bofrost-Unternehmen mit dem Ziel eines möglichst einheitlichen und effektiven Markteintritts der Marke bofrost in Europa unter Berücksichtigung der jeweiligen länderspezifischen Besonderheiten festzulegen.“ Abgedruckt BAG ZIP 2004, 1468, 1468 ff.
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Einzelgesellschaften nicht eigenständig vorgenommen werden dürfen, wenn nicht vorher die Zustimmung des Lenkungsausschusses eingeholt wurde.139 Bei entsprechender vertraglicher Ausgestaltung können rechtsverbindliche Entscheidungen durch Mehrheitsentscheid erfolgen140, wobei die Partner in der Regel das gleiche Stimmgewicht haben, unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung der einzelnen Unternehmen.141 Im Hinblick auf die Unternehmensleitung ergibt sich bei dieser Ausgestaltung folgendes Bild: Die verbundenen Unternehmen werden nach einem gemeinsam gebildeten einheitlichen Leitungswillen gesteuert.142 Die Vorstände/Geschäftsführer der Einzelgesellschaften sind nicht mehr das alleinige Zentrum unternehmerischer Führung, sondern verfügen lediglich noch über die Macht der Mit-Führung.143 Sollte im Einzelfall der Geschäftsführer eines Konzerngliedes überstimmt werden, besteht eine gewisse Ähnlichkeit zum Unterordnungskonzern, weil sich in diesem Fall das durch den Lenkungsausschuss formulierte Konzerninteresse gegenüber dem Einzelinteresse der Gesellschaft durchsetzt. Dennoch besteht der wesentliche Unterschied zum Unterordnungskonzern darin, dass auch der überstimmte Geschäftsführer gleichberechtigt die Möglichkeit hatte, an der Formulierung des Konzerninteresses teilzuhaben.144 Die aktive Mitwirkungsbefugnis bei der Formulierung der Konzernpolitik ist insoweit nicht mit der Funktion des Ge139
Vertragsklausel, 2.2 S. 1: „Im Aufgabenbereich des nationalen Lenkungsausschusses fallen die Festlegung und Formulierung der Geschäftspolitik in Abstimmung mit den Geschäftsführungen sowie das Erteilen von Anweisungen an die Geschäftsführungen zur Durchsetzung von Richtlinien.“ Abgedruckt BAG ZIP 2004, 1468, 1468 ff. 140 KölnerKommAktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 103; Lutter/Drygla, ZGR 1995, 557, 565; Milde, S. 144 ff.; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2517 f.; vgl. auch Krieger, MünchHdb. zum Gesellschaftsrecht Bd.4, § 68 Rn. 86. Teilweise wird aber ein jederzeitiges Kündigungsrecht gefordert, MünchKommAktG/Bayer, § 18 Rn. 57. Vgl. auch Gleichordnungsvertrag der Bofrost Gruppe, abgedruckt BAG ZIP ZIP 2004, 1468, 1468 ff.; Vertragsklausel: nationaler Lenkungsausschuss „Der Lenkungsausschuss setzt sich aus Geschäftsführern der Gesellschaften zusammen . . . Ist die im Rahmen des Kollegialitätsprinzips anzustrebende Einstimmigkeit in der Beschlussfassung nicht zu erzielen, entscheidet der Lenkungsausschuss mit mindestens 2/3 Mehrheit der abgegebenen Stimmen.“ 141 Gromann, S. 10 f. 142 Gromann, S. 47 ff.; Hüffer, AktG, § 18 Rn. 20; Krieger, in: MünchHdb. zum Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 68 Rn. 81; Milde, S. 129 f. 143 Hommelhoff, Konzernleitungspflicht, S. 389; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519. 144 Dieser Unterschied war für den Gesetzgeber ausschlaggebend, dem Gleichordnungskonzern anders als dem Unterordnungskonzern eine regelungbedürftige Konfliktlage abzusprechen, vgl. Beg.RegE., abgedruckt bei Kropff, Aktiengesetz 1965, S. 377: „(. . .) ein solcher Vertrag ist kein Beherrschungsvertrag, weil die Gesellschaft in einem Gleichordnungskonzern selbst an der Willensbildung des Leitungsorgans beteiligt ist und ihr daher nicht die mit dem Beherrschungsvertrag verbunde-
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
schäftsführers im Unterordnungskonzern vergleichbar, die sich auf die Entgegennahme von Befehlen und einer Rechtmäßigkeitskontrolle beschränkt. (2) Nachteilige Beschlüsse Selbst in einem paritätisch besetzten Leitungsgremium sind Entscheidungen zu treffen, die zwangsläufig die Interessen beider beteiligten Unternehmen berühren, und zwar nicht immer in vorteilhafter Weise.145 Eine Ausrichtung der einzelnen Konzernglieder auf ein gemeinsames Konzerninteresse wird relativ schnell auf seine Grenzen stoßen, wenn jede vom Lenkungsausschuss beschlossene Maßnahme sich zu jeder Zeit auf alle Beteiligten entweder positiv oder zumindest neutral auswirken muss. Die Vorteile einer Konzernbildung machen es oft auch im Gleichordnungskonzern erforderlich, die Interessen einzelner Unternehmen zeitweilig oder in bestimmten Sektoren hinten anzusetzen.146 Dennoch ist allgemein anerkannt, dass die Umsetzung der Beschlüsse des Lenkungsausschusses im Ergebnis für die Einzelgesellschaften nicht nachteilig sein darf.147 Im ersten Schritt nachteilige Beschlüsse werden allerdings dann als zulässig erachtet, wenn der Nachteil der betroffenen Gesellschaft in einem zweiten Schritt durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert wird.148 Der Gleichordnungskonzernvertrag kann dabei Kompensationsmechanismen bereithalten, welche den einzelnen Gesellschaften einen effektiven Nachteilsausgleich garantieren.149 Von einem „interessengerechten“ Aushandeln des Gleichordungskonzernvertrages, der unkompensierte nachteilige Einflussnahmen verhindert, kann grundsätzlich ausgegangen werden. Anders als im Unterordnungskonzern schließen sich im Gleichordnungskonzern zwei Unternehmen auf freiwilliger Basis zusammen und unterstellen sich zu diesem Zweck der Leitung durch ein von ihnen selbst paritätisch besetztes Zentralorgan. Bei dieser Ausgangslage kann zunächst einmal davon ausgegangen werden, dass es den Gesellschaften gelingt, ihre Interessen bei der Vertragsgestaltung wirksam zur Geltung zu bringen.150 Auch die Durchsetzung eines solchen Nachteilsausgleichs über den Genen Gefahren drohen.“; vgl. insbesondere auch KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 103; Lutter/Drygla, ZGR 1995, 557, 569. 145 Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 560. 146 Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 560; Wellkamp, DB 1993, 2517, 2519. 147 Emmerich/Habersack, § 4 IV. 4., S. 60; Lutter/Drygla, ZGR 1995, 557, 565; Milde, S. 139; Krieger, MünchHdb zum Gesellschaftsrecht Bd. 4, § 68 Rn. 86; vgl. auch KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 103. 148 Emmerich/Habersack, § 4 V., S. 61; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 560; Milde, S. 147. 149 Vgl. KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 103. 150 Vgl. Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 569, 577; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 103.
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente
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schäftsführer der benachteiligen Gesellschaft ist dabei Erfolg versprechender als im Unterordnungskonzern, weil anders als dort in der Regel kein anderes Konzernglied die Möglichkeit hat, auf die Bestellung des Geschäftsführers Einfluss zu nehmen, die Geschäftsführer bei der Geltendmachung des Anspruchs auf Nachteilsausgleich somit unabhängig agieren können. b) Sinngemäße Übertragung auf die Koordinierung der Konzerninsolvenzverfahren Das für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand interessante Kennzeichen eines Gleichordnungskonzerns liegt in der Ausrichtung der einzelnen Konzernglieder auf einen einheitlichen Kurs über einen gewöhnlichen schuldrechtlichen Vertrag. Mit der Eröffnung einer Vielzahl von Insolvenzverfahren über einzelne Konzernglieder eines Unterordnungskonzerns wird durch die Einsetzung entsprechend vieler Insolvenzverwalter die vormals hierarchische Operationseinheit Konzernunternehmen in eine Vielzahl von autonomen Einheiten zerlegt. Ursprung dieses Phänomens war die autonome Amtsstellung des Insolvenzverwalters. Nach der herkömmlichen, auch hier vertretenen Doktrin, kann der Insolvenzverwalter als grundsätzlich autonom agierende Amtsperson nicht Adressat eines aus der Konzernleitungsmacht stammenden Weisungsrechts sein.151 Die Aufspaltung der vormals hierarchisch operativen Wirtschaftseinheit Konzern in autonome Einheiten entspricht gerade bei stark integrierten Konzernen nicht der wirtschaftlichen Realität. Die Aufspaltung des Konzernunternehmens in vom Insolvenzverwalter autonom regierten Einzelmassen könnte durch eine vertragliche Selbstverpflichtung zumindest teilweise rückgängig gemacht werden, indem sich die Insolvenzverwalter schuldvertraglich zu einer gemeinsam Verfahrensbewältigung verpflichten, mit dem Ziel der bestmöglichen Verwertung der Gesamtmasse und bei entsprechender Verteilung auch der bestmöglichen Verwertung der Einzelmassen. Ähnlich wie im Gleichordnungskonzern könnten die Insolvenzverwalter sich verpflichten, ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse über die Masse u. a. nur nach den Vorgaben eines aus allen Insolvenzverwaltern bestehenden Lenkungsausschuss auszuüben. Sieht die vertragliche Vereinbarung ein bindendes Mehrheitsprinzip vor, dann könnte man einwenden, dass eine daraus im Einzelfall entstehende Fremdbestimmung gleichermaßen nicht mit dem Dogma des autonom handelnden Insolvenzverwalters vereinbar wäre, welches u. a. ein Durchdringen der Konzernleitungsmacht auf den Insolvenzverwalter der Untergesellschaft verhinderte.152 151
Siehe oben, 1. Teil, D.I.2.a)cc). Neben der autonomen Amtsstellung scheiterte ein gesellschaftsrechtlich vermitteltes Weisungsrecht auch daran, dass nach der herrschenden Amtstheorie der In152
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
Dennoch besteht ein wesentlicher Unterschied. Zunächst einmal würde der Insolvenzverwalter sich selbst verpflichten, seine Befugnisse in Anlehnung an den Vorgaben des Leitungsgremiums auszurichten.153 Ferner ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter nicht zu einem bloßen Befehlsempfänger degradiert wird, sondern als Mitglied eines Lenkungsausschusses unmittelbar gestaltenden Einfluss auf die Verfahrensbewältigung, d.h. gemeinsame Fortführung und Verwertung der jeweils in die Massen fallenden Unternehmen, hat. Im Übrigen kann durch eine im Grundsatz freie Ausgestaltung des Vertrages den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens Rechnung getragen werden, insbesondere Mechanismen eingebaut werden, die im Ergebnis eine Schmälerung der Einzelmassen verhindern. aa) Vertragliche Regelung gerichtet auf die konzernweite übertragende Sanierung Wie eine vertragliche Koordinierung in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern konkret aussehen könnte, soll an dieser Stelle kurz skizziert werden. Die Ausgestaltungsmöglichkeiten sind natürlich vielfältig. Entscheidenden Einfluss auf die inhaltliche Ausgestaltung der vertraglichen Abrede dürfte dabei das Ziel des Insolvenzverfahrens haben. Da bei einer Liquidation eine Kooperation zwischen den Verwaltern allenfalls punktuell stattfindet, kommt eine vertragliche Koordinierung der Insolvenzverfahren nur bei einer angestrebten Reorganisation oder übertragenden Sanierung in Betracht. Wegen der in der Praxis wesentlich häufiger vorkommenden übertragenden Sanierung orientieren sich die nachfolgenden Ausführungen an dieser Verwertungsform. Erkennen die Insolvenzverwalter, dass eine bestmögliche Verwertung der Masse wegen der starken Integration des Konzerns nur durch einen konzernweiten Ansatz möglich ist, dann könnten die Insolvenzverwalter eine gemeinsame Fortführung und Verwertung vertraglich regeln. Denkbar wäre auch über eine vertragliche Regelung zunächst bis zum Berichtstermin die Fortführung der Einzelunternehmen sicherzustellen. Verpflichtungen über die Verwertung vor dem Berichtstermin würden u. U. die Kompetenzen der Gläubigerversammlungen im Hinblick auf die Verwertungsart beschneiden.154 solvenzverwalter nicht in die Organisation des Verbandes integriert war, siehe oben, 1. Teil, D.I.2.a)cc). 153 Die Diskussion um die Frage, ob der Insolvenzverwalter der Tochtergesellschaft Adressat konzernrechtlicher Weisungsmacht sein kann, geht immer von einem automatischen Fortbestand der Leitungsmacht aus. 154 Zu den Kompetenzen der Gläubigerversammlung, siehe oben, 1. Teil, D.I.2.b).
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente
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bb) Muster für die Ausgestaltung eines Vertrages zwischen den Insolvenzverwaltern (insolvenzspezifischer Verfahrensverbund) Eine koordinierte Fortführung und Veräußerung der einzelnen Massen (konzernweite übertragende Sanierung) über eine vertragliche Regelung wäre nach folgendem Muster denkbar: 1. Die in den Verfahren der einzelnen Gesellschaften der X-Gruppe eingesetzten Insolvenzverwalter verpflichten sich zu gegenseitiger Zusammenarbeit, mit dem Ziel, ihre Massen optimal im Rahmen einer Konzerngesamtstrategie zu verwerten. Durch eine gemeinsame Verwertungsstrategie soll für alle Gläubiger eine im Vergleich zur Einzelverwertung bessere Befriedigung erreicht werden. 2. Die in den Verfahren der einzelnen Gesellschaften der X-Gruppe eingesetzten Insolvenzverwalter bilden einen gemeinsamen Lenkungsausschuss, welcher die Richtlinien der gemeinsamen Verfahrensbewältigung festlegt. 3. Die Insolvenzverwalter haben die ihnen nach §§ 80, 148 InsO zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Rahmen der Beschlussfassung des gemeinsamen Lenkungsausschusses der Insolvenzverwalter auszurichten. Gleiches gilt für die Ausrichtung sonstiger im Zusammenhang mit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis stehende insolvenzspezifischen Befugnisse, wie etwa die Ausübung des Wahlrechts aus §§ 103 ff. InsO. Keinesfalls sind die Verwalter aufgrund dieses Vertrages zur Umsetzung der Beschlüsse verpflichtet, wenn zwingende Rechtsvorschriften dem entgegenstehen. 4. Der Lenkungsausschuss setzt die Richtlinien für eine gemeinsame Verwertung der Massen und der zeitweiligen Betriebsfortführung bis zur Verwertung. Ziel des gemeinsamen Vorgehens ist, einen Investor für den Gesamtkonzern zu finden. Sollten Restrukturierungen zur Steigerung der Verkaufsfähigkeit notwendig sein, dann werden diese ebenfalls verbindlich durch den Lenkungsausschuss der Insolvenzverwalter beschlossen. 5. Der Lenkungsausschuss soll sich bemühen, die Richtlinien einstimmig zu beschließen. Kommt ein einstimmiger Beschluss nicht zustande, reicht die Mehrheit der Mitglieder des Lenkungsausschusses155. 6. Sollte der Beschluss für eine Masse eine nachteilige Maßnahme vorsehen, dann ist der Insolvenzverwalter dieser Masse nur dann zur Aus155
Hier wäre insbesondere auch ein Abstimmungsmodus nach Werthaltigkeit der einzelnen Massen denkbar. Als interessengerechte Lösung kommt auch ein „doppelter Abstimmungsmodus“ in Betracht. Bei diesem ist ein Beschluss angenommen, wenn die Mehrheit der Mitglieder zustimmen und diese die Summenmehrheit der Massen auf sich vereinen können.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
führung verpflichtet, wenn dieser Nachteil ausgeglichen wird.156 Der Anspruch der benachteiligten Masse richtet sich gegen die durch diese Maßnahme bevorzugte Masse(n). Besteht Streit über die Höhe des Nachteilsausgleichs, so entscheidet ein in Anlage A näher bezeichnetes Schiedsgericht entsprechend der in dieser Anlage festgelegten Verfahrensordnung. Das Schiedsgericht kann vorläufig bis zur endgültigen Entscheidung eine Sicherheitsleistung verlangen. In dieser Anordnung zur Sicherheitsleistung wird auch bestimmt, aus welcher Masse die Sicherheit zu leisten ist. 7. Liegt ein bestimmtes Kaufangebot für den Konzern oder einen Teil des Konzerns vor, so hat der Lenkungsausschuss über die Annahme zu beschließen. Die Insolvenzverwalter sollen sich in diesem Rahmen über die interne Aufteilung des Veräußerungserlöses einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet zunächst der Lenkungsausschuss. Die Insolvenzverwalter sind dann verpflichtet, für die im Beschluss ausgeführten Bedingungen die Einzelkaufverträge mit dem Käufer abzuschließen. Der Lenkungsausschuss hat sich bei der Verteilung an den konkret angebotenen Gesamtkaufpreis im Verhältnis zu den Liquidationswerten der Einzelmassen zu orientieren. Sollte ein Insolvenzverwalter im Einzelfall eine höherwertige Einzelveräußerungsmöglichkeit nachweisen können, ist dieser Wert anzusetzen. 8. Ist eine von allen Insolvenzverwaltern zugestimmte Vereinbarung über die interne Aufteilung nicht zustande gekommen, kann von jedem Insolvenzverwalter das in Anlage A näher bezeichnete Schiedsgericht angerufen werden, welches endgültig über die Verteilung des Gesamterlöses anhand der in Nr. 7 näher dargelegten Kriterien entscheidet. Diese Möglichkeit entbindet den Insolvenzverwalter jedoch nicht vom Abschluss des Kaufvertrages entsprechend dem Beschluss des Lenkungsausschusses. Sieht die Entscheidung des Schiedsgerichtes eine anderweitige Verteilung vor als im Beschluss vorgesehen, so hat ein entsprechender Ausgleich zwischen den Einzelmassen zu erfolgen. 9. Die Kündigung dieser Vereinbarung ist nur aus zwingenden Gründen möglich. cc) Erklärung der einzelnen Klauseln Durch die Richtlinienkompetenz des gemeinsamen Lenkungsausschusses der Insolvenzverwalter können die Insolvenzverfahren auf das einheitliche 156 Evtl.: „Für die Höhe des Nachteilsausgleichs sollen die §§ 311, 317AktG entsprechend gelten.“
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente
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Ziel einer bestmöglichen Verwertung des Gesamtkonzernunternehmens abgestimmt werden. Durch die Verbindlichkeit der Beschlüsse werden Reibungsverluste bei der Bewerkstelligung des Verfahrens vermieden. Nicht jede Einzelheit im Gang des Verfahrens muss durch die Vielzahl von Insolvenzverwaltern ausgehandelt werden, verbunden mit der wiederkehrenden Gefahr des Scheiterns. Gleichzeitig sind die Interessen der Einzelmassen gewahrt, indem im Fall nachteiliger Beschlüsse ein Anspruch auf Ausgleich dieses Nachteils als Masseforderung gegen die bevorzugte Masse besteht (§ 55 Nr. 1 InsO). Die Verwirklichung dieses Nachteilsausgleichs wird durch das Schiedsverfahren abgesichert. Im Ergebnis wird durch die einheitliche Willensbildung einerseits eine möglichst reibungslose Verfahrensbewerkstelligung garantiert, andererseits über den durchsetzbaren Nachteilsausgleich gewährleistet, dass die einheitliche Ausrichtung der Insolvenzverfahren nicht zum Nachteil der Einzelmassen und ihrer Gläubiger erfolgt. Klausel Nr. 7 und 8 garantieren bei einer angestrebten übertragenden Sanierung einen einheitlichen Verkauf des Konzerngesamtunternehmens. Wie bereits oben erörtert, wird beim Unternehmenskauf der Kaufpreis im Wege der Ertragswertmethode nach dem Prinzip der Bewertungseinheit ermittelt, d.h. Bewertungsobjekt ist die Einheit im Sinne aller Funktionen, die gemeinsam zur Erzielung der zukünftigen Überschüsse beitragen, unabhängig ob die Funktionen auf einen oder mehrere Rechtsträger gestellt sind oder nicht.157 Die Funktionseinheit als solche ist Gegenstand der Kaufpreisermittlung. Ist dies bei funktional-vertikaler Integration der Konzern, so findet die Kaufpreisermittlung für ein Angebot des Käufers konzernweit statt. Dieser Gesamtpreis ist für den Käufer verhandlungsbestimmend. Problematisch und äußerst konfliktträchtig ist dann die Zuordnung dieses Kaufpreises auf die Massen der einzelnen Konzernglieder, aus der die Käufer möglichst herausgehalten werden wollen.158 Der Käufer müsste bei einem funktional integrierten Konzern mit den einzelnen Insolvenzverwaltern verhandeln und diesen jeweils ein separates Angebot für die Betriebsteile der einzelnen Massen machen, obwohl ihm eine aus seiner Sicht realistische Wertermittlung für diesen Teil kaum möglich ist. Da Verkaufsverhandlungen im Rahmen eines Unternehmenskaufes gerade beim Kauf aus der Insolvenz äußerst sensibel erscheinen159, sind im Dienste einer effizienten Verfahrensbewältigung potentielle Käufer aus den Verteilungskonflikten zwischen den Massen möglichst herauszuhalten. Streitpotentiale können hier zu einer Zerstörung des Konzernverbundes und insbesondere ein Abspringen von potentiellen Käufern führen, die nicht mit allen Insolvenzverwaltern eine gerechte Ver157 158 159
Siehe oben, 1. Teil, B.III.2.b)cc). Spliedt, S. 31, 45. Vgl. Menke, BB 2003, 1133, 1133.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
teilung des Gesamterlöses aushandeln wollen.160 Dieses Konfliktpotential wird durch Klausel 7 und 8 entschärft, indem bei mangelnder Einigung der Lenkungsausschuss über eine Veräußerung und die Zuteilung des Gesamterlöses entscheidet, wobei eine endgültige Entscheidung durch die Anrufung eines Schiedsgerichts herbeigeführt werden kann.
IV. Rechtliche Einordnung der Koordinierungsvereinbarung Die vorhergehenden Abschnitte beschäftigten sich überwiegend mit der Frage, ob die Koordinierung der einzeln Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen durch eine vertragliche Regelung wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Beantwortung dieser Frage wurde maßgeblich von der inhaltlichen Ausgestaltung des Vertrages abhängig gemacht. Im Ergebnis wurde eine vertragliche Koordinierung, die ad hoc den gesamten Verlauf des Verfahrens in allen Einzelheiten festzulegen versucht, abgelehnt, weil dies zu einer Zementierung des Insolvenzverfahrens führen würde. Eine solche Vertragsgestaltung würde der Eigendynamik von Unternehmensinsolvenzverfahren nicht gerecht und wegen der Vielzahl der zu regelnden Eventualitäten zu hohen Transaktionskosten führen. Nach dem vorliegenden Verständnis ist eine Kooperation nur dann wirtschaftlich sinnvoll, wenn der Gleichlauf der Masseverwaltung über einen gegenseitigen Zustimmungsvorbehalt für wesentliche Rechtshandlungen oder – vorzugswürdig wegen der Blockadegefahr – durch ein aus allen Insolvenzverwaltern bestehendes Koordinierungsgremium nach dem Vorbild eines Gleichordnungskonzerns geschaffen wird, deren Beschlüsse rechtsverbindlich die Verfahren aufeinander abstimmen könnten. An diesem Inhalt soll sich die nachfolgende Überprüfung der rechtlichen Vereinbarkeit vertraglicher Koordinierungsabreden orientieren. Um die Zulässigkeit einer vertraglichen Koordinierung paralleler Insolvenzverfahren nach deutschem Recht näher untersuchen zu können, ist die maßgebliche Regelung, welche den Gleichlauf der Verfahren garantiert, näher zu beschreiben. Verpflichten sich die Insolvenzverwalter, die Verwertung der Masse nur nach vorheriger Zustimmung des Verwalterkollegen vorzunehmen, so handelt es sich im Ergebnis um eine Unterlassungsverpflichtung des Insolvenzverwalters, seine ihm nach §§ 80, 148 Abs. 1 InsO zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auszuüben, bevor er die entsprechende Zustimmung eingeholt hat. Gleiches gilt für die hier favorisierte Koordinierung in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern. Auch hier verpflichtet sich der Insolvenzverwalter im Hinblick auf be160
Vgl. Spliedt, S. 31, 45.
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente
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stimmte Bereiche, seine Befugnisausübung zu unterlassen, bis eine entsprechende gemeinsame Entscheidung der Insolvenzverwalter getroffen wurde. Gleichzeitig verpflichtet sich der Insolvenzverwalter positiv einen entsprechenden Beschluss des gemeinsamen Lenkungsausschuss der Insolvenzverwalter in seinem Verfahren umzusetzen, dass heißt die ihm zustehenden Befugnisse in dieser Weise auszuüben. Es handelt sich demnach um eine schuldvertragliche Verpflichtung, welche die Ausübung der Befugnisse des Insolvenzverwalters zum Gegenstand hat. Keinesfalls handelt es sich um eine dingliche Übertragung dieser Befugnisse auf den Verwalterkollegen oder auf den Lenkungsausschuss. Schwerpunkt der rechtlichen Überprüfung wird sein, ob und in welchem Umfang der Insolvenzverwalter nach deutschem Amtsverständnis überhaupt über die ihm von der Insolvenzordnung zugewiesen Befugnisse im Wege einer vertraglichen Bindung disponieren kann. 1. Vertragsparteien einer Koordinierungsvereinbarung Bevor man sich der Frage zuwenden kann, ob sich der Insolvenzverwalter durch eine vertragliche Koordinierungsvereinbarung bezüglich der Ausübung seiner Befugnisse binden kann, sollte zunächst geklärt werden, wer die Vertragsparteien einer solchen Koordinierungsvereinbarung wären. In Betracht kommen jeweils der Insolvenzverwalter persönlich oder der Gemeinschuldner. Hauptgegenstand einer vertraglichen Koordinierungsvereinbarung war, den Insolvenzverwalter bei der Ausübung der ihm zustehenden Befugnisse, insbesondere der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus §§ 80 Abs. 1, 148 InsO, vertraglich zu binden. Folglich ist der Insolvenzverwalter persönlich in seiner Eigenschaft als Amtstreuhänder vertraglich verpflichtet.161 Aus der vertraglichen Koordinierungsvereinbarung entstehende schuldrechtliche Ausgleichsansprüche richten sich jedoch gegen den Träger der vom Insolvenzverwalter repräsentierten Masse, also den Gemeinschuldner unmittelbar.162 Insoweit bindet sich der Insolvenzverwalter nicht im Hinblick auf 161 Vgl. Eidenmüller, ZZP 114, (2001), 3, 11; anders dagegen Wittinghofer, S. 88 ff. welcher eine vertragliche Bindung des Gemeinschuldners mit der Begründung annimmt, dass dieser nach Beendigung des Insolvenzverfahrens weiterhin gebunden sein soll. Indes: Für eine Koordination der Insolenzverfahren nach Beendigung des Insolvenzverfahrens besteht weder ein Bedürfnis noch ist anzunehmen, dass ein Insolvenzverwalter die Kompetenz hat, den Schuldner in seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nach Beendigung des Insolvenzverfahrens (etwa nach Bestätigung eines Insolvenzplanes) vollumfänglich zu binden. 162 Anders Eidenmüller, ZZP 114, (2001), 3, 12.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
die zukünftige Ausübung seiner Befugnisse, sondern er übt seine Befugnis zu Lasten des Schuldners unmittelbar aus, indem er für bestimmte Fälle einen schuldrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen die Masse begründet (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).163 Während des Insolvenzverfahrens richten sich die Ansprüche gegen den Schuldner freilich auch gegen den Insolvenzverwalter, der aufgrund seiner alleinigen Verwaltungsbefugnis verpflichtet ist, Masseverbindlichkeiten gegen den Schuldner zu erfüllen.164 Die Gläubigerstellung aus einer Koordinierungsabsprache kommt dagegen immer dem Insolvenzschuldner und nicht dem Insolvenzverwalter persönlich in seiner Amtsstellung zu. Ein vom Insolvenzverwalter begründeter Anspruch ist dem Insolvenzschuldner zuzuordnen, wenn die Gegenleistung aus dem Massebestand erfolgt, der Verwalter offen als Partei kraft Amtes in Erscheinung tritt oder sonst ein objektiver Bezug zur Masse besteht.165 Diese Voraussetzungen sind bei einer Absprache, welche die optimale Verwaltung und Verwertung der Masse zum Gegenstand hat, offensichtlich gegeben. Während des Insolvenzverfahrens kann der Insolvenzverwalter jedoch kraft seiner Verwaltungsbefugnis die Ansprüche des Gemeinschuldners geltend machen. 2. Abschlussbefugnis a) Befugnisdisposition: Vereinbarung über Befugnisausübung des Insolvenzverwalters Verpflichtet sich der Insolvenzverwalter, seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus §§ 80, 148 InsO vorab in eine bestimmte Richtung auszuüben, so wird durch diese Vereinbarung nicht etwa das Insolvenzrecht modifiziert. Es stellt sich nicht die Frage nach der Disponibilität von Vorschriften der Insolvenzordnung.166 Es geht vielmehr um die Möglichkeit des Insolvenzverwalters, sich im Hinblick auf die Ausübung dieser ihm zustehenden Befugnis vertraglich zu binden (Befugnisdisposition).167 Die Möglichkeit der vertraglichen Disposition im Hinblick auf die Ausübung 163
Es ist allgemein anerkannt, dass § 80 Abs. 1 InsO nicht nur eine Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters bezüglich der Gegenstände der Masse begründet, sondern allgemein auch eine Verpflichtungsbefugnis gegenüber den Gemeinschuldner begründet, Rechtsgeschäfte für die Masse abzuschließen; vgl. Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 13; Jaeger/Windel, InsO, § 80 Rn. 45 m. w. N. 164 BGHZ 49, 11, 13; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 80 Rn. 39. 165 Smid/Smid, InsO, § 80 Rn. 46. 166 Eine Abweichung von Rechtsnormen der Insolvenzordnung wäre nur über das Planverfahren möglich, vgl. § 217 InsO. 167 Eidenmüller, ZZP 114, (2001), 3, 11; Wittinghofer, S. 87 f.; zur Befugnisdisposition allgemein vgl. ausführlich Wagner, Prozessverträge, S. 86 ff.
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privater, subjektiver Rechte wird allgemein aus der Privatautonomie abgeleitet.168 Die Privatautonomie kann nun aber für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit einer Disposition über seine Befugnisse nicht rechtfertigen, denn diese sind nicht Ausdruck seiner subjektiven Freiheitsrechte. Die Geltung des Grundsatzes der Privatautonomie bedeutet die Anerkennung der „Selbstherrlichkeit“ des einzelnen in der schöpferischen Gestaltung der Rechtsverhältnisse.169 Als Handeln in „Selbstherrlichkeit“ wird die privatautonome Gestaltung von Rechtsverhältnissen durch die Rechtsordnung jedoch grundsätzlich nur anerkannt, wenn jemand für sich selbst privatautonom handelt.170 Dem Insolvenzverwalter stehen seine Befugnisse aber nicht um seiner selbst willen zu, sondern er leitet diese vielmehr aus einem gerichtlichen Bestellungsakt ab, welcher ihm die Kompetenzen objektiv in Anknüpfung an die Ziel- und Aufgabenstellung des Verwalteramtes (§ 1 InsO) verleiht.171 An diesen Zweck (bestmögliche und gleichmäßige Haftungsverwirklichung für die Gläubiger seines Verfahrens) hat sich der Insolvenzverwalter zu orientieren. Dieser Insolvenzverfahrenszweck ist gleichzeitig Ermächtigungsgrundlage des Insolvenzverwalters, über seine Befugnisse im Insolvenzverfahren zu disponieren. Dies wird deutlich, wenn man sich ein gewöhnliches Austauschgeschäft des Insolvenzverwalters vor Augen hält. Verkauft der Insolvenzverwalter etwa einen zur Masse gehörenden Gegenstand im Rahmen seiner Verwertungsaufgabe, so beinhaltet der Kaufvertrag gleichzeitig auch eine Befugnisdisposition des Insolvenzverwalters bezüglich der Ausübung seiner ihm nach §§ 80 Abs. 1, 148 InsO übertragenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über den konkreten Gegenstand. Sein Ermessen bei der Ausübung seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich des konkreten Gegenstandes ist in diesem Fall gebunden. Der Insolvenzverwalter ist demnach grundsätzlich befugt, zur Erreichung des Insolvenzverfahrenszwecks bestmöglicher Haftungsverwirklichung aus § 1 InsO vertragliche Bindungen über die ihm nach der Insolvenzordnung zustehenden Befugnisse einzugehen. Dieser Verfahrenszweck aus § 1 InsO bildet aber gleichzeitig die Grenze der Verwalterbefugnisse172 und damit auch die Grenze einer vertraglichen Disposition. 168
Wagner, Prozessverträge, S. 88 f.; Medicus, Rn. 174; von Tuhr, AT, II/1 S. 265 f.; Flume, II, § 1, 5., S. 6. 169 Flume, II, § 1, 5., S. 6. 170 Flume, II, § 1, 6., S. 7. 171 Häsemeyer, Insolvenzrecht Rn. 15.06. 172 RGZ 23, 54, 62; 29, 80 ff.; 53, 190, 192 f.; 57, 195, 199 f.; 63, 203; Jaeger/ Henckel, § 6 Rn. 150, m. w. N.; Handlungen, die dem Insolvenzverfahrenszweck offenbar zuwiderlaufen, bei denen also der Verstoß unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Menschen offensichtlich ist, sind unwirksam. Die Offensichtlichkeit ist dabei lediglich ein Tribut an die Rechtssicherheit; Jauernig, FS Weber, S. 307 ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO § 80 Rn. 101.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
Im Ergebnis lässt sich demnach festhalten, dass der Insolvenzverwalter über seine Befugnisse disponieren kann. Er kann sich damit im Hinblick auf die Art und Weise der Ausübung seiner Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis173 über die Insolvenzmasse vertraglich binden, soweit die konkrete Bindung mit dem Insolvenzverfahrenszweck aus § 1 InsO vereinbar ist. Der pauschale Hinweis, dass eine koordinierte Vorgehensweise zu einer besseren, d.h. optimalen Masseverwertung führt, soll an dieser Stelle vorerst genügen, um die Zweckkonformität einer solchen Regelung annehmen zu können. Die Besonderheit der hier vorgeschlagenen Koordinierungsvereinbarung besteht jedoch in der umfassenden Bindung des Insolvenzverwalters an die Beschlüsse des Lenkungsausschusses. Die umfassende Bindung des Insolvenzverwalters über die ihm durch die Insolvenzordnung verliehenen Befugnisse stellt die Möglichkeit einer Befugnisdisposition als solche jedoch nicht in Frage, sondern berührt vielmehr das Problem, ob eine solche umfassende Bindung mit dem Gebot der höchstpersönlichen Amtsführung des Insolvenzverwalters vereinbar ist. Diese Frage soll nachfolgend erörtert werden. b) Pflicht des Insolvenzverwalters zur höchstpersönlichen Amtsführung als Grenze der vertraglichen Bindung? Wie bereits oben im Zusammenhang mit der Einsetzung eines konzerneinheitlichen Insolvenzverwalters näher ausgeführt, ist der Insolvenzverwalter grundsätzlich zur persönlichen Amtsführung verpflichtet.174 Schauplatz der Diskussion um die höchstpersönliche Amtsführung des Insolvenzverwalters ist in der Praxis regelmäßig die Frage, inwieweit der Insolvenzverwalter die ihm obliegenden Aufgaben auf Dritte, insbesondere eigene Mitarbeiter, übertragen kann. Im vorliegenden Fall geht es dagegen um die Frage, ob sich der Insolvenzverwalter bei der Ausübung seiner Befugnisse vorab in seiner konkreten Entscheidungsautonomie „selbst entmachten“ kann, indem er die Ausübung seiner Befugnisse von der vorherigen Zustimmung eines Verwalterkollegens oder eines Leitungsgremiums – bestehend aus den Insolvenzverwaltern der einzelnen Konzerngesellschaften – abhängig macht. Auch wenn die Befugnis als solche nicht auf den Dritten oder das Leitungsgremium übertragen wird, vielmehr lediglich im Innenverhältnis eine schuldrechtliche Verpflichtung auf Unterlassen ohne Zustimmung bzw. Umsetzung der Richtlinien des Lenkungsausschusses besteht, verlagert sich dennoch der dem Insolvenzverwalter zugewiesene autonome Entscheidungs173 Gleiches gilt für insolvenzspezifische Befugnisse, etwa im Hinblick auf die Ausübung des Wahlrechts. 174 Siehe oben, 3. Teil, A.III.3.a).
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prozess auf außen stehende Dritte. Die tatsächliche Kontrolle über die Wahrnehmung der Befugnisse obliegt dann dem Dritten bzw. dem Gremium. Es wurde bereits an anderer Stelle ausgeführt, dass das Gebot zur höchstpersönlichen Amtsführung vom Insolvenzverwalter verlangt, dass dieser bezüglich gewisser Kernaufgaben die Entscheidung trifft, d.h. die Willensbildung über das ob und die Art und Weise dieser Kernaufgaben nicht auf Dritte delegiert werden kann.175 Verpflichtet sich der Insolvenzverwalter, die Ausübung seiner Befugnisse nach den Richtlinien eines Lenkungsausschusses auszurichten, verlagert sich die Willensbildung umfassend auf diesen Lenkungsausschuss. Der Insolvenzverwalter hat dabei aufgrund der Bindungswirkung die Richtlinien zu befolgen, die andernfalls im Klagewege durchgesetzt werden könnten. Auch ein drohender Schadensersatzanspruch führt zu einer Zwangswirkung auf den Insolvenzverwalter, der ihm nicht die realistische Möglichkeit gibt, vom Beschluss im Einzelfall abzuweichen, wenn er im Lenkungsausschuss überstimmt wurde. Auch wenn die Befugnisse nicht unmittelbar übertragen werden, berührt die umfassende vertragliche Bindung die höchstpersönliche Amtsführung gleichermaßen.176 Diese Gleichsetzung der Fremdbestimmung über eine vertragliche Befugnisbindung mit einer unmittelbaren Übertragung geht mit einer Entscheidung des BGH177 zur Rechtsstellung des Testamentsvollstreckers einher, welchem allgemein als Inhaber eines privaten Amtes ebenfalls die Pflicht zur höchstpersönlichen Amtsführung zukommt.178 In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt verpflichtete sich 175
Siehe oben, 3. Teil, A.III.3.b). Anders Wittinghofer, S. 233, der für allgemeine Zustimmungspflichten nur dann eine Unvereinbarkeit mit der höchstpersönlichen Amtsführung annimmt, wenn die Ausübung der Verwalterbefugnisse vollstreckungsrechtlich im Wege der Ersatzvornahme, § 887 ZPO oder gemäß § 894 ZPO durchgesetzt werden kann. Richte sich die Vollstreckung nach §§ 888, 890 ZPO drohten dagegen lediglich Ordnungsmaßnahmen, während es dem Verwalter weiterhin frei stünde, die Befugnis in Abweichung von der Vereinbarung auszuüben. Dann aber ist in den Augen Wittinghofers die höchstpersönliche Amtspflicht durch die schuldrechtliche Verpflichtung nicht betroffen. Eine Differenzierung nach der Art der Durchsetzung im Fall der Zwangsvollstreckung überzeugt indes nicht. Auch die Zwangsvollstreckung nach Maßgabe der §§ 888, 890 ZPO ist auf die Willensbeugung des Insolvenzverwalters gerichtet und eine entsprechende Zwangsvollstreckung gegen den autonomen Willen möglich. Das der Insolvenzverwalter trotz der Belastung mit einem Zwangsgeld ggf. Zwangshaft sich immer noch entscheidenden könne, sich nicht an die Absprache zu halten und damit konkret eine dem eigenen Willen entsprechende Befugnisausübung vornehmen könne, wird man, ein Minimum an Rationalität des Insolvenzverwalters unterstellt, nicht ernsthaft behaupten können. Jede verbindliche Verpflichtung ist auf ihre spätere Durchsetzbarkeit angelegt. 177 BGHZ 25, 275. 178 RGZ 81, 166, 170; BGHZ 25, 275 ff.; MünchKomm BGB/Zimmermann, § 2218 Rn. 5; Schmucker, S. 188. 176
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der Testamentsvollstrecker gegenüber den Erben, im Rahmen der ihm als Testamentsvollstrecker zustehenden Befugnisse keine Handlungen vorzunehmen und keine Erklärungen abzugeben, zu der er nicht vorher die Zustimmung aller Miterben habe.179 Wie in der hier zu untersuchenden Vereinbarung zwischen den Insolvenzverwaltern, koppelte der Testamentsvollstrecker in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt seine Befugnisausübung schuldvertraglich an die Zustimmung Dritter. Der BGH sah darin einen Verstoß gegen die Pflicht des Testamentsvollstreckers zur höchstpersönlichen Amtsführung. Die Befugnisse des Testamentsvollstreckers als Treuhänder und Inhaber eines Amtes beruhten auf dem Willen des Erblassers. Wesen und Natur des vom Testamentsvollstrecker bekleideten Amtes forderten, dass dieser in seiner Amtsausführung unabhängig ist.180 Aus diesen Gründen könne der Testamentsvollstrecker sich Dritten oder den Erben gegenüber verpflichten, einzelne oder auch mehre Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen. Unwirksam sei aber eine Verpflichtung, die so weit geht, dass der Testamentsvollstrecker damit seine Unabhängigkeit und Selbständigkeit gegenüber den Erben völlig aufgeben würde. Eine Verpflichtung auf Zustimmung vor jeder Handlung und Erklärung würde den Testamentsvollstrecker nach Auffassung des BGHs zum bloßen Werkzeug in der Hand der Miterben machen.181 Die Testamentsvollstreckung, die der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung angeordnet hat, würde damit umgangen.182 Der BGH geht – wie allgemein im Hinblick auf das Substitutionsverbot – gleichzeitig aber davon aus, dass eine solche Entmachtung über die interne Zustimmungspflicht gegenüber Dritten dann möglich ist, wenn der Erblasser eine solche Bindung ausdrücklich oder stillschweigend in der letztwilligen Verfügung gebilligt hat.183 In diesem Fall vertraut der Erblasser gerade nicht darauf, dass die Auseinandersetzung durch den von ihm gekürten Testamentsvollstrecker autonom betrieben wird.184 Aus diesem Urteil kann ein verallgemeinerungsfähiger Schluss gezogen werden: Derjenige, in dessen Interesse die Verwaltung erfolgt, soll durch das Gebot höchstpersönlicher Amtsverrichtung geschützt werden. Konsequenterweise kann dieser Personenkreis dann auch ein Abweichen von dieser höchstpersönlichen Aufgabenerledigung gestatten. Dies gilt sowohl für eine 179 180 181 182 183 184
BGHZ 25, 275, BGHZ 25, 275, BGHZ 25, 275, BGHZ 25, 275, BGHZ 25, 275, Vgl. BGHZ 25,
277. 280. 280. 280. 280. 275, 281.
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Aufgaben- und Befugnisübertragung als auch für eine vertragliche Bindung im Innenverhältnis, welche eine Befugnisausübung von der vorherigen Zustimmung eines Dritten abhängig macht. Diese für die Testamentsvollstreckung anerkannten Grundsätze können auf das Insolvenzverfahren übertragen werden. Dabei ist die Gläubigerschaft – in Äquivalenz zum Erblasser und Auftraggeber (§ 664 BGB) – der berufene Personenkreis, der den Insolvenzverwalter von seiner Pflicht zur höchstpersönlichen Amtsführung befreien kann. Im Insolvenzverfahren stehen die Interessen der Gläubiger auf dem Spiel. Ihnen ist das Vermögen haftungsrechtlich zugeordnet. Der Insolvenzverwalter ist zwar nicht Vertreter der Gläubiger, sondern Inhaber eines privaten Amtes. Er hat allerdings sein Handeln ausschließlich am Verfahrenszweck bestmöglicher Haftungsverwirklichung der Gläubiger zu orientieren.185 Aus diesen Gründen legt die Insolvenzordnung die endgültige Bestimmung des Insolvenzverwalters in die Hände der Gläubigerversammlung. Nach § 57 InsO haben sie in der ersten Gläubigerversammlung darüber zu befinden, ob sie den vom Gericht eingesetzten Insolvenzverwalter akzeptieren oder einen anderen Insolvenzverwalter wählen. Als Ausdruck der Gläubigerselbstverwaltung hat der Gesetzgeber die letztverbindliche Entscheidung über die Bestellung des Insolvenzverwalters den eigentlich betroffenen Gläubigern überlassen. Die Bestellung durch das Gericht im Eröffnungsbeschluss ist dagegen nur vorläufiger Natur. Das Gericht handelt dabei – zumindest auch – im Interesse der Gläubiger und nimmt deren Entscheidung mangels Möglichkeit der Gläubiger zu gemeinsamer Willensbildung vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst vorweg.186 So wie es dem Erblasser (als Treugeber) möglich ist, dem Testamentsvollstrecker in seiner letztwilligen Verfügung eine Substitution oder eine vollständige vertragliche Bindung im Hinblick die Befugnisausübung zu gestatten, muss dies im Grundsatz auch der Gläubigerversammlung als Willensbildungsgremium der eigentlich vom Verfahren Betroffenen (Treugeber des ihnen haftungsrechtlich zugewiesenen Schuldnervermögens) möglich sein. Wenn durch die Pflicht des Insolvenzverwalters (Treuhänder) zur höchstpersönlichen Amtsführung die Auswahlentscheidung der Gläubigerversammlung (bzw. das mangels vorheriger Beschlussfähigkeit in ihrem Interesse handelnde Gericht187) geschützt werden soll, dann hat diese Gestattung aber nach dem für die Kür des Verwalters gesetzlich vorgeschriebenen Abstimmungsmodus stattzufinden. Entgegen des üblichen Summenmehr185
Der Verwalter darf im Gläubigerinteresse schnell verwerten, selbst wenn die Verwertung zu einem späteren Zeitpunkt womöglich höhere Erlöse und damit eine stärkere Entlastung des Schuldners von seinen Schulden verspricht, Häsemeyer, 13.36.f. 186 BVerfG, ZInsO 2005, 368, 369. 187 Vgl. BVerfG, ZInsO 2005, 368, 369.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
heitsprinzips nach § 76 Abs. 2 InsO hat sich die Freistellung des Insolvenzverwalters von seiner höchstpersönlichen Amtsführung am doppelten Abstimmungsmodus aus § 57 S. 2 InsO zu orientieren. Eine Freistellung des Insolvenzverwalters von seiner Pflicht zur höchstpersönlichen Amtsführung durch die Gläubigerversammlung bedarf demnach der Summenmehrheit aus § 76 Abs. 2 i. V. m. § 57 S. 2 InsO und zusätzlich der Kopfmehrheit der abstimmenden Gläubiger. 3. Grenzen inhaltlicher Ausgestaltung Steht damit fest, dass der Insolvenzverwalter grundsätzlich Kooperationsvereinbarungen mit weitreichender Befugnisbindung abschließen kann, stellt sich die Frage nach evtl. Grenzen einer solchen Bindung. a) § 1 InsO Zweckwidrigkeit der Vereinbarung Zweck des Insolvenzverfahrens ist die größtmögliche und gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger.188 Entsprechend können beide Insolvenzverfahrenszwecke möglicherweise eine Grenze inhaltlicher Ausgestaltung von Kooperationsvereinbarungen ziehen. aa) Insolvenzzweck größtmöglicher Befriedigung Es wurde bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass der in § 1 InsO verankerte Verfahrenszweck größtmöglicher Gläubigerbefriedigung dem Verwalter bei der Ausübung seiner Befugnisse eine Grenze setzt. Gleiches gilt im Grundsatz auch für eine vertragliche Bindung seiner Befugnisse. Der Verfahrenszweck bestmöglicher Befriedigung bildet gewissermaßen die Ermessensgrenze des Insolvenzverwalters bei der Ausübung seiner Befugnisse. Dennoch bildet der Verfahrenszweck bestmöglicher Gläubigerbefriedigung nicht die Grenze der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters. Andernfalls wäre jedes vom Insolvenzverwalter vorgenommene Rechtsgeschäft unwirksam, wenn sich ex post herausstellen würde, dass es dem Verfahrenszweck nicht dienlich war. Ein außenstehender Vertragspartner müsste immer mit der Unwirksamkeit eines mit dem Insolvenzverwalter abgeschlossenen Rechtsgeschäftes rechnen, was den Anforderungen des Rechtsverkehrs nicht gerecht würde. Die herrschende Auffassung löst das Spannungsfeld zwischen dem Gebot der Zweckbestimmtheit der vom Insolvenzverwalter vorgenommenen Rechtsgeschäfte und den Vertrauensschutz 188
Jaeger/Henckel, § 1 Rn. 2.
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des Rechtsverkehrs auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäftes dahingehend, dass nur offenbar verfahrenszweckwidrige Rechtshandlungen des Verwalters unwirksam sind.189 Als offenbar verfahrenszweckwidrig werden dabei Handlungen angesehen, bei denen der Verstoß gegen den Zweck bestmöglicher Befriedigung der Gläubiger unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten für jeden verständigen Menschen offensichtlich ist.190 Für die vorliegende Untersuchung könnte eine Kooperationsvereinbarung nur dann wegen Verstoß gegen das Gebot bestmöglicher Gläubigerbefriedigung unwirksam sein, wenn die Vereinbarung für die Masse eines vertragsschließenden Insolvenzverwalters als offensichtlich nachteilig einzustufen wäre. Durch die Selbstentmachtung nimmt der Verwalter sich selbst die Möglichkeit, bestimmte Handlungen vorzunehmen und damit unter Umständen die Option für seine Masse ertragreicher Vorgehensweisen. Um eine vertragliche Selbstentmachtung191 nicht von vornherein an dem Gebot bestmöglicher Gläubigerbefriedigung scheitern zu lassen, kommt es entscheidend darauf an, dass in dem Vertragswerk hinreichend Sorge getragen wird, dass für eine Masse nachteilige Entscheidungen einen hinreichenden Ausgleich erfahren.192 Da nach allgemeiner Dogmatik nur offensichtlich zweckwidrige Vereinbarungen unwirksam sind, kommt es dabei auf einen „punktgenauen“ Nachteilsausgleich nicht an. Dennoch wird die Abschlussbereitschaft des Insolvenzverwalters ein genaues System des Nachteilsausgleichs erfordern, denn die Haftung des Insolvenzverwalters nach § 60 InsO im Innenverhältnis ist selbstverständlich nicht auf evident masseschmälernde (insolvenzzweckwidrige) Rechtshandlungen beschränkt. Die Insolvenzverwalter haben den Vertrag so zu gestalten, dass die entstandenen Verluste durch unmittelbar kompensatorische Regelungen ausgeglichen werden, um ihrer Pflicht, Kürzungen ihrer Masse zu verhindern, zu entsprechen. Das oben vorgelegte Muster einer Kooperationsvereinbarung ist mit dem Insolvenzverfahrenszweck – bestmöglicher Gläubigerbefriedigung – in den einzelnen Verfahren vereinbar. Die Insolvenzverwalter gehen diese Vereinbarung ein, um eine koordinierte und damit bessere Verwertung des Konzernunternehmens zu erreichen. Eine in der Gesamtbetrachtung günstigere Verwertung und damit auch Befriedigung der Gläubiger ist demnach wahr189 RGZ 23, 54; 53, 190, 192; BGH NJW 1971, 701; KTS 1983, 291, 294 ff.; BVerwG, NJW 1984, 2427; eingehend Jauernig, FS Weber, 307 ff.; Häsemeyer, 14.09; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 101. 190 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 101. 191 Hierbei ist jedoch zu beachten, dass nach dem vorliegend entwickelten Modell einer Koordinierung in Anlehnung an einen Gleichordnungskonzern der Insolvenzverwalter nicht vollständig entmachtet ist, denn er hat als Mitglied des Lenkungsausschusses sehr wohl Miteinfluss. 192 Vgl. auch Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 19, Wittinghofer, S. 210 f.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
scheinlich und somit vom Insolvenzzweck getragen. Da der Verfahrenszweck einer bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger jedoch gerade für jede Einzelmasse verwirklicht werden muss, kommt es entscheidend auf ein funktionierendes Ausgleichssystem an. Eine Kooperationsvereinbarung, die eine konzernweite Abwicklung zum Gegenstand hat, darf für die Einzelmassen zumindest nicht nachteilig sein. In der vorliegenden Koordinierungsvereinbarung in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern wird ein Nachteilsausgleich formuliert. Beschließt der Lenkungsausschuss der Insolvenzverwalter eine Strategie, welche für eine Masse nachteilig ist, dann entsteht ein Nachteilsausgleich gegen die Massen der anderen Verfahren als Masseforderung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Im Ergebnis handelt es sich um einen vertraglich vereinbarten Nachteilsausgleich in Anlehnung an das im faktischen Aktienkonzern (§§ 311, 317 AktG) bekannte Ausgleichssystem. Dieses wird auch für den Gleichordnungskonzern teilweise analog herangezogen oder zumindest als Vorbild einer vertraglichen Regelung anerkannt.193 Um die objektive Werthaltigkeit dieses Nachteilsausgleichanspruches zu gewährleisten, ist in der vertraglichen Ausgestaltung darauf zu achten, dass der Insolvenzverwalter der benachteiligten Masse Sicherheitsleistungen verlangen kann. Um den Vorteil einer schnellen und reibungslosen gemeinsamen Verwertung nicht zu konterkarieren, sollten interne Streitigkeiten durch ein Schiedsgericht geschlichtet werden.194 bb) Insolvenzzweck gleichmäßiger Befriedigung (par conditio creditorum) Neben dem Insolvenzzweck der größtmöglichen Gläubigerbefriedigung bildet der Insolvenzzweck der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung ebenfalls eine Grenze inhaltlicher Ausgestaltung. Mit dem Grundsatz gleichmäßiger Befriedigung könnte eine vertragliche Ausgestaltung insbesondere deshalb in Konflikt geraten, weil insbesondere in eng verflochtenen Konzernen eine Vielzahl konzerninterner Leistungsaustausche stattfinden und folglich auch zwischen den einzelnen Massen jeweils mit Verfahrenseröffnung Forderungen offen stehen. Die Insolvenzverwalter stehen sich aufgrund konzerninterner Verflechtung als Schuldner und Gläubiger gleichermaßen gegenüber.195 Kommt es im Rahmen der gemeinsamen Ausrichtung der einzelnen Massen zu einer Vermögensverschiebung von der einen zur anderen Masse, dann besteht 193
KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 291 Rn. 10; Lutter/Drygala, ZGR 1995, 557, 560. 194 Siehe oben, S. 178. 195 Vgl. auch Wittinghofer, S. 220 ff.
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immer auch die Gefahr der Unvereinbarkeit dieser Vermögensverschiebung mit dem Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung, wenn sich in der begünstigten Masse auch eine Forderung gegen die andere Masse befindet. Aber auch hier hat ein objektiv werthaltiger Nachteilsausgleich Bedeutung, denn eine wirtschaftliche Besserstellung des Gläubigers reicht für die Annahme eines Verstoßes gegen den Grundsatz der par condition creditorum allein nicht aus. Vielmehr muss die Vorteilsgewährung des Gläubigers zum Nachteil der Gläubigergemeinschaft erfolgen.196 Solange ein Nachteil objektiv werthaltig ausgeglichen wird, ist dies allerdings nicht der Fall. b) Verstoß gegen zwingendes Recht der Insolvenzordnung Das Insolvenzrecht besteht überwiegend aus zwingendem Recht197, so etwa die Pflicht des Insolvenzverwalters, angemeldete Forderungen entgegen zu nehmen, die Insolvenztabelle zu führen und insbesondere die angemeldeten Forderungen zu prüfen.198 Selbstverständlich können sich die Insolvenzverwalter durch eine vertragliche Kooperationsvereinbarung nicht über diese zwingenden Vorschriften hinwegsetzen.199 Wie bereits erwähnt, ist eine vertragliche Abstimmung der Massen durch gemeinsame Fortführung und Veräußerung der Konzernunternehmen nicht mit einer Normdispositon, d.h. Abweichung von den Rechtsvorschriften der Insolvenzordnung verbunden, sondern mit einer Befugnisdisposition. Es geht darum, auf vertraglicher Grundlage eine verbindliche Abstimmung des dem Verwalter zustehenden Ermessens, insbesondere im Hinblick auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§§ 80, 148 InsO), zu erreichen. Mit zwingenden Vorschriften der Insolvenzordnung kann eine Bindung dieses Ermessens allenfalls dann in Konflikt geraten, wenn gleichzeitig Kompetenzen anderer Organe von der vertraglichen Bindung berührt werden. Die bisherigen Ausführungen gingen davon aus, dass dem Verwalter bei der Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ein am Verfahrenszweck orientiertes Ermessen zusteht. Dabei wurde bisher außen vor gelassen, dass nach § 160 InsO für besonders bedeutsame Rechtshandlungen der Insolvenzverwalter im Innenverhältnis die Zustimmung des Gläubigerausschusses bzw. der Gläubigerversammlung einholen muss. Die interne Zustimmungspflicht von Gläubigerversammlung/Gläubigerausschuss soll das Er196 197 198 199
Wittinghofer, S. 221; Kuhn/Uhlenbruck, KO § 6 Rn. 38. RGZ 53, 191, 194; Wittinghofer, S. 237 f., Paulus, ZIP 2000, 2193. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 60 Rn. 16. Vgl. Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 18.
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messen des Insolvenzverwalters für besonders bedeutsame Rechtshandlungen einschränken, indem die Gläubigerseite – soweit dies noch nicht im Berichtstermin (§§ 157–159 InsO) geschehen ist – eingebunden wird. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass die Gläubiger aufgrund ihrer umfassenden Gläubigerautonomie an den wesentlichen Entscheidungsprozessen bei der Insolvenzabwicklung beteiligt werden.200 Nach der nicht abschließenden Aufzählung von besonders bedeutsamen Rechtshandlungen ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 InsO auf jeden Fall die Zustimmung der Gläubigerversammlung/des Gläubigerausschusses erforderlich, wenn das Unternehmen als ganzes veräußert wird. Da hier u. U. über die ganze Insolvenzmasse verfügt wird, soll die Gläubigerseite selbst beurteilen dürfen, ob sie hierin einen Vorteil gegenüber der sonst Stück für Stück vorzunehmenden Verwertung der Massegegenstände sieht.201 Die Befugnisdisposition des Insolvenzverwalters könnte demnach im Einzelfall unter dem Vorbehalt der Zustimmungspflicht des Gläubigerausschusses/-versammlung stehen. Da insbesondere die gemeinsame Veräußerung des Konzerngesamtunternehmens über eine Kooperationsvereinbarung reibungslos abgestimmt werden soll, wäre eine Bindung der Verwalter unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gläubigergremien202 für eine effektive, koordinierte Verwaltung der Einzelmassen nicht hinreichend. Insbesondere Ehricke sieht einen unlösbaren Konflikt zwischen der vertraglichen Bindung des Insolvenzverwalters auf der einen Seite und den Gläubigerrechten auf der anderen Seite.203 Der Insolvenzverwalter wäre einerseits zur Einhaltung des Vertrages (pacta sunt servanda), andererseits dem Gläubigervotum verpflichtet.204 Würde der Verwalter sich über das Votum der Gläubiger hinwegsetzen, drohe ihm möglicherweise die Haftung aus § 60 InsO, folgt er einem abweichenden Votum, würde er evtl. seine Vertragspflichten verletzen und ggf. ebenfalls eine Haftung auslösen.205 200
HK/Flessner, InsO, § 160 Rn. 1; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160 Rn. 1. HK/Flessner, InsO, § 160 Rn. 4. 202 Die gemeinsame Veräußerung der Insolvenzverwalter ohne Zustimmung der Gläubigergremien würde freilich die Wirksamkeit der damit verbundenen Rechtsgeschäfte nicht in Frage stellen, denn § 164 InsO gibt unmissverständlich zum Ausdruck, dass Verfügungen des Insolvenzverwalters ohne die erforderliche Zustimmung der Gläubigergremien wirksam sind. Dennoch ist zu beachten, dass schon die Nichtbeachtung des Zustimmungserfordernisses aus § 160 InsO eine Pflichtverletzung des Verwalters mit möglichen Haftungskonsequenten darstellt, vgl. zu Letzerem: Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO § 160 Rn. 16, Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160 Rn. 25. 203 Ehricke, Verfahrenskoordination, S. 337, 359, ders., WM 2005, 397, 403. 204 Ehricke, Verfahrenskoordination, S. 337, 359, ders., WM 2005, 397, 403. 205 Ehricke, Verfahrenskoordination, S. 337, 359, ders., WM 2005, 397, 403. 201
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Die Bedenken Ehrickes überzeugen indes nicht. Wie an anderer Stelle ausgeführt, ist eine umfassende vertragliche Bindung des Insolvenzverwalters mit seiner grundsätzlichen Verpflichtung zur höchstpersönlichen Amtsführung nur dann vereinbar, wenn die Gläubigerversammlung ihre Zustimmung zur Kooperationsvereinbarung mit qualifiziertem Abstimmungsmodus aus § 57 InsO erteilt hat.206 Diese Zustimmung der Gläubigerversammlung befreit den Insolvenzverwalter von allen zukünftigen nach § 160 InsO erforderlichen Zustimmungspflichten. Nach herrschender Meinung kann die Gläubigerversammlung nämlich über ihre Selbstentmachtung bezüglich ihrer Zustimmungsrechte aus § 160 InsO entscheiden, indem sie vorab im Berichtstermin eine Genehmigung über alle nach §§ 160, 162 InsO zustimmungspflichtigen Geschäfte bereits im Vorhinein erteilt.207 Diesen Zustimmungsbeschluss kann die Gläubigerversammlung nur bis zum Vertragsschluss durch den Insolvenzverwalter widerrufen.208 4. Pflichten aus der Kooperationsvereinbarung Da es sich bei der Kooperationsvereinbarung um einen schuldrechtlichen Vertrag über die Ausübung der Befugnisse des Insolvenzverwalters handelt, bestehen entsprechend durchsetzbare Primäransprüche in Form von Handlungs- und Erfüllungspflichten. Neben den Primäransprüchen auf Erfüllung können sich aus der Kooperationsvereinbarung nach den allgemeinen Regeln Sekundäransprüche des allgemeinen Schuldrechts ergeben.209 Denkbar wäre auch eine Regelung, welche zwar keine Primärpflicht, jedoch im Fall des Zuwiderhandelns gegen eine vereinbarte Abwicklungsstrategie einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens begründet.210
206
Siehe oben, 3. Teil, B.IV.2.b), S. 182. Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, § 157 Rn. 18; Braun/Gerbers, InsO, § 160 Rn. 4; MünchKomm InsO/Goerg, § 160 Rn. 32; Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 160 Rn. 6; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 133, 134 Anm 1b; gegen eine Pauschalermächtigung FK/Wegener, § 160 Rn. 14; wohl auch HK/Flessner, § 160 Rn. 12, entgegen Flessner ist dies jedoch nicht die herrschende Meinung. 208 Anders Ehricke, Verfahrenskoordinantion, S. 337, 360; ders., WM 2005, 397, 403, welcher davon ausgeht, dass die Gläubigerversammlung ihre Zustimmung zum Insolvenzverwaltungsvertrag jederzeit widerrufen könnte. Außerhalb der speziellen Diskussion um den Insolvenzverwaltungsvertrag ist jedoch allgemein anerkannt, dass die Zustimmung zu einer vertraglichen Bindung nur bis zum Vertragsschluss durch den Insolvenzverwalter widerrufen werden kann; vgl. Nerlich/Römermann/ Balthasar, InsO, § 160 Rn. 16; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 160 Rn. 7. 209 Vgl. dazu ausführlich Wittinghofer, S. 256 ff. 210 Vgl. oben, 3. Teil, B.III.1.a)bb). 207
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5. Haftung des Insolvenzverwalters aus § 60 InsO gegenüber seiner Masse Eine wesentliche Bedeutung für die praktische Durchführbarkeit einer vertraglichen Kooperationsvereinbarung haben die damit verbundenen Haftungsgefahren der Insolvenzverwalter. Auch wenn für die einzelnen Massen möglicherweise Chancen bestehen, einen Mehrwert bei der Verwertung zu schaffen, wird die Bereitschaft der Insolvenzverwalter, eine solche Kooperationsvereinbarung abzuschließen eher gering sein, wenn damit für sie erhebliche Haftungsgefahren verbunden sind. Nach § 60 InsO haftet der Verwalter jedem Beteiligten für den Schaden, der dieser durch eine schuldhafte Verletzung einer ihm gegenüber obliegenden insolvenzspezifischen Pflicht erleidet.211 Solche insolvenzspezifische Pflichten obliegen dem Insolvenzverwalter gegenüber den Insolvenzgläubigern, dem Schuldner, den Aus- und Absonderungsberechtigten und den Massegläubigern. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Insolvenzzweck als Grenze der Dispositionsbefugnis des Verwalters näher erörtert, besteht insbesondere gegenüber den Insolvenzgläubigern (und dem Gemeinschuldner) die insolvenzspezifische Pflicht zur optimalen Befriedigung. Daraus folgt die Pflicht bestmöglicher Masseverwertung bzw. die Pflicht, Massekürzungen zu vermeiden. Die koordinierte Verfahrensbewältigung darf nicht zu einer Masseschmälerung führen, andernfalls verletzt der Verwalter objektiv seine Pflicht zur optimalen Befriedigung der Gläubiger und der Enthaftung des Schuldners. Ein Verstoß gegen das Verbot der Masseschmälerung liegt allerdings erst dann vor, wenn das koordinierte Vorgehen insgesamt betrachtet zu einer schlechteren Masseverwertung geführt hat. Der Insolvenzverwalter hat zur Vorbereitung des Berichtstermins die Verwertungsaussichten zu prüfen und über sie zu berichten. Kommt er zu dem Ergebnis, dass eine konzernweite Verwertung aller Wahrscheinlichkeit nach die günstigere Verwertungsart bedeutet, hat er dies mit den Gläubigern im Berichtstermin zu erörtern. Möglicherweise wird der Insolvenzverwalter bereits eine Kooperationsvereinbarung unter aufschiebender Bedingung der Zustimmung der Gläubigerversammlung geschlossen haben und wird darüber diese nach Erläuterung der damit verbundenen Chancen und Risiken abstimmen lassen. Der Insolvenzverwalter hat hier sorgfältig die Chancen und Risiken einer gemeinsamen Verwertungstrategie auf Grundlage der Kooperationsvereinbarung zu prüfen und den Gläubigern in der Gläubigerversammlung darzulegen. Je stärker der Konzern integriert ist, desto eher wird eine Gesamtveräußerungsstrategie Vorteile bringen. 211
Häsemeyer 6.37; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 60 Rn. 11 ff.
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Stimmt die Gläubigerversammlung nach ausführlicher Darlegung der Chancen und Risiken im Berichtstermin zu, hat dies unmittelbar Auswirkung auf die Haftung des Insolvenzverwalters aus § 60 InsO. Erteilen die Gläubigerorgane dem Verwalter ihre Zustimmung zu besonders bedeutenden Rechtshandlungen, so wird darin allgemein auch die Haftung befreiende Zustimmung zu den mit dieser Rechtshandlung verbundenen Risiken gesehen.212 Mit der Zustimmung übernehmen die Gläubiger das Risiko, welches jeder wirtschaftlich vertretbaren Entscheidung aufgrund der im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Unsicherheiten immanent ist.213 Stellt sich später die Maßnahme als Fehlentscheidung heraus, haftet der Verwalter für den daraus entstehenden Schaden nicht.214 Voraussetzung ist jedoch, dass der Verwalter die Sach- und Rechtslage vor der Gläubigerversammlung richtig und vollständig darlegt, andernfalls droht ihm bei schuldhaftem Verstoß die Haftung.215 Da nach dem vorliegenden Kooperationsmodell die konkreten Pflichten noch offen sind, die Einzelmasse maßgeblich über den vereinbarten Nachteilsausgleich geschützt werden soll, verlagert sich die Pflicht des Insolvenzverwalters, Massekürzungen zu vermeiden, auf den Zeitpunkt der Vertragsdurchführung. Die entscheidende Frage, ob die Koordinierung zu einer Kürzung der einzelnen Masse geführt hat, hängt maßgeblich davon ab, ob der Insolvenzverwalter bei der Umsetzung der Gesamtverwertungsstrategien darauf geachtet hat, dass die für seine Masse nachteilige Maßnahme mit einem werthaltigen Nachteilsausgleich verbunden wird. Ist im Laufe des Verfahrens das Scheitern einer angestrebten Gesamtverwertungsstrategie absehbar, so haben die Insolvenzverwalter die Kooperationsvereinbarung zu kündigen. 6. Beendigung der Kooperationsvereinbarung Die Beendigung der Kooperationsvereinbarung hängt maßgeblich von ihrer inhaltlichen Ausgestaltung ab. Nach dem vorliegenden Verständnis einer effektiven Kooperation soll diese nicht durch eine Aufzählung zukünftiger Einzelpflichten erreicht werden216, sondern über den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung in Anlehnung an den Gleichordnungskonzern. Der 212
Nerlich/Römermann/Balthasar, InsO, § 160 Rn. 13; MünchKomm InsO/ Görg, § 160 Rn. 27; Kübler/Prütting/Onusseit, InsO, § 160 Rn. 4; FK/Wegener, InsO, § 161 Rn. 13 ff. 213 Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 14; MünchKomm InsO/Görg, § 160 Rn. 27. 214 Nerlich/Römermann/Balthasar, § 160 Rn. 14. 215 MünchKomm InsO/Görg, § 160 Rn. 28; Heegmanns, S. 72 f.; FK/Wegener, InsO, § 160 Rn. 16. 216 Siehe oben, 3. Teil, B.II.
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3. Teil: Koordinationsmechanismen
Gleichordnungskonzern wird als BGB-Innengesellschaft verstanden217, entsprechend können die für die BGB-Innengesellschaft anerkannten Beendigungsgründe herangezogen werden. Ziel einer Vereinbarung ist die Koordinierung der Masseverwaltungen in den einzelnen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen. Entsprechend endet die Vereinbarung, mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens, weil insoweit der Zweck der Vereinbarung erreicht wurde (§ 726 BGB). Da eine auf Rechtssicherheit beruhende Koordinierung nur dann Sinn macht, wenn die Vereinbarung nicht jederzeit kündbar ist, wird im Zweifel als Vertragsende der Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung vereinbart sein. Nach § 723 Abs. 1 S. 2 BGB ist in diesem Fall nur eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich, etwa wenn sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass eine für alle Massen günstigere Gesamtverwertungsstrategie nicht erreicht werden kann. 7. Kooperationsvereinbarungen bei internationalen Insolvenzen Es wurde bereits mehrfach auf die Bedeutung des Konzerns als Organisationsform eines international tätigen Unternehmens hingewiesen. Entsprechend ist bei der Insolvenz eines Konzerns mit der Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren in unterschiedlichen Staaten zu rechnen.218 Da die Bereitschaft der Insolvenzgerichte, einen ausländischen Insolvenzverwalter einzusetzen, als äußerst gering einzuschätzen ist, kann in diesem Fall auch nicht auf das Koordinierungsmodell des einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters zurückgegriffen werden. Demnach bietet sich eine Koordinierung der einzelnen Insolvenzverfahren auf vertraglicher Grundlage gerade in diesen Fällen an. Zumindest im angloamerikanischen Rechtskreis würde ein deutscher Verwalter auf eine grundsätzliche Abschlussbereitschaft stoßen. Für die Frage des auf einer Kooperationsvereinbarung anzuwenden Rechtes ist zwischen der Abschlusskompetenz des Insolvenzverwalters einerseits und dem Zustandekommen der vertraglichen Vereinbarung andererseits zu unterscheiden. Die Frage, ob der Insolvenzverwalter überhaupt über seine Befugnisse durch eine Kooperationsvereinbarung disponieren kann, ist insolvenzspezifischer Natur. Entsprechend ist die Frage gemäß Art. 4 EuInsVO oder § 335 InsO nach dem Recht des Eröffnungsstaates (lex fori concursus) zu entscheiden.219 Gleiches gilt für die notwendige Beteiligung anderer Organe des Insolvenzverfahrens. 217
Siehe oben, 3. Teil, B.III.2.a)aa). Zur gerichtlichen Zuständigkeitskonzentration im Konzern im Anwendungsbereich der EuInsVO, vgl. unten, 5. Teil. 219 Vgl. Wittinghofer, S. 370; Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 29. 218
B. „Privatautonome“ Koordinationsinstrumente
195
Nach dem Vertragsstatut bestimmt sich dagegen das Zustandekommen des Vertrages, die Auslegung und die allgemeinen inhaltlichen Grenzen.220 Da es sich um eine schuldrechtliche Verpflichtung über die Ausübung der Befugnisermessen handelt, ist das Zustandekommen des Vertrages nach dem Recht zu beurteilen, welches über die kollisionsrechtlichen Regeln für Schuldverträge (Art. 27 EGBGB) bestimmt wird. Demnach ist das von den Beteiligten gewählte Recht (Art. 27, 31 Abs. 1 EGBGB) anzuwenden. Für den Fall, dass die Beteiligten keine Rechtswahl treffen, kommt es darauf an, mit welchem Staat der Vertrag die engste Verbindung aufweist (Art. 28 EGBGB). Bei einer schuldvertraglichen Verpflichtung über Verwalterbefugnisse wird die engste Verbindung zu dem Staat mit dem bedeutenderen Insolvenzverfahren bestehen. Die Bedeutung lässt sich dabei anhand der Haftungsmasse, der Gläubigerzahl und dem Volumen der Gläubigerforderung messen.221 8. Kooperationsvereinbarungen im Eröffnungsverfahren und bis zum Berichtstermin im eröffneten Verfahren Die Insolvenzverwalter können bereits vor dem Berichtstermin und dem dort einzuholenden Zustimmungsbeschluss der Gläubigerversammlung eine Kooperationsvereinbarung abschließen. In diesem Fall bedarf es allerdings der Zustimmung des Insolvenzgerichts, das den Insolvenzverwalter vorläufig bis zum Berichtstermin von der Pflicht zur höchstpersönlichen Amtsführung befreit. Diese Kompetenz des Insolvenzgerichts ist dabei als Annexkompetenz zur vorläufigen Bestellung des Insolvenzverwalters bis zum Berichtstermin zu verstehen. Schützt die Pflicht zur höchstpersönlichen Amtsführung die Auswahlentscheidung der berufenen Organe im Hinblick auf den Insolvenzverwalter, ist das Insolvenzgericht unter Vorbehalt einer anderen Entscheidung durch die Gläubigerversammlung zur zeitlich befristeten Befreiung befugt. Das Gericht handelt dabei – zumindest auch – im Interesse der Gläubiger und nimmt deren Entscheidung mangels Möglichkeit der Gläubiger zu gemeinsamer Willensbildung zunächst vorweg.222 Bis zum Berichtstermin ist der Inhalt der Kooperationsvereinbarungen auf die Sicherung der Masse und die gemeinsame Betriebsfortführung beschränkt. Keinesfalls darf vor dem Berichtstermin eine Koordinationsvereinbarung verbindliche Regelungen über eine gemeinsame Masseverwertung beinhalten. Unter gleichen 220
Vgl. Wittinghofer, S. 370; Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 29. Vgl. Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 3, 29. 222 Vgl. allgemein zu diesem Verständnis im Hinblick auf die vorläufige gerichtliche Bestellung des Insolvenzverwalters, BVerfG, ZInsO 2005, 368, 369. 221
196
3. Teil: Koordinationsmechanismen
Voraussetzungen ist eine Kooperationsvereinbarung zwischen den vorläufigen Insolvenzverwaltern bereits im Eröffnungsverfahren möglich.
V. Fazit zur vertraglichen Koordinierung Für den Fall, dass in den einzelnen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen verschiedene Insolvenzverwalter eingesetzt werden, womit insbesondere dann zu rechnen ist, wenn die einzelnen Insolvenzverfahren in verschiedenen Staaten eröffnet werden, können die Insolvenzverwalter die Koordinierung der einzelnen Verfahren nach dem Vorbild der US-amerikanischen protocols über eine vertragliche Kooperationsvereinbarung bewerkstelligen. Für die inhaltliche Ausgestaltung konzernspezifischer Kooperationsvereinbarungen kann je nach Kooperationsbedarf auf Vertragsgestaltungen zur Bildung eines Gleichordnungskonzerns zurückgegriffen werden. Mit einer solchen vertraglichen Vereinbarung wird ein insolvenzspezifischer Verfahrensverbund geschaffen, der auf die einheitliche Verwaltung und Verwertung der einzelnen Massen hinausläuft. In rechtlicher Hinsicht bedeutet der Abschluss einer solchen Kooperationsvereinbarung, dass sich die einzelnen Insolvenzverwalter über ihr Ermessen bei der Ausübung der ihnen zustehenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus §§ 80 Abs. 1, 146 InsO vertraglich binden (Befugnisdisposition). Mit ihr geht die Verpflichtung einher, die ihnen zustehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an den Beschlüssen eines Lenkungsausschusses, welcher durch alle Insolvenzverwalter besetzt ist, auszurichten. Der Insolvenzverwalter ist grundsätzlich aus dem Insolvenzverfahrenszweck bestmöglicher Haftungsverwirklichung (§ 1 InsO) zur vertraglichen Bindung seines Ermessens berechtigt. Die mit einer Kooperationsvereinbarung verbundene umfassende vertragliche Bindung über die Verwalterbefugnisse stößt im Hinblick auf die Pflicht des Insolvenzverwalters zur höchstpersönlichen Amtsführung auf seine Grenzen. Von dieser Pflicht zur höchstpersönlichen Amtsführung kann der Insolvenzverwalter durch die Gläubigerversammlung mit dem für die Verwalterkür erforderlichen Abstimmungsmodus (§ 57 S. 2 InsO) befreit werden. Mit diesem Befreiungsbeschluss der Gläubigerversammlung wird der Insolvenzverwalter gleichzeitig von allen zukünftigen Pflichten befreit, die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder Gläubigerversammlung nach § 160 InsO einzuholen. Um eine von Anfang an zweckwidrige und damit nichtige Kooperationsvereinbarung zu vermeiden, ist bei der Vertragsgestaltung auf die Gewährleistung eines effektiven Nachteilsausgleichs zu achten. Je nach vertraglicher Ausgestaltung lassen sich über eine Kooperationsvereinbarung insbesondere Unsicherheitsfaktoren bezüglich einer gemeinsamen Fortführung und Verwertung beseitigen.
4. Teil
Besondere Koordinationsmechanismen bei einer Reorganisation des Konzerns Eine Reorganisation unterscheidet sich von allen anderen Verwertungsformen durch den Erhalt des schuldnerischen Rechtsträgers und die Befriedigung der Gläubiger aus den zukünftig vom Schuldner erwirtschafteten Erträgen des laufenden Geschäftsbetriebs. Das Unternehmen bleibt in den Händen des Schuldners, u. U. werden im Insolvenzverfahren die notwendigen leistungswirtschaftlichen Sanierungsmaßnahmen getroffen. Ein Insolvenzplan gestaltet dabei die Forderungen der Gläubiger und beseitigt den Insolvenzgrund, in der Regel flankiert durch Kapitalmaßnahmen der Gesellschafter.1 Nach Bestätigung des Insolvenzplans durch das Gericht wird das Insolvenzverfahren aufgehoben und das Unternehmen vom Schuldner weitergeführt. Im Hinblick auf eine konzernweite Reorganisation hat diese Prozedur für jede Konzerngesellschaft zu erfolgen. Neben dem Insolvenzplanverfahren nach §§ 217 ff. InsO hat der Gesetzgeber für eine Reorganisation insbesondere auch die Eigenverwaltung, in der die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis nicht auf einen Insolvenzverwalter übertragen wird, sondern beim Schuldner verbleibt, zur Verfügung gestellt. Nachfolgend soll näher untersucht werden, welchen Beitrag die Eigenverwaltung und das Insolvenzplanverfahren für eine konzernweite Sanierung leisten kann. Im Hinblick auf die Eigenverwaltung stellt sich die Frage, ob anders als im Regelverfahren die Konzernleitungsmacht evtl. fortbesteht und auf diese Weise, wie im werbenden Konzern, das Konzernunternehmen u. U. auch im Insolvenzverfahren hierarchisch gesteuert werden kann. Bezüglich des Planverfahrens ist zu untersuchen, inwieweit der Umstand, dass der Konzern das eigentliche wirtschaftliche Unternehmen darstellt, in den Insolvenzplänen und im Planverfahren der einzelnen Konzernglieder zugunsten einer effizienten Konzerngesamtreorganisation berücksichtigt werden kann.
1
Siehe oben, 1. Teil, C.I.3.
198
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
A. Eigenverwaltung Eine Vielzahl von Großverfahren wurde seit Inkrafttreten der Insolvenzordnung in Abweichung vom Regelverfahren in Eigenverwaltung geführt, wie etwa die Verfahren Kirch Media, Babcock Borsig, Sachsenring, Fairchild Dornier und Grundig.2 So findet man auch häufig die Empfehlung, die Besonderheiten der Eigenverwaltung zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen nutzbar zu machen.3 Hinter dieser Empfehlung stehen jedoch meistens die noch näher zu erörternden allgemeinen Vorteile der Eigenverwaltung, die den Gesetzgeber dazu veranlasst haben, dieses zum Regelverfahren alternative Verfahrensregime einzuführen.4 Die mögliche Bedeutung der Eigenverwaltung für das Schicksal der Konzernleitungsmacht taucht in diesem Zusammenhang selten und dann nur am Rande auf. Nur vereinzelnd wird die Eigenverwaltung als Verfahrensart ins Spiel gebracht, die in Abweichung zum Regelverfahren einen Fortbestand der Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren gewährleisten könnte.5 Würde die Anordnung der Eigenverwaltung in den einzelnen Insolvenzverfahren der jeweiligen Konzernglieder zu einem Fortbestand der Konzernleitungsmacht, insbesondere dem faktischen und beherrschungsvertraglichen Weisungsrecht, führen, so wären die im ersten Teil dieser Arbeit aufgezeigten Konfliktpotentiale im Zusammenhang mit der Fortführung der einzelne Konzernunternehmen im Insolvenzverfahren u. U. beseitigt. Nachfolgend soll zunächst erörtert werden, welche Besonderheit der Eigenverwaltung zum Regelverfahren einen Fortbestand der Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren, und damit eine tiefere Auseinandersetzung mit dieser Verfahrensart, rechtfertigen könnte.
I. Unterschiede zwischen Eigenverwaltung und Regelverfahren mit konzernspezifischer Bedeutung 1. Der schuldnerische Verband als Inhaber der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis Wesentlicher Grund gegen einen Fortbestand der Konzernleitungsmacht war die Stellung des Insolvenzverwalters. Im Regelverfahren wird der 2
Vgl. Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 492. Ehricke, ZInsO 2002, 393 ff.; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, S. 105, 117; HK/Landfermann, InsO, Vor §§ 270 Rn. 8; Uhlenbruck, FS Metzeler, S. 85, 102 ff. 4 Vgl. Görg/Stockhausen, FS Metzeler, S. 105, 117; HK/Landfermann, InsO, Vor §§ 270 Rn. 8; Uhlenbruck, FS Metzeler, S. 85, 102 ff. 5 So Ehricke, ZInsO 2002, 393 ff.; Rotstegge, S. 272 ff.; lediglich am Rande erwähnt Tschernig, S. 101 f.; Bous, S. 298 f. 3
A. Eigenverwaltung
199
schuldnerischen Gesellschaft die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen bewusst entzogen und nach §§ 80 Abs. 1, 148 InsO auf den Insolvenzverwalter, als unabhängige, funktional außerhalb des schuldnerischen Verbandes stehende, natürliche Person übertragen.6 Wird über das Vermögen der Untergesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet und entsprechend ein Insolvenzverwalter eingesetzt, kann dieser als von den schuldnerischen Einflüssen befreite, nicht im Verband integrierte, unabhängige Amtsperson nicht Adressat eines gesellschaftsrechtlich vermittelten Weisungsrechts sein. Da das Unternehmen als Pool produktiver Ressourcen in die Insolvenzmasse (§ 35 InsO) fällt und damit unter der Herrschaftsgewalt des Insolvenzverwalters steht (§§ 80, 148 InsO), kann die gesellschaftsrechtlich vermittelte Konzernleitungsmacht zwar weiterhin dem Exekutivorgan der Untergesellschaft Weisungen erteilen. Diese Weisungen hätten allerdings nicht die Qualität einer Konzernleitungsmacht, weil das Exekutivorgan nicht mehr auf das Unternehmen zugreifen kann. Dieses steht als Bestandteil der Masse ja gerade unter der Gewalt des Insolvenzverwalters.7 Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Untergesellschaft in Eigenverwaltung geführt, können diese Ausführungen einen Abbruch der Konzernleitungsmacht nicht mehr erklären. Nach § 270 Abs. 1 S. 1 InsO ist in der Eigenverwaltung gerade der Schuldner berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Schuldner ist bei Gesellschaftsinsolvenzen die juristische Person als solche (§ 11 Abs. 1 S. 1 InsO), welche bei unbefangener Betrachtung nach dem Regime des Gesellschaftsrechts handelt. Zu diesem Regime des Gesellschaftsrechts gehört zunächst, dass das vertretungsberechtigte Gesellschaftsorgan im Außenverhältnis weiterhin berechtigt ist, das Vermögen der schuldnerischen Gesellschaft zu verwalten und darüber zu verfügen. Zum Regime des Gesellschaftsrechts gehört aber auch die Bindung des Geschäftsführers an Weisungen der Gesellschafterversammlung (§ 37 GmbHG) und das über den Beherrschungsvertrag vermittelte Weisungsrecht (§ 308 AktG). Eine Einschränkung der gesellschaftsrechtlichen Binnenkompetenzverteilung der Untergesellschaft bedürfte jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung. 2. Vergleichsverfahren Weiteren Anlass für eine unterschiedliche Behandlung zwischen Eigenverwaltung und Regelverfahren in der Frage des Fortbestandes der Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren könnte ein Rückblick auf das vor 6 7
Siehe oben, 1. Teil, D.I.2.a)cc), S. 79. Siehe oben, 1. Teil, D.I.2.a)cc), S. 77.
200
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Inkrafttreten der Insolvenzordnung bestehende Vergleichsverfahren geben. Das Vergleichsverfahren weist insoweit eine Ähnlichkeit zur Eigenverwaltung auf, als in diesem auf Reorganisation gerichteten Verfahren ebenfalls die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen – im Gegensatz zum Konkursverfahren – trotz Verfahrenseröffnung beim Schuldner verblieb. Der Schuldner behielt mit Eröffnung des Vergleichsverfahrens die privatautonome Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen, die lediglich durch Aufsichts- und Zustimmungsrechte des Vergleichsverwalters eingeschränkt wurden. Nach damals einhelliger Auffassung sollte im Vergleichsverfahren die Konzernleitungsmacht fortbestehen.8 Die Obergesellschaft sollte über den Beherrschungsvertrag oder über ihre Rechte aus den Gesellschaftsanteilen weiterhin unternehmerische Weisungen erteilen können, soweit sich nicht durch die Aufgabe des Vergleichsverwalters Beschränkungen ergaben.9 Die strukturelle Ähnlichkeit von Eigenverwaltung und Vergleichsverfahren fordert demnach ebenfalls eine nähere Betrachtung heraus. 3. Ergebnis Der Umstand, dass in der Eigenverwaltung der schuldnerischen Gesellschaft selbst die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse zustehen und die Ähnlichkeit der Eigenverwaltung zum Vergleichsverfahren fordern eine nähere Untersuchung heraus, ob die Aufrechterhaltung der Konzernleitungsmacht durch Anordnung der Eigenverwaltung erreicht werden kann und somit eine hierarchische Koordinierung der in die Masse fallenden Unternehmen u. U. möglich ist.
II. Die Eigenverwaltung als konzeptionelles Alternativmodell zur Insolvenzbewältigung 1. Allgemein Die Insolvenzordnung stellt im siebten Teil (§§ 270–285 InsO) mit der Eigenverwaltung in Abweichung zum Regelverfahren eine Verfahrensart zur Verfügung, in die der Schuldner selbst unter Aufsicht eines Sachwalters mit der Abwicklung seiner Vermögens- und Haftungsverhältnisse betraut wird. Mit der Eigenverwaltung stellt der Gesetzgeber eine andere Kom8 Acher, S. 63 ff.; Bley/Mohrbutter, VglO, § 2 Rn. 47, § 108 Rn. 8 c); Hengeler/ Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286; Kort, ZIP 1988, 681, 688; Lutter, ZfB 1984, 781, 782; Tschernig, S. 127. 9 Vgl. Kort, ZIP 1988, 681, 688; Lutter, ZfB 1984, 781, 782; Tschernig, S. 127.
A. Eigenverwaltung
201
petenzordnung zur Verfügung, die sich sehr stark an die Kompetenzordnung des Vergleichsverfahrens orientiert, im Übrigen gelten jedoch – insoweit anders als im Verhältnis Vergleichsverfahren zur Konkursordnung – grundsätzlich die gleichen materiell-rechtlichen Vorschriften wie im Regelinsolvenzverfahren (§ 270 Abs. 1 S. 2 InsO).10 Der Gesetzgeber erhoffte sich von der Eigenverwaltung eine Vereinfachung, Beschleunigung und Kostenreduzierung des Insolvenzverfahrens, insbesondere die Verbesserung etwaiger Sanierungschancen auf Grund eines Insolvenzplans. Behält der Schuldner die Verwaltung und ggfs. Verwertung seines Vermögens in seiner Hand, erübrigen sich infolge seiner Vertrautheit mit seinen Vermögens- und insbesondere auch Geschäftsverhältnissen die Instruktionen, Einarbeitungszeiten und Reibungsverluste im Verhältnis zu Gläubigern, Kunden und Personal, die mit der Einsetzung eines Insolvenzverwalters verbunden sind (Kostenreduzierung durch Beschleunigung des Verfahrens).11 Dieses Anliegen der Eigenverwaltung schlägt gleichzeitig eine Brücke zu der geeigneten Verwertungsart, nämlich der fortführenden Sanierung (Reorganisation). Wird die fortführende Sanierung angestrebt, dann leuchtet nicht ein, warum der Schuldner, der bei Erfolg der Sanierung das Unternehmen weiterführt, dies für einige Monate nicht mehr soll tun dürfen, sondern vielmehr der Insolvenzverwalter an seine Stelle rückt. Dessen „training on the job“ kann in diesem Fall zu erheblichen Kosten führen.12 Neben diesen kostensenkenden Beschleunigungseffekten soll nach der gesetzgeberischen Intention die Kostensenkung auch durch die deutlich geringeren Gebühren für den Sachwalter erreicht werden, welche aus dem erheblich geringeren Aufgabenkreis resultieren (unmittelbare Reduzierung der Verfahrenskosten).13 Neben diesen Kosten und Praktikabilitätserwägungen sollen dem Schuldner durch die Möglichkeit der Eigenverwaltung, verbunden mit einer Sanierungsoption, Anreize zur rechtzeitigen Stellung eines Insolvenzantrags gemacht werden.14 Dem Schuldner unter Aufsicht eines Sachwalters die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis trotz Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu belassen, 10
Vgl. Begr RegE, BT-Drucks 12/2443, 225, zu § 340 „Die Entscheidung, ob ein Insolvenzverwalter eingesetzt wird oder diese Art der Eigenverwaltung zugelassen wird, soll nicht dadurch beeinflusst werden, dass unterschiedliche materiellrechtliche Regeln zur Anwendung kommen.“ 11 BT-Drucksache 12/2443, 222 f.; vgl. Braun, NZI 2003, 588, 588; Häsemeyer, Rn. 8.1; Vallender, WM 1998, 2129 ff. 12 Braun, NZI 2003, 588, 588. 13 BT-Drucksache 12/2443, 222.f. Nach § 12 Abs. 1 InsVV soll der Sachwalter idR 60% der für den Insolvenzverwalter bestimmten Vergütung erhalten. 14 BT-Drucksache 12/2443, 222.f. Zur Anreizfunktion der Sanierungsoption für eine rechtzeitige Antragsstellung, vgl. Eidenmüller, Unternehmenssanierung, S. 15 ff.
202
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
knüpft unmittelbar an die Erfahrungen der Vergleichsordnung an.15 Eine gewisse Vorbildfunktion für die Eigenverwaltung kommt ferner dem „debtor in possession“ im US-amerikanischen Reorganisationsverfahren nach chapter 11 zu. Der deutsche Gesetzgeber hat bei der Neuordnung des Insolvenzrechts dem Recht der Vereinigten Staaten einen besonderen Stellenwert eingeräumt und die dortigen Erfahrungen mit dem „debtor in possession“ bei der Schaffung der Eigenverwaltung mit einfließen lassen.16 Die Eigenverwaltung unterscheidet sich zum „debtor in possession“ im US-amerikanischen Reorganisationsverfahren nach chapter 11 im abweichenden RegelAusnahmeverhältnis. Der deutsche Gesetzgeber wollte die Eigenverwaltung als seltene Ausnahme zur grundsätzlichen Regel, einem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen in die Hände zu legen, verstanden wissen.17 Im Verfahren nach chapter 11 wird dagegen nur ausnahmsweise ein Verwalter (trustee) mit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen betraut. Nach sec. 1104 (a) B.C. sollen lediglich erwiesenermaßen unredliche oder offensichtlich unfähige Schuldner durch einen Verwalter (trustee) ersetzt werden.18 2. Voraussetzungen für die Anordnung und Beendigung der Eigenverwaltung Die Eigenverwaltung wird im Eröffnungsbeschluss durch das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners angeordnet (vgl. §§ 270 Abs. 1 S. 1 InsO, § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO).19 Die wichtigste Voraussetzung für ihre Anordnung ist, dass durch die Eigenverwaltung nach den Umständen des Einzelfalls weder eine Verzögerung des Verfahrens noch sonstige Nachteile für die Gläubiger zu erwarten sein dürfen. Ist der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens von einem Gläubiger gestellt worden, so ist neben dem Antrag des Schuldners, dieses Verfahren in Eigenverwaltung führen zu wollen, zusätzlich die Zustimmung des Gläubigers erforderlich, § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Sind mehrere Gläubigeranträge gestellt, so bedarf es nach herrschender Meinung nur der Zustim15
Vgl. RegE BT-Drucksache 12/2443, S. 222 f.; HK/Lanfermann, InsO, Vor §§ 270 Rn. 3. 16 BT-Drucks. 12/2443, S. 105 f., 194; Beschlussempfehlung des Rechtsausschuss, BT-Drucks. 12/7302, S. 150; vgl. auch Kommission für Insolvenzrecht, Erster Bericht, Begründung zu Leitsatz 1.3.1.1., S. 125. 17 Vgl. RegE BT-Drucksache 12/2443, S. 222 f. 18 Cowans, Bankruptcy, S. 29 f.; Epstein/Nickles/White, Bakruptcy, S. 747. 19 Die nachträgliche Anordnung auf Antrag der ersten Gläubigerversammlung nach § 271 InsO dürfte dabei eine unbedeutende Rolle spielen.
A. Eigenverwaltung
203
mung des Gläubigers, dessen Antrag der Verfahrenseröffnung zugrunde gelegt wird.20 Wird das Verfahren auf Schuldnerantrag eröffnet, sind nach dem Insolvenzantrag des Schuldners gestellte Gläubigeranträge unerheblich, d.h. ihrer Zustimmung zur Eigenverwaltung i. S. v. § 270 Abs. 2 Nr. 2 InsO bedarf es nicht.21 Das Gericht kann die Anordnung der Eigenverwaltung jederzeit aufheben, wenn ein Mehrheitsbeschluss der Gläubigerversammlung dies fordert (§ 272 Abs. 1 Nr. 1) oder auf Antrag eines Gläubigers, wenn mit Verfahrensverzögerungen oder sonstigen Nachteilen für die Gläubiger zu rechnen ist (§ 272 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 270 Abs. 2 Nr. 3). 3. Welche Sachverhalte eignen sich für die Eigenverwaltung? Die Eigenverwaltung stellt im siebten Teil der Insolvenzordnung eine alternative Kompetenzordnung für das bezüglich der Verwertungsart ergebnisoffene Insolvenzverfahren zur Verfügung. Entsprechend kommt die Eigenverwaltung im Grundsatz für alle möglichen Verwertungsarten in Betracht. Dennoch soll sie nach der gesetzgeberischen Intention in der Regel nur bei angestrebter Sanierung auf der Grundlage eines Insolvenzplans angeordnet werden22, deren Erfolgsaussicht durch Vorlage eines plausiblen Insolvenzplans bei Stellung des Insolvenzantrages dokumentiert werden kann.23 Die Eigenverwaltung wird gewissermaßen für diejenigen Fälle als prädestiniert angesehen, in denen ein außergerichtlicher Vergleich am Widerspruch einzelner Gläubiger gescheitert ist und der Schuldner deshalb einen inhaltsgleichen Insolvenzplan im Insolvenzverfahren mittels Obstruktionsverbot (§ 245 InsO) durchsetzen will.24 Dagegen ist für Liquidationsfälle die Eigenverwaltung denkbar ungeeignet. Ein konstruktiver Umgang mit seinen Kompetenzen wird man vom Schuldner nur solange erwarten können, als eine Hoffnung für ihn besteht, das Unternehmen langfristig als Erwerbsquelle behalten zu dürfen. Die Interessen des Schuldners müssen zumindest partiell deckungsgleich mit den 20
Graf-Schlicker/Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rn. 8; Huhn, Rn. 67; HK/Landfermann, InsO § 270 InsO Rn. 5; Braun/Riggert, InsO § 270 Rn. 4; a. A. Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO,§ 270 Rn. 5. 21 AG Köln, ZIP 2005, 1975, 1976 f.; Graf-Schlicker/Graf-Schlicker, InsO, § 270 Rn. 8; HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 5; MünchKomm InsO/Wittig § 270 Rn. 23, 30; a. A. AG Charlottenburg DZWiR 2005, 168 m. abl. Anm Smid. 22 Begr.RegE, BT-Drucks. 12/2443, 226 zu § 343 und zu § 344. 23 Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 72 Rn. 2 f.; Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 4. 24 Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 72 Rn. 2 f.; HK/Landfermann, InsO, Vor §§ 270 Rn. 7; Smid/Smid, InsO, § 284 Rn. 1 ff.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Gläubigerinteressen sein. Eine geordnete Selbstzerschlagung im Interesse der Gläubiger wird man wegen der massiven Interessensdivergenzen zwischen Schuldner und Gläubiger bei angestrebter Liquidation oder übertragender Sanierung nicht ernsthaft vom Schuldner erwarten dürfen. Im Übrigen lassen sich die mit der Eigenverwaltung anvisierten Vorteile „Kontinuität der Unternehmensleitung“ bei einer Liquidation ohnehin nicht erreichen. Dies gilt im Grundsatz auch für juristische Personen, bei denen neuerdings versucht wird, die Liquidationsgeeignetheit durch eine rechtzeitige Auswechselung der Geschäftsführungsorgane durch einen Insolvenzfachmann, der auch praktische Erfahrungen als Insolvenzverwalter nachweisen kann, künstlich herzustellen.25 4. Kompetenzverteilung In ihren Kompetenzstrukturen ist die Eigenverwaltung dem bisherigen Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses nachgebildet.26 Der Schuldner kann trotz Verfahrenseröffnung über sein Vermögen verfügen, er wird aber durch Aufsichts- und Zustimmungsbefugnisse des Sachwalters in seinen Kompetenzen eingeschränkt.27 Letztlich werden die im Regelverfahren dem Insolvenzverwalter obliegenden Aufgaben zwischen Schuldner und Sachwalter aufgeteilt. Bei dieser Aufteilung der Kompetenzen ließ sich der Gesetzgeber ganz von der Vorstellung leiten, dass der Schuldner weiterhin mit der Führung der laufenden Geschäfte betraut wird.28 Entsprechend sollen die für eine Unternehmensfortführung notwendigen Kompetenzen, wie die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen, die Verwertung von Sicherungsgut durch den Schuldner (§ 282 Abs. 1 InsO) und die Veräußerung belasteter Waren29 beim Schuldner liegen. Der Leitgedanke, dem Schuldner die für die Unternehmensfortführung notwendigen Kompetenzen zuzuordnen, erklärt ferner, dass ihm der Gesetzgeber nach § 279 InsO die Wahlrechte über gegenseitige Verträge (§§ 103 bis 128 InsO) übertragen hat. Insgesamt ergibt sich ein Bild, bei dem das wirtschaftliche und juristische Handeln beim Schuldner liegt. Er nimmt beispielsweise Kundenaufträge entgegen, tätigt Einkäufe, nimmt weiterhin die Arbeitgeberfunktion wahr und bestimmt Art und Ausmaß sowie die Durch25
Vgl. dazu AG Duisburg ZIP 2002, 1636, 1639 ff. „Babcock-Borsig“. Vgl. die Vielzahl von Bezugnahmen auf die Vergleichsordnung in der Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drucks., 12/2443, S. 222 ff. 27 Häsemeyer, Rn. 8.03. 28 Begr.RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 223. 29 Diese bilden nach der Einschätzung des Regierungsentwurfs einen Schwerpunkt der Verwertungsvorgänge im Geschäftsbetrieb, vgl. Begr.RegE InsO, BTDrucks. 12/2443, 226 zu § 343. 26
A. Eigenverwaltung
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führung von Sanierungsmaßnahmen.30 Dazu gehört auch die Überprüfung der noch nicht erfüllten Verträge auf ihre Wirtschaftlichkeit und eine entsprechende Ausübung des Verwalterwahlrechts. Die Kompetenzen des Sachwalters beschränken sich dagegen auf die Kontrolle und Unterstützung der Geschäftsführung durch den Schuldner. Ihm stehen die Kompetenzen wie ein Insolvenzverwalter kraft autonomer Amtsstellung zu.31 Die Kontrollaufgabe des Sachwalters wird dadurch verstärkt, dass Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören nur mit der Zustimmung des Sachwalters vorgenommen werden sollen (§ 275 InsO). Ein Verstoß gegen diese Zustimmungspflicht führt jedoch nur dann zur Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, wenn auf Antrag der Gläubigerversammlung das Insolvenzgericht einen besonderen Zustimmungsvorbehalt angeordnet hat (§ 277 InsO). Neben diesen Kontrollaufgaben hat der Sachwalter die insolvenzspezifischen Aufgaben wahrzunehmen, die einem Insolvenzverwalter in erster Linie im Interesse der Gläubiger übertragen sind.32 Zu diesen Kompetenzen gehören insbesondere die Entgegennahme der Forderungsanmeldung (vgl. § 270 Abs. 3 S. 2 InsO) inklusive das Recht zum Widerspruch der angemeldeten Forderung (§ 283 Abs. 1 InsO33), die Insolvenzanfechtung (§ 280 InsO)34, die Geltendmachung von Ansprüchen auf Ersatz eines Gesamtschadens und die Anzeige der Masseunzulänglichkeit(§ 270 Abs. 3 S. 2, 280, 285 InsO). Wie im Regelverfahren bedürfen besonders bedeutsame Rechtshandlungen des Schuldners der Zustimmung des Gläubigerausschusses und der Gläubigerversammlung, §§ 276 InsO i. V. m. § 160 InsO. Die Gläubigerversammlung kann im Übrigen sowohl den Sachwalter als auch den Schuldner mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen (§ 284 InsO). 5. Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis Unter Geltung der Vergleichsordnung wurde der Fortbestand der Konzernleitungsmacht im Verfahren der Eigenverwaltung u. a. damit begründet, 30
Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 3. Vgl. AG Duisburg ZIP 2002, 1636, 1640; Pape/Uhlenbruck, Rn. 166. 32 Begr RegE InsO, BT-Drucks. 12/2443, 225, zu § 340; HK/Lanfermann, InsO, § 270 Rn. 6. 33 Daneben hat auch der Schuldner nach § 283 Abs. 1 ein Widerspruchsrecht. 34 Die praktische Bedeutung von § 280 InsO wird dadurch vermindert, dass Fälle, in denen Haftungsansprüche gegen Gesellschafter oder gar Geschäftsführer des insolventen Unternehmens geltend zu machen oder Handlungen des Schuldners anzufechten sind, die Eigenverwaltung von vornherein weniger geeignet erscheinen; FK/ Folkis, InsO, § 280 Rn. 4; HK/Landfermann, InsO, § 280 Rn. 2; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 280 Rn. 5 f. 31
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
dass die privatautonome Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners über sein Vermögen von der Eröffnung des Vergleichsverfahrens nicht berührt wird.35 Inwieweit dieses Argument unter Geltung der Insolvenzordnung auch in der Eigenverwaltung noch für einen Fortbestand der Konzernleitungsmacht sprechen könnte, hängt unmittelbar von der Einordnung des Rechtsgrundes und der Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im Verfahren der Eigenverwaltung ab. a) Streitstand Rechtsgrund und Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners in der Eigenverwaltung werden unterschiedlich beurteilt. Der wohl überwiegende Teil der Literatur36 versteht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners derivativinsolvenzspezifisch. Dem Schuldner wird mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung seine bis dahin privatautonome Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zunächst entzogen. Durch den Eröffnungsbeschluss verbunden mit der Anordnung der Eigenverwaltung wird dem Schuldner jedoch gleichzeitig eine neue, insolvenzspezifische Rechtsmacht übertragen, die sich unmittelbar aus den §§ 270 ff. InsO ergibt.37 Es handelt sich dabei nicht um die originär kraft Privatautonomie bestehende Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners, sondern um eine derivativ vom gerichtlichen Verleihungsakt abhängige Verwaltungsund Verfügungsbefugnis. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses ist der Schuldner gewissermaßen „Insolvenzverwalter seiner selbst“.38 Eine mittlerweile im Vordringen befindliche Meinung in der Literatur39 ordnet dagegen die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis originär-privatautonom ein. Diesem Verständnis zu Folge besteht mit der gerichtlichen Anordnung der Eigenverwaltung die ursprüngliche, privatautonome Verwal35 Acher, S. 63 ff.; Bley/Mohrbutter, VglO, § 2 Rn. 47; § 108 Rn. 8 c); Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286; Lutter, ZfB 1984, 781, 782. 36 Berscheid, FS Kirchhof, 27, 46; Bork, Rn. 400; Flöther/Smid/Wehdeking, Kap. 2 Rn. 106 ff.; FK/Foltis, InsO, § 270 Rn. 16; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 3; Häsemeyer, Rn. 8.13 f.; Müller, ZGR 2004, 842, 859; Pape, in Kölner Schrift InsO, S. 918, Rn. 40; Pape/Uhlenbruck, Rn. 860; Schlegel, S. 192 ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 18; Hess/Weis/Wienberg/Weis, InsO, § 270 Rn. 17; Wehdeking, Eigenverwaltung, S. 108. 37 Häsemeyer, Rn. 8.13 f.; Pape, in Kölner Schrift InsO, S. 918, Rn. 40. 38 Vgl. die von Häsemeyer geprägte Beschreibung, Insolvenzrecht Rn. 8.13 f. 39 Huhn, Rn. 603; Kessler, S. 49 ff., 64; HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 19; ders., in: Kölner Schrift InsO, S. 159 Rn. 3; Rotstegge, S. 291 ff.; Vallender, WM 1998, 2129, 2135; i. E. auch AG Köln, NZI 2004, 152, 153, vgl. dazu unten, 5. Teil, B.VI.
A. Eigenverwaltung
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tungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im Insolvenzverfahren fort. Die privatautonome Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis soll dabei lediglich über die Einschränkungen der §§ 270 ff., etwa die Zustimmungspflicht des Sachwalters, modifiziert werden. Nach dem privatautonomen Verständnis hat der die Eigenverwaltung anordnende Beschluss im Hinblick auf die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bloß deklaratorische Wirkung. Konstitutive Wirkung hätte er dagegen lediglich im Hinblick auf Befugnisse des Schuldners, die ihm außerhalb des Insolvenzverfahrens nicht zustehen (insolvenzspezifische Befugnisse), wie etwa die in der Eigenverwaltung dem Schuldner zustehenden Wahlrechte aus §§ 103 ff. InsO (vgl. §§ 279 S. 1, 282 Abs. 1 S. 1, 283 Abs. 1 S. 1.).40 b) Stellungnahme zur Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung aa) Wortlaut Nach dem Wortlaut von § 270 Abs. 1 InsO ist der Schuldner berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnet. Im Hinblick auf die Berechtigung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ist der Wortlaut wenig aufschlussreich. Dieser kann in dem Sinne verstanden werden, dass der Schuldner privatautonom berechtigt bleibt, gleichzeitig aber auch in dem Sinne, dass dem Schuldner die insolvenzspezifische Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übertragen wird.41 Das Objekt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird in § 270 Abs. 1 InsO jedoch als „Insolvenzmasse“ bezeichnet. Die Verwendung dieses Begriffs weist in die Richtung eines derivativ insolvenzspezifischen Verständnisses, denn unter Insolvenzmasse wird gemein hin das schuldnerische Vermögen verstanden, welches vom Insolvenzbeschlag erfasst und den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen wird. Ein privatautonomes Verständnis würde eine Formulierung provozieren, die statt von „Insolvenzmasse“ von dem „Vermögen des Schuldners“ spricht.42 40
HK/Landfermann, § 270 Rn. 19. Vgl. MünchKomm InsO/Wittig, § 270 Rn. 69, der schon aus der fehlenden Formulierung, dass der Schuldner verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt, schließt, dass der Wortlaut für eine insolvenzspezifische Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis spreche. 42 Anders Kessler, S. 50. 41
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
bb) Historie: Anlehnung an das Vergleichsverfahren Ein privatautonomes Verständnis der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis wird insbesondere in Anlehnung an die Formulierung in der Begründung des Regierungsentwurfs angeknüpft.43 Die Begründung zum Regierungsentwurf44 spricht davon, dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis „zu (be)lassen“. Des Weiteren wird die aus den Gesetzesmaterialien ersichtliche Anlehnung an das Vergleichsverfahren ins Feld geführt.45 Unter der Geltung der Vergleichsordnung war allgemein anerkannt, dass dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit Eröffnung des Vergleichsverfahrens privatautonom belassen wird.46 Die Bezugnahme auf die Vergleichsordnung ist jedoch im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Reformkommission zu verstehen, welche mehrheitlich dafür votierte, stets einen Insolvenzverwalter zu bestellen.47 In der Bezugnahme auf das Vergleichsverfahren spricht der Gesetzgeber die Erfahrungen aus dem Modell der Kompetenzverteilung zwischen Schuldner und Sachwalter an, wie es dem Vergleichsverfahren zwischen Vergleichsschuldner und Vergleichsverwalter eigen war.48 Eine Aussage über die Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht damit nicht einher. cc) Rechtsvergleichende Perspektive: Anlehnung am „debtor in possession“ im US-amerikanischen Recht Da der deutsche Gesetzgeber bei der Neuordnung des Insolvenzrechts auch im Hinblick auf die Eigenverwaltung die Erfahrungen aus den USA berücksichtigen wollte49, könnte die Rechtsstellung des Schuldners in der Eigenverwaltung „debtor in possession“ (= DIP) nach US-amerikanischen Recht für die Auslegung hilfreich sein. Normativer Anknüpfungspunkt für die Qualität der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im US-amerikanischen Reorganisationsverfahren nach chapter 11 ist sec. 1107. Dieser statuiert: 43
So etwa Huhn, S. 206; Kessler S. 59. BT-Drucks. 12/2443, S. 222. 45 So etwa Huhn, S. 206; Kessler S. 59. 46 Siehe oben, 4. Teil, A.I.2. 47 Vgl. Erster Bericht der Kommission, S. 124 ff., zu Leitsatz 1.2.1.1. 48 BT-Drucksache 12/2443, S. 222: „(. . .) Auf der anderen Seite zeigt das bisherige Vergleichsverfahren, dass es Vorteile haben kann, den Schuldner im Grundsatz verfügungs- und verwaltungsbefugt zu lassen (. . .)“. S. 223: „Der Gesetzesentwurf schafft daher in Anlehnung an das Modell der Vergleichsordnung, das Insolvenzverfahren im Wege der Eigenverwaltung unter Aufsicht durchzuführen.“ 49 Siehe oben, 4. Teil, A.II.1. 44
A. Eigenverwaltung
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„(. . .) a debtor in possession shall have all the rights (. . .) and powers, and shall perfom all the functions and duties (. . .) of a trustee serving in a case under this chapter.“
Durch die bewusste Anlehnung der Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners (DIP) an die Befugnisse eines Insolvenzverwalters wird ihre Rechtsnatur in US-amerikanischer Rechtsprechung und Schrifttum als insolvenzspezifisch eingeordnet. Der DIP wird insoweit als sein eigener Insolvenzverwalter verstanden, der als Amtswalter in eigenen Angelegenheiten (bzw. Beamter des Gerichts) die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis ausübt.50 Das US-amerikanische Verständnis mag insoweit indizielle Bedeutung haben, die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners als insolvenzspezifisch einzuordnen. dd) Telos Entscheidend für eine insolvenzspezifisch derivative Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners dürfte jedoch der Sinn und Zweck der Eigenverwaltung und ihre Integration in das allgemeine Insolvenzverfahren sein. Für ein insolvenzspezifisches Verständnis der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis spricht weniger die Besonderheit der Eigenverwaltung als eine Option, dem Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen, als vielmehr die Tatsache, dass es sich bei einem in Eigenverwaltung geführtem Verfahrens trotz Anordnung der Eigenverwaltung um ein Insolvenzverfahren handelt. Die Eigenverwaltung soll lediglich eine andere Kompetenzordnung als das Regelverfahren zur Verfügung stellen. Dies geht unmittelbar aus § 270 Abs. 1 S. 2 InsO hervor, welcher auf die allgemeinen Vorschriften des Insolvenzverfahrens verweist, soweit im siebten Teil der Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt ist. Der siebte Teil regelt allerdings lediglich die Kompetenzaufteilungen zwischen Schuldner, Sachwalter und Gläubigerausschuss. 50 In re Performance Nutrition Inc., 239 B.R. 93, 112 (Bankr. N.D. Tex 1999): „. . . The dip, acting as a trustee, is an officer of the court“; In re Intermagnetics Am. Inc., 926 F. 2d 912, 917 (9th Cir. 1991); In re Trin-Craqn Inc., 98, B.R. 609, 617 (Bankr.D.Mass.1989): „As an officer of the court, the DIP owes the court a duty to act in the best interest of the bankruptcy estates“; In the Matter of Mark Hughes, 704 F. 2d 820, 822 (5th Cir. 1983) „A debtor in possession as such, occupies the shoes of a trustee in every way“; so auch In the Matter of Triangle Chemicals, Inc., 697 F 2.d 1280, 1283 (5th Cir. 1983); In the Matter of Tape City, 677 F 2.d 401, 403 (5th Cir. 1982); Miller, Seton Hall Law Review Vol 23 (1992–1993), 1467, 1467; „The DIP acts qua trustee under the Bankruptcy Code and is responsible for the preversation and administration of the debtor’s estate“; White/Medford, 22-6 ABIJ, S. 34.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Entsprechend ist davon auszugehen, dass wie im Regelverfahren das Vermögen des Schuldners vom Insolvenzbeschlag erfasst wird und den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen wird. Der Zweck des Insolvenzverfahrens bleibt unverändert die aus § 1 InsO fließende Haftungsverwirklichung, auch wenn das Verfahren nach der Kompetenzordnung der Eigenverwaltung geführt wird und nicht in die Hände eines Insolvenzverwalters gelegt wurde.51 Die Fortführung des Unternehmens durch den Schuldner bewegt sich demnach innerhalb des Verfahrenszwecks der Haftungsverwirklichung, mag diese auch durch eine Fortführungsstrategie erreicht werden. Mögen insbesondere bei einer angestrebten fortführenden Sanierung (Reorganisation) rein äußerlich keine Unterschiede zur privatautonomen Kompetenz des Schuldners vor Verfahrenseröffnung bestehen, so ergeben sich insbesondere im Hinblick auf insolvenzzweckwidrige Verfügungen des Schuldners wesentliche Unterschiede. Ein privatautonomes Verständnis würde nämlich im Insolvenzverfahren keinen hinreichenden Schutz vor insolvenzzweckwidrigen Verfügungen bieten. Der Zweck des Insolvenzverfahrens aus § 1 InsO ist die bestmögliche und gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger. Entsprechend sind im Regelverfahren Verfügungen des Insolvenzverwalters, die dem Zweck des Insolvenzverfahrens klar und eindeutig zuwiderlaufen, unwirksam und verpflichten die Masse nicht.52 Die Beschränkung dieser Unwirksamkeit auf evidente Zweckwidrigkeit wird der Tatsache gerecht, dass das Amt des Insolvenzverwalters mit vielfältigen und schwierigen Aufgaben verbunden ist und ihm dabei ein weiter Ermessensspielraum zustehen muss.53 Neben der objektiven Evidenz der Insolvenzzweckwidrigkeit wird neuerdings in Anlehnung an die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht zusätzlich verlangt, dass sich dem Geschäftspartner aufgrund der Umstände des Einzelfalls begründete Zweifel an der Vereinbarkeit der Handlung mit dem Zweck des Insolvenzverfahrens aufdrängen mussten.54 Dieser Schutz vor evident insolvenzzweckwidrigen Verfügungen muss auch und gerade im Verfahren der Eigenverwaltung erhalten bleiben.55 Es besteht ja gerade bei der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im Vergleich zum unabhängigen Insolvenzverwal51 Vgl. BT Drucks. 12/2443, S. 222; Smid, WM 1998, 2489, 2507; Uhlenbruck/ Uhlenbruck, InsO, § 270 Rn. 7; MünchKomm InsO/Wittig, Vor §§ 270–285 Rn. 28. 52 Ständige Rechtsprechung seit RGZ 57, 195, 199 f.; RGZ 63, 203, 213; RgZ 76, 244, 249 f.; BGH NJW 1971, 701; BGH, NJW 2002, 2783, 2785; vgl. auch Jauernig, FS Weber, S. 307 ff.; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 101. 53 BGH, NJW 2002, 2783, 2785. 54 BGH, NJW 2002, 2783, 2785; Kilger/K. Schmidt, § 6 KO 6 a aa; MünchKomm InsO/Ott, § 80 Rn. 61. 55 Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 270 Rn. 1; MünchKomm InsO/Wittig, § 270 Rn. 69.
A. Eigenverwaltung
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ter (§ 56 InsO) die wesentlich größere Gefahr, dass der Schuldner seine Befugnis zur Bevorzugung bestimmter Gläubiger oder Vermögensverschleuderung ausüben wird. Für Dritte erkennbare, evident zweckwidrige Verfügungen müssen dann auch in der Eigenverwaltung unwirksam sein. Ein Verständnis im Sinne einer dem Schuldner verbleibenden privatautonomen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis könnte die notwendige Unwirksamkeit evident insolvenzzweckwidriger Verfügungen jedoch nicht erklären.56 Ein Schutz vor solchen insolvenzzweckwidrigen Verfügungen wird sich oftmals durch die besonderen Aufsichts- und ggf. Zustimmungsrechte des Sachwalters erreichen lassen. Insbesondere im Vergleichsverfahren sollten Aufsichts- und evtl. Zustimmungspflichten des Vergleichsverwalters vor nachteiligem Umgang des Schuldners mit seinem Vermögen zu Lasten seiner Gläubiger schützen.57 Doch lassen sich zweckwidrige Verfügungen durch diese Kontrollrechte nicht vollständig verhindern, insbesondere auch nicht durch die Anordnung eines Zustimmungsvorbehaltes aus § 277.58 § 277 InsO ermöglich zwar dem Gericht, durch entsprechende Anordnung die Wirksamkeit bestimmter Rechtsgeschäfte von der vorherigen Zustimmung des Sachwalters abhängig zu machen. Das Gericht kann eine solche Anordnung allerdings nur auf Antrag der Gläubigerversammlung erlassen, welcher frühestens ab dem Berichtstermin gestellt werden kann.59 Ein entsprechender Schutz über § 277 InsO wäre somit schon in zeitlicher Hinsicht nicht hinreichend. Aber auch in sachlicher Hinsicht ist zu bedenken, dass über § 277 InsO nur bestimmte Rechtsgeschäfte von der Zustimmung des Sachwalters abhängig gemacht werden können, keinesfalls dürfen pauschal alle Rechtsgeschäfte des Schuldners im Außenverhältnis an die Zustimmung des Sachwalters gekoppelt werden.60 Diese, durch ein privatautonomes Verständnis entstehende Schutzlücke, bestand im Vergleichsverfahren gerade nicht. Die Betonung der Ähnlichkeit von Vergleichsverfahren und Eigenverwaltung – mögen solche im Hinblick auf die Kompetenzwahrnehmung zweifelsohne bestehen – missachtet den 56
Insoweit ist nicht verständlich, warum Landfermann (HK InsO, § 270 Rn. 19) einerseits fordert, dass der Schuldner die Insolvenzmasse im Interesse der Gesamtheit der Gläubiger verwalten muss, gleichzeitig aber die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners rein privatautonom erklären will. 57 Darauf maßgeblich abstellend Kessler, S. 74. 58 So aber Rotstegge, S. 297. 59 Eine Anordnung des Zustimmungsvorbehalts von Amts wegen durch gerichtliche Anordnung im Wege einer analogen Anwendung des § 21 InsO (so AG Duisburg ZInsO 2002, 1046) wird von der ganz herrschenden Meinung abgelehnt, vgl. statt vieler Hess/Ruppe, NZI 2002, 578 f.; HK/Landfermann, § 277 Rn. 4; Prütting, FS Kirchhof, S. 437 ff. 60 Huhn, Rn. 754; HK/Landfermann, InsO, § 277 Rn. 1; Braun/Riggert, InsO, § 277 Rn. 4.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
wesentlichen Unterschied zwischen Vergleichsverfahren und Eigenverwaltung. Das Vergleichsverfahren diente der Abwendung des Konkurses und war entsprechend dem Konkursverfahren vorgeschaltet. Es verstand sich als potentielles Vorverfahren zu einem Anschlusskonkurs mit strengen Zulassungsvoraussetzungen. Entsprechend konnten Verfügungen des Schuldners während des Vergleichsverfahrens im Anschlusskonkurs angefochten werden.61 Dabei sind die Grundsätze über die Unwirksamkeit insolvenzzweckwidriger Verfügungen im Zusammenhang mit den Anfechtungstatbeständen zu sehen. Die Anfechtungstatbestände verlagern den Zweck des § 1 InsO Schutz bestmöglicher und gleichmäßiger Gläubigerbefriedigung auf die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zweck der Insolvenzanfechtung ist, eine vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Schmälerung der Insolvenzmasse wieder zu korrigieren.62 Durch die Anfechtung soll zunächst die gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger schon für einen früheren Zeitpunkt als den der formellen Eröffnung des Insolvenzverfahrens sichergestellt werden.63 Die Insolvenzanfechtung hat daneben den Zweck, sachlich ungerechtfertigte Vermögensverschiebungen, durch die die Insolvenzmasse verkürzt wurde, rückgängig zu machen. Dies betrifft böswillige Verminderungen des Schuldnervermögens, Schenkungen und unsachlicher Entzug haftenden Eigenkapitals (§§ 133–136 InsO). Wurden die Gläubiger im Vergleichsverfahren durch die Möglichkeit der Anfechtung im Anschlusskonkurs vor insolvenzzweckwidrigen Verfügungen hinreichend geschützt, steht ihnen in der Konzeption eines einheitlichen Liquidations- und Sanierungsverfahrens dieser Schutz nicht mehr zur Verfügung, denn nach § 129 Abs. 1 InsO sind ausdrücklich nur Rechtshandlungen anfechtbar, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Entsprechend kann der Sachwalter im Verfahren der Eigenverwaltung nur vor Verfahrenseröffnung vorgenommene Rechtshandlungen anfechten.64 Offensichtlich insolvenzzweckwidrige Verfügungen des Schuldners wären somit bei einem privatautonomen Verständnis der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weder über das Anfechtungsrecht noch über die Grundsätze insolvenzweckwidriger Verfügungen geschützt. Der Zweck des Insolvenzverfahrens als ein auf Haftungsverwirklichung ausgerichtetes Verfahren spricht demnach für eine derivativ insolvenzspezi61 BGH ZIP 1980, 618 = KTS 1981, 84; Bley/Mohrbutter, VglO, § 107 Rn. 16; Jaeger/Henckel, KO § 30 Rn. 37; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 30 Rn. 11. 62 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 129 Rn. 1. 63 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 129 Rn. 1. 64 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 129 Rn. 1, 41; HK/Kreft, § 129 Rn. 5; Hess/Weis/ Wienberg/Weis, InsO, § 270 Rn. 63; MünchKomm InsO/Wittig, § 270 Rn. 70.
A. Eigenverwaltung
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fische Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners in der Eigenverwaltung. Ein solches Verständnis reiht sich im Übrigen ohne systematische Brüche in die anderen Kompetenzen des Insolvenzschuldners ein, denn es besteht insoweit Einigkeit, dass die dem Schuldner übertragenen Sonderbefugnisse, wie etwa des Wahlrechts aus § 279 InsO i. V. m. §§ 103 ff., ihm nicht kraft Privatautonomie zustehen, sondern insolvenzspezifischer Natur sind.65 ee) Ergebnis zur Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners Im Ergebnis kann das unter Geltung der Vergleichsordnung vorherrschende Verständnis einer privatautonomen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners nicht auf das Verfahren der Eigenverwaltung übertragen werden. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzschuldners ist vielmehr derivativ insolvenzspezifischer Natur, d.h. durch den gerichtlichen Eröffnungsbeschluss wird dem Schuldner zunächst die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen entzogen, durch den Insolvenzbeschlag den Gläubigern haftungsrechtlich zugewiesen und gleichzeitig durch die Anordnung der Eigenverwaltung zweckgebunden auf den Schuldner insolvenzspezifisch übertragen.
III. Zwischenergebnis zu Ausgangsfrage I.: Unterschiede zwischen Eigenverwaltung und Regelverfahren mit konzernspezifischer Bedeutung Im Hinblick auf die Ausgangsfrage, welche Besonderheit der Eigenverwaltung gegenüber dem Regelverfahren einen Fortbestand der Konzernleitungsmacht rechtfertigen könnte, bleibt demnach folgendes festzuhalten: Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners ist im Verfahren der Eigenverwaltung nicht privatautonomer, sondern insolvenzspezifischer Natur. In dieser Hinsicht besteht ein wesentlicher Unterschied zum Vergleichsverfahren. Entgegen mancher Stimmen steht und fällt der Fortbestand der Konzernleitungsmacht allerdings nicht mit dieser rechtlichen Einordnung,66 denn bei unbefangener Lesart wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Verfahren der Eigenverwaltung auf den Schuldner, d.h. die Gesellschaft übertragen. Welches Organ der Gesellschaft nach außen hin die schuldnerischen Befugnisse in der Eigenverwaltung ausübt und 65 66
Siehe oben, 4. Teil, A.II.5.a). So aber ausdrücklich Rotstegge, S. 287, tendenziell auch Schlegel, S. 120 f.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
welches maßgeblich für die Willensbildung zuständig ist, lässt sich der Insolvenzordnung nicht entnehmen. Die Insolvenzordnung beschränkt sich vielmehr – für juristische und natürliche Personen gleichermaßen – auf den Hinweis, dass der Schuldner berechtigt ist, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen (§ 270 Abs. 1 S. 1 InsO). Insolvenzschuldner ist die juristische Person als solche (§ 11 InsO). Insoweit ist nahe liegend, dass die Antwort auf diese Frage im Verbandsrecht der jeweiligen Gesellschaft zu finden ist, die Gesellschaft somit im Verfahren der Eigenverwaltung entsprechend ihrer Verbandsverfassung handelt. Da es sich bei der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis um Außenkompetenzen handelt, kann nur das jeweils vertretungsberechtigte Organ dazu berufen sein, diese Befugnisse nach außen hin auszuüben. Für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand ist die entscheidende Frage allerdings, ob das vertretungsberechtigte Organ intern den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegt. Für die GmbH würde dies etwa bedeuten, dass der Geschäftsführer bei der Ausübung der schuldnerischen Befugnisse im Verfahren der Eigenverwaltung dem internen Weisungsrecht der Gesellschafter (§ 37 GmbHG) unterworfen wäre. Spinnt man das Beispiel der GmbH zu einem Konzernsachverhalt weiter, stünde das Weisungsrecht der Gesellschafter auch als Medium einer faktischen Konzernleitungsmacht zur Verfügung. Nachfolgend soll zunächst grundlegend geklärt werden, ob das vertretungsberechtigte Organ einer Gesellschaft in der Eigenverwaltung den internen Bindungen des Gesellschaftsrechts unterliegt. Kommt man zu dem Ergebnis, dass das vertretungsberechtigte Organ, entkleidet von jeglicher interner Bindung, die Befugnisse des Schuldners ausübt, kann die interne Bindung erst Recht nicht zu einer Konzernleitungsmacht erstarken. In diesem Fall wäre der Befund der Untersuchung – über die Anordnung Eigenverwaltung ein Fortbestand der Konzernleitungsmacht zu erreichen – negativ. Kommt man hingegen zu dem Ergebnis, dass das vertretungsberechtigte Organ im Verfahren der Eigenverwaltung den internen verbandsrechtlichen Bindungen unterliegt, wäre in einem nächsten Schritt zu fragen, ob diese auch in eine Konzernleitungsmacht erstarken kann, also die interne Bindung auch von einem herrschenden Unternehmen wahrgenommen werden darf. Bejahendenfalls wäre zu klären, ob der Umstand, dass sich auch das herrschende Unternehmen in einem Insolvenzverfahren befindet, schließlich den Abbruch der internen Bindungen rechtfertigen könnte.
IV. Gesellschaftsrechtliche Bindungen des zur Vertretung berechtigten Organs in der Eigenverwaltung Ausgangspunkt für die Frage, inwieweit das vertretungsberechtigte Organ den internen Bindungen der Verbandsverfassung unterliegt, ist die nicht an-
A. Eigenverwaltung
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greifbare These, dass sich im Verfahren der Eigenverwaltung juristischer Personen Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht insoweit ergänzen, als das Insolvenzrecht die Verfügungsbefugnis auf den Schuldner überträgt, während das Gesellschaftsrecht im Grundsatz die Frage regelt, durch welche Organe der Schuldner handlungsfähig wird.67 Ist die Feststellung, dass im Außenverhältnis das vertretungsberechtigte Organ die Schuldnerbefugnisse in der Eigenverwaltung wahrnimmt, ebenso unverrückbar, stellt sich die Frage, ob das Insolvenzrecht – bzw. allgemein der Umstand, dass die Gesellschaft sich in einem auf Haftungsverwirklichung ausgerichteten Insolvenzverfahren befindet – in der Lage ist, die gesellschaftsrechtlichen Bindungen des vertretungsberechtigten Organs zu kappen. In der Praxis ist diese Frage bislang überwiegend bei der Aktiengesellschaft im Rahmen der in Eigenverwaltung durchgeführten Großinsolvenzen KirchMedia und Babcock Borsig aufgetaucht. In diesen Verfahren wurde trotz der Anordnung der Eigenverwaltung die Befriedigung der Gläubiger nicht über eine Sanierung, sondern im Wege einer übertragenden Sanierung und Liquidation erreicht.68 Die mit dieser Verwertungsart einhergehende Übertragung wesentlicher assets bzw. ganzer Betriebe forderte die Frage heraus, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft im Rahmen der Verwertungsübertragung die Zustimmung des Aufsichtsrates nach § 111 Abs. 4 AktG einholen muss bzw. ihm bei einer Veräußerung von wesentlichen Teilen des Betriebsvermögens nach den Holzmüller-Grundsätzen des BGH69 sogar eine Pflicht zur Einberufung und Einholung einer Zustimmung der Hauptversammlung zukommt.70 Wegen der weiten Verbreitung der GmbH als faktischer Konzernbaustein sollen die Ausführungen aber die GmbH im Blick haben. Für die GmbH würde ein Aufrechterhalten von gesellschaftsrechtlichen Bindungen dazu führen, dass die Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer weiterhin ein umfassendes Weisungsrecht hat. 67 Vgl. Noack, ZIP 2002, 1873, 1877, 1779; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 406. 68 So für das Kerngeschäft Kraftwerksbau des Babcock-Borsig Konzerns, vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231, 233. 69 Danach ist bei Umstrukturierungen die ungeschriebene Zuständigkeit der Hauptversammlung zu beachten, Bei schwerwigenden Eingriffen in die Rechte und Interessen der Aktionäre, wie z. B. der Ausgliederung eines Betriebes, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildet, ist der Vorstand ausnahmsweise nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen, BGHZ 83, 122; vgl. auch BGHZ 159. 30. 70 Eine übertragene Sanierung wäre in Eigenverwaltung nur mit Zustimmung der Hauptversammlung möglich. Auch die Veräußerung wesentlicher Teile bedürfte entsprechend der Satzung der Zustimmung des Aufsichtsrates.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
1. Streitstand a) Striktes Nebeneinander von Gesellschafts- und Insolvenzrecht Die als erstes von Karsten Schmidt71 vertretene und wohl als überwiegend zu bezeichnende Auffassung geht von einem strikten Nebeneinander von Gesellschafts- und Insolvenzrecht aus.72 Während das Insolvenzrecht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei Anordnung der Eigenverwaltung der Gesellschaft als Schuldner überträgt, entscheidet das Gesellschaftsrecht, welche Gesellschaftsorgane nach welchen Regeln diese Befugnisse für die Gesellschaft ausüben. Demnach – um es mit den Worten Karsten Schmidts73 auszudrücken – „agiert die Handelsgesellschaft in der Eigenverwaltung unter dem Regime des Gesellschaftsrechts“. Das Insolvenzrecht überträgt die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis – insolvenzspezifisch – auf die schuldnerische Gesellschaft. Durch die Schuldner bezogene Formulierung in § 270 Abs. 1 S. 1 InsO werde gleichzeitig das gesamte Gesellschaftsrecht in die Vorschriften der Eigenverwaltung inkorporiert.74 Für die in Eigenverwaltung geführte GmbH bedeutet dies: Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse und die insolvenzspezifischen Befugnisse75 stehen der GmbH zu, die im Außenverhältnis von den Geschäftsführern in Gesamtvertretung (§ 35 GmbH) ausgeübt werden. Im Innenverhältnis unterliegen sie bei der Ausübung dieser Rechte aber dem im Grundsatz uneingeschränkten Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung aus § 37 GmbHG.76 Durch die weiterhin nach § 46 Nr. 5 GmbHG den Gesellschaftern zustehende Kompetenz, die vertretungsberechtigten Geschäftsführer zu bestellen und (jederzeit! vgl. § 38 Abs. 1 GmbHG) abzuberufen, haben die Gesellschafter auch weiterhin 71
ZGR 1998, 633, 643 f.; ders., Entwicklungen, S. 19, 28. Haas, in: Gottwald, § 89 Rn. 15; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; Hofmann, S. 169 ff., 205; Kessler, S. 238 ff., 272, 276 ff.; Köchling, ZInsO 2003, 53 f.; Maesch, S. 157 ff., 176; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 406; Rotstegge, S. 304 ff.; K. Schmidt, Entwicklungen, S. 19, 28 f., ders., ZGR 1998, 633, 643 f.; Smid, DZWiR 2002, 493, 499 f.; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479 ff.; Wehdeking, Masseverwaltung, S. 130 ff., 134; dies., DZWIR 2006, 451, 453; dies., in: Flöther/ Smid/Wehdeking, Eigenverwaltung, Kap 4 Rn. 26; Westrick, NZI 2003, 65, 68, 70; vgl. such schon Bous, S. 268, Fn. 314 ohne nähere Begründung auch AG Duisburg „Babcock-Borsig“ ZIP 2002, 1636, 1640. 73 K. Schmidt, Entwicklungen, S. 19, 28. 74 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 406. 75 Zu den Befugnissen des Schuldners in der Eigenverwaltung, siehe 4. Teil, A.II.4., S. 204. 76 K. Schmidt, S. 19, 28 f.; Kessler, S. 281; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 502. 72
A. Eigenverwaltung
217
Einfluss auf die im Außenverhältnis mit der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis betraute Person. b) Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen Die insbesondere auf Prütting und Huhn77 zurückgehende Gegenauffassung geht von einer Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindung des vertretungsberechtigten Organs in der Eigenverwaltung aus.78 Wie weit das Insolvenzrecht die gesellschaftsrechtlichen Regelungen in der Eigenverwaltung verdrängt, wird dabei allerdings uneinheitlich beantwortet. Die Extremposition geht von einer vollständigen Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Regelung im Verfahren der Eigenverwaltung aus. Die vertretungsberechtigten Organe sollen im Rahmen der Ausübung ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weder an interne Weisungen oder Zustimmungsrechte gebunden sein, noch sollen die Gesellschafter die Geschäftsführer abberufen können.79 Gleichsam in der Mitte befindet sich der überwiegende Teil dieser „Verdrängungslehre“.80 Im Grundsatz übt das vertretungsberechtigte Organ nach außen hin die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, losgelöst von jeglichen gesellschaftsrechtlichen Bindungen, aus. Wie im Regelverfahren soll die Bestellung und Abberufung des vertretungsberechtigten Organs aber weiterhin nach gesellschaftsrechtlichen Regeln erfolgen. Im Fall der GmbH wird demzufolge den Gesellschaftern zwar das Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer (§ 37 GmbHG) abgesprochen, allerdings soll ihnen das Recht auf Abberufung und Bestellung des Geschäftsführers aus § 46 Nr. 5 GmbHG nach wie vor uneingeschränkt zustehen. Die geringste Verdrängungswirkung spricht dagegen Noack81 dem Insolvenzrecht im Verfahren der Eigenverwaltung zu. Im Grundsatz soll die Gesellschaft nach dem Regime des Gesellschaftsrechts handeln, also die Wahrnehmungszuständigkeit sich nach der Verbandsverfassung der schuldnerischen Gesellschaft richten. Jede einzelne Binnenkompetenz müsse je77
Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 777 ff., insbesondere 782. FK/Foltis, InsO, Vor § 270 Rn. 67; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, S. 105, 107 f.; HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 20; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 777 ff.; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 15 a; ders., in: Braun, InsO, § 270 Rn. 1; Schlegel, S. 196, 271; wohl auch Eidenmüller ZHR 169 (2005), 528, 549 jedenfalls in Konzernsachverhalten. 79 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782. 80 FK/Foltis, InsO, Vor § 270 Rn. 67; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, S. 105, 107 f.; HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 20; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 15 a; ders., in: Braun, InsO, § 270 Rn. 1. 81 Noack, ZIP 2002, 1873 ff.; ders., Aufsichtsrat, S. 37 ff. 78
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
doch daraufhin überprüft werden, ob sie der besonderen Situation der Insolvenzgesellschaft in Eigenverwaltung entspricht.82 Als eine Art „Beurteilungsschlüssel“ für die Überprüfung gibt Noack dem Rechtsanwender folgende Unterscheidung mit auf dem Weg: Ist die Binnenkompetenz Ausdruck einer spezifischen „corporate governance“, dann soll entsprechend dem Sinn und Zweck der Eigenverwaltung, das Know-how und die besonderen Verhältnisse des Schuldners nutzen zu können, die gesellschaftliche Binnenstruktur in der Eigenverwaltung erhalten bleiben.83 Für die Aktiengesellschaft sollen sich deshalb die gesetzlich geregelten Binnenkompetenzen der Führungsorgane Vorstand und Aufsichtsrat niemals verschieben. Der Zustimmungskatalog, den jede AG nach ihrer Satzung oder gemäß einer Bestimmung des Aufsichtsrates zu führen hat (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) soll auch im Hinblick auf die Befugnisse der Eigenverwaltung gelten.84 Dienten dagegen die Kompetenzen rein den Vermögens- und Strukturinteressen der Aktionäre, so werden sie – jedenfalls in einem wegen Überschuldung eingeleiteten Insolvenzverfahren – insolvenzspezifisch verdrängt.85 Für Kompetenzen, die nicht Ausdruck von Führungsstrukturen sind, sondern lediglich der Absicherung von Vermögensinteressen dienen, sei in der Insolvenz kein Raum, weil das Vermögen in der Insolvenz haftungsrechtlich den Gläubigern zugeordnet ist und im Fall der Überschuldung dem Anteil keinen Wert mehr zukommt.86 Zu Letzteren zählt Noack ausdrücklich die durch richterliche Rechtsfortbildung geschaffenen Holzmüller-Grundsätze87 und die Zustimmungspflicht der Hauptversammlung aus § 179 a AktG bei Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens. Zu dem Weisungsrecht der Gesellschafter aus § 37 GmbHG äußert sich Noack dagegen nicht, so dass an dieser Stelle versucht werden soll, den von ihm kreierten „Beurteilungsschlüssel“ auf die Kompetenzordnung der GmbH anzuwenden. Das GmbHG hebt die Gesellschafter auf die Ebene des obersten Willensbildungsorgans der Gesellschaft und hat es mit einem nahezu uneingeschränkten Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer ausgestattet.88 Selbst das laufende Tagesgeschäft ist dem Geschäftsführer 82
Noack, ZIP 2002, 1873, 1877. Noack, ZIP 2002, 1873, 1877; ihm folgend, Hofmann, S. 201, 203 f. 84 Noack, Aufsichtsrat, S. 39. 85 Noack, ZIP 2002, 1877; ders., Aufsichtsrat, S. 37 ff. 86 Noack, ZIP 2002, 1873, 1877. 87 Siehe oben, S. 215, Fn. 69. 88 Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 4; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 22; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 10; Lutter/Hommelhoff, § 45 Rn. 2; GroßKomm GmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 14; Scholz/Schneider, § 37 Rn. 38. 83
A. Eigenverwaltung
219
nicht als unentziehbarer Kernbereich zugewiesen.89 Die Kompetenzen der Gesellschafter beschränken sich somit nicht nur auf reine Wahrung von Vermögensrechten, sondern ist Ausdruck einer der GmbH spezifischen „corporate governance“ und in Anknüpfung an den Kontinuitätsgedanken der Eigenverwaltung auch für das Insolvenzverfahren erhaltenswürdig. 2. Stellungnahme Eine insolvenzrechtliche Verdrängung der verbandsinternen Kompetenzen der Gesellschaft bei der Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im Verfahren der Eigenverwaltung geht aus der Insolvenzordnung nicht unmittelbar hervor. Der Wortlaut aus § 270 Abs. 1 S. 1 als Zuweisungsnorm dürfte lediglich insoweit eindeutig sein, als der Gesellschaft („der Schuldner“) und nicht etwa den vertretungsberechtigten Organen die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse übertragen wird.90 Aber auch im Gesellschaftsrecht sucht man vergeblich nach einer verbandsinternen Zuständigkeitsverteilung einer sich in Eigenverwaltung befindenden Gesellschaft. Das Gesellschaftsrecht ordnet lediglich allgemein mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens in § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG, § 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG die Auflösung der Gesellschaft an. Eine Veränderung der Zuständigkeitsverteilung innerhalb des Verbandes ist jedoch damit nicht verbunden. Im Gegenteil, die für die gesellschaftsrechtliche Abwicklung bei der Aktiengesellschaft stattfindende Verschiebung der Kompetenzen nach § 265 Abs. 2 S. 1, Abs. 5 AktG findet im Hinblick auf die Insolvenz bedingte Auflösung nach § 264 Abs. 1 AktG gerade nicht statt. 89 OLG Nürnberg, NZG 2000, 154 f.; Goette, DStR 1998, 938, 942; Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 4 Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 129; Michalski/Lenz, § 37 Rn. 10; Michalski/Lenz, § 37 Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, § 37 Rn. 22; GroßKomm GmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 14; Scholz/Schneider, § 37 Rn. 38; Wank, GmbHR 1980, 121, 123; Mennicke, NZG 2000, 622 f.; Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 839, 845; Höhn, S. 5; kritisch dagegen nur, Zöllner/Noack, § 37 Rn. 19. 90 Unter dem Wortlaut eines Gesetzes versteht man die Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder soweit ein solcher vorliegt, den besonderen Sprachgebrauch des Gesetzes oder den allgemeinen juristischen Sprachgebrauch. Ausdrücke, die in der Rechtssprache eine spezifische Bedeutung erhalten haben, wie z. B. Vertrag, Forderung, Anfechtbarkeit, werden in den Gesetzen meist in dieser speziellen Bedeutung gebraucht, vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 145. Dass in der Rechtssprache mit dem Begriff Schuldner die juristische Person als solche und nicht das vertretungsberechtigte Organ gemeint ist, dürfte außer Zweifel sein. Die Zuweisung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis an das Geschäftsführungsorgan würde damit schon die durch den Wortsinn von § 270 Abs. 1 S. 1 InsO gesteckte Auslegungsgrenze überschreiten.
220
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Das Gesellschaftsrecht geht vielmehr davon aus, dass insolvente Gesellschaften hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur den für die werbende Gesellschaft geltenden Vorschriften unterliegen.91 Nachfolgend soll untersucht werden, ob systematische, historische und teleologische Gründe evtl. für eine Verdrängung der verbandsinternen Kompetenzen im Verfahren der Eigenverwaltung sprechen. Diese Frage soll auch einer rechtsvergleichenden Betrachtung zum US-amerikanischen Recht unterzogen werden. a) Systematisches Argument aa) §§ 275, 276, 277 InsO als abschließende Regelung über Zustimmungsvorbehalte (Konkurrenz zu den Gläubigerorganen) Als ein systematisches Argument für eine Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des vertretungsberechtigten Organs im Verfahren der Eigenverwaltung könnten die aus der Insolvenzordnung fließenden Mitwirkungsrechte von Gläubigerausschuss und Sachwalter ins Feld geführt werden. Auch wenn im Verfahren der Eigenverwaltung der Schuldner mit der aktiven Verfahrensbewältigung beauftragt wird, agiert dieser nicht etwa allein, sondern unter der Aufsicht von Sachwalter und Gläubigerausschuss. Dem Gläubigerausschuss stehen dabei die gleichen Überwachungs- und Zustimmungsrechte (§ 160 InsO) zu wie gegenüber dem Insolvenzverwalter im Regelverfahren. Anders als im Regelverfahren steht der Schuldner und damit das vertretungsberechtigte Gesellschaftsorgan zusätzlich unter der Aufsicht des Sachwalters und hat für das Eingehen von Verbindlichkeiten außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs seine Zustimmung einzuholen (§ 275 Abs. 1 InsO). Diese Kontroll- und Zustimmungsrechte der Organe des Insolvenzverfahrens könnten die gesellschaftsrechtlichen Organe möglicherweise aus ihrer Kontroll-, Zustimmungs-, und Weisungsbefugnis gegenüber dem vertretungsberechtigten Organ verdrängen.92 Im Hinblick auf die Aktiengesellschaft mögen die Zustimmungsrechte des Aufsichtsrates gegenüber Maßnahmen der Geschäftsführung des Vorstandes (§ 111 Abs. 4 S. 2 AktG) nach außen hin zumindest eine gewisse Ähnlichkeit zu den Kontrollrechten von Sachwalter und Gläubigerausschuss haben. Entsprechend müsste der Vorstand einer Aktiengesellschaft bei besonders wichtigen Rechtsgeschäften die vorherige Zustimmung des Sachwalters und Gläubigerausschusses (§ 275 f) und zusätzlich die Zustimmung 91 92
Hüffer, AktG, § 264 AktG Rn. 8; Hofmann, Eigenverwaltung, S. 171. So HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 20; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 778.
A. Eigenverwaltung
221
des Aufsichtsrates einholen, was man als unpraktikabel empfinden könnte.93 Dieser äußere Vergleich nimmt an Überzeugungskraft jedoch ab, wenn man sich der GmbH zuwendet. Nach § 69 S. 1 InsO haben die Mitglieder des Gläubigerausschusses den Insolvenzverwalter (in der Eigenverwaltung den Schuldner) zu unterstützen und zu bewachen.94 Zwar erstreckt sich die Überwachung neben der Rechtmäßigkeitskontrolle auch auf die Wirtschaftlichkeitskontrolle. Die Aufgaben des Gläubigerausschusses sind jedoch auf eine Beratungsund Kontrollfunktion beschränkt.95 Der Gläubigerausschuss ist insbesondere nicht mit einer Weisungsbefugnis gegenüber dem Insolvenzverwalter ausgestattet.96 Es besteht lediglich eine interne Zustimmungspflicht, für Rechtshandlungen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind (vgl. § 160 Abs. 1 InsO).97 Auch dem Sachwalter kommt lediglich eine passive Beobachtungs- und Zustimmungspflicht zu.98 Er ist vergleichbar mit einem Lotsen auf der Brücke, der dem Kapitän allenfalls Unterlassungsbefehle geben kann. Diese Kompetenzen sind nicht vergleichbar mit den Kompetenzen der Gesellschafterversammlung einer GmbH. Die Gesellschafterversammlung ist oberstes Organ der Gesellschaft und mit einem unbegrenzten Weisungsrecht ausgestattet, welche bei entsprechendem Gebrauch des Weisungsrechts den Geschäftsführer zu einem bloßen „Befehlsempfänger“ degradieren kann.99 Diese aktive Stellung kann aber aufgrund ihrer begrenzten Aufgaben nicht von den Insolvenzverfahrensorganen Sachwalter oder Gläubigerausschuss eingenommen werden. Für den GmbHGeschäftsführer wäre die Entkoppelung von der Gesellschafterversammlung folglich mit einem erheblichen Kompetenzzuwachs verbunden. Die Annahme einer Verdrängung der verbandsinternen Bindungen durch die Insolvenzverfahrensorgane Sachwalter und Gläubigerausschuss würden im Übrigen die Willensbildung der Gläubiger und des Schuldners in unbe93
Vgl. HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 20; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777,
779. 94
Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 69 Rn. 12. Hess/Weis/Wienberg/Hess, InsO, § 69 Rn. 6. 96 RGZ 36, 368; Hess/Weis/Wienberg/Hess, InsO, § 69 Rn. 6, 19; Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 21 Rn. 2; Kübler/Prütting/Kübler, InsO, § 69 Rn. 21; Obermüller, FS Möhring, S. 101, 105; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 69 Rn. 12. 97 Vgl. Hess/Weis/Wienberg/Hess, § 69 Rn. 19. 98 Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 274 Rn. 7; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 274 Rn. 10. 99 Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 4; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, GmbHG, § 37 Rn. 22; Michalski/Lenz, GmbHG, § 37 Rn. 10; Lutter/Hommelhoff, § 45 Rn. 2; GroßKomm GmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 14; Scholz/Schneider, § 37 Rn. 38. 95
222
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
rechtigterweise miteinander verquicken. Weder der Gläubigerausschuss noch der Sachwalter können an der Willensbildung des schuldnerischen Verbandes teilhaben. Wem die dem Schuldner zustehende aktive Willensbildung bezüglich der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Masse im Verband zusteht, regeln die §§ 275–277 InsO nicht und sind als systematisches Argument, das vertretungsberechtigte Organ agiere in der Eigenverwaltung losgelöst von jeglichen verbandsinternen Zuständigkeitsverteilungen, nicht brauchbar. Die §§ 275–277 InsO sprechen im Verhältnis zu § 270 Abs. 1 S. 1 InsO eher für ein zweistufiges System. Das Insolvenzrecht überlässt in einem ersten Schritt dem Verbandsrecht den aktiven Willensbildungsprozess bezüglich der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis100 der schuldnerischen Gesellschaft. Das Ergebnis des verbandsrechtlichen Willensbildungsprozess haben dann die vertretungsberechtigten Organe dem Sachwalter vorzulegen, wenn es sich um Rechtshandlungen handelt, die außerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebs liegen bzw. die Zustimmung des Gläubigerausschusses einzuholen, wenn es sich um Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung handelt.101 Für die GmbH würde dieses „zweigleisige System“ bedeuten, dass die Gesellschafterversammlung den Geschäftsführer anweisen kann, wie er die schuldnerischen Befugnisse aus § 270 ff. InsO ausüben soll, während der Geschäftsführer vor Umsetzung nach außen ggf. die Zustimmung der insolvenzverfahrensmäßig eingesetzten Gremien einholen muss.102 bb) Jederzeitige Aufhebung § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO Die Gläubigerversammlung kann gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO jederzeit auf Grundlage eines Mehrheitsbeschlusses beim Insolvenzgericht die Aufhebung der Eigenverwaltung beantragen, worauf hin das Insolvenzgericht einen Insolvenzverwalter einzusetzen hat. Den Gläubigern stünde mit diesem Antrag ein effektives Mittel zur Verfügung, verbandsinterne Zustimmungs- und Weisungsrechte zu torpedieren. Aus dieser Möglichkeit wird teilweise die Funktionslosigkeit verbandsinterner Bindungen des vertretungsberechtigten Organs geschlossen, weil die Gläubiger Verwaltungs- und Verwertungsinitiativen von Geschäftsführer oder Vorstand gegen Blockadehaltungen anderer Gesellschaftsorgane durchsetzen können.103 Unterschwel100 Gleiches gilt für die dem Schuldner zustehenden insolvenzspezifischen Rechte aus § 279, 282, 284 InsO. 101 Im Sinne eines strikten Nacheinanders vgl. auch Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 502; ähnlich, K. Schmidt, Entwicklungen, S. 19, 29, der die Kontrolle des Sachwalters schon auf die Weisung der Gesellschafter erstrecken will. 102 Vgl. Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 502. 103 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779.
A. Eigenverwaltung
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lig steckt hinter dieser Argumentation die Vorstellung, dass die Gläubiger Einfluss auf das vertretungsberechtigte Organ der schuldnerischen Gesellschaft haben und dieses sich gleichsam „im Lager der Gläubiger“ befindet, während sich auf der anderen Seite Gesellschafter oder Aufsichtsrat befinden, von denen Widerstand zu erwarten ist. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch vom Vorstand und Geschäftsführer des Schuldners kann ein Handeln ausgehen, dass nicht im Interesse der Gläubiger ist. Genau dafür ist allerdings die Aufsichts- und Informationspflicht des Sachwalters konzipiert, wodurch die Gläubiger in die Lage versetzt werden sollen, bei nicht interessengerechtem Agieren des Schuldners die Aufhebung der Eigenverwaltung zu beantragen.104 Die Gläubiger sollen mit der Möglichkeit der Aufhebung der Eigenverwaltung allgemein unkooperatives Verhalten aller schuldnerischen Organe beseitigen können. Die Vermutung der Geschäftsführer der schuldnerischen Gesellschaft werde Konzepte zur Verfahrensbewältigung entwickeln, die es mit dem Gläubigerausschuss gegen die Gesellschafter durchzusetzen gelte, geht von einer Praxis aus, die im Widerspruch zum Grundanliegen der Eigenverwaltung steht. Gemeint sind die sog. Insolvenzvorstände. Bei den sog. Insolvenzvorständen werden kurz vor Stellung des Insolvenzantrages, verbunden mit dem Antrag auf Eigenverwaltung, auf Druck von Großgläubigern erfahrene Insolvenzverwalter als Vorstandsvorsitzender oder Mitglieder des Vorstandes berufen.105 Letztlich soll die Entscheidung des Insolvenzgerichts über die Einsetzung eines Insolvenzverwalters durch eine Vereinbarung zwischen Gesellschaftermehrheit und Großgläubiger ersetzt werden. Die eigentliche Intention der Eigenverwaltung, die Branchenerfahrungen der Geschäftsführung und Kontinuität der Unternehmensführung bei Sanierungsaussichten zu erhalten, wird mit einer Auswechselung eines erfahrenen Insolvenzverwalters als Geschäftsführer kurz vor Stellung des Insolvenzantrages sicher ebenfalls nicht gerecht. Haben die Großgläubiger durch massiven Druck auf die Gesellschafterversammlung (möglicherweise mit einer Sanierungsoption als Lockvogel) „ihren Insolvenzverwalter“ auf das Schild des eigenverwaltenden Geschäftsführers gehoben, werden über diesen Bestellungsakt weiterhin bestehende Einflussmöglichkeiten als lästig empfunden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Sanierungsabsicht verfliegt und der ausgewechselte Geschäftsführer mit der Liquidation betraut wird. Dass bei einer von den Gläubigern aufgezwungenen Selbstzerstörung 104 Die Überwachungspflichten des Sachwalters sollen dabei keine Eingriffsrechte gegenüber dem Schuldner darstellen, sondern nur eine Anzeigepflicht des Sachwalters, die für ihn wegen der damit verbundenen Konsequenzen zugleich ein Druckmittel gegenüber dem Schuldner zur Erfüllung seiner Kooperationspflichten darstellt, vgl. Hess/Weis/Wienberg/Weis, § 274 Rn. 51. 105 Vgl. Kritik AG Duisburg ZIP 2002, 1636, 1639.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
nicht mit einer Kooperation der Gesellschafter zu rechnen ist, liegt auf der Hand. Dies rechtfertigt allerdings nicht, den Geschäftsführer von seinen gesellschaftrechtlichen Bindungen zu befreien, sondern bestätigt vielmehr die Einschätzung des Gesetzgebers, dass die Eigenverwaltung grundsätzlich nur für Sanierungen und nicht für Liquidationen geeignet ist.106 cc) Gesellschaftsrechtliche Bindung als sonstiger Nachteil i. S. d. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO Eine Unstimmigkeit der gesellschaftsrechtlichen Bindungen mit dem System der Eigenverwaltung wird aus der nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO für die Anordnung der Eigenverwaltung erforderliche Nachteilsprognose angenommen.107 Nach dieser Vorschrift darf die Eigenverwaltung nur angeordnet werden, wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass die Anordnung nicht zu einer Verzögerung des Verfahrens oder zu sonstigen Nachteilen108 für die Gläubiger führen wird. Die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen soll dabei generell ein „sonstiger Nachteil“ im Sinne von § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO sein, mit der Konsequenz, dass die Eigenverwaltung bei Gesellschaften niemals angeordnet werden könnte.109 Auch dieser Einwand unterstellt – wiederum in Anlehnung an einen praktischen Fall, dem ein Liquidationssachverhalt zugrunde lag110 – der Gesellschafterversammlung eine generelle Blockadehaltung im Gegensatz zum Geschäftsführer. Auch hier ist wiederum auf die Funktion der Eigenverwaltung zu verweisen, die Betriebsfortführung im Rahmen einer angestrebten Sanierung zu ermöglichen.111 Nachteile für die Gläubiger sind zu befürchten, wenn man die schuldnerische Gesellschaft mit der Liquidation im Interesse der Gläubiger beauftragt. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für den Schuldner als natürliche Person. Das Problem der zu erwartenden Nachteile für die Gläubiger wird demnach zu Unrecht in die Frage der gesellschaftsrechtlichen Bindung verortet, 106 Vgl. Begr.RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 223; siehe oben, 4. Teil, A.II.3., S. 203. 107 Graf-Schlicker, FS Kirchhof, S. 134, 147; Huhn, Rn. 629; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779. 108 Vergleichsmaßstab ist insoweit das Regelverfahren; vgl. Nerlich/Römermann/ Riggert, § 270 Rn. 22. 109 Graf-Schlicker, FS Kirchhof, S. 134, 147; Huhn, Rn. 629; Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779. 110 Vgl. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 777, in Anlehnung an Kirch Media. Dort ging es um die Frage, ob der Aufsichtsrat seine Zustimmung für die Veräußerung eines wesentlichen Assets (Premiere-Rechte) erteilen muss. 111 Begr.RegE InsO, BT-Drucks., 12/2443, S. 223.
A. Eigenverwaltung
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vielmehr ist eine Grundsatzfrage, ob der Schuldner mit seiner eigenen Liquidation beauftragt werden soll. Liquidieren kann der Insolvenzverwalter im Zweifel besser als der Schuldner.112 Mit einer generellen „Fehlleitung des gesellschaftsrechtlichen Binnensteuerungsmodells“ ist nur dort zu rechnen, wo die Gesellschafter – wirtschaftlich gesehen – nichts mehr zu verlieren haben. In diesem Fall sind sie in aller Regel versucht, durch Spekulationen auf Kosten der Gläubiger jede noch so kleine Chance für sich zu nutzen.113 Letzteres ist aber nur bei der Liquidation der Fall. Dagegen zeigt sich bei der fortführenden Sanierung/Reorganisation ein ganz anderes Bild. Gesellschafter können durch fortführende Sanierung nur gewinnen und nichts verlieren.114 Die Gefahr einer Blockade durch die Gesellschafter wird hier viel geringer sein, weil die Interessen der Gesellschafter im Grundsatz mit denen der Gläubiger übereinstimmen. Die Gesellschafter wie die Gläubiger haben hier ein Interesse daran, das von der Gesellschaft getragene Unternehmen so ertragreich wie möglich zu steuern. Die Gläubiger, um aus den Erträgen so gut wie möglich entsprechend eines Insolvenzplanes befriedigt zu werden, für die Gesellschafter ist dies die einzige Chance, langfristig ihrem Gesellschaftsanteil wieder Wert zu verschaffen.115 Die Chance, ihrem Gesellschaftsanteil langfristig Wert zu verschaffen, kann durch die Entscheidung der Gläubiger für eine Liquidation jederzeit genommen werden. Ferner können die Gesellschafter von ihrer Einflussnahme durch den jederzeit möglichen Übergang ins Regelverfahren abgeschnitten werden. Angesichts dieser „Drohpotentiale“ ist davon auszugehen, dass der Gesellschafter diese Chance nicht durch irrationales Verhalten zu Nichte machen wird, sondern es ist im Rahmen einer fortführenden Sanierung vielmehr mit einer konstruktiven Zusammenarbeit zwischen Gesellschafter und Gläubigerorganen (Gläubigerausschuss, Sachwalter) zu rechnen.116 Vor diesem Hintergrund lässt sich kein genereller Nachteil für die Gläubiger aus dem Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen in der Eigenverwaltung entnehmen. Es sind keine Nachteile ersichtlich, die nicht in der Natur der Eigenverwaltung selbst liegen. Diese Nachteile hat der Gesetzgeber aber mit der Regelung dieser Kompetenzordnung bewusst in Kauf genommen. Mag nicht für alle Fälle eine destruktive Verhaltensweise der 112
Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 407. Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 22. 114 Jackson, 60 Am.Bankr.L.J. 399, 414 (1988). 115 Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 492; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; vgl. auch Braun, NZI 2003, 588, 590; Kessler, S. 249; im US-amerikanischen Schrifttum, Miller, Seton Hall Law Review Vol 23 (1992–1993), 1467, 1505. 116 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; vgl. auch Braun, NZI 2003, 588, 590; Kessler, S. 249. 113
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Gesellschafter auszuschließen sein, so verbietet sich aufgrund des oben ausgeführten Interessensgleichlaufes bei der fortführenden Sanierung die Annahme eines generellen Nachteils. Das Insolvenzgericht hat vielmehr auf Grundlage der im Eröffnungsverfahren vom Gutachter bzw. vorläufigen Insolvenzverwalter gesammelten Informationen eine konkrete Prognose zu führen. Nur wenn im Einzelfall Umstände vorliegen, welche erwarten lassen, dass Gesellschaftsorgane die optimale Gläubigerbefriedigung vereiteln, spricht die Nachteilsprognose gegen die Anordnung der Eigenverwaltung. Für den vorliegend interessanten Konzernsachverhalt ist maßgeblich auf die Vertrauenswürdigkeit des Mehrheitsgesellschafters abzustellen. Bei einer Einmann-GmbH oder einem Mehrheitsgesellschafter bestehen stabile Mehrheiten, welche keine höhere Gefahr einer Blockadestellung heraufbeschwört als bei einem Einzelschuldner. dd) Vergleichbarkeit der Stellung des vertretungsberechtigten Organs mit der des Insolvenzverwalters? Eine Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen wird zum Teil aus einer Unstimmigkeit zum Regelverfahren geschlossen. Die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Bindungen wird dabei als systematischer Bruch zur Rechtsstellung des Insolvenzverwalters gesehen.117 Unterliegt der Insolvenzverwalter im Regelverfahren nicht den gesellschaftsrechtlichen Bindungen, so könne auch das vertretungsberechtigte Organ nicht den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegen. Schützenhilfe erwarten sich die Vertreter der Verdrängungslehre von § 270 Abs. 1 S. 2 InsO, welcher auf die allgemeinen Vorschriften verweist.118 Zusätzlich wird auf die angebliche Intention des Gesetzgebers zur ausnahmslosen Gleichbehandlung von Eigenverwaltung und Regelverfahren verwiesen, welche wiederum durch einen Verweis auf eine Passage in den Begründungen zum Regierungsentwurf versucht wird zu belegen.119 In der zitierten Passage zur Eigenverwaltung heißt es: „Die Vorschriften des materiellen Insolvenzrechts sollen bei dieser Verfahrensgestaltung im Grundsatz unverändert gelten.“120
Diese Passage bezieht sich ausdrücklich nur auf das materielle Insolvenzrecht. Der diesem Zitat anschließende Satz macht die Absicht des Gesetzgebers, die Gleichsetzung von Eigenverwaltung und Regelverfahren auf das materielle Insolvenzrecht beschränkt wissen zu wollen, deutlich: 117 118 119 120
So Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. So Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 780. BT-Drucks. 12/2443, S. 223, linke Spalte.
A. Eigenverwaltung
227
„So sollen das Wahlrecht bei gegenseitigen Verträgen und die Insolvenzanfechtung unter den gleichen Voraussetzungen möglich sein wie im Regelverfahren; insofern wird nur die Aufteilung der Befugnisse zwischen Schuldner und Sachwalter geregelt. (. . .).“121
Der Hinweis im Regierungsentwurf auf das gleichsam geltende Insolvenzrecht ist vielmehr im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung um die Vergleichsordnung zu verstehen.122 Das Vergleichsverfahren unterschied sich jedoch nicht nur durch unterschiedliche Kompetenzverteilungen zwischen Schuldner und Vergleichsverwalter zur Konkursordnung, sondern enthielt auch materiell-rechtlich andere Regeln. Mit der Insolvenzordnung wollte der Gesetzgeber zwar die Kompetenzordnung der Vergleichsordnung mit in das neue Insolvenzrecht durch das Institut der Eigenverwaltung übernehmen, nicht aber die Unterschiedlichkeit der materiell rechtlichen Vorschriften fortsetzen. Aus der vielfachen Bezugnahme des Regierungsentwurfs auf das Vergleichsverfahren wird deutlich, dass mit der Eigenverwaltung der Gesetzgeber eine völlig andere, zum Regelverfahren alternative Kompetenzordnung zur Verfügung stellen wollte. In der Begründung des Regierungsentwurfs heißt es: „Außerhalb des Bereichs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gelten für das Insolvenzverfahren, bei dem die Eigenverwaltung unter der Aufsicht eines Sachwalters angeordnet ist, die gleichen Bestimmungen wie für ein Insolvenzverfahren mit Insolvenzverwalter (Abs. 1 S. 2).“123
Im Ergebnis ist nach der gesetzgeberischen Konzeption die Kompetenzordnung von der Gleichsetzung gerade ausgenommen und aus dem Verweis auf die allgemeinen Vorschriften (§ 272 Abs. 1 S. 2) nicht der Schluss zu ziehen, dass der Geschäftsführer in der Eigenverwaltung den gesellschaftsrechtlichen Bindungen nicht unterworfen sein kann, weil der Insolvenzverwalter im Regelverfahren ebenfalls nicht der gesellschaftsrechtlichen Bindung unterworfen ist. Vielmehr will man durch eine Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen die Eigenverwaltung bei Gesellschaftsinsolvenzen künstlich dem Regelverfahren annähern, indem das Geschäftsführungsorgan in eine dem Insolvenzverwalter entsprechende Rolle gedrängt werden soll.124 Eine andere Person als der Schuldner selbst kann aber nur als Insolvenzverwalter bestellt werden. § 56 InsO würde damit umgangen, denn die vertretungs121
BT-Drucks. 12/2443, S. 223, linke Spalte. Vgl. die Vielzahl von Bezugnahmen auf die Vergleichsordnung in der Begründung des Regierungsentwurfes BT-Drucks. 12/2443, S. 222 ff. 123 BT-DruckS. 12/2443, S. 223, rechte Spalte. 124 Vgl. AG Duisburg ZIP 2002, 1636, 1639 „Fremdverwaltung im Kostüm der Eigenverwaltung“; vgl. auch Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 20; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408 „Personeneigenverwalter“. 122
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
berechtigten Organe hätten niemals die in § 56 InsO geforderte Unabhängigkeit.125 Die Loslösung des Exekutivorgans von gesellschaftsrechtlichen Bindungen und die damit verbundene Annäherung an einen Insolvenzverwalter würden den falschen Eindruck einer persönlichen Amtswalterstellung des Geschäftsführers erzeugen, die es nach der gesetzgeberischen Konzeption nicht geben kann, denn das Gesetz sieht für den Schuldner in der Eigenverwaltung keine dem Insolvenzverwalter vergleichbare haftungsrechtliche Verantwortung gegenüber den Beteiligten des Verfahrens vor, insbesondere ist die insolvenzspezifische Haftungsregel aus § 60 InsO nur auf den Sachwalter anwendbar (vgl. § 274 Abs. 1 InsO).126 Eine mit dem Insolvenzverwalter vergleichbare Garantenstellung der Geschäftsleitung zum Schutze der Gläubigerinteressen besteht also nicht und kann einen insolvenzbedingten Kompetenzzuwachs des Geschäftsführungsorgans in der Eigenverwaltung nicht rechtfertigen. Die Verdrängungslehre schwört vielmehr selbst einen Systembruch zum Regelverfahren herauf. Die Verdrängung der verbandsinternen Bindungen des Geschäftsführers von den Weisungen der Gesellschafterversammlung (§ 37 GmbHG) soll den Einfluss der Gesellschafter von der Masseverwaltung und -verwertung durch den Geschäftsführer fern halten. Eine Abschirmung der Masse vor den Einflüssen der Gesellschafterversammlung lässt sich allerdings nur dann effektiv erreichen, wenn man den Gesellschaftern gleichzeitig das Recht zur Bestellung des Geschäftsführers aus § 46 Nr. 5 GmbHG nehmen würde.127 Indem die Binnenorgane über die Person entscheiden, die im Außenverhältnis die Befugnisse aus §§ 270 ff. InsO wahrnimmt und diese jederzeit wieder abberufen kann, bleibt ihnen eine maßgebliche Einflussnahme auf die Masseverwertung und den Gang des Verfahrens. Der Einfluss der Gesellschafter auf die Masse ließe sich in Wirklichkeit nur dann abschneiden, wenn man ihnen die Möglichkeit zur Abberufung des Geschäftsführers nähme. Ansonsten stünden die Geschäftsführer bei der formal ihnen zustehenden Befugnisausübung trotz Verdrängung des Weisungsrechtes unter dem Damoklesschwert der jederzeit möglichen Abberufung, was ein Handeln des Geschäftsführers im Sinne der Gesellschafter wahrscheinlich macht. Nähme man der Gesellschafterversammlung auch noch die Abberu125
Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408. Vgl. Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 20; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 500. 127 Insoweit konsequent: Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 782; Görg/Stockhausen, FS Metzeler, S. 105, 107; anders dagegen: HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 20; FK/Foltis, InsO, Vor § 270 Rn. 67; Nerlich/Römermann/Riggert, InsO, § 270 Rn. 15 a; Braun/Riggert, InsO, § 270 Rn. 1; Schlegel, S. 196, 271; die im Übrigen aber jegliche interne Bindung des Geschäftsführers verdrängt wissen wollen. 126
A. Eigenverwaltung
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fungskompetenz, dann stünden ihr im Ergebnis aber noch weniger Kompetenzen zu als im Regelverfahren, denn die Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers verbleibt im Regelverfahren nach einhelliger Meinung als sog. Schuldnerbereich bei der Gesellschafterversammlung.128 Eine Verdrängung aus der Bestellungs- und Abberufungskompetenz ließe sich jedoch kaum mit der gesetzgeberischen Intention zur Eigenverwaltung vereinbaren, dem Schuldner mehr Kompetenzen als im Regelverfahren zu geben. b) Rechtsvergleichende Betrachtung zum US-amerikanischen Recht Es wurde bereits mehrfach auf den besonderen Stellenwert des Rechts der Vereinigten Staaten von Amerika bei der Neuordnung des Insolvenzrechts hingewiesen. Die dortigen Erfahrungen mit dem „debtor in possession“ hat der deutsche Gesetzgeber bei der Schaffung der Eigenverwaltung mit einfließen lassen.129 Auf das hier auch für das deutsche Recht vertretene insolvenzspezifische Verständnis der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im US-amerikanischen Recht wurde bereits hingewiesen.130 Eine rechtsvergleichende Betrachtung ist demnach nahe liegend, doch blieb sie – soweit ersichtlich – bislang aus. Dies ist umso erstaunlicher, weil sich die US-amerikanischen Gerichte und das Schrifttum seit langem mit der Frage der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des vertretungsberechtigten Organs („board of directors“) im Reorganisationsverfahren nach chapter 11 beschäftigen. Schwerpunkt der Diskussion, mit der sich die Gerichte immer wieder zu beschäftigen haben, ist die Frage, ob und inwieweit die Anteilseigner („shareholder“) über das ihr aus dem Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten fließende Recht, jederzeit die directors abberufen und neu wählen zu können, Einfluss auf den Kurs des Reorganisationsverfahrens nehmen dürfen. Wie im deutschen Recht, werden im US-amerikanischen Recht gemäß chapter 11 U.S.C. sec. 1107 die Befugnisse des Schuldners im Verfahren der Eigenverwaltung (debtor in possession) allgemein dem Schuldner zugesprochen, ohne besondere Regelungen für Gesellschaften bereitzustellen. Vgl. chapter 11 U.S.C. in sec. 1107: „(. . .) a debtor in possession shall have all the rights (. . .) and powers, and shall perfom all the functions and duties (. . .) of a trustee serving in a case under this chapter.“
Die Befugnisse des Schuldners (DIP) werden durch eine Übertragung aller dem Insolvenzverwalter (trustee) im Verfahren nach chapter 11 zustehenden Befugnisse definiert. Diese rechtstechnische Anlehnung an den In128 129 130
Siehe oben, 1. Teil, D.I.2.a)bb). Siehe oben, 4. Teil, A.II.1. Siehe oben, 4. Teil, A.II.5.b)cc).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
solvenzverwalter darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Eigenverwaltung im US-amerikanischen chapter 11 Verfahren die Regel ist, während die Einsetzung eines trustees nur ausnahmsweise erfolgt.131 Auch die Einsetzung eines mit dem Sachwalter vergleichbaren examiners erfolgt nur in Ausnahmefällen.132 Eine Aufspaltung der Verwalterkompetenzen auf Schuldner und Sachwalter findet demnach nicht statt, mit der Folge, dass sogar hochbrisante insolvenzspezifische Rechte, wie etwa die Insolvenzanfechtung, vom debtor in possession selbst wahrgenommen werden. Die Kontrolle des Schuldners wird dabei vor allem über den Gläubigerausschuss (creditors’ committee § 1103 BC) erreicht.133 Für den Fall, dass der Schuldner eine juristische Person ist, besteht insoweit Einigkeit, als die juristische Person Inhaber der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse und der insolvenzspezifischen Rechte ist und nicht etwa die vertretungsberechtigten Organe (board of directors).134 Welche Organe die Befugnisse wahrnehmen, soll sich nach dem Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten richten. Grob skizziert obliegt nach dem Gesellschaftsrecht der meisten Bundesstaaten dem „board of directors“ originär die Vertretungsberechtigung nach außen, welches das Tagesgeschäft insbesondere bei großen Gesellschaften jedoch den leitenden Angestellten (executive officer) überträgt.135 Die Befugnisse des DIP werden dementsprechend vom „board of directors“ wahrgenommen.136 Die Gesellschaftsrechte der Bundesstaaten sehen überwiegend vor, dass das „board of directors“ durch Mehrheitsbeschluss entscheidet und an Weisungen der Gesellschafterversammlung nicht gebunden ist.137 Den Gesellschaftern kommt eine direkte Entscheidungskompetenz lediglich bei Entscheidungen in grundlegenden oder außergewöhnlichen Angelegenheiten, wie etwa die Veräußerung eines wesentlichen Teils des Gesellschaftsvermögens, zu.138 Der maßgebliche Einfluss der Gesellschafter auf die Unternehmensführung der Gesellschaft besteht jedoch in der in fast allen Bundesstaaten vorgesehenen Kompetenz der Gesellschafter, die directors ohne Begründung jederzeit abberufen und durch neue besetzen zu können (removal without a cause).139 131
Siehe oben, 4. Teil, A.II.1. Cowans, Bankruptcy, S. 29 f. 133 Cowans, Bankruptcy, S. 29 f. 134 In re Mark Hughes, 704 F. 2d 820, 822 (5th Cir. 1983); White/Medford, 22-6 ABIJ, S. 34. 135 Merkt/Göthel, Rn. 573. 136 In re Schepps Food Store Inc., 160 B.R. 792, 797 (Bankr. S. D. Tex. 1993); In re Albion Disposal Inc., 152 B.R. 794, 813 (Bankr. W.D.N.Y. 1993). 137 Merkt/Göthel, Rn. 573. 138 Shaffer, 8 Am. Bankr.Inst.L.Rev.479, 488, Fn. 35; Merkt/Göthel, Rn. 568. 139 Merkt/Göthel, Rn. 572 f. 132
A. Eigenverwaltung
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Vor diesem Hintergrund ist nicht verwunderlich, dass genau hier die Diskussion in den USA ansetzt.140 Können die Gesellschafter eines DIP durch die Bestellung oder Abberufung der directors auf den Kurs des Reorganisationsverfahrens Einfluss nehmen? Durch die mögliche Einflussnahme der Gesellschafter über die Abberufung der directors sehen insbesondere Lo Pucki und Whitford die Gefahr, die Gesellschafter könnten zu ihren Gunsten und zu Lasten der Gläubiger Einfluss auf die Verwaltung der Insolvenzmasse, insbesondere aber auch den Inhalt eines Reorganisationsplans nehmen.141 Die Gerichte142 und überwiegende Literatur143 lehnen dagegen eine Einschränkung der Einflussnahme der Gesellschafter durch das ihnen nach dem Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten zustehende Recht der Abberufung der directors grundsätzlich ab. In direkter Auseinandersetzung mit den Einwänden von Lo Pucki und Whitford stellte der „Ninth Circuit“ in der Entscheidung Jacobson v. AEG Capital144 klar, dass die corporate governance einer insolventen Gesellschaft als debtor in possession im chapter 11-Verfahren sich uneingeschränkt nach dem Gesellschaftsrecht der Bundesstaaten richte. Eine Einschränkung soll lediglich im Rahmen eines sog. („clear abuse test“) gelten. Nur wenn die Gesellschafter über das Recht zur Abberufung der directors in eindeutig missbräuchlicher Weise („clear abuse“) Einfluss auf das Verfahren nehmen, sehen sich die Gerichte ermächtigt, die Neuwahl von directors zu stoppen.145 Auch die Einsetzung eines trustees wird als eine Möglichkeit gesehen, die verbandsrechtlich begründeten negativen Einflüsse der Gesellschafter auf das Insolvenzverfahren abzuwehren.146 Die Einflussnahme als solche, insbesondere im Hinblick auf den schuldnerischen Reorganisationsplan durch die Abwahl/Neuwahl der di140
White/Medford, 22-6 ABIJ, S. 34. LoPucki/Whitford, Am. Bankr. L.J. 625 (1991); dies., 139 U.Pa.L.Rev. 125 (1990). 142 Jacobson v. AEG Capital Corp., 50 F.3d 1493, 1499–1500 (9th Cir, 1995); In re Johns-Manville Corp., 801 F. 2d 60 (2d Cir.1986); Saxon Industries, Inc. V. NKFW Partners 488 A.2d 1298, 1302 (Del 1984); In re Fairmont Communications Corp, No. 92 B 44861 (Bankr. S.D.N.Y. Mar, 3, 1993); Lionel Corp. V. Committee of Equity Security Holders of Lionel Corp., 30 B.R. 327, 330 (Bankr.S.D.N.Y. 1983). 143 Miller, Seton Hall Law Review Vol 23 (1992–1993), 1467, 1497 ff.; White/ Medford, 22-6 ABIJ, S. 34; Shaffer, 8 Am. Bankr.Inst.L.Rev. 479, 488; Broude, § 6.06. 144 In re Jacobson v. AEG Capital Corp., 50 F.3d 1493, 1499–1500 (9th Cir, 1995). 145 In re Jacobson v. AEG Capital Corp., 50 F.3d 1493, 1499–1500 (9th Cir, 1995); In re Johns-Manville Corp., 801 F. 2d 60 (2d Cir.1986); In re Fairmont Communications Corp, No. 92 B 44861 (Bankr. S.D.N.Y. Mar, 3, 1993); Lionel Corp. V. Committee of Equity Security Holders of Lionel Corp., 30 B.R. 327, 330 (Bankr.S.D.N.Y. 1983). 146 White/Medford, 22-6 ABIJ, S. 34. 141
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
rectors, wurde ausdrücklich nicht als ein Missbrauch verstanden.147 Vielmehr sehen die Gerichte in der weiter bestehenden Einflussnahme eine Chance für das Gelingen einer Reorganisation, statt die Rechte des Schuldners „diktatorisch“ in die Hände der directors zu legen.148 Dies gilt insbesondere auch, wenn die schuldnerische Gesellschaft eindeutig insolvent ist.149 In der Entscheidung In re Saxon Industries, Inc. v. NKFW Partners150 stellte das Gericht klar, dass auch bei offensichtlicher Insolvenz die Gesellschafter noch „parties in intrest“ sind. Die Chance nach einer Restrukturierung und Befriedigung der Gläubiger wieder Ausschüttungen für die Gesellschafter zu erreichen, rechtfertige die Beibehaltung ihrer Einflussmöglichkeiten und verbiete es, die Wahrnehmung dieser Chancen den directors mit unbeschränkter Machtfülle in die Hände zu legen.151 Die Gefahr, durch eine missbräuchliche Einflussnahme die Chance auf eine Reorganisation zu verspielen und den Übergang in ein Liquidationsverfahren nach Chapter 7 heraufzubeschwören, wird grundsätzlich als hinreichende Abschreckung verstanden.152 Eine missbräuchliche Einflussnahme durch die Abwahl der directors wurde jedoch beispielsweise dann angenommen, wenn eine Anhörung zur Bestätigung des Reorganisationsplans bereits stattgefunden hat und Anzeichen dafür bestehen, dass die neuen directors jede Möglichkeit der Reorganisation ernsthaft gefährden wollten.153 Die herrschende US-amerikanische Rechtsauffassung, dass eine juristische Person als „debtor in possession“ im Grundsatz uneingeschränkt nach ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbandsverfassung handelt, kann als Argument für die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen in der Eigenverwaltung herangezogen werden. Die Interessenlage ist insoweit vergleichbar, denn sowohl der „debtor in possession“ als auch die Eigenver147
In re Johns-Manville Corp., 801 F. 2d 60 (2d Cir.1986). Instruktiv: Lionel Corp. V. Committee of Equity Security Holders of Lionel Corp., 30 B.R. 327, 330 (Bankr.S.D:N.Y. 1983): „During bankruptcy it is more important than in less turbulent and more normal times that the shareholders have a voice in the crucial decisions affecting their company’s destiny. A period of crisis does not justify officeholders retaining their positions indefinetly. Democracy, whether political or industrial, is capable of dealing with difficulty and crisis, and is not to be suspended on the pretext of exigency“. Zum ansonsten entstehenden Machtzuwachs der directors vgl. auch Miller, Seton Hall Law Review Vol 23 (1992–1993), 1467, 1505. 149 Bei einem Schuldnerantrag wird für die Eröffnung eines chapter 11 Verfahrens ein Insolvenzgrund nicht geprüft. 150 488, A.2d 1298 (Del. 1984). 151 In re Saxon Industries, Inc. v. NKFW Partners 488, A.2d 1298 (Del. 1984); Miller, Seton Hall Law Review Vol 23 (1992–1993), 1467, 1505. 152 White/Medford, 22-6 ABIJ, S. 34. 153 In re Johns-Manville Corp., 801 F. 2d 60, 65 (2d Cir.1986). 148
A. Eigenverwaltung
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waltung dienen als Kompetenzordnung für die Bewerkstelligung einer fortführenden Sanierung, letztere freilich innerhalb eines einheitlichen Insolvenzverfahrens. c) Historisches Argument Wie bereits erwähnt, hat sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der Eigenverwaltung maßgeblich an die Kompetenzordnung des Vergleichsverfahrens orientiert.154 Unter der Geltung der Vergleichsordnung war jedoch allgemein anerkannt, dass der Schuldner mit Eröffnung des Vergleichsverfahrens entsprechend seiner Verbandsverfassung handelt. Demnach behielten Geschäftsführer und Gesellschafterversammlung, Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlungen ihre Kompetenzen entsprechend der Verbandsverfassung weiter.155 Dies galt sowohl für die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis als auch für besondere Rechte, wie beispielsweise die Ausübung des Wahlrechts bei gegenseitigen Verträgen.156 Sogar das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht aus § 308 Abs. 1 AktG sollte – in den Grenzen der Überwachungsrechte des Vergleichsverwalters – weiterhin auf die im Vergleichsverfahren befindliche Untergesellschaft zugreifen können.157 Im Hinblick auf die hier vertretenen Unterschiede zur Rechtsnatur der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zwischen Insolvenzverfahren und Vergleichsverfahren158 mag dies allerdings nur ein schwaches Indiz für die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen sein. d) Teleologisches Argument Bisher sprachen Wortlaut, Systematik, Rechtsvergleichung und Entstehungsgeschichte für die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Exekutivorgans in der Eigenverwaltung. Die Entflechtung des Exekutivorgans ist demzufolge nur noch im Wege einer teleologischen Reduktion der gesellschaftsrechtlichen Mitbestimmungsregeln möglich. Dabei könnten der Zweck der Eigenverwaltung im Besonderen und der Zweck des Insolvenzverfahrens im Allgemeinen evtl. eine Ausschaltung der verbandsinternen Bindungen rechtfertigen. 154
Siehe oben, 4. Teil, A.II.1. Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20; für die GmbH vgl. § 108 Rn. 48; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 63 Rn. 84; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 63 Rn. 124. 156 Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 20. 157 BGHZ 103, 1, 8; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 297. 158 Siehe oben, 4. Teil, A.II.5. 155
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
aa) Sinn und Zweck der Eigenverwaltung Mit der Option, das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung abwickeln zu können, sollte den Gläubigern ein kostengünstigeres, die Kenntnisse und Erfahrungen der Geschäftsleitung nutzendes und schnelleres Insolvenzverfahren zur Verfügung gestellt werden.159 Durch die gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Geschäftsführers könnten sich Entscheidungsprozesse im Rahmen der Verfahrensbewältigung verzögern.160 Zumindest für die GmbH gilt dieser Einwand indes nicht. Gesellschafterversammlungen unterliegen hier keinem Formalismus, der die Verfahrensbewältigung ernsthaft verzögern könnte. So sieht § 48 Abs. 2 GmbHG etwa die präsenzlose Beschlussfassung in Schrift- oder Textform (§ 126 b BGB) vor. Neben Rundschreiben kann die Beschlussfassung per E-Mail, Fax oder Fernschreiben erfolgen.161 Die meisten Satzungen sehen heutzutage sogar einen gänzlichen Ausschluss der Formvorschriften bzw. eine fernmündliche Beschlussfassung in Telefonkonferenz vor.162 Verzögerungen durch die Prozedere als solche sind demnach nicht zu erwarten. Dass man eine Verzögerung nicht durch ein unterstelltes, generell destruktives Verhalten der Gesellschafter begründen kann, wurde bereits ausgeführt.163 Was den Zweck der Eigenverwaltung anbelangt, die Kenntnisse und Erfahrungen der bisherigen Geschäftsleitung möglichst effektiv nutzen zu können, so wird dieser Zweck eher bei Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen erreicht, als mit der Verdrängung derselben. Die „Konservierung“ der Kenntnisse und Erfahrungen der bisher mit der Geschäftsleitung des Unternehmens betrauten Personen kann sich nämlich nicht auf die vertretungsberechtigten Organe beschränken, um dieser gesetzgeberischen Intention gerecht zu werden. Insbesondere bei der GmbH – aber auch bei der Aktiengesellschaft im Hinblick auf den Aufsichtsrat – können die für die Betriebsfortführung in der Insolvenz notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen an ganz anderer Stelle als dem vertretungsberechtigten Organ liegen. Liegt die eigentliche Geschäftsführung bei der Gesellschafterversammlung164 oder einem Lenkungsausschuss oder bei der Konzernmut159
Siehe oben, 4. Teil, A.II.1. Für die Aktiengesellschaft, HK/Landfermann, InsO, § 270 Rn. 20; Prütting/ Huhn, ZIP 2002, 777, 780 f. 161 Lutter/Hommelhoff, § 48 Rn. 11; Baumbach/Hueck/Zöllner, § 48 Rn. 32. 162 Lutter/Hommelhoff, § 48 Rn. 12 a; GroßKomm GmbH/Hüffer, § 48 Rn. 61; Zwissler, GmbHR 2000, 28 29. 163 4. Teil, A.IV.2.a)cc), S. 224 f. 164 Nach herrschender Meinung kann der Geschäftsführer auf die Funktion eines reinen Ausführungsorgans zurückgedrängt werden, OLG Nürnberg, NZG 2000, 154 f.; Goette, DStR 1998, 938, 942; Hommelhoff, ZGR 1978, 119, 129; Michalski/ 160
A. Eigenverwaltung
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ter165 in ihrer Eigenschaft als Alleingesellschafterin und beschränkt sich die Rolle des Geschäftsführers eher auf ein Exekutivorgan nach außen, dann sind die Kenntnisse und Erfahrungen der „eigentlichen Geschäftsführer“ von maßgeblicher Bedeutung für die Eigenverwaltung. In diesem Fall könnte es bereits an den für die Führung des Unternehmens erforderlichen Fähigkeiten des Geschäftsführers fehlen. Durch die Beibehaltung der Kompetenzordnung der Gesellschaft, wie sie vor Verfahrenseröffnung bestand, würde ferner die Kontinuität der Unternehmensleitung vor, während und nach dem Insolvenzverfahren gesichert. Die durch die Eigenverwaltung bezweckte Möglichkeit der Nutzung des know hows der Entscheidungsträger und Fruchtbarmachung der besonderen Verhältnisse des Schuldners, hat sich bei Handelsgesellschaften demnach auch auf deren spezifische „corporate governance“ zu erstrecken.166 Dass kann auch in der spezifischen Arbeitsteilung zwischen den Organen liegen. Der Sinn und Zweck der Eigenverwaltung rechtfertigt demzufolge keine teleologische Reduktion der verbandsinternen Kompetenzvorschriften. Das Gegenteil ist der Fall. Die Ratio der Eigenverwaltung spricht für die Aufrechterhaltung der verbandsspezifischen „corporate governance“, also der Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des Exekutivorgans.167 Ist man sich bewusst, dass die Gesellschafterversammlung Führungsaufgaben innerhalb der Gesellschafter wahrnimmt (oberstes Organ der Gesellschaft), dann kann auch der Einwand, die Gesellschafter hätten ihre Mitwirkungsrechte Insolvenz bedingt verwirkt, nicht greifen. Insbesondere Prütting/Huhn halten die Interessen der Gesellschafter (Aktionäre) wegen des Insolvenztatbestandes nicht mehr berücksichtigungswürdig.168 Richtig ist, dass es vornehmlich nicht um die Vermögensinteressen der Gesellschafter geht, sondern um die Gläubiger als die wirtschaftlich Betroffenen. Aber auch das Verwirkungsargument rührt wieder aus Liquidationssachverhalten. Lenz, § 37 Rn. 10; Michalski/Lenz, § 37 Rn. 10; Rowedder/Schmidt-Leithoff/Koppensteiner, § 37 Rn. 22; GroßKomm GmbHG/Paefgen, § 37 Rn. 14; Roth/Altmeppen, § 37 Rn. 4; Scholz/Schneider, § 37 Rn. 38; Wank, GmbHR 1980, 121, 123; Mennicke, NZG 2000, 622 f.; Eisenhardt, FS Pfeiffer, S. 839, 845; Höhn, S. 5; kritisch dagegen nur, Zöllner/Noack, § 37 Rn. 19. 165 Eine andere Verortung der fortführungsrelevanten Kenntnisse gilt im besonderen Maße auch bei konzernverbundenen Unternehmen, bei denen sich die verfahrensrelevanten Informationen oftmals bei der Obergesellschaft befinden; vgl. Piepenburg, NZI 2004; Kübler, ZGR 1984, 560, 589. 166 Vgl. Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 579; Noack, ZIP 2002, 1873, 1877; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408. 167 Inwieweit eine Einschränkung von Kompetenzen, die lediglich Ausdruck eines Vermögensinteresses sind, etwa die Beteiligung der Hauptversammlung nach den sog. „Holzmüller-Grundsätzen“ des BGH, soll an dieser Stelle offen bleiben. 168 Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 779.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Versteht man die Eigenverwaltung als vornehmlich für die Sanierung konzipierte Kompetenzordnung, dann kann die Verwirkung hinterfragt werden, denn dann besteht trotz Insolvenz in der Sanierungschance gleichzeitig eine Chance der Gesellschafter, ihrem Anteil langfristig wieder einen Wert zuzuführen.169 Dies gilt insbesondere, wenn das Insolvenzverfahren durch einen frühzeitigen Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit gestellt wurde. Die Nutzung dieser Chance nun ausschließlich dem Geschäftsführer zu überlassen, welcher eindeutig nicht der wirtschaftlich Betroffene ist, kann nicht überzeugen. bb) Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens, § 1 InsO Schließlich gilt es zu überprüfen, ob eine Verdrängung des Exekutivorgans aus seinen gesellschaftsrechtlichen Bindungen aus dem allgemeinen Zweck des Insolvenzverfahrens, als Gläubiger bezogenes Verfahren der Haftungsverwirklichung, geboten ist. (1) Gefahr insolvenzverfahrenszweckwidriger Einflussnahme der Gesellschafter? Die Unvereinbarkeit mit dem Insolvenzverfahrenszweck wird aus der Gefahr Gläubiger schädigender Einflussnahmen abgeleitet.170 Eine fortbestehende Möglichkeit der Einflussnahme der Gesellschafterversammlung durch Weisungsrecht (§ 37 GmbHG) oder Bestellungskompetenz (§ 43 Nr. 5 GmbHG) gegenüber dem Geschäftsführer könnte einer Verfahrensbewältigung im Interesse der Gläubiger entgegenstehen. Wie schon im Rahmen der verfahrensrechtlichen Nachteilsprognose gemäß § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO vorgetragen171, führt der Fortbestand der gesellschaftsrechtlichen Bindungen nicht zu höheren Risiken als sie dem System der Eigenverwaltung – der insolvente Schuldner selbst wird mit der Masseverwaltung und Verwertung betraut – immanent sind. Die von der Eigenverwaltung ausgehende Gefahr besteht in der „ungeheuerlichen Zumutung“, diejenige Person mit der Verfahrensbewältigung im Interesse der Gläubiger zu beauftragen, die ihr Vermögensinteresse durch die Insolvenz verspielt hat, ohne dass man ernsthaft behaupten kann, dass der Schuldner kein Interesse mehr an dem in seiner Verwaltungs- und Verfügungsgewalt belassenen Vermögen hat. Bei juristischen Personen sind die Gesellschafter 169 170 171
Vgl. bereits oben, zur US-amerikanischen Rechtslage, S. 232. So Prütting/Huhn, ZIP 2002, 777, 781. Siehe oben, 4. Teil, A.IV.2.a)cc).
A. Eigenverwaltung
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Inhaber des Vermögensinteresses und somit mit einer natürlichen Person als Schuldner vergleichbar. Es geht also um den in der Eigenverwaltung angelegten Interessenskonflikt zwischen Schuldner und Gläubiger. Ob es sich tatsächlich um einen unauflösbaren Interessenskonflikt handelt, hängt allerdings von der Art des Verfahrens ab. Solange eine Sanierungsaussicht besteht, werden die Gesellschafter in der Regel alles daran tun, ihrem Anteil langfristig noch einen Wert verschaffen zu können. Gläubiger und Gesellschafter haben in der Sanierung gleichermaßen ein Interesse an der Rückführung des Unternehmens in die Gewinnzone. Die zukünftigen Erträge sollen kurz und mittelfristig die Gläubiger befriedigen, langfristig dagegen wieder den Anteilseignern zustehen. Dieses Interesse muss beim Geschäftsführer nicht zwingend gegeben sein (principal-agent Problem).172 Die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen wird im Rahmen der Sanierung vielmehr eine förderliche Wirkung haben, denn für eine erfolgreiche Sanierung/Reorganisation des Unternehmensträgers sind in der Regel Beiträge der Gesellschafter, wie etwa eine Kapitalerhöhung bzw. Kapitalschnitt, Änderung der Gesellschafterstruktur oder Umwandlungen unerlässlich. Die Bereitschaft zu solchen Beiträgen wird bei einem Gesellschafter aber größer sein, wenn er aktiv die Schuldnerrolle in der Eigenverwaltung in den Grenzen der bisherigen Verbandsverfassung ausfüllen kann. Auch werden mit der Beibehaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen Anreize geschaffen, einen frühzeitigen Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit zu stellen, welchen der Geschäftsführer erst nach Ermächtigung durch die Gesellschafterversammlung stellen kann.173 Ohne Aufrechterhaltung der bisherigen Einflussmöglichkeiten werden sie jedoch kaum den Geschäftsführer zur Stellung eines solchen Antrages wegen drohender Zahlungsunfähigkeit ermächtigen, weil sie damit ihren Einfluss auf eine Sanierung nehmen würden. Wird dagegen die Liquidation oder übertragende Sanierung174 angestrebt, dann stehen die Interessen der Gesellschafter mit denen der Gläubiger diametral entgegen, weil die Befriedigung der Gläubiger durch den endgültigen Entzug der Vermögensposition der Gesellschafter erfolgt. Dann sollte aber generell von der Anordnung der Eigenverwaltung abgesehen werden. 172
Miller, Seton Hall Law Review Vol 23 (1992–1993), 1467, 1505. Zur notwendigen Ermächtigung durch die Gesellschafterversammlung bei einem Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, vgl. Götker, Rn. 498 ff.; Henssler, ZInsO 1999, 121, 126; Jaeger/Müller, InsO, § 18 Rn. 19. 174 Für die Anteilseigner macht es hinsichtlich des Bestands ihres Mitgliedschaftsrechts keinen Unterschied, ob der Geschäftsbetrieb des Unternehmens tatsächlich eingestellt wird und die Vermögensgegenstände einzeln verwertet werden (Liquidation) oder ob das Unternehmen insgesamt an einen neuen Investor veräußert wird (übertragende Sanierung), Wortberg, ZInsO 2004, 707, 709. 173
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Das Verfahren der Eigenverwaltung steht nur solange mit dem Zweck bestmöglicher Gläubigerbefriedigung aus § 1 InsO nicht im Widerspruch, solange für den Schuldner Kooperationsanreize durch eine realistische Sanierungsaussicht bestehen. Gleiches gilt für die Gesellschafter einer schuldnerischen Gesellschaft. Die noch verbleibenden Gefahren nachteiliger Einflussnahmen der Gesellschafter sind bei näherer Betrachtung genau die Gefahren, die damit verbunden sind, den Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zu belassen. Für diese Gefahren stellt die Insolvenzordnung allerdings spezifische Schutzmechanismen bereit, die nachfolgend dargestellt werden sollen. (2) Schutz vor negativer Einflussnahme durch die Gesellschafter (a) Bindung der Gesellschafter an den Insolvenzverfahrenszweck Im Hinblick auf die Vereinbarkeit der internen Bindungen mit dem Insolvenzverfahrenszweck ist zu beachten, dass sämtliche Organe der schuldnerischen Gesellschaft, also auch die Gesellschafter einer GmbH, an den Zweck des Insolvenzverfahrens gebunden sind.175 Die Bindung ergibt sich normativ aus der durch die Auflösung der Gesellschaft bedingten Änderung bzw. Überlagerung des Gesellschaftszwecks durch den Insolvenzverfahrenszweck.176 Unter Geltung der Konkursordnung führte die konkursbedingte Auflösung der Gesellschaft zu einer Änderung des Erwerbszwecks in einen Abwicklungszweck.177 Da die Liquidation des Unternehmens und die Fortführung durch Sanierung mit Inkrafttreten der Insolvenzordnung zwei gleichberechtigte Verfahrensoptionen darstellen, kann mit der Auflösung der Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 60 Nr. 4 GmbHG) der Zweck der Gesellschaft nicht mehr auf Liquidation gerichtet sein.178 Mit der Auflösung der Gesellschaft ändert sich vielmehr der Zweck der Gesellschaft auf den Zweck des Insolvenzverfahrens bzw. ihr werbender Zweck wird durch den Zweck des Insolvenzverfahrens überlagert.179 Wie in der werben175 Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 91 Rn. 33; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; Noack, ZIP 2002, 1873, 1877, 1879; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 496. 176 Gutsche, Rn. 327; Kessler, S. 359 f.; Schneider, FS Oppenhoff, S. 249, 250. 177 Schneider, FS Oppenhoff, S. 249, 250. 178 Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 13; Hüffer, AktG, § 262 Rn. 13. 179 Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 13; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; MünchKomm AktG/Hüffer, § 264 Rn. 3; Huhn, Rn. 640; Noack, ZIP 2002, 1873, 1877, 1879; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 496; für eine Überlagerung: H.-F. Müller, Verband, S. 124; K. Schmidt, GesR, S. 321; vgl. auch Kessler, S. 114 ff.
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den Gesellschaft den Organen durch die Zweckabrede eine Treue- und Förderungspflicht obliegen180, so haben die Organe einer im Insolvenzverfahren befindlichen Gesellschaft ihr Handeln durch die Auflösung bedingte Änderung bzw. Überlagerung des Gesellschaftszwecks entsprechend am Zweck des Insolvenzverfahrens auszurichten.181 Die Handlungspflichten werden dabei durch die Entscheidung der Gläubigerversammlung, insbesondere über den Fortgang des Verfahrens nach § 157 InsO konkretisiert. Der Grundsatz der Gläubigerautonomie hat insoweit absoluten Vorrang vor jeglicher gesellschaftsrechtlicher Meinungsbildung.182 Dabei entspricht der Zweck des Insolvenzverfahrens „Haftungsverwirklichung“ in etwa dem Zweck einer werbenden Gesellschaft „möglichst hohe Gewinnerzielung“, wenn eine Unternehmenssanierung angestrebt wird.183 Wesentliche Unterschiede bestehen dann, wenn die Gläubiger sich für eine Liquidation des Unternehmens entscheiden. Konkret für das Weisungsrecht der GmbH-Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer bedeutet dies, dass die Gesellschafter ihr Weisungsrecht aus § 37 GmbHG im Grundsatz unbeschränkt gegenüber dem Geschäftsführer ausüben können, sich jedoch inhaltlich an § 1 InsO zu orientieren haben. Verstoßen die Organe der Gesellschaft gegen die ihnen obliegende Pflicht, ihre Amtsführung an dem Verfahrenszweck des § 1 InsO auszurichten, so ist dies mit entsprechend gesellschaftsrechtlichen Instrumentarien zu sanktionieren. Eine Weisung der Gesellschafter an den Geschäftsführer zu einer offensichtlich Masse verkürzenden Handlung oder Missachtung der Verwertungsbeschlüsse der Gläubigerversammlung ist für diesen unbeachtlich.184 Wird die zweckwidrige Weisung dennoch ausgeführt, steht der Gesellschaft ein Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschafter zur Masse aus Verletzung der Treuepflichten zu.185
180 In der werbenden Gesellschaft beschreibt der satzungsmäßige Zweck der Gesellschaft (in der Regel Gewinnerzielungsabsicht) die oberste Handlungsmaxime aller Gesellschaftsorgane; vgl. Lutter/Hommelhoff/Lutter/Bayer, GmbHG § 1 Rn. 3, § 43 Rn. 8. 181 Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 13, 23; Hess/Ruppe, NZI 2002, 577, 580; Noack, ZIP 2002, 1873, 1877, 1879; Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 496; für die Bindung der Geschäftsleiter am Zweck bestmöglicher Haftungsverwirklichung vgl. auch Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 550. 182 Vgl. Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 496. 183 Vgl. Uhlenbruck, FS Kirchhof, S. 479, 497. 184 Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 23; Maesch, S. 205 f.; vgl. auch AG Duisburg, ZIP 2002, 1636, 1640, „Weisungen, die dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger zuwiderlaufen sind nichtig“. 185 Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 89 Rn. 23; Maesch, S. 205 f.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
(b) Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss Die Bindung der Gesellschaftsorgane an den Insolvenzverfahrenszweck bietet für die Gläubiger erst dann einen hinreichenden Schutz, wenn die Gesellschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Befugnisse überwacht werden. Eine hinreichende Kontrolle lässt sich über die Befugnisse von Sachwalter und Gläubigerausschuss erreichen. Ist die Willensbildung des schuldnerischen Verbandes für die Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse i. S. v. §§ 270 ff. InsO abgeschlossen, so kann unter Umständen noch die Zustimmung des Sachwalters und Gläubigerausschusses erforderlich sein. Wird der Geschäftsführer beispielsweise angewiesen, Verbindlichkeiten einzugehen, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, so hat er gemäß § 275 Abs. 1 InsO die Zustimmung des Sachwalters einzuholen. Ferner kann das Insolvenzgericht auf Antrag der Gläubigerversammlung für bestimmte Rechtsgeschäfte einen Zustimmungsvorbehalt mit Außenwirkung zugunsten des Sachwalters anordnen (§ 277 Abs. 1 InsO). Rechthandlungen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung sind, bedürfen nach § 276 InsO der Zustimmung der Gläubigerversammlung. Um die Kontrollbefugnisse des Sachwalters nach §§ 274, 275 InsO effektiv ausüben zu können, wird man seine Kontrollbefugnis auf die gesamte verbandsinterne Willensbildung186, d.h. der Einsichtnahme, Auskunftsrechte sowie Befugnis, an den Sitzungen der Gesellschafterversammlung teilzunehmen, erstrecken. Insolvenzzweckwidrige Gesellschafterbeschlüsse oder Anweisungen bei einer Einmann-GmbH kann der Sachwalter überprüfen und bei Verdacht gläubigerschädigender Einflussnahme den Gläubigerausschuss benachrichtigen, welcher einen Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung durch die Gläubigerversammlung veranlassen kann. (c) Möglichkeit jederzeitiger Aufhebung der Eigenverwaltung Stehen somit auch die Gesellschafter unter der Aufsicht des Sachwalters, bleibt schließlich die jederzeit bestehende Möglichkeit der Gläubigerversammlung, die gerichtliche Aufhebung der Eigenverwaltung zu verlangen (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Stellt der Sachwalter die Gläubiger schädigende Einflussnahme der Gesellschafter fest, hat er dies dem Gläubigerausschuss mitzuteilen, der über weiteres Vorgehen zu beraten hat. Es soll dann der Einschätzung der Gläubiger obliegen, ob die Vorteile aus einer Eigenverwaltung die Risiken überwiegen. Durch dieses Recht werden die Gläubiger in ausreichendem Maße vor negativen Einflussnahmen der Gesellschafter geschützt.187 186
506.
So K. Schmidt, Entwicklungen, S. 19, 29; Uhlenbruck, FS Kirchhof, 479, 502,
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(3) Ergebnis Durch die Bindung der Gesellschafter an den Insolvenzverfahrenszweck aus § 1 InsO, die Überwachung durch Sachwalter und Gläubigerausschuss und die jederzeit mögliche Aufhebung der Eigenverwaltung entsteht eine „insolvenzspezifische Corporate Governance“, welche hinreichenden Schutz dafür bietet, dass Gesellschafter ihre Einflussnahme nicht zu Lasten der Gläubiger ausüben werden. Die gegen die gesellschaftsrechtliche Bindung des vertretungsberechtigten Organs heraufbeschworene Gefahr nachteiliger Einflussnahme auf den Geschäftsführer ist letztlich für die Eigenverwaltung typisch und bedarf keiner Korrektur durch die Verdrängung der verbandsinternen Bindungen. 3. Endergebnis Systematik, Historie, rechtsvergleichende Betrachtung und Zweck der Eigenverwaltung sprechen gegen eine Verdrängung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen des vertretungsberechtigten Organs im Verfahren der Eigenverwaltung. Das vertretungsberechtigte Geschäftsführungsorgan hat die Befugnisse des schuldnerischen Verbandes in der Eigenverwaltung aus §§ 270 ff. InsO entsprechend der verbandsrechtlichen Kompetenzverteilung auszuüben. Im Hinblick auf die GmbH führt dies zu einer Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers bei der von ihm im Außenverhältnis wahrgenommenen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aus § 270 Abs. 1 S. 1 InsO bzw. der insolvenzspezifischen Befugnisse aus §§ 279, 282, 284 InsO. Der Gesellschafterversammlung steht im Übrigen wie im Regelverfahren die Kompetenz zur Bestellung und Abberufung des Geschäftsführers (§ 43 Nr. 5 GmbHG) zu.
V. Der Fortbestand faktischer Konzernleitungsmacht 1. Darf sich das verbandsinterne Weisungsrecht zu einer Konzernleitungsmacht im Verfahren der Eigenverwaltung verdichten? Steht damit fest, dass das Exekutivorgan den verbandsinternen Bindungen unterliegt, d.h. in der GmbH der Geschäftsführer bei der Wahrnehmung der Befugnisse des eigenverwaltenden Schuldners nach § 37 GmbHG den Wei187 Ringstmeier/Homann, NZI 2002, 406, 408; vgl. auch Hofmann, S. 184; Kessler, S. 267; vgl. zum US-amerikanischen Recht; White/Medford, 22-6 ABIJ, S. 34.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
sungen der Gesellschafterversammlung unterworfen ist, stellt sich die Frage, ob diese Weisungsbefugnis auch zu einer Konzernleitungsmacht erstarken kann. Letztlich geht es dabei um die Frage, ob Weisungsrecht und Einflussnahme der Gesellschafter auch dann möglich sind, wenn die Gesellschafterversammlung von einem herrschenden Unternehmen dominiert wird. Gründe, die eine unterschiedliche Beurteilung zur gewöhnlichen Gesellschaft in der Eigenverwaltung rechtfertigen könnten, liegen in der konzernspezifischen Besonderheit, dass hier typischerweise im hohen Maße vom Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung Gebrauch gemacht wird. Dies gilt insbesondere, wenn die Untergesellschaft wirtschaftlich eng mit der Obergesellschaft verflochten ist. Des Weiteren besteht hier im größeren Maße die Gefahr, dass die Obergesellschaft ihre Einflussmöglichkeit zu Lasten der Untergesellschaft ausübt, um dadurch unmittelbar Vorteile auf die Obergesellschaft zu lenken. Aufgrund der Vielzahl von Austauschgeschäften zwischen den einzelnen Konzerngliedern wäre etwa eine „schleichende Vermögensverlagerung“ von der Untergesellschaft zur Obergesellschaft möglich, wenn die Obergesellschaft über die Gesellschafterversammlung bzw. als Alleingesellschafter die Untergesellschaft anweisen würde, den konzerninternen Leistungsaustausch zu schlechten Konditionen durchzuführen. Letztlich handelt es sich bei diesen Fragestellungen um das klassische „Konzerndilemma“, nämlich die Gefahr, dass das Eigeninteresse der beherrschten Gesellschaft über die Einflussnahme des herrschenden Unternehmens zu Gunsten des Konzerninteresses vernachlässigt wird.188 Mit der Intensität der Einflussnahme der Obergesellschaft auf die Geschäftsführung der Untergesellschaft ist jedoch nicht zwingend eine für die Untergesellschaft und deren Gläubiger nachteilige Einflussnahme verbunden.189 Dies gilt insbesondere, wenn die Tochtergesellschaften wirtschaftlich als Betriebsabteilungen des Konzerns konzipiert sind und auch im Insolvenzverfahren dann nur als solche geführt werden können. In diesem Fall ist die Untergesellschaft ja bereits drauf ausgerichtet, nicht selbständig geführt zu werden und muss ständig mit den Funktionen anderer Konzernglieder abgestimmt werden. Was langfristig zusammengewachsen ist und als Betriebsabteilung geführt wurde, kann in der Insolvenz nicht urplötzlich autonom geführt werden. Die intensive Ausübung der Konzernleitungsmacht bis in die Tagesgeschäfte der Untergesellschaft, wenn sich diese im Verfahren der Eigenverwaltung befindet, ist dann als solche nicht mit Nachteilen für die Gläubiger der Untergesellschaft verbunden. Die Führung des Tagesgeschäftes zeichnet sich im Gegensatz zu Strukturmaßnahmen ja gerade durch punktuelle Einzelveranlassun188
Siehe oben, 1. Teil, B.V.2. Bous, S. 332; Decher, S. 110 f.; Götz, AG 1984, 85, 90; Kleindiek, ZIP 1991, 1330, 1335; Krieger, ZGR 1994, 375, 382; Timm, NJW 1987, 977, 983. 189
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gen aus, welche im Hinblick auf mögliche nachteilige Folgen erfassbar und entsprechend ausgleichbar sind.190 Der Nachteilsausgleich ist dann Ansatzpunkt für die Kontrolle von Sachwalter und Gläubigerausschuss, um eine Verlagerung von Vermögen oder Vermögenschancen von der Untergesellschaft auf die Obergesellschaft hinreichend zu begegnen. Dabei wird der Sachwalter im besonderen Maße den konzerninternen Leistungsaustausch zu überprüfen haben, insbesondere dahingehend, ob der Untergesellschaft für ihre konzernintern erbrachten Leistungen eine angemessene und realisierbare Gegenleistung in Rechnung gestellt wurde. Konzernintegrative Maßnahmen, deren nachteilige Wirkung wegen des typischen Breiten- und Langzeiteffektes schwer zu bemessen sind191, bedürfen als besonders bedeutende Rechtshandlung ohnehin der Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 160 InsO). Gerade die Kontrolle von Sachwalter und Gläubigerausschuss bieten im Vergleich zum Konzern außerhalb der Insolvenz einen zusätzlichen Schutz, dass die Vermögen von Ober- und Untergesellschaft getrennt gehalten werden. Das Verhältnis der Konzernleitungsmacht zum Sachwalter der Untergesellschaft kann mit einem Vergleich zwischen Lotsen und Kapitän veranschaulicht werden. Die Konzernleitungsmacht steuert als Kapitän das Schiff Untergesellschaft aktiv durch das Insolvenzverfahren. Der Sachwalter als Lotse auf der Brücke überprüft dabei passiv die Interessen der Gläubiger und kann allenfalls Unterlassungsbefehle geben. 2. Insolvenz der Obergesellschaft (Doppelinsolvenz) Die gesellschaftsrechtlichen Bindungen der in Eigenverwaltung geführten Untergesellschaft können demzufolge auch zu einer Konzernleitungsmacht erstarken, solange die fortführende Sanierung der Untergesellschaft angestrebt wird. Es stellt sich die Frage, ob sich daran etwas ändert, wenn – der praktisch häufigste Fall – auch die Obergesellschaft insolvent ist. a) Die Gesellschaftsanteile als Bestandteil der Insolvenzmasse der Obergesellschaft Im faktischen GmbH-Konzern erfolgt die Einflussnahme auf die Untergesellschaft über das dem Gesellschaftsanteil anhaftende Stimmrecht. Über dieses Stimmrecht kann die Gesellschafterversammlung dem Geschäftsführer umfassende und detaillierte Weisungen erteilen (§ 37 GmbHG). Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft 190 191
Siehe dazu, oben, 1. Teil, B.V.2. Siehe dazu, oben, 1. Teil, B.V.2.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO) bzw. verbleibt im Verfahren der Eigenverwaltung insolvenzspezifisch bei dieser. Die Insolvenzmasse umfasst das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 InsO), mit Ausnahme der Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 InsO). Wird über das Vermögen eines GmbH-Gesellschafters das Insolvenzverfahren eröffnet, so fällt sein die Mitgliedschaft verkörpernder Gesellschaftsanteil in die Insolvenzmasse.192 Die als solche unbestrittene Masseeignung eines GmbH-Geschäftsanteils ergibt sich aus seiner Veräußerlichkeit (§ 15 Abs. 1 GmbHG) und somit Pfändbarkeit § 851 Abs. 1 i. V. m. 857 Abs. 1 ZPO i. V. m. §§ 35, 36 Abs. 1 InsO.193 Fraglich ist allerdings, ob aus dieser vermögensrechtlich begründeten Befugnis des Insolvenzverwalters zur Verwaltung und Verwertung des Gesellschaftsanteils dem Insolvenzverwalter damit auch alle Verwaltungsrechte zustehen, er somit in allen Angelegenheiten der Gesellschaft zur Beschlussfassung, insbesondere bezüglich Weisungen gegenüber dem Geschäftsführer der Untergesellschaft, berufen ist (§ 47 GmbHG). Dies ist zu bejahen, weil sich nahezu jede Angelegenheit der Gesellschaft zumindest mittelbar auf den Wert des Gesellschaftsanteils und damit auf den für die Gläubigergesamtheit zu realisierenden Vermögenswert auswirken kann.194 Über die Verwaltungsrechte nimmt der Insolvenzverwalter unmittelbar Einfluss auf die Unternehmenspolitik der Gesellschaft, welche maßgeblich für den Unternehmenswert und damit reflexiv auch mitbestimmend für den Wert des in seiner Insolvenzmasse befindlichen Gesellschaftsanteils ist. Die sowohl aus dem Mitgliedschaftsrecht des Gesellschaftsanteils fließende Befugnis zur allgemeinen Stimmrechtsausübung als auch die mit dem Gesellschaftsanteil verbundenen Rechte zur Bestellung des Geschäftsführers stehen demnach dem Insolvenzverwalter des Gesellschafters zu.195 Problematisch 192 Roth/Altmeppen, § 15 Rn. 42, 67; Bergmann, ZInsO 2004, 225, 225; Michalski/Ebbing, GmbHG, § 15 Rn. 250; ders., FS Kirchhof, S. 15, 15; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 92 Rn. 539; Baumbach/Hueck/Hueck/Fastrich, § 15 Rn. 64; Liebscher/Lübke, ZIP 2004, 241, 242; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 15 Rn. 57; Scholz/Winter/Seibt, GmbHG, § 15 Rn. 254; Rowedder/ Rowedder/Bergmann, GmbHG, § 15 Rn. 150; enger dagegen Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 35 Rn. 105. 193 Bergmann, ZInsO 2004, 225, 225; ders., FS Kirchhof, S. 15, 15. 194 Bergmann, ZInsO 2004, 225, 228; Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch, der Insolvenzverwaltung, § 26 Rn. 120. 195 Im Ergebnis so auch Bergmann, ZInsO 2004, 225, 225; ders., FS Kirchhof, S. 15, 15; Bitter, ZHR 166 (2002), 713, 718; Michalski/Ebbing, GmbHG, § 15 Rn. 250; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rn. 20; Homann, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 26 Rn. 120; Ro-
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könnte diese Argumentation allenfalls dann sein, wenn die Untergesellschaft ebenfalls insolvent ist und sich entsprechend in einem in Eigenverwaltung geführten Insolvenzverfahren befindet. Die Anteile an der Untergesellschaft könnten in diesem Fall wertlos sein, eine Beeinflussung über die Stimmrechtsmacht somit ohnehin keine reflexive Auswirkung auf den Wert des Gesellschaftsanteils haben. Versteht man die Eigenverwaltung als ausschließliches Verfahrensvehikel einer Reorganisation, dann wird deutlich, dass in diesem Fall im Gesellschaftsanteil noch ein Wert aus der Sanierungschance der Untergesellschaft verkörpert ist. Mit einer erfolgreichen Sanierung der Untergesellschaft wird der Masse der Obergesellschaft durch den Gesellschaftsanteil reflexiv ein Wert verschafft, der ansonsten aufgrund der Insolvenz der Untergesellschaft abzuschreiben wäre.196 Damit steht fest, dass der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft die aus dem Gesellschaftsanteil gespeisten Verwaltungsrechte ausüben kann. Bei der Ausübung der Verwaltungsrechte hat er die allgemeinen Grenzen zu beachten, die auch dem Schuldner obliegen. So hat der Insolvenzverwalter bei der Ausübung des Stimmrechts die gesellschaftsrechtlichen Bindungen zu beachten, die beispielsweise aus der Treuepflicht des Gesellschafters folgen.197 Befindet sich auch die Untergesellschaft im Insolvenzverfahren und wurde die Eigenverwaltung angeordnet, so hat die Obergesellschaft bzw. ihr Insolvenzverwalter bei der Ausübung der Verwaltungsrechte die Interessen der Gläubiger der Untergesellschaft zu berücksichtigten. Dabei hat der Insolvenzverwalter gleichzeitig die Grenzen einzuhalten, die seiner Verwaltungsbefugnis bezüglich des Vermögens der Obergesellschaft allgemein durch den Insolvenzzweck gesetzt wird.198 b) Der konzernleitende Insolvenzverwalter Auch wenn die aus dem Gesellschaftsanteil stammenden Stimmrechte grundsätzlich dem Insolvenzverwalter zufallen, stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter diese Stimmrechte auch im Sinne einer Konzernleitung ausüben darf. Darf der Insolvenzverwalter das Stimmrecht ausüben, um das Unternehmen der Untergesellschaft auf ein Konzerninteresse auszurichten? wedder/Schmidt-Leithoff/Rowedder, GmbHG, § 15 Rn. 85; Scholz/Winter, GmbHG, § 15 Rn. 209. Im Konzern beschränkt auf den Fall, dass auch die Obergesellschaft in Eigenverwaltung geführt wird, etwa Ehricke, ZInsO 2002, 393, 395; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rn. 732. 196 Zur Auswirkung einer Sanierung der Untergesellschaft auf die Masse der Obergesellschaft durch Wertschöpfung der Gesellschaftsanteile vgl. Piepenburg, NZI 2004, 231, 236. 197 Bergmann, ZInsO 2004, 225, 228 f.; Bous, S. 326. 198 Siehe oben, 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(a).
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aa) Vereinbarkeit des konzernleitenden Insolvenzverwalters mit seinen Aufgaben im Insolvenzverfahren der Obergesellschaft Die herrschende Meinung unter der Geltung der Konkursordnung lehnte eine „qualifizierte Stimmrechtsausübung“ des Konkursverwalters, die sich zu einer Konzernleitungsmacht verdichtete, ab.199 Zur Begründung wurde auf den beschränkten Aufgabenkreis des Konkursverwalters der Obergesellschaft verwiesen. Mit dem auf Liquidation beschränkten Zweck des Konkursverfahrens korrespondierte der Aufgaben- und Pflichtenkreis des Konkursverwalters, das Vermögen der Obergesellschaft zu liquidieren. Das Unternehmen der Untergesellschaft auf ein gemeinsames Ziel mit dem in der Masse gefallenden Unternehmen der Obergesellschaft abzustimmen, stand nach herrschender Meinung hingegen diametral zur eigentlichen Aufgabe des Konkursverwalters, das Unternehmen der Obergesellschaft zu zerschlagen und das Vermögen zu versilbern.200 Der von Gesetzes wegen mit der Stilllegung und Zerschlagung beauftragte Konkursverwalter könne nicht zugleich die über Gesellschaftsanteile zugänglichen Ressourcen auf eine das Konzernganze umfassende Zielkonzeption ausrichten, weil letzteres gerade eine dauerhafte Fortführung erfordere.201 Da aber schon unter Geltung der Konkursordnung die übertragende Sanierung als in der Regel ertragreichere Verwertungsform von Unternehmen anerkannt war, nahm schon damals Lutter202 eine zeitlich beschränkte Konzernleitungsmacht des Konkursverwalter an, um den Konzern vor einer Zersplitterung zu bewahren, bis sich eine angemessene Lösung für den Gesamtkonzern oder für die Verwertung seiner Teile ergebe. Letztlich geht es um die Beschränkung des Insolvenzverwalters bei der Ausübung der Verwaltungs- und Mitgliedschaftsrechte aus dem Gesellschaftsanteil auf den Insolvenzverfahrenszweck der Obergesellschaft (§ 1 InsO). Mit der Insolvenzordnung wurde ein Verfahren eingeführt, das im Hinblick auf den Ausgang des Verfahrens offen ist. Bis zum Berichtstermin ist das Unternehmen fortzuführen. Entsprechend lässt sich bis zur Entscheidung der Gläubigerversammlung im Berichtstermin und darüber hinaus bei positiver (auch vorläufiger) Fortführungsentscheidung eine Ausübung der Stimmrechte im Sinne einer Konzernleitungsmacht nicht mehr mit dem be199 Kort, ZIP 1988, 681, 687 f.; Mertens, ZGR 1984, 542, 553; K. Schmidt, Wege, S. 225 f., 229; Tschernig, S. 127 f.; anders dagegen Lutter, ZfB 1984, 781, 783. 200 Kort, ZIP 1988, 681, 687 f.; Mertens, ZGR 1984, 542, 553; K. Schmidt, Wege, S. 225 f. 201 Vgl. im Zusammenhang zum Vertragskonzern Bous, 213; Hengeler/HoffmannBecking, FS Hefermehl, S. 283, 302. 202 Lutter, ZfB 1984, 781, 783.
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schränkten Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters erklären.203 Nur wenn die Insolvenzgläubiger der Obergesellschaft im Berichtstermin oder einem der Nachfolgetermine die Liquidation im Sinne einer vollständigen Zerschlagung des Unternehmens beschließen, beschränkt sich der Aufgabenkreis des Insolvenzverwalters auf eine systematische Selbstzerstörung des Unternehmens der Obergesellschaft. Bis zum Berichtstermin und bei entsprechend positivem Fortführungsbeschluss ist darüber hinaus eine Stimmrechtsausübung des Insolvenzverwalters im Sinne einer Konzernleitungsmacht mit dem Insolvenzverfahrenszweck durchaus vereinbar, ja sogar unter dem Gesichtspunkt einer optimalen Masseverwertung u. U. geboten. bb) Besondere Gefahren durch die Insolvenz der Obergesellschaft? Ist mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft dem Insolvenzverwalter die Konzernleitungsmacht nicht wegen seiner Aufgaben im Verfahren abzusprechen, so stellt sich die Frage, ob der Umstand der Masseinsuffizienz der Obergesellschaft gegen eine Fremdbeeinflussung der Untergesellschaft spricht. Es versteht sich von selbst, dass der Insolvenzverwalter wie der Schuldner bei der Ausübung faktischer Konzernleitungsmacht an die allgemeinen Grenzen gebunden ist. Handelt es sich bei der Untergesellschaft um eine mehrgliedrige GmbH, hat der Insolvenzverwalter als Repräsentant der Insolvenzmasse bei der Ausübung der Stimmrechte ebenso die gegenseitigen gesellschaftsrechtlichen Treuepflichten zu beachten, wie zuvor die Obergesellschaft in ihrer Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafterin.204 Für den hier interessanten Fall der Doppelinsolvenz bedeutet dies, dass der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft bei der Einflussnahme über die Gesellschafterversammlung an den Insolvenzverfahrenszweck der in Eigenverwaltung geführten Untergesellschaft gebunden ist.205 Dem Insolvenzverwalter ist demnach eine nachteilige Einflussnahme auf die Untergesellschaft gleicher Maßen untersagt wie der Obergesellschaft. Auch hier hat der Sachwalter der Untergesellschaft zu kontrollieren, dass der Insolvenzverwalter (gleiches gilt für die eigenverwaltende Geschäftsleitung der Obergesellschaft) über die Gesellschafterrechte nicht nachteilig auf die Masse der Untergesellschaft einwirkt. Durch die Insolvenz der Obergesellschaft wird die Gefahr 203
Bous, S. 213, 323 f.; Tschernig, Konzerninsolvenz, S. 127. Für eine generelle Möglichkeit faktischer Konzerleitungsmacht durch den Insolvenzverwalter der Obergesellschaft vgl. auch Bitter, ZHR 166 (2002), S. 713, 718; Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 95 Rn. 20. 204 Bergmann, ZInsO 2004, 225, 228 f.; Bous, S. 326. 205 Siehe oben, 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(a).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
nachteiliger Einflussnahmen durch Insolvenzverwalter oder in Eigenverwaltung geführter Obergesellschaft demnach nicht erhöht. Durch die Insolvenz bedingte Masseinsuffizienz der Obergesellschaft könnte jedoch das repressive Schutzsystem beeinträchtigt sein, das dem Gesellschafter im Fall treuwidriger Einflussnahmen eine Schadensersatzpflicht auferlegt. Eine solche haftungsauslösende Treuepflichtverletzung liegt bei einer mehrgliedrigen Gesellschaft insbesondere bei nachteiliger Einflussnahme ohne Kompensationsleistung vor.206 Wird die Untergesellschaft im Verfahren der Eigenverwaltung geführt, so sind nachteilige Einflussnahmen als ein Verstoß des allen Gesellschaftsorganen verpflichtenden Insolvenzverfahrenszwecks der Untergesellschaft zu werten.207 In beiden Fällen führt ein Pflichtenverstoß zu einer Schadensersatzpflicht des Gesellschafters. Übt dagegen der Insolvenzverwalter die Gesellschafterrechte aus, führt dies zu einer entsprechenden Belastung der Masse der Obergesellschaft, denn die Insolvenzmasse haftet gemäß § 55 Nr. 1 InsO i. V. m. § 31 BGB analog allgemein für vom Insolvenzverwalter ausgelöste Schadensersatzansprüche, wenn der Schaden auf die „Sachherrschaft“ massezugehöriger Vermögenspositionen zurückzuführen ist.208 Die Vermögensmasse, welche die Vorteile der Verwaltung genießt, muss auch den durch diese Verwaltung angerichteten Schaden tragen. Entsprechend würde eine pflichtwidrige Einflussnahme über die massezugehörigen Gesellschaftsanteile durch den Insolvenzverwalter einen Schadensersatzanspruch gegen die Masse der Obergesellschaft als vorrangig zu befriedigende Masseverbindlichkeit entstehen lassen. Sind die vom Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten nicht von der Masse gedeckt, haftet der Insolvenzverwalter gemäß § 61 InsO persönlich gegenüber dem Massegläubiger wegen der Nichterfüllung von Masseverbindlichkeiten.209 Für die faktische Konzernleitungsmacht folgt daraus: Setzt der Insolvenzverwalter seinen aus dem Gesellschaftsanteil resultierenden faktischen Einfluss missbräuchlich ein und entsteht der Untergesellschaft dabei ein Schaden, so haftet die Masse der Obergesellschaft nach § 55 Nr. 1 InsO i. V. m. § 31 BGB analog. Reicht die Masse nicht aus, um 206
Siehe oben, 1. Teil, B.IV.2.b)aa). Siehe oben, 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(a). 208 Eckardt, KTS 1997, 411, 430; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 60 Rn. 7; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 60 Rn. 2. 209 Der Begriff „Rechthandlungen“ im Sinne von § 61 InsO wird dabei nicht wörtlich genommen. Vielmehr wird zwischen freiwillig begründeten Masseverbindlichkeiten und aufgezwungenen (oktroyierten) Masseverbindlichkeiten unterschieden. Letztere sind von der Haftung aus § 61 InsO ausgeschlossen, weil der Verwalter auf die Entstehung der Masseverbindlichkeit und deren Höhe keinen Einfluss hat, z. B. Lohn- und Gehaltsansprüche aus Arbeitsverhältnissen innerhalb der gesetzlichen Kündigungsfrist, vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 61 Rn. 3, 5; Häsemeyer, Rn. 6.40. 207
A. Eigenverwaltung
249
den der Untergesellschaft entstandenen Schaden zu decken, so haftet neben der Insolvenzmasse der Obergesellschaft ihr Insolvenzverwalter persönlich.210 Das präventive Schutzsystem faktischer Konzernleitung gerät demnach trotz Insolvenz der Obergesellschaft nicht ins Wanken. Durch die Einordnung als Masseverbindlichkeit, flankiert mit der persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters, die üblicherweise durch eine Berufshaftpflichtversicherung und einer speziellen Verfahrensversicherung abgesichert ist211, sind Schadensersatzansprüche aufgrund nachteiliger Einflussnahme in gleicher Weise garantiert wie außerhalb des Insolvenzverfahrens. Die im Vergleich zum werbenden Konzern verstärkten Kontrollmöglichkeiten der Gläubiger der Untergesellschaft über Sachwalter und Gläubigerausschuss und die mögliche Haftung der Obergesellschaft bzw. des Insolvenzverwalters persönlich für nachteilige Einflussnahmen, gebieten für die Aufrechterhaltung faktischer Konzernleitung hinreichenden Schutz. c) Gleichzeitige Eigenverwaltung der Obergesellschaft als zwingendes Erfordernis für den Fortbestand der Konzernleitungsmacht? Ein Argument für die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen im Verfahren der Eigenverwaltung war die Kontinuität der Leitungsstrukturen. Ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzernmutter ein Insolvenzverwalter eingesetzt und nimmt dieser die Verwaltungsrechte der Gesellschafterversammlung der Untergesellschaft wahr, so wäre mit seiner Einsetzung in personaler Hinsicht ein Bruch in den Leitungsstrukturen verbunden. Dieser Bruch lässt sich nur bei gleichzeitiger Anordnung der Eigenverwaltung für die Obergesellschaft verhindern. Wird die Umsetzung eines konzernweiten Sanierungskonzeptes angestrebt, sollte demnach auch die Obergesellschaft in Eigenverwaltung geführt werden.212 Für den Fortbestand faktischer Konzernleitungsmacht reicht allerdings, dass lediglich die Untergesellschaften in Eigenverwaltung geführt werden. Solange noch eine Sanierungschance für die Untergesellschaft besteht, sollte der Anteilsinhaber seine Verwaltungsrechte in der Eigenverwaltung nutzen können, um den Anteilen langfristig wieder einen Wert zufügen zu können 210
Bous, S. 332. Neufeld, in: Mohrbutter/Ringstmeier, Handbuch der Insolvenzverwaltung, § 28 Rn. 211, 213. 212 In diesem Fall wäre freilich eine Absicherung evtl. aus der Konzernleitung entstehender Schadensersatzansprüche über § 61 InsO nicht gegeben. Inwieweit in diesem Fall eine persönliche Haftung der Exekutivorgane der Obergesellschaft diese Lücke ausfüllen könnte, soll an dieser Stelle offen bleiben. 211
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
und nicht in die Hände eines mit diktatorischer Gewalt ausgestatteten Geschäftsführers gelegt werden.213 Ist der Anteilsinhaber ebenfalls insolvent, sollte der Treuhänder seiner Gläubiger diese Chance zur Massemehrung nutzen, d.h. der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft.
VI. Ergebnis Die vorangehenden Ausführungen haben gezeigt, dass im Verfahren der Eigenverwaltung eine juristische Person als Schuldner bei der Ausübung ihrer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse und den insolvenzspezifischen Befugnissen (§ 279 InsO) nach der gesellschaftsrechtlich erzeugten Kompetenzordnung handelt. Für die GmbH führte dies zu einer Weisungsunterworfenheit des Geschäftsführers (§ 37 GmbHG) im Hinblick auf die Wahrnehmung der schuldnerischen Befugnisse im Außenverhältnis, die sich auch zu einer Konzernleitungsmacht verdichten kann. Sowohl Geschäftsführer als auch Gesellschafter sind bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen an den Insolvenzverfahrenszweck aus § 1 InsO gebunden, dass heißt, sie haben ihre Kompetenzen an den Interessen der Gläubiger der Untergesellschaft auszurichten, andernfalls droht ihnen die Haftung. Solange die Aussichten auf eine Sanierung bestehen, ist ein gewisser Gleichlauf der Interessen von Gläubiger und Gesellschafter festzustellen, welche in der Steigerung der Ertragsfähigkeit der Gesellschaft besteht. Die Gläubiger haben über die Kontroll-, Beobachtungs- und z. T. Zustimmungsbefugnisse des Sachwalters und des Gläubigerausschusses die Möglichkeit, den Umgang der Gesellschaftsorgane mit der Masse zu überwachen. Entscheiden sich die Gläubiger der Untergesellschaft im Berichtstermin für eine Liquidation oder übertragende Sanierung, steht für die Gesellschafter fest, dass sie endgültig ihrem Gesellschaftsanteil keinen Wert mehr verschaffen können. Die Gegensätze zu den Interessen der Gläubiger, durch die Veräußerung des schuldnerischen Vermögens bestmöglich befriedigt zu werden, sind nun so groß, dass sie sich nicht mehr mit der Aufrechterhaltung der Eigenverwaltung vereinbaren lassen. Auf Antrag der Gläubigerversammlung (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder auf Antrag eines Gläubigers § 272 Abs. 2 InsO214 ist vom Insolvenzgericht die Eigenverwaltung aufzuheben. Befindet sich neben der Untergesellschaft auch die Obergesellschaft in einem Insolvenzverfahren, so stehen dem Insolvenzverwalter oder der in 213
Siehe oben, S. 232 und S. 235. Wegen des Liquidationssachverhaltes ist mit Nachteilen für die Gläubiger im Sinne von § 270 Abs. 2 Nr. 3 zu rechnen. Es liegen somit die Voraussetzungen für eine Aufhebung gemäß § 272 Abs. 1 Nr. 2 InsO vor. 214
A. Eigenverwaltung
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Eigenverwaltung geführten Obergesellschaft die aus dem GmbH-Anteil fließenden Mitgliedschaftsrechte, insbesondere das Weisungsrecht aus § 37 GmbHG und die Kompetenz zur Abberufung der Geschäftsführer (§ 46 Nr. 5 GmbHG) zu. Eine hierarchische Koordination der von den einzelnen Konzerngliedern getragenen Unternehmen ist im Verfahren der Eigenverwaltung über die weiterhin bestehende faktische Konzernleitungsmacht möglich. Wie im werbenden Konzern sind lediglich nachteilige Einflussnahmen abzuwehren bzw. ist auf einen angemessenen Ausgleich zu achten. Im Sanierungsverfahren wird der Konzern bei Anordnung der Eigenverwaltung demnach im Grundsatz wie im werbenden Konzern geführt, mit dem Unterschied, dass die Ausübung der Konzernleitungsmacht durch den Sachwalter strikt auf seine nachteilige Wirkung für die Gläubiger der Untergesellschaft überprüft wird.
VII. Besonderheiten im Vertragskonzern 1. Ausgangspunkt Wie in den vorhergehenden Abschnitten herausgearbeitet wurde, stehen der Gesellschaft als solcher die schuldnerischen Kompetenzen in der Eigenverwaltung zu. Das vertretungsberechtigte Exekutivorgan der Gesellschaft übt dabei im Außenverhältnis die Befugnisse für die Gesellschaft aus. Im Innenverhältnis ist es an die aus Satzung und Gesetz gespeiste verbandsrechtliche Kompetenzordnung gebunden. Für den faktischen Konzern bedeutete dies, dass die Obergesellschaft über ihre Gesellschaftsanteile dem GmbH-Geschäftsführer der Untergesellschaft bei der Ausübung der schuldnerischen Kompetenzen in der Eigenverwaltung Weisungen erteilen kann. Entsprechendes wurde angenommen, wenn sich sowohl die Ober- als auch die Untergesellschaft im Insolvenzverfahren befindet, eine hierarchische Koordination der Konzernunternehmen im Insolvenzverfahren unter Aufsicht von Sachwalter und Gläubigerausschuss war somit im faktischen Konzern über die Anordnung der Eigenverwaltung möglich. Im nachfolgenden Abschnitt soll überprüft werden, ob auch im Vertragskonzern durch die Anordnung der Eigenverwaltung die Konzernleitungsmacht in einem auf fortführende Sanierung gerichteten Insolvenzverfahren fortbesteht. Anlass zur näheren Betrachtung ist auch hier wieder die Perspektive der Untergesellschaft, die Rechtsstellung des Insolvenzverwalters nach der herrschenden Amtstheorie als ein außerhalb des schuldnerischen Verbandes stehender Amtstreuhänder und die herausgearbeitete These, dass in der Eigenverwaltung der Schuldner die Befugnisse nach dem Regime seiner durch Gesetz und Satzung gespeisten Verbandsverfassung wahrnimmt.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
a) Rechtsnatur des Beherrschungsvertrages Der Beherrschungsvertrag wird heute allgemein nicht als ein bloßer Schuldvertrag verstanden, in dem sich die Untergesellschaft zur Befolgung von Weisungen der Obergesellschaft verpflichtet, wie die Bezeichnung „Vertrag“ zunächst anmuten lässt. Die Ausgestaltung in den aktienrechtlichen Vorschriften (§§ 291 ff. AktG) lässt ihn als Organisationsvertrag mit satzungsändernder Wirkung verstehen.215 Wie eine Satzung werden durch ihn die organisationsrechtlichen Grundlagen, insbesondere die verbandsinternen Zuständigkeiten der Untergesellschaft, modifiziert.216 Die Modifikation der Verbandsstruktur findet insbesondere ihren Ausdruck in der Beseitigung des Rechtes des Vorstandes zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft (§ 76 Abs. 1 AktG) und seine Ersetzung durch die Weisungsfolgepflicht des Vorstandes gegenüber Weisungen des herrschenden Unternehmens (§ 308 Abs. 2 AktG).217 Das herrschende Unternehmen wird dabei als Leitungsinstanz in die innergesellschaftliche Organisation der beherrschten Aktiengesellschaft einbezogen.218 Das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens unmittelbar gegenüber dem Vorstand der Untergesellschaft (vgl. § 308 AktG) wird als körperschaftliche Zuständigkeit und Befugnis der Untergesellschaft verstanden.219 Anders als das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft werden die beiden Vertragspartner nicht von außen her gebunden, sondern das herrschende Unternehmen wird quasi als Organ in die abhängige Gesellschaft einbezogen.220 Insoweit entspricht das durch den Beherrschungsvertrag erzeugte Weisungsrecht der im faktischen Konzern erfolgten Einflussnahme über die Mitgliedschaft. Beide sind organisatorischer Art, indem sie gesellschaftsrechtlich vermittelt werden und die Innenstruktur der Gesellschaft betreffen.221 215
BGHZ 103, 1, 4 f.; BGHZ 105, 324, 331; BGHZ 116, 37, 43; OLG Karlsruhe, NJW 1967, 831, 832; LG Ingoldstadt, AG 1991, 24, 25; MünchKomm AktG/Altmeppen, § 291 Rn. 25 ff.; Bälz, AG 1992, 277, 285, 299 f.; W. Bayer, S. 13 ff.; Exner, S. 53 ff.; Hüffer, AktG, § 291 Rn. 17; KölnerKomm/Koppensteiner, Vorb. § 291 Rn. 259; Kropff, BB 1965, 1281, 1287 „Satzung der durch ihn zusammengeschlossenen Unternehmensgruppe“; Liebscher, G Rn. 581; Samer, S. 165; K. Schmidt, § 31 III., 1. 1), S. 948; Großkommentar AktG/Würdinger, § 291 Anm. 11; ders., DB 1958, 1447, 1451. 216 BGHZ 105, 324, 331; Liebscher, G Rn. 581; Samer, S. 166; Großkommentar AktG/Würdinger, § 291 Anm. 13. 217 Liebscher, G Rn. 581; Samer, S. 169. 218 Würdinger, DB 1958, 1447, 1452. 219 Liebscher, G Rn. 586; Samer, S. 166; Großkommentar AktG/Würdinger, § 291 Anm. 12. 220 Würdinger, DB 1958, 1447, 1451. 221 Eberl-Borges, WM 2003, 105, 107.
A. Eigenverwaltung
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Neben der Änderung des Kompetenzgefüges der Untergesellschaft bewirkt der Beherrschungsvertrag die Änderung des Verbandszwecks der Untergesellschaft, denn durch die Pflicht des Vorstandes der Untergesellschaft, auch nachteilige Weisungen im Konzerninteresse zu befolgen, muss die Untergesellschaft ihr Eigeninteresse gegenüber dem Konzerninteresse zurückstellen (vgl. § 308 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 S. 2 AktG).222 Ferner geht mit der Möglichkeit, nachteilige Weisungen zu erteilen, die Auflösung der Kapitalerhaltungsvorschriften der abhängigen Gesellschaft einher (vgl. § 291 Abs. 3).223 Neben der organisationsrechtlichen Wirkung erzeugt der Beherrschungsvertrag auch schuldrechtliche Bindungen in Form von Leistungspflichten, wie etwa die Pflicht der Untergesellschaft zur Befolgung von Weisungen gemäß § 308 AktG einerseits und die Übernahme von Verlusten (§ 302 AktG) andererseits.224 b) Schlussfolgerung für die weitere Untersuchung Ist das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht Teil der Kompetenzordnung der Untergesellschaft und handelt der Schuldner in der Eigenverwaltung nach seinem konkreten verbandsrechtlichen Regime, bedeutet dies im Ausgangspunkt, dass der Vorstand der Untergesellschaft im Verfahren der Eigenverwaltung intern den Weisungen der Obergesellschaft unterworfen ist. Jedenfalls wäre auch im Vertragskonzern eine besondere Begründung notwendig, welche bei Anordnung der Eigenverwaltung im Verfahren der Untergesellschaft die Wirkungen des Beherrschungsvertrages unterbricht. Diese Frage soll nachfolgend näher untersucht werden. 2. Schicksal der beherrschungsvertraglichen Leitungsmacht in der Insolvenz a) Insolvenz der Obergesellschaft Das Schicksal des Beherrschungsvertrages und des damit verbundenen Weisungsrechtes aus § 308 AktG wird seit langer Zeit im Schrifttum diskutiert. Eine höchstrichterliche Stellungnahme erfolgte bislang nur unter Geltung der Konkursordnung.225 222
Liebscher, G Rn. 581; Samer, S. 170. Emmerich/Habersack, § 11 III. 1., S. 170; Liebscher, G Rn. 581. 224 Hüffer, AktG, § 291 Rn. 18; Liebscher, G Rn. 582; K. Schmidt, § 31 III, 1., a), S. 948. 225 BGHZ 103, 1, 6 f. „Familienheim“; unter Geltung der Insolvenzordnung vgl. AG Duisburg, ZIP 2002, 1636 ff. „Babcock-Borsig“. 223
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
aa) Meinungsstand unter der Geltung der Konkursund Vergleichsordnung Das Schicksal des Beherrschungsvertrages und des aus ihm folgenden Weisungsrechtes wurde vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung im Hinblick auf die Eröffnung eines Konkursverfahrens und der Eröffnung eines Vergleichsverfahrens unterschiedlich beurteilt. Entsprechend differenziert hat die Darstellung zu erfolgen. (1) Eröffnung des Konkursverfahrens (a) Automatische Beendigung Die Rechtsprechung226 und ein Teil der Literatur227 ging von einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages mit Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der herrschenden oder abhängigen Gesellschaft aus. Ein Beendigungstatbestand war zwar weder in den einschlägigen konzernrechtlichen Vorschriften (§§ 291 ff. AktG) noch in der Insolvenzordnung vorgesehen, dennoch trugen Rechtsprechung und Literatur in etwa die gleichen Gründe vor, die zu einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrages kraft ergänzender Vertragsauslegung228 bzw. nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage229 oder kraft Rechtsfortbildung230 führen müsse. Als wesentliche Gründe für eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages mit Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft wurden die durch Auflösung bedingte Zweckänderung der Obergesellschaft (verbandsrechtliche Begründung) und die Pflichtenbindung des Konkursverwalters am Konkursverfahrenszweck (verfahrensrechtliche Begründung) ins Feld geführt. Anders als die geltende Insolvenzordnung forderte das Konkursverfahren die Befriedigung der Gläubiger zwingend im Wege der Liquidation des schuldnerischen Vermögens zu erreichen (vgl. § 117 KO).231 Die Pflicht des Konkursverwalters, das Vermögen der 226 BGHZ 103, 1, 6 f. „Familienheim“; Hengeler/Hofmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286, 302; Kort, ZIP 1988, 681, 682; Lutter, ZfB 1984, 781, 783; Mertens ZGR 1984, 542, 552; Jaeger/Weber, KO, §§ 207, 208 Anm 11. 227 Hengeler/Hofmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 284 ff., 302; Peltzer AG 1975, 309, 310 f.; Jaeger/Weber, KO, §§ 207, 208 Anm 11. 228 So BGHZ 103, 1, 6; weniger eindeutig, aber im Ergebnis wohl ebenfalls, Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, 283, 286. 229 So Henze, Rn. 1429. 230 So Lutter, ZfB 1984, 781, 782. 231 Dazu eingehend Kuhn/Uhlenbruck, KO § 117 Rn. 14 ff.
A. Eigenverwaltung
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Obergesellschaft zu liquidieren und konkursmäßig abzuwickeln, machte den Beherrschungsvertrag als ein Instrument, die Untergesellschaft auf ein von der Obergesellschaft näher definiertes Konzerninteresse auszurichten, obsolet, weil letzteres nur bei einer werbenden und nicht sterbenden Obergesellschaft denkbar wäre.232 In die gleiche Richtung ging die verbandsrechtliche Begründung. Die mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft einhergehende verbandsrechtliche Auflösung (§ 262 Abs. 1 Nr. 3 AktG) führte unter Geltung der Konkursordnung zu einer Änderung des Gesellschaftszweck auf den Liquidationszweck.233 Mit der Auflösung wurde der auf Gewinnerzielung ausgerichtete werbende Verbandszweck gleichsam durch ein Selbstzerstörungsprogramm ersetzt, welches ebenfalls mit dem Zweck eines Beherrschungsvertrages, das Unternehmen der Untergesellschaft auf die Konzernziele mittels beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts abzustimmen, unvereinbar war.234 (b) Suspendierung Die damalige Gegenansicht in der Literatur235 folgte der herrschenden Meinung zwar in der Begründung, hielt allerdings in der Rechtsfolge die automatische Beendigung nicht für angemessen. Vielmehr sollte nicht der Beherrschungsvertrag automatisch enden, sondern lediglich die aus ihm folgenden Rechte und Pflichten – Weisungsrecht aus § 308 AktG, Verlustausgleich aus § 302 AktG – mit der Eröffnung des Konkursverfahrens suspendiert sein. Die Befugnisse und Pflichten aus dem Beherrschungsvertrag würden erst dann wieder aufleben, wenn die Ober- oder Untergesellschaft aus dem Konkurs – etwa mittels Fortsetzungsvergleich – herausgeführt und fortgesetzt werde. Gegen die automatische Beendigung wurde insbesondere der organisationsrechtliche Charakter des Beherrschungsvertrages hervorgehoben. Die aus der organisationsrechtlichen Einordnung folgende Nähe des Beherr232 BGHZ 103, 1, 7 „Familienheim“; Hengeler/Hofmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286, 302; Hommelhoff, JbFSt 1992/93, 471, 479; Kort, ZIP 1988, 681, 682; Lutter, ZfB 1984, 781, 783; Mertens, ZGR 1984, 542, 552; Jaeger/Weber, KO, 8. Auflage, §§ 207, 208 Anm 11. 233 BGHZ 103, 1, 6 f.; Hengeler/Hofmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286. 234 Vgl. BGHZ 103, 1, 6 f.; Hengeler/Hofmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286; Hommelhoff, JbFSt 1992/93, 471, 479. 235 Acher, S. 98 ff., 113; Hommelhoff, JbFSt 1992/93, 471, 479; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 297 Rn. 29; Meister, WM 1976, 1182, 1188 f.; Samer, Beherrschungsverträge, S. 164 ff.; 174 ff.; K. Schmidt, Wege, S. 226 ff.; ders., Gesellschaftsrecht, § 31 III, S. 957; Tschernig, S. 93 ff.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
schungsvertrages zur Satzung einer Gesellschaft sollte nach dieser Auffassung auch deren Schicksal in der Insolvenz teilen. Genauso wenig wie eine Gesellschaft im Konkurs endet, sollte der Beherrschungsvertrag durch den Konkurszweck lediglich überlagert werden, aber nicht wie ein Dauerschuldverhältnis einfach wegfallen.236 Neben der dogmatischen Begründung hielt sich die Suspensionslehre auch im Ergebnis der damals herrschenden Lehre überlegen. Die Suspendierung sollte die Möglichkeit für einen Zwangsvergleich oder einer außergerichtlichen Sanierung offen halten, ohne mit Eröffnung des Konkursverfahrens den Konzern unrevidierbar zu zerstören, denn nach entsprechender Beseitigung des Konkursgrundes und Einstellung des Konkursverfahrens würden auch Weisungsrecht und Verlustausgleich wieder aufleben.237 Mit dem gleichzeitigen Verweis auf die Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung des Beherrschungsvertrages hielt sich die Suspensionslehre schon damals für die flexiblere Lösung mit wesentlich besseren Sanierungschancen gegenüber der automatischen Beendigung und derer irreparabler Folgen.238 (2) Vergleichsverfahren Ganz anders waren nach damals einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum239 die Auswirkungen der Eröffnung eines Vergleichsverfahrens auf das Schicksal des Beherrschungsvertrages. Nach einhelliger Meinung sollte nicht nur der Beherrschungsvertrag die Verfahrenseröffnung über das Vermögen der Ober und/oder der Untergesellschaft in seinem Bestand überdauern, sondern im Grundsatz sollte der Obergesellschaft auch im Verfahren selbst das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht zustehen und entsprechend zum Verlustausgleich nach § 302 AktG verpflichtet sein. Im Unterschied zum Konkursverfahren war das Vergleichsverfahren auf den Erhalt und nicht auf Abwicklung der unternehmenstragenden Gesellschaft gerichtet, seine Eröffnung ließ den auf Gewinnerzielung gerichteten Gesellschaftszweck unberührt (§ 18 Nr. 4 VglO).240 Der wesentliche Unterschied zum Konkursverfahren lag ferner im Verbleib der Verwaltungs- und Verfügungs236
Samer, S. 164 ff., 174 ff.; K. Schmidt, Wege, S. 224; Tschernig, S. 94. Acher, S. 101; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 1. Auflage, S. 793; Tschernig, S. 94. 238 Tschernig, S. 95. 239 BGHZ 103, 1, 8; Acher, S. 63, 68; Bley/Mohrbutter, VerglO, § 108 Anm 8 b; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 297; Kort, ZIP 1988, 681, 684; Kübler, ZGR 1984, 561, 588; Pelzer, AG 1975, 309, 310; Samer, S. 294 ff.; Tschernig, S. 95. 240 BGHZ 103, 1, 8; Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 298; Kort, ZIP 1988, 681, 684. 237
A. Eigenverwaltung
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befugnis beim Schuldner, der lediglich unter Aufsicht eines Vergleichsverwalters agierte. Die Obergesellschaft behielt im Grundsatz ihr Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand ihrer Tochtergesellschaft und somit Einfluss auf das von ihr getragene Unternehmen als „Pool produktiver Ressourcen“. Eine gewisse Einschränkung des Weisungsrechtes sollte aber durch die Kompetenzen des Vergleichsverwalters verbunden sein, dem gegenüber bei gleichzeitigem Vergleichsverfahren der Untergesellschaft das Weisungsrecht nicht galt.241 Da dem Vergleichsverwalter jedoch nur passive Zustimmungspflichten zustanden, er somit keine eigene Geschäftsführungsstrategie entwickeln konnte, ging man vom Fortbestand des Konzerns im Vergleichsverfahren aus. Mit der Eröffnung des Vergleichsverfahrens über das Vermögen von Unter- und/oder Obergesellschaft sollte jedoch nach allgemeiner Auffassung eine Kündigung aus wichtigem Grund möglich sein.242 bb) Streitstand unter Geltung der Insolvenzordnung Die Einführung der Insolvenzordnung hat bekanntermaßen die Zweispurigkeit der Insolvenzverfahren abgeschafft und ein einheitliches Verfahren zum Zwecke der Haftungsverwirklichung der Gläubiger geschaffen (§ 1 InsO). Dieser Zweck bestmöglicher Haftungsverwirklichung kann sowohl durch Liquidation, d.h. im Wege einer Einzelzerschlagung oder Veräußerung des Unternehmens als Verbundwert (übertragende Sanierung) oder durch eine in einem Sanierungsplan (§§ 217 ff.) geregelte Befriedigung im Wege der Fortführung der schuldnerischen Gesellschaft erfolgen. Ganz im Sinne einer marktgerechten Lösung legt die Insolvenzordnung die Entscheidung über den Weg der Haftungsverwirklichung in die Hände der Gläubiger als die eigentlich Betroffenen. Diese haben in der ersten Gläubigerversammlung (Berichtstermin) über die Verwertungsart zu befinden (§§ 156, 157 InsO). Das schuldnerische Unternehmen ist bis zu diesem Termin fortzuführen, um die Entscheidung der Gläubigerversammlung nicht vorwegzunehmen (§ 158 Abs. 1 InsO). Entsprechend steht mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht fest, ob das Unternehmen langfristig fortgeführt oder liquidiert werden soll. Die entscheidende Weichenstellung für eine langfristige Unternehmensfortführung im Wege einer Sanierung auf Grundlage eines Insolvenzplanes §§ 217 ff. InsO oder einer Liquidation ist nun nicht mehr die Verfahrenseröffnung, sondern der Berichtstermin. Aber nicht nur die Verwertungsart, sondern auch die Kompetenzordnung ist offen. Nach der früheren Rechtslage wurde mit dem Antrag neben der Verwertungsart (Liquidation oder Sanierung) auch die Kompetenzordnung be241 242
BGHZ 103, 1, 8; Kort, ZIP 1988, 681, 684; Samer, S. 295. Bley/Mohrbutter, VglO, § 108 Rn. 8.
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stimmt. Während mit dem Konkursverfahren nach früherer Rechtslage zwingend die Einsetzung eines Konkursverwalters verbunden war und mit dem Vergleichsverfahren der Schuldner die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis behielt243, stellt das Insolvenzverfahren mit der Eigenverwaltung beide Kompetenzordnungen zur Verfügung, die auch während des Verfahrens noch geändert werden können (vgl. §§ 271 f. InsO). Mit der Bündelung der Verfahren in ein Insolvenzverfahren drängt sich die Frage auf: Soll die Rechtslage zum Konkursverfahren oder zum Vergleichsverfahren übertragen werden oder ist gar eine völlige Neuorientierung erforderlich? (1) Die Herrschende Meinung vom Fortbestand des Beherrschungsvertrages Die dargestellte Integration von Sanierungs- und Liquidationsverfahren in ein einheitliches, ergebnisoffenes Insolvenzverfahren veranlassen den überwiegenden Teil der Literatur244 und einem Judikat245 die früher herrschende Meinung von der automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrags aufzugeben. Da die Art und Weise der Haftungsverwirklichung – Sanierung oder Liquidation – im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung noch nicht feststehe und die Fortführung des Unternehmens und der dazugehörigen Gesellschaft nach Bestätigung eines Insolvenzplanes als gleichberechtigte Variante möglich ist, könne die aus dem Liquidationszweck stammende Begründung der früher herrschenden Meinung nicht übernommen werden.246 Auch die Einführung der vergleichsähnlichen Eigenverwaltung wird als Begründung gegen eine automatische Beendigung angeführt.247 243 Einschränkungen ergaben sich aus möglichen Zustimmungsvorbehalten des Vergleichsverwalters. 244 Böcker, GmbHR 2004, 1257, 1258; ders., GmbHR 2004, 1314, 1314; grundlegend Bous, S. 149 ff., 171, 290; Bitter, ZHR 166 (2002), S. 713, 717; Eckardt, NZG 1999, 570, 572; Häsemeyer, Rn. 32.09; Uhlenbruck/Hirte, § 11 Rn. 398; Küpler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rn. 720 ff., 726; Philippi/Neveling, BB 2003, 1685, 1690; Rotstegge, S. 254 ff.; Tschernig, S. 102 ff.; Zeidler, NZG 1999, 692, 696 f.; für den Fall, dass die Obergesellschaft in Eigenverwaltung geführt wird: Emmerich/Habersack, § 19 IV., S. 265; ähnlich Bamberger, in: Knops/Bamberger/ Maier-Reimer, § 16 Rn. 182; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 297 Rn. 47; K. Schmidt, GesR § 31 III 5; Trendelenburg, NJW 2002, 647, 649; Widemann/ Hirte, FS 50 Jahre BGH, S. 337, 376; Wilken/Ziems, FS Metzeler, S. 153, 155, 165. 245 AG Duisburg „Babcock-Borsig“, ZIP 2002, 1636 Leitsatz 5: „In der Insolvenz eines herrschenden oder abhängigen Konzernunternehmens ruhen für die Dauer des Insolvenzverfahrens auch bei Anordnung der Eigenverwaltung alle konzernrechtlichen Weisungsbefugnisse.“ 246 Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648. 247 Trendelenburg, NJW 2002, 647, 648; Tschernig, S. 99 f.; vgl. auch Hüffer, AktG, § 297 Rn. 22 a.
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(2) Die Lehre von Berthold und Altmeppen: Automatische Beendigung analog §§ 115, 116 InsO Schöpft die nun herrschende Meinung ihre Annahme methodisch aus der Widerlegung der Gründe, welche die herrschende Meinung unter der Geltung der Konkursordnung dazu veranlasste, von einer automatischen Beendigung auszugehen248, wird zum Teil ein anderer Begründungsansatz für eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft verfolgt. Anknüpfungspunkt dieser Lehre ist eine Analogie zu den insolvenzrechtlichen Vorschriften zum Auftrag und Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 115, 116) InsO.249 Sowohl Auftrag als auch Geschäftsbesorgungsverträge des Schuldners erlöschen nach diesen Vorschriften ipso iure mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Anlass zu einem solchen Analogieschluss soll die ursprüngliche Einordnung der Organschaftsverträge – gewissermaßen Vorgänger und Kombination der durch das Aktiengesetz 1964 eingeführten Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge – als schuldrechtlicher Dienstvertrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand hat (§§ 611, 675 BGB), sein.250 Die Ähnlichkeit des Organschaftsvertrages zum Geschäftsbesorgungsvertrag wurde von der Vorstellung geleitet, die abhängige Gesellschaft sei gegenüber dem herrschenden Unternehmen verpflichtet, nach außen im eigenen Namen aufzutreten, im Innenverhältnis aber ausschließlich nach dessen Anweisungen, in dessen Interesse und auf dessen Rechnung zu handeln. Die abhängige Gesellschaft wurde als Fremdgeschäftsführerin angesehen, welche im Interesse des herrschenden Unternehmens tätig zu sein hat.251 Der auf fremde Rechnung wirtschaftenden Organgesellschaft wurde nach § 667 BGB die Abführung ihrer Gewinne auferlegt und gleichzeitig ein Anspruch auf Ausgleich allfälliger Verluste gewährt (§ 670 BGB).252 Eine Rückbesinnung auf die Ursprünge des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages im bürgerlich-rechtlichen Auftrag müsse entsprechend zu einer automa248
Eine ausführliche Widerlegung der Begründung der herrschenden Meinung zur Konkursordnung findet sich bei Bous, S. 149 ff. 249 Berthold, Rn. 214; vgl. auch Altmeppen, Vortrag auf der Tagung der Arbeitsgemeinschaft für Insolvenzrecht und Sanierung des DAV in Wien am 21.2.2003, wiedergegeben bei Philippi/Neveling, BB 2003, 1685, 1690, Fn. 71; schon unter Geltung der Konkursordnung wurde beiläufig eine Beendigung des Beherrschungsvertrages auf den Beendigungstatbestand für Geschäftsbesorgungsverhältnisse, § 23 Abs. 2 KO, gestützt, Uhlenbruck, KTS 1986, 419, 423; im Ergebnis verneinend, Paulus, ZIP 1996, 2141, 2143. 250 Berthold, Rn. 214; zum früheren Verständnis vgl. Rasch, S. 85 f.; Hommelhoff, FS Goerdeler, S. 221, 227 f.; vgl. auch Bous, S. 162. 251 Rasch, S. 85 f.; vgl. auch Bous, S. 163. 252 Hommelhoff, FS Goerdeler, S. 221, 228.
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tischen Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens analog §§ 115, 116 InsO führen.253 Zweck der insolvenzrechtlichen Auftragsvorschriften (§§ 115, 116 InsO) ist es, durch die automatische Beendigung des Auftragsverhältnisses die Masse des Auftragsgebers vor Handlungen des Geschäftsführers zu schützen. Entsprechend soll durch eine automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages die Masse der Obergesellschaft vor einem ansonsten weiter bestehenden Verlustausgleichsanspruch aus § 302 AktG geschützt werden.254 (3) Stellungnahme Die unter Geltung der Konkursordnung vorherrschende Argumentation, welche den Beherrschungsvertrag wegen des auf Liquidation gerichteten Konkursverfahrens als obsolet erachtete, kann zweifelsohne nicht auf das Insolvenzverfahren übertragen werden. Ebenfalls verbietet sich eine Reanimierung dieser Argumentation durch einen Verweis auf die statistisch immer noch weit überwiegende Liquidation255, die für Großunternehmen im Hinblick auf die dort zunehmende Bedeutung der Sanierung im Insolvenzverfahren256 schon deshalb an Überzeugungskraft einbüßt. Entscheidend ist jedoch, dass nach der Grundkonzeption der Insolvenzordnung Liquidation und Sanierung gleichberechtigte Wege zur Erreichung des Ziels bestmöglicher Haftungsverwirklichung darstellen und mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder das Verfahren noch der Gesellschaftszweck auf Liquidation gerichtet ist, wollte man die Entscheidung der Gläubiger im Berichtstermin nicht vorwegnehmen.257 Aber auch die analoge Anwendung der Vorschriften über den bürgerlichrechtlichen Auftrag geht in der Sache fehl. Abgesehen von einer längst überkommenen Verwandtschaft des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages zum bürgerlich-rechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag258 besteht keine vergleichbare Interessenlage, die es rechtfertigen würde, eine Beendi253
Berthold, Rn. 215. Vgl. Berthold, Rn. 229, Rn. 231. 255 So insbesondere Berthold, Rn. 285. 256 Ehricke, ZInsO 2002, 393 ff.; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff.; Fritze, DZWiR 2007, 89 ff.; Braun/Kießner, InsO, Einf. Rn. 32; Piepenburg, NZI 2004, 231, 233; Rattunde, ZIP 2003, 596 ff.; ders., ZIP 2003, 2103, 2106; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff. 257 Zur ausführlichen Widerlegung der alten Lehre von der automatischen Beendigung, vgl. Bous, S. 149 ff. 258 Vgl. Hommelhoff, FS Goerdeler, S. 221, 229 „Der Beherrschungsvertrag ist nach modernem Verständnis von den geschäftsbesorgungsrechtlichen Eierschalen befreit.“ 254
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gung des Beherrschungsvertrages auf eine analoge Anwendung der §§ 115, 116 InsO zu stützen. Die §§ 115, 116 InsO sollen sicherstellen, dass die Verwaltung der Insolvenzmasse vom Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an allein in den Händen des Insolvenzverwalters liegt und die Insolvenzmasse entsprechend vor Verwaltungshandlungen Dritter abgeschirmt wird.259 Die automatische Beendigung des Geschäftsbesorgungsvertrages soll beispielsweise verhindern, dass ein Rechtsanwalt, der mit der Beitreibung einer zur Masse gehörenden Forderung beauftragt worden ist, ein Kommissionär, der mit der Veräußerung eines zur Masse zugehörigen Gegenstandes oder mit dem Erwerb eines solchen Gegenstandes aus Mitteln der Masse betraut wurde, die eigentliche Kompetenz des Insolvenzverwalters zur Verwaltung und Verfügung über die Masse eingeschränkt.260 Übertragen auf den Beherrschungsvertrag besteht die erste Unstimmigkeit bereits darin, dass der Untergesellschaft überhaupt keine Kompetenz zur Besorgung von Geschäften der Masse der Obergesellschaft zukommt. Die Untergesellschaft nimmt keine Angelegenheit der Obergesellschaft wahr, welche eigentlich in den Kompetenzbereich des Insolvenzverwalters aus § 80 Abs. 1 fallen müsste. Die Tochtergesellschaft handelt im eigenen Namen und entfaltet ihre unternehmerische Tätigkeit rechtlich ausschließlich mit Wirkung für und gegen ihr eigenes Vermögen, das streng von demjenigen der Obergesellschaft zu trennen ist.261 Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Beendigung des Beherrschungsvertrags nicht zu einem Kompetenzzuwachs beim Insolvenzverwalter führen würde. Es besteht insoweit überhaupt kein Konkurrenzverhältnis zwischen der geschäftlichen Tätigkeit der Untergesellschaft und dem Insolvenzverwalter der Obergesellschaft. Im Gegenteil: Dem Insolvenzverwalter wird mit der automatischen Beendigung die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Untergesellschaft genommen. Im Übrigen ist höchst bedenklich, die automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages als Organisationsvertrag auf eine – rechtspolitisch höchst umstrittene262 – Vorschrift des bürgerlich rechtlichen Auftrages zu stützen. Neben der satzungsähnlichen Wirkung, aus der Rechtsprechung und Literatur eine gewisse Bestandskraft durch die Anwendung der Lehre vom fehlerhaften Gesellschaftsvertrag auf den Beherrschungsvertrag schlie259 Begr. Reg.E, BT-Drucks. 12/1442, S. 151; Uhlenbruck/Berscheid, InsO, §§ 115, 116 Rn. 1; Jager/Henckel, KO, § 23 Rn. 3; HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 2. 260 Der Zweck, die Insolvenzmasse vor Fremdeinflüssen abzuschirmen, wird eigentlich bereits mit dem Erlöschen aller Vollmachten, Verfügungs- und Einziehungsermächtigungen erreicht, vgl. Uhlenbruck/Berscheid, InsO, §§ 115, 116 Rn. 3. 261 Bous, S. 167. 262 Zur rechtspolitischen Kritik vgl. HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 4; ders., FS Henckel; vgl. auch Uhlenbruck/Berscheid, InsO, §§ 115, 116, Rn. 4; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, §§ 115, 116 Rn. 2.
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ßen, sind die mit einem Beherrschungsvertrag entstehenden wirtschaftlichen Verflechtungen zu berücksichtigen, die naturgemäß bei einem schuldrechtlichen Einzelauftrag nicht entstehen. Der Beherrschungsvertrag schafft eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Verflechtung von Oberund Untergesellschaft.263 Diese mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens automatisch zu zerstören, ist weder wirtschaftlich sinnvoll noch zum Schutz der Masse der Obergesellschaft notwendig. Vorausgesetzt, die Obergesellschaft bleibt mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens weiterhin zum Ausgleich der durch die Tochter erwirtschafteten Verluste verpflichtet, kann diese bzw. ihr Insolvenzverwalter sich genauso gut durch einen optionalen Trennungsmechanismus, wie etwa einer außerordentlichen Kündigung nach § 297 AktG, vor weiteren Belastungen der Masse schützen. Es ist gerade dieser Beendigungsautomatismus, der im Hinblick auf Geschäftsbesorgungsverträge als nicht sachgerecht kritisiert wird264 und manchen dazu veranlasst, die Erlöschungsfolge im einfachen schuldrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag bereits de lege lata zu leugnen.265 Das Erlöschen des Geschäftsbesorgungsvertrages, der als gegenseitiger Vertrag andernfalls dem Wahlrecht aus § 103 InsO unterläge, kann Vertragswerte der Insolvenzmasse preisgeben.266 Im Hinblick auf den Schutz der Insolvenzmasse schießen die §§ 115, 116 InsO über das Ziel hinaus, weil insoweit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters den gleichen Schutz gewähren würde.267 Wird schon im Auftragsrecht der mit der automatischen Beendigung verbundene Verlust eines günstigen Geschäftsbesorgungsverhältnisses für die Masse kritisiert, gilt dies erst recht für den strukturschaffenden Beherrschungsvertrag. Der Schutz der Masse der Obergesellschaft wird hinreichend über eine insolvenzbedingte Lösungsmöglichkeit erreicht.268 Im Hinblick auf eine möglicherweise von allen Parteien angestrebte Sanierung im Konzernverbund 263
Vgl. Flume, DB 1956, 455, 455. HK/Marotzke, § 115 Rn. 4; ders., FS Henkel, S. 579 ff.; vgl. auch Uhlenbruck/Berscheid, InsO, §§ 115, 116, Rn. 4; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, §§ 115, 116 Rn. 2. 265 Instruktiv, HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 4; ders., FS Henkel, S. 579 ff. 266 Uhlenbruck/Berscheid, InsO, §§ 115, 116, Rn. 4; HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 4; ders., FS Henckel, S. 579 ff. 267 HK/Marotzke, § 115 Rn. 4, der aus diesen Gründen annimmt, dass „Erlöschen des Auftrages“ im Sinne § 115 InsO nicht das Erlöschen des durch die Annahme des Auftrages zustande gekommenen Vertrages bedeutet, sondern nur den Wegfall der durch diesen übertragenen Geschäftsführungsbefugnis. 268 Unter Geltung der Vergleichsordnung wurde beiden Parteien mit der Eröffnung eines Vergleichsverfahrens die Kündigung des Beherrschungsvertrages aus wichtigem Grund (§ 297 AktG) zugestanden. Eine Lösungsmöglichkeit wird auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung von der herrschenden Lehre vom Fortbestand des Beherrschungsvertrages den Parteien überwiegend zugestanden, vgl. dazu unten, 4. Teil, A.VII.3., S. 277. 264
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handelt es sich beim Verweis auf das Kündigungsrecht im Gegensatz zur automatischen Beendigung um die flexiblere Lösung. Bezüglich der Schutzperspektive der Untergesellschaft, welche eine analoge Anwendung des § 115, 116 InsO nicht im Blick hat, könnte für eine automatische Beendigung allenfalls die Gefahr sprechen, dass die Obergesellschaft Insolvenz bedingt nicht mehr in der Lage ist, ihren Verlustausgleichsanspruch zu bedienen. Aber auch hier gilt, dass durch eine evtl. Suspension des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Möglichkeit der Untergesellschaft, den Beherrschungsvertrag zu kündigen, die Untergesellschaft in gleicher Weise geschützt werden kann. Insoweit kann auf die Begründung der Suspensionslehre zur Konkursordnung verwiesen werden269, mit dem verstärkenden Argument, dass das Insolvenzverfahren die Sanierung im Verfahren als gleichberechtigtes Ziel anerkennt, während die Aussicht auf einen Zwangsvergleich mit Eröffnung des Konkursverfahrens nur eine „vage Hoffnung“ darstellte. Entsprechend des im Insolvenzverfahren integrierten Sanierungsverfahrens, besteht ein wesentlich höheres Bedürfnis, den Beherrschungsvertrag mit der Verfahrenseröffnung nicht einfach enden zu lassen, sondern für die Zeit nach erfolgreicher Sanierung und Beendigung des Insolvenzverfahrens zu retten. Für den eigentlichen Untersuchungsgegenstand „Koordinierung der parallelen Insolvenzverfahren“ ist dagegen von wesentlicher Bedeutung, ob das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht während des Insolvenzverfahrens – evtl. modifiziert – ausgeübt werden kann. Dies soll im Folgenden näher untersucht werden. cc) Fortbestand des Weisungsrechts Bisher wurde herausgearbeitet, dass der Beherrschungsvertrag mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft wegen des wünschenswerten Fortbestandes nach erfolgreicher Sanierung nicht automatisch endet. Da der Masseschutz der Obergesellschaft und der Schutz der Untergesellschaft über eine Lösungsmöglichkeit und evtl. Suspension der Rechte und Pflichten gleicher Maßen erreicht werden kann, stellt sich nunmehr die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen das Weisungsrecht im Insolvenzverfahren fortbesteht. Damit stößt man unmittelbar auf die eigentlich hier zu untersuchende Fragestellung. Kann das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht auch während des Insolvenzverfahrens – evtl. vom Insolvenzverwalter – gegenüber der in Eigenverwaltung geführten Untergesell269
Vgl. oben, 4. Teil, A.VII.2.a)aa)(1)(b).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
schaft ausgeübt werden? Dabei soll zunächst von der Konstellation ausgegangen werden, dass die Untergesellschaft sich nicht im Insolvenzverfahren befindet. Hier gilt es insbesondere zu klären, ob das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht Bestandteil der Insolvenzmasse der Obergesellschaft ist. In einem zweiten Schritt sollen die zusätzlichen Probleme, die im Hinblick darauf bestehen, dass sich sowohl Ober- als auch Untergesellschaft in einem Insolvenzverfahren befinden, erörtert werden. (1) Massezugehörigkeit des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts Die Ausübung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts durch den Insolvenzverwalter der Obergesellschaft setzt seine Zugehörigkeit zur Masse der Obergesellschaft voraus, weil nach der herrschenden Amtstheorie der Insolvenzverwalter nicht Organ der schuldnerischen Gesellschaft ist, sondern seine Befugnisse lediglich aus einem Übergang der Verwaltungsund Verfügungsbefugnis über schuldnerische Vermögenspositionen (§§ 80 Abs. 1, 146 InsO) erklärt werden kann. Wäre der Beherrschungsvertrag und mit ihm das Weisungsrecht beschlagfrei, stünde es allein dem Exekutivorgan der insolventen Obergesellschaft, nicht aber dem Insolvenzverwalter zu. Genau diese Massezugehörigkeit des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechtes der Obergesellschaft wird teilweise bestritten und als Bestandteil der schuldnerischen Verbandsverfassung der Obergesellschaft dem insolvenzfreien Bereich zugeordnet.270 (a) Übertragbarkeit des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts, §§ 35, 36 InsO Nach § 35 InsO bildet das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt, die vom Insolvenzverfahren erfasste Insolvenzmasse. Im Grundsatz gehört demnach jeder vermögenswerte Gegenstand des Schuldnervermögens zur Insolvenzmasse.271 Dem Charakter des Insolvenzverfahrens als Gesamtvollstreckungsverfahren entsprechend fordert § 36 InsO für die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse im Grundsatz zusätzlich, dass der Gegenstand der Einzelvollstreckung unterliegt. Gegenstände unterliegen wiederum nur dann der Einzelzwangsvollstreckung, wenn sie pfändbar, d.h. insbesondere übertragbar sind (§§ 851, 857 Abs. 1 ZPO). 270 So Rotstegge, S. 263, der die Ausübung des Weisungsrechts der Obergesellschaft davon abhängig machen will, ob die Obergesellschaft in Eigenverwaltung geführt wird; für einen Bestandteil der Masse dagegen Bous, S. 176. 271 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 13.
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Hier besteht ein wesentlicher Unterschied zum faktischen Konzern, bei dem die Gesellschaftsanteile nach § 15 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich frei übertragbar sind und schon aus diesen Gründen zur Insolvenzmasse gehörten.272 Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht ist dagegen nach einhelliger Meinung nicht einseitig übertragbar.273 Die Entscheidung der Untergesellschaft bzw. ihrer Aktionäre, sich dem umfassenden, auch nachteilige Weisungen zulassenden Weisungsrecht (vgl. § 308 AktG) einer bestimmten Gesellschaft zu unterwerfen, ist individuell im Hinblick auf die jeweils konkrete Gesellschaft getroffen worden. Könnte die Obergesellschaft das aus dem Beherrschungsvertrag resultierende Weisungsrecht an einen Dritten übertragen, so wäre eine solche Übertragung nicht ohne Veränderung möglich, denn nun könnte eine andere Obergesellschaft als Träger wiederum eines anderen Konzerninteresses das Weisungsrecht ausüben. Das schutzwürdige Interesse der Untergesellschaft macht das Weisungsrecht der Obergesellschaft gewissermaßen zu einem „höchstpersönlichen Recht“ der Obergesellschaft. Trotz dieses zunächst eindeutigen Befundes ist jedoch zu beachten, dass die Insolvenzordnung für einige Dauerschuldverhältnisse oftmals wie selbstverständlich davon ausgeht, dass die aus ihnen fließenden Befugnisse Bestandteil der Masse sind und vom Insolvenzverwalter entsprechend ausgeübt werden können, obwohl es sich insoweit um nicht übertragbare, weil höchstpersönliche Ansprüche handelt. So sind beispielsweise Ansprüche des Dienstberechtigten gegen den Dienstverpflichteten im Zweifel nicht abtretbar (§ 613 S. 2 BGB). Gleiches gilt für Ansprüche des Mieters und Verpächters auf Gebrauchsüberlassung bzw. Nutzung (§§ 540, 553 BGB).274 Auch diesen Abtretungsverboten liegt der Gedanke zu Grunde, dass es dem Schuldner typischerweise darauf ankommt, an wen er die Leistung zu erbringen hat.275 Und dennoch geht die Insolvenzordnung in den §§ 109 ff. InsO wie selbstverständlich davon aus, dass Miet-, Pacht-, Leasing-, Dienstund Arbeitsverhältnisse zur Masse gehören und der Insolvenzverwalter die Befugnisse aus diesen Vertragsverhältnissen ausüben kann. So ist beispielsweise der Insolvenzverwalter in der Lage, Ansprüche auf Arbeitsleistung gegen die Arbeitnehmer des Gemeinschuldners geltend zu machen, und ihm steht in diesem Zusammenhang – vergleichbar mit dem beherrschungsvertraglichen Weisungsrecht – das Direktionsrecht hinsichtlich Zuweisung von Tätigkeiten, Arbeitsort und Arbeitszeit gegenüber dem einzelnen Arbeitneh272
Siehe oben, 4. Teil, A.V.2.a). Emmerich/Habersack, § 23 III. 1 b); dies., Kommentar, § 308 Rn. 16; Exner, S. 163 ff.; Hüffer, AktG, § 308 Rn. 6; Kantzas, S. 81 ff.; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 15; Sina, AG 1991, 1, 4; Veelken, S. 197 ff. 274 MünchKomm BGB/Roth, § 399 Rn. 24. 275 MünchKomm BGB/Roth, § 399 Rn. 23. 273
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mer zu.276 Die Massezugehörigkeit rührt hier nicht aus der Verwertungsfähigkeit277, vielmehr soll die Zugehörigkeit der Befugnisse aus Miet-, Pacht- und Arbeitsvertrag zur Insolvenzmasse die Unternehmensfortführung durch den Insolvenzverwalter ermöglichen und ganz im Dienste einer effizienten Masseverwertung das Unternehmen als lebenden Verbund Aufrecht erhalten. Die Wirtschaftseinheit Unternehmen soll für eine mögliche fortführende oder übertragende Sanierung erhalten bleiben.278 Entsprechendes kann auf das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht übertragen werden. Seine Massezugehörigkeit kann nicht durch seine Eigenschaft als vom Insolvenzverwalter der Obergesellschaft zu verwertende Vermögensposition erklärt werden. Vielmehr handelt es sich um ein Instrumentarium, welches die Fortführung des von der Obergesellschaft getragenen Unternehmens erleichtert und je nach Konzernverflechtung auch zwingend erforderlich macht. Der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft ist insbesondere bei funktional-vertikal verflochtenen Konzerngliedern in der Lage, die für die Fortführung der Obergesellschaften zwingend notwendigen Zulieferungen der Untergesellschaft über das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht zu garantieren und abzusichern. (b) Eingriff in die Verbandsverfassung der Untergesellschaft durch den konzernlenkenden Insolvenzverwalter? Obwohl das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht eine im Dienst der Fortführung der Obergesellschaft stehende Vermögensposition darstellt, wird teilweise die Massezugehörigkeit wegen des organisationsvertraglichen Charakters des Beherrschungsvertrages geleugnet. Der Übergang der Weisungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter der Obergesellschaft stelle einen Eingriff in die durch den Beherrschungsvertrag mitgestaltete Organisationsstruktur der Untergesellschaft dar.279 276 Heinze/Bertram, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 103 Rn. 24; MünchKomm InsO/Ott, § 80 Rn. 122; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 63. 277 Vgl. Jaeger/Henckel, KO, § 1 Rn. 92; „Das Überlassungs- und Pfändungsverbot dieser Rechtsverhältnisse bedeutet für die Insolvenz nur, dass der Insolvenzverwalter die Rechte nicht durch Übertragung auf Dritte verwerten kann. Wohl aber gehört es zur Masse.“ 278 Vgl. Bous, S. 183, mit Verweis auf BegrRegE zu § 126 (= § 112 InsO), BTDrucks. 12/2443, S. 148. Dieser Gedanke rechtfertigt etwa auch die Einschränkung bei der Geltendmachung von Absonderungsrechten. Auch hier soll das Unternehmen erhalten bleiben. Mit dem Ziel, die wirtschaftliche Einheit Unternehmen im Besitz des Schuldners nicht zur Unzeit auseinander zu reißen, ordnet § 112 InsO sogar eine Verwirkung der vor Verfahrenseröffnung bestandenen Kündigungsrechte an. 279 Rotstegge, S. 263; vgl. schon K. Schmidt, Wege, S. 225.
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Dabei ist jedoch zu beachten, dass entsprechend dem Wortlaut aus § 308 AktG die Weisungsbefugnis aus dem Beherrschungsvertrag allgemein dem herrschenden Unternehmen, d.h. der Obergesellschaft zusteht und nicht etwa dem Exekutivorgan der Obergesellschaft.280 Das Exekutivorgan der Obergesellschaft nimmt dagegen das Weisungsrecht im werbenden Konzern lediglich aufgrund seiner Außenvertretungsberechtigung wahr. Es wird über den Beherrschungsvertrag aber keinesfalls Organ der Untergesellschaft.281 Für die Wahrung der Verbandsverfassung der Untergesellschaft kommt es demnach darauf an, dass es sich bei dem vom Insolvenzverwalter ausgeübten Weisungsrecht um das der Obergesellschaft zustehende Weisungsrecht handelt. Nicht von Relevanz ist dagegen, von wem das der Obergesellschaft zustehende Weisungsrecht ausgeübt wird. Entsprechend lässt die herrschende Meinung zwar keine vollständige Übertragung des Weisungsrechts, wohl aber eine Delegation mittels Vollmacht (§§ 164 ff. BGB) auf Dritte zu.282 Ist demnach lediglich eine vollständige Übertragung des Weisungsrechts von der Untergesellschaft auf eine dritte Person, nicht aber die Delegation der Wahrnehmung dieser Befugnisse durch die vertretungsberechtigten Organe auf Dritte ausgeschlossen, ist mit der Ausübung des Weisungsrechts durch den Insolvenzverwalter kein Eingriff in die durch den Beherrschungsvertrag mitgestaltete Verbandsverfassung der Untergesellschaft verbunden. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO führte nämlich nicht zu einer Übertragung des Weisungsrechts auf den Insolvenzverwalter. Nach der herrschenden Amtstheorie folgt aus dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter vielmehr lediglich ein Übergang der Wahrnehmungsbefugnis der Rechte des Schuldners. Der Schuldner bleibt dagegen nach wie vor Rechtsinhaber.283 Die Ausübung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts durch den Insolvenzverwalter der Obergesellschaft ist demnach nicht mit einem Eingriff in die Verbandsverfassung der Untergesellschaft verbunden. Insoweit bestehen keine organisationsrechtlichen Bedenken.284 280 Vgl. dazu Begr. zu § 297 RegE, bei Kropff, AktG, S. 403; Bous, S. 191; Exner, S. 132, 156 f. 281 Vgl. Hüffer, AktG, § 309 Rn. 2 „Die gesetzlichen Vertreter der Obergesellschaft haben keine Organbeziehung zur Untergesellschaft.“ 282 MünchKomm AktG/Altmeppen, § 308 Rn. 41 ff.; Bous, S. 194; Emmerich/ Habersack, § 23 III 1 b; dies., Kommentar, § 308 Rn. 13; Hüffer, § 308 Rn. 5; KölnerKomm AktG/Koppensteiner, § 308 Rn. 11; Großkommentar AktG/Würdinger, § 291 Anm 23; Krieger, in: MünchHdb Bd. 4, § 70 Rn. 137; anders Geßler/Hefermehl/Geßler, AktG, § 308 Rn. 17 f. 283 RGZ 52, 333; RGZ 53, 9; RGZ 53, 253; RGZ 105, 314; MünchKomm InsO/ Ott, § 80 Rn. 11; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 5. 284 So auch Bous, S. 198.
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(c) Zwischenergebnis Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht ist Bestandteil der Insolvenzmasse und kann grundsätzlich vom Insolvenzverwalter der Obergesellschaft ausgeübt werden. Entsprechend kann der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft das Unternehmen der Untergesellschaft hierarchisch mit dem Unternehmen der Obergesellschaft koordinierten, es sei denn der Ausübung des Weisungsrechts durch den Insolvenzverwalter stehen andere Gründe entgegen. (2) Mangelnde Deckung des Verlustausgleichsanspruchs wegen Insolvenz der Obergesellschaft? Gegen ein Fortbestand des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts im Insolvenzverfahren der Obergesellschaft könnte der Umstand sprechen, dass aufgrund der Insolvenz der Obergesellschaft diese nicht mehr in der Lage sein könnte, die beherrschungsvertraglichen Ausgleichs- und Abfindungspflichten, insbesondere die Verlustausgleichspflicht aus § 302 AktG, zu gewährleisten.285 Dieser Einwand liegt der herrschenden konzernrechtlichen Vorstellung zugrunde, dass ein werthaltiger Verlustausgleich unverzichtbare Legitimation (zumindest) nachteiliger Weisungen begründet.286 Der Verlustausgleichsanspruch stellt gleichsam ein Korrelat für die umfassenden Eingriffsrechte des herrschenden Unternehmens dar. Plakativ auf eine einfache Formel gebracht bedeutet dies: Wer die Geschicke der abhängigen Gesellschaft so weit zu bestimmen in der Lage ist, dass er der abhängigen Gesellschaft nachteilige Weisungen erteilen kann, die Untergesellschaft somit ganz in seinen Dienst stellen kann, hat im Gegenzug die während des Bestehens des Weisungsrechts bei der Untergesellschaft auflaufenden Verluste auszugleichen.287 Die Verlustausgleichspflicht nach § 302 AktG ist demnach nicht als Ausgleichspflicht für konkret durch Weisungen der Obergesellschaft verursachte Verluste der Untergesellschaft zu verstehen. Vielmehr dient sie als Korrelat für die potentielle Möglichkeit, nachteilige Weisungen erteilen zu können. Über die Pflicht der Obergesellschaft, die während ihrer Regentschaft bei der Untergesellschaft entstanden Verluste auszugleichen, sollen die Gläubiger der Untergesellschaft und die außen stehenden Aktionäre geschützt werden. Gläubigerschutzmechanismen – wie etwa die Garan285
So unter Geltung der Konkursordnung: Hengeler/Hoffmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 302 f.; Kort, ZIP 1988, 681, 682; K. Schmidt, Wege, S. 226. 286 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 Rn. 64; Emmerich, Bestandsschutz, S. 64, 75; Kort, ZIP 1988, 681, 682; Wilhelm, S. 140 ff.; Hengeler/HoffmannBecking, FS Hefermehl, S. 283, 302 f. 287 MünchKomm AktG/Altmeppen, § 302 Rn. 10; Samer, S. 316.
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tiefunktion des Grundkapitals288 – werden nämlich durch die nahezu uneingeschränkte Möglichkeit der Einflussnahme auf die abhängige Gesellschaft weitestgehend aufgehoben (vgl. § 291 Abs. 3 AktG). Außen stehende Gläubiger der Untergesellschaft sind insoweit der nachteiligen Einflussnahme durch die Obergesellschaft bewusst ausgeliefert. Ihnen steht stattdessen als Ausgleich der Erhalt des bilanziellen Anfangsvermögens der Untergesellschaft zu, welches über einen entsprechend Verlustausgleichsanspruch aus § 302 AktG garantiert wird. Aus dieser Garantiefunktion wird überwiegend gefolgert, dass die abhängige Gesellschaft Nachteile nur in Kauf nehmen darf, wenn der Verlustausgleich durch das herrschende Unternehmen unter allen Umständen gewährleistet ist.289 Bestehen aus Sicht der Untergesellschaft wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Zweifel an der Fähigkeit der Obergesellschaft, der Verlustausgleichspflicht nachzukommen, darf der Vorstand der Untergesellschaft nachteiligen Weisungen nicht Folge leisten, es sei denn, entsprechend § 311 AktG wird der konkrete Nachteil der Weisung vor der Umsetzung durch den Vorstand der Untergesellschaft von der Obergesellschaft ausgeglichen.290 Das Prinzip „umfassende Herrschaft gegen Verlustausgleich“ könnte bei Insolvenz der Obergesellschaft jedenfalls dann beeinträchtigt sein, wenn bei der Untergesellschaft tatsächlich ausgleichspflichtige Verluste angelaufen sind. Dies muss in der vorliegenden Konstellation, in der lediglich die Obergesellschaft insolvent ist, nicht zwingend der Fall sein. Die fehlende Insolvenz der Untergesellschaft kann darauf zurückzuführen sein, dass entweder überhaupt keine Verluste entstanden sind oder die Insolvenz bedingte Abschreibung des Verlustausgleichsanspruchs von der Untergesellschaft aus eigener Finanzkraft aufgefangen werden konnte. Für die Funktionsfähigkeit des Systems „umfassende Herrschaft gegen Verlustausgleich“ in der Insolvenz der Obergesellschaft wird allerdings zunehmend zu Recht eine Zukunftsbetrachtung herangezogen.291 Auch wenn die Untergesellschaft in einer bestimmten Höhe mit bis zur Eröffnung des 288 Zur Gläubigerschutzfunktion des Grundkapitals vgl. Hüffer, AktG, § 1 Rn. 10; Scholz/Winter, GmbHG, § 5 Rn. 10. 289 Emmerich/Habersack, Kommentar, § 308 Rn. 64; Emmerich, Bestandsschutz, S. 64, 75; Kort, ZIP 1988, 681, 682; Wilhelm, S. 140 ff.; Hengeler/HoffmannBecking, FS Hefermehl, S. 283, 302 f. 290 Emmerich/Habersack, Kommentear, § 308 Rn. 64; Emmerich, Bestandsschutz, S. 64, 75; Eschenbruch, Konzernhaftung, Tz. 3057; Wilhelm, S. 140 ff.; vgl. auch im Ergebnis ablehnend Berthold, Rn. 357. 291 HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 9; Piepenburg, NZI 2004, 231, 236; Kübler/ Prütting/Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 30 a; tendenziell, aber im Ergebnis offen gelassen Bous, S. 260 Fn. 303.
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Insolvenzverfahrens angelaufenen Verlusten ausfällt, weil sie diese nach einhelliger Meinung lediglich als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) geltend machen kann, wird die mögliche Ausübung des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts in der Insolvenz der Obergesellschaft von der Frage abhängig gemacht, ob der Verlustausgleichsanspruch denn für zukünftige, während der Regentschaft des Insolvenzverwalters entstehende Verluste gesichert ist. Für eine solche Aufspaltung in bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen und nach Verfahrenseröffnung zu erwartenden Verlusten spricht in der Tat der Rechtscharakter des Verlustausgleichsanspruchs als Dauerschuldverhältnis. Die Einordnung des Verlustausgleichsanspruchs aus § 302 AktG als Dauerschuldverhältnis ist heute allgemein anerkannt.292 Auch wenn der Wortlaut von § 302 AktG das herrschende Unternehmen lediglich dazu verpflichtet, den Jahresfehlbetrag der Untergesellschaft auszugleichen, wird die Verlustausgleichspflicht dennoch als ein Kontinuum im Sinne einer Rechtspflicht verstanden, die in jeder Sekunde des Geschäftsjahres vorhanden ist, allerdings nur zu den sich aus dem Bilanzrecht ergebenen Abrechnungstagen klagbare Geldansprüche auslöst.293 Das Abstellen auf den Jahresabschluss in § 302 AktG dient somit der praktischen Durchführung der Verlustübernahme.294 Entsprechend hat sich unter Geltung der Konkursordnung die Auffassung durchgesetzt, dass die bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Mutter angefallenen Verluste der Tochter als Konkursforderungen vom Konkursverwalter auszugleichen sind, auch wenn das Geschäftsjahr noch nicht beendet war und der Jahresabschluss noch nicht festgestellt wurde. Erkennt man das Zeitmoment des Verlustausgleichsanspruchs in dem Sinne, dass der Obergesellschaft ein umfangreiches Weisungsrecht zugestanden wird bei gleichzeitiger Fähigkeit, den jeweils im Zeitpunkt der Weisung bzw. ihrer Durchführung angefallen Verlust auszugleichen, dann lässt sich ein Fortbestand des Weisungsrechts über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus rechtfertigen, weil Ansprüche aus fortlaufenden Dauerschuldverhältnissen nach § 55 InsO Abs. 1 Nr. 2 InsO zu Masseverbindlichkeiten erstarken.295 Wie bei anderen fortlaufenden Dauerschuldverhältnissen – wie etwa Miet-, Pacht- oder Arbeitverhältnisse – sind die Verluste gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 2 danach aufzuteilen, ob sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder zeitlich danach entstanden sind.296 Verluste, welche zeitlich vor 292 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 516 ff.; Hüffer, AktG, § 302 Rn. 4; Müller, FS Rowedder, S. 277, 281. 293 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 518. 294 K. Schmidt, ZGR 1983, 513, 525. 295 HK/Eickmann, InsO, § 55 Rn. 21. 296 Vgl. HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 9; Piepenburg, NZI 2004, 231, 236; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 30 a.
A. Eigenverwaltung
271
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, kann die Untergesellschaft nur als Insolvenzforderung geltend machen. Wird der Beherrschungsvertrag weder vom Insolvenzverwalter der Obergesellschaft noch von der Untergesellschaft gekündigt, werden fortan anlaufende Verluste Masseverbindlichkeiten. Der Insolvenzverwalter der Obergesellschaft hat dabei den zu erwartenden Verlustausgleich zu prüfen. Reicht die Masse der Obergesellschaft für die Tilgung des Verlustausgleichsanspruchs nicht aus, so haftet der Insolvenzverwalter aus § 61 InsO persönlich.297 Entsprechend hat er gründlich die Vorteile eines Fortbestandes des beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts mit den Nachteilen einer evtl. Belastung der Masse der Obergesellschaft gegenüberzustellen und zu gewährleisten, dass die Masse der Obergesellschaft den zukünftigen Verlustausgleichsanspruch tragen kann. Zur Machbarkeit dieser Prognose sei die Äußerung eines erfahrenden Insolvenzverwalters an dieser Stelle zitiert: „Eine solche Abwägung (weitere Belastung der Insolvenzmasse der Obergesellschaft mit einem Verlustausgleichsanspruch gegen Vorteile des Fortbestandes des Weisungsrechts) basiert auf einer Prognose, mit allen damit verbundenen Unsicherheiten. Die Fundiertheit der Prognose hängt von der Qualität des zur Verfügung stehenden Datenmaterials ab. Die Fortführungsplanung eines Insolvenzverwalters basiert auf ähnlichen Grundlagen. Insofern hat man es mit einer vertrauten Materie zu tun.“298
Durch die Insolvenz der Obergesellschaft wird demzufolge das dem Vertragskonzern zugrunde liegende System „umfassende Herrschaft gegen Verlustausgleich“ für das zukünftige Weisungsrecht nicht zwingend in Frage gestellt.299
297
HK/Marotzke, InsO, § 115 Rn. 9. Piepenburg, NZI 2004, 231, 236. 299 Gegen dieses Ergebnis ließe sich möglicherweise folgender Wertungswiderspruch einwenden: In der Krise der Obergesellschaft besteht lediglich ein Weisungsrecht gegen Einzelausgleich. In der Insolvenz der Obergesellschaft soll dagegen ein vollwertiges Weisungsrecht bestehen bleiben. Jedoch ist zu beachten: In der Krise der Obergesellschaft kann der Vorstand der Untergesellschaft deren Auswirkung auf die Untergesellschaft nur schwer einschätzen. In der Konstellation, in der lediglich über das Vermögen der Obergesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, steht dagegen fest, dass die Tochter nicht mit in den Sog der Insolvenz gezogen wurde. Es hat sich ja erwiesen, dass die Insolvenz der Mutter nicht die Existenz der Tochtergesellschaft beeinträchtigt hat, d.h. aus Sicht der Gläubiger der Untergesellschaft ist alles noch einmal gut gegangen. Es geht dann aus Sicht der Gläubiger letztlich um die zukünftige Sicherung des Verlustausgleichsanspruchs, welche durch die Einstufung als Masseverbindlichkeit und der Gefahr einer persönlichen Haftung des Insolvenzverwalters (§ 61 InsO) unter einem neuen „Garantiewert“ steht. Der Verlustausgleich steht als Masseverbindlichkeit auf ein qualitativ neues Fundament. 298
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
b) Insolvenz der Untergesellschaft/Doppelinsolvenz Von geringer praktischer Bedeutung ist die Fallgestaltung, dass allein über das Vermögen der beherrschungsvertraglich abhängigen Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet wird.300 Ist die Mutter ausreichend finanzkräftig, um den Verlustausgleichsanspruch bedienen zu können, dann kann die Tochter, abgesehen vom Tatbestand der Zahlungsunfähigkeit, gar nicht insolvent werden, weil ein werthaltiger Verlustausgleichsanspruch die Überschuldung verhindert.301 Letztlich wird ein Insolvenzverfahren über eine beherrschungsvertraglich abhängige Tochtergesellschaft nur dann in Frage kommen, wenn auch die Mutter sich bereits im Insolvenzverfahren oder kurz davor befindet. Diese „Doppelinsolvenz“ ist für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand „Koordinierung der einzelnen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen“ auch die entscheidende Konstellation. aa) Automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages Unter Geltung der Konkursordnung sollte nach herrschender Auffassung mit der gleichen Begründung wie im Fall des Konkurses der Obergesellschaft mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Untergesellschaft der Beherrschungsvertrag automatisch enden.302 Auch für die abhängige Gesellschaft wurde maßgeblich auf die Änderung des Verbandszwecks der Untergesellschaft auf Liquidation und im Übrigen auf die Stellung des Konkursverwalters abgestellt.303 Die durch Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöste, abhängige Gesellschaft war nicht mehr auf Gewinnerzielung, sondern auf Verwertung des Gesellschaftsvermögens gerichtet.304 Dass diese Begründung mit der Einführung der Insolvenzordnung und der gleichberechtigten Sanierungsoption überholt ist, wurde bereits im Zusammenhang mit der Insolvenz der Obergesellschaft ausgeführt. Darauf soll an dieser Stelle verwiesen werden.305 Auch im Hinblick auf die Insolvenz der Untergesellschaft gilt, dass die automatische Beendigung des Beherrschungsvertrages sich als unflexibel erweist, solange die Option auf 300 Anders Bous, S. 290, der von großer praktischer Bedeutung dieser Fallgestaltung spricht; wie hier, Bitter, ZHR 2002 (166), 713, 717. 301 Siehe oben, 1. Teil, D.I.1.a)cc). 302 BGHZ 103, 1, 6 f.; Hengeler/Hofmann-Becking, FS Hefermehl, S. 283, 286; Mertens, ZGR 1984, 542, 550; Peltzer, AG 1975, 309 ff.; Jaeger/Weber, KO, §§ 207, 208 KO Rn. 11. 303 Siehe dazu oben, 1. Teil, D.I.1.a)cc). 304 Vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 397. 305 Siehe oben, 4. Teil, A.VII.2.a)bb)(3).
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eine Sanierung besteht und der Beherrschungsvertrag – sei es nach Beendigung des Insolvenzverfahrens durch Planbestätigung, sei es schon während des Insolvenzverfahrens – für das Konzerngefüge nach wie vor eine Rolle spielt. bb) Fortbestand des Weisungsrechtes (1) Regelverfahren Im Regelverfahren geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das in die Masse fallende Unternehmen der Untergesellschaft auf den Insolvenzverwalter der Untergesellschaft über. Die Organe der Untergesellschaft bleiben für den Schuldnerbereich zuständig. Um eine wirtschaftliche Koordinierung des von der Untergesellschaft getragenen Unternehmens zu ermöglichen, müsste die Obergesellschaft ihr Weisungsrecht gegenüber dem Insolvenzverwalter ausüben können, weil sich der abzustimmende Ressourcenpool in seiner Verwaltungs- und Verfügungsgewalt befindet. Wie bereits ausgeführt, ist die Unterwerfung des Insolvenzverwalters unter das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht nicht denkbar. Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht kann nur verbandsrechtlich durch eine Bindung von innen über die Modifikation der Satzung der Untergesellschaft begründet werden.306 Der Insolvenzverwalter steht nach der herrschenden Amtstheorie jedoch bewusst außerhalb des Verbandes. Darin reiht sich die Forderung nach einer autonomen Amtsstellung im Interesse der Gläubiger ein. Die autonome Amtsstellung des Insolvenzverwalters wäre jedoch aufgelöst, wenn er dem umfangreichen beherrschungsvertraglichen Weisungsrecht unterworfen wäre. Somit ist im Regelverfahren ein beherrschungsvertragliches Weisungsrecht nur gegenüber dem Vorstand der Untergesellschaft im Rahmen der ihm verbleibenden, also nicht vom Insolvenzverwalter verdrängten, Kompetenzen denkbar.307 Das Weisungsrecht würde sich dann auf die Wahrnehmung insolvenzrechtlicher Gemeinschuldnerrechte der Untergesellschaft – wie etwa die Vorlage eines Insolvenzplans (§ 218 Abs. 1 InsO), dem Antrag auf Eigenverwaltung § 270 Abs. 2 Nr. 1 InsO – beziehen.308 Eine Konzernleitung im Sinne einer unternehmerischen Führung ist damit freilich nicht möglich.
306 307 308
Siehe oben, 4. Teil, A.VII.1.a), S. 252. So insbesondere Acher, S. 105 ff.; Bous, S. 295. Acher, S. 119 ff., 179; Bous, S. 295, 298.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
(2) Untergesellschaft wird in Eigenverwaltung geführt Im Verfahren der Eigenverwaltung wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht vom Insolvenzverwalter als besonderen insolvenzverfahrensmäßig eingesetzten Interessenwahrer ausgeübt. Hier geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht auf einen außerhalb des schuldnerischen Verbandes stehenden Amtstreuhänder über, der losgelöst von den gesellschaftsrechtlichen Bindungen agiert, sondern die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis steht dem Verband zu. Die Untersuchung hat ergeben, dass die Masseverwaltung und -verfügung nach den Regeln der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung erfolgt.309 Zu dieser gehört allerdings auch das Weisungsrecht der Obergesellschaft gegenüber dem Vorstand der Untergesellschaft, das durch eine satzungsmäßige Überlagerung durch den Beherrschungsvertrag erzeugt wurde (Erkenntnisse aus dem Beherrschungsvertrag als Organisationsvertrag). Insoweit gilt gleichermaßen der Befund zum faktischen Konzern, denn die Einflussnahme über Mitgliedschaft und Beherrschungsvertrag haben gemeinsam, dass sie gesellschaftsrechtlich aus der Binnenstruktur der Gesellschaft vermittelt werden und damit organisatorischer Art sind.310 (a) Unvereinbarkeit mit dem Verfahrenszweck aus § 1 InsO? Kommen die Bedenken gegen ein beherrschungsvertragliches Weisungsrecht, die aus der Amtsstellung des Insolvenzverwalters rühren, im Verfahren der Eigenverwaltung nicht zum Tragen, stellt sich die Frage, ob sich ein fortbestehendes Weisungsrecht gegenüber der sich im Insolvenzverfahren befindlichen Untergesellschaft mit dem Insolvenzverfahrenszweck bestmöglicher Befriedigung der Gläubiger vereinbaren lässt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Tochter verpflichtet im Regelverfahren den Verwalter durch § 1 InsO auf das Ziel der Haftungsverwirklichung bezüglich der Gläubiger dieses Rechtsträgers. Dem scheint im Unterschied zum faktischen Konzern die aus dem Beherrschungsvertrag bestehende Möglichkeit, nachteilige Weisungen zu erteilen, diametral entgegen zu stehen.311 Aber auch hier gilt – wie im faktischen Konzern – dass Gesellschaften im Verfahren der Eigenverwaltung nach dem gesellschaftsrechtlichen Regime und der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzaufteilung handeln. Der Insolvenzzweck führt dabei nicht zu einer Neugestaltung der gesellschaftsrechtlichen Kompetenzordnung im Sinne einer Verdrängung, sondern fließt 309 310 311
Siehe dazu ausführlich oben, 4. Teil, A.IV. Vgl. oben, 4. Teil, A.VII.1.a). So Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 548; Kessler, S. 288.
A. Eigenverwaltung
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– gleichsam als milderes Mittel – durch eine veränderte Zielsetzung ein, an der sich die Gesellschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Befugnisse zu orientieren haben. Daraus folgt, dass die aus Gesetz, Satzung und auch Beherrschungsvertrag gespeiste Verbandsverfassung der Untergesellschaft im Grundsatz auch „Handlungsapparat“ der Untergesellschaft bleibt, die nach Verbandsverfassung berufenen Akteure ihr Handeln und Ausfüllen ihrer Kompetenzen jedoch an den die Untergesellschaft bestimmenden Insolvenzzweck auszurichten haben. Hier gilt, wie bereits zum faktischen Konzern ausgeführt, dass ein Weisungsrecht der Obergesellschaft mit dem Verfahrenszweck aus § 1 InsO durchaus vereinbar ist. Das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht kollidiert erst dann mit dem Insolvenzverfahrenszweck der Untergesellschaft, wenn es sich um nachteilige Weisungen handelt. Befindet sich die Untergesellschaft im Insolvenzverfahren und wird sie in Eigenverwaltung geführt, stößt das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht insoweit an die Grenze des Insolvenzverfahrenszwecks, als nachteilige Weisungen dem widersprechen, wenn sie nicht zeitgleich durch eine vermögenswerte Kompensation ausgeglichen wird.312 Die Untergesellschaft kann folglich über das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht nicht zu konzernintegrativen Maßnahmen veranlasst werden, weil sich deren nachteilige Folgen schwer einschätzen lassen und einem Einzelausgleich nicht zugänglich sind. Hier ist jedoch gemäß § 276 InsO ohnehin die Zustimmung des Gläubigerausschusses der Untergesellschaft erforderlich. Dies entspricht der allgemein in der Krise der Obergesellschaft anerkannten Beschränkung313, so dass insoweit eine gewisse Kontinuität des Weisungsrechts in Krise und Insolvenzverfahren besteht. Dem Sachwalter der Untergesellschaft kommt dabei eine ähnliche Rolle wie im faktischen Konzern zu. Er hat Weisungen an den Vorstand daraufhin zu überprüfen, ob sie mit den Interessen der Gläubiger der Untergesellschaft vereinbar sind, insbesondere, ob für nachteilige Transaktionen eine hinreichende Kompensationsleistung an die Masse der Untergesellschaft erfolgte.314 Stellt er fest, dass die Obergesellschaft die Interessen der Gläubiger der Untergesellschaft bei der Ausübung ihres Weisungsrechts nicht hinreichend berücksichtigt, hat eine entsprechende Benachrichtigung von Gläubigerausschuss und evtl. Gläubigerversammlung zwecks Entscheidung über die Aufhebung der Eigenverwaltung zu erfolgen. Weist die Obergesellschaft den Vorstand zu Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung an, bedarf es vor Durchführung durch den Vorstand der Untergesellschaft der Zustimmung des Gläubigerausschusses (§ 276 InsO). 312
So auch Rotstegge, S. 320 f.; anders hingegen Deyda, S. 108 ff. Siehe oben, 1. Teil, B.IV.1., S. 43. 314 Zur Kontrolle der Weisungen durch den Sachwalter der Untergesellschaft, vgl. bereits zum faktischen Konzern, 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(b). 313
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
(b) Schicksal des Verlustausgleichsanspruchs in der Doppelinsolvenz Hat die Obergesellschaft bzw. ihr Insolvenzverwalter bei Ausübung des Weisungsrechts den Verfahrenszweck der Untergesellschaft (§ 1 InsO) zu beachten und kann sie insoweit nachteilige Weisungen ohne Kompensationsausgleich gegenüber der Untergesellschaft nicht durchsetzen, stellt sich die Frage, ob die ebenfalls insolvente Obergesellschaft weiterhin, unter den zur isolierten Insolvenz der Obergesellschaft ausgeführten Voraussetzungen, zum Verlustausgleich verpflichtet ist. Gegen eine weiterführende Pflicht zum Ausgleich der Verluste spricht, dass der Verlustausgleichsanspruch gerade als Korrelat für die umfassenden, auch nachteilige Weisungen umfassenden Eingriffsrechte der Obergesellschaft verstanden wird. Die außen stehenden Gläubiger und Minderheitsaktionäre sollen vor den von dieser umfassenden Einflussnahmemöglichkeit ausgehenden Gefahren geschützt werden.315 Sind dagegen nachteilige Weisungen gegenüber der Untergesellschaft nur gegen unmittelbar zu erfolgender Kompensation möglich, ist eine wesentliche Grundlage für die Rechtfertigung des Verlustausgleichsanspruchs entfallen. Schwerwiegendes Argument gegen eine weiterhin bestehende Verpflichtung der Obergesellschaft, die Verluste der Untergesellschaft ausgleichen zu müssen, dürfte auch der Umstand sein, dass den Gläubigern der Untergesellschaft im Verfahren der Eigenverwaltung maßgebliche Kontrollrechte im Hinblick auf die Ausübung der schuldnerischen Kompetenzen haben. Sie sind insoweit nicht mehr nur „außen stehende Gläubiger“ der Untergesellschaft, sondern die Kompetenzordnung der Eigenverwaltung gewährt ihnen Möglichkeiten der Einflussnahme, wie mit dem ihnen haftungsrechtlich zugeordneten Vermögen der Untergesellschaft vorzugehen ist. Die vollständige Beherrschbarkeit des Vorstandes der Untergesellschaft durch die Obergesellschaft entfällt über die Kontrollrechte durch die Zustimmungspflichten des Sachwalters (Verbindlichkeiten, die nicht zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehören, § 275 Abs. 1 InsO) und Gläubigerausschuss (Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung, § 276)316 und der Möglichkeit der Gläubiger der Untergesellschaft, durch die Aufhebung der Eigenverwaltung die Einflussnahme der Obergesellschaft zu beenden. Insgesamt dürften die für die Gläubiger bestehenden Gefahren der Einflussnahme durch eine unmittelbare Kompensation nachteiliger Weisungen 315
Vgl. oben, 4. Teil, A.VII.2.a)cc)(2). Zum Vergleichsverfahren vgl. Samer, S. 316, der allerdings lediglich Verluste, welche auf die Einflussnahme des Vergleichsverwalters zurückzuführen sind, ausgenommen wissen will. Den Verlustausgleich insgesamt in Frage stellend auch Rotstegge, S. 318 ff. 316
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und der Aufsicht des Sachwalters bei der Ausführung der Weisungen durch den Vorstand der Untergesellschaft hinreichend gebannt sein. 3. Zur möglichen beidseitigen Kündigung des Beherrschungsvertrages Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollte – wie unter Geltung der Vergleichsordnung allgemein anerkannt – beiden Gesellschaften ein außerordentliches Kündigungsrecht aus § 297 Abs. 1 AktG zugestanden werden.317 Den Umstand, dass sich Ober- und oder Untergesellschaft im Insolvenzverfahren befindet, wird man als wichtigen Grund annehmen können. Es bietet zudem zum Konzept der automatischen Beendigung die flexiblere Lösung und lässt die Option einer konzernweiten Sanierung offen, erhält ein – wenn auch beschränktes – Weisungsrecht während des Insolvenzverfahrens und lässt den Beherrschungsvertrag nach erfolgreicher Sanierung weiter bestehen. Die Parteien des Unternehmensvertrages sollen es in der Hand haben, diesen auch ohne Neuabschluss über eine Krise zu retten.318 Wegen des Massebezugs319 steht dem Insolvenzverwalter der Obergesellschaft bzw. dem eigenverwaltenden Vorstand das Kündigungsrecht zu. Aus Sicht der Untergesellschaft ist der Beherrschungsvertrag Bestandteil seiner Organisationsverfassung und kann deshalb nur von seinem Exekutivorgan gekündigt werden. Dient das Insolvenzverfahren nur noch Liquidationszwecken, so wird mit dem dann gebotenen Übergang vom Verfahren der Eigenverwaltung in das Regelverfahren das Weisungsrecht der Obergesellschaft suspendiert, weil es insoweit nicht auf den Insolvenzverwalter der Untergesellschaft durchgreifen kann. Auch mit der Liquidationsentscheidung wird das Weisungsrecht obsolet. In diesen Fällen sollte der Beherrschungsvertrag zur Klarstellung gekündigt werden.
317
So Acher, S. 122; Bamberger, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 16 Rn. 182; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rn. 398; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rn. 726; Philippi/Neveling, BB 2003, 1685, 1690; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 31 III 5; Wilken/Ziems, in FS Metzeler, S. 153, 156 f. Für die insolvente Gesellschaft wird dabei teilweise auf den Rechtsgedanken des § 103 InsO zurückgegriffen, vgl. Häsemeyer, Rn. 32.09; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO, § 103 Rn. 30 a; HK/Marotke, InsO, § 115 Rn. 9; enger dagegen Bous, S. 271 f., 275 ff., nur wenn die eigene Sanierungsfähigkeit (Fortexistenz) auf dem Spiel steht. 318 Uhlenbruck/Hirte, § 11 Rn. 398; vgl. auch Häsemeyer, 32.09, Fn. 23: Der Verweis auf einen Neuabschluss des Unternehmensvertrages gebe den Beteiligten „Steine statt Brot“. 319 Siehe oben, 4. Teil, A.VII.2.a)cc)(1).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
4. Ergebnis Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Obergesellschaft und Untergesellschaft führt nicht zu einer automatischen Beendigung des Beherrschungsvertrags. Stattdessen steht sowohl dem Insolvenzverwalter der Obergesellschaft als auch dem Vorstand der Untergesellschaft ein Kündigungsrecht zu. Werden die Insolvenzverfahren als Regelverfahren eröffnet, so führt dies zu einer Suspendierung der Konzernleitungsmacht. Die Sinnlosigkeit eines Fortbestandes des Beherrschungsvertrages für den Fall der Liquidation führt nicht zu einer automatischen Beendigung, sondern fordert die Kündigung des Beherrschungsvertrages als Reaktion heraus. Werden die Untergesellschaften in Eigenverwaltung geführt, dann kann die Obergesellschaft oder ihr Insolvenzverwalter das beherrschungsvertragliche Weisungsrecht unter Aufsicht des Sachwalters der Untergesellschaft ausüben. Aufgrund der Bindung am Insolvenzverfahrenszweck der Untergesellschaft sind nachteilige Weisungen nur gegen unmittelbaren Ausgleich möglich. Insoweit ist eine hierarchische Abstimmung der einzelnen Unternehmen unter Aufsicht des jeweiligen Sachwalters auch im Vertragskonzern möglich.
VIII. Das Eröffnungsverfahren Die zum eröffneten Verfahren herausgearbeiteten Erkenntnisse lassen sich auf das Eröffnungsverfahren übertragen. Wird für die Untergesellschaften ein vorläufiger Insolvenzverwalter durch das Insolvenzgericht eingesetzt (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO), so kann dieser aufgrund seiner Stellung als ein außerhalb des schuldnerischen Verbandes stehender Amtstreuhänder weder Adressat faktischer noch beherrschungsvertraglicher Weisungsmacht sein.320 Dagegen bleibt das Weisungsrecht gegenüber dem vertretungsberechtigten Organ der Untergesellschaft bestehen. Die Qualität dieser Einflussmöglichkeit hängt maßgeblich davon ab, mit welchen Befugnissen das Insolvenzgericht den vorläufigen Insolvenzverwalter ausgestattet hat. Bei einem sog. „starken vorläufigen Insolvenzverwalter“ wird dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 InsO) und die Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Schuldnervermögens geht auf den zu bestellenden vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 S. 1 InsO). Das Gesetz nimmt insoweit für das Eröffnungsverfahren bereits die Wirkungen des § 80 Abs. 1 InsO vorweg.321 Folglich liegt die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis des Unternehmens der Untergesellschaft vollstän320 321
Vgl. oben, 1. Teil, D.I.2.a)cc), S. 76. Uhlenbruck, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 14 Rn. 48.
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dig in den Händen des Verwalters. Eine Koordinierung über die Konzernleitungsmacht wäre bereits im Eröffnungsverfahren ausgeschlossen. Gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO kann das Insolvenzgericht auch einen „schwachen“ vorläufigen Insolvenzverwalter bestellen, ohne den Schuldner in seinen Verfügungen zu beschränken.322 Zwischen diesen beiden Extremformen kann das Gericht von seinen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen, indem es etwa dem vorläufigen Insolvenzverwalter im Beschluss besondere Pflichten auferlegt323 oder einen Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt.) anordnet. Die Intensität der Konzernleitungsmacht bestimmt sich demnach nach der dem Schuldner noch über sein Vermögen verbleibenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis.324
IX. Konturen einer Koordinierung durch Eigenverwaltung, geeignete Anwendungsfälle und gerichtliche Weichenstellung Steht damit fest, dass durch die Anordnung der Eigenverwaltung die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren fortbesteht, sollen nun die wirtschaftlich organisatorischen Vorteile der Eigenverwaltung als Koordinierungsmodell zur Bewältigung von Konzerninsolvenzen näher erörtert und die geeigneten Anwendungsfälle aufgezeigt werden. 1. Wirtschaftlich organisatorischer Vorteil der Eigenverwaltung in der Konzerninsolvenz Wird für die Untergesellschaft die Eigenverwaltung angeordnet, kann die Obergesellschaft über die weiterhin bestehende Konzernleitungsmacht unter Aufsicht von Sachwalter und Gläubigerausschuss die Geschicke der Untergesellschaft und des von ihr getragenen Unternehmens bestimmen. In wirtschaftlich organisatorischer Hinsicht hat dies zunächst den Vorteil, dass die Nachteile mehrerer konkurrierender und gegeneinander arbeitender Verwalter vermieden werden.325 Dieser Vorteil wird auch nicht durch die Überwachungsfunktion des Sachwalters der Untergesellschaft wieder genommen. Nach seiner gesetzlichen Rechtsstellung (§ 274 Abs. 2) hat er lediglich 322 Seine Tätigkeit beschränkt sich auf die Prüfung, ob ein Insolvenzgrund vorliegt, ob das Vermögen des Schuldners die Kosten des Verfahrens voraussichtlich decken wird und welche Fortführungschancen bestehen, vgl. Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn. 2. 323 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn. 7. 324 So auch Bous, S. 309. 325 Vgl. oben, 1. Teil, D.II.2., S. 85.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Überwachungsfunktionen, steht dabei nicht im Konkurrenzverhältnis zum Insolvenzverwalter der Obergesellschaft. Ihm steht – und das ist ein entscheidender Unterschied zum Insolvenzverwalter – kein Initiativrecht über den Umgang der Masse der Untergesellschaft zu. Er hat vielmehr die Initiativen des Schuldners daraufhin zu überprüfen, ob sie evtl. für Gläubiger schädigende Auswirkungen haben und nicht selbst Lösungsansätze für eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu entwickeln und durchzuführen. Zugegebenermaßen erfordert dies eine gewisse Kooperationsbereitschaft der Gläubigermehrheiten und des Schuldners bzw. seiner Gesellschafter, weil ein Mehrheitsbeschluss der Gläubiger (Summenmehrheit § 76 InsO) die Eigenverwaltung jederzeit aufheben und damit den Fortbestand des Weisungsrechtes abschneiden kann. Für den Beherrschungsvertrag besteht zusätzlich die Möglichkeit des Exekutivorgans der Untergesellschaft, den Beherrschungsvertrag zu kündigen. Wegen dieser „Zerbrechlichkeit“326 ist dieses Koordierungsmodell nur für Ausgangsfälle geeignet, die eine hohe Kooperationsbereitschaft präjudizieren. Bei der Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse kann die eigenverwaltende Obergesellschaft oder ihr Insolvenzverwalter wie ein Konzernlenker allgemeine Richtlinien über ihr Weisungsrecht erlassen, um eine Abstimmung der im Zusammenhang der Unternehmensfortführung stehenden Befugnisse zu erreichen. Anschließend kann das Exekutivorgan der Untergesellschaft nach evtl. vorheriger Prüfung durch den Sachwalter diese Richtlinien nach außen hin umsetzen. Die Forderungen sind dagegen beim Sachwalter anzumelden und zu überprüfen (§§ 270 Abs. 3 S. 2, 283 S. 1 InsO).327 Auch die Geltendmachung von Insolvenzanfechtungsrechten liegt in den Händen des Sachwalters (§ 280). Ein Vorteil des „Modells Eigenverwaltung“ besteht bei einer Sanierung auch in der Effizienzsteigerung durch Kontinuität der Leitungsstrukturen im Konzern.328 Dies gilt im besonderen Maße, wenn auch die Obergesellschaft in Eigenverwaltung geführt wird, jedoch auch, wenn an der Spitze des Konzerns ein Insolvenzverwalter steht. Im letzteren Fall bleiben zumindest die alten und zukünftigen Leitungsstrukturen auf der Ebene der Untergesellschaften bestehen. Die Geschäftsführer der Tochtergesellschaften führen durch die Phasen Insolvenzverfahren und Planüberwachung und bringen ihre Kenntnisse und Erfahrungen mit ein. Ansonsten müssten sich 326
Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 545, welcher aus diesen Gründen die Eigenverwaltung als hierarchisches Koordinationsinstrument für ungeeignet hält. 327 Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 283 Rn. 12; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 283 Rn. 2. 328 Vgl. Ehricke, ZInsO 2002, 393, 395, der wie selbstverständlich vom Fortbestand der Konzernleitungsmacht im Verfahren der Eigenverwaltung ausgeht.
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eine Vielzahl von Insolvenzverwaltern zunächst in die Geschäfte der einzelnen Konzernglieder einarbeiten, durch das Insolvenzverfahren führen und nach erfolgreicher Durchführung des Sanierungsverfahrens und Bestätigung des Insolvenzplanes wieder an den Geschäftsführer abgeben, der an den maßgeblichen Weichenstellungen und der leistungswirtschaftlichen Sanierung im Verfahren nicht beteiligt war.329 2. Für welche Fälle eignet sich die Eigenverwaltung als Koordinationsmodell? Es wurde bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass eine hierarchisch koordinierte Verfahrensbewältigung nur dann Sinn macht, wenn zwischen Schuldner und Gläubiger eine Kooperationsbereitschaft besteht. Grundlage einer solchen Kooperationsbereitschaft ist eine gewisse Homogenität der Interessen. Aufgrund der konträren Interessen zwischen Schuldner (Gesellschafter) und Gläubiger bei Liquidationssachverhalten, einschließlich der übertragenen Sanierung, ist vom Modell der Eigenverwaltung abzusehen, wenn keine hinreichenden Aussichten auf eine konzernweite Sanierung bestehen.330 Bei einer angestrebten fortführenden Sanierung (Reorganisation) ist jedoch von einer Kooperationsbereitschaft auszugehen, wenn diese durch den Schuldner sorgfältig vorbereitet wurde, insbesondere durch Abstimmung mit den wesentlichen Gläubigergruppen „blockierende Mehrheiten“ nicht zu erwarten sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn zuvor ein von der Konzernspitze ausgearbeitetes außergerichtliches Konzerngesamtsanierungskonzept am Widerstand einzelner Gläubiger gescheitert ist. Eine außergerichtliche Sanierung des Gesamtkonzerns bedarf nämlich der Zustimmung aller Gläubiger eines jeden Konzerngliedes.331 Stößt ein ansonsten tragfähiges Konzerngesamtsanierungskonzept jedoch auf breite Zustimmung der Gläubigerschaften der Konzernglieder, kann das Konzerngesamtsanierungskonzept im Rahmen von „prepacked plans“ frühzeitig auf der Grundlage eines Insolvenzantrags wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) eingebracht werden.332 Hier lässt sich das gescheiterte außergerichtliche Sanierungsvorhaben nunmehr durch das im Insolvenzplanverfahren geltende Mehrheitsprinzip in den Abstimmungsgrup329
Zu den Vorteilen der Kontinuität der Geschäftsleitung in Krise, Insolvenz und Abschluss des Sanierungsverfahrens vgl. Braun, NZI 2003, 588, 588. 330 Vgl. allgemein (nicht Konzern bezogen) Braun, in: Gottwald, InsolvenzrechtsHandbuch, § 72 Rn. 2.; ders., NZI 2003, 588, 590. 331 Vgl. BGHZ 116, 319 ff. „Akkordstörerentscheidung“; anders dagegen Eidenmüller, ZHR (160) 1996, 343, 360.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
pen und Obstruktionsverbot i. S. d. § 245 InsO umsetzen. Das Abstimmungsergebnis der gescheiterten außergerichtlichen Sanierung kann dabei für die Erfolgsprognose einer Sanierung im Insolvenzverfahren, insbesondere für das Greifen der erforderlichen Mehrheiten und ggf. des Obstruktionsverbotes (§ 245 InsO), dienlich sein. Stößt ein Konzerngesamtsanierungskonzept bereits in den außergerichtlichen Sanierungsbemühungen mehrheitlich auf Zustimmung, so ist mit einer mehrheitlichen Kooperationsbereitschaft der Gläubiger in den einzelnen Verfahren zu rechnen. Dies ist unabdingbar, weil die Gläubigerversammlungen mit dem Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung nach §§ 272 Abs. 1 Nr. 2, 72 InsO der Untergesellschaft durch Mehrheitsbeschluss ein Durchgreifen der Konzernleitungsmacht auf die Masse der Untergesellschaft verhindern können. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung kann die „Konzernspitze“ die operative Fortführung des Konzernunternehmens gewährleisten und gleichzeitig die Umsetzung des Sanierungsprogramms in Einzelheiten unter Aufsicht der Sachwalter und der einzelnen Gläubigerausschüsse vorantreiben. Mit dem Fortbestand der Konzernleitungsmacht im Verfahren der Eigenverwaltung wird im Übrigen im Konzern die Bereitschaft zur rechtzeitigen Antragsstellung höher sein. Anders als bei einem Antrag wegen Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ist bei einem Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit das Exekutivorgan intern gebunden.333 So hat der Geschäftsführer einer GmbH vor Antragsstellung die Zustimmung der Gesellschafter einzuholen. Deren Weisung ist für ihn bindend.334 Wäre der Insolvenzantrag mit einer automatischen Selbstentmachtung der Konzernspitze verbunden, bestünden entgegen der eigentlichen gesetzgeberischen Intention keine Anreize, durch Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung möglichst frühzeitig ein gerichtlich überwachtes Schuldenregulierungsverfahren einzuleiten.
332 Hier ist insbesondere das protokollierte Ergebnis der Probeabstimmung im außergerichlichen Vergleichsverfahren mitzuteilen, Maus, in: Kölner Schrift, S. 931, Rn. 31; vgl. auch Engberding, DZWIR 1998, 94, 94. 333 Eine Missachtung dieser internen Pflicht macht den Insolvenzantrag nicht unwirksam, kann aber Schadensersatzansprüche der Korporation wegen vorzeitiger Verfahrensauslösung begründen, Jaeger/Müller, InsO, § 18 Rn. 19; HK/Kirchhof, InsO, § 18 Rn. 18. 334 Henssler, ZInsO 1999, 121, 126; Götker, Rn. 498 ff.; Jaeger/Müller, § 18 Rn. 19.
A. Eigenverwaltung
283
3. Gerichtliche Weichenstellung a) Weichenstellung im Eröffnungsbeschluss Durch die Anordnung der Eigenverwaltung im Eröffnungsbeschluss haben es zunächst die mit der Insolvenzeröffnung der Untergesellschaften betrauten Gerichte in der Hand, die Konzernleitungsmacht unter Aufsicht von Sachwalter und Gläubigerausschuss durchdringen zu lassen. Das Gericht wird sich dabei maßgeblich von den Sanierungsaussichten leiten lassen. Beurteilungsgrundlage ist dabei der Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters, dem die originäre gesetzliche Aufgabe zukommt, neben dem Vorliegen eines Insolvenzgrundes auch die Sanierungsaussichten für das Schuldnerunternehmen zu prüfen.335 Das Gericht kann dabei im Rahmen seiner Amtsermittlungen (§ 5 InsO) die Begutachtung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter auf die Voraussetzungen der Eigenverwaltung (§ 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO „keine Verzögerung des Verfahrens oder sonstige Nachteile für die Gläubiger“) erstrecken.336 Ohne die Entscheidung der Gläubigerversammlung über Fortführung oder Liquidation im Berichtstermin (§ 157 InsO) vorwegzunehmen, hat das Gericht durch die Anordnung der Eigenverwaltung die Chancen auf eine Sanierung zu wahren, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter zu dem Ergebnis kommt, dass Aussichten auf eine fortführende Sanierung bestehen und von Seiten der schuldnerischen Gesellschaft bei Anordnung der Eigenverwaltung keine nachteiligen Einflussnahmen zu befürchten sind. Hier wird der Vorteil einer noch näher zu erörternden einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit für alle Konzerngesellschaften deutlich. Bei unterschiedlicher gerichtlicher Zuständigkeit ist eine unterschiedliche Beurteilung bezüglich der Sanierungsaussichten und des Vorliegens der Voraussetzung der Eigenverwaltung nicht unwahrscheinlich.337 Die Unterstützung einer konzernweiten Sanierungsstrategie über die Aufrechterhaltung der Konzernleitungsmacht hätte nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn sie durch alle Insolvenzrichter getragen wird. Stellen die Gerichte durch die Anordnung der Eigenverwaltung die Weichen für eine konzernweite Sanierungsstrategie, so liegt die endgültige Entscheidung in den Händen der Gläubiger im Berichtstermin. Die Gläubigerversammlungen der einzelnen Konzernglieder können durch Mehrheitsbeschluss (§ 272 Abs. 1 Nr. 1 InsO) über die Aufrechterhaltung der Eigenverwaltung und damit über den Fortbestand des Weisungsrechts dis335
Jaeger/Gerhardt, InsO, § 22 Rn. 151 ff.; HK/Kirchhof, InsO, § 22 Rn. 36; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn. 206. 336 HK/Kirchhof, InsO, § 22 Rn. 36; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn. 205. 337 Graeber, NZI 2007, 265, 267.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
ponieren. Keinesfalls darf ihnen ein hierarchisches Koordinationsregime aufgezwungen werden.338 b) Weichenstellung im Eröffnungsverfahren Da der Gesetzgeber eine vorläufige Eigenverwaltung nicht vorgesehen hat, gelten nach heute allgemeiner Meinung über § 270 Abs. 1 S. 2 InsO die allgemeinen Vorschriften über das Insolvenzeröffnungsverfahren. Somit hat das Insolvenzgericht auch bei einem Antrag auf Eigenverwaltung zu prüfen, ob Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO erforderlich sind.339 Ähnlich wie das Insolvenzgericht über die im Eröffnungsbeschluss anstehende Entscheidung, ob das Verfahren in Eigenverwaltung oder im Regelverfahren geführt wird und im Ergebnis über den Fortbestand der Konzernleitungsmacht entscheidet, kann es über die Ausgestaltung der Kompetenzen des vorläufigen Insolvenzverwalters Einfluss auf Fortbestand und Umfang der Konzernleitungsmacht im Eröffnungsverfahren nehmen. Will das Insolvenzgericht die künftige Masse vollständig vom Einfluss der herrschenden Gesellschaft befreien, muss es einen starken vorläufigen Insolvenzverwalter einsetzen.340 Mit der Ausgestaltung der Kompetenzen des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt durch das Gericht die erste Weichenstellung für eine zukünftige Eigenverwaltung im eröffneten Verfahren. Setzt es einen „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter mit Verwaltungsund Verfügungsbefugnissen ein, wird damit ein schuldnerischer Antrag auf Anordnung der Eigenverwaltung obsolet, weil für die Dauer des Vorverfahrens die schuldnerischen Organe aus der Unternehmensführung verdrängt werden. Die mit der Eigenverwaltung angestrebte Effizienzsteigerung durch Kontinuität der Geschäftsleitung und Nutzung der speziellen Kenntnisse würde damit zunichte gemacht, weil sich zunächst der vorläufige Insolvenzverwalter mit der Führung der Geschäfte vertraut machen muss und anschließend das Ruder wieder an die schuldnerischen Organe übergegeben werden müsste, die in der Zwischenzeit an der aktiven Geschäftsführung nicht beteiligt waren. Für den Konzern würde dies der Abbruch der Konzernleitungsmacht im Eröffnungsverfahren bei späterem Wiederaufleben im Fall der positiven Bescheidung des Eigenverwaltungsantrages bedeuten. Um einen Antrag des Schuldners auf Anordnung der Eigenverwaltung im Hauptverfahren nicht bereits im Eröffnungsverfahren zu torpedieren, hat 338 339 340
So aber offensichtlich Piepenburg, NZI 2004, 231, 236. Vgl. Uhlenbruck, NZI 2001, 632, 632. Vgl. oben, 4. Teil, A.VIII.
A. Eigenverwaltung
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das Insolvenzgericht von der Einsetzung eines „starken vorläufigen Insolvenzverwalters“ abzusehen, wenn dieser Antrag nicht von vornherein aussichtslos erscheint.341 Allgemein haben sich die im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts stehenden Sicherungsmaßnahmen am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu orientieren und müssen für die Sicherung der Insolvenzmasse erforderlich sein.342 Neben der Einstellung zukünftiger und anhängiger Zwangsvollstreckungen hat das Insolvenzgericht bei einem nicht offensichtlich aussichtslosen Antrag auf Eigenverwaltung einen vorläufigen Insolvenzverwalters einzusetzen, dessen Befugnisse343 vom Gericht so zu gestalten sind, dass dem Schuldner die Fortführung seines Betriebes bzw. Unternehmens möglich ist und zugleich gläubigerschädigende Handlungen vermieden werden. Dabei könnte sich das Gericht bei der Ausgestaltung etwa an den Aufgaben des Sachwalters gemäß § 274 InsO und seiner Mitwirkung nach den §§ 275, 277, 279 InsO orientieren. Zugegebenermaßen lassen sich die Erfolgsaussichten eines Antrags auf Eigenverwaltung zu Beginn des Vorverfahrens schwer beurteilen.344 Verbindet der Schuldner seinen Antrag auf Eigenverwaltung jedoch mit einem Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und legt er gleichzeitig den Entwurf eines überzeugenden Insolvenzplans vor, so wird es dem Gericht im Hinblick auf die Prognose nach § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO schwer fallen, den Schuldner für unzuverlässig zu halten und ihm ausreichend Verantwortungsbewusstsein seinen Gläubigern gegenüber abzusprechen.345 Stellen die Konzerngesellschaften rechtzeitig Insolvenzantrag und legen sie – aus einer Konzerngesamtstrategie entwickelte – überzeugende Insolvenzpläne für die einzelnen Konzernglieder vor, dann sollte das Insolvenzgericht bei der Ausgestaltung der Befugnisse des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht über die entsprechenden Befugnisse eines Sachwalters im Hauptverfahren hinausgehen.
341 Ehricke, ZIP 2002, 782, 789; HK/Kirchhof, InsO, § 22 Rn. 5; Uhlenbruck, NZI 2001, 632, 632; ders., in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 14 Rn. 39; Vallender WM 1998, 2129. 342 Gerhardt, Kölner Schrift, S. 193, 205 ff., Rn. 23 ff.; Prager/Thiemann, NZI 2001, 634, 635. 343 Vgl. das breite Spektrum besonderer Anordnungen und Befugnisse aus § 21 InsO. 344 Zahlreiche Insolvenzgerichte entscheiden deshalb erst auf der Basis eines Berichts des bestellten Gutachters, welche Sicherungsmaßnahmen im Einzelfall erforderlich sind, vgl. Prager/Thiemann, NZI 2001, 634, 635. 345 Ehricke, ZIP 2002, 782, 782; Uhlenbruck, NZI 2001, 632, 634; Pohlmann, S. 18 Rn. 36.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz I. Einleitung Nach der Intention des Gesetzgebers sollte das Insolvenzplanverfahren Herzstück der Insolvenzrechtsreform sein. Der Insolvenzplan wurde als universelles Instrument der Masseverwertung durch privatautonome Gestaltung gepriesen.346 In der praktischen Anwendung wurde das Planverfahren diesen Erwartungen zunächst nicht gerecht. So wurden im ersten Jahr seit Inkrafttreten der InsO weniger als 100 Insolvenzpläne verzeichnet. Die Zahl stieg in den Folgejahren jedoch deutlich an und die von Praktikern zunächst geltend gemachten Vorbehalte gegen das Insolvenzplanverfahren werden zunehmend abgebaut.347 Obwohl der Gesetzgeber den Insolvenzplan als privatautonome Gestaltungsform für alle Verfahrensarten bereitstellen wollte, hat er einen bedeutenden Platz bislang nur im Rahmen der fortführenden Sanierung (Reorganisation) einnehmen können.348 Dies ist insoweit verständlich, als eine fortführende Sanierung Not leidender Unternehmensträger – anders als eine übertragende Sanierung – überhaupt nur mittels eines Insolvenzplans möglich ist349, denn nur bei ersterem sind Eingriffe in die Forderungsrechte der Gläubiger notwendig, um etwa durch Forderungskürzung die Überschuldung oder durch Stundungen die Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. Entsprechend sollen sich die anschließenden Ausführungen an eine Reorganisation im Konzern orientieren. Der Grundsatz, dass für jeden Rechtsträger ein eigenständiges Insolvenzverfahren durchzuführen ist, gilt auch für das Insolvenzplanverfahren. Soll der Konzern als wirtschaftliche Einheit saniert werden, so ist für jedes Insolvenzverfahren ein Insolvenzplan zu erstellen und im Planverfahren zu verabschieden. Genau so wenig wie es ein einheitliches Insolvenzverfahren für den Konzern gibt, gibt es ein einheitliches Konzernplanverfahren.350 Dies ist insoweit bedauerlich, weil gerade bei einer angestrebten 346
RegE, BT-Drucks. 12/2443, S. 83, 90 f. Ehricke, ZInsO 2002, 393 ff.; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff.; Fritze, DZWiR 2007, 89 ff.; Braun/Kießner, InsO, Einf. Rn. 32; Piepenburg, NZI 2004, 231, 233; Rattunde, ZIP 2003, 596 ff.; ders., ZIP 2003, 2103, 2106; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff. 348 Vgl. Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff.; Fritze, DZWiR 2007, 89 ff.; Braun/Kießner, InsO, Einf. Rn. 32; Piepenburg, NZI 2004, 231, 233; Rattunde, ZIP 2003, 596 ff.; ders., ZIP 2003, 2103, 2106; Friedhoff, ZIP 2002, 497 ff. 349 MünchKomm InsO/Eidenmüller, vor §§ 217 bis 269 Rn. 9; ders., ZHR 169 (2005), 528, 546; Rattunde, ZIP 2003, 2103, 2106. 350 Siehe oben, 1. Teil, D.III.3. 347
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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Sanierung der Fokus auf das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit gerichtet ist, die es auf ihre Fortführungswürdigkeit und Ertragsfähigkeit hin zu durchleuchten gilt. Die zwingende Folge, dass in jedem Verfahren ein Insolvenzplan verabschiedet werden muss, wird dabei der wirtschaftlichen Situation der Konzerninsolvenz nicht gerecht, weil insbesondere bei zentral-funktional integrierten Konzernen leistungswirtschaftliche Restrukturierungen kaum isoliert zu planen sind, im Übrigen die weitere Zugehörigkeit einer Konzerngesellschaft wiederum von der erfolgreichen finanzwirtschaftlichen Reorganisation des Rechtsträgers abhängt. Jede Neuausrichtung eines Konzernunternehmens oder seine Liquidation hat zwangsläufig Auswirkungen auf diese Wirtschaftseinheit.351 Beabsichtigt etwa die Produktionsgesellschaft im Konzern, die Produktion eines bestimmten Produktes einzustellen bzw. zu verkaufen, dann hat dies unmittelbare Auswirkung auf die Vertriebsgesellschaften, weil mit der Aufgabe des Produkts durch die Produktionsgesellschaft auch ihre Vertriebsfunktion eingeschränkt wird. Entsprechend kann die Sanierung in einem Konzern nur durch besonders hohen Koordinierungsaufwand und Koordinierungsbereitschaft der beteiligten Verfahren erreicht werden. Abgesehen von den noch näher zu erörternden konsolidierenden Insolvenzplänen ist das Insolvenzplanverfahren somit kein eigentliches Koordinationsinstrumentarium, sondern vielmehr als Sanierungsvehikel eine Verfahrensart mit besonders hohem Abstimmungsbedarf im Konzernverbund. Je nach Grad der Konzernintegration ist eine Sanierung nur auf Grundlage eines alle Konzerngesellschaften erfassenden Konzerngesamtsanierungskonzepts Erfolg versprechend.352 Da in jedem Insolvenzverfahren das Planverfahren durchzuführen ist, ist unter Koordinierungsaspekten hier zu untersuchen, wie gewährleistet werden kann, dass diese inhaltlich aufeinander abgestimmt sind. Nachfolgend soll näher ausgeführt werden, wie eine solche inhaltliche Abstimmung auszusehen hat und wie diese Abstimmung durch die Gestaltung des Insolvenzverfahrens optimiert werden kann. Anschließend soll sich der Frage nach konsolidierenden Insolvenzplänen zugewandt werden.
351
Vgl. MünchKomm InsO/Eidenmüller, vor §§ 217 bis 269 Rn. 35. Ehricke, ZInsO 2002, 393, 395; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 546 und Rotstegge, S. 354 f. sprechen von einem Masterplan der Konzernspitze, aus der die anderen Pläne zu entwickeln sind. 352
288
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
II. Implementierung aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne 1. Der Einzelplan innerhalb eines Gesamtsanierungskonzepts Die Implementierung eines Konzerngesamtsanierungskonzepts erfordert für jedes Konzernglied die Durchführung des Planverfahrens mit der entsprechenden Anzahl an Insolvenzplänen.353 Auch wenn diese Insolvenzpläne formal eigenständig sind, wird seine konkrete inhaltliche Ausgestaltung maßgeblich vom Konzernkontext und dem Gesamtsanierungskonzept bestimmt werden. Die Insolvenzordnung macht nur wenige Vorgaben über Inhalt und Aufbau eines Insolvenzplans. Als Grobgliederung schreibt sie lediglich die Einteilung in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil und den Plananlagen vor (vgl. § 219 InsO). Während dem darstellenden Teil nur informative Bedeutung zukommt, enthält der gestaltende Teil des Plans die Rechtsänderungen, die durch den Plan verwirklicht werden sollen.354 Im darstellenden Teil sollen die entscheidungserheblichen Informationen eingehend dargelegt werden, um die Nachvollziehbarkeit und Akzeptanz des Insolvenzplans zu gewährleisten (§ 220 InsO).355 Nach Vorgaben des Fachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW)356 sind dabei insbesondere die Lage des Unternehmens (die bisherige Unternehmensentwicklung) (1.), die Analyse des Unternehmens (Krisenursachenanalyse) (2.) und die Maßnahmen zur Sanierung des Unternehmens (3. und 4.) darzustellen. Für die angestrebte konzernweite Sanierung auf Grundlage aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne bietet sich für jeden dieser Gliederungspunkte eine erneute Untergliederung an, in der zunächst die konzernweite Perspektive erörtert wird und anschließend die Perspektive der Einzelgesellschaft näher darzustellen ist. So ist bei der Beschreibung der Lage des Unternehmens insbesondere ein Überblick über die Konzernstruktur und die Einbindung des Schuldners in die wirtschaftlichen Verhältnisse auszuführen. Dies gilt umso mehr für die Krisenursachenanalyse. Im Rahmen der Krisenursacheanalyse sind die Gründe für die Verluste, den Aufbau der Verbindlichkeiten und der historische Werdegang, der zur Zahlungsunfähigkeit oder zur Überschuldung geführt hat oder voraussichtlich führen wird, 353
Rattunde, ZIP 2003, 596, 597, zum Fall „Herlitz“. Uhlenbruck/Maus, InsO, § 221 Rn. 1: „Die Verfahrensbeteiligten geben sich im gestaltenden Teil quasi ihr eigenes Gesetz, das nach § 254 Abs. 1 InsO mit Rechtskraft der Planbestätigung in Kraft tritt.“ 355 Smid/Rattunde, Rn. 5.13. 356 IDW FN. 1991, 319, abgedruckt bei: Uhlenbruck/Maus, InsO, § 220 Rn. 9. 354
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
289
darzulegen.357 Wie im ersten Kapitel dieser Arbeit ausführlich erörtert, liegt die Insolvenzursache für eine Konzerngesellschaft oftmals an einer ganz anderen Stelle im Konzern (Stichwort: Domino-Effekt358). Entsprechend haben die Gläubiger ein über ihre Gesellschaft hinausgehendes Informationsinteresse. Sollen etwa Gläubiger einer Vertriebsgesellschaft über einen Insolvenzplan entscheiden, so werden sie maßgeblich daran interessiert sein, warum etwa die Produktionskosten für das von dieser Gesellschaft vertriebene Produkt gestiegen und damit der Absatz entsprechend zurückgegangen ist. Da entscheidungsrelevante Tatsachen somit in jedem Konzernglied „versteckt sein können“, ist vorab die konzernweite Perspektive einzunehmen. Nur so wird das Informationsbedürfnis der Gläubiger befriedigt, die ihre Zustimmungsbereitschaft zum Insolvenzplan maßgeblich aus dem darstellenden Teil schöpfen. Gleiches gilt für die Darstellung des Sanierungskonzepts, weil hier wiederum die Gläubiger eines Konzerngliedes die Zukunftsfähigkeit des Sanierungsprogramms nur im Konzerngesamtkontext beurteilen können. Um obiges Beispiel wieder aufzugreifen, hängt die Zukunftsfähigkeit des Sanierungsprogramms der Vertriebsgesellschaft maßgeblich von der Zukunftsfähigkeit des Sanierungsprogramms der Produktions- und Forschungsgesellschaften ab. Dagegen hat im gestaltenden Teil des abgestimmten Insolvenzplans lediglich eine Einzelbetrachtung zu erfolgen, denn die Rechtsänderungen beziehen sich lediglich auf die Einzelgesellschaft. Nur beim noch näher zu erörternden konsolidierenden Insolvenzplan, durch den die Massen der Konzerngesellschaften als Einheit fingiert werden, kommt dem gestaltenden Teil eine konzernweite Bedeutung zu. 2. Die Durchsetzung der aus dem Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelten Insolvenzpläne in den einzelnen Planverfahren Die effiziente Entwicklung aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne aus einem Konzerngesamtsanierungskonzept und deren Durchsetzung in den einzelnen Insolvenzverfahren hängt entscheidend davon ab, ob eine Person, welche das Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelt hat, in den einzelnen Verfahren die Insolvenzpläne einbringen kann. Entscheidend ist demnach ein einheitlicher Planinitiator. Ohne einen einheitlichen Planinitiator müssten sich die einzelnen Planinitiatoren vorab über ein entsprechendes Sanierungsprogramm und ihre Folgen einigen, was zu Verzögerungen füh357 358
Smid/Rattunde, Rn. 5.19. Siehe dazu unten 1. Teil, D.I.1.a).
290
4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
ren kann und bei entsprechender Absicherung über eine vertragliche Koordinierungsvereinbarung zu zusätzlichen Transaktionskosten führt. a) Planinitiativrecht § 218 Abs. 1 S. 1 InsO spricht sowohl dem Schuldner als auch dem Insolvenzverwalter ein Planinitiativrecht zu. Dennoch macht in der Praxis meistens der Schuldner von seinem Planinitiativrecht Gebrauch.359 aa) Planinitiativrecht des Schuldners Das reibungslose Einbringen eines aus einem Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelten und mit anderen Insolvenzplänen abgestimmten Plans wird insbesondere über das Planinitiativrecht des Schuldners gewährleistet. Bei juristischen Personen wird das Vorlagerecht vom Vertretungsorgan ausgeübt.360 Entwickelt die Konzernspitze vor Antragsstellung ein Konzerngesamtsanierungskonzept und aus diesem entsprechende Pläne, so können die Insolvenzpläne bereits mit Stellung des Insolvenzantrages in das später zu eröffnende Verfahren eingebracht werden (sog. prepacked plans). Die Konzernspitze kann über ihre Konzernleitungsmacht die Exekutivorgane der einzelnen Konzerngesellschaften anweisen, den Insolvenzplan verbunden mit dem Insolvenzantrag einzubringen.361 Aber auch wenn das Insolvenzverfahren bereits eröffnet ist, kann die Konzernspitze durchsetzen, dass in den einzelnen Insolvenzverfahren die aus dem Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelten Insolvenzpläne eingebracht werden. Wie bereits dargestellt, betrifft das Recht des Schuldners, einen Insolvenzplan vorzulegen den Schuldnerbereich (Schuldnerkompetenz) und nicht den Verdrängungsbereich. Für diesen Bereich bleibt sowohl die faktische als auch die vertragliche Konzernleitungsmacht bestehen. Die Obergesellschaft kann daher über ihr Weisungsrecht der Untergesellschaften Vorgaben über die inhaltliche Ausgestaltung des Insolvenzplanes machen.362 Das Planinitiativrecht des Schuldners steht im Konzern zwar den einzelnen schuldnerischen Gesellschaften zu, da sich sowohl vor Eröff359
Pape/Uhlenbruck, Rn. 791. HK/Flessner, InsO, § 218 Rn. 5. 361 Dies gilt zumindest bei einem Antrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit, weil in diesem Fall auch der Insolvenzantrag dem Weisungsrecht unterfällt, siehe 4. Teil, A.IX.2., S. 282. 362 Acher, S. 120; Bous, S. 295 f., 296 Fn. 389; Götker, Rn. 934; Gutsche, S. 311; Rotstegge, S. 334; vgl. allgemein zum Fortbestand des Weisungsrechts im Regelverfahren für den Insolvenzschuldnerbereich, 1. Teil, D.I.2.a)cc). 360
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
291
nung des Insolvenzverfahrens als auch danach die Konzernleitungsmacht auch im Regelverfahren auf die schuldnerischen Befugnisse im Zusammenhang mit der Vorlage eines Insolvenzplans bezieht, besteht de facto ein einheitliches Planinitiativrecht der Konzernspitze. Koordinierte Insolvenzpläne können im Konzern demnach über das schuldnerische Planinitiativrecht verwirklicht werden. Auch wenn damit die Hürde eines koordinierten Einbringens des Insolvenzplans genommen ist, besteht damit freilich keine Gewähr für seine Verabschiedung in den einzelnen Verfahren. Insbesondere vom Schuldner eingebrachte Insolvenzpläne mögen bei manchen Gläubigern auf Misstrauen stoßen. Mit der abgestimmten Einbringung ist jedenfalls auch deren Verabschiedung Erfolg versprechend, wenn die breite Akzeptanz der Gläubiger, etwa aufgrund einer Testabstimmung im außergerichtlichen Sanierungsversuch, wahrscheinlich ist. bb) Planinitiativrecht des Insolvenzverwalters Wenn der insolvente Schuldner bzw. dessen Management den Gläubigern nicht glaubwürdig erscheint, kann sich das Planvorlagerecht des Insolvenzverwalters als wichtige Voraussetzung für eine einvernehmliche Insolvenzbewältigung erweisen. Ein von ihm vorgelegter Plan genießt dann gegenüber einem evtl. inhaltsgleichen Plan des Schuldners möglicherweise größere Akzeptanz.363 Der Insolvenzverwalter kann von der Gläubigerversammlung im Berichtstermin mit der Ausarbeitung und Vorlage eines Insolvenzplanes beauftragt werden, § 157 InsO (sog. derivatives Planinitiativrecht des Verwalters). Nach herrschender Meinung steht dem Insolvenzverwalter darüber hinaus ein originäres Planinitiativrecht zu, d.h. er kann auch ohne Auftrag der Gläubigerversammlung und sogar gegen deren Willen einen Insolvenzplan vorbereiten und einreichen.364 Ein einheitlicher Planinitiator besteht indes nur dann, wenn für alle Konzerngesellschaften ein einheitlicher Insolvenzverwalter eingesetzt wird und dieser von seinem originären Planinitiativrecht Gebrauch macht.365 Schwierig wird eine Sanierung über abgestimmte Insolvenzpläne dann, wenn die Gläubigerversammlung dem Verwalter im Berichtstermin inhaltliche Vorgaben im Hinblick auf den Insolvenzplan macht. Je nach inhaltlicher Bestimmtheit der Vorgaben der 363
MünchKomm InsO/Eidenmüller, vor §§ 217 bis 269 Rn. 48. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 568; Uhlenbruck/Lüer, § 218 Rn. 6; Kübler/Prütting/Otte, InsO, § 218 Rn. 22 f.; Riggert, WM 1998, 1521, 1522. 365 Zum einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter, siehe oben, 3. Teil, A., S. 128 ff. 364
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Gläubigerversammlungen wird eine Abstimmung nur bei einer gewissen Homogenität der Gläubigerversammlungen anzunehmen sein. Andererseits wird der Insolvenzverwalter auch dann die Mehrheitsfähigkeit des von ihm ausgearbeiteten Insolvenzplanes vorab klären müssen, wenn er von seinem originären Planinitiativerecht Gebrauch macht. In diesem Fall hätte der Konzerninsolvenzverwalter vorab die Aufgabe eines Mediators. Er müsste bei der Planerstellung versuchen, die einzelnen Interessen der Gläubiger auszuloten und die Annahmefähigkeit, unter Berücksichtigung der Möglichkeit, obstruierende Gläubiger über § 245 InsO zu zügeln, einschätzen. cc) Planinitiativrecht in der Eigenverwaltung Wird das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung geführt, dann steht dem Schuldner wie im Regelverfahren ein eigenes Planinitiativrecht zu.366 Die Gläubigerversammlung kann – statt den Insolvenzverwalter im Regelverfahren – sowohl den Sachwalter als auch den Schuldner mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes beauftragen (§ 284 Abs. 1 InsO). Beauftragt die Gläubigerversammlung den Schuldner mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplanes, so bleibt das Weisungsrecht bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung bestehen, weil die schuldnerische Gesellschaft im Verfahren der Eigenverwaltung nach der hier vertretenen Auffassung auch bezüglich insolvenzspezifischer Befugnisse den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegt. dd) Ergebnis Sowohl im Regelinsolvenzverfahren als auch im Verfahren der Eigenverwaltung besteht die Möglichkeit, über das Recht des Schuldners zur Planvorlage im Insolvenzverfahren ein den Gesamtkonzern umfassendes Sanierungskonzept durch aufeinander abgestimmte Insolvenzpläne einzubringen. Das von der Konzernspitze entwickelte Gesamtsanierungskonzept ist dann in die Einzelpläne umzusetzen. Die Exekutivorgane der Obergesellschaft können für ihre Gesellschaft den Einzelplan dann unmittelbar in das Insolvenzplanverfahren einbringen. Gleichzeitig können sie die Exekutivorgane der Untergesellschaft anweisen, für ihre Gesellschaft einen entsprechend abgestimmten Insolvenzplan einzubringen. Im Regelverfahren hat eine Sanierung des Gesamtkonzerns dann Aussicht auf Erfolg, wenn die Gerichte von der Möglichkeit der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters Gebrauch gemacht haben. Der Konzerninsolvenzverwalter hat die Möglichkeit, ein Gesamtsanierungskonzept auszuarbeiten, jeweils in Insol366 Nerlich/Römermann/Riggert, § 284 Rn. 3; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 284 Rn. 2.
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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venzpläne umzusetzen und in die einzelnen Verfahren der Konzerngesellschaften über sein originäres Planinitiativrecht einzubringen. Schwieriger wird dagegen die Umsetzung eines Gesamtsanierungskonzepts, wenn für jedes Verfahren ein unterschiedlicher Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. In diesem Fall müssten sich die Insolvenzverwalter vorab auf eine Gesamtlösung einigen und dann in ihrem Verfahren über das Planinitiativrecht einbringen. b) Koordinierte Insolvenzpläne im Planverfahren Nach Initiative und Ausarbeitung des Planes erfolgt eine Vorprüfung durch das Insolvenzgericht (§ 231). Es folgt die Annahme des Planes durch die Gläubiger im Erörterungs- und Abstimmungstermin nach den Vorschriften der §§ 243 ff. InsO. Grundsätzlich finden die Erörterung und die Abstimmung über den Plan in einem Termin statt. Das Insolvenzgericht kann jedoch gemäß § 241 Abs. 1 InsO einen gesonderten Termin für die Abstimmung über den Plan bestimmen. In organisatorischer Hinsicht kann das Gericht Unterstützungshilfe für eine konzernweite Sanierungsstrategie leisten. Zunächst hat das Gericht bzw. haben die Gerichte dafür zu sorgen, dass die Erörterungs- und Abstimmungstermine der einzelnen Verfahren zeitlich möglichst nahe aneinander gelegt werden. Denkbar wäre auch, den Erörterungsteil – oder Erörterungstermin, wenn das Gericht einen gesonderten Termin anberaumt – gemeinsam mit den Gläubigerschaften aller Konzernglieder durchzuführen. Im Erörterungstermin verlesen die Planinitiatoren den Insolvenzplan und erklären, welche Überlegungen zu den Vorschlägen angestellt wurden, damit den Beteiligten auch die Hintergründe für die einzelnen Planregelungen dargelegt werden.367 Dem Insolvenzverwalter wird in diesem Teil eine besonders mediative Rolle zuteil. Aus dem Verlauf des Erörterungsteils im Termin, insbesondere auf Grund der Ergebnisse der Diskussion wird sich absehen lassen, ob der vorgelegte Plan Aussicht auf Annahme durch die Gläubiger hat oder ggf. noch geändert werden muss.368 Planänderungen werden in der Praxis das (häufige) Resultat von Verhandlungen während des Erörterungstermins sein, wenn sich herausstellt, dass der vorgelegte Plan derzeit zwar nicht mehrheitsfähig ist, bei einer geringfügigen Änderung einzelner Regelungen jedoch mehrheitsfähig wäre.369 Bei der Verabschiedung eines aus einem Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelten, abgestimmten Insolvenzplanes führen die Änderungen in 367
MünchKomm InsO/Hintzen, § 235 Rn. 26. Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 482; MünchKomm InsO/Hintzen, § 235 Rn. 26. 369 MünchKomm InsO/Eidenmüller, vor §§ 217 bis 269 Rn. 50. 368
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
einem Insolvenzplan in der Regel zu notwendigen Änderungen in den anderen Insolvenzplänen. Insbesondere die Verteilung des Kooperationsgewinns kann nur insgesamt gelöst werden.370 Eine inhaltliche Änderung im Erörterungstermin wäre demnach zum Scheitern verurteilt, wenn nicht zuvor die Akzeptanz der damit verbunden Änderungen der anderen Insolvenzpläne eruiert würde. Dies lässt sich jedoch nur in einem gemeinsamen Erörterungstermin erreichen.371 Die Durchführung des Abstimmungstermins hat freilich getrennt zu erfolgen. c) Gerichtliche Bestätigung eines koordinierten Insolvenzplans Nach Annahme des Insolvenzplanes durch die Gläubiger und der Zustimmung des Schuldners bedarf der Plan der Bestätigung durch das Insolvenzgericht (§ 248 Abs. 1 InsO). Der Insolvenzplan wird erst mit Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses wirksam (§ 254 InsO). Es wurde bereits erwähnt, dass der aus einem Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelte, koordinierte Insolvenzplan Ergebnis eines Verhandlungsprozesses zwischen den Interessen der Gläubigergruppen in den einzelnen Verfahren darstellt. Ist ein Kompromiss gefunden worden, welcher eine Abstimmungsmehrheit unter Berücksichtigung des Obstruktionsverbotes in den einzelnen Verfahren sicher stellt, dann hängt die Bereitschaft zur Zustimmung des Insolvenzplans in der Regel davon ab, dass auch die Insolvenzpläne in den anderen Insolvenzverfahren entsprechend verabschiedet und durch gerichtliche Bestätigung in Kraft gesetzt werden. Die Bereitschaft der Gläubiger, dem Insolvenzplan als Teil des Konzerngesamtsanierungskonzepts nur zustimmen zu wollen, wenn auch in den anderen Verfahren die Pläne angenommen und gerichtlich bestätigt wurden, ließe sich möglicherweise durch die Aufnahme einer zusätzlichen Bestätigungsvoraussetzung im Insolvenzplan absichern. Nach § 249 InsO kann die gerichtliche Bestätigung372 des Insolvenzplanes von der Verwirklichung gewisser Maßnahmen abhängig gemacht werden. So wäre denkbar, in die Insolvenzpläne eine Reihenfolge der Bestätigungen aufzunehmen, etwa, dass zunächst der Insolvenzplan der Mutter durch das Gericht bestätigt werden muss, bevor der Insolvenzplan einer Tochtergesellschaft bestätigt werden darf.373 Eine Bestätigungsreihenfolge würde dem Anliegen der Gläubiger, Forderungs370
Vgl. 1. Teil, D.II.2. Inwieweit es sich dabei um den gesetzlich vorgesehenen Erörterungstermin handeln kann, etwa durch die Verbindung der Verfahren, oder auf einen informellen „Probetermin“ auszuweichen ist, soll an dieser Stelle offen bleiben. 372 Die gesetzliche Überschrift bei § 249 („Bedingter Plan“) ist deshalb missverständlich. Der Plan ist nicht bedingt, sondern er selbst stellt eine zusätzliche Voraussetzung für seine Bestätigung auf, HK/Flessner, InsO, § 249 Rn. 4. 371
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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kürzungen und Stundungen im Insolvenzplan nur hinzunehmen, wenn auch in den anderen Verfahren über konzernverbundene Unternehmen ein entsprechender Einschnitt erfolgt, nicht gerecht. Es müsste eine Reihenfolge der Bestätigungsvoraussetzung gebildet werden, wobei jeweils die vorhergehenden Verfahren gewissermaßen durch die rechtswirksame Bestätigung ihres Verfahrens „in Vorleistung“ treten müssten. Die Bestätigung des Insolvenzplanes jeweils von der Bestätigung im anderen Verfahren abhängig zu machen, würde dagegen in eine Bestätigungsblockade münden. Das Vorleistungsrisiko mancher Gläubigerversammlungen kann jedoch statt durch Aufnahme einer Bestätigungsvoraussetzung im Sinne von § 249 InsO durch die Formulierung einer materiell aufschiebenden Bedingung nach § 158 BGB in den Insolvenzplänen erreicht werden.374 Die Wirksamkeit der Insolvenzpläne steht unter der aufschiebenden Bedingung, dass alle am Konzerngesamtsanierungskonzept beteiligten Insolvenzpläne rechtskräftig bestätigt wurden.375 Auf diese Weise ist ein einheitliches Inkrafttreten der Insolvenzpläne als Gesamtsanierungskonzept sicher gestellt. d) Aufhebung des Insolvenzverfahrens Sobald die Bestätigung des Insolvenzplanes rechtskräftig ist, beschließt das Insolvenzgericht die Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§ 258 Abs. 1 InsO). Mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erlischt das Amt des Insolvenzverwalters und der Schuldner erhält seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zurück (§ 259 Abs. 1 InsO). Für den Konzern im Besonderen ist mit der Beendigung des Verfahrens und des Insolvenzverwalteramtes im Regelverfahren die Wiederauflebung der Konzernleitungsmacht verbunden. Wurde das Insolvenzverfahren im Verfahren der Eigenverwaltung geführt, besteht die Konzernleitungsmacht mit Aufhebung des Insolvenzverfahrens nun ohne die Beschränkung auf den Insolvenzverfahrenszweck (§ 1 InsO) fort.376 373 Etwa in diesem Sinne Rotstegge, S. 360, welcher vorschlägt, die Planbestätigung von einem wertspezifischen Ranking wechselseitig zu bedingen. 374 Nach herrschender Meinung ist neben § 249 InsO auch die Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 BGB) möglich, HK/Flessner, InsO, § 249 Rn. 4, 7; Eidenmüller, ZGR 2001, 680, 696; ders., ZHR 169 (2005), 528, 547; ders., in: MünchKomm, § 217 Rn. 41; Nerlich/Römermann/Braun, InsO, § 249 Rn. 1 f.; Hess, in: Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 328; Schiessler, S. 111, 181 f., gegen eine materielle Bedingung neben § 249 InsO dagegen Müller, KTS 2002, 209, 215. 375 Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 547; ders., in: MünchKomm, vor §§ 217 bis 269 Rn. 36. 376 Zur Ausrichtung des Weisungsrechts auf den Insolvenzverfahrenszweck aus § 1 InsO in der Eigenverwaltung, vgl. 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(a).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
3. Exkurs: Einbeziehung nicht insolventer Tochtergesellschaften Auch nicht insolvente Tochtergesellschaften können in ein Konzerngesamtsanierungskonzept einbezogen werden.377 Ist die Tochtergesellschaft nicht insolvent, kann im darstellenden Teil der Mutter auch die Rolle des Konzerngliedes festgelegt werden. Die Mutter (evtl. bereits der Insolvenzverwalter der Mutter) ist dann verpflichtet, über ihre Konzernleitungsmacht (die ja auch im Insolvenzverfahren weiterhin besteht) das Gesamtkonzept bei der Tochtergesellschaft durchzusetzen. Genau genommen wird im darstellenden Teil der Mutter festgelegt, wie sie ihre Konzernleitungsmacht in Zukunft für ein konzernweites Sanierungskonzept ausübt. Dies gilt zunächst für eine leistungswirtschaftliche Sanierung. Eine neue Zusammenstellung bzw. Ausrichtung der produktiven Ressourcen lässt sich unter Beachtung der allgemeinen Grenzen durch Anweisungen an den Geschäftsführer erreichen. Wie jede Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehen hier allerdings erhebliche Anfechtungsgefahren. Finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen, wie etwa der Kapitalschnitt, erfordern ohnehin die gleiche Mitwirkungsbereitschaft der Gesellschafter wie bei einer Sanierung im Insolvenzverfahren. Erschwert wird die Einbeziehung einer nicht insolventen Tochtergesellschaft lediglich im Hinblick auf Maßnahmen der Insolvenzbeseitigung gegenüber den Gläubigern, wie etwa Stundungen, Forderungsverzichte und Rangrücktritte. Anders als im Insolvenzplanverfahren ist hier eine einvernehmliche Regelung in einem außergerichtlichen Vergleich erforderlich. Da die Tochtergesellschaft jedoch gerade nicht insolvent ist, besteht in der Regel gar kein Bedürfnis für Eingriffe in die Rechtsstellung der Gläubiger. Sollte die Tochter kurz vor der Insolvenz stehen, bietet sich insoweit der wiederum über die Konzernleitungsmacht durchsetzbare Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) an. 4. Konsolidierung über einen Insolvenzplan „substantive consolidation“ Im ersten Teil dieser gängige Methode einer Konzern („substantive überwiegend mit dem 377
Arbeit wurde eine in der US-amerikanischen Praxis materiellen Konsolidierung der Haftungsmassen im consolidation“) abgelehnt. Begründet wurde dies Vertrauen der Gläubiger in die Haftungstrennung,
Anders dagegen Rotstegge, S. 356, welcher eine Einbindung nicht insolventer Konzernglieder in ein Gesamtsanierungskonzept nur auf freiwilliger Basis für möglich hält.
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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welche auch im Planverfahren zu beachten ist. Offen gelassen wurde, ob eine Konsolidierungswirkung durch die Verabschiedung konsolidierender Insolvenzpläne in den einzelnen Insolvenzverfahren erreicht werden kann. a) „Substantive Consolidation“ durch einen Reorganisationsplan im US-amerikanischen Recht aa) Der konsolidierende Reorganisationsplan Wie bereits oben angedeutet, werden in der US-amerikanischen Rechtsprechung und Literatur unter den Begriff „substantive consolidation“ – wenn auch nicht immer ausdrücklich – zwei Optionen einer materiell zusammengefassten Verfahrensbewältigung diskutiert. Zunächst die oben erörterte Einheitsbetrachtung kraft insolvenzgerichtlicher Anordnung.378 Schon zu Beginn des Verfahrens wird auf diese Weise bei Erfüllung der Kriterien „Wirtschaftliche Einheitlichkeit“ und Abwägung der Vor- und Nachteile eine Konsolidierung erreicht, die den weiteren Verlauf des Verfahrens beeinflusst. In Rechtsprechung und Literatur ist daneben die Konsolidierung durch einen Insolvenzplan anerkannt. Die Möglichkeit, eine Konsolidierung der Massen in einen Insolvenzplan aufzunehmen, wird auf sec. 1123 (a) (5)(C) B.C.379 gestützt.380 In diesem Fall haben die Gläubiger der einzelnen Konzernglieder nach den Vorschriften über den Reorganisationsplan darüber abzustimmen, ob die Massen konsolidiert werden sollen. Im Unterschied zur gerichtlichen Anordnung müssen zunächst die Hürden des Reorganisationsplanverfahrens überwunden werden, um eine Konsolidierung herbeizuführen. Es können also inhaltsgleiche Pläne vorgelegt werden, welche den Konzern als Einheit betrachten und entsprechend auch einheitliche Befriedigungen der ungesicherten Gläubiger vorsehen. Um die Wirkung einer Konsolidierung herbeizuführen, müssen allerdings die Voraussetzungen für eine Planbestätigung nach sec. 1129 B.C. erfüllt sein. Insbesondere hat eine Überprüfung streng an sec. 1129 (7) (A) (sog. „best interest test“) zu erfolgen, wenn einzelne Gläubiger dem konsolidierten Insolvenzplan widersprechen.381 Dem Plan wird eine Bestätigung versagt, wenn dem widerspre378
Siehe oben, 1. Teil, D.III.2.b). Sec 1123 (a) (5) (C): „(a) . . . a plan shall . . . (5) provide adaequate means fort the plan’s execution such as . . . (C) merger or consolidation of the debtor with one or more persons; . . .“. 380 Vgl. Tucker, 8 Am. Bankr.Inst.L.Rev. 427, 448 ff. (2000). 381 In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 413 (Bankr.E.D.Pa. 1991); In re Richard Buick, Inc., 126 B.R. 840, 851 (Bankr.E.D.Pa. 1991); anders 379
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
chenden Gläubiger im Insolvenzplan (der eine Befriedigung aus einer Einheitsbetrachtung vorsieht) nicht mindestens eine Befriedigungsquote zugesprochen wird, die er bei einer (Einzel-)Liquidation des Konzerngliedes nach chapter 7 erhalten würde. Für den Fall, dass nicht alle Gläubigergruppen mit entsprechenden Mehrheiten zugestimmt haben, müssen die cramdown Regeln für alle einzelnen Konzernglieder beachtet werden.382 Jeder Gläubiger hat also einen Mindestanspruch auf eine Quote, die er in der Einzelliquidation im jeweiligen Konzernglied erhalten hätte. Die Abstimmung über den Insolvenzplan, der eine Konsolidierung vorsieht, erfolgt streng rechtsträgerbezogen, d.h. die Abstimmung findet gerade nicht auf konsolidierter Basis statt.383 Von einigen Gerichten wird zur Wahrung der Gläubigerautonomie384 die Herbeiführung einer Konsolidierung über den Reorganisationsplan ausdrücklich bevorzugt.385 bb) Wirkung Wurde der konsolidierte Insolvenzplan von den Gläubigergruppen angenommen und vom Gericht bestätigt, so hat dieser folgende Wirkung: Der Insolvenzplan behandelt größtenteils die Gläubiger der einzelnen Schuldner als eine Einheit, als ob die einzelnen Massen konsolidiert wären.386 Es werIn re Stone & Webster, Inc., et al., 286 B.R. 532, 537 ff. (Bankr. Deleware 2002), mit ausführlicher Stellungnahme, ob bei einem konsolidierenden Insolvenzplan der „best interest test“ der ungesicherten Gläubiger anhand einer konsolidierten Liquidation erfolgen soll oder anhand einer Einzelbetrachtung. Das Gericht folgte hier einer Gesamtbetrachtung, aber nur deshalb, weil ein Verdacht der Vermögensvermischung bestand, die hypothetische Befriedigung bei einer Liquidation somit kaum messbar war, 286 B.R. 532, 545. 382 Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000). 383 In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 412, (Bankr.E.D.Pa. 1991). 384 Zur Gläubigerautonomie in diesem Zusammenhang instruktiv: In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 416 (Bankr.E.D.Pa.1991): „Putting consolidation at issue in the plan process places it before all of the debtors’ creditors for a vote, which is a more democratic process than deciding the issue by a motion. . . .“; vgl. auch Weintraub/Resnick, Bankruptcy, P.8.16. 385 In the matter of continental vending machine corp. and Continental APCO, INC 517 F.2d 997, 99 (2d Cir 1975), Konsolidierung der Massen eines vertikal integrierten Konzerns (Mutter und Vertriebstochter) zu Verwertungszwecken auf der Grundlage eines gemeinsamen Insolvenzplans; so auch in: In re APEX OIL COMPANY, et al, 101 B.R. 92 (Bankr.E.D.Miss.1989), für 54 vertikal intergrierte Tochtergesellschaften des APEX OIL-Konzerns; zur Gerichtspraxis vgl. auch Baird, Substantive Consolidation S. 1; Tucker, 8 Am.BankrInst.L.Rev. 427, 427, 447 (2000). 386 In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 405, (Bankr.E.D.Pa. 1991) „the plan for the most part treats the creditors of each of the debtors as one body as if their cases were consolidated. Nevertheless, in paragraph adressing „re-
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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den die zukünftigen Erträge des Konzerns prognostiziert und den Gläubigern des Konzerns zur Befriedigung zugeteilt, obwohl die Konzernglieder ihre rechtliche Selbständigkeit nicht einbüßen.387 Die konzerninternen Forderungen und Anfechtungsrechte erlöschen.388 Oftmals werden in den USA „joint plans“ vorgelegt, die nicht ausdrücklich eine substantive consolidation vorsehen, im Ergebnis aber einen konsolidierten Ansatz verfolgen, d.h. die einzelnen Rechtsträger im Ergebnis als eine Einheit betrachtet werden.389 Der Insolvenzplan behandelt die einzelne Konzerngesellschaft als Einheit (zu Verwertungszwecken); die rechtliche Selbständigkeit der einzelnen Konzernglieder bleibt dabei unberührt.390 Insbesondere bei einem funktional verflochtenen Konzern sieht der Plan im chapter 11 Verfahren oftmals vor, dass der Konzerngesamtertrag, d.h. der von den einzelnen Konzerngliedern erwirtschaftete Ertrag, konsolidiert wird, während die einzelnen Rechtsträger als solche weiterexistieren (Konsolidierung aus Verteilungsgründen).391 b) „Substantive Consolidation“ durch einen Insolvenzplan im zentral-funktional integrierten Konzern nach deutschem Recht? Fraglich ist, ob nach deutschem Recht die Konsolidierungswirkung durch die Verabschiedung eines konsolidierenden Konzerninsolvenzplanes in den einzelnen Insolvenzverfahren herbeigeführt werden kann. Die im ersten Teil dieser Arbeit erhobenen Einwände gegen eine Gesamtbetrachtung – zwangsweise Egalisierung der Haftungsmassen, Eingriff in die Privatautonomie, Verschiebung der Abstimmungsmodi392 – greifen bei einem konsolidierenden Insolvenzplan nicht, weil ja die Konsolidierung auf eine vesting of assets“, the plan provides that the Debtors will operate as seperate entities post petition“ 387 In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 409, (Bankr.E.D.Pa. 1991). 388 Vgl. etwa In re APEX OIL COMPANY, et al., 101 B.R. 92, 94 (Bankr.E.D.Miss.1989). Auch hier handelte es sich um einen vertikal integrierten Konzern bestehend aus 54 Gesellschaften. Schätzungen des Examiner (entspricht in etwa dem Sachwalter nach deutschem Recht) ergaben, dass etwa 520.000 konzerninterne Transaktionen der vergangen zwei Jahre ohne eine Massekonsolidierung hätten überprüft werden müssen. 389 Vgl. In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 412; Baird, Substantive Consolidation, S. 1. 390 In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 416, (Bankr.E.D.Pa. 1991). 391 Baird, Substantive Consolidation, S. 3, „Consolidation for the purpose of distribution“. 392 Siehe oben 1. Teil, D.III.3.b).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
autonome Entscheidung der Gläubiger in den einzelnen Insolvenzverfahren zurückzuführen ist. aa) Mögliche Vorteile einer Konsolidierung im Rahmen einer Reorganisation Auch aus deutscher Sicht könnte eine Gesamtbetrachtung zu Verwertungszwecken für eine konzernweite Reorganisation vorteilhaft sein und die Gläubigerschaften dazu veranlassen, einer konsolidierten Betrachtung zuzustimmen. (1) Senkung der Verfahrenskosten Eine wesentliche Wirkung der materiellen Konsolidierung war das Erlöschen der konzerninternen Ansprüche und Anfechtungsrechte. Bei einem zentral-funktional integrierten Konzern besteht ein ständiger Leistungsaustausch zwischen den einzelnen Konzerngliedern, welcher in der Insolvenz, insbesondere im Hinblick auf mögliche Anfechtungsansprüche, ex tunc einer Überprüfung zu unterziehen ist.393 Die Überprüfung von konzerninternen Forderungen und die Geltendmachung von Anfechtungsrechten sind mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Diesem Kosten- und Zeitaufwand steht ein relativ geringer Nutzen gegenüber, wenn eine konzernweite Reorganisation angestrebt wird, wenn man bedenkt, dass im Rahmen einer Reorganisation die Befriedigung der Gläubiger typischerweise nicht aus den einzelnen Vermögenspositionen der Konzernglieder erfolgt, sondern durch die in der Zukunft zu erwartende Erträge des laufenden Geschäftsbetriebs.394 Je länger ein Konzern sich im Insolvenzverfahren befindet, etwa um die Beleuchtung der konzerninternen Verschiebungen zu ermöglichen, desto unwahrscheinlicher wird eine erfolgreiche Reorganisation.395 Die mit einer Konsolidierung verbundene schnelle und effiziente Bewältigung eines Reorganisationsverfahrens kann je nach den Umständen des Einzelfalls für eine Konsolidierung sprechen, wenn die Reorganisation des Gesamtkonzerns angestrebt wird.396
393 Hier sei nochmals auf die 520.000 konzerninternen Transaktionen innerhalb der 54 Gesellschaften des APEX Konzerns verwiesen, vgl. oben Fn. 388, S. 299. 394 Vgl. Baird, Substantive Consolidation, S. 1, 3. 395 Lediglich die Fortführung eines bereits anhängigen Anfechtungsprozesses kann nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens durch den Verwalter fortgesetzt werden, wenn dies im gestaltenden Teil des Plans vorgesehen ist, vgl. § 259 Abs. 3 InsO.
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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(2) Vermeidung von schwierigen Ertragsabgrenzungen im Konzern Ein weiterer Vorteil der materiellen Konsolidierung im Rahmen einer Reorganisation liegt beim funktional integrierten Konzern auch darin, dass bei diesem Konzerntyp die Zuordnung der erwirtschafteten Erträge auf die einzelnen Konzernglieder oftmals schwierig ist. Welchen Ertrag bringen die Forschungstöchter? Wie lässt sich Forschungsarbeit wertmäßig als Ertrag erfassen? Die möglichst realistische Bewertung dieser Leistungen ist bereits im werbenden Konzern für die Ermittlung angemessener Konzernverrechnungspreise und Konzernumlagen schwierig, ja im Vertragskonzern noch nicht einmal erforderlich. Insbesondere Konzernglieder, welche lediglich Zulieferfunktionen wahrnehmen, erwirtschaften ihren Ertrag ausschließlich über mehr oder weniger realistische Konzernverrechnungspreise. Da bei einer konsolidierten Betrachtung der Konzerngesamtertrag auf alle Gläubiger des Konzerns verteilt wird, ist es nicht erforderlich, die vom Konzern prognostizierten erwirtschafteten Erträge auf die einzelnen Konzernglieder zu verteilen.397 Ein Reorganisationsplan, der die zukünftigen Erträge konsolidiert berechnet und konsolidiert im Reorganisationsplan den einzelnen Gläubigern gewährt, vereinfacht im Übrigen die Fortführung nach Bestätigung des Reorganisationsplans, weil dann die Finanzströme zwischen den einzelnen Konzerngliedern gelockert sind. Ohne einen konsolidierenden Insolvenzplan müsste der von jedem Konzernglied erwirtschaftete Ertrag an die Gläubiger des jeweiligen Konzerngliedes ausgeschüttet werden. Die Höhe der Konzernverrechnungspreise nach Beendigung des Insolvenzverfahrens betrifft dann unmittelbar den Distributionskonflikt zwischen den einzelnen Gläubigerschaften. Im Rahmen einer konsolidierenden Reorganisation kommt es dagegen auf die wertgenaue Festlegung der Verrechnungspreise bei der zukünftigen Unternehmensfortführung nicht an, weil die Erträge ja aus dem Gesamttopf an Alle zu verteilen sind.398 Im werbenden Konzern besteht der funktional-vertikal integrierte Konzern in der Regel aus Töchtern, die in der Rechtsform einer 100%igen 396 Baird, Substantive Consolidation, S. 5, 6; zu den nachteiligen Kosten durch zeitaufwendiges Auseinanderdividieren der Massen im Rahmen einer Konzerninsolvenz, vgl. auch Uhlenbruck, NZI 1999, 41, 43. 397 In re Standard Brand Paint Co. 154 B.R. 563, 570. (Bankr.C.D.Cal.1993), das Gericht stellt darauf ab, dass ein Fortführungswert der einzelnen Konzernglieder nicht zu ermitteln und mit dem Liquidationswert zu vergleichen ist, weil die Konzernglieder Teil einer funktionalen Wirtschaftseinheit darstellten. 398 In re ORFA Corporation of Philadelphia, 129 B.R. 404, 412, „. . . a free flow of cash among the three entities is beneficial to implementation of their (= proponant) plan“; ähnlich für die Gesamtbetrachtung allgemein, Paulus, ZIP 2005, 1948, 1953.
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
GmbH geführt werden. In diesen rechtlichen Konzernstrukturen ist eine genaue Abgrenzung und Gewinnzuweisung aber allenfalls aus steuerlichen Gründen notwendig. Besteht ein Gewinnabführungsvertrag und somit eine steuerliche Organschaft (§ 14 KStG), ist selbst aus steuerlichen Gründen eine möglichst realistische Ertragszuweisung nicht erforderlich. In der schwierigen Ertragsabgrenzung liegt gerade auch ein Unterschied zwischen Reorganisation und Liquidation. Abgesehen von Fällen der Vermögensvermischung lässt sich der Liquidationswert des einzelnen Konzerngliedes anhand der Bilanz leicht taxieren. Anders dagegen, wenn die Befriedigung der Gläubiger nach erfolgreicher Reorganisation aus zukünftig zu erwirtschaftenden Unternehmenserträgen erfolgt. In einem funktional aufgebauten Konzern ist das einzelne Konzernglied gerade kein „Profit-Center“. Eine Aufteilung des Sanierungsgewinns des Konzerns an alle Gläubiger des Konzerns durch (inhaltsgleiche) Insolvenzpläne, welche den zukünftigen Ertrag im Wege einer Gesamtbetrachtung errechnen und in gleicher Weise auf die Gläubiger der einzelnen Konzernglieder verteilen, bietet sich in diesem Fall an. Der Konzerngesamtertrag kann dabei auch unterschiedlich aufgeteilt werden, indem etwa die einfachen Gläubiger eines bestimmten Konzerngliedes mehr vom Gesamtertrag erhalten, weil der Liquidationswert ihrer Gesellschaft wesentlich höher ist als anderer Gesellschaften. Insoweit lassen sich die Gesamterträge flexibler zuteilen. (3) Verteilung des Kooperationsgewinns Durch die flexible Zuteilung des Konzerngesamtertrages an die einzelnen Gläubigerschaften der Insolvenzverfahren können bestimmte Gläubigergruppen möglicherweise erst zu einer Teilnahme an einer konzernweiten Gesamtsanierungsstrategie bewegt werden. So mögen die Gläubiger einer Forschungsgesellschaft mit relativ hohem Liquidationswert wenig Interesse an einer Fortführung ihrer Gesellschaft haben, wenn deren prognostizierten Befriedigungsaussichten bei einer Fortführung sich nur geringfügig verbessern würden. Ist diese Gesellschaft für die Aufrechterhaltung des Konzernunternehmens jedoch erforderlich, dann werden sich die Gläubiger nur dann in eine Konzerngesamtsanierungsstrategie einbinden lassen, wenn sie einen Zuschlag aus den insgesamt erwirtschafteten Erträgen erhalten. Über einen konsolidierenden Insolvenzplan lassen sich demnach Kooperationszuschläge an einzelne Gläubigergruppen verteilen und die Distribution des Kooperationsgewinns regeln.399
399 Zum Problem der Distribution des Kooperationsgewinns, vgl. oben, 1. Teil, D.II.2., S. 86.
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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(4) Steuerliche Vorteile Konsolidierende Insolvenzpläne könnten zusätzlich ein Instrumentarium zur optimalen Ausschöpfung steuerlicher Vorteile darstellen. Sanierungsgewinne400 sind nach dem Wegfall der früheren Privilegierung aus § 3 Nr. 66 EStG grundsätzlich körperschaftssteuerpflichtig.401 Dennoch kann der durch die Forderungskürzungen entstandene Sanierungsgewinn und der zukünftig durch die wirtschaftliche Betätigung erwirtschaftete Gewinn mit Verlustvorträgen, d.h. mit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen Verlusten verrechnet werden. Dabei sind Verluste gemäß §§ 10 d EStG i. V. m. 8 Abs. 1 KStG zeitlich unbegrenzt (teilweise nur in Höhe von 60%) vortragbar.402 Erst der nach Abzug der Verlustvorträge verbleibende Gewinn ist dann noch als Sanierungsgewinn zu versteuern.403 Die Ausschöpfung von Verlustvorträgen wird als ein wesentlicher Vorteil der Reorganisation gegenüber der übertragenden Sanierung angesehen.404 Im Vertragskonzern kann ein konsolidierter Ansatz möglicherweise der Nutzung dieser Verlustvorträge dienen. Hier besteht die Besonderheit, dass Verluste der Untergesellschaft bis zur Insolvenz durch die Verlustausgleichspflicht der Muttergesellschaft (vgl. § 302 AktG) abgefangen wurden und auf die Ebene der Muttergesellschaft weitergeleitet wurden. Entsprechend sind im Rahmen der Besteuerung zu berücksichtigende Verlustvorträge rechtlich allesamt bei der Mutter entstanden, obwohl in wirtschaftlicher Hinsicht die eigentlichen Verluste zu einem Großteil durch die Tochtergesellschaften verursacht wurden. Eine Saldierung des Sanierungsgewinns mit Verlustvorträgen kann jedoch nur auf der gleichen Ebene erfolgen, auf der die Verlustvorträge rechtlich entstanden sind.405 Um die Verlustvorträge der Muttergesellschaft auch für zukünftig von den Tochtergesellschaften zu erwirtschaftende Sanierungsgewinne nutzen zu können, ist der Fortbestand einer körperschaftssteuerlichen Organschaft, d.h. das Bestehen eines Gewinnabführungsvertrages406, nach Beendigung des Insolvenzverfahrens und erfolgreicher 400 Definition von Sanierungsgewinn: Betriebseinnahmen, die aus Maßnahmen resultieren, welche die finanzielle Gesundung eines notleidenden Unternehmens bezwecken. Klassischer Fall ist der Schuldenerlass. Kirchhof/Crezelius, EStG, § 4 Rn. 251. 401 Kirchhof/Crezelius, EStG, § 4 Rn. 251. 402 Schmidt, EStG, § 10 d, Rn. 40. 403 Kirchhof/Crezelius, EStG, § 4 Rn. 251; Janssen, DStR 2003, 1055, 1055 f. 404 Siehe oben, 1. Teil, C.I.3. 405 Smid/Rattunde, Rn. 2.93, S. 406, Anh. 3, Rn. 2.93. 406 Nach § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KStG ist Voraussetzung für eine körperschaftssteuerliche Organschaft, dass die Organsgesellschaft (= Tochter) in den Organträger (= Mutter) finanziell eingegliedert ist, ein Gewinnabführungsvertrag zwischen beiden besteht und während der Mindestdauer (5 Jahre) durchgeführt wird. Eine finan-
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
Sanierung notwendig. Erst dann, wenn die Sanierungsgewinne nicht auf der Ebene der Tochtergesellschaft versteuert, sondern zunächst von der Muttergesellschaft abgesaugt und auf der Ebene der Mutter einheitlich versteuert werden, können die auf der Ebene der Mutter angesammelten Verlustvorträge genutzt werden. Die Schaffung einer körperschaftssteuerlichen Organschaft über einen Gewinnabführungsvertrag kollidiert aber unmittelbar mit den Befriedigungsinteressen der Gläubiger der Tochtergesellschaften. Im Rahmen einer Einzelbetrachtung steht der zukünftig von der Tochtergesellschaft erwirtschaftete Ertrag den Gläubigern der Tochtergesellschaft zu und kann damit grundsätzlich nicht von der Mutter im Rahmen eines Gewinnabführungsvertrages abgeschöpft werden. Außerhalb des hier zu lösenden konzernspezifischen Konflikts ist jedoch allgemein anerkannt, dass über eine sog. Gewinnabschöpfungsklausel im Insolvenzplan die Gläubiger Sanierungsgewinne auf Dritte verlagern können.407 Ein Gewinnabführungsvertrag und damit eine körperschaftssteuerliche Organschaft ließen sich bei erfolgreicher Sanierung nur bei gleichzeitiger Gewinnabschöpfungsklausel im Insolvenzplan der Töchter verwirklichen. Die Gläubiger der Tochtergesellschaften werden sich auf eine Abschöpfung des Gewinns durch die Mutter allerdings nur dann einlassen, wenn sie wiederum am, sich auf der Ebene der Mutter niederschlagenden, Konzerngesamtgewinn partizipieren. Genau dies entspricht aber einer konsolidierten Betrachtungsweise zu Verwertungszwecken bei einer Konzernreorganisation. bb) Rechtliche Grundlage nach deutschem Recht In einem Insolvenzplan kann die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens abweichend von den Vorschriften der InsO geregelt werden (§ 217 InsO). Durch das Insolvenzplanverfahren soll nach der Intention des Gesetzgebers ein flexibles Instrumentarium zur Seite gestellt werden, welches eine Privatisierung der Insolvenzabwicklung ermöglicht. Alle wesentlichen insolvenzrechtlichen Fragestellungen können über den Insolvenzplan privatautonom geregelt werden.408 Ein Höchstmaß an Flexibilität der Regelungen gestattet es den zielle Eingliederung liegt vor, wenn die Organträger in einem solchem Maße an der Organgesellschaft beteiligt sind, dass ihnen die Mehrheit der Stimmrechte aus den Anteilen der Organgesellschaft zustehen, § 14 Abs. 1 Nr. 1 KStG. 407 Zu Gewinnabschöpfungsklauseln in Insolvenzplänen allgemein, siehe Eidenmüller, ZGR 2001, 681, 709; Braun/Uhlenbruck, Muster, S. 61 f., 84. 408 MünchKomm InsO/Eidenmüller, vor §§ 217–269, Rn. 1; Maus, in: Kölner Schrift, S. 933.
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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Beteiligten, die für sie günstigste Art der Insolvenzabwicklung zu entdecken und durchzusetzen.409 Ein Plan, der nach den gesetzlichen Regelungen zustande kommt, kann von sämtlichen Vorschriften über die insolvenzmäßige Zwangsverwertung und Verteilung abweichende Regelungen treffen. Dadurch soll entsprechend den Gesetzesbegründungen der Plan zu einem universellen Instrument der Masseverwertung werden.410 Der Gesetzgeber hat sich für die Gewährung eines erheblichen Freiraums für kreative Lösungen der Beteiligten entschieden und das Planverfahren deshalb für vielfältige materielle Gestaltungsmöglichkeiten geöffnet. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Insolvenzplans ist der Gläubigerautonomie nur durch das Verbot der Schlechterstellung eine Grenze gesetzt, d.h. kein Beteiligter darf durch den Plan schlechter gestellt werden, als er ohne Plan stünde.411 Über Insolvenzpläne in den einzelnen Insolvenzverfahren der Konzernglieder eine Masseverwertungs- und Verteilungseinheit zu erzeugen, reiht sich demnach grundsätzlich in die gesetzgeberische Intention des Planverfahrens ein. Auch das Erlöschen von konzerninternen Ansprüchen, insbesondere von Anfechtungsansprüchen, lässt sich durch eine entsprechende Regelung im gestaltenden Teil der Insolvenzpläne erreichen. Nach § 217 InsO kann über den Insolvenzplan insbesondere die Verwertung der Insolvenzmasse abweichend von den gesetzlichen Vorschriften (§§ 156–164 InsO) geregelt werden. Zur abweichenden Verwertung der Insolvenzmasse im Sinne von § 217 InsO gehört auch die unmittelbare Gestaltung des Massebestands, etwa indem in einem Insolvenzplan auf Ansprüche des Schuldners gegen Dritte mit Zwangswirkung verzichtet wird.412 Dies gilt nach herrschender Meinung auch bezüglich der Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen im Sinne von § 143 InsO.413 Sie sind einer Planregelung mit Zwangswirkung gegen Widersprechende zugänglich.414 Bei der Konzerninsolvenz bietet der Insolvenzplan die Möglichkeit, die Geltendmachung konzerninterner Forderungen und Anfechtungsansprüche abweichend von der im Grundsatz beste409
Begr.RegE InsO, BT-Drucks., 12/2443, S. 90. Begr.RegE InsO, BT-Drucks., 12/2443, S. 90. 411 Begr.RegE InsO, BT-Drucks., 12/2443, S. 91; vgl. auch FK/Jaffé, InsO, § 217 Rn. 34, 42; Maus, in: Kölner Schrift, S. 931. 412 MünchKomm InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 115; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 15. 413 Diese Anfechtungsansprüche sind mit der Verfahrenseröffnung entstehende schuldrechtliche Rückübertragungsansprüche, welche – anders als die Gegenstände, auf die sie sich beziehen – zur Insolvenzmasse gehören und folglich deren Verwertung durch einen Insolvenzplan geregelt werden kann, MünchKomm InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 117. 414 Nerlich/Römermann/Braun, InsO, § 217 Rn. 18, 20, 23; MünchKomm InsO/ Eidenmüller, § 217 Rn. 117; Paulus, DZWIR 1999, 53, 58. 410
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
henden Pflicht des Insolvenzverwalters zur Geltendmachung zu regeln.415 Über das Insolvenzplanverfahren können somit die konzerninternen Forderungen im Dienste einer effizienten Verfahrensbewältigung gestaltet werden. Soll die Befriedigung der Gläubiger des Gesamtkonzerns aus dem zukünftigen Gesamtertrag erfolgen, haben die Gläubiger in der Regel kein Interesse daran, ihre Masse durch die Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen etc. in u. U. langwierigen Prozessen zu vergrößern. Entsprechend kann in den Insolvenzplänen die Beseitigung der konzerninternen Forderungen und Anfechtungsansprüche vorgesehen werden. Da neben der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse auch die Befriedigung der Gläubiger abweichend von den gesetzlichen Vorschriften erfolgen kann (§ 217 InsO), lässt sich in einem Insolvenzplan eine konsolidierte Betrachtung auch im Hinblick auf die Verteilung einnehmen. Die Forderungen werden dabei durch die Wirkung des jeweiligen Insolvenzplanes gekürzt bzw. gestundet. Im Hinblick auf die Verteilung der erwirtschafteten Erträge kann auf die einzelnen Gläubiger dann der errechnete Konzerngesamtertrag verteilt werden. Die Gesamtverteilung könnte dabei durch eine Gewinnabschöpfungsklausel im Insolvenzplan flankiert werden.416 So kann in den einzelnen Insolvenzplänen etwa festgelegt werden, dass sämtliche in der Zukunft anfallende Unternehmensgewinne der Einzelgesellschaften über einen Dritten, etwa die Muttergesellschaft oder einen Treuhänder, an die Gläubiger ausgeschüttet werden sollen. Dort könnten die in den Einzelgesellschaften erwirtschafteten Erträge gepoolt und zur Gesamtausschüttung nach dem einheitlichen Ausschüttungsschlüssel verteilt werden. cc) Aufbau eines konsolidierenden Insolvenzplans Im Ergebnis werden inhaltsgleiche Insolvenzpläne in den einzelnen Insolvenzverfahren vorgelegt, welche eine konsolidierte Betrachtung vorsehen. Der darstellende Teil eines konsolidierenden Insolvenzplans entspricht dem des koordinierten Insolvenzplanes, wobei hier noch eine stärkere Betonung auf der Gesamtbetrachtung liegt. An dieser Stelle hat eine Gegenüberstellung der Partizipation der Gläubiger der einzelnen Gesellschaften am Konzerngesamtertrag zum Einzelliquidationswert zu erfolgen. Im gestaltenden Teil werden die Rechtsgestaltungen, wie etwa Forderungskürzungen, nach Konzerngliedern aufgeschlüsselt. Innerhalb der Konzernglieder erfolgt dann eine Gruppeneinteilung entsprechend § 222 InsO. Die für den Gesamt415
Münch/Komm InsO/Eidenmüller, § 217 Rn. 115. Zu Gewinn- und Liquidationserlösabschöpfungsklauseln allgemein vgl. Braun/ Uhlenbruck, Muster, S. 61 f., 84; Eidenmüller, ZGR 2001, 681, 709. 416
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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konzern errechneten Erträge für den Befriedigungszeitraum sind entsprechend auf die Gläubiger zu verteilen. Die Gestaltungswirkungen, wie etwa Forderungskürzung und Stundung werden für die Gläubiger im jeweiligen Planverfahren erreicht. Der gestaltende Teil des Insolvenzplans enthält eine Gewinnabschöpfungsklausel, die es ermöglicht, die Erträge zur Gesamtverteilung an einer Stelle, in der Regel bei der Muttergesellschaft, zu „poolen“. Konzerninterne Forderungen und Anfechtungsrechte werden gegenseitig erlassen. Mögliche Gliederung des gestaltenden Teils eines konsolidierenden Insolvenzplans: 1. Konzernglied A (Produktionsgesellschaft) a) Forderungen ungesicherter Gläubiger Konzernglied A b) Forderungen gesicherter Gläubiger Konzernglied A 2. Konzernglied B (Vertriebsgesellschaft) a) Forderungen ungesicherter Gläubiger Konzernglied B b) Forderungen gesicherter Gläubiger Konzernglied B dd) Voraussetzung für eine gerichtliche Bestätigung In jedem Insolvenzverfahren muss der konsolidierende Insolvenzplan nach den dafür vorgeschriebenen Regeln verabschiedet werden. Die Gläubigergruppen einer jeden Konzerngesellschaft müssen gemäß § 244 InsO mehrheitlich zustimmen. Jedem Gläubiger muss durch die konsolidierte Befriedigung aus den Erträgen des Konzerns mindestens eine Befriedigungsquote zugestanden werden, welche er bei einer Einzelliquidation des Konzernglieds erhalten hätte (vgl. § 251 InsO). Die Gegenüberstellung mit dem Liquidationswert hat dabei streng rechtsträgerbezogen zu erfolgen, da ansonsten die Wirkung der Konsolidierung vorweggenommen würde.417 Anders als der Ertragswert lässt sich der Liquidationswert des einzelnen Konzerngliedes – abgesehen von Fällen der Vermögensvermischung – auch im zentral-funktional integrierten Konzern ohne Probleme feststellen. Stimmen nicht alle Gläubigergruppen mit den entsprechenden Mehrheiten zu, so ist für jedes Insolvenzverfahren die Voraussetzung des Obstruktionsverbotes (§ 251 InsO) zu überprüfen. Im Ergebnis handelt es sich bei einem konsolidierenden Insolvenzplan um einen Plan, der inhaltlich eine Gesamtbetrachtung einnimmt, jedoch in jedem Insolvenzverfahren nach den dafür erforderlichen Verfahrensvorschriften verabschiedet werden muss. Es bleibt demnach der Gläubigerschaft in jedem einzelnen Konzernglied vorbehalten, zu 417
Siehe oben, 1. Teil, D.III.3.b)bb).
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4. Teil: Besondere Koordinationsmechanismen
beurteilen, ob eine konsolidierte Betrachtungsweise für sie konkret vorteilhaft ist und kann entsprechend ihr Votum danach ausrichten. Damit wird die Option einer effizienten Verwertungsart im Konzern eröffnet und gleichzeitig die Gläubigerautonomie gestärkt.
III. Zusammenfassendes Ergebnis Die deutsche Rechtsordnung sieht weder ein Konzerninsolvenzverfahren noch ein Konzernplanverfahren vor. Entsprechend erfordert die Implementierung einer konzernweiten Reorganisationsstrategie die Durchführung eines Planverfahrens für jede Konzerngesellschaft, d.h. für jede Konzerngesellschaft ist ein Insolvenzplan zu erstellen und nach den jeweiligen Vorschriften der §§ 235 ff. InsO zu verabschieden. Diese Einzelbetrachtung wird der wirtschaftlichen Realität im zentral-funktional integrierten Konzern jedoch nicht gerecht, denn jede Einzelausrichtung eines Konzernunternehmens oder seine Liquidation hat zwangsläufig Auswirkungen auf diese gesamte Wirtschaftseinheit Konzern. Eine konzernweite Sanierung lässt sich demnach nur durch die Erstellung mehrerer, aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne erreichen, die aus einem einheitlichen Konzerngesamtsanierungskonzept entwickelt wurden. Dieses Konzerngesamtsanierungskonzept ist im darstellenden Teil der einzelnen Insolvenzpläne zu erörtern. Die effiziente Entwicklung aufeinander abgestimmter Insolvenzpläne aus einem Konzerngesamtsanierungskonzept erfordert einen einheitlichen Planinitiator in den einzelnen Insolvenzverfahren. Ein von der Konzernmutter entwickeltes Gesamtsanierungskonzept kann dabei über das gemäß § 218 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. InsO dem Schuldner zustehende Planinitiativrecht in einzelne Insolvenzpläne „gegossen werden“ und durch die Anweisung gegenüber den Exekutivorganen der Tochtergesellschaften von diesen in das jeweilige Verfahren eingebracht werden. Ein vom Insolvenzverwalter entwickeltes einheitliches Sanierungskonzept hat größere Aussicht auf erfolgreiche Implementierung in den einzelnen Insolvenzverfahren, wenn für alle Konzerngesellschaften der gleiche Insolvenzverwalter eingesetzt wurde. Bevor die einzelnen Insolvenzpläne zur Abstimmung gestellt werden, ist die wirtschaftliche Verflochtenheit durch einen gemeinsamen Erörterungstermin zu berücksichtigen. Zur Absicherung eines einheitlichen Inkrafttretens der einzelnen Insolvenzpläne sollte ihre Wirksamkeit von der aufschiebenden Bedingung, dass alle am Konzerngesamtsanierungskonzept beteiligten Insolvenzpläne angenommen und gerichtlich bestätigt wurden, abhängig gemacht werden. Die aus der US-amerikanischen Reorganisationspraxis bekannte „substantive consolidation“ lässt sich im deutschen Recht über das Insolvenzplan-
B. Das Insolvenzplanverfahren in der Konzerninsolvenz
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verfahren verwirklichen, indem in den einzelnen Verfahren jeweils eine Gesamtbetrachtung einnehmende Insolvenzpläne verabschiedet werden. In diesem Fall stellen die einzelnen Insolvenzpläne eine Befriedigungseinheit her, indem der zukünftige Konzerngesamtertrag auf alle Gläubiger des Konzerns verteilt wird. Für jedes einzelne Planverfahren ist dabei streng auf die Voraussetzungen des § 251 InsO (Minderheitenschutz) und ggf. § 245 InsO (Obstruktionsverbot) zu achten.
5. Teil
Konzentration der Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen auf gerichtlicher Ebene Eine Vielzahl der hier vorgestellten koordinationsfördernden Maßnahmen hängen unmittelbar von der Entscheidung des Insolvenzgerichtes ab. So setzt die Schaffung eines einheitlichen Gestaltungswillens im Konzernunternehmen durch die Einsetzung eines personenidentischen Insolvenzverwalters die übereinstimmende gerichtliche Entscheidung über die Person des Insolvenzverwalters (§ 56 InsO) in den einzelnen Verfahren voraus. Auch die Aufrechterhaltung der Konzernleitungsmacht durch die gezielte Anordnung der Eigenverwaltung hängt wiederum von einer gleichen gerichtlichen Entscheidung ab. Es liegt auf der Hand, dass eine gerichtliche Zuständigkeitskonzentration insoweit einen wesentlichen Beitrag für eine Implementierung der Koordinierungsmechanismen leisten kann. Unter Insolvenzpraktikern wird sogar die Auffassung vertreten, dass nahezu alle Reorganisations- und Sanierungsansätze von Konzernunternehmen ausschließlich nur bei einer gerichtlichen Konzentration der Verfahren durchführbar sind.1 Neben der Bedeutung für die bereits besprochenen Koordinierungsmechanismen sollen nachfolgend die allgemeinen Vorteile einer Konzentration der Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen in den Händen eines Insolvenzrichters erörtert werden. Daran soll sich die Frage anschließen, ob und unter welchen Voraussetzungen de lege lata eine gerichtliche Zuständigkeitskonzentration möglich ist. Wegen der besonderen Bedeutung von Konzernsachverhalten im europäischen Kontext steht dabei die europäische Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO im Vordergrund. Bezüglich der rechtlichen Stellung des Insolvenzgerichts im Insolvenzverfahren erfolgt dabei eine Orientierung an der deutschen Insolvenzordnung. Neben der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Eröffnungsverfahren (§ 21 InsO), der Überprüfung der Eröffnungsvoraussetzungen und der Bestellung des Insolvenzverwalters kommt dem Insolvenzgericht überwiegend eine allgemeine Aufsichtsfunktion zu (§ 58 InsO). Die Aufsicht ist dabei reine 1
Graeber, NZI 2007, 265, 266; Braun/Kießner, InsO, § 3 Rn. 19.
A. Vorteile einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit
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Rechtsaufsicht, insbesondere stehen dem Insolvenzgericht weder ein Weisungs- noch ein Beanstandungsrecht bezüglich der Zweckmäßigkeit des Handelns des Insolvenzverwalters zu.2
A. Vorteile einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit für konzernverbundene Unternehmen Werden die einzelnen Insolvenzverfahren des Konzerns bei einem Richter konzentriert, dann führt dies zunächst zu einer effizienten Nutzung knapper Justizressourcen.3 Das Insolvenzgericht kann diese Aufgaben im Rahmen der Prüfung der Insolvenzgründe und der allgemeinen Aufsicht über den Insolvenzverwalter nicht außerhalb des Konzernkontextes wahrnehmen, auch wenn es lediglich für eine Konzerngesellschaft zuständig ist. Der einmaligen Einarbeitung durch einen Insolvenzrichter steht eine aufwändige Einarbeitung durch mehrere Insolvenzrichter gegenüber. Neben dieser erstmaligen Einarbeitung können aber auch während des Insolvenzverfahrens dem Richter bekannt werdende Informationen aus dem einen Verfahren für das andere Verfahren nutzbar gemacht werden, weil sie bereits als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden können. Verfahrenskosten werden unmittelbar reduziert, weil Zeugen nur einmal vor Gericht zu erscheinen brauchen, Gutachten nur einmal einzuholen sind etc.4 Erhebliche Synergieeffekte entstehen ferner bei der gerichtlichen Überprüfung und Bestätigung von Sanierungsplänen im Rahmen einer konzernweiten Reorganisation. Da Insolvenzgerichte insbesondere in Großverfahren hohe Anforderungen an die Eignung des Insolvenzverwalters im Sinne von § 56 InsO stellen und dem Gericht bei der Beurteilung ein weitergehender Entscheidungsspielraum zusteht5, ist eine unterschiedliche Beurteilung über die Eignung eines bestimmten Verwalters zwischen den involvierten Gerichten nicht unwahrscheinlich.6 Insoweit wachsen mit einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit gleichzeitig die Chancen auf die Bestellung eines konzerneinheitlichen Verwalters und der damit verbundenen Vorteile. Die Bestellung eines konzerneinheitlichen Verwalters führt wiederum zur Entlastung des 2
FK/Kind, InsO, § 58 Rn. 5; Uhlenbruck/Uhlenbruck, § 58 Rn. 3; MünchKomm InsO/Graeber, § 58 Rn. 38; HK/Eickmann, InsO, § 58 Rn. 3; vgl. auch Kübler, ZGR 1984, 560, 588. Für eine weitere Zweckmäßigkeitsprüfung des Verwalterhandelns, Smid/Smid, InsO, § 58 Rn. 8. 3 Vgl. Ehricke, abhängige Unternehmen, S. 462; Eidenmüller, ZZP 114 (2001), 1, 8; ders., ZHR 169 (2005), 528, 537 ff.; ders., ZGR 2006, 467, 474. 4 Ehricke, abhängige Unternehmen, S. 462. 5 Jaeger/Gerhardt, InsO, § 56 Rn. 38, m. w. N. 6 Vgl. Graeber, NZI 2007, 265, 266.
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
Insolvenzgerichts, weil mit ihr die Bündelung der gerichtlichen Überwachungsaufgaben gegenüber dem Insolvenzverwalter verbunden sind.7 Ähnliche koordinationsfördernde Auswirkungen hat eine gerichtliche Zuständigkeitskonzentration bezüglich der Eigenverwaltung. Bei positiver Sanierungsaussicht kann die Aufrechterhaltung der Konzernleitungsmacht über die Anordnung der Eigenverwaltung nur dann den erwünschten positiven Effekt haben, wenn die Gerichte die Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung (§ 270 InsO) ausnahmslos bei allen Tochtergesellschaften für gegeben halten. Da das Gericht auch hier bezüglich der Voraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung erheblichen Beurteilungsspielraum hat, besteht bei unterschiedlicher gerichtlicher Zuständigkeit die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen. Aber auch dann, wenn das Gericht den Umständen entsprechend die Einsetzung unterschiedlicher Insolvenzverwalter für geboten hält, kann die einheitliche gerichtliche Zuständigkeit und Aufsichtsführung gegenüber den verschiedenen Insolvenzverwaltern zu Vorteilen in der Verfahrenskoordinierung führen. Das Insolvenzgericht kann zwar nicht als „Konzernspitze“ über das Aufsichtsrecht (§ 58 InsO) gegenüber „seinen Verwaltern“ die Verwalterhandlungen aufeinander abstimmen, denn eine Zweckmäßigkeitskontrolle steht dem Insolvenzgericht gegenüber dem Insolvenzverwalter gerade nicht zu. Dennoch kann das Insolvenzgericht bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Insolvenzverwaltern eine vermittelnde Rolle einnehmen. Der psychologische Effekt einer solchen rein vermittelnden Tätigkeit des (für alle Insolvenzverwalter Aufsicht führenden) Insolvenzgerichts auf die Insolvenzverwalter, etwa im Hinblick auf eine gemeinsame Verwertungshandlung, wird als äußerst effektiv bewertet.8 So könnte das Insolvenzgericht etwa nach § 58 Abs. 1 S. 2 InsO von den Insolvenzverwaltern Auskunft darüber verlangen, ob und wie sie Maßnahmen zu einer bestmöglichen Verwertung der Insolvenzmasse im Rahmen eines konzernweiten Ansatzes erwogen haben. Das Insolvenzgericht könnte auch bei der Bearbeitung eines Gesamtkonzepts für den Konzern die konstruktive Rolle einer beaufsichtigenden Instanz einnehmen und für eine Koordinierung der Tätigkeiten der einzelnen Verwalter Sorge tragen. Irrationale Alleingänge der Insolvenzverwalter zu Lasten der Gläubiger9 ließen sich auf diese Weise früh erkennen und ggf. verhindern. Misstrauen und Konflikte zwischen den Insolvenzverwaltern könnte das Gericht evtl. abbauen, indem es die Rolle eines Mediators annimmt und so mäßigend auf die Insolvenzverwalter ein7 Vgl. Ehricke, abhängige Unternehmen, S. 462; vgl. auch Kübler, ZGR 1984, 560, 570. 8 Duursma-Kepllinger/Chalupsky, in: Feldbauer-Durstmüller, Sanierungsmanagement, S. 978, 1003. 9 Siehe oben, 1. Teil, D.II.2.
B. Konzentration der Insolvenzverfahren de lege lata
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wirkt. Dabei dürfte ein Alleingang des Insolvenzverwalters bei der Verwertung durch das Insolvenzgericht im Rahmen der Rechtsaufsicht auch rechtsverbindlich verhindert werden können, wenn eine gemeinsame, koordinierte Verwertung offensichtlich höheren Erlös bringt, denn der Alleingang wäre dann ein objektiv masseschädigendes Handeln.10 Auch strategisches Handeln eines Insolvenzverwalters11 könnte vom aufsichtsführenden Insolvenzgericht schneller erkannt und verhindert werden. Die bis hierhin erörterten Vorteile beziehen sich auf nationale und europäische Sachverhalte gleicher Maßen. Bei einem multinationalen Konzern kommt als wesentlicher Vorteil hinzu, dass eine einheitliche internationale Zuständigkeit des Insolvenzgerichts zusätzlich zu einer einheitlichen Anwendung der gleichen insolvenzrechtlichen Vorschriften auf alle Konzerngesellschaften führt. Mit der internationalen Zuständigkeit ist nämlich nach den meisten nationalen Insolvenzrechten und internationalen Übereinkommen, etwa Art. 4 EuInsVO, die entsprechende nationale Insolvenzverfahrensordnung berufen. Die Einschlägigkeit der gleichen Verfahrensordnungen für eine koordinierte Gesamtverwertungsstrategie ist dabei von erheblichem Vorteil. Unterschiedliche Zielsetzungen und Geschwindigkeiten der einzelnen nationalen Insolvenzordnungen machen eine koordinierte Verwaltungsund Verwertungsstrategie schwierig. Auch die Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters wird in diesen Fällen kaum möglich sein. Insgesamt wird die Aufrechterhaltung und der Verkauf des Konzernunternehmens als „going concern“ schwieriger sein.12 Im Ergebnis ist für die effiziente Verfahrensbewältigung und die Implementierung wertmaximierender Gesamtverwertungskonzepte eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit für alle Insolvenzverfahren konzernverbundener Gesellschaften vorteilhaft. Inwieweit mit einer Verfahrenskonzentration auch Nachteile verbunden sind, und ob die Vorteile bei allen Konzerntypen die Nachteile überwiegen, wird noch an anderer Stelle zu erörtern sein.
B. Möglichkeit einer Konzentration der Insolvenzverfahren de lege lata Die oben ausgeführte Praktikabilität einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit ist im internationalen Kontext kaum zu verwirklichen. Wie 10
Zur Rechtsaufsicht des Insolvenzgerichts gehört auch, objektive, masseschädigend auswirkende Maßnahmen des Insolvenzverwalters zu verhindern; vgl. FK/ Kind, InsO, § 58 Rn. 5; Smid/Smid, InsO, § 58 Rn. 8. 11 Siehe oben, 1. Teil, D.II.2. 12 Vgl. Wessels, European Company Law 2006, Vol. 3, S. 183, 189; Lautenbach, NZI 2004, 384, 386; vgl. auch Deyda, S. 71.
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
Deutschland sehen die wenigsten Staaten einen einheitlichen Konzerngerichtsstand vor. Umso verständlicher ist es, dass auch die EuInsVO keinen einheitlichen Konzerninsolvenzgerichtsstand regelt. Mangels einer die Zuständigkeit begründenden Vorschrift ist demnach ausgeschlossen, dass die bloße Konzernzugehörigkeit den Gerichtsstand bei der Mutter verortet. Dies leuchtet ein, denn zu unterschiedlich ist das Konzernrecht in den einzelnen Staaten der Europäischen Union.13 Auf europäischer Ebene wäre zunächst zu klären, wann überhaupt ein Konzern vorliegt. Auch ist fraglich, ob ein allgemeiner Konzerngerichtsstand überhaupt wünschenswert ist, denn je dezentraler, horizontaler der Konzern aufgebaut ist, desto mehr schwinden die oben herausgearbeiteten Vorteile einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit. Vorteile einer Gesamtverwertungsstrategie sind in einem so aufgebauten Konzern minimal und werden u. U. von den Nachteilen schwindender örtlicher Nähe zu den Gläubigern und bei internationalen Konzernen durch Inkohärenz zum übrigen örtlichen Recht wieder genommen. Darauf wird zurückzukommen sein. Die Konzernzugehörigkeit als solche kann somit de lege lata nicht dazu führen, dass die Zuständigkeiten sich für alle Konzernglieder an einem Ort konzentrieren. Eine kategorische Verlegung – etwa in Anknüpfung an die deutschen konzernrechtlichen Definitionen für alle abhängigen Unternehmen im Sinne von § 17 AktG oder konzernverbunder Unternehmen im Sinne § 18 AktG14 – an einem Gerichtsstand wäre aber auch de lege ferenda aus oben genannten Gründen nicht wünschenswert.15 Ein Abstellen auf wirtschaftliche Realitäten ließe sich auch weniger durch die Formulierung eines abstrakt generellen Konzerngerichtsstandes als vielmehr durch eine Herausarbeitung von Fallgruppen durch die Rechtsprechung erreichen. Das Absehen von einer generellen Verortung durch den deutschen Gesetzgeber und den europäischen Verordnungsgeber ist insoweit zu begrüßen. Aus der fehlenden Formulierung eines einheitlichen Konzerngerichtsstandes kann jedoch nicht geschlossen werden, dass sich abweichend vom satzungsmäßigen Sitz im Einzelfall nicht doch die gerichtlichen Zuständigkeiten der Tochterunternehmen am Ort der Mutter fokussieren. Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich sowohl die, die deutsche als auch die europäischen Zuständigkeit, begründenden Formulierungen in § 3 InsO („Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners“) und Art. 3 Abs. 1 EuInsVO („Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat“) den wirtschaftlichen Realitäten nicht verschließen.16 13 14 15
Vgl. dazu Wymeersch, Groups of Companies in the EEC. Wie oben gezeigt reicht dafür eine zentrale Finanzierung bereits aus. So jedoch jüngst von Hirte, ZIP 2008, 444, 445, gefordert.
B. Konzentration der Insolvenzverfahren de lege lata
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Im Grundsatz ist für jedes konzernabhängige Unternehmen die Zuständigkeit individuell nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln. Demnach sollen zunächst die allgemeinen Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit nach deutschem und europäischem Recht herausgearbeitet werden. Dabei ist von einer unternehmerisch aktiven juristischen Person auszugehen. Stehen die allgemeinen Kriterien zur Ermittlung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen (bzw. Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit) fest, dann ist gleichzeitig der Weg vorgegeben, wie bei konzernverbundenen Unternehmen für jedes Konzernglied der Mittelpunkt zu bestimmen ist. Mangels eines einheitlichen Konzerngerichtsstandes ist man von einer „individuellen Ortssuche“ nach den allgemeinen Kriterien nicht entbunden. Inwieweit konzernspezifische Besonderheiten dabei mit einfließen können, wird in einem nächsten Schritt zu prüfen sein.
I. Die europäische Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO Nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO sind für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Gerichte des Mitgliedstaates international zuständig, „in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“ hat. Es handelt sich dabei um den zentralen Begriff der EuInsVO schlechthin. Er ist konstitutiv für die Anwendbarkeit der EuInsVO überhaupt, weil die Belegenheit des hauptsächlichen Interessenmittelpunktes des Schuldners in der Europäischen Union den räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt erst eröffnet.17 Ferner bestimmt er, welcher Mitgliedstaat für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens mit grundsätzlich universalem Vermögensbeschlag zuständig ist und über Art. 4 EuInsVO zusätzlich das anzuwendende Recht. Trotz der zentralen Bedeutung dieses Begriffes ist er weder in Art. 2 EuInsVO („Definitionen“) noch an anderer Stelle im Verordnungstext näher definiert. Lediglich Nr. 13 der vorangestellten Erwägungsgründe beschreibt den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen als den Ort, „an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist“. Da auch diese Ausführung keinen hinreichenden Aufschluss gibt, ist der Begriff auszulegen. Die Ähnlichkeit der Formulierung zur deutschen nationalen Zuständigkeitsvorschrift (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO) darf nicht darüber 16 Ähnlich Mankowski, BB 2006, 1753, 1755, der die Kritik an dem Fehlen eines allgemeinen Konzerngerichtsstandes für unangebracht hält und stattdessen die „geschmeidigeren Argumentationen der Praxis“ begrüßt; vgl. auch Deyda, S. 68; Freitag/Leible, RIW 2006, 644. 17 Vgl. Erwägungsgrund 14; vgl. auch Carstens, S. 43.
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
hinwegtäuschen, dass der Begriff europarechtlich autonom, d.h. einheitlich und unabhängig von nationalen Rechtsvorschriften auszulegen ist.18 1. Meinungsstand: „Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen“ bei juristischen Personen Fünf Jahre nach Inkrafttreten der EuInsVO haben sich allenfalls Tendenzen über die maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen herausgebildet. Den kaum mehr zu überblickenden Gerichtsentscheidungen und literarischen Stellungnahmen lagen dabei ganz überwiegend Konzernsachverhalte zugrunde. Die Diskussion konzentriert sich in den meisten Stellungnahmen auf die Frage, ob eine in einem Mitgliedstaat inkorporierte, dort wirtschaftlich aktive Tochtergesellschaft den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen im Inkorporationsstaat oder am tatsächlichen Sitz der Muttergesellschaft hat. Einigkeit besteht nur insoweit, als dem Satzungssitz einer juristischen Person gemäß Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO nur Vermutungswirkung zukommt, welcher im Einzelfall widerlegt werden kann.19 Weil bisher nur eine, allerdings wenig aufschlussreiche Entscheidung des EuGH im Zusammenhang mit der Ausfüllung des Begriffs „Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen“ existiert, können hier nur Konturen der verschiedenen Strömungen in der untergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur aufgezeigt werden. Da sich die Diskussion noch im Anfangsstadium befindet, ist die Kategorisierung, insbesondere die Zuordnung der einzelnen Entscheidungen, individuell durch den Verfasser geprägt. a) Hauptort der werbenden Geschäftstätigkeit („business activity“) Rechtsprechung20 und Literatur21 orientieren sich zum Teil an dem Hauptort der werbenden Geschäftstätigkeit der juristischen Person. Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners und damit die gerichtliche Zuständigkeit für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens soll sich an dem Ort befinden, an dem der Schuldner den tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeitsschwerpunkt22 bildet bzw. wo sich seine wer18 Vgl. EuGH, Urt. V. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 361. Nr. 31 „Eurofood“. 19 Deyda, S. 48 ff.; Herchen, NZI 2004, 826. 20 AG Mönchengladbach ZIP 2004, 412, 415 f. 21 Becker, ZEuP 2002, 287, 300; Bähr/Riedemann, ZIP 2004, 1066, 1067; Hess/ Laukemann/Seagon, IPRax 2007, 89, 91; Huber, FS Heldrich, S. 679, 690; Kübler, FS Gerhardt, S. 527, 550; Wimmer, ZInsO 2005, 119, 121 ff.; zumindest für Konzerninsolvenzen Weller, ZHR 169 (2005), 570, 579.
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bende Tätigkeit entfaltet.23 Für die Ermittlung des wirtschaftlichen Tätigkeitsschwerpunktes soll wiederum der Ort maßgeblich sein, an dem die Handlungen der schuldnerischen Gesellschaft nach außen in Erscheinung treten und sich ihre Vermögenswerte befinden. Dabei ist in Betracht zu ziehen, wo sich die Geschäftsräume der schuldnerischen Gesellschaft befinden, an welchem Ort die meisten Angestellten tätig sind24, der Schwerpunkt der bestehenden Kundenbeziehungen25, wo werden überwiegend die Geschäftskonten26 und die Personalbuchhaltung geführt27, aber auch welches Arbeitsvertragsstatut vereinbart wurde, soll zur Ermittlung des wirtschaftlichen Tätigkeitsschwerpunktes dienlich sein.28 Als zusätzliche Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichen Schwerpunktes werden genannt: Allgemein der Ort, an dem sich die Mehrzahl der Sicherungsgeber befinden, wo (dingliche) Kreditsicherheiten zur Verfügung gestellt werden29 oder schlicht wo sich die meisten Gläubiger aufhalten.30 Branchenspezifisch soll dabei für das produzierende Gewerbe tendenziell der Ort der Produktionsanlagen den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit bilden, weil hier sich die Produktionsmaschinen befinden und die Rohstoffe der Lieferanten angeliefert werden.31 Bei Handelsunternehmen vermutet man den Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit dagegen am Ort der werbenden Tätigkeit durch Geschäftslokale, weil die Schuldnerin hier vor Ort mit Kunden kontrahiert.32 Dieser Ansatz entspricht in etwa dem aus dem internationalen Gesellschaftsrecht bekannten Begriff des Betriebsmittelpunktes (centre d’exploitation).33 22
Hess/Laukemann/Seagon, IPRax 2007, 89, 91. Bähr/Riedemann, ZIP 2004, 1066, 1067; Huber, FS Heldrich, S. 679, 690. 24 AG Mönchengladbach, NZI 2004, 383, 383 „EMBIC I“; Bähr/Riedemann, ZIP 2004, 1066, 1067; MünchKomm IntWirtR/Kindler, Rn. 141; Pannen/Riedemann, NZI 2004, 646, 648; Wimmer, ZInsO 2005, 119, 123. 25 AG Mönchengladbach, NZI 2004, 383, 383 „EMBIC I“; Kammel, NZI 2006, 334, 336; Pannen/Riedemann, NZI 2004, 646, 648. 26 AG Mönchengladbach, NZI 2004, 383, 383 „EMBIC I“; Bähr/Riedemann, ZIP 2004, 1064, 1067; Kammel, NZI 2006, 334, 336; Pannen/Riedemann, NZI 2004, 646, 648; MünchKomm IntWirtR/Kindler, Rn. 141. 27 AG Mönchengladbach, NZI 2004, 383, 383, „EMBIC I“; Pannen/Riedemann, NZI 2004, 646, 648. 28 Wimmer, ZInsO 2005, 119, 123. 29 Wimmer, ZInsO 2005, 119, 123. 30 Becker, ZEuP 2002, 287, 300. 31 Hess/Laukemann/Seagon, IPRax 2007, 89, 91; Kammel, NZI 2006, 334, 336; Kübler, FS Gerhardt, S. 527, 550; Wimmer, ZInsO 2005, 119, 123. 32 Kübler, FS Gerhardt, S. 527, 550. 33 Vgl. dazu Sandrock, FS Beitzke, S. 671 ff.; Grasmann, S. 116; Kiese, S. 23. Zur Bestimmung des Betriebsmittelpunktes wird dabei ebenfalls auf den Ort abgestellt, an dem sich die überwiegenden Fabrikationsstätten befinden, die Mehrheit 23
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
b) Effektiver Verwaltungssitz In Anknüpfung an die Sitztheorie im internationalen Gesellschaftsrecht stellt ein Großteil der Literatur34 bei der Bestimmung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen juristischer Personen auf den effektiven Verwaltungssitz ab. Letzterer ist nicht der Ort, an dem die unternehmerische Aktivität der Gesellschaft ihre Wirkung entfaltet, sondern der Tätigkeitsort der Geschäftsführung, d.h. der Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden.35 Dieser Ort entspricht der Hauptzentrale (Head office), in der sich gleichzeitig der für die Unternehmensführung erforderliche Verwaltungsapparat (Verwaltungsfunktionen, Head office functions) befindet. Bildlich ausgedrückt orientiert sich der effektive Verwaltungssitz an der Lage des Kopfes der juristischen Person, während der business activity-Ansatz den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen einer juristischen Person dort verortet, wo sich der Rumpf der juristischen Person befindet.36 Auch einige deutsche Gerichte haben bei der Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen von Konzerntöchtern in der Sache auf den effektiven Verwaltungssitz abgestellt, ohne diesen als solchen zu bezeichnen.37 So hat das AG Offenburg38 das Insolvenzverfahren über eine im Wiener Firmenbuch eingetragene österreichische Tochtergesellschaft (Vertriebs-GmbH) in Deutschland am Sitz der gleichnamigen Muttergesellschaft eröffnet. Das Gericht stellte bei der Verortung des Mittelpunktes des Gesellschaftsvermögen belegen ist, die Mehrheit der Löhne und Gehälter gezahlt werden und wo die höchsten Umsatzanteile erzielt werden; vgl. Kiese, S. 23. 34 Carstens, S. 60 ff.; Ehricke, DZWiR 1999, 353, 360; Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3457; MünchKomm IntWirR/Kindler, IntGEsR Rn. 402 f. und IntInsR Rn. 142 ff.; Lauterfeld, E.B.L.R. 2001, 79, 82 ff.; Laukemann, RIV 2005, 104, 107; Mankowski, NZI 2004, 450, 451; Paulus, Kommentar Art. 3 Rn. 27; Prütting, in: Breitenbücher/Ehricke, Insolvenzrecht, S. 59, 70 f.; Schulte, S. 106; Vallender, KTS 2005, 283, 286; Virgos, in: Forum Internationale Nr. 25, S. 1, 13; tendenziell, aber im Ergebnis offengelassen auch Thole, ZEuP 2007, 1141, 1149; im Ergebnis wohl auch Deyda, S. 90. 35 BGHZ 97, 269, 271; BayObLG DB 1992, 1400; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1995, 1124; OLG München, NJW-RR 1995, 703, 705; Sandrock, FS Beitzke, S. 671, 683, Ort, an dem die „großen Richtlinien“ der Produktions-, Absatz-, Personal- usw. . . . Politik in die kleine Münze der täglichen Verwaltungsentscheidung umgesetzt werden. 36 Vgl. Weller, ZHR 169 (2005), 570, 580. 37 AG Offenburg NZI 2004, 673, 673; AG Siegen, NZI 2004, 673, 674 „Zenith“; AG München, ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“. Zweifelhaft ist dagegen die Zuteilung von Weller, ZHR 169 (2005), 570, 579, der diese Beschlüsse dem Mind of Management-Ansatz zuordnet. 38 AG Offenburg NZI 2004, 673, 673.
B. Konzentration der Insolvenzverfahren de lege lata
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hauptsächlicher Interessen der österreichischen Tochter am tatsächlichen Sitz der Mutter maßgeblich auf den Umstand ab, dass die Geschäftsführung der österreichischen Tochter ihren Sitz in der Konzernzentrale in Deutschland hatte und von dort aus für die österreichische Gesellschaft agierte und sich alle wesentlichen Geschäftsbücher und Unterlagen der Tochtergesellschaft in der Konzernzentrale befanden.39 Auch die Entscheidung des AG Siegen40 zur Insolvenz des Zenith-Konzerns stellt in seiner Entscheidung auf den effektiven Verwaltungssitz beschreibende Kriterien ab. Das AG Siegen hat über das Vermögen der Zenith-Maschinenfabrik Austria GmbH, eine österreichische Tochtergesellschaft der deutschen Zenith-Maschinenfabrik GmbH, das Insolvenzverfahren eröffnet. In Österreich wurden nahezu ausschließlich Zulieferteile für die von der Mutter produzierten Betonsteinmaschinen produziert (sog. „verlängerte Werkbank).41 Der Geschäftsführer der österreichischen Tochter, der gleichzeitig auch Geschäftsführer der deutschen Mutter war, agierte ausschließlich von der deutschen Konzernzentrale aus. Den Vertragspartnern der österreichischen Tochtergesellschaft offenbarte sich immer ein deutsches Management aus der Konzernzentrale, weil in Österreich kein eigenes Management vorhanden war.42 Schließlich hat das AG München in der Hettlage-Entscheidung43 den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen anhand von Kriterien ermittelt, die im Ergebnis den effektiven Verwaltungssitz beschreiben.44 Über das Vermögen der deutschen Mutter und der 100%igen österreichischen Tochter des Hettlage-Konzerns wurde das Insolvenzverfahren am Sitz der deutschen Mutter eröffnet. In der österreichischen Tochter (Hettlage AG & Co KG Insbruck) waren 13 österreichische Verkaufsniederlassungen (Textilkaufhäuser) zusammengefasst.45 Die Geschäftsführer der österreichischen Tochter waren gleichzeitig Angestellte der Mutter, welche von der deutschen Konzernzentrale aus das operative Geschäft verantworteten und koordinierten, insbesondere auch die gesamte Einkaufsleistung für die österreichischen Verkaufsniederlassungen organisierten.46 Wesentliche Dienstleitungen (Verwaltungsfunktionen), wie Personalabrechnung, Rechnungswesen, Controlling, Organisation, EDV, Planung, Vertragswesen, Versicherungen, Wer39
AG Offenburg NZI 2004, 673, 673. AG Siegen, NZI 2004, 673, 674; m.Anm Strasser, KTS 2005, 219. 41 AG Siegen, NZI 2004, 673, 674; m. Anm. Strasser, KTS 2005, 219, Fn. 2 mit Verweis auf Presseerklärung der Insolvenzkanzlei Kübler vom 5.7.2004. 42 AG Siegen, NZI 2004, 673, 674; m. Anm. Strasser, KTS 2005, 219. 43 AG München, ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“, m. Anm. Schopper, KTS 2005, 223; Paulus, EWiR 2004, 493; Mankowski, NZI 2004, 450, 452. 44 AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“. 45 AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“. 46 AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“. 40
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
bung, Ladenbau sowie Bauten und Technik wurden von den Mitarbeitern der Muttergesellschaft erbracht.47 Um das obige Bild aufzugreifen, erwies sich die österreichische Gesellschaft als „kopflos“. Es waren zwar 13 Textilkaufhäuser in die österreichische Tochtergesellschaft eingebracht worden, dementsprechend viele Filialleiter vorstanden (Rumpf). Die Geschäftsführung agierte jedoch von München aus und griff organisatorisch auf den Verwaltungsapparat der Mutter zurück (Kopf). Die „Head Office Funktionen“ von Mutter und Tochter waren demnach miteinander verschmolzen. c) Ort der strategischen Entscheidung („mind of management“) Die englische Rechtsprechung48 und Literatur49 bedienen sich überwiegend bei der Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen des sog. „mind of managment“-Kriteriums. Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen einer juristischen Person soll danach an dem Ort, an dem die strategischen Entscheidungen der Gesellschaft getroffen werden, bzw. die Kontrolle über die Gesellschaft ausgeübt wird, verortet werden. Dabei ist allerdings zu beachten, dass in den bisher ergangenen Entscheidungen die englischen Gerichte nicht ausschließlich auf die Kontrolle und strategische Leitung abgestellt haben. Die englischen Gerichte begründeten in der Vergangenheit ihre Zuständigkeit meistens aus einer Kombination des Mind of Mangement-Ansatzes und der auch für die Bestimmung des effektiven Verwaltungssitzes relevanten „head office functions“. Die Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen ausländischer Tochtergesellschaften am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter wurde zunächst damit begründet, dass die wesentlichen Entscheidungen von der Mutter aus getroffen wurden. Gleichzeitig wurden aber auch Indizien vorgetragen, die den effektiven Verwaltungssitz der Tochtergesellschaft in der Konzernzentrale der Mutter verorten, indem die Gerichte etwa maßgeblich darauf abstellten, dass die Hälfte der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft von der Konzernzentrale aus agierten und auch von dort aus wesentliche Verträge abgeschlossen wurden. Auch spielte die Ansiedlung organisatorischer Einrichtungen der Geschäftsführung der Tochter am Sitz der Konzernzentrale eine Rolle. So stellte der englische Richter in der Entscheidung MG-Rover einerseits darauf ab, dass die strategischen Entscheidungen der Tochter 47
AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“. High Court of Justice Leeds, ZIP 2003, 1362 „ISA-Daisytek II“; ZIP 2004, 963 „ISA-Daisytek II“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 468 „MG Rover“; High Court of London, ZIP 2006, 2193, „Collins & Aikmann“. 49 Flechter, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.70, 7.77 „command and control test“; vgl. auch Moss, Insolv.Int. 2006, 97, 99. 48
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(etwa die Einteilung der Vertragshändlerbezirke oder Budgetzuteilung50) von der Konzernmutter getroffen wurden, andererseits aber auch, dass die Geschäftsführer der Tochtergesellschaft zum Teil von der Konzernzentrale aus agierten.51 2. Klärung durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in Sachen „Eurofood“? Der europäische Gerichtshof hat in der Entscheidung in Sachen „Eurofood“ – nach einem Vorlagebeschluss des Supreme Court of Ireland52 – zum ersten Mal Stellung zur Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen“ bei juristischen Personen bezogen. Auch dieser Entscheidung lag eine Konzernkonstellation zugrunde. a) Sachverhalt Die Eurofood Ltd. wurde 1997 in Irland als „company limited by shares“ mit satzungsmäßigem Sitz im International Financial Service Center in Dublin eingetragen. Sie war eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Parmalat SpA, einer Gesellschaft italienischen Rechts. Der Hauptgeschäftszweck von Eurofood war die Beschaffung von Finanzmitteln für Gesellschaften des Parmalat-Konzerns.53 Sie wurde überwiegend aus steuerlichen Gründen von der Parmalat-Mutter in Dublin platziert.54 Nachdem der High Court of Dublin nach einem Antrag eines Gläubigers auf Eröffnung eines Zwangsliquidationsverfahrens (compulsary winding up by the court) einen vorläufigen Insolvenzverwalter (provisional liquidator) eingesetzt hatte, stellte das italienische Gericht am Ort der Konzernmutter (Parma) die Insolvenz von Eurofood fest. Beide Gerichte nahmen für sich die internationale Zuständigkeit in Anspruch, indem sie den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen von Eurofood jeweils in Irland oder Italien lokalisierten. Eurofood hatte weder eigene Angestellte noch unterhielt sie eigene Geschäftsräume in Irland.55 Es wurde lediglich ein pro Forma Sitz in einer irischen 50
High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 468 „MG Rover“. High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 468 „MG Rover“, monatlich wechselnde Geschäftsführerversammlungen am Ort der Konzernmutter und am Ort der Tochter; vgl. auch Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“. 52 Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969 ff. „Eurofood“. 53 EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 360 „Eurofood“. 54 Supreme Court of Ireland ZIP 2004, 1969, 1970 „Eurofood“. 55 Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“; The Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1971 „Eurofood“. 51
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
Anwaltskanzlei unterhalten.56 Die Gesellschaft wurde von vier Geschäftsführern geleitet, die in einem „board of directors“ zusammengefasst waren. Zwei der Geschäftsführer – ein Sozius der irischen Anwaltskanzlei, deren Kanzleiräume den satzungsmäßigen Sitz bildeten, und die Angestellte eines Hauptgläubigers der „Bank of America“ – operierten von Irland aus. Die anderen zwei Geschäftsführer, jeweils Angestellte der Parmalat Gruppe, agierten dagegen vom Sitz der Konzernmutter in Italien aus. Verwaltungsaufgaben wurden von der – gleichzeitig als Geschäftsführer eingesetzten – Angestellten der „Bank of America“ auf Grundlage eines Verwaltungsvertrages übernommen. Der Umfang dieser Aufgaben war zwischen dem italienischen und dem irischen Gericht streitig. Während der Irische Supreme Court diese Verwaltungsvereinbarung so verstand, dass die Angestellte der „Bank of America“ für das Tagesgeschäft verantwortlich war, war nach Auffassung des Tribunale di Parma diese Vereinbarung lediglich durch logistische und beratende Art gekennzeichnet und beinhaltete keine echte, eigenständige Verwaltung. Es sollten lediglich Arbeitsräume zur Verfügung gestellt und Unterstützung in Fragen der Buchführung und des Rechts geleistet werden.57 Zwischen den Gerichten war im Übrigen streitig, wo die Geschäftsführer zu „board meetings“ zusammentrafen und von wo aus die wesentlichen Verwaltungsfunktionen wahrgenommen wurden. Das italienische Gericht ging in seiner Entscheidung davon aus, dass die vier Geschäftsführer von Eurofood unterschiedliches Gewicht hatten. Lediglich den italienischen Geschäftsführern sprachen sie die Rolle von „exekutive directors“, die für das alltägliche Geschäft zuständige waren, zu.58 Das italienische Gericht und der italienische Insolvenzverwalter begründeten den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen neben der beschränkten Aufgabe der Eurofood Ltd. als Finanzierungsvehikel des Parmalat-Konzerns zunächst damit, dass die wesentlichen Verwaltungsfunktionen durch die in Italien ansässigen Geschäftsführer wahrgenommen wurden. Lediglich als zusätzliches Argument stellten sie auf die Möglichkeit der Konzernmutter ab, die Entscheidungen von Eurofood über die Konzernleitungsmacht intern zu kontrollieren.59 Die vom italienischen Insolvenzverwalter vorgetragenen Tatsachen, welche die Verortung wesentlicher Verwaltungsfunktionen in die italienische Verwaltungszentrale begründen sollten, insbesondere die Differenzierung zwischen executive und nonexecutive directors, hielt der irische Supreme Court jedoch 56 Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“; The Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1971 „Eurofood“. 57 Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1222 „Eurofood“. 58 Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1222 „Eurofood“. 59 Vgl. Tribunale di Parma, ZIP 2004, 1220, 1222 „Eurofood“.
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für nicht erwiesen.60 Entsprechend formulierte er die Vorlagefrage nur im Hinblick auf die Möglichkeit interner Einflussnahme und Kontrolle der Konzernmutter (vgl. Nr. 4 der Vorlagefrage61): „Sind für die Bestimmung des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen, wenn a) der Firmensitz einer Tochter und der Mutter in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten liegt, b) die Tochtergesellschaft die Verwaltung der ihren körperschaftlichen Geschäftskreis betreffenden Angelegenheiten vollumfänglich, regelmäßig für Dritte erkennbar von dem Mitgliedstaat ihres eingetragenen Firmensitzes aus wahrnimmt, c) die Mutter aufgrund ihrer Beteiligung und durch die Bestellung von Geschäftsleitern in der Lage ist, die Geschäftspolitik der Tochtergesellschaft zu kontrollieren, und diese Kontrolle auch tatsächlich ausübt, die unter b) oder c) genannten Faktoren entscheidend.“
b) Entscheidung des EuGH Aufgrund der eingeschränkten Vorlagefrage des irischen Supreme Courts gab die Entscheidung des EuGH wenig Aufschluss für die Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen. Der EuGH beantwortete die Vorlagefrage wie folgt: „Wenn der Schuldner eine Tochtergesellschaft ist, deren satzungsmäßiger Sitz in einem anderen Mitgliedstaat liegt als der der Muttergesellschaft, kann die in Art. 3 Abs. 1 S. 3 EuInsVO aufgestellte Vermutung, wonach diese Tochtergesellschaft den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, nur widerlegt werden, sofern objektive, für Dritte erkennbare Elemente belegen, dass in Wirklichkeit die Lage nicht derjenigen entspricht, die die Verortung am genannten satzungsmäßigen Sitz widerspiegeln soll. Dies könnte insbesondere bei einer Gesellschaft der Fall sein, die im Gebiet des Mitgliedstaates, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, keiner Tätigkeit nachgeht. Wenn jedoch eine Gesellschaft ihrer Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats, in dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz befindet, nachgeht, so reicht die Tatsache allein62, dass ihre wirtschaftlichen Entscheidungen von einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem andere Mitgliedstaat kontrolliert werden oder kontrolliert werden können, nicht aus, um die mit der Verordnung aufgestellten Vermutung zu entkräften.“63
Der EuGH hat damit klargestellt, dass die Möglichkeit und Ausübung der Kontrolle – aufgrund ihrer Beteiligung und ihrer Befugnis zur Bestellung 60
Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1971 „Eurofood“. Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1970 „Eurofood“. 62 Das Wort „allein“ befindet sich nur in den Entscheidungsgründen, Nr. 36, nicht im Leitsatz. 63 EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 1. Leitsatz; auch Entscheidungsgründe Nr. 36 „Eurofood“. 61
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
der Verwaltungsratsmitglieder – allein nicht ausreicht, den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen am Ort der Konzernmutter zu verorten. Bei seiner Entscheidungsfindung stellt der EuGH dabei maßgeblich auf Erwägungsgrund 13 der Verordnung ab, wo es heißt: „Als Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist.“64
Aus dieser Definition gehe hervor, dass der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen nach objektiven und zugleich für Dritte feststellbaren Kriterien zu bestimmen ist, um Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens zuständigen Gerichts zu garantieren, insbesondere weil mit der Bestimmung der Zuständigkeit die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO verbunden ist.65 Objektive und für Dritte feststellbare Elemente müssen belegen, dass in Wirklichkeit die Lage nicht derjenigen entspricht, die die Verortung am genannten satzungsmäßigen Sitz widerspiegeln soll.66 Welche Lage die Verortung am satzungsmäßigen Sitz widerspiegeln soll, führt der EuGH nicht weiter aus und ist auch aus der Verordnung bzw. ihren Erwägungsgründen nicht zu entnehmen. Lediglich der erläuternde Bericht von Virgos/Schmit gibt einen möglichen Hinweis, was den Verordnungsgeber hat veranlassen können, eine Vermutung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen am satzungsmäßigen Sitz von Gesellschaften und juristischen Personen zu formulieren. Danach wird vermutet, dass der satzungsmäßige Sitz in der Regel mit dem schuldnerischen Hauptsitz übereinstimmt.67 Darauf wird zurück zu kommen sein. Im Ergebnis lässt sich das EuGH-Urteil so verstehen, dass rein interne Vorgänge, wie die Ausübung von Konzernleitungsmacht über die Gesellschafterversammlung, alleine nicht ausreichen, den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen am Ort der Konzernmutter zu verlagern, weil sie als solche für Dritte nicht erkennbar sind.68 Der EuGH hat damit der „mind of management“-Theorie in Reinform, welche ausschließlich auf den Ort der strategischen Entscheidung abstellt, eine Absage erteilt. 64
EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 361, Nr. 32 „Eurofood“. EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 361, Nr. 33 „Eurofood“. 66 EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 361, Nr. 34 „Eurofood“. 67 Virgos/Schmit, Nr. 75 Abs. 5 „Bei Gesellschaften und juristischen Personen setzt das Übereinkommen bis zum Nachweis des Gegenteils voraus, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen am Ort des satzungsmäßigen Sitzes befindet. Dieser Ort entspricht gewöhnlich dem Hauptsitz des Schuldners.“ Englische Version, abgedruckt bei Moss/Fletcher/Isaacs, p. 263: „Where companies and legal persons are concerned, the Convention presumes, unless proved to the contrary, that the debtor’s centre of main interests is the place of his registered office. This place normally corresponds to the debor’s head office.“ 65
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3. Bewertung Die Erkenntnisse zur zukünftigen Auslegung des Begriffs „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ aus dem EuGH-Urteil sind gering. Insbesondere für die Entwicklung von Fallgruppen oder Anknüpfungstatsachen zur Konkretisierung dieses Begriffs kann lediglich festgestellt werden, dass der EuGH offensichtlich großen Wert darauf legt, dass die zukünftig zu entwickelnden Anknüpfungspunkte objektive für Dritte feststellbare Kriterien zu sein haben. Auch wenn damit der „mind of management“-Theorie in ihrer Reinform eine Absage erteilt wurde, bleibt offen, ob der EuGH sich eher in Richtung des „business activity“-Ansatzes bewegt oder sich eher am effektiven Verwaltungssitz orientiert oder gänzlich losgelöst von diesen gesellschaftsrechtlich vorbelasteten Kategorien, Kriterien für die Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen zu entwickeln sind. Zu dieser Frage soll nachfolgend Stellung bezogen werden. a) Wortlaut Der Wortlaut der die Zuständigkeit begründenden Formulierung „Mitgliedstaat, in dessen Gebiet der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlicher Interessen hat“ ermöglicht bei der juristischen Person mehrere Sichtweisen. Dies könnte als der Ort verstanden werden, an dem die Gesellschafterversammlung die Interessen der schuldnerischen Gesellschaft formuliert. Der Wortlaut ließe aber auch eine Platzierung an dem Ort zu, an dem die vertretungsberechtigten Geschäftsführungsorgane die Interessen der Gesellschaft formulieren bzw. die Interessen der Gesellschaft im täglichen Geschäft verfolgen. Der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen ließe sich jedoch auch am Betriebsmittelpunkt und Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit verorten. b) Historische Auslegung Die Anknüpfung der Zuständigkeit an den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen ist eigenwillig und im gesamten internationalen Verfahrensrecht ohne Vorbild.69 Der erste Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens sah in Art. 3 Abs. 1 als Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit die Lage des Ge68 So auch Deyda, S. 96; Duursma-Kepplinger, ZIP 2007, 898 f.; Freitag/Leible, RIW 2006, 646 f.; Knof/Mock, ZIP 2006, 914 f.; Mankowski, BB 2006, 1754; Schmidt, ZIP 2007, 409 f. 69 Mankowski, NZI 2004, 450, 451.
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
schäftszentrums des Schuldners vor.70 Der Begriff Geschäftszentrums wurde dabei in Art. 3 Abs. 2 des Entwurfes als der Ort definiert, an dem üblicherweise die Hauptinteressen des Schuldners verwaltet werden. Der erläuternde Bericht von Lemontey71 verstand diesen Ort als den Ort, an dem die Entscheidungen des Schuldners getroffen werden. Das Zentrum der Betriebsstätten wurde dabei ausdrücklich nicht als Geschäftszentrum verstanden (Nr. 28, 1. Absatz b.). Weiter heißt es, dass für juristische Personen das Geschäftszentrum dem tatsächlichen Sitz entspreche72, d.h. der Ort, an dem die Zentralverwaltung geführt werde.73 Anders als der erläuternde Bericht von Virgos und Schmit zum zweiten Entwurf enthielt der Bericht von Lemontey ausdrücklich Ausführungen zum Geschäftszentrum von Tochtergesellschaften (vgl. Nr. 28, 2. Absatz). Danach sei bei Tochtergesellschaften der Ort auszuschließen, von wo die Anweisung für die Durchführung und Leitung der Geschäfte ausgeht. Das Geschäftszentrum einer Gesellschaft sei vielmehr der Ort, wo diese das Zentrum der Leitung und Verwaltung ihrer Geschäfte hat, selbst wenn die dort getroffenen Entscheidungen auf die Anweisungen von Aktionären zurückgehen, die andernorts wohnen.74 Die Anknüpfung an das Geschäftszentrum verstand sich als bewusste Anlehnung an die in den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten entwickelten Zuständigkeitskriterien.75 Der Bericht verweist dabei ausdrücklich auf das in Frankreich von der Rechtsprechung für natürliche Personen als Kaufleute entwickelte Verständnis des „principal etablissement“ als Ort, an dem der Kaufmann seine leitende Tätigkeit ausübt, wo er die Verträge mit seinen Lieferanten, seinen Banken und seinen Kunden abschließt und auf den in der italienischen Rechtsordnung verwendeten Begriff des „Hauptsitzes des Unternehmens“.76 Das Europäische Konkursübereinkommen ist schließlich gescheitert, weil es sich an einem universellen Einheitsmodell orientierte, was letztendlich 70
Vgl. Vorentwurf von 1970, Entwurf von 1980 und den revidierten Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens von 1984, abgedruckt, in: Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens, 1988. 71 Abgedruckt, in: Kegel/Thieme, Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens, 1988. 72 Vgl. Lemontey, Bericht über das Übereinkommen über den Konkurs. Vergleiche ähnliche Verfahren, abgedruckt bei Kegel/Thieme, S. 94, 114, Nr. 29. 73 Vgl. Lemontey, S. 94, 115, Fn. 25. 74 Vgl. Lemontey, S. 94, 115, Fn. 25. 75 Vgl. die Aufzählungen der Rechtsvorschriften der damaligen Mitgliedstaaten Lemontey, S. 113 Fn. 23. 76 Letzteres wird als Zentrum des Gesellschaftslebens verstanden, d.h. der Ort, wo die Leitungsorgane sitzen und ihre gesamte Verwaltungstätigkeit oder zumindest die Haupttätigkeit ausüben, vgl. Lemontey, S. 94, 115, Fn. 25.
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– angesichts der erheblichen Unterschiede im materiellen Insolvenzrecht der Mitgliedstaaten – auf breiten Widerstand der Mitgliedstaaten stieß.77 Die im Jahre 1989 wieder aufgenommenen Verhandlungen und Bildung einer Arbeitsgruppe unter der Leitung von Manfred Balz mündeten in einen zweiten Entwurf, welcher im Jahre 1995 paraphiert und gezeichnet wurde, Großbritannien jedoch die Zeichnungsfrist verstreichen ließ. Unter deutscher Ratspräsidentschaft wurde der Inhalt des Übereinkommens im Jahre 1999 nunmehr in Form einer Verordnung in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht und vom Rat der Europäischen Union nach Stellungnahmen des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses als „Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren“ (EuInsVO) verabschiedet.78 Der mit dieser Verordnung inhaltsgleiche zweite Entwurf ersetzte die im ersten Entwurf verwendete Formulierung Geschäftszentrum des Schuldners durch den Topos „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“. Der Begriff wurde dem gescheiterten „Istanbul-Übereinkommen“ des Europarates entnommen, um damit zur Förderung einer autonomen Auslegung ein weniger von den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten geprägtes Zuständigkeitskriterium einzuführen.79 Des Weiteren sollte damit eine Formulierung gefunden werden, deren Wortlaut ohne weiteres Insolvenzen von Nichtkaufleuten erfasst.80 Der erläuternde Bericht von Virgos und Schmit zum zweiten Entwurf fällt bezüglich seiner Erklärung zu Art. 3 EuInsVO deutlich knapper aus als der Bericht von Lemontey zum ersten Entwurf. Lediglich Erläuterungspunkt 75 erklärt: Abs. 1: „Der Begriff Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen ist als der Ort aufzufassen, an dem der Schuldner üblicherweise – und damit für Dritte erkennbar – der Verwaltung seiner Interessen nachgeht.“ Abs. 5: „Bei Gesellschaften und juristischen Personen setzt das Übereinkommen bis zum Nachweis des Gegenteils voraus, dass sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners am Ort des satzungsmäßigen Sitzes befindet. Dieser Ort entspricht gewöhnlich dem Hauptsitz des Schuldners.“
Trotz der nun offenen Formulierung gingen die Entwurfsverfasser wohl nach wie vor davon aus, dass der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen bei juristischen Personen seinem Hauptsitz entspricht. Jedoch wurde lediglich der erste Absatz von Nr. 75 des erläuternden Virgos/Schmit-Berichts 77 78 79 80
Gottwald, in: ders., Insolvenzrechts-Handbuch, § 131 Rn. 1. Carstens, S. 26. Vgl. Balz, ZIP 1996, 948, 949. Carstens, S. 46.
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zum Europäischen Internationalen Übereinkommen in Erwägungsgrund 13 der Verordnung übernommen. Die Gesetzgebungsgeschichte ist demnach wenig aufschlussreich. Es kann lediglich festgestellt werden, dass die Entwurfsverfasser bei der Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen juristischer Personen offensichtlich den Hauptsitz der Gesellschaft im Blick hatten, im Übrigen aber den Weg frei machen wollten für eine europarechtlich autonome Auslegung und somit nicht auf von den Mitgliedstaaten geprägte und damit vorbelastete Begriffe zurückgreifen wollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass historisch-genetische Argumente bei der Auslegung europäischer Verordnungen wenig Überzeugungskraft haben. In der Rechtsprechung des EuGH dienen historische Argumente häufig nur als Hilfsbegründungen.81 Das sekundäre Gemeinschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft ist oftmals das Ergebnis eines politischen Aushandelns zwischen den Mitgliedstaaten, was oftmals zu inhaltlichen Sprüngen zwischen den einzelnen Stadien der Gesetzesvorbereitung führt.82 Im Gesetzgebungsprozess werden Kompromisse gefunden und Pakete geschnürt, welche den subjektiven Willen des Gesetzgebers (Verordnungsgebers) kaum ermitteln lassen.83 Maßgeblich ist daher eine Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen anhand des Verordnungszwecks (objektiv teleologische Auslegung). c) Teleologische Auslegung Die teleologische Argumentation, die sich am Sinn und Zweck einer Norm orientiert, hat bei der Auslegung sekundären Gemeinschaftsrechts eine überragende Bedeutung.84 Entscheidend sind dabei nicht die historischen Intentionen der Gesetzesverfasser, sondern die heutige objektive Zweckrichtung des Gemeinschaftsrechts. Dieser Zweck ist nicht statisch, sondern folgt dynamisch im Lichte des gesamten Gemeinschaftsrechts, seiner Ziele und seines Entwicklungsstandes zur Zeit der Anwendung der betreffenden Vorschrift.85 Eine besondere Bedeutung bei der teleologischen 81
Schulte-Nölke, in: Schulze, Auslegung, S. 158; Lutter, JZ 1992, 593, 599. Schulte-Nölke, in: Schulze, Auslegung, S. 158. 83 Vgl. Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530. 84 Schulte-Nölke, in: Schulze, Auslegung, S. 158, der vom „Primat der Zweckauslegung“ im europäischen Recht spricht; vgl. auch Gebauer, Kap. 3 Rn. 7. Für eine zweckentsprechende Bestimmung des COMI, vgl. Generalanwalt Jacobs, EuGH C-341/04 Schlussantrag Jacobs v. 27.9.2005, ZIP 2005 NR. 122 „Eurofood“. 85 Schulte-Nölke, in: Schulze, Auslegung, S. 158; Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 529. 82
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Auslegung kommt dabei den vorangestellten Erwägungsgründen zu. Das Telos der Verordnung wird dadurch gewisser Maßen objektiv autoritativ festgelegt.86 Von welchem Zweck man sich bei der Auslegung der die internationale Zuständigkeit begründenden Formulierung „Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen“ leiten lassen soll, gibt lediglich Erwägungsgrund 13 Auskunft. Als Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen sollte der Ort gelten, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. Die Erwägungsgründe (2) und (8) formulieren als weiteres Ziel ausdrücklich die Verbesserung der Effizienz der Insolvenzverfahren. Bei der Auslegung ist demnach dem Effizienzkriterium besondere Bedeutung zuzumessen.87 Nachfolgend soll anhand der genannten und noch auszuführenden Zwecke konkrete Zuständigkeitsinteressen herausgearbeitet werden. In einem zweiten Schritt soll der Frage nachgegangen werden, ob diese Wertungskriterien jeweils im Sinne eines beweglichen Systems im konkreten Einzelfall heranzuziehen sind oder vielmehr die Grundlage für eine Typisierung – möglicherweise im Sinne einer zurzeit die Diskussion beherrschenden Grundströmungen, „mind of management“, „business activity“ oder effektiver Verwaltungssitz – bilden. aa) Wertungskriterien (1) Effiziente Verfahrensbewältigung Mit der Anknüpfung an den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen soll das Gericht mit der größten Sachnähe berufen sein.88 Fraglich ist jedoch, welche Kriterien eine Sachnähe ausmachen. Letztlich geht es darum, den Ort zu finden, an dem ein Insolvenzverfahren am praktischsten, d.h. am effizientesten abgewickelt werden kann. Die Erwägungsgründe (2) und (8) formulieren als wesentliches Ziel der EuInsVO ausdrücklich die Verbesserung der Effizienz der Insolvenzverfahren. Idealerweise ist das Insolvenzverfahren dort zu verorten, wo es die geringsten Kosten verursacht.
86
Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 530. Die Berücksichtigung ökonomischer Effizienz bei entsprechender Formulierung in den Erwägungsgründen ist insoweit unstreitig vgl. Grundmann/Riesenhuber, JuS 2001, 529, 532 f. 88 Wimmer, ZInsO 2005, 119, 121. 87
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(a) Unmittelbare Kosten des Verfahrens (aa) Unmittelbare Verfahrenskosten der Gläubiger Um die unmittelbaren Verfahrenskosten der Gläubiger möglichst gering zu halten, würde es sich anbieten, die internationale Zuständigkeit in dem Land zu platzieren, in dem sich zahlenmäßig die meisten Gläubiger des Schuldners befinden. Als auf die Gläubiger zukommende Kosten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten sind dabei zunächst die Kosten zu nennen, die dadurch entstehen, dass die Gläubiger einer fremden Gerichtssprache ausgesetzt sind und sich Informationen über ihnen unbekanntes Recht einholen müssen.89 Neben diesen, im Zusammenhang mit der Forderungsanmeldung stehenden Kosten, fällt aber insbesondere auch die Geltendmachung der Gläubigerrechte ins Gewicht. Je mehr Gläubiger sich im Eröffnungsstaat befinden, desto weniger steigen die Kosten für die Ausübung ihrer Verfahrensrechte im jeweiligen die Gläubigerinteressen vertretenen Gremium, wie etwa der Gläubigerversammlung.90 Die Dämpfung dieser Kosten hängt jedoch nicht unmittelbar von der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit ab. In der Vergangenheit haben insbesondere englische Gerichte trotz ihrer angenommenen internationalen Zuständigkeit den Umstand, dass sich die Mehrzahl der Gläubiger (insbesondere Arbeitnehmer) außerhalb des Eröffnungsstaates befindet, durch entsprechende Berücksichtigung bei der Festlegung des Ortes der Gläubigerversammlung Rechnung getragen.91 Eine Verlegung der Gläubigerversammlung an einen anderen Ort als den Gerichtsbezirk wäre auch nach deutschem Recht nicht undenkbar, wenn sich in einem anderen Staat offensichtlich eine überwiegende Mehrzahl von Gläubigern befände, denn auch nach deutschem Recht hat das Insolvenzgericht den Ort der Versammlung angemessen auszuwählen, um die Teilnahme aller Gläubiger zu ermöglichen.92 89 So auch Deyda, S. 70; Wimmer, ZInsO 2005, 121. Sprachliche Barrieren bei der Forderungsanmeldung dürften jedoch kaum bestehen: Alle bekannten ausländischen Gläubiger müssen persönlich mit der Aufforderung zur Anmeldung der Forderung in allen europäischen Amtssprachen benachrichtigt werden, vgl. Art. 42 EuInsVO. Die Anmeldung kann in der eigenen Amtssprache erfolgen, Art. 42 Abs. 2 EuInsVO. 90 Dabei ist zu beachten, dass die Konstitution der Gläubigerschaft und ihre Einflussmöglichkeiten in den unterschiedlichen nationalen Verfahren erheblich divergieren, vgl. etwa die im Vergleich zur deutschen Rechtsordnung geringe Einflussmöglichkeit der Gläubiger in Frankreich, Dammann, ZIP 1996, 300 ff. 91 Vgl. Penzlin, NZI 2005, 469 470, Anm. zu „MG Rover“: Die Gläubigerversammlung des in England eröffneten Hauptverfahrens über die MG Rover-Deutschland GmbH fand mit den Hauptinsolvenzverwaltern in Düsseldorf statt. So auch im Fall „Automole“ des AG Köln (NZI 2004, 151) geplant, vgl. Sabel NZI 2004, 126, 127.
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Dennoch entspricht es dem in den Erwägungsgründen formulierten Zweck der EuInsVO „Verbesserung der Effizienz und Wirksamkeit der Insolvenzverfahren mit grenzüberschreitender Wirkung“ (Erwägungsgründe (8), (2)), die internationale Zuständigkeit am Ort, an dem sich die meisten Gläubiger befinden, zu verorten. (bb) Kosten der Insolvenzverwaltung Einen Beitrag zu einer effizienten Verfahrensbewältigung könnte auch die örtliche Nähe zum Schuldnervermögen leisten. Die Verwertung des Vermögens vor Ort durch einen mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauten Insolvenzverwalter könnte sich kostenreduzierend auswirken, wenn das Unternehmen im Wege der Liquidation zerschlagen wird. Während sich bei einer übertragenden Sanierung ein Investor auch aus der Ferne suchen lässt, bestehen bei der Liquidation gewisse Vermutungen, dass ein mit den örtlichen Gegebenheiten vertrauter Insolvenzverwalter das Unternehmen schneller und besser liquidieren kann. Aber auch bei der Liquidation ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter in den wenigsten Fällen die Veräußerungen der Massegegenstände selbst durchführt. In der Praxis bedient sich der Insolvenzverwalter überwiegend professioneller Versteigerer, welche in der Regel weit höhere Erlöse erzielen können als die Veräußerungsbemühungen des Insolvenzverwalters.93 Dennoch wird der Insolvenzverwalter durch die Abgabe an einen professionellen Versteigerer nicht von seiner Aufsichtspflicht entbunden. Dieser Aufsichtspflicht wird er allerdings tendenziell besser von dem Staat aus nachkommen können, in dem sich der überwiegende Teil der zu verwertenden Masse befindet. Für die Kosten der Insolvenzverwaltung spielen auch die Rechtsanwendungskosten eine wesentliche Rolle. Ein Insolvenzverwalter hat zur Bewältigung von Unternehmensinsolvenzen in der Regel eine Vielzahl von Rechtsfragen zu klären, etwa sich Informationen über Kündigungsmöglichkeiten von Arbeitsverträgen zu verschaffen, rechtliche Fragestellungen bei der Veräußerung von Grundstücken zu klären etc. Wird das Insolvenzverfahren an dem Ort eröffnet, wo sich der überwiegende Teil der Masse befindet und auch der wirtschaftliche Tätigkeitsschwerpunkt liegt, dann führt dies zunächst zu einer Kohärenz zwischen dem nach der lex fori concursus (Art. 4 EuInsVO) zu bestimmenden Insolvenzrecht und dem übrigen Sachrecht. Auf Sonderanknüpfungen, etwa Art. 5 (dingliche Rechte) oder 10 92
Graf-Schlicker/Mäusezahl, InsO, § 74 Rn. 5. Vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1988, 855; LAG Schleswig ZIP 1988, 250; Nerlich/ Römermann/Balthasar, InsO, § 159 Rn. 8; Eickmann, KTS 1986, 197, 202; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 159 Rn. 10. 93
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(Arbeitsverträge) EuInsVO, bräuchte nicht zurückgegriffen werden. Dies führt dazu, dass der Insolvenzverwalter bei der Verfahrensbewältigung und das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsicht neben dem eigenen Insolvenzrecht auch sonst überwiegend mit der heimischen Rechtsordnung konfrontiert würden. Besondere Rechtsauskünfte wären nicht erforderlich und würden somit die Kosten der Rechtsanwendung minimal halten. Auch die Kohärenz von Insolvenz- und Gesellschaftsrechtsordnung wirkt sich kostenreduzierend aus. Insolvenzverwalter und Insolvenzgerichte hätten im Einzelfall auf der Basis des heimischen Insolvenzrechts Gesellschaften abzuwickeln, die einem fremden Gesellschaftsstatut unterstehen. Daraus können Anpassungsprobleme (Normmangel, Normenhäufung) entstehen, welche das Verfahren in der Regel mit höheren Kosten als bei einer Identität von Insolvenz- und Gesellschaftsrechtsordnung belastet.94 Durch die in Europa nach den Urteilen Centros, Überseering und Inspire Art95 faktisch bestehende Rechtswahlfreiheit können jedoch Gesellschaften dem Gesellschaftsstatut eines Staates unterstehen, mit dem sie über den Satzungssitz und Registrierungsort hinaus keinen Bezug haben. Für das Gesellschaftsstatut ist weder der tatsächliche Sitz noch irgendwelche wirtschaftliche Tätigkeit im jeweiligen Staat entscheidend. Entsprechend lassen sich die Vorteile einer Kohärenz von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht bei der Suche nach dem idealen Insolvenzgerichtsstand nicht berücksichtigen.96 (cc) Zwischenergebnis Die örtliche Nähe zu der Mehrzahl der Gläubiger, die örtliche Nähe zur Masse und allgemein der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivität sind für die effiziente Verortung der internationalen Zuständigkeit mitbestimmend. (b) Effektives Einrücken in die schuldnerische Leitungsstelle In nahezu jeder Rechtsordnung hat ein Insolvenzverwalter und ein Insolvenzgericht mehr oder weniger die gleichen Aufgaben zu bewerkstelligen, jedoch oftmals mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Das Insolvenzgericht hat zunächst einen Insolvenzgrund nach der Gesamtheit aller vermögensrechtlichen Beziehungen des Schuldners festzustellen. In Deutschland greift 94
Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 478. EuGH Slg. 1999, I-1459 (Centros); Slg.2002, I-9919 (Überseering); Slg. 2003, I-10155 (Inspire Art). 96 Vgl. zur Zuständigkeit bei Scheinauslandsgesellschaften auch EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 361, Nr. 31 „Eurofood“; High Court of Justice London, NZI 2007, 187 „Hans Brochier Ltd“; AG Nürnberg NZI 2007, 185, 186 „Hans Brochier Ltd“. 95
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das Insolvenzgericht dabei auf einen vorläufigen Insolvenzverwalter/Gutachter zurück.97 Die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit wird sich allerdings nur von dem Ort feststellen lassen, von dem aus auch schon die wesentliche unternehmensleitende Willensbildung des Schuldners erfolgt ist, da sich dort erfahrungsgemäß die wesentlichen Informationen und Unterlagen befinden. Auch die Organe und der kaufmännische Mitarbeiterstab, auf dessen Informationen der Insolvenzverwalter und das Insolvenzgericht angewiesen sind, befinden sich in der Regel an diesem Ort.98 Nur von diesem Ort aus lässt sich die Gesamtheit der vermögensrechtlichen Beziehungen des Schuldners überblicken und abwickeln, auch wenn sich die Betriebseinrichtung, mag sie auch noch so groß sein, an einem anderen Orte befindet.99 Neben der Begutachtung des Insolvenzgrundes hat der Insolvenzverwalter in allen europäischen Rechtsordnungen zunächst einmal das Unternehmen weiterzuführen. Dies gilt nicht nur für die Sanierung, sondern für die übertragende Sanierung und Liquidation. In den wenigsten Fällen werden bei Unternehmensinsolvenzen mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (bzw. Einsetzung eines vorläufigen Insolvenzverwalters) „die Werkstore geschlossen“. Die Verfahrenseröffnung führt europaweit nicht zur sofortigen Einstellung der Geschäftstätigkeit einer Gesellschaft.100 Der Insolvenzverwalter hat vielmehr unter Aufsicht des Insolvenzgerichts die Unternehmensleitung zu übernehmen und nach der deutschen Insolvenzordnung das Unternehmen mindestens bis zum Berichtstermin weiterzuführen. Oftmals wird das Unternehmen über diesen Zeitpunkt hinaus weitergeführt, etwa um eine langfristige Sanierung oder eine übertragende Sanierung nach Restrukturierungsmaßnahmen zu besseren Verwertungskonditionen zu ermöglichen.101 Zur Bewältigung dieser Aufgabe ist nicht die räumliche Nähe des schuldnerischen Vermögens und der Gläubiger der entscheidende Gesichtspunkt, sondern es kommt vielmehr auf den Ort an, an dem der Insolvenzverwalter technisch am leichtesten die ursprünglichen willensbildenden Organe aus ihrer Rolle verdrängt und selbst die Rolle des Vermögensverwalters übernehmen kann.102 Zweckmäßigerweise soll das Insolvenzverfahren an dem Ort eröffnet werden, an dem sich die räumliche Einrichtung befindet, von der aus auch schon die wesentliche unternehmerische Willensbildung des 97
Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 16 Rn. 7. Vgl. zur nationalen Vorschrift die Ausführungen von Jaeger/Gerhardt, InsO § 3 Rn. 17. 99 Jaeger/Gerhardt, InsO, § 3 Rn. 17; Prütting, in: Breitenbücher/Ehricke, Insolvenzrecht, S. 59, 70 f. 100 Trunk, SZIER 4/2004, 531, 532. 101 Siehe oben, 1. Teil, C.I. 102 Vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 3 Rn. 16 ff. 98
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Schuldners erfolgt ist. Dort befinden sich erfahrungsgemäß sämtliche Informationen und Unterlagen über die Leitung des schuldnerischen Unternehmens. Von dort aus werden die wirtschaftlichen Aktivitäten koordiniert. Auf der Suche nach einer effizienten internationalen Zuständigkeit sind demnach neben der Nähe des schuldnerischen Vermögens und der Gläubiger auch organisatorische Leitungsmomente zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Feststellung der Insolvenzgründe und der Fortführung und Abwicklung des Vermögens ist die Verwaltungszentrale der zweckmäßigste Ort. Die Verwaltungszentrale wird man an dem Ort verorten müssen, an dem sich die Geschäftsführer dauerhaft aufhalten und wo die Stabsstellen und Zentralbereiche angesiedelt sind.103 Hier kann der Insolvenzverwalter am besten „die Kommandobrücke besteigen“ und sich der Koordinationseinrichtungen des Schuldners bedienen. An diesem Ort sind die meisten organschaftlichen Vertreter ansässig, die dem Insolvenzgericht nach (vgl. §§ 101, 98, 97 InsO) Auskunft erteilen müssen. Zwangsmaßnahmen können entsprechend vor Ort durchgeführt werden. Eine effektive Unternehmensfortführung und Begutachtung des Insolvenzgrundes hat somit idealerweise von dem Ort zu erfolgen, wo der Schuldner die unternehmerische Leitungsentscheidung trifft und die dafür notwendigen organisatorischen Einrichtungen unterhält. (2) Erkennbarkeit für Dritte (a) Risikoeinschätzung für eine effiziente Kreditvergabe Als eigener Erwägungsgrund, aber unmittelbar mit dem Ziel effizienter Ausgestaltung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren zusammenhängend, ist die notwendige Erkennbarkeit des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen für Dritte. Der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen ist nach objektiven und zugleich für Dritte feststellbaren Kriterien zu bestimmen, um Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit bei der Bestimmung des für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens zuständigen Gerichts zu garantieren, insbesondere weil mit der Bestimmung der Zuständigkeit die Bestimmung des anwendbaren Rechts nach Art. 4 Abs. 1 EuInsVO verbunden ist.104 Maßgeblich ist dabei die Erkennbarkeit der potentiellen Gläubiger.105 103
Vgl. für die Bestimmung des steuerrechtlichen Sitzbegriffs, Rundshagen/ Strunk, RIW 1995, 664, 666. 104 EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 361, Nr. 33 „Eurofood“; Virgos/Schmit, Nr. 75. 105 Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3456 f.; Kübler, FS Gerhardt, S. 527, 557; Thole, ZEuP 2007, 1141, 1148; vgl. auch Virgos/Schmit, Nr. 75. Der erläuternde
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Die internationale Zuständigkeit soll an einem Ort geknüpft werden, den die potentiellen Gläubiger des betreffenden Schuldners kennen, damit sie die rechtlichen Risiken im Insolvenzfall kalkulieren können.106 Es ist demnach der Ort ausfindig zu machen, bei dem sich potentielle Gläubiger üblicherweise Kreditinformationen über den Schuldner einholen.107 Ist die örtliche Zuständigkeit und das damit verbundene Insolvenzstatut unsicher, verursacht dies insofern Kosten, als Gläubiger in Zukunft höhere Risikoprämien bei der Vergabe von Krediten verlangen. Dadurch kommt es zu einer suboptimalen Allokation von Krediten.108 Je deutlicher das Kriterium zur Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen für die Gläubiger erkennbar ist, desto geringer sind die bei Vertragsschluss aufzuwendenden Informationskosten.109 Berechenbarkeit und Stabilität der internationalen Eröffnungszuständigkeit verringern die Kreditkosten und liegen damit im Interesse aller Beteiligten.110 (b) Kontinuität des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen Kommt es darauf an, dass die Gläubiger das rechtliche Risiko im Insolvenzfall kalkulieren können, dann muss die EuInsVO auch das Dritt- und Gläubigervertrauen dahingehend schützen, dass sich der Mittelpunkt der Bericht von Virgos/Schmit gibt in Nr. 75 gleichzeitig Hinweis darauf, auf welche Gläubigergruppe abzustellen ist. Es sind die typischerweise kreditierenden Gläubiger, weil nur sie in der Praxis eine solche Risikokalkulation durchführen, d.h. insbesondere die Waren- und Geldkreditgeber. Kleingläubiger, Arbeitnehmer und erst Recht deliktische Gläubiger führen in der Regel keine Risikoanalyse durch. Während Kreditinstitute und (große) Warenkreditgeber in der Regel zum effektiven Verwaltungssitz, d.h. zur Hauptzentrale der Gesellschaft schauen und auch rechtsgeschäftlich in Kontakt treten, werden Kleingläubiger und Arbeitnehmer sich eher am Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit orientieren. Der erläuternde Bericht (Virgos/ Schmit, Nr. 32) geht selbst davon aus, dass Kleingläubiger, die mit einer Niederlassung nur Inlandsgeschäfte tätigen, in der Regel kein Vertrauen über den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen bilden, sondern unabhängig vom Umfang/Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivität ihr Vertrauen auf ihre örtliche Niederlassung ausrichten. Es soll gerade mit einer der Funktionen des Sekundärverfahrens sein, dieses von Kleingläubigern am konkreten Ort der wirtschaftlichen Aktivität gelassene Vertrauen zu berücksichtigen. 106 Virgos/Schmit, Nr. 75. 107 Virgos, Forum Internationale No 25, S. 1, 13; vgl. auch Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3456; Saenger/Klockenbrink, EuZW 2006, 363, 364. 108 Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3456; Klöhn, KTS 2006, 259, 285 f.; Rasmussen/Thomas, 94 Nw. U.L.Rev. 1357, 1399 (2000). 109 Vgl. High Court Leeds, „Ci4net“, ZIP 2004, 1769, 1772; Klöhn, KTS 2006, 259, 286; Duursma Kepplinger, ZIP 2007, 899; vgl. auch Deyda, S. 56. 110 Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3456.
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schuldnerischen Interessen in der näheren Zukunft nicht verändert.111 Die Kreditgeber haben bei der Kalkulation ihres Kreditrisikos nicht nur ein Interesse an der Bestimmbarkeit der internationalen Zuständigkeit und des damit verbundenen dominierenden Abwicklungsregimes im Zeitpunkt des Abschlusses ihres Kreditvertrages, sondern auch auf die zukünftige Beibehaltung der internationalen Zuständigkeit des damit verbundenen Insolvenzrechts. Gleichzeitig darf die europarechtlich verbürgte Freizügigkeit des Schuldners nicht über Gebühr strapaziert werden. Der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen einer juristischen Person muss einerseits Gewähr für eine gewisse Beständigkeit bieten, andererseits dem Schuldner eine Schwerpunktverlagerung seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten in einen anderen Staat möglichst offen lassen, um ihn in seiner wirtschaftlichen Aktivität nicht einzuschränken. (c) Ergebnis Die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit im Wege teleologischer Auslegung des Topos „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners“ hat für juristische Personen anhand folgender Kriterien zu erfolgen: Wo befindet sich die Mehrzahl der Gläubiger und der überwiegende Teil der schuldnerischen Masse. An welchem Ort kann der Insolvenzverwalter am effektivsten die schuldnerischen Organe aus ihrer Führungsrolle verdrängen und die Leitung des Unternehmens übernehmen. Ferner muss der Ort für Dritte, insbesondere Gläubiger, hinreichend erkennbar sein. bb) Bewegliches Zuständigkeitssystem versus Typisierung Die oben herausgearbeiteten Wertungen sind im Rahmen der teleologischen Auslegung der die Zuständigkeit begründenden Norm (Art. 3 Abs. 1 S. 1 EuInsVO) zu berücksichtigen. Dies bereitet insoweit Schwierigkeiten, weil u. U. nicht alle Wertungskriterien jeweils voll zur Geltung kommen können, ja oftmals im konkreten Fall auf verschiedene Orte zeigen. So können das Kriterium „Nähe zum schuldnerischen Vermögen“ und das Kriterium „zweckmäßigen Übernahme der Verwaltung durch den Insolvenzverwalter“ auf jeweils andere Orte (Staaten) zeigen.112 Befindet sich die Verwaltungszentrale des Schuldners etwa in Berlin, die Fabrikationsanlagen allesamt in Polen, dann wird der überwiegende Teil des schuldnerischen Vermögens in einem anderen Staat liegen, als sich die Verwaltungszentrale 111
Klöhn, KTS 2006, 259, 277. Vgl. Jaeger/Gerhardt, § 3 Rn. 16; Prütting, in: Breitenbücher/Ehricke, Insolvenzrecht, S. 59, 71. 112
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befindet. Hier könnte jeweils nur einer der Wertungsgesichtspunkte Geltung erhalten, indem man auf die möglichst reibungslose Übernahme durch den Insolvenzverwalter oder den Vermögensschwerpunkt abstellen müsste. In diesem Fall könnte man für den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen danach entscheiden, ob sich am Ort der Betriebsstätte (Polen) oder dem Ort der Verwaltung (Deutschland) die meisten Gläubiger befinden. Eine solche Einzelfallbetrachtung, an welchem Ort konkret die oben herausgearbeiteten Kriterien der Sachnähe am besten verwirklicht sind, kann jedoch nicht erfolgen. Das Gericht müsste zunächst in eine umfassende Prüfung und Gewichtung einsteigen, um den Ort zu ermitteln, an dem die Verfahrensbewältigung idealerweise stattfinden kann. Im Übrigen ließe sich eine im Einzelfall vorzunehmende Bestimmung, mit dem Gebot der Rechtssicherheit und Erkennbarkeit für Dritte (Erwägungsgrund 13) nicht vereinbaren. Im Spannungsfeld zwischen Pauschalierung und Einzelfallgerechtigkeit sowie zwischen Flexibilität und Rechtssicherheit ist demnach bei der Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen auf eine typisierende Betrachtungsweise113 zurückzugreifen. So ist für Privatpersonen, Einzelkaufleute, juristische Personen, konzernverbundene Unternehmen etc. der Ort ausfindig zu machen, an dem typischerweise die oben aufgezeigten Interessen bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit am idealsten verwirklicht sind. cc) Typisiert teleologische Zuständigkeit bei juristischen Personen Die aus dem Gebot der Effizienz des Verfahrens hergeleitete Zweckmäßigkeit, das Verfahren an dem Ort zu eröffnen, an dem der Insolvenzverwalter die Verwaltung der Geschäfte übernehmen und die Geschäftsführungsorgane aus ihrem Amt verdrängen kann, zeigt bei einer juristischen Person unmittelbar auf den effektiven Verwaltungssitz (Verwaltungszentrale) der schuldnerischen Gesellschaft. Am effektiven Verwaltungssitz (Verwaltungszentrale) halten sich die Geschäftsführer dauerhaft auf und dort sind auch die Stabsstellen und Zentralbereiche angesiedelt.114 Die zügige (effiziente!) Feststellung des Insolvenzgrundes und die reibungslose Fortführung des schuldnerischen Unternehmens wird man am Besten von diesem Ort aus bewerkstelligen können. 113 Die Typisierung dient der Sicherheit und Leichtigkeit der Rechtsanwendung, Bydlinski, AcP 204 (2004), 309, 380; Leenen, S. 101 ff. 114 Vgl. Rundshagen/Strunk, RIW 1995, 664, 666; Sandrock, FS Beitzke, S. 669, 674; vgl. auch Kieser, S. 23 ff.
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Bei der Frage, an welchem Ort sich die überwiegende Masse des Schuldners und die meisten Gläubiger befinden, ist auf den wirtschaftlichen Schwerpunkt im Sinne des Betriebsmittelpunktes (centre d’exploitation) des Schuldners zu verweisen. An dem Ort, an dem der Schuldner überwiegend wirtschaftliche Tätigkeiten nach außen entfaltet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit die Mehrzahl der Masse vorhanden und zumindest zahlenmäßig werden sich dort die meisten Gläubiger befinden. Dieser Ort ist jedoch im Einzelfall mit erheblichen Schwierigkeiten zu ermitteln115 und lässt sich damit nicht mit dem Gebot der Erkennbarkeit (Erwägungsgrund 13) vereinbaren. Letzteres hat im internationalen Gesellschaftsrecht zu einer Abkehr vom Betriebsmittelpunkt (centre d’exploitation) hin zum effektiven Verwaltungssitz geführt.116 Insbesondere dann, wenn das Unternehmen grenzüberschreitend mehrere Betriebe führt, wird der Betriebsmittelpunkt u. U. äußerst schwer zu bestimmen sein, denn es ist zunächst einmal fraglich, wie der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Tätigkeit ermittelt werden soll. So sind Konstellationen denkbar, in der die schuldnerische Gesellschaft in einem Staat A einen kapitalintensiven Betrieb (etwa Verwaltung, Forschung und Entwicklung) unterhält, in einem Staat B dagegen einen lohnintensiver Betrieb (Produktion). Der lohnintensive Betrieb wird durch eine Vielzahl kleiner Gläubiger geprägt sein. Der kapitalintensivere Betrieb zeichnet sich dagegen durch wenige Großgläubiger aus. Soll die Anzahl der Gläubiger entscheidend sein, müsste man auf den lohnintensiveren Betrieb abstellen, obwohl der Wert der Masse und Forderungsvolumen am kapitalintensiveren Betrieb unter Umständen wesentlich höher ist. Gibt es prima facie keinen eindeutigen Schwerpunkt und greift auch die Vermutungsregel des satzungsmäßigen Sitzes nicht ein117, dann müsste das Insolvenzgericht mit hohem Aufwand den Schwerpunkt ermitteln, was dem Gebot einer effizienten Bewerkstelligung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren (Erwägungsgrund (2)) nicht entspräche. Noch schwieriger wird es in solchen Fällen für die potentiellen Gläubiger sein, einen Betriebsmittelpunkt auszumachen. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der schuldnerischen Tätigkeit kann demnach als Kriterium für die Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen nur dadurch berücksichtigt werden, dass dieser sich typi115
Sandrock, FS Beitzke, S. 669, 674; vgl. auch Kieser, S. 23 ff. Sandrock, FS Beitzke, S. 669, 674; vgl. auch Kieser, S. 23 ff. 117 Nach den in Europa für das Gesellschaftsrecht sich durchsetzenden Grundsätzen der Gründungstheorie ist durchaus denkbar, dass eine Gesellschaft am satzungsmäßigen Sitz überhaupt keine wirtschaftliche Aktivität entfaltet, vgl. High Court of Justice London, NZI 2007, 187 „Hans Brochier Ltd,“; AG Nürnberg NZI 2007, 185, 186. „Hans Brochier Ltd“. 116
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scherweise (nicht zwingend)118 im Staat des effektiven Verwaltungssitzes befindet. Diese Sichtweise hat sich der europäische Verordnungsgeber auf anderem Gebiet, beispielsweise dem europäischen Bank-, Investment- und Versicherungsaufsichtsrecht, zueigen gemacht. So schreibt etwa die europäische Lebensversicherungsrichtlinie den Mitgliedstaaten vor, Maßnahmen zu ergreifen, die bei Versicherungsunternehmen gewährleisten, dass sich die Hauptverwaltung im gleichen Mitgliedstaat befindet wie ihr satzungsmäßiger Sitz. Gleiches gilt für Wertpapierfirmen nach der Finanzmärkterichtlinie.119 Die Übereinstimmung von Hauptverwaltung und satzungsmäßigen Sitz soll dabei verhindern, dass Kreditinstitute offensichtlich die Rechtsordnung eines bestimmten Mitgliedstaates nur zum Zwecke der Zulassung und der laufenden Beaufsichtigung wählen, seine überwiegende Geschäftstätigkeit jedoch in einem anderen Mitgliedstaat ausübt. Der europäische Gesetzgeber neigt demnach zu der Einschätzung, dass sich im Staat des effektiven Verwaltungssitzes gleichzeitig der Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit befindet.120 Neben der Erkennbarkeit (Berechenbarkeit) des Ortes, an dem sich der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners befindet, schützt die EuInsVO auch das Dritt- und Gläubigervertrauen auf diesen Ort und damit dass sich dieser in naher Zukunft nicht verändert (Stabilität).121 Die Praxis internationaler Kreditgeschäfte hat für letzteres bereits Vorkehrungen getroffen, indem mittlerweile Kreditverträge als Marktstandard gelten, die Verpflichtungen des Schuldners vorsehen, seinen Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen nicht zu verändern.122 Definiert man diesen Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen über den Schwerpunkt der gewerblichen Tätigkeit des Schuldners, wäre der Schuldner de facto in seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit eingeschränkt. Ist er etwa im Zeitpunkt des Abschluss des Kreditvertrages zu 55% in Deutschland und zu 45% in Frankreich tätig, dann ist nicht auszuschließen, dass sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten nach Frankreich verlagern könnte. Der Schuldner wäre u. U. daran gehindert, in bestimmten Märkten zu expandieren. Dies würde dem Anliegen der EuInsVO, einen Beitrag für das reibungs118
Vgl. MünchKomm IntWirR/Kindler, IntGesR Rn. 402; Laukemann, RIW 2005, 104, Fn. 6; Weller, S. 254 f.; ders., ZHR 169 (2005), 570, 582. Den Umstand, dass nicht zwingend eine Übereinstimmung zwischen effektivem Verwaltungssitz und wirtschaftlichem Schwerpunkt besteht, greifen insbesondere die Vertreter der Gründungstheorie auf, vgl. Behrens, RabelsZ 52 (1988), 498, 513 ff.; Haas, DB 1997, 1501, 1502 ff. 119 Vgl. MünchKomm IntWirR/Kindler, IntGesR Rn. 402. 120 Vgl. MünchKomm IntWirR/Kindler, IntGesR Rn. 402. 121 Klöhn, KTS 2006, 259, 277. 122 Vgl. dazu Beale, J.I.B.L.R. (2006), 487, 491; zu sog. „COMI-covenants“ vgl. auch Eidenmüller, ZGR 2006, 467, 479.
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lose Funktionieren des Binnenmarktes zu leisten (Erwägungsgrund (2)), nicht gerecht, würde vielmehr die Schaffung eines Binnenmarktes konterkarieren. Orientiert man sich dagegen am effektiven Verwaltungssitz, dann findet ein schonender Ausgleich zwischen der europarechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit und dem Interesse der Gläubiger und Kreditgeber an der Beibehaltung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen statt. In den Fällen, in denen der Schuldner auf verschiedenen Märkten tätig ist, kann sich der Schwerpunkt wirtschaftlicher Aktivitäten durchaus verschieben. Niemand kann mit genügender Sicherheit voraussehen, wie sich die Vermögens- und Gläubigerstruktur verändert.123 Allenfalls nach Aufstellen des Jahresabschlusses wird man mit hinreichender Gewissheit sagen können, ob sich der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten in ein anderes Land verlagert hat. Die Anknüpfung an den effektiven Verwaltungssitz bietet den Vorteil, dass der Schuldner seinen wirtschaftlichen Schwerpunkt verlagern kann, anderseits das Vertrauen der Gläubiger in einen bestimmten Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen nicht enttäuscht wird, solange der effektive Verwaltungssitz im Ursprungsstaat verbleibt. Im Übrigen ist eine Verlagerung des effektiven Verwaltungssitzes (Umzug der Hauptzentrale) nach außen hin einfacher zu erkennen als die Verlagerung des Schwerpunktes wirtschaftlicher Tätigkeit. Sollte sich einer Verlagerung des wirtschaftlichen Schwerpunktes die Verlagerung des effektiven Verwaltungssitzes anschließen, kann eine solche Verlagerung geplant und mit Einweihung der Gläubiger vollzogen werden. Hat sich die Gesellschaft im Kreditvertrag verpflichtet, den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen nicht zu verlegen, dann können die Gläubiger ihre Zustimmung in diesem Fall von etwaigen Sicherheitsleistungen oder Veränderungen der Kreditkonditionen abhängig machen. Insgesamt verwirklicht der effektive Verwaltungssitz bei einer typisierenden Betrachtung die meisten zuständigkeitsbegründenden Wertungen. dd) Anforderung an den effektiven Verwaltungssitz Der effektive Verwaltungssitz eines Unternehmens dürfte außerhalb von Konzernsachverhalten in den meisten Fällen einfach zu bestimmen sein. Als effektiver Verwaltungssitz im vorliegenden Sinne gilt der Ort, an dem sich die überwiegende Zahl der Geschäftsführer dauerhaft aufhalten und wo die organisatorischen Einrichtungen zur Führung des Unternehmens 123 Vgl. die negativen Erfahrungen in den USA, bei Sandrock, FS Beitzke, S. 669 ff.
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zu finden sind. Bei größeren Unternehmen müssen an diesem Ort etwa die Stabsstellen, Zentralbereiche etc. angesiedelt sein.124 An diesem Ort werden die laufenden Vorgaben zur Erstellung des Jahresabschlusses gesteuert125 und dort befinden sich die wesentlichen Geschäftsbücher und Unterlagen.126 Inwieweit an diesem Ort die Rechtsgeschäfte mit Außenwirkung ausgehandelt und abgeschlossen werden, hängt mit der Größe des Unternehmens zusammen. Auch Großunternehmen werden von diesem Ort aus die wesentlichen Verträge (Haupttransaktionen der Gesellschaft, wie Wareneinkauf und Unternehmensfinanzierung) abschließen und ausführen und die Beziehung zu Geldkreditgebern und Lieferanten (Warenkreditgeber) verwalten. ee) Forum shopping? Ein bisher außer Acht gelassenes, aber nicht zu unterschätzendes Anliegen des europäischen Verordnungsgebers, ist die Eindämmung sog. „forum shoppings“. Unter „forum shopping“ ist die gezielte Verlagerung von Vermögen in einen anderen Mitgliedstaat zu verstehen, um dadurch eine verbesserte Rechtsstellung nach der in diesem Staat einschlägigen Rechtordnung zu erwerben (vgl. Erwägungsgrund 4 der EuInsVO). Die Anknüpfung an den effektiven Verwaltungssitz könnte diesem Anliegen insoweit hinderlich sein, als dieser möglicherweise gezielt in einen anderen Staat verlegt werden könnte, um dadurch in die Gunst eines schuldnerfreundlicheren Insolvenzregimes zu geraten. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass nach vorliegendem Verständnis der effektive Verwaltungssitz eine organisatorisch-sachliche Ausstattung erfordert, die je nach Größe des Unternehmens nicht mit geringem Aufwand verlegt werden kann. Die Anmietung von Geschäftsräumen, um dort in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen Vorstandssitzungen abzuhalten, reicht für eine wirksame Verlegung nicht aus.127 Einem solchen Bestreben kann man im Übrigen durch den Rechtsmissbrauchseinwand und der Umgehungsdogmatik begegnen.128 Eine rechtsmissbräuchliche Verlegung des Verwaltungssitzes in einen anderen Mitgliedstaat wird man dann annehmen können, wenn diese einige Wo124
Rundshagen/Strunk, RIW 1995, 664, 666. Kieser, S. 102. 126 Oftmals dient dieser Umstand in der gerichtlichen Praxis zur Verortung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen am Sitz der Mutter, vgl. AG Siegen, NZI 2004, 673, 673 „Zenith“. 127 Vgl. High Court of Justice London, NZI 2007, 187 „Brochier“; AG Nürnberg, NZI 2007, 185 „Brochier“. 128 Vgl. dazu Mankowski, NZI 2006, 154, 155; ders., RIW 2004, 587, 600; Kindler, IPrax 2006, 114, 115; Koch, FS Jayme Bd. I, S. 437, 440. 125
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chen oder Monate vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch erfolgte und von keinen vernünftigen Geschäftserwägungen getragen wurde.129
II. Die internationale Zuständigkeit im Konzern nach der EuInsVO Die oben ausgeführten Interessenserwägungen bei der Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit juristischer Personen haben dazu geführt, dass dieser am effektiven Verwaltungssitz zu verorten ist. Es stellt sich die Frage, ob auch bei der Insolvenz einzelner Konzernglieder entsprechend vorzugehen ist. Dann wäre für jedes einzelne Konzernglied der effektive Verwaltungssitz der Gesellschaft zu bestimmen. Der effektive Verwaltungssitz wurde als maßgeblicher Ort im Rahmen einer typisiert teleologischen Auslegung gefunden. Typischerweise lässt sich bei juristischen Personen von diesem Ort aus das Insolvenzverfahren am besten bewerkstelligen und ist gleichzeitig für Dritte relativ leicht zu erkennen. Fraglich ist, ob dies auch für konzernverbundene Unternehmen gilt. Oder zeigen die oben herausgearbeiteten Wertungsgesichtspunkte für die Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen auf einen anderen Ort als dem Ort der effektiven Verwaltung der einzelnen Tochtergesellschaften? 1. Horizontal-dezentrale Konzerne Der effektive Verwaltungssitz, als typisiert-teleologisch ermittelter Ort optimaler Verfahrensbewältigung, ist im Grundsatz auch für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit einzelner Gesellschaften in einem horizontal-dezentral aufgebauten Konzern heranzuziehen. Ein nach diesem Konzept der Konzernorganisationslehre aufgebauter Konzern130 zeichnet sich gerade durch eine gewisse Unabhängigkeit der einzelnen Konzernglieder aus. Die einzelnen Gesellschaften werden als eigene „Profit Center“ verstanden. Entsprechend selbständig ist auch die Verwaltungsstruktur organisiert. Jede einzelne Gesellschaft nimmt dabei strategische Unternehmensfunktionen wie Unternehmensplanung und -kontrolle, Personal-, und Rechnungswesen sowie Vertriebs- und Produktionssteuerung selbständig wahr. Allenfalls besondere Overhead-Funktionen, wie etwa Recht und Steuern, werden dabei von der Konzernzentrale aus bedient. Personale Verflechtungen sind weniger häufig anzutreffen als im funktional-vertikal integrierten Konzern, d.h. die Geschäftsführer/Vorstände treten 129 130
Vgl. High Court of Justice Leeds, ZIP 2004, 1769, 1769 „Ci4net“. Vgl. dazu ausführlich oben, 1. Teil, B.III.2., S. 29 ff., 31.
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nach außen hin nicht für Mutter und Tochter in Personalunion auf, residieren und agieren entsprechend in unterschiedlichen Verwaltungszentralen. Die gerichtliche Feststellung der Insolvenzgründe und die (wenn auch nur zeitweise) Fortführung des Unternehmens kann bei dieser Konzernstruktur zweckmäßigerweise vom effektiven Verwaltungssitz der Konzerntochter bewerkstelligt werden. Hier befinden sich die nötigen Unterlagen, das nötige Personal (Buchführer), um im Auftrag des Gerichts den Insolvenzgrund festzustellen. Von hier aus kann der Insolvenzverwalter am besten die Kommandobrücke besteigen und das Unternehmen bis zu einer evtl. Zerschlagung weiterführen. In wirtschaftlicher Hinsicht erweisen sich die Konzernglieder als relativ autonom, so dass der Insolvenzverwalter das Unternehmen bis zur Entscheidung über die Verwertungsart – freilich mit gewissen Abstimmungen des Insolvenzverwalters der Obergesellschaft – fortführen und verwerten kann. Das Gebot einer effizienten Verfahrensbewältigung (Erwäg. 2, 8 EuInsVO) weist auf den effektiven Verwaltungssitz (Verwaltungszentrale) der Tochter hin. Entsprechend der typisierenden Betrachtung juristischer Personen besteht eine Tendenz, dass sich in diesem Staat auch die überwiegende Zahl der Gläubiger befindet, weil bei diesem Konzerntypus die wesentlichen Lieferanten- und Kreditverträge vom Management der Tochter selbst ausgehandelt und von dort aus abgeschlossen werden. Auch für die Erkennbarkeit des Ortes des effektiven Verwaltungssitzes gilt das für juristische Personen Gesagte. Die typisiert teleologische Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen führt bei einem horizontalen (dezentralen) Konzern somit ebenfalls zu einer Verortung an dem effektiven Verwaltungssitz der einzelnen Konzernglieder. 2. Zentral-funktionale Konzerne Fraglich ist, wie im zentral-funktional integrierten Konzern der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen der einzelnen Tochtergesellschaften zu bestimmen ist. a) Kennzeichen des internationalen zentral-funktionalen Konzerns Wie im ersten Teil dieser Arbeit ausführlich dargestellt, zeichnet sich der zentral-funktionale Konzernaufbau durch eine hohe Leitungsdichte der Konzernmutter gegenüber den einzelnen Konzerngliedern und durch die Verlagerung von Teilfunktionen eines wirtschaftlich einheitlichen Unternehmens auf verschiedene Tochtergesellschaften aus.131 Beide Begriffe hängen insoweit zusammen, als gerade bei einer funktionalen Aufteilung des Kon131
Vgl. dazu ausführlich oben, 1. Teil, B.III.2., S. 29 ff., 31 f.
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zernunternehmens auf verschiedene rechtlich (aber nicht wirtschaftlich!) selbständige Konzernglieder ein hoher Abstimmungs- und Koordinationsbedarf der einzelnen Konzernglieder von der Konzernspitze aus notwendig ist und somit gerade in diesem Fall eine hohe Leitungsdichte vorliegt. Die Tochtergesellschaften, welche üblicherweise in der Rechtsform einer hundertprozentigen GmbH bzw. entsprechenden ausländischen Rechtsform organisiert sind, nehmen bei diesem Konzerntypus lediglich eine Aufgabe innerhalb des unternehmerischen Wertschöpfungsprozesses wahr. Sie sind ohne den Konzernverbund in der Regel nicht lebensfähig und damit als wesentlicher Bestandteil des Gesamtkonzerns (§ 94 BGB) und nicht als Zubehör (§ 97 BGB) zu verstehen, denn der Konzern lässt sich in diesen Fällen nicht jederzeit ohne Schaden für die Konzernteile in seine Bestandteile zerlegen. In wirtschaftlicher Hinsicht entsprechen sie eher einer Betriebsabteilung als einem selbständigen Unternehmen und wären rechtlich auch als Zweigniederlassung zu organisieren, jedoch wird in der Regel aus steuerlichen und bilanztechnischen Gründen auf sie zurückgegriffen.132 Mit der Aufteilung verschiedener Funktionen eines wirtschaftlichen Unternehmens auf verschiedene rechtlich selbständige Konzernglieder geht naturgemäß eine hohe Leitungsdichte der Konzernmutter einher. Um überhaupt wirtschaftend tätig sein zu können, müssen die einzelnen Funktionen aufeinander abgestimmt werden, was effektiv nur von einer organisatorisch übergeordneten Instanz vorgenommen werden kann.133 Organisatorisch wird diese Leitungsdichte oftmals durch personale Verflechtung zwischen den Geschäftsführungsorganen und der Konzernmutter hergestellt. Der Geschäftsführer der Tochtergesellschaft ist oftmals gleichzeitig Geschäftsführer der Mutter oder leitender Angestellter in der Konzernzentrale.134 Entsprechend häufig führt zumindest ein Teil der Geschäftsführer die Tagesgeschäfte von der Konzernzentrale am Sitz der Mutter aus.135 Die Tochtergesellschaften unterhalten in der Regel keine eigenen strategischen Unternehmensfunktionen (head office functions) wie Unternehmensplanung, 132
van Galen, II; vgl. auch Graeber, NZI 2007, 265, 267. Graeber, NZI 2007, 265, 267. 134 Liebscher, B Rn. 132; zu der Verlagerung zentraler Unternehmensfunktionen in die Konzernzentrale vgl. B Rn. 130; so etwa im Fall AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 467 „MG Rover“; Tribunale die Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“; The Supreme Court of Ireland, ZIP 2004, 1969, 1971 „Eurofood“; AG Siegen, NZI 2004, 673, 674 „Zenith“; vgl. oben, 1. Teil, B.III.2., S. 29 ff., 30. 135 Liebscher, B., Rn. 130; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 572; Moss/Fletcher/ Isaacs, 8.39; Fletcher, Insolvency in Private International Law, Rn. 7.74; so etwa im Fall AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“; High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 467 „MG Rover“; Tribunale die Parma, ZIP 2004, 1220, 1220 „Eurofood“. 133
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Kontrolle, Personal-, Finanz- und Rechnungswesen sowie die Vertriebsund Produktionssteuerung, sondern der ohnehin von der Konzernspitze aus agierende Geschäftsführer greift in diesem Fall auf die organisatorischen Einrichtungen der Konzernmutter zurück. Zur optimalen Ausschöpfung von Synergiepotentialen sind diese Funktionen allesamt organisatorisch an der Konzernspitze angesiedelt.136 Typischerweise verfolgen zentral-funktional integrierte Konzerne auch eine zentrale Konzernfinanzierungsstrategie. Beispielhaft sollen hier die europäischen Vertriebsgesellschaften des insolventen Rover-Konzerns genannt werden.137 Der einzige Zweck der MG Rover Deutschland GmbH und weiterer neun europäischen Vertriebsgesellschaften war, den Verkauf und das Marketing für die Konzernmutter vor Ort zu organisieren. Mindestens ein Geschäftsführer der jeweiligen Vertriebsgesellschaft agierte von der englischen Konzernzentrale in Longbridge aus.138 Der High Court of Birmingham bezeichnete die Vertriebsgesellschaften als, „Fortsatz“ der Verkaufsabteilungen der Konzernzentrale, als bloße „Durchgangstore“ von der Zentrale zum heimischen Markt.139 Die Vertriebsgesellschaften wurden über die Warenlieferungen der Konzernmutter finanziert, welche entsprechend Hauptgläubigerin der Vertriebsgesellschaften war.140 Als weiteres Beispiel für einen funktional-zentral integrierten Konzern kann auf die obigen Ausführungen zum Zenith und Hettlage Konzern verwiesen werden.141 Der internationale zentral-funktionale Konzern zeichnet sich demnach dadurch aus, dass Tochtergesellschaften keine eigenständige, sondern eine konzerndienende Funktion wahrnehmen, zumindest ein Teil der Geschäftsführer oftmals von der ausländischen Konzernzentrale aus agiert, in der auch wesentliche Verwaltungsfunktionen angesiedelt sind. Die wirtschaftlichen Aktivitäten der Tochtergesellschaften beschränken sich dagegen in der Regel auf den inländischen Satzungssitz. In vielen der aufgrund Art. 3 Abs. 1 EuInsVO ergangenen Entscheidungen, bei denen die Insolvenzverfahren ausländischer Tochtergesellschaften am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter eröffnet wurden, handelte es sich um zentral-funktional integrierte Konzerne.142 136 Liebscher, B., Rn. 130; Moss/Fletcher/Isaacs, 8.39; Piepenbug, NZI 2004, 231, 235; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 572. 137 High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 467 „MG Rover“. 138 High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 467 „MG Rover“. 139 High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 468 „MG Rover“. 140 High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 468 „MG Rover“. 141 Siehe oben, 5. Teil, B.I.1.b). 142 So etwa: AG Siegen, NZI 2004, 673, 674 „Zenith“: Die Funktion der österreichischen Tochtergesellschaft (GmbH) beschränkte sich auf die Produktion von Zulieferteilen für die Mutter (verlängerte Werkbank). Die Geschäftsführer verwalteten die Gesellschaft von der deutschen Konzernzentrale aus. AG Offenburg NZI 2004, 673, 673: Die österreichische Gesellschaft (GmbH) war eine reine Vertriebstochter
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b) Wo lassen sich die Tochtergesellschaften dieser Konzernart typischerweise am besten abwickeln? Zieht man den effektiven Verwaltungssitz als Kriterium zur Bestimmung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen heran, so wäre dieser oftmals in der Konzernzentrale zu verorten, jedenfalls dann, wenn von dort ausschließlich die Geschäftsführer die Führung der Tagesgeschäfte erledigen. Die im Hinblick auf die Einzelgesellschaft angenommene Vermutung, dass eine Gesellschaft vor allem und im Regelfall am Markt ihres Verwaltungssitzes tätig und dort in der Regel die Mehrzahl der Gläubiger des insolventen Unternehmens ansässig sein werden, kommt beim internationalen zentral-funktional geführten Konzern ins Wanken. Hier besteht die Tendenz wirtschaftliche Aktivitäten innerhalb eines Staates in eine separate, nach dem Recht des jeweiligen Landes gegründete Tochtergesellschaft zu bündeln. Die Geschäftsführung und Verwaltungsfunktionen werden typischerder deutschen Mutter. Die Geschäftsführung der österreichischen Tochter hatte ihren Sitz in der Konzernzentrale in Deutschland und agierte von dort aus für die österreichische Gesellschaft. In der Konzernzentrale befanden sich alle wesentlichen Geschäftsbücher und Unterlagen der Tochtergesellschaft. AG München, ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“: In der österreichischen Tochter (Hettlage AG & Co KG Insbruck) waren 13 österreichische Verkaufsniederlassungen (Textilkaufhäuser) zusammengefasst, die Geschäftsleitung der österreichischen Tochter wurde durch Angestellte der Mutter in der Konzernzentrale wahrgenommen. Wesentliche Verwaltungsfunktionen, wie Personalabrechnung, Rechnungswesen, Controlling, Organisation, EDV, Planung, Vertragswesen, Versicherungen, Werbung, Ladenbau sowie Bauten und Technik wurden von den Mitarbeitern der Muttergesellschaft erbracht. High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467, 468 „MG Rover“: Funktion der MG Rover Deutschland GmbH und weiterer neun Vertriebsgesellschaften war, den Verkauf und das Marketing vor Ort zu organisieren. Municipality Court Fejer/Szekesfehervar, ZInsO 2004, 861 „Parmalat Slowakei“: Es handelte sich um eine Vertriebsgesellschaft mit dem Zweck, Im- und Export, den Vertrieb und die Bewerbung von Produkten des Parmalat-Konzerns zu organisieren. Tribunal de Commerce, Versailles, Dalloz (2006), 793, 794 „Emtec“: Ausländische Vertriebstöchter; head office functions lagen in der französischen Konzernzentrale. EuGH, Urt. v. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 361 „Eurofood“: Eurofood war eine reine Finanzierungsgesellschaft. Ein Teil der Geschäftsführung agierte von der Konzernzentrale in Italien aus. High Court of Justice Leeds, NZI 2004, 219, 220 „ISA-Daisytec“: CEO der ISA-Gruppe war gleichzeitig Geschäftführer der Deutschen Gesellschaften. Die Kreditiverträge der Banken wurden von der Konzernzentrale ausgehandelt und 70% aller Zulieferverträge wurden durch die Zentrale in England abgeschlossen und durch Bürgschaften der Mutter abgesichert, vgl. Taylor, Bericht, IV. Tribunal de Commerce de Paris, Recueil Dalloz 2006, 2331 „Eurotunnel“: Die Funktionen der Eurotunnel-Gruppe „Betrieb des Eurotunnels“ wurde auf eine Vielzahl von englischen, französischen und anderen europäischen Gesellschaften verteilt. Für die nationale Zuständigkeit im Konzern vgl. auch AG Köln, ZInsO 2008, 215 ff. „PIN Group“: Aufbau eines bundesweiten Briefzustellsystems auf mehrer regionale Gesellschaften.
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weise gerade nicht am Ort des geschäftlichen Schwerpunktes verortet. Vernünftige Erwägungen, die Verwaltung am Ort der schwerpunktmäßigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu platzieren, werden hier von der Möglichkeit überlagert, durch Zentralisierung an der Konzernspitze Synergiepotentiale effizient zu nutzen und eine Abstimmung der Funktionen zu ermöglichen.143 Die abzuwickelnde Masse liegt in diesem Fall typischerweise im Staat der wirtschaftlichen Tätigkeit der Tochtergesellschaft. Dort muss sich aber nicht unbedingt auch zwingend der Schwerpunkt der Gläubigerschaft befinden. Es ist vielmehr eine Tendenz zu erkennen, dass wegen der typischen Zentralisierung von Finanzierung und Einkauf, Waren- und Geldkreditgeber gerade nicht aus dem Staat der schwerpunktmäßig wirtschaftlichen Tätigkeit stammen.144 Aufgrund der funktionalen Verflechtung findet typischerweise in hohem Maße ein konzerninterner Leistungsaustausch statt, so dass auch andere Konzernglieder, insbesondere die Mutter, typischer Gläubiger ist.145 Klein143
Zentral aufgebaute internationale Konzerne verursachten schon im internationalen Gesellschaftsrecht immer wieder Schwierigkeiten. Im Zuge der Internationalisierung der Wirtschaft und der damit verbundenen vermehrten Konzernbildung erkannte man, dass das bisherige Verständnis der Hauptverwaltung als der Ort, an welchem die wichtigen Geschäftsführungsentscheidungen der Gesellschaft getroffen werden, bei zentral geführten Konzernen unweigerlich zu einer Sitzverlagerung am Ort der Konzernmutter führen würde (Sandrock, FS Beitzke, S. 669, 682; vgl. auch Grossfeld, in: Staudinger IntGesR Rn. 223 f.). Um dies zu vermeiden und den wirtschaftlichen Realitäten zentral geführter internationaler Konzerne nachzukommen, sollte es nun nicht mehr auf den Ort der wichtigen Geschäftsführungsentscheidungen ankommen, sondern auf den Ort, wo die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (Sandrock, FS Beitzke, S. 669, 682; aufgegriffen von BGHZ 97, 269; vgl. bereits vorher OLG Hamburg MDR 1976, 402). Die moderne Konzernentwicklung scheint auch über diese Eindämmungsversuche hinweggegangen zu sein, wie die Vielzahl von insolvenzgerichtlichen Entscheidungen bezeugen, bei denen der Zentralisierungsgrad durch personale Verflechtungen von Geschäftsführern und der Zentralisierung von Verwaltungsfunktionen an der Konzernspitze noch verstärkt wird. In diesem Fall wäre auch bei der Betonung auf die laufenden Geschäftsführungsakte des Tagesgeschäfts eine Verortung des Sitzes am Ort der Mutter nicht zu verhindern. Die Verlegung des tatsächlichen Sitzes von Deutschland ins Ausland führte nach der bisher herrschenden Sitztheorie jedoch zum Verlust der Rechtspersönlichkeit der GmbH. 144 Vgl. AG München, ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“; High Court of Justice Leeds, NZI 2004, 219, 220 „ISA Daisytec“, das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei Handelsunternehmen gerade diese Gläubiger (Kreditinstitute und Zulieferer) die wichtigste Gruppe potentieller Gläubiger bildet. 145 Dies gilt insbesondere bei Vetriebsgesellschaften, im Hinblick auf „vorgeleistete“ Waren anderer Konzernglieder, vgl. High Court of Justice Birmingham, NZI 2005, 467 „MG Rover“. In diesem Fall war die Vertriebszwischenholding die Hauptgläubigerin der deutschen Vertriebsgesellschaft MG Rover Deutschland GmbH. Freilich ist hier ein evtl. Nachrang nach dem Eigenkapitalersatzrecht zu beachten.
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gläubiger wie Kleinlieferanten, Arbeitnehmer etc. treten dagegen am Ort der werbenden Tätigkeit mit der Tochtergesellschaft in Kontakt. Der Insolvenzverwalter kann bei einem zentral-funktional aufgebauten Konzern allerdings am besten von der Konzernzentrale aus in die Leitungsstelle der Tochtergesellschaft einrücken. Dort befinden sich in der Regel die erforderlichen Unterlagen und das entsprechende buchhalterische Personal, um als vorläufiger Insolvenzverwalter den Insolvenzgrund feststellen zu können. Auch eine Analyse der Ursachen der Insolvenz wird dem Insolvenzverwalter aufgrund der wirtschaftlichen Verzahnung dieses Konzerntyps nur im Gesamtzusammenhang möglich sein.146 Auch administrative Aufgaben, wie etwa die Erstellung eines Masse- oder Gläubigerverzeichnisses (§§ 151, 152 InsO), wird sich in der Regel nur von der Konzernzentrale aus bewerkstelligen lassen können, weil sich dort die entsprechenden Verwaltungsfunktionen befinden und nur dort die erforderlichen Informationen aufzufinden sind.147 Verstärkt werden diese Vorteile, wenn man bedenkt, dass mit der Verortung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen an den tatsächlichen Sitz der Konzernmutter die Möglichkeit der Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters eröffnet wird, denn Gerichte werden aus vielerlei Gründen kaum bereit sein, den ausländischen Insolvenzverwalter der Konzernmutter auch als Insolvenzverwalter der inländischen Tochter einzusetzen.148 Die Vorteile eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters werden sich im internationalen Kontext nur bei einheitlicher gerichtlicher Zuständigkeit verwirklichen lassen. Neben der Feststellung des Insolvenzgrundes ist zu beachten, dass der Insolvenzverwalter auch für eine Unternehmensfortführung auf die oftmals in der Konzernzentrale befindlichen Verwaltungsfunktionen (head office functions) zugreifen muss. Entscheidend dürfte allerdings die Möglichkeit der einheitlichen Fortführung und Verfahrensbewältigung sein. Auch eine nur zeitweise Unternehmensfortführung setzt aufgrund der funktionalen Verflechtung des Konzerns ein Höchstmaß an Abstimmung bei der Verfahrensbewältigung voraus. Im schlimmsten Fall hängt die Fortsetzung des Geschäftsbetriebs der einzelnen Konzernglieder vom Willen jeder einzelnen Konzerngesellschaft ab.149 Die einzelnen Unternehmen der Konzernglieder müssen in einem Höchstmaß aufeinander abgestimmt werden, was im werbenden Konzern ja gerade 146 Zum Dominoeffekt aufgrund leistungswirtschaftlicher Verflechtung, 1. Teil, D.I.1.a). 147 So insbesondere LG Dessau ZIP 1998, 1006, 1008, als maßgebliches Argument, das Verfahren am tatsächlichen Sitz der Konzernzentrale zu eröffnen. Vgl. insbesondere auch Piepenburg, NZI 2004, 231, 235. 148 Zum einheitlichen Konzerninsolvenzverwalter, siehe oben 3. Teil, A. 149 Vgl. Piepenburg NZI 2004, 231, 234.
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durch die zentrale Führung der Konzernmutter, oftmals verbunden mit personalen Verflechtungen auf der Ebene der Geschäftsführer, erreicht wurde. Bei einem zentral-funktional integrierten Konzern führt eine konzernweite Verwertungsstrategie nicht nur möglicherweise zu einem Mehrwert, sondern ist in der Regel zwingende Voraussetzung um Fortführungswerte im Rahmen einer übertragenden Sanierung zu verwirklichen oder eine Sanierung zu ermöglichen.150 Entsprechend ist auch im Insolvenzverfahren eine einheitliche Leitung durch einen personenidentischen Insolvenzverwalter erforderlich. Neben den Friktionen, die durch Einsetzung unterschiedlicher, autonom agierender Insolvenzverwalter entstehen, werden diese bei internationalen Konzernen durch unterschiedliche Verfahrensordnungen potenziert151, die einer zugunsten aller Gläubiger abgestimmten Gesamtverwertung, auch bei höchstmöglicher Kooperationsbereitschaft der Insolvenzverwalter, große Schwierigkeiten bereitet. Zu nennen sind zunächst die zeitlichen Unterschiede der einzelnen Verfahrensordnungen.152 Während das britische Insolvenzverfahren durch seine Straffheit bekannt ist, zeichnet sich das deutsche Insolvenzverfahren etwa durch ein langes Vorverfahren aus. Die Veräußerung des Betriebes ist in Deutschland vor dem Berichtstermins grundsätzlich nicht möglich. Das deutsche Insolvenzverfahren bestimmt in diesem Beispiel als langsamstes Rad am Wagen die Geschwindigkeit der übertragenden oder fortführenden Sanierung. Auch sind nach den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedliche Hürden bezüglich der Verwertung und der Art der Verwertung zu überklimmen. So liegt die Entscheidung über die Sanierung nach deutschem Recht in der Obhut der Gläubiger. In anderen Staaten, so etwa in Frankreich,153 entscheidet ausschließlich das Insolvenzgericht im Rahmen eines Fortführungswürdigkeitstests, ob das Unternehmen saniert, veräußert oder liquidiert wird. Aufgrund der funktionalen Verflechtung kann eine Fortführungsprognose freilich nicht aus dem Konzernzusammenhang gerissen erfolgen, denn die Fortführungswürdigkeit einer französischen Vertriebstochter eines deutschen Konzerns hängt auf Gedeih und Verderb mit der Fortführungswürdigkeit der deutschen Konzernmutter zusammen. Der französische Richter müsste de facto in eine Fortführungswürdigkeitsprüfung des Gesamtkonzerns eintreten. Im Hinblick auf eine effiziente Verfahrensabwicklung sprechen im funktional-zentral integrierten Konzern demnach typischerweise die meisten Gründe für eine Verortung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen der 150
Siehe oben, 1. Teil, D.II.1. Vgl. Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 530. 152 Zu den zeitlichen Unterschieden bei Reorganisationsverfahren vgl. Eidenmüller, ZGR 2006, 468, 477. 153 Vgl. zum französischen Recht Dammann, ZIP 1996, 300, 302. 151
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Tochtergesellschaften an den tatsächlichen Sitz der Konzernmutter, auch wenn sich dort oftmals nicht die Mehrzahl der Gläubiger der jeweiligen Tochtergesellschaft befindet.154 Eine Nähe zu der Mehrzahl der Gläubiger kann jedoch durch die gezielte Verlegung der Gläubigerversammlung in den Staat mit den zahlenmäßig meisten Gläubigern155 bzw. der Eröffnung eines Sekundärverfahrens erreicht werden. c) Erkennbarkeit der Zugehörigkeit zum zentral-funktional integrierten Konzern Wie vorhergehend herausgearbeitet, ist in einem zentral-funktional aufgebauten Konzern das Insolvenzgericht am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter typischerweise auch das sachnähere Gericht für ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Konzerntochter. Eine Fokussierung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen der einzelnen Tochtergesellschaften an diesem Ort ist jedoch nur dann möglich, wenn für die Gläubiger der Tochtergesellschaften der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter erkennbar ist.156 Die Tatsache allein, dass die wirtschaftlichen Entscheidungen von einer Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat kontrolliert werden oder kontrolliert werden können, wird dem Erkennbarkeitskriterium nicht gerecht.157 Nach außen hin erkennbare, besonders intensive Kontrollen durch die Mutter können dagegen durchaus in der Lage sein, den Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen an den Sitz der Mutter zu verorten.158 Entscheidend ist demnach, ob der Typus zentral-funktionaler inte154
Im Ergebnis auch Paulus, Kommentar, Art. 3 Rn. 31. Vgl. Penzlin, NZI 2005, 469 470, Anmerkung zu MG Rover: Die Gläubigerversammlung der MG Rover Deutschland GmbH fand mit den Hauptinsolvenzverwaltern in Düsseldorf statt. So auch im Fall „Automole“ des AG Köln NZI 2004, 151 geplant, vgl. Sabel NZI 2004, 126, 127. 156 Anders Paulus, Kommentar, Art. 3 Rn. 31 der bei Konzerninsolvenzen der in Erwägungsgrund 13 hervorgehobenen Erkennbarkeit für Dritte, wenn überhaupt, eine nur eingeschränkte Rolle zubilligen will; tendenziell anders dagegen ders., NZG 2006, 609, 612; vgl. auch Wessels, European Company Law, 2006, Volume 3, S. 183, 188. 157 Vgl. EuGH, Urt. V. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 361. Nr. 36 „Eurofood“. 158 Schlussantrag Generalanwalt Jacobs, EuGH C-341/04 „Eurofood“-Schlussantrag v. 27.9.2005, ZIP 2005 NR. 123, „I consinder that strong evidence of overriding and ascertainable control by a parent compay would be required to support a finding that the center of main interests is situated at a place other than that which would follow from the explicit terms of recital 13“. Vgl. insbesondere Paulus, NZG 2006, 609, 612; vgl. auch Eidenmüller, NJW 2004, 3455, 3456; ders., ZHR 169 (2005), 528, 538; ders., ZGR 2006, 467, 479 f.; Moss/Fletcher/Isaacs, 3.11. 155
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grierter Konzern für die Gläubiger der Tochtergesellschaft nach außen erkennbar ist, so dass sie mit einer Eröffnung am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter rechnen können. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, woran Gläubiger im Rechtsverkehr den Typus zentral-vertikal aufgebauten Konzern erkennen und somit die Verfahrenseröffnung am Sitz der Mutter ins Kalkül ziehen können. Die Frage der objektiven Erkennbarkeit hängt letztlich davon ab, welche Anstrengung man den Gläubigern auferlegt, denn letztlich wäre jede Konzernstruktur erkennbar, wenn man die Anforderungen hoch genug legen würde.159 So wird großen Bankkonsortien, die sich üblicherweise eine Vielzahl von Kontroll- und Informationsrechte vertraglich zusichern lassen, bei der Kreditvergabe die Konzernstruktur in der Regel nicht verschlossen bleiben. Anderseits wird es auch nicht auf den deliktischen Gläubiger ankommen, welcher sich beim Passieren einer Straße an einer herabfallenden Dachziegel des Betriebsgebäudes verletzt hat.160 Hier ist der mit dem Gebot der Erkennbarkeit beabsichtigte Zweck im Auge zu behalten. Potentiellen Gläubigern soll die Zuständigkeit erkennbar sein, um die rechtlichen Risiken im Insolvenzfall kalkulieren zu können.161 Entsprechend kommt es auf die Sicht derjenigen Gläubiger an, die für gewöhnlich eine solche Risikokalkulation vornehmen, nämlich die kreditierenden Gläubiger, d.h. die in Vorleistung tretenden Gläubiger, insbesondere Waren- und Geldkreditgeber. aa) Erledigung der Tagesgeschäfte in der Konzernzentrale Eine zentrale Konzernstruktur und eine möglicherweise damit verbundene Verortung der Zuständigkeit an den tatsächlichen Sitz der Mutter, kann zunächst durch ein äußeres Auftreten der Geschäftsführer der Tochtergesellschaften von der Konzernzentrale aus erkennbar sein. Residieren die Geschäftsführer demnach in der Konzernzentrale und treten sie von dort aus mit den Gläubigern in Kontakt, so ist erkennbar, dass die Tochtergesellschaft in Wirklichkeit von der Konzernzentrale aus verwaltet wird.162 Die unmittelbare Verwaltung von der Konzernzentrale mit Außenwirkung gegenüber dem Großteil der Gläubiger kommt dabei bei sog. verlängerten Werkbänken163 in Betracht, wenn Rohstoffe und Lieferungen von der Kon159
Thole, ZEuP 2007, 1141, 1147. Eine Vertrauensbildung über die Person des Schuldners findet bei Gläubigern, die ihre Forderung lediglich kraft Gesetzes erwerben, wie etwa deliktische Gläubiger, in der Regel nicht statt, vgl. Landers, 42 U.Chi.L.Rev. 589, 639 (1975). 161 Virgos/Schmit, Nr. 75. 162 So in AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“. 163 So im Fall AG Siegen, NZI 2004, 673, 674 „Zenith“. 160
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zernzentrale aus bestellt werden.164 Eine solche zentrale Verwaltungsstruktur ist aber auch bei Handelsgesellschaften, die Waren und Dienstleistungen über ausländische Handels- oder Vertriebsgesellschaften vertreiben, denkbar, wenn die Verträge mit Geld- und Warenkreditgebern von dem in der Konzernzentrale residierenden Management der Tochter ausgehandelt und abgeschlossen werden und der Kundenverkehr vor Ort durch Bargeschäfte bzw. Vorleistung des Schuldners geprägt ist.165 Den Arbeitnehmern als potentielle Gläubigergruppe wird in diesem Fall ohnehin die zentrale Verwaltungsstruktur bekannt sein. bb) Statutarische Ausrichtung an das Konzerninteresse als für Dritte erkennbares Indiz Ein besonders zuverlässiges Indiz, die Zugehörigkeit einer Tochtergesellschaft zu einem zentral-funktional integrierten Konzern zu erkennen, ist die statutarische Ausrichtung der Gesellschaft auf eine konzerndienende Funktion. Wie bereits im ersten Teil dieser Arbeit ausgeführt, erfolgt die Beschränkung der Vertriebs-, Finanzierungs- und Zulieferproduktionsgesellschaften auf eine konzerndienende Funktion in der deutschen und europäischen Praxis durch eine entsprechende Formulierung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung.166 Die ohnehin bestehende Abhängigkeit der 100%igen GmbH wird durch die beschränkte Formulierung des Gesellschaftsgegenstandes im Sinne der konkreten Funktion im Konzerngesamtunternehmen in tatsächlich-wirtschaftlicher Hinsicht verstärkt. Diese satzungsmäßige Ausrichtung des Unternehmensgegenstandes auf eine konzerndienende Funktion ist gerade aus Gründen des Gläubigerschut164 Anders Kübler, FS Gerhardt, S. 527, 550, der auf den Ort Produktionsstätte abstellt, weil dort die Rohstoffe von den Lieferanten angeliefert würden. 165 So in AG München ZIP 2004, 962, 963 „Hettlage“; vgl. High Court of Justice Leeds, NZI 2004, 219, 220 „IZA Daisytec“, der darauf hinweist, dass bei Handelsunternehmen in der Regel Kreditinstitute Zulieferer die wichtigste Gruppe potentieller Gläubiger bilden; anders Kübler, FS Gerhardt, S. 527, 550. 166 Vgl. 1. Teil, B.V.3. Zur Bedeutung des satzungsmäßigen Gegenstandes in anderen Mitgliedstaaten: In Frankreich ist für die Gesellschaften der S.A und SARL die hinreichende Bestimmtheit des Unternehmensgegenstandes von wesentlicher Bedeutung. Die geplante Tätigkeit einer Vertriebsgesellschaft ist durch Formulierungen des satzungsmäßigen Gegenstandes, wie etwa „Vertrieb von gefertigten Gütern“, kenntlich zu machen und die Satzung entsprechend im Handelsregister einzusehen, vgl. Schmidt/Gramburg, in: Lutter, Die Gründung einer Tochtergesellschaft im Ausland, S. 202, 209. Ähnliches gilt für Italien, vgl. Calanlio, ebenda, S. 327, 330. In Großbritannien hat die exakte Ausformulierung des Unternehmensgegenstandes ohnehin entsprechend der angelsächsischen „ultra vires doctrin“ große Bedeutung, vgl. Pennigton, S. 14 ff.
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zes erforderlich. Die Gläubiger sollen dadurch die möglichen Folgen der mangelnden Existenzfähigkeit bei der Einschätzung ihres Kreditrisikos einschätzen können.167 Aus der in Satzungen typischerweise anzutreffenden Formulierung „Gegenstand des Unternehmens ist der Vertrieb der Produkte der Konzernmutter“ (Vertriebstöchter) oder „Gegenstand des Unternehmens ist die Durchführung von Forschung und Entwicklung für die Y-AG“ (Forschungstöchter)168 werden die Gläubiger darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei den Gesellschaften um nicht eigenständig überlebensfähige Unternehmenseinheiten handelt.169 Dies reiht sich in den allgemeinen Zweck der notwendigen Formulierung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung ein, nämlich neben der bindenden Formulierung des Handlungsprogramms der Gesellschaftsorgane hat der Unternehmensgegenstand auch Unterrichtungsfunktion für den Handelsverkehr und den potentiellen Gläubigern.170 Den Gläubigern ist die konzerndienende Funktion einer Vertriebsoder Finanzierungsgesellschaft auch leicht erkennbar, weil eine entsprechende Beschränkung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung nach § 43 Nr. 2 i. V. m. § 40 Nr. 2 HRV zu den im Handelsregister unter Spalte 2 zu vermerkenden Angaben gehört. Insbesondere durch den erleichterten Zugang über das Internetportal171 gehen potentielle Geschäftspartner mehr und mehr dazu über, sich vor dem Eingehen eines finanziellen Engagements über das Handelsregister über die Grundausrichtung ihrer zukünftigen Geschäftspartners zu informieren.172 Gläubiger können durch wenige Mausklicke über das Internet erfahren, ob die Gesellschaft, mit der sie geschäftlich in Kontakt treten, eine Vertriebsgesellschaft, Finanzierungsgesellschaft oder eine Zuliefergesellschaft einer übergeordneten Gesellschaft ist. Bei entsprechender Typenklarstellung durch den EuGH wäre mit ebenso wenigen Mausklicken für den Gläubiger erkennbar, dass der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen dieser Vertriebsgesellschaften etc. am Ort der Konzernspitze liegt. Eine umfangreiche Erforschung der Konzernstruktur, welche die Kritiker des „head office“-Ansatzes für unzumutbar halten173, ist gerade nicht erforderlich. Der hier vertretene Ansatz für die Erkennbarkeit auf die satzungsmäßige Ausrichtung auf eine konzerndienende Funktion abzustellen ist – soweit ersichtlich – neu. Der Vorteil liegt zum einen 167
Vgl. dazu oben, 1. Teil, B.V.3. Lutter, DB 1994, 129, 130; vgl. ähnliche Formulierung Timmann, S. 40; Beinert, S. 35. 169 Vgl. dazu oben, 1. Teil, B.V.3., Nachweise in Fn. 190. 170 BGH BB 1981, 450; Beinert, S. 31; Scholz/Emmerich, GmbHG, § 3 Rn. 12; Schneider, BB 1989, 1985, 1986; Wallner, JZ 1986, 721, 725. 171 www.handelsregister.de. 172 Timmann, S. 310; vgl. auch Schneider, WM 1986, 181 ff. 173 Wessels, European Company Law 2006, Volume 3, S. 183, 188. 168
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in seiner Treffsicherheit genau den Typus Konzernglied zu erfassen, dessen Abwicklung am Ort der Konzernspitze sachgerecht erscheint und gleichzeitig ein hohes Maß an Rechtssicherheit und Erkennbarkeit zu gewähren. Sein Vorteil liegt zum anderen darin, dass ein bereits bestehendes materielles Gläubigerschutzkonzept eine verfahrensrechtliche Bedeutung beigemessen wird. Die Gläubiger sollen über eine entsprechende satzungsmäßige Ausformulierung geschützt werden, mit einer allein nicht existenzfähigen Gesellschaft zu kontrahieren (geschäftlich in Kontakt zu treten). Potentielle Gläubiger sollen dadurch das Risiko abschätzen und entsprechende Sicherheiten der Konzernmutter verlangen können.174 Im Rahmen der Risikoabwägung kann der Gläubiger dann in Zukunft gleichzeitig die verfahrensmäßigen Risiken bestimmen, denn er ist sich gewiss, dass im Insolvenzfall das Insolvenzverfahren über das Vermögen der deutschen GmbH im Staate des Sitzes der Konzernmutter eröffnet werden würde. Risikoabwägungen bezüglich fehlender eigener Existenzfähigkeit des Vertragspartners und mögliche Sicherheitsleistungen durch die Mutter gehen dann mit Risikoabwägungen über die im Insolvenzfall bestimmende lex fori concursus einher. Ein möglicher Einwand, nur Großgläubiger wären in der Lage, den Konzernfunktionär als solchen zu erkennen, greift dagegen nicht. Ein Blick in die im Handelsregister veröffentlichte Satzung, um den Unternehmensgegenstand der Gesellschaft zu ermitteln, ist gleich (wenig) schwierig und arbeitsaufwendig, wie ein Blick in die Satzung, um den satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft zu ermitteln. Letzteres hält der europäische Verordnungsgeber nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EuInsVO für zumutbar, denn jedem potentiellen Gläubiger soll es demnach anhand der Einsichtnahme des Handelsregisters möglich sein, sich darüber zu informieren, wo im Zweifelsfalle ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wird. Der Verordnungsgeber selbst geht also davon aus, dass über das Handelsregister publizierte Satzungsinhalte für Dritte erkennbar im Sinne des 13. Erwägungsgrundes sind. Die Gefahr, dass Gesellschaften über ihre Formulierung des Satzungsgegenstandes der Gesellschaft eine konzerndienende Funktion zuordnen, obwohl es sich in Wahrheit um eine wirtschaftlich unabhängige Gesellschaft handelt, um sich so ein günstigeres Insolvenzstatut zu erschleichen, ist nicht zu befürchten. Dadurch würde die Gesellschaft freiwillig in eine höhere Risikoklasse (wegen fehlender eigenständiger Existenzfähigkeit) eingestuft und die Gläubiger einen entsprechend höheren Zinssatz verlangen. Ein solches Zinsgeschenk des Schuldners an die Gläubiger wird ein rational denkender Schuldner nicht machen, insbesondere wenn zusätzlich bei einem schuldnerfreundlicheren Insolvenzregime (nur das wird Motiv schuldnerischer Manipulation sein) sich der Zinssatz erneut durch einen Risiko174
Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 403.
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zuschlag erhöht. Abgesehen von hinzukommenden registerrechtlichen Überprüfungen bei der Gründung der Gesellschaft wird die Ausrichtung des Unternehmensgegenstandes auf eine konzerndienende Funktion ein reales Abbild einer Zugehörigkeit zum zentral-funktional integrierten Konzern sein, dessen einheitliche Abwicklung für ein effizientes Insolvenzverfahren durch ein einzig zuständiges Gericht unabdingbar ist. Die Beschreibung des Unternehmensgegenstandes hat auch in den meisten europäischen Ländern im Gesellschaftsvertrag zu erfolgen und die Kennzeichnung einer konzerndienenden Funktion über die Beschreibung des Unternehmensgegenstandes, etwa Vertriebsgesellschaft eines Konzerns, ist in der Kunst der internationalen Konzernarchitektur auch absolut üblich. cc) Die „Konzernfirma“ als erkennbares Indiz Die satzungsmäßige Beschränkung auf eine konzerndienende Funktion wird in der Praxis häufig zusätzlich durch eine entsprechende Firmengestaltung deutlich gemacht.175 So setzt sich die Firma von Vertriebstöchtern der Konzernmutter oftmals aus dem Firmenschlagwort der Mutter mit dem Hinweis auf die Vertriebsfunktion – „Vertriebsgesellschafts mbH“ – zusammen.176 Dass der potentielle Vertragspartner Tochter oder Enkel eines zentral-funktional integrierten Konzerns ist, wird sich bei einer Firmierung wie etwa „Babcock Verwaltungsdienste GmbH, Babcock Borsig Service GmbH“ oder etwa Parmalat Capital Netherlands BV, Parmalat Finance Corporation BV oder Parmalat Finanziaria S.p.a177 jedem Gläubiger aufdrängen.
III. Zwischenergebnis Für juristische Personen zeigt der Ort des effektiven Verwaltungssitzes die größte Sachnähe zur Bewältigung eines Insolvenzverfahrens. Dort befindet sich der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfah175 Müller, Firmenlizenz und Konzernfirma, S. 22; Parmentier/Steer, GRUR 2003, 196, 197; Schneider, BB 1989, 1986, 1987; vgl. auch Hommelhoff, ZGR 1994, 395, 404; Timmann, S. 306, welche sogar zum Gläubigerschutz eine Pflicht zur Offenlegung einer konzerndienenden Funktion in der Firmenbezeichnung erwägen. 176 Müller, Firmenlizenz und Konzernfirma, S. 22: Parmentier/Steer, GRUR 2003, 196, 197; Schneider, BB 1989, 1986, 1987. 177 Eine Vielzahl von Funktionstöchtern des Parmalat-Konzerns hatten eine Firma bestehend aus Parmalat, gefolgt von der Funktionsbezeichnung in der jeweiligen Landessprache und der Rechtsform, vgl. Auflistung der insolventen Tochtergesellschaften www.iiiglobal.org/country/european_union/070331Tersilla.PDF, „recent developments in the parmalat insolvency, p. 1“.
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rens nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO. Dies gilt gleichermaßen für konzernverbundene Gesellschaften in einem dezentral-horizontal aufgebauten Konzern. In diesem Fall liegt der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen der einzelnen Konzernglieder am individuell für jede Einzelgesellschaft zu bestimmenden effektiven Verwaltungssitz, auch wenn die Konzernmutter intern Einfluss auf die Politik der einzelnen Konzerngesellschaften nehmen sollte. In einem zentral-funktional integrierten Konzern zeigt dagegen das Gericht am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter typischerweise die größere Sachnähe auf. Dies gilt auch im internationalen Kontext, wenn Tochtergesellschaften in einem anderen Staat inkorporiert und dort auch regelmäßig hauptsächlich wirtschaftlich aktiv sind. Der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen liegt in diesem Fall am tatsächlichen Sitz der Konzernzentrale, wenn in nach außen hin erkennbarer Weise die Geschäftsführer die Tagesgeschäfte führen und mit den wesentlichen Gläubigern in Kontakt treten oder die Tochtergesellschaft über die Formulierung des Unternehmensgegenstandes in der Satzung auf eine rein dienende Funktion im Konzern beschränkt ist, was auch durch eine entsprechende Gestaltung der Firma über das Handelsregister hinaus nach außen publiziert werden kann.
IV. Exkurs: Nationale Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO für konzernverbundene Unternehmen Die örtliche Zuständigkeit deutscher Insolvenzgerichte richtet sich nach § 3 Abs. 1 InsO. Nach S. 1 ist im Grundsatz das Insolvenzverfahren am allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12 ff. ZPO) des Gemeinschuldners zu eröffnen. Liegt allerdings der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners an einem anderen Ort als der allgemeine Gerichtsstand, so ist ausschließlich das Insolvenzgericht zuständig, in dessen Bezirk dieser Ort liegt (§ 3 Abs. 1 S. 2 InsO). Mit S. 2 begründet der Gesetzgeber in Abweichung zur starren Regelung des allgemeinen Gerichtsstandes eine insolvenzspezifische Zuständigkeit für selbständig tätige Personen, um Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte flexibler berücksichtigen zu können.178 Entsprechend hat das Gericht vorrangig die Zuständigkeit nach S. 2 zu prüfen. Erst wenn sich trotz gerichtlicher Nachforschungen nicht mit ausreichender Sicherheit der Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit feststellen lässt, kann das Gericht bei juristischen Personen auf den satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft, § 17 Abs. 1 ZPO, zurückgreifen.179 178
Vgl. Jaeger/Gerhardt, InsO, § 3 Rn. 15. OLG Frankfurt/M. ZVI 2005, 367, 368; MünchKomm InsO/Ganter, § 3 Rn. 4, 10; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 3 Rn. 22, 42; Kübler/Prütting/Prütting, InsO, 179
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Auch bei der Ermittlung der nationalen Zuständigkeit wird man mit der oben ausgeführten Begründung auf eine typisierte Betrachtung zurückgreifen können, wenn auch die Erkennbarkeit für die Gläubiger von weniger ausschlaggebender Bedeutung ist.180 Anders als im Anwendungsbereich der EuInsVO bestimmt die Zuständigkeit nicht die aus Gläubigersicht entscheidende Frage des anwendbaren Insolvenzverfahrensregimes. Eine am Zweck des Insolvenzverfahrens orientierte Auslegung wird auch hier den Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit juristischer Personen am tatsächlichen Verwaltungssitz verorten.181 Entsprechendes gilt für die gerichtliche Zuständigkeit im zentral-funktional integrierten Konzern. Der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit der Tochtergesellschaften wird bei zweckentsprechender Auslegung der tatsächliche Verwaltungssitz der Konzernmutter sein. Dieser ist für Gläubiger erkennbar, wenn die Geschäftsführer vom Sitz der Konzernmutter aus agieren und von dort aus mit den wesentlichen Gläubigern in Kontakt treten und die Verträge schließen.182 Gleiches gilt für die satzungsmäßige Ausrichtung auf eine konzerndienende Funktion und entsprechender Firmenpublizität.
V. Berücksichtigung konzernspezifischer Besonderheiten: Konterkarierung durch das Sekundärverfahren? Bisher wurden die Vorteile einer zentralen Abwicklung funktional integrierter ausländischer Tochtergesellschaften aufgezeigt. Der vorherige Abschnitt hatte gezeigt, dass eine typisiert teleologische Auslegung des Topos Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners zu dem Ergebnis kommt, dass bei zentral-funktional integrierten Tochtergesellschaften das § 3 Rn. 7; FK/Schmerbach, InsO, § 3 Rn. 5; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 3 Rn. 7. 180 Nach Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 538 komme es auch bei der nationalen Zuständigkeit auf die Erkennbarkeit des Insolvenzgerichtsstandes an, weil von gewissen Differenzen in der faktischen Handhabung des Insolvenzrechts durch verschiedene Insolvenzgerichte auszugehen sei, welches sich wiederum im Kreditrisiko und der Effizienz von Kreditverträgen niederschlage. Tendenziell der Erkennbarkeit wenig Bedeutung schenkend dagegen Jaeger/Gerhardt, InsO, § 3 Rn. 16. 181 So im Ergebnis die herrschende Meinung: LG Dessau ZIP 1998, 1006, 1007 „Ort an dem die Verwaltung geführt wird“; MüchKomm InsO/Ganter, § 3 Rn. 10, Rn. 13 „Geschäftszentrum“; Jaeger/Gerhardt, InsO, § 3 Rn. 17 „Leitungsstelle“; Smid/Smid, InsO, § 3 Rn. 13 „effektiver Verwaltungssitz“; „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“; Jaeger/Weber, KO, § 71 KO Rn. 3 „Zentrale“; vgl. auch Kübler/Prütting/Prütting, InsO, § 3 Rn. 7; anders dagegen Nerlich/Römermann/ Becker, § 3 Rn. 21 ff., 27. 182 So etwa AG Dessau, ZIP 1998, 1006, 1007 f.; AG Duisburg, NZI 2003, 160, 160 „Babcock-Borsig“; vgl. auch AG Köln, ZInsO 2008, 215 ff. „PIN Group“.
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Hauptverfahren am tatsächlichen Sitz der Muttergesellschaft zu eröffnen ist. Dieses Ergebnis wurde maßgeblich durch das die EuInsVO bestimmende Effizienzgebot gestützt. Dabei beschränkte sich die Betrachtung überwiegend auf die Frage, wo das Hauptverfahren über das Vermögen einer Tochtergesellschaft zu eröffnen ist. Die in Art. 27 ff. EuInsVO festgeschriebene Möglichkeit, neben dem Hauptverfahren territorial beschränkte Sekundärverfahren zu eröffnen, wurde bisher außen vor gelassen. Durch die Eröffnung eines Sekundärverfahrens könnten die Vorteile einer einheitlichen Zuständigkeit in einem zentral-funktional aufgebauten Konzern relativiert werden, insbesondere deshalb, weil das überwiegende Vermögen der Tochter typischerweise im Inkorporationsstaat liegt.183 Ein solches Sekundärverfahren würde dann nahezu die gesamte Masse der Tochtergesellschaft erfassen und könnte die Vorteile einer möglichen koordinierten Verfahrensbewältigung wieder zunichte machen, wenn man von der äußerst wahrscheinlichen Einsetzung eines zum Hauptverfahren personenverschiedenen Insolvenzverwalters ausgeht.184 Das Effizienzargument im Sinne einer ökonomisch sinnvollen konzerneinheitlichen Verwaltung und Verwertung könnte zumindest erschüttert werden, wenn die Eröffnung eines Sekundärverfahrens die Vorteile wieder zunichte machen würde und mit einer solchen grundsätzlich zu rechnen wäre.
1. Das Sekundärverfahren a) Zweck eines Sekundärinsolvenzverfahrens Neben der Eröffnung eines Hauptverfahrens am Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners sieht die EuInsVO in ihrem 3. Kapitel die Möglichkeit vor, parallel zum Hauptverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren über den gleichen Schuldner am Ort seiner ausländischen Niederlassung zu eröffnen. Das Sekundärverfahren zeichnet sich durch seine auf das Territorium des Eröffnungsstaates beschränkte Wirkung aus. Die über Art. 16 ff. EuInsVO abgesicherte universale Wirkungserstreckung des Hauptverfahrens auf das Territorium aller Mitgliedstaaten wird dabei mit der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens gehindert und stattdessen das im Inland vorhandene schuldnerische Vermögen einem speziellen inländischen Verfahren entsprechend dem inländischen Insolvenzverfahrens183
van Galen, II; Paulus, NZI 2005, 647, 647. In der Literatur wird das Sekundärverfahren teilweise bewusst als Abwehrinstrumentarium gegen die Eröffnung von Insolvenzverfahren inländischer Töchter am tatsächlichen Sitz der ausländischen Mutter forciert, z. B. Duursam-Kepplinger, DZWIR 2003, 447, 451; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 583. 184
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regime unterstellt (Art. 3 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Art. 4, 28 EuInsVO). Mit der möglichen Eröffnung eines Sekundärverfahrens strebte der Verordnungsgeber den Schutz der im Inland domizilierten Gläubiger an. Diese sollten im Vertrauen auf die Anwendung des inländischen Insolvenzrechtes geschützt werden, wenn der ausländische Schuldner in Form einer Niederlassung wirtschaftliche Aktivitäten im Inland entfaltet.185 Neben dem Vertrauen der inländischen Gläubiger auf die Anwendung im Staat der Niederlassung anzuwendenden materiellen Insolvenzvorschriften soll durch die mögliche Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens den Gläubigern ermöglicht werden, ihre Rechte vor Ort in ihrer Sprache und entsprechend den bekannten örtlichen Vorschriften geltend zu machen. Eine organisatorische Erleichterung durch das Sekundärverfahren erfolgt zusätzlich im Hinblick auf das Hauptinsolvenzverfahren, weil dem Sekundärinsolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Pflicht trifft, in seinem Verfahren angemeldete Forderungen auch im Hauptinsolvenzverfahren anzumelden (Art. 32 Abs. 2 EuInsVO).186 Trotz dieses, vornehmlich den Schutz der inländischen Gläubiger im Blick habenden Zwecks, ist die Teilnahme am Sekundärverfahren nicht auf die inländischen Gläubiger beschränkt.187 Vielmehr können alle Gläubiger – unabhängig davon, ob es sich um inländische oder ausländische Gläubiger handelt – ihre Forderungen im Sekundärinsolvenzverfahren anmelden, ja der Hauptinsolvenzverwalter ist sogar verpflichtet, die in seinem Verfahren angemeldeten Forderungen auch im Sekundärverfahren anzumelden, wenn dies zweckmäßig erscheint (Art. 32 Abs. 2 EuInsVO). Die Möglichkeit und Verwalterpflicht zur Anmeldung im jeweils anderen Verfahren führt zu einer homogenen Gläubigerstruktur, welche nach der Intention des Verordnungsgebers auch einen Beitrag zu einer koordinierten Verfahrensbewältigung zwischen Haupt- und Sekundärverfahren leisten soll.188 Das Sekundärverfahren soll neben dem Schutz der Territorialinteressen gleichzeitig auch als ein Instrument zu einer effizienteren dezentralen Abwicklung des schuldnerischen Vermögens dienen.189 Dem Hauptinsolvenzverwalter soll über sein Antragsrecht aus Art. 29 a EuInsVO die Möglichkeit eröffnet werden, ein Sekundärverfahren zu beantragen, wenn das Vermögen des Schuldners zu verschachtelt ist, um als Ganzes verwaltet zu werden. Entsprechendes empfiehlt der erläuternde Bericht für den Fall, dass 185 Virgos/Schmit, Nr. 12, Nr. 19, Nr. 32; vgl. auch Balz, ZIP 1996, 948, 953; Moss/Fletcher/Isaacs, S. 272; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 585. 186 Duursam-Kepplinger, DZWIR 2003, 447, 451. 187 Virgos/Schmit, Nr. 27. 188 Virgos/Schmit, Nr. 34. 189 Virgos/Schmit, Nr. 19, 33.
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die Wirkungsentfaltung der Verfahrenseröffnung im Niederlassungsstaat wegen der Unterschiede in den betroffenen Rechtssystemen zu groß ist.190 b) Eröffnungsvoraussetzungen aa) Allgemein Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahren setzt zunächst voraus, dass der Schuldner in diesem Mitgliedstaat eine Niederlassung unterhält (Art. 3 Abs. 2, 27 EuInsVO). Die Niederlassung ist dabei in Art. 2 h) EuInsVO vom Verordnungsgeber selbst legal definiert. Die Verordnung versteht die Niederlassung als einen Ort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht und den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Die wirtschaftliche Aktivität muss dabei nach außen (zum Markt) hin wahrnehmbar sein.191 Die Notwendigkeit des Einsatzes von Personal soll dabei ein Mindestmaß an Organisation garantieren.192 Das Sekundärverfahren wird nur auf Antrag der dazu berechtigten Personen eröffnet. Unmittelbar aus der EuInsVO wird das Antragsrecht lediglich dem Hauptverwalter nach Art. 29 a EuInsVO zugesprochen. Daneben kann die lex fori concursus secundariae weitere Antragsberechtigungen vorsehen (Art. 29 b EuInsVO). In aller Regel wird dieses Recht vor allen den Gläubigern zustehen, denkbar wäre aber auch ein Verzicht oder eine Einschränkung des Gläubigerantragsrechts.193 Weitere Voraussetzung für die Eröffnung eines Sekundärverfahrens ist die Eröffnung eines im Sekundärstaat anzuerkennenden Hauptinsolvenzverfahrens (Art. 27 EuInsVO). In dieser Voraussetzung unterscheidet sich das Sekundärverfahren vom selbständigen Partikularverfahren nach Art. 3 Abs. 2 EuInsVO.194 Das Gericht des Sekundärstaates prüft dabei lediglich, ob es sich bei dem eröffneten Hauptverfahren um ein in Anhang A) der Verordnung aufgeführtes Verfahren handelt und somit nach Art. 16 EuInsVO anzuerkennen ist und ob sich das Gericht als im Sinne von Art. 3 Abs. 1 EuInsVO für zuständig erklärt hat und die Entscheidung bereits wirksam ist.195 Das Gericht des Sekundärstaates ist in diesem Fall an die Entscheidung gebunden und kann nicht mehr ein Hauptverfahren eröffnen, weil es 190 191 192 193 194 195
Virgos/Schmit, Nr. 19. Virgos/Schmit, Nr. 71; vgl. auch OLG Wien, NZI 2005, 57, 60. OLG Wien, NZI 2005, 57, 60. Kolmann, S. 336, Paulus, Kommentar, Art. 29 Rn. 2. Virgos/Schmit, Nr. 211. Virgos/Schmit, Nr. 213.
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der Auffassung ist, dass die in seinem Staat befindliche Niederlassung den Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners bildet.196 Die zwingende Koppelung des Sekundärverfahrens an das Hauptverfahren, Ehricke197 spricht von einer Akzessorietät, führt dazu, dass das Gericht des Sekundärstaates nicht erneut die Insolvenz des Schuldners als Eröffnungsvoraussetzung zu überprüfen braucht.198 Die Insolvenz des Schuldners ist bei einem Sekundärinsolvenzverfahren zwar Zulässigkeitsvoraussetzung, jedoch wird ihre Prüfung nicht nach den Kriterien der lex fori concursus secundariae vorgenommen, sondern durch die Anerkennung eines Hauptverfahrens ersetzt.199 Im Ergebnis übernimmt der Staat des Sekundärverfahrens die Insolvenzkonzeption des Hauptverfahrensstaates.200 bb) Besonderheit im Konzern Juristisch selbständige Tochtergesellschaften fallen als solche nicht unter den Niederlassungsbegriff aus Art. 2 h) EuInsVO, auch wenn sie die konkrete Tochtergesellschaft im Hinblick auf ihre betriebswirtschaftliche Organisationsstruktur einer unselbständigen Niederlassung sehr nahe kommt.201 Art. 2 h) EuInsVO definiert Niederlassung als Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität . . . nachgeht. Der spricht somit bereits gegen die Einbeziehung von Tochtergesellschaften in den Niederlassungsbegriff. Ferner sprechen auch Systematik und Telos gegen eine solche Einbeziehung, weil bei einer juristisch selbständigen Tochtergesellschaft für diese isoliert der Insolvenzgrund zu ermitteln ist, was im Sekundärinsolvenzverfahren jedoch nicht vorgesehen ist.202 Auch die Gesellschaftsanteile an einer ausländischen Tochtergesellschaft fallen nicht unter den Niederlassungsbegriff, denn auch wenn man im Gesellschaftsanteil eine im Ausland existierende Vermögensposition sieht, fehlt es insoweit an einer für den Niederlassungsbegriff erforderlichen Organisationsstruktur. Im Übrigen würde dies auch nur zu einem Sekundärverfahren über das Vermögen der 196 Es gilt der Prioritätsgrundsatz, vgl. EuGH, Urt. V. 2.5.2006 – C-341/04, NZI 2006, 360, 362 „Eurofood“; Virgos/Schmit, Nr. 220. 197 ZIP 2005, 1104, 1105. 198 Virgos/Schmit, Nr. 218; vgl. auch Kolmann, S. 336 f.; Wimmer, ZIP 1998, 982, 986. 199 Kolmann, S. 337; Spahlinger, S. 256. 200 Kolmann, S. 337. 201 English High Court (Telia v. Hillcourt) 2002 EWIIC 2377; Deyda, S. 37 Duursma/Duursma-Kepplinger, DZWIR 2003, 448; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, S. 21 f.; Ehricke, EWS 2002, 101; Eidenmüller, ZHR 169 (2005), 528, 563; Kolmann, S. 329; a. A. Paulus, ZIP 2002, 730, ders., EWS 2002, 497, 500. 202 Deyda, S. 38; Ehricke, EWS 2002, 105
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Mutter, d.h. der Gesellschaftsanteile, berechtigen, nicht dagegen über das Vermögen der Tochter. Dennoch bildet das Vermögen der Tochtergesellschaft im Sekundärstaat zwangsläufig eine Niederlassung, weil sich dort das Unternehmen der Tochtergesellschaft befindet, mit dem es schwerpunktmäßig im Sekundärstaat Aktivitäten entfaltet.203 Auch wenn über das Vermögen der Tochtergesellschaften am tatsächlichen Sitz der Konzernzentrale die Hauptinsolvenzverfahren eröffnet wurden, besteht somit grundsätzlich die Möglichkeit, im Staat ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit ein Sekundärverfahren zu eröffnen. c) Wirkungen eines Sekundärinsolvenzverfahrens Mit der Eröffnung des Sekundärverfahrens wird das Inlandsvermögen nicht mehr dem Regime der lex fori concursus generalis des Hauptverfahrens, sondern der inländischen lex fori particularis (Art. 27 EuInsVO) unterstellt. Die universellen Wirkungen des Hauptverfahrens werden im Hinblick auf das Inlandsvermögen ex nunc suspendiert (vgl. Art. 17 Abs. 1 EuInsVO „solange“) und durch die verfahrens- und materiellrechtlichen Wirkungen der Sekundärinsolvenz ersetzt (Art. 3 Abs. 2 S. 2 EuInsVO).204 Bildlich gesprochen wird durch das Sekundärverfahren aus der Masse des Hauptinsolvenzverfahrens ein Teil herausgelöst.205 Forderungen und Vorrechte werden entsprechend dem Rang, den ihnen die Rechtsordnung des Sekundärstaates beimisst, befriedigt. Das Sekundärinsolvenzverfahren ist jedoch nicht erforderlich, um zur Absonderung berechtigte Gläubiger im Sekundärstaat an ihrer Verwertungsabsicht zu hindern. Trotz des missverständlichen Wortlautes aus Art. 5 EuInsVO kann der Insolvenzverwalter zur Absonderung berechtigte Gläubiger an der Verwertung des mit dem dinglichen Recht belasteten Gegenstandes dann hindern, wenn dies nach dem Insolvenzrecht des Belegenheitsstaates möglich ist (etwa §§ 165 ff. InsO).206 d) Zwischenergebnis Aus der vorangehenden Skizzierung des Sekundärinsolvenzverfahrens können für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand folgende Schlüsse 203 Vgl. AG Köln, NZI 2004, 151, 152; Paulus, FS Kreft, S. 469, 476; Sabel, NZI 2004, 126, 127; Vallender/Fuchs, ZIP 2004, 829; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 586; FK/Wimmer, InsO, Anhang I nach § 358 Rn. 88 f. 204 OLG Düsseldorf, NZI 2004, 628, 629; Bloching, S. 139 ff.; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 585. 205 AG Köln, NZI 2004, 151, 153; Weller, ZHR 169 (2005), 570, 584. 206 Flessner, FS Drobnig S. 277, 283; Haas, FS Gerhardt, S. 319, 329; Oberhammer, ÖBA 2002, 698, 704; anders Vallender, FS Kreft, S. 565, 571.
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gezogen werden: Zentral gesteuerte Tochtergesellschaften, die im Konzern eine beschränkte Funktion ausüben, haben eine Niederlassung im Sinne von Art. 2 h) EuInsVO im Staat ihrer wirtschaftlich schwerpunktmäßigen Aktivität und Inkorporation. Die Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens in diesem Staat neben dem Hauptverfahren am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter ist damit möglich. Die Teilmasse des Sekundärinsolvenzverfahrens wird dabei den ganz überwiegenden Teil der Gesamtmasse ausmachen. Es stellt sich die Frage, ob dadurch eine einheitlich koordinierte Verfahrensbewältigung der Konzernglieder eines zentral-funktional integrierten Konzerns nicht wieder zunichte gemacht wird. Die Funktionen des Hauptverfahrens würden sich auf Koordinationsaktivitäten und bestimmte externe Effekte beschränken. Im nachfolgenden Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, ob in diesem Fall die Verortung des Mittelpunktes hauptsächlicher Interessen an den Ort der Konzernmutter einer effektiven Verwaltungs- und Verwertungsstrategie im Konzerngesamtkontext eher hinderlich als nützlich ist. 2. Werden die Vorteile einer zentralen Zuständigkeit durch die Eröffnung eines Sekundärverfahrens wieder genommen? Auf den ersten Blick ist mit der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens über das Vermögen einer Tochtergesellschaft die Bemühung um eine effiziente Verwaltungs- und Verwertungsstrategie im Konzerngesamtkontext wieder zunichte gemacht. Durch die Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens über den wesentlichen Teil der gesamten Vermögensmasse der ausländischen Tochtergesellschaft wird die Zuständigkeit eines neuen Gerichtes begründet und ein weiterer Insolvenzverwalter eingesetzt. Zunächst ist zu beachten, dass gewisse Vorteile einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit im Konzern auch mit der Eröffnung eines Sekundärverfahrens erhalten bleiben. Insbesondere die Synergieeffekte bei der Feststellung der Insolvenzgründe bleiben bestehen, weil es sich dabei um ein Primat des Hauptinsolvenzverfahrens handelt. Die Insolvenzgründe werden im Sekundärinsolvenzverfahren gerade nicht mehr überprüft. Des Weiteren ist zu beachten, dass das Sekundärverfahren keineswegs ein auf das Territorium der Niederlassung beschränktes, unabhängiges Insolvenzverfahren ist. Der Hauptinsolvenzverwalter hat nämlich über Art. 31 ff. EuInsVO, insbesondere der Art. 33 und 34 EuInsVO bedeutende Einflussmöglichkeiten auf den Gang des Sekundärinsolvenzverfahrens. Im nachfolgenden sollen die in der EuInsVO geregelten Kooperationsvorschriften erörtert werden. Anschließend soll überprüft werden, welchen Dienst diese Kooperationsvor-
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schriften für die Implementierung von Konzerngesamtverwertungsstrategien leisten können. Die Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in allen am Hauptsitz der Mutter eröffneten Verfahren wird dabei unterstellt. a) Die Koordinierungsvorschriften nach Art. 31 ff. EuInsVO allgemein Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners stehen nach der Konzeption des III. Kapitels der EuInsVO nicht isoliert nebeneinander. Die Art. 31 ff. der EuInsVO regeln vielmehr die Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter. In den Kooperationsvorschriften kommt der Wunsch des Verordnungsgebers nach einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes durch effiziente und wirksame grenzüberschreitende Insolvenzverfahren zum Ausdruck.207 Dabei wird das Verhältnis zwischen Haupt- und Sekundärverwalter nicht umfassend geregelt, sondern neben allgemeinen Kooperationsvorschriften punktuell Einwirkungsmöglichkeiten des Hauptverwalters auf das Sekundärverfahren formuliert. In den Erwägungsgründen wird dem Hauptverfahren jedoch ausdrücklich eine dominierende Rolle gegenüber dem Sekundärverfahren zugeschrieben (Erwägungsgrund 20). Insofern besitzt das Sekundärinsolvenzverfahren in Bezug auf das Hauptverfahren lediglich eine untergeordnete und unterstützende Funktion.208 Soweit es mit den Zielen des Sekundärverfahrens vereinbar ist, soll dessen Gang und Ausgang den Bedürfnissen des Hauptinsolvenzverfahrens untergeordnet werden.209 In der rechtlichen Ausgestaltung ist die dominierende Rolle des Hauptinsolvenzverfahrens insbesondere in der Einflussmöglichkeit des Hauptverwalters auf die Verwertungsentscheidung im Sekundärverfahren (Art. 31 Abs. 3, 33, 34 EuInsVO) verwirklicht, worauf noch ausführlich einzugehen sein wird. Im Übrigen besteht eine gegenseitige Informations- und Unterrichtungspflicht (Art. 31 Abs. 1 EuInsVO) und eine allgemeine Pflicht zu wechselseitiger Zusammenarbeit (Art. 31 Abs. 2 EuInsVO). Aus der Formulierung „Zusam207 Virgos/Schmit, Nr. 232; vgl. auch Kübler/Prütting/Kemper, Art. 31 Rn. 6; Vallender, FS Kreft, S. 565, 566; FK/Wimmer, InsO, Art. 102 Anh I Rn. 139. 208 Erwägungsgrund 20; vgl. auch OLG Graz, NZI 2006, 660, 662, „leitende Funktion“; Balz, ZIP 1996, 954; Ehricke, ZInsO 2004, 633, 633; ders., ZIP 2005, 1104, 1105 „Verhältnis von Haupt- und Sekundärverwalter als principal-agent-Beziehung“; Paulus, Art. 31 Rn. 18; ders., EWS 2002, 497, 497; Staak, NZI 2004, 480, 481; Wimmer, ZIP 1998, 982, 987; vorsichtiger Beck, NZI 2006, 609, 610. 209 Virgos/Schmit, Nr. 35; vgl. auch Balz, ZIP 1996, 954; Paulus, EWS 2002, 497, 497; Staak, NZI 2004, 480, 481.
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menarbeit“ in Art. 31 Abs. 2 EuInsVO wird deutlich, dass der Hauptinsolvenzverwalter trotz seiner dominierenden Rolle kein Weisungsrecht gegenüber dem Sekundärinsolvenzverwalter im Sinne einer unmittelbar geltenden Folgepflicht hat.210 Die Einhaltung der besonderen und allgemeinen Kooperationspflicht zwischen Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalter kann effektiv nur über das jeweilige Aufsicht führende Insolvenzgericht und einer möglichen Haftung des Insolvenzverwalters wegen Verstoß gegen seine Kooperationspflichten aus Art. 31 EuInsVO nach den nationalen Vorschriften erreicht werden.211 Inwieweit die Haftungsandrohung auf effektive Weise die Durchsetzung der Kooperationspflicht gewährleisten kann, bleibt fraglich, weil die Verordnung kein inhaltlich konkret gefasstes Regelwerk enthält, wie die Insolvenzverwalter zu kooperieren haben. Zur Konkretisierung der haftungsauslösenden Kooperationspflichten wird die Entwicklung eines Verhaltenskodex vorgeschlagen, der Maßgaben für das Verhalten von Insolvenzverwaltern bei der Koordinierung von grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren beinhaltet.212 b) Einfluss des Hauptinsolvenzverwalters auf die Verwertungsentscheidung im Besonderen Die dominierende Rolle des Hauptverfahrens gegenüber dem Sekundärverfahren kommt insbesondere in der möglichen Einflussnahme des Hauptverwalters auf die Verwertung der Masse im Sekundärverfahren zum Ausdruck. Die mögliche Einflussnahme des Hauptinsolvenzverwalters auf Verwertungshandlungen im Sekundärverfahren ist insbesondere in Art. 31 Abs. 3 EuInsVO (Vorschlagsrecht), Art. 33 (gerichtliche Aussetzung der Verwertung auf Antrag) und Art. 34 (Vorlage eines Sanierungsplanes) geregelt. aa) Vorschlagsrecht Nach Art. 31 Abs. 3 EuInsVO hat der Verwalter eines Sekundärinsolvenzverfahrens dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu gegebener 210
Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 31 Rn. 19; Ehricke, ZInsO 2004, 633, 635 f.; ders., WM 2005, 397, 400; ders., ZIP 2005, 1104, 1108; Moss/ Fletcher/Isaacs, Rn. 8.231; Smid, Internationales Insolvenzrecht, EuInsVO, Art. 31 Rn. 19 f.; anders Herchen, S. 152 f. 211 Vgl. Virgos/Schmit, Nr. 234; vgl. auch Durrsma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 31 Rn. 25; Ehricke, WM 2005, 397, 401; Paulus, EuInsVO, Art. 31 Rn. 14; Smid, Internationales Insolvenzrecht, EuInsVO, Art. 31 Rn. 13. 212 Ehricke, WM 2005, 397, 404.
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
Zeit Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung oder jede Art von Verwendung der Masse des Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten. Diese besondere Unterrichtungs- und Kooperationspflicht trifft nur den Sekundärinsolvenzverwalter gegenüber dem Hauptverwalter.213 Aus ihr folgt, dass der Sekundärverwalter den Hauptverwalter im Hinblick auf geplante Verwertungsmaßnahmen über wesentliches Betriebsvermögen214 (Verwertung) und über die Fortführung oder Einstellung der Niederlassung (Art der Verwendung) vorab informieren muss.215 Durch die Unterrichtungspflicht des Sekundärinsolvenzverwalters und dem Vorschlagsrecht des Hauptinsolvenzverwalters soll in einem ersten Schritt die Verwirklichung einer durch die Aufspaltung der Masse gefährdete effiziente Gesamtverwertung ermöglicht werden. Durch die Unterrichtungspflicht wird zunächst einmal gewährleistet, dass der Hauptverwalter Verwertungslösungen, wie etwa der Verkauf des Gesamtunternehmens oder die Sanierung, planen und vorbereiten kann, ohne dass er durch parallele Verwertungsbemühungen im Sekundärverfahren vor vollendete Tatsachen gesetzt wird. Aus dem Vorschlagsrecht folgt im Grundsatz auch die Pflicht des Sekundärinsolvenzverwalters, nachdem er den Hauptverwalter über eigene Verwertungsvorstellungen in Kenntnis gesetzt hat, Vorschläge des Hauptinsolvenzverwalters abzuwarten und bis dahin mit der Liquidation im Sekundärverfahren zu warten und Alternativverwertungsvorschläge des Hauptinsolvenzverwalters prüfend zur Kenntnis zu nehmen.216 Eine rechtsverbindliche Folgepflicht des Sekundärinsolvenzverwalters gegenüber dem Vorschlag des Hauptinsolvenzverwalters besteht indes nicht.217 Der Wortlaut „Vorschlag“ spricht zunächst gegen ein solches Weisungsrecht. Auch die Möglichkeit des Hauptinsolvenzverwalters, die Verwertung im Sekundärverfahren per Gerichtsbeschluss aussetzen zu lassen (Art. 33 EuInsVO), gibt ein systematisches Argument gegen ein unmittelbares Weisungsrecht gegenüber dem Sekundärverwalter. Müsste der Sekundärverwalter ohnehin Verwertungsvorschlägen unmittelbar Folge leisten, dann bedürfte es keines Verwertungsstopps. Auch wenn sich ein unmittelbares Weisungsrecht in die Unterordnungsfunktion des Sekundärinsolvenzverfahrens einfügen würde, ist davon auszugehen, dass der Verordnungsgeber einen derartig intensiven Eingriff in das Recht der Einzelstaaten ausdrücklich geregelt hätte.
213
MünchKomm IntWirR/Kindler, IntInsR Rn. 701. So gehört etwa der Verkauf von Warenvorräten im Zuge einer Aufrechterhaltung der Betriebstätigkeit nicht dazu, vgl. Vallender, FS Kreft, S. 565, 568; MünchKomm IntWiR/Kindler, IntInsR Rn. 715. 215 Virgos/Schmit, Nr. 233. 216 OLG Graz NZI 2006, 660, 662; Ehricke, ZInsO 2004, 633, 635. 217 So die ganz h. M. vgl. statt vieler Ehricke, ZInsO 2004, 633, 635, m. w. N. 214
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bb) Recht auf Aussetzung der Verwertung im Sekundärverfahren Das oben beschriebene Vorschlagsrecht des Hauptinsolvenzverwalters wird flankiert durch sein Recht, die Verwertung der Masse im Sekundärverfahren auf seinen Antrag durch gerichtliche Anordnung stoppen zu lassen (Art. 33 EuInsVO). Dem Hauptverwalter wird dadurch ermöglicht, einen Alleingang des Sekundärverwalters zu Gunsten einer Gesamtverwertungsstrategie zu verhindern. Dabei kann er von diesem Aussetzungsantrag präventiv Gebrauch machen, um auf diese Weise Zeit für eine Sanierung oder einen Vergleich im Hauptverfahren oder für den Verkauf des gesamten Unternehmens unter Einschluss der Niederlassung (übertragende Sanierung) zu gewinnen.218 (1) Allgemeine Voraussetzung für eine gerichtliche Aussetzung der Verwertung im Sekundärverfahren durch den Hauptverwalter Nach Art. 33 S. 2 EuInsVO hat das Gericht des Sekundärstaates den Aussetzungsantrag grundsätzlich zu entsprechen, es sei denn, die Aussetzung ist für die Gläubiger des Hauptverfahrens offensichtlich nicht von Interesse. Das Gericht prüft bei der Begründung des Aussetzungsantrages demnach nur, ob die Aussetzung für das Hauptverfahren und der Interessen seiner Gläubiger Bedeutung zukommt. Mit Interessen der Gläubiger des Hauptverfahrens ist letztlich das Verwertungsinteresse in diesem Verfahren gemeint. Das Gericht des Sekundärverfahrens kann den Antrag nur dann ablehnen, wenn der Masse des Sekundärverfahrens für die Verwertungsstrategien im Hauptverfahren offensichtlich keine Bedeutung zukommt. Mit der Wortwahl „offensichtlich“ entschärft der Verordnungsgeber die Anforderungen an die Darlegungslast des Verwalters und die Prüfungspflicht des Gerichts.219 Das Vortragen und ggf. Beweisen einer Sanierungsabsicht oder eines auch die Niederlassung umfassenden Gesamtveräußerungskonzeptes durch die Hauptverwalter wird dabei den Aussetzungsantrag in der Regel rechtfertigen.220 Zum Schutz der Interessen der Gläubiger des Sekundärverfahrens steht dem Gericht die Möglichkeit zu, den Hauptverwalter zu entsprechenden Maßnahmen (vgl. Art. 33 Abs. 1 S. 1 EuInsVO), wie etwa Sicherheitsleistung und Zinszahlung, zu verpflichten.221 218
Virgos/Schmit, Nr. 36, 3 d); vgl. auch OLG Graz, NZI 2006, 660, 662 f. Duursma-Kepplinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 33 Rn. 11, Rn. 23. 220 Vgl. Virgos/Schmit Nr. 243. 221 Balz, ZIP 1996, 953, 954; MünchKomm IntWirR/Kindler, IntInsR Rn. 758, in Anlehnung an § 169 InsO. 219
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Auf Antrag eines Gläubigers im Sekundärverfahren, des Sekundärverwalters oder von Amts wegen durch das Gericht ist die Aussetzung der Verwertung aufzuheben, wenn dies insbesondere nicht mehr mit den Interessen der Gläubiger des Haupt- oder Sekundärinsolvenzverfahrens zu rechtfertigen ist. Ob die Aussetzung mit den Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren zu rechtfertigen ist, wird nach der Konzeption der Verordnung erst in der Entscheidung über die Aufhebung der Aussetzungsanordnung überprüft und nicht bereits bei der Anordnung. Entgegen des insoweit eindeutigen Wortlauts wird zur Vermeidung eines „unsinnigen hin und her“ die Prüfung der Sekundärinteressen bereits bei der Aussetzungsentscheidung gefordert.222 Unabhängig von dieser Frage wird dem Hauptverwalter die Einbindung der Sekundärmasse in seine Gesamtverwertungsstrategie nur dann gelingen, wenn der Verwertungsstopp mit den Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren vereinbar ist. Damit steht allerdings nur fest, dass die Aussetzung mit den Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren vereinbar sein soll, nicht jedoch welche Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren konkret gemeint sind. Hier hat man sich auf den Zweck des Sekundärinsolvenzverfahrens und sein Verhältnis zum Hauptinsolvenzverfahren zu besinnen. Der Zweck des Sekundärinsolvenzverfahrens ist der Schutz der inländischen Interessen. Die Gläubiger sollen sich vor den aus den Rechtsvorschriften eines anderen Vertragsstaates resultierenden Folgen schützen können.223 Das Hauptinsolvenzverfahren als dominierendes Verfahren224 kann sich dabei innerhalb dieser Schutzfunktion des Sekundärinsolvenzverfahrens entfalten. Bezüglich der Masseverwertung bedeutet dies, dass die Masse im Sekundärstaat nur dann durch eine Verwertungsaussetzung in eine im Hauptverfahren entwickelte Gesamtverwertungsstrategie eingebunden werden kann, wenn diese für die Gläubiger im Sekundärstaat nicht nachteilig ist. Hat das Gericht die Verwertung zunächst ausgesetzt, dann hat es im Rahmen der Entscheidung über die Aufhebung, nach Anhörung des Haupt- und Sekundärinsolvenzverwalters die Interessen der Gläubiger in Haupt- und Sekundärverfahren zu bewerten und dahingehend zu überprüfen, ob die Aussetzung bei dieser Interessenlage gerechtfertigt ist. Hier ist zu beachten, dass die Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren auch durch die An222
Ansonsten wäre das Gericht gezwungen, die Aussetzung der Verwertung anzuordnen und von Amts wegen (vgl. Art. 33 Abs. 2 EuInsVO, 2. Spiegelstrich) am Tag nach der Aussetzung wegen der Unvereinbarkeit mit den Interessen der Gläubiger des Sekundärverfahrens die Aussetzung wieder aufzuheben; vgl. Nerlich/Römermann/Mincke, InsO, Art. 33 Rn. 4; Paulus, Art. 33 Rn. 9 f. 223 Virgos/Schmit, Nr. 32. 224 Vgl. Erwägungsgrund 20; OLG Graz, NZI 2006, 660, 662; Ehricke, ZInsO 2004, 633, 633; ders., ZIP 2005, 1104, 1105; Paulus, EuInsVO, Art. 31 Rn. 18.
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ordnung von Maßnahmen nach Art. 33 EuInsVO auf recht flexible Weise gewahrt werden können. Als anzuordnende Maßnahmen kommen insbesondere eine Sicherheitsleistung in Form einer Bürgschaft durch den Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens, eine Verzinsung der angemeldeten Forderungen nach Beispiel des § 169 InsO oder entsprechend § 172 InsO der Ersatz von Werteinbußen der Partikularmasse während der Dauer der Aussetzung der Verwertung in Betracht.225 Kommt das Gericht des Sekundärstaates nach Anhörung des Haupt- und Sekundärverwalters zu dem Ergebnis, dass die Einzelverwertung der Niederlassung im Sekundärverfahren lediglich durch Liquidation möglich ist, dann kann das Gericht das Interesse der Gläubiger des Sekundärinsolvenzverfahrens durch Zins- und Ausgleichszahlungen aus der Hauptmasse für evtl. Wertverluste wahren. Die Aussetzung ist in diesem Fall so lange mit den Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren vereinbar, wie die Zahlungen aus der Masse des Hauptverfahrens realisierbar sind.226 Ist dagegen die Realisierung eines Gesamtverwertungskonzepts im Hauptverfahren ungewiss, die Betriebsstätte der Niederlassung als Sachgesamtheit jedoch mit hohen Ertragsaussichten verwertbar, dann ist die Blockierung der Verwertung im Sekundärverfahren mit den Interessen ihrer Gläubiger nicht mehr vereinbar und die Aussetzung der Verwertung aufzuheben.227 Neben der Aussetzung der Verwertung sollte dem Hauptinsolvenzverwalter auch möglich sein, eine Betriebseinstellung im Sekundärverfahren über eine entsprechende Anwendung von Art. 33 Abs. 1 EuInsVO zu verhindern.228 Die Verwirklichung des Normzwecks aus Art. 33 Abs. 1 EuInsVO, den Verkauf des gesamten Unternehmens zu „going concern“ Werten unter Einschluss der Niederlassung zu ermöglichen229, wäre unvollkommen, wenn der Sekundärverwalter zwar an eine Verwertung, nicht aber an einer Betriebsstilllegung gehindert werden könnte. Nach einhelliger Ansicht ist für die Durchführung und damit das Gelingen einer übertragenden Sanierung entscheidend, dass der Verwalter eine funktionsfähige Betriebsorganisation vorfindet, in personeller wie sachlicher Hinsicht.230 Mit der Einstel225 Balz, ZIP 1996, 948, 954; Smid, Internationales Insolvenzrecht, EuInsVO, Art. 33 Rn. 8. 226 Vgl. Smid, Internationales Insolvenzrecht, EuInsVO, Art. 33 EuInsVO Rn. 10; MünchKomm InsO/Reinhart Art. 33 Rn. 4. 227 LG Leoben II, NZI 2006, 663, 664. 228 Anders Vallender, FS Kreft, S. 565, 569. 229 Virgos/Schmit, Nr. 36, 3 d). 230 Hagebusch/Oberle, NZI 2006, 618, 619; Wellensiek, FS Uhlenbruck, S. 199, 213.
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lung der Betriebstätigkeit sind jedoch der Verlust von Arbeitnehmern und regelmäßig auch der Verlust aller Kunden- und Lieferantenbeziehungen verbunden.231 Kommt der Niederlassung eine solche Schlüsselfunktion zu, dass im Fall einer Betriebsstilllegung weder eine Reorganisation noch ein Verkauf des Gesamtunternehmens zu „going concern“-Werten möglich ist, verlangt der Normzweck eine analoge Anwendung des Art. 33 Abs. 1 EuInsVO für eine Betriebsstilllegung. Zum Schutze der Interessen der Gläubiger im Sekundärinsolvenzverfahren kann das Gericht angemessene Maßnahmen (vgl. Art. 33 Abs. 1 S. 1 EuInsVO), wie etwa eine Verlustdeckung durch den Hauptverwalter, anordnen. (2) Besonderheit im Konzern Die Möglichkeit der Aussetzung der Verwertung könnte auch ein Konzerninsolvenzverwalter für sich nutzbar machen, um dadurch die Gefahr einer Liquidation des Vermögens einer Tochtergesellschaft bzw. Verwertung außerhalb des Konzernverbundes zu verhindern. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der hier vertretenen Auffassung in einem zentral-funktional aufgebauten Konzern ein einheitlicher Insolvenzverwalter für alle Insolvenzverfahren eingesetzt werden soll.232 Entsprechend der hier vertretenen einheitlichen Zuständigkeit am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter wäre eine solche einheitliche Einsetzung gewährleistet. Wird nun ein Sekundärverfahren über das Vermögen der ausländischen Tochtergesellschaft eröffnet, dann wird die Masse der Tochtergesellschaft mit zwei Verfahren, nämlich Haupt- und Sekundärverfahren, überzogen. Typischerweise liegt der überwiegende Teil der Masse der Tochtergesellschaft im Sekundärstaat. Der Hauptinsolvenzverwalter ist dabei gleichzeitig auch Insolvenzverwalter der Konzernmutter. Anders als bei parallelen Hauptinsolvenzverfahren in verschiedenen Staaten könnte die Zentrierung der Hauptverfahren an den tatsächlichen Sitz der Mutter bei gleichzeitiger Einsetzung desselben Insolvenzverwalters dazu führen, dass dieser in seiner Funktion als Hauptinsolvenzverwalter der Tochter eine Liquidation oder anderweitige Veräußerung im Sekundärverfahren über Art. 33 EuInsVO verhindern kann. Trotz der Eröffnung des Sekundärverfahrens könnte gerade wegen dieser Einflussmöglichkeiten die Verortung des Mittelpunktes der hauptsächlichen Interessen an den tatsächlichen Sitz der Mutter nach wie vor für eine konzernweite Verfahrensbewältigung vorteilhaft sein. Fraglich ist, ob der mit dem im Verfahren der Konzernmutter personenidentische Hauptinsolvenzverwalter über Art. 33 Abs. 1 EuInsVO die Verwertung nahezu der gesam231 232
Vallender, FS Kreft, S. 565, 569. Siehe oben, 3. Teil, A.
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ten Masse der Tochtergesellschaft im Sekundärverfahren aussetzen und damit den Verwalter des Sekundärverfahrens in Richtung einer konzernweiten Gesamtverwertungsstrategie bewegen kann. Klarzustellen ist zunächst, dass der Hauptinsolvenzverwalter die Aussetzung der Verwertung im Sekundärverfahren nicht allein deshalb stoppen kann, weil dies dem Interesse der anderen Gläubiger im Konzern entspricht. Art. 33 EuInsVO ist kein konzernspezifischer Aussetzungsmechanismus zur Wahrung der Verwertungsinteressen anderer Gläubiger im Konzern.233 Die Erhaltung von Werten im Konzernunternehmen und damit eine höhere Quote anderer Gläubiger im Konzern kann eine Aussetzung nicht rechtfertigen. Fällt allerdings bei einer Konzerngesamtverwertungsstrategie ein Mehrerlös im Vergleich zur Einzelverwertung auch auf das Konzernglied und damit – wegen der überwiegenden Belegenheit im Sekundärstaat – auch auf das Sekundärverfahren, so ist die Aussetzung gerechtfertigt, weil insoweit im Hauptverfahren eine günstigere Verwertungsstrategie geschaffen wird und dabei gleichzeitig die Interessen der Gläubiger im Sekundärverfahren gewahrt bleiben. Diese erhalten über die Konzerngesamtveräußerungsstrategie ja einen günstigeren Erlös für ihre Masse.234 Ein Aussetzungsantrag ist demnach nur dann gerechtfertigt, wenn der Hauptinsolvenzverwalter darlegt, dass durch die Integration beispielsweise einer Vertriebstochter in ein konzernweites Veräußerungskonzept auch für die Verwertung dieser Vertriebstochter ein offensichtlicher Mehrwert zu erwarten ist. c) Reorganisation Fraglich ist, welche Auswirkung die Eröffnung eines Sekundärverfahrens über das Vermögen einer Tochtergesellschaft auf eine evtl. geplante Reorganisation hat. Ähnlich wie bei einer geplanten Veräußerung des Konzernunternehmens stellt sich auch hier die Frage, ob der einheitliche Konzerninsolvenzverwalter trotz Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Tochtergesellschaft im Staat der wirtschaftlichen Aktivität konzernweite Sanierungsstrategien entwickeln und im Verfahren der Tochtergesellschaft durchsetzen kann. Als hinderlich könnte dabei zunächst der Umstand zu bewerten sein, dass es sich nach Art. 3 Abs. 3 EuInsVO bei dem Sekundärverfahren zwingend um ein Liquidationsverfahren handeln muss, d.h. ein Verfahren, das die Liquidation des Schuldnervermögens zum Ziel hat.
233 Vgl. OLG Graz NZI 2006, 660, 662; de lege ferenda gefordert im niederländischen Schrifttum, van Galen, II. 234 Vgl. im Ergebnis auch OLG Graz, NZI 2006, 660, 662.
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aa) Liquidationsautomatismus im Sekundärverfahren? Art. 3 Abs. 3 S. 2, 27 S. 2 EuInsVO verlangt, dass es sich beim Sekundärverfahren zwingend um ein Liquidationsverfahren handeln muss. Dennoch sieht Art. 34 Abs. 1 EuInsVO ausdrücklich vor, dass Sekundärinsolvenzverfahren durch Liquidation abwendende Maßnahmen, wie dem Sanierungsplan (nicht bloß Insolvenzplan! Die englische Version spricht vom „rescue plan“) oder einem Vergleich beendet werden können.235 Die ganz herrschende Meinung schließt daraus, dass lediglich reine Sanierungsverfahren nicht als Sekundärverfahren eröffnet werden können.236 Ein besonderes Sanierungsverfahren lässt sich schwer auf eine Niederlassung als Randbereich eines Gesamtunternehmens durchführen, wenn gleichzeitig das Hauptinsolvenzverfahren als Sanierungsverfahren geführt wird.237 Rechtsordnungen, die getrennte Verfahren vorsehen, weisen oft besondere Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrenstyps „Sanierung“ auf, die für Partikularverfahren, die auf das Inlandsvermögen beschränkt sind, entweder nicht recht passen, oder kaum erreichbar sind.238 So sind in der Regel die Sanierungsaussichten darzulegen und gerichtlich zu überprüfen, bevor das Sanierungsverfahren eröffnet werden kann.239 Bei dieser Prüfung fließen dann oftmals industriepolitische Erwägungen mit ein.240 Die Sanierungsaussichten einer Niederlassung lassen sich allerdings nicht isoliert ermitteln, sondern können nur im Rahmen einer Gesamtbetrachtung des Unternehmens festgestellt werden. Dies würde aber heißen, dass sowohl das Gericht des Hauptverfahrens als auch des Sekundärverfahrens in eine ausführliche Sanierungswürdigkeitsprüfung einsteigen müssten.241 235 Auf die Möglichkeit, das Sekundärverfahren durch einen Sanierungsplan zu beenden, weist auch Erwägungsgrund 20 der Verordnung hin. 236 Balz, ZIP 1996, 948, 954; Duursma-Kepllinger/Chalupsky, EuInsVO, Art. 34 Rn. 14 f.; Ehricke, ZIP 2005, 1104, 1108; Smid, Internationales Insolvenzrecht, Art 34 EuInsVO Rn. 9; Wimmer, ZIP 1998, 982, 988; anders Paulus, Kommentar, Art. 3 Rn. 52 f.; Art. 34 Rn. 2, der auch reine Sanierungsverfahren als Sekundärverfahren zulassen will. 237 Hanisch, in: Stoll, Vorschläge und Gutachten, S. 202, 214; vgl auch Virgos/ Schmit, Nr. 221. 238 Reinhart, S. 288. 239 So etwa im französischen Sanierungsverfahren („redressement judiciaire“), vgl. Dammann, ZIP 1996, 300 ff.; so auch im italienischen Recht, vgl. Di Nella, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 19 Rn. 10. 240 So insbesondere im italienischen Sanierungsverfahren für Großunternehmen, vgl. Di Nella, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 19 Rn. 10. 241 Ähnlich verhält es sich beim funktional-zentral integrierten Konzern. Hier können die Sanierungsaussichten nicht außerhalb einer Konzerngesamtbetrachtung festgestellt werden. Eine Prüfung der Sanierungsaussicht einer ausländischen Vertriebsgesellschaft könnte freilich nur im Konzerngesamtkontext erfolgen, denn die
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Aus deutscher Sicht kann demnach grundsätzlich auch im Wege eines Sekundärinsolvenzverfahrens eine Sanierung über das Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff.) InsO durchgeführt werden. In den meisten europäischen Rechtsordnungen ist im Übrigen auch bei reinen auf Liquidation gerichteten Verfahren eine Sanierung im Wege eines Zwangsvergleichs möglich, wie beispielsweise im österreichischen, italienischen, britischen oder spanischen Recht.242 Auch wenn das Sekundärverfahren zwingend ein Liquidationsverfahren sein muss, können in diesem die Liquidation abwendende Sanierungspläne oder Zwangsvergleiche243 verabschiedet werden.244 Demnach ist mit der Einstufung des Sekundärverfahrens als Liquidationsverfahren (Art. 3 Abs. 3 S. 2) nicht ausgeschlossen, dass das Verfahren in eine Sanierung des Schuldners mündet. bb) Sanierung durch koordinierte Insolvenzpläne? Können somit auch im Sekundärverfahren Sanierungsmaßnahmen wie Insolvenzplan oder Zwangsvergleich ergriffen werden, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese zum Hauptverfahren stehen und ob trotz der Aufspaltung des schuldnerischen Vermögens in Haupt- und Sekundärverfahren im Ergebnis eine Sanierung des Schuldners möglich ist. (1) Notwendigkeit von koordinierten Insolvenzplänen im Haupt- und Sekundärverfahren? Sanierungsverfahren bestehen in der Regel aus zwei Phasen, nämlich der Atempause, die dem Unternehmen die Möglichkeit gibt, trotz der Insolzukünftige Ertragsfähigkeit und Aussicht, auf dem Markt weiter bestehen zu können, wird man nur feststellen können, wenn die zukünftige Ertragsfähigkeit des Gesamtkonzerns überprüft wird. Insoweit kann das Konzernunternehmen nicht in seinen Randbereichen saniert werden. 242 So ist etwa nach dem auf Liquidation ausgerichteten italienischen Konkursverfahren, (s.g. „legge fallimentare“ rd 267/1942) eine Sanierung durch Zwangsvergleich möglich, Di Nella, in: Knops/Bamberger/Maier-Reimer, § 19 Rn. 10, S. 575; auch im österreichischen Konkursverfahren ist ein Zwangsvergleich möglich; Smid, Internationales Insolvenzrecht, EuInsVO, Art. 3, Rn. 25; eine Sanierung ist auch im Rahmen einer „compulsory liquidation“ im britischen Recht möglich, Schlüter, in: Knops/Bamberger/Meyer-Reimer, § 19 Rn. 7 f.; vgl. auch die Rechtslage in Spanien, Gimenez, in: Knops/Bamberger/Meyer-Reimer, § 19 Rn. 25. 243 Fraglich ist nur, ob nach diesen Verfahren auch der Gebrauch von Sicherungsrechten gestoppt werden kann, vgl. MünchKomm InsO/Reinhart, Art. 27 Rn. 2. Mechanismen zum Schutze der Insolvenzmasse gegen eine Zerschlagung durch gesicherte Gläubiger findet man vielfach nur in Sanierungsverfahren. 244 Vgl. MünchKomm InsO/Reinhart, EuInsVO, Art. 34 Rn. 1; Smid, Internationales Insolvenzrecht, EuInsVO, Art. 34 Rn. 3.
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venzsituation den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten, und der anschließenden Reorganisationsphase, in der die Rechtsbeziehungen des Schuldners neu geregelt werden.245 Die für eine Sanierung typischerweise erforderliche Atempause könnte insoweit problematisch sein, als diese in den Liquidationsverfahren der Mitgliedstaaten oftmals nicht vorgesehen sind, denn in der Regel werden Liquidationsverfahren darauf gerichtet sein, das Vermögen des Schuldners schnellstmöglich zu zerschlagen und abzuwickeln. Der Verordnungsgeber hat jedoch gewissermaßen als Ausgleich für die zwingende Führung des Sekundärverfahrens als Liquidationsverfahren in Art. 33 Abs. 1 EuInsVO die Möglichkeit vorgesehen, die Verwertung im Sekundärverfahren gerichtlich auszusetzen. Mit diesem Verwertungsstopp wollte der Verordnungsgeber nicht nur die Veräußerung des Unternehmens unter Einbezug der Niederlassung erleichtern, sondern gleichzeitig auch eine im Hauptverfahren angestrebte Sanierung ermöglichen.246 In konsequenter Weise müsste bei einer gerichtlichen Aussetzung auch die Geltendmachung von Sicherungsrechten ausgeschlossen sein, wenn das nationale Sanierungsverfahren dies vorsieht. Im Hinblick auf die Regelung der Rechtsbeziehung des Schuldners, insbesondere die Kürzung von Forderungen oder Stundung zur Beseitigung der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit ist jeweils im Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren ein Insolvenzplan oder Fortführungsvergleich vorzulegen, denn über Art. 33 EuInsVO lässt sich nur die Verwertung des Vermögens aussetzen, nicht dagegen das Sekundärinsolvenzverfahren und der mit ihm verbundene Insolvenzbeschlag.247 Die Gestaltung der Rechtsbeziehungen des Schuldners über einen möglichen Insolvenzplan oder Vergleich im Hauptverfahren hat demnach keine Auswirkung für das Sekundärverfahren. Ein Insolvenzplan oder Vergleich des Hauptverfahrens, der eine Stundung oder Forderungskürzung vorsieht, hätte keine gestaltende Wirkung für das Sekundärverfahren. Im Sekundärverfahren könnten die Gläubiger nach wie vor in voller Höhe ihre Ansprüche geltend machen (sog. „hinkende Forderungen“248). Umgekehrt kann eine Kürzung von Forderungen über einen Insolvenzplan oder Vergleich im Sekundärverfahren nur beschränkte Wirkung für diesen Territorialstaat haben. Art. 34 Abs. 2 EuInsVO sieht eine Wirkungserstreckung über den Sekundärstaat hinaus nur bei Zustimmung aller Gläubiger vor. Dahinter steht der Gedanke, dass ein auf einen bestimmten Teil des Vermögens beschränktes Verfahren nicht die Autorität haben kann, umfassend in die Rechte der Gläubiger des 245
MünchKomm InsO/Reinhart, EuInsVO, Art. 27 Rn. 2. Virgos/Schmit, Nr. 243; 36 3.d) vgl. auch englische Version Nr. 243 „stay of liquidation“. 247 OLG Graz, NZI 2006, 660, 662. 248 Vgl. Reinhart, S. 307. 246
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Schuldners einzugreifen. Mit diesem Zweck steht jedoch im Einklang, wenn die Zustimmung der Gläubiger gleichzeitig über einen Insolvenzplan im Hauptverfahren nach dem Abstimmungsmodus der lex fori concursus ersetzt wird. Eine Zustimmung aller Gläubiger ist somit dann nicht erforderlich, wenn in aufeinander abgestimmten Insolvenzplänen sowohl im Hauptals auch im Sekundärverfahren eine Sanierung des Unternehmensträgers durchgeführt werden soll.249 Um die Entstehung „hinkender Forderungen“250 zu verhindern, muss sowohl im Haupt- als auch im Sekundärinsolvenzverfahren der Insolvenzplan oder Vergleich die Gestaltung der Forderungen einheitlich durchführen. Eine inhaltliche Abstimmung hat auch im Hinblick auf die Zuweisung der zukünftigen Befriedigungsquote zu erfolgen. Die Befriedigung erfolgt in der Sanierung durch zukünftige Erträge, welche durch einen Finanzplan ermittelt werden.251 Die Verteilung dieser zukünftig zu erwirtschaftenden Erträge zwecks Befriedigung der Gläubiger müsste im Plan des Haupt- auch Sekundärverfahren einheitlich erfolgen, weil ansonsten der von der Niederlassung zu erwirtschaftende Ertrag ermittelt werden müsste.252 Gestaltungsregelungen, die territorial begrenzbar sind, wie etwa der Eingriff in ein Sicherungsrecht, bedürfen dagegen keiner inhaltlichen Abstimmung. (2) Art. 34 Abs. 1, 3 EuInsVO als Garant eines abgestimmten Sanierungsplanes Art. 34 Abs. 1 gewährt dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ein Vorschlagsrecht für einen Sanierungsplan oder Vergleich im Sekundärverfahren. Art. 34 Abs. 3 EuInsVO verstärkt dies zu einem ausschließlichen Vorlagerecht des Hauptinsolvenzverwalters oder des Schuldners nach vorheriger Zustimmung des Hauptverwalters, wenn gleichzeitig die Verwertung im Sekundärverfahren nach Art. 33 ausgesetzt wurde.253 Es besteht demnach keine Möglichkeit, einen Sanierungsplan im Sekundärverfahren am Hauptverfahren vorbei zu verabschieden. Liegt ein gerichtlicher Aussetzungsbeschluss nach Art. 33 EuInsVO vor, so kann der Haupt249 FK/Wimmer, InsO, Art. 102, § 9 Rn. 3; § 355 Rn. 7; vgl. auch Kübler/Prütting/Kemper, InsO, Art. 102 § 9 EGInsO Rn. 1; Braun/Liersch, InsO, § 355 Rn. 17; vgl. dort auch zur entsprechenden Auslegung der deutschen Durchführungsvorschrift Art. 102 § 9 EGInsO. 250 Reinhart, S. 307. 251 Siehe oben, 1. Teil, C.I.3. 252 Zu den vergleichbaren Schwierigkeiten im funktional-vertikal integrierten Konzern vergleiche die Ausführungen zur „substantive consolidation“ durch Insolvenzpläne, oben 4. Teil, B.II.4.b)aa)(2). 253 Vgl. dazu oben, 5. Teil, B.V.2.b)bb).
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insolvenzverwalter zunächst ein Sanierungskonzept entwickeln und entsprechende aufeinander abgestimmte Pläne für das Haupt- und Sekundärverfahren ausarbeiten. Im Sekundärverfahren kann er dann am Sekundärverwalter vorbei den abgestimmten Plan zur Abstimmung stellen lassen. cc) Bedeutung für die Konzerninsolvenz Dem Hauptinsolvenzverwalter, der gleichzeitig Insolvenzverwalter der Konzernmutter ist, bleibt trotz der Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens erheblicher Einfluss auf die Verwirklichung von Sanierungsstrategien erhalten. Der Hauptverwalter in seinem Doppelmandat kann in seiner Eigenschaft als Hauptinsolvenzverwalter der Tochter die Konzerngesamtverwertungsstrategie gegenüber dem Sekundärverwalter durchsetzen. Verbunden mit der vorherigen gerichtlichen Aussetzung der Verwertung nach Art. 33 EuInsVO kann nur der Hauptinsolvenzverwalter einen Sanierungsplan in das Sekundärverfahren einbringen (Art. 34 Abs. 3). Damit ist nach wie vor garantiert, dass die Insolvenzpläne im Konzern „aus einer Hand“ in die einzelnen Verfahren eingebracht werden.254 Langwierige Abstimmungen zwischen den Verwaltern der einzelnen Konzerngesellschaften werden dadurch vermieden. Ein wesentlicher Vorteil liegt aber gerade in Verbindung mit Art. 33 EuInsVO. Der Hauptverwalter kann trotz Eröffnung eines Sekundärverfahrens verhindern, dass der Verwalter das Vermögen liquidiert, somit die für eine Sanierung notwendige Atempause herbeiführen. Ein gewisser Nachteil besteht jedoch darin, dass eine Gestaltung der Gläubigerrechte mit universeller Wirkung zwei inhaltlich aufeinander abgestimmte Insolvenzpläne erfordert. Damit sind unweigerlich Effizienzverluste bei der Verfahrensbewältigung verbunden. Dennoch sollte dieser Nachteil nicht überbewertet werden. Er hängt vielmehr von der jeweiligen Flexibilität des nationalen Insolvenzverfahrens ab. Aufgrund der identischen Gläubigerstruktur in beiden Verfahren255 können in einem gemeinsamen Termin über die Pläne für das Haupt- und Sekundärverfahren abgestimmt werden, wenn nicht ohnehin nach der nationalen Rechtsordnung ausschließlich das Insolvenzgericht über die Bestätigung des Insolvenzplans entscheidet.256 Der Insolvenzplan im Sekundärverfahren wird dabei dingliche Gestaltungen des im Territorium belegenen Vermögens und die Gestaltung der Gläubiger254
Zur Bedeutung eines einheitlichen Planinitiativrechtes, 4. Teil, B.II.2.a). Eine solche wird aufgrund der Anmeldepflicht der Verwalter im jeweils anderen Verfahren, vgl. Art. 32 Abs. 2 EuInsVO, in der Regel gegeben sein. 256 Im französischen Sanierungsverfahren (redressement judiciaire) wird der Insolvenzplan, nicht von der Gläubigerversammlung, sondern vom Insolvenzgericht beschlossen, vgl. Baureis/Vallnes, in: Knop/Bamberger/Maier-Reimer, § 19 Rn. 10. 255
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rechte (Forderungskürzungen und Ertragszuweisungen) beinhalten. Da im Zusammenhang mit einer Konzerninsolvenz das überwiegende Vermögen der Tochtergesellschaft klassischerweise im Sekundärstaat belegen ist, müsste nur die Gestaltung der Gläubigerrechte durch einen inhaltsgleichen Insolvenzplan flankiert werden. Die Frage der Sanierungswürdigkeit, die sich aus Sicht des deutschen Insolvenzverfahrens ohnehin nicht stellt, wird dabei vom Hauptverfahren aus bestimmt. Dieser Insolvenzplan wird dann wiederum aus dem Konzerngesamtsanierungsprogramm entwickelt. Das Gelingen hängt im entscheidenden Maße davon ab, ob sich die Forderungen einheitlich kürzen lassen. d) Zusammenfassendes Ergebnis zum Sekundärverfahren Wird ein Hauptinsolvenzverfahren über das Vermögen einer ausländischen Tochtergesellschaft, die lediglich eine Funktion innerhalb des Gesamtkonzerns wahrnimmt und hauptsächlich von der Konzernzentrale aus verwaltet wird, am tatsächlichen Sitz der Mutter eröffnet und gleichzeitig im Mitgliedstaat des wirtschaftlichen Tätigkeitsschwerpunktes ein Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet, werden die mit einer zentralen Abwicklung verbundenen Vorteile ein Stück weit wieder genommen. Jedoch bleiben auch mit Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens nach wie vor Vorteile einer zentralen Abwicklung, insbesondere im Hinblick auf Wert maximierende Konzerngesamtverwertungstrategien bestehen. Zwar wird durch die Eröffnung eines Sekundärverfahrens der wesentliche Teil des Betriebsvermögens aus dem Hauptverfahren heraus gelöst und einem Sekundärinsolvenzverwalter in die Hände gelegt. Wird entsprechend der englischen und teilweise auch deutschen Praxis in den verschiedenen Hauptverfahren der Konzernglieder am tatsächlichen Sitz der Konzernmutter der gleiche Insolvenzverwalter eingesetzt, so bleiben die Vorteile einer einheitlichen Zuständigkeit im Hinblick auf die Implementierung von optimalen Gesamtverwertungsstrategien trotz der Eröffnung eines Sekundärverfahrens erhalten. Die in Art. 31 ff. EuInsVO normierten Kooperationsvorschriften, insbesondere das Recht, die Verwertung der Sekundärmasse gerichtlich stoppen zu lassen (Art. 34 EuInsVO), geben dem Hauptinsolvenzverwalter gegenüber seinem Verwalterkollegen im Sekundärinsolvenzverfahren genügend Einflussmöglichkeit, wertmaximierende Gesamtverwertungsstrategien durchzusetzen.
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VI. Sekundärverfahren in Eigenverwaltung: Deutscher Sonderweg? 1. Die Entscheidung des AG Köln „Automole“ Das Amtsgericht Köln hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 versucht, die durch die Aufteilung in Haupt- und Sekundärverfahren verbleibenden Reibungsverluste über die Anordnung der Eigenverwaltung im Sekundärverfahren aufzulösen.257 Auch dieser Entscheidung lag ein Konzernsachverhalt zugrunde. Über das Vermögen einer deutschen Tochtergesellschaft in der Rechtsform einer GmbH wurde am tatsächlichen Sitz der englischen Konzernmutter in Birmingham das Insolvenzverfahren eröffnet (administration order). Die gleichzeitig im Verfahren der Konzernmutter eingesetzten joint administrators und der Geschäftsführer der schuldnerischen Gesellschaft beantragten die Eröffnung eines Sekundärverfahrens und die Anordnung der Eigenverwaltung. Das Amtsgericht Köln kam diesem Antrag nach und eröffnete das Sekundärverfahren und ordnete im Eröffnungsbeschluss gleichzeitig die Eigenverwaltung an. In diesem Eröffnungsbeschluss stellte das Gericht im Übrigen fest, dass die Eigenverwalterrolle von den britischen Insolvenzverwaltern des Hauptverfahrens unter Aufsicht eines deutschen Sachwalters wahrgenommen werden sollte. 2. Bewertung Ein Sekundärverfahren kann im Grundsatz auch in Eigenverwaltung geführt werden. Vom sachlichen Anwendungsbereich der EuInsVO werden zwar grundsätzlich nur Verfahren erfasst, welche den Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben (Art. 1 Abs. 1 EuInsVO). Wie der Legaldefinition aus Art. 2 b) EuInsVO zu entnehmen ist, versteht die Verordnung unter Verwalter jedoch auch Personen, die lediglich die Geschäftstätigkeit des Schuldners überwachen, wie etwa der Sachwalter. Es stellt sich jedoch die Frage, ob es tatsächlich der Verwalter im Hauptverfahren ist, der die Eigenverwalterrolle wahrnimmt, wie vom AG Köln festgestellt wurde. Als Begründung führte das AG Köln aus, dass mit der Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens grundsätzlich die Wirkungen des Hauptverfahrens bestehen blieben und lediglich einzelne Wirkungen 257 AG Köln, NZI 2004, 152, Leitsatz Nr. 6, 155; dem AG folgend Weller, ZHR 169 (2005), 570, 592; Meyer-Löwy/Poertzgen, ZInsO 2004, 195, 198, welche die Eigenverwaltung schon als „Exportschlager“ für ausländische (Hauptinsolvenzverwalter) sehen.
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des ausländischen Verfahrens durch die speziellen Wirkungen des hiesigen Sekundärverfahrens verdrängt würden.258 Eine Verdrängung der Wirkung des Hauptverfahrens durch das später eröffnete Sekundärverfahren erfolge nur soweit, als die Wirkungen des Sekundärverfahrens mit den Wirkungen des Hauptverfahrens kollidierten. Der Insolvenzbeschlag des Hauptverfahrens habe nach wie vor Gültigkeit und werde lediglich durch den speziellen Insolvenzbeschlag des Sekundärverfahrens überlagert. Entsprechend bestünden die Wirkungen des Hauptinsolvenzverfahrens auch nach Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens fort, soweit sie nicht mit den speziellen Wirkungen des deutschen Verfahrens kollidieren.259 Aus diesem, im Ergebnis zuzustimmenden, dogmatischen Grundverhältnis zwischen dem Haupt- und Sekundärinsolvenzverfahren schließt das Amtsgericht Köln jedoch zu Unrecht den Fortbestand der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis der Verwalter im Hauptverfahren. Es geht in seiner Entscheidung davon aus, dass mit der Anordnung der Eigenverwaltung das deutsche Insolvenzrecht keine eigenständige Regelung über die Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners treffe und insoweit keine Verdrängungswirkung gegenüber der nach der lex fori concursus des Hauptverfahrens den englischen Hauptverwaltern übertragenden Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis habe.260 Damit legt das Amtsgericht Köln implizit das hier (im vierten Teil) abgelehnte Verständnis einer privatautonomen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des eigenverwaltenden Schuldners zugrunde. Wie oben ausführlich gezeigt, wird mit Anordnung der Eigenverwaltung die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis insolvenzspezifisch auf den Schuldner übertragen. Insoweit lässt das Sekundärverfahren auch keine „Lücke“, die vom nach wie vor bestehenden, jedoch vom Sekundärverfahren überlagerten Insolvenzbeschlag ausgefüllt werden kann. Vielmehr kollidiert nun die im Sekundärverfahren auf den Schuldner übertragene insolvenzspezifische Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit der des Hauptverfahrens. Wird das Sekundärverfahren in Eigenverwaltung eröffnet, so wird die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Hauptverwalters von dem territorial auf Deutschland beschränkten Insolvenzbeschlag des Sekundärverfahrens verdrängt und geht auf den Schuldner über. Im Ergebnis wollte das Amtsgericht Köln mit der Übertragung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die englischen Hauptinsolvenzverwalter im Verfahren der Eigenverwaltung den Weg für eine konzernweite 258
AG Köln, NZI 2004, 152, 153. AG Köln, NZI 2004, 152, 153, mit Verweis auf MünchKomm InsO/Reinhart, EuInsVO, Art. 18 Rn. 1. 260 AG Köln, NZI 2004, 152, 153. 259
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Verwertungsoption aufrechterhalten.261 Die englischen Gerichte hatten in jedem Verfahren der einzelnen Konzernglieder die gleichen „administrators“ eingesetzt, um den Konzernverbund aufrecht zu erhalten und konzernweite Verwertungsoptionen mit bestmöglicher Befriedigung aller Gläubiger zu ermöglichen. Diese Verwaltung aller Konzernunternehmen „aus einer Hand“ sollte aufrecht erhalten bleiben und die von den Verwaltern angestrebte Gesamtveräußerung ausdrücklich unterstützt werden.262 Auch die hier vertretene insolvenzspezifische Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Schuldners im Verfahren der Eigenverwaltung versperrt den Weg einer Harmonisierung von Haupt- und Sekundärverfahren insbesondere in Konzernsachverhalten nicht vollständig. Die Anordnung der Eigenverwaltung im Sekundärinsolvenzverfahren führt dazu, dass die deutsche GmbH für das im Sekundärstaat Deutschland befindliche Vermögen weiterhin verwaltungs- und verfügungsbefugt bleibt. Wie bereits oben ausführlich ausgeführt, sind es die Organe, d.h. die Geschäftsführer, welche die Befugnisse der eigenverwaltenden Gesellschaft wahrnehmen. Im Außenverhältnis sind es die Geschäftsführer, im Innenverhältnis unterliegen diese den gesellschaftsrechtlichen Bindungen. Anders als vom AG Köln angenommen, wird mit der Anordnung der Eigenverwaltung im Sekundärverfahren der ausländische Insolvenzbeschlag verdrängt und durch einen territorialen Insolvenzbeschlag ersetzt, dessen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf die Gesellschaft als solche zurückgeht und nicht auf die Verwalter des Hauptverfahrens. Es sind die Geschäftsführer der GmbH und nicht, wie vom AG Köln angenommen, die Verwalter des Hauptverfahrens, welche die Eigenverwalterrolle wahrnehmen.263 Die Gesellschaftsanteile der deutschen 261 So die ausdrückliche Begründung des AG Köln, NZI 2004, 152, 155. Das Gericht war davon überzeugt, dass bei einer Veräußerung des Konzerngesamtunternehmens mit hoher Wahrscheinlichkeit ein höherer Erlös für die in Frage stehenden Vermögenswerte erzielt werden könnte, als wenn die Teilunternehmen der drei Gesellschaften getrennt bzw. im Fall einer Zerschlagung zu Liquidationswerten verwertet würden, insbesondere weil dann die Organisations- und Finanzstruktur aufgebrochen würden. 262 Vgl. AG Köln, NZI 2004, 152, 155. 263 In diese Richtung geht eine weitere Entscheidung des AG Köln nach dem „Automol“-Beschluss. In diesem unveröffentlichten Beschluss (vgl. Widergabe des Sachverhalts bei Beck, NZI 2006, 609, 618) wurde wiederum in der klassischen Konstellation über das Vermögen einer deutschen Tochtergesellschaft beim High Court of Justice in London das Hauptverfahren eröffnet. Die englische Muttergesellschaft hatte einen anerkannten deutschen Insolvenzfachmann als Mitgeschäftsführer ihrer deutschen Tochtergesellschaft (GmbH) bestellt. Der britische Hauptinsolvenzverwalter, die Geschäftsführer der deutschen Tochtergesellschaft und ein Gläubiger haben anschließend einen Antrag auf Eröffnung des Sekundärinsolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Im Hinblick auf die besonderen Eröffnungsvoraussetzungen für die Anordnung der Eigenverwaltung (vgl. § 270 Abs. 2 Nr. 3 InsO) hat das
C. Zusammenfassendes Ergebnis
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GmbH werden jedoch von dem universal wirkenden Insolvenzbeschlag der Muttergesellschaft erfasst. Der im Insolvenzverfahren der Mutter und im Hauptverfahren über das Vermögen der ausländischen Tochter eingesetzte Insolvenzverwalter kann zwar nicht die Befugnisse der Eigenverwaltung kraft seiner Stellung als Hauptverwalter der Tochter wahrnehmen. Er kann jedoch das Weisungsrecht aus § 37 GmbHG gegenüber den Geschäftsführern der GmbH aus seiner Position als Verwalter der Konzernmutter nach wie vor ausüben.264
C. Zusammenfassendes Ergebnis zur Konzentration der Insolvenzverfahren auf gerichtlicher Ebene Die Konzentration mehrerer Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen in der Hand eines Richters erwies sich für die Verfahrensbewältigung als vorteilhaft. Synergien bei der Aneignung problemspezifischen Sachverstandes werden optimal genutzt und Koordinationsschwierigkeiten zwischen den sonst involvierten verschiedenen Insolvenzgerichten entfallen. Dies führt zunächst zu einer effizienten Nutzung knapper Justizressourcen. Mit der Konzentration der Insolvenzverfahren an ein Gericht steigt gleichzeitig die Chance auf die Berufung eines Konzerninsolvenzverwalters und inkorporiert damit gleichzeitig die gesamten Vorteile einer einheitlichen Insolvenzverwaltung. Auch eine einheitliche Entscheidung über die Anordnung der Eigenverwaltung bei entsprechender Sanierungsaussicht wäre bei einer Konzentration der gerichtlichen Zuständigkeit gewährleistet. Diese Vorteile einer einheitlichen gerichtlichen Zuständigkeit und einheitlichen Abwicklung bestehen allerdings im evidenten Maße nur bei einem zentralfunktional aufgebauten Konzern. Aufgrund der wirtschaftlichen Verflechtung der einzelnen Konzernglieder ist gerade hier ein hoher Abstimmungsbedarf bei der Unternehmensfortführung im Insolvenzverfahren und bei den Verwertungsentscheidungen erforderlich. Dieser Umstand und die mit einem zentralen Konzernaufbau typischerweise verbundene Verlagerung von Verwaltungsfunktionen in die Konzernzentrale führten im Wege einer typisierten Betrachtungsweise zu dem Ergebnis, dass Insolvenzverfahren einzelner Konzernglieder, die lediglich eine bestimmte Funktion innerhalb des Gesamtkonzerns übernehmen, am effizientesten vom tatsächlichen Sitz der Konzernmutter aus bewerkstelligt werden können. Im Hinblick auf die euGericht unter anderem auf den Umstand abgestellt, dass ein deutscher Insolvenzexperte zum Geschäftsführer bestellt wurde. 264 Da die Eigenverwaltung jedoch nur für Sanierungsfälle geeignet ist (vgl. oben 4. Teil, A.II.3., sollte auch im Sekundärverfahren nur bei angestrebter Sanierung die Eigenverwaltung angeordnet werden.
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5. Teil: Konzentration der Insolvenzverfahren
ropäische Zuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 EuInsVO und das in Erwägungsgrund 13 der Verordnung festgeschriebene Gebot der Erkennbarkeit ist der Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen einzelner Konzernglieder nur dann an den tatsächlichen Sitz der Mutter zu verorten, wenn die Zentralisierung oder Funktionsbeschränkung für die Gläubiger des jeweiligen Konzerngliedes erkennbar ist. Nach vorliegendem Verständnis wird das Erkennbarkeitskriterium dann erfüllt, wenn die Tochtergesellschaft durch ihren Geschäftsführer nach außen hin von der Konzernzentrale aus verwaltet wird oder ihr Unternehmensgegenstand in der Satzung auf eine dienende Funktion im Konzern ggf. mit entsprechender Firmenpublizität ausgerichtet ist. Gleiches gilt im Grundsatz auch für die nationale örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO, auch wenn mit der nationalen Zuständigkeit nicht das anwendbare Recht verbunden ist und somit die Erkennbarkeit des Gerichtsstandes wesentlich geringere Bedeutung hat. Die Vorteile einer zentralen Abwicklung werden im europäischen Kontext durch die mögliche Eröffnung eines Sekundärinsolvenzverfahrens nach Art. 27 ff. EuInsVO zwar ein Stück weit genommen, jedoch nicht vollständig revidiert. Die Ausführungen haben gezeigt, dass bei Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters diesem, in der Eigenschaft als Hauptinsolvenzverwalter der Tochtergesellschaften, über die Kooperationsvorschriften der Art. 31 ff. EuInsVO genügend Einfluss auf die überwiegend im Sekundärstaat befindliche Masse der Tochtergesellschaften verbleibt.
6. Teil
Zusammenfassung und wesentliche Untersuchungsergebnisse Die Arbeit befasste sich mit der Frage der Koordinierung von Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen nach deutschem und europäischem Insolvenzrecht.
A. Das Problem Betriebswirtschaftliche Vorüberlegungen haben gezeigt, dass nicht die einzelnen verbundenen Unternehmen die wirtschaftliche Organisationseinheit bilden, sondern vielmehr der Gesamtkonzern. In der betriebswirtschaftlichen Konzernorganisationslehre bestehen unterschiedliche Konzerntypen, welche sich aus unterschiedlichen Zielen bei der Konzernbildung erklären lassen.1 Insbesondere der zentral-funktional aufgebaute Konzern ist in betriebswirtschaftlicher Hinsicht nahezu identisch mit einem Einheitsunternehmen. Gerade dieser Konzerntypus bereitet in der Insolvenz konzernverbundener Unternehmen besondere Probleme. Der Konzern als solcher ist nach der deutschen Insolvenzordnung nicht insolvenzfähig. Vielmehr ist nach § 11 Abs. 1 InsO für jede Konzerngesellschaft ein Insolvenzverfahren zu eröffnen und jeweils autonom agierende Insolvenzverwalter zu bestellen. Die in den Einzelmassen fallenden Konzernteile werden jeweils den Gläubigern der einzelnen Konzernglieder haftungsrechtlich zugewiesen und vom Insolvenzverwalter als autonomer Amtstreuhänder in ihrem Interesse verwaltet und verwertet.2 Diese Aufspaltung der Planungs- und Operationseinheit Konzern in jeweils autonome Entscheidungseinheiten wird der wirtschaftlichen Realität nicht gerecht. Abgesehen von der Einzelliquidation werden jegliche Verwertungsformen, die eine Aktivierung von Fortführungswerten beinhalten, auf die Probe gestellt. Die Verfahrensbeteiligten, insbesondere die Insolvenzverwalter der einzelnen Konzernglieder können Fortführungswerte, aber auch sonst eine optimale Verwertungsstrategie, nur bei intensiver Koordinierung 1 2
Vgl. 1. Teil, B.III.2. Vgl. 1. Teil, D.I.2.
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6. Teil: Zusammenfassung und wesentliche Untersuchungsergebnisse
der einzelnen Insolvenzverfahren erreichen. In der Praxis scheitert diese Koordinierung jedoch häufig, was zu einer suboptimalen Verwertung der Massen zu Lasten aller Gläubiger der einzelnen Konzernglieder führt. Als Gründe für ein Scheitern wurden insbesondere Informationsdefizite, mangelnde Bereitschaft der Verwalter zur Zusammenarbeit und die Angst vor nutzlosen Aufwendungen bei der Implementierung von konzernweiten Strategien erkannt.3 Als äußerst problematisch wurde der Verteilungskonflikt bezüglich eines durch eine Gesamtverwertungsstrategie erwirtschafteten Mehrerlöses auf die einzelnen Massen und die dadurch heraufbeschworene Gefahr strategischen Verhaltens der Verfahrensbeteiligten der einzelnen Massen eingeschätzt. Dies gilt insbesondere, wenn durch die Eröffnung mehrerer Insolvenzverfahren über einen vertikal integrierten Konzern das in der Neuen Institutionenökonomik als „Hold-up“ bezeichnete Problem heraufbeschworen wird.4 Sie führt dazu, dass „Marktmechanismen“ beim Aushandeln und Verteilen des Kooperationsgewinns u. U. versagen. Trotz dieser Koordinationsschwierigkeiten im funktional-vertikal integrierten Konzern ist von der Zusammenlegung der Einzelmassen zu einer Konzernmasse („substantiveconsolidation“), wie durch einige US-amerikanische Gerichte praktiziert, abzusehen.5 Im Regelverfahren würde dies zu einer Egalisierung der Haftungsmassen führen und im Planverfahren zu einer „Verwässerung der Abstimmungsmodi“. Die Haftungstrennung im Konzern muss sich aber gerade in der Insolvenz bewähren. Entsprechend ist notwendige Voraussetzung von Kooperationsmechanismen, dass dadurch bei der Implementierung von Gesamtverwertungsstrategien keine Masse schlechter gestellt wird.6
B. Kooperationspflichten/Einschränkung der freien Verwertungsentscheidung Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Frage, ob die herausgearbeiteten Störpotentiale zwischen den Verfahrensorgangen der einzelnen Massen im Hinblick auf wertmaximierende Gesamtverwertungsstrategien nicht durch die Formulierung von Kooperationspflichten überwunden werden können. Dem Insolvenzverwalter obliegt zunächst aus dem Gebot bestmöglicher Masseverwertung die Pflicht zur Kooperation mit seinem Verwalterkollegen aus dem Parallelverfahren, wenn dadurch ein Mehrwert auf der Ebene seiner Masse geschaffen wird.7 Eine aus § 1 InsO abgeleitete 3 4 5 6 7
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
1. 1. 1. 1. 2.
Teil, Teil, Teil, Teil, Teil,
D.II.2. D.II.2. D.III. D.IV. A.
C. Koordinationsmechanismen
385
Kooperationspflicht versagt als Garant einer wertmaximierenden Gesamtverwertungsstrategie jedoch dann, wenn der Insolvenzverwalter durch strategisches Verhalten bei gleichzeitiger Rückendeckung durch die Gläubigerorgane versucht, sich Sondervorteile zu verschaffen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Masse des Konzerngliedes einen für den Gesamtkonzern strategisch wichtigen Zulieferbetrieb enthält. Die grundsätzlich freie Verwertungsentscheidung der Verfahrensbeteiligten in den Einzelmassen ist hier insoweit einzuschränken, als sie Ausdruck eines obstruktiven Verhaltens ist und damit eine gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßende, unzulässige Rechtsausübung darstellt.8 Eine Verweigerung von Insolvenzverwalter oder Gläubigerorganen gegenüber einem Gesamtverwertungskonzept wurde in Anlehnung an § 245 InsO als obstruktives und damit treuwidriges Verhalten gewertet, wenn die Einzelmasse im Rahmen des Gesamtverwertungskonzeptes nicht schlechter als bei einer Einzelverwertung steht, die Masse proportional am Mehrwert partizipiert und das Gesamtverwertungskonzept in der Mehrzahl der Verfahren auf Zustimmung gestoßen ist.9
C. Koordinationsmechanismen zur Förderung von Gesamtverwertungsstrategien Die Untersuchung hat Koordinierungsmechanismen zur Förderung von Gesamtverwertungsstrategien aufgezeigt.
I. Einheitlicher Konzerninsolvenzverwalter Konfliktpotentiale und Reibungsverluste zwischen den einzelnen Insolvenzverwaltern können durch die Einsetzung eines einheitlichen Insolvenzverwalters für alle konzernverbundenen Unternehmen aufgelöst werden.10 Dadurch wird die Fortführung und Verwertung des Konzernunternehmens aus einer Hand ermöglicht. Zur Wahrung der Interessen der Gläubiger in den Einzelverfahren ist jedoch gleichzeitig ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, welcher einzelne Rechte der Tochtergesellschaft gegenüber der Masse der Muttergesellschaft geltend zu machen hat.11 Zur Erleichterung der Fortführung des Konzernunternehmens ist der Konzerninsolvenzverwalter bezüglich des konzerninternen Leistungsaustausches vorläufig durch das Gericht und später durch den Gläubigerausschuss bzw. Gläubigerversamm8
Vgl. 2. Teil, B.II. Vgl. 2. Teil, B.II.2. 10 Vgl. 3. Teil, A. 11 Vgl. 3. Teil, A.III.2.c)aa). 9
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6. Teil: Zusammenfassung und wesentliche Untersuchungsergebnisse
lung für konzerninterne Transaktionen vom Verbot des Insichgeschäfts aus § 181 BGB zu befreien.12 Den Gefahren einer Masseverlagerung wird durch eine verstärkte Dokumentationspflicht konzerninterner Transaktionen zur Absicherung der Haftung des Verwalters aus § 60 InsO begegnet.13 Die Insolvenzgerichte sollten bei einem stark integrierten Konzern von der Einsetzung des gleichen Insolvenzverwalters in den einzelnen Konzerngesellschaften immer dann Gebrauch machen, wenn eine günstige Gesamtverwertung des Konzerns als Einheit nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere für die übertragende Sanierung als Verwertungsart.
II. Kooperationsvereinbarung Für den Fall, dass in den einzelnen Insolvenzverfahren konzernverbundener Unternehmen verschiedene Insolvenzverwalter eingesetzt werden, können die Insolvenzverwalter die Koordinierung der einzelnen Verfahren durch den Abschluss einer Kooperationsvereinbarung nach dem Vorbild der US-amerikanischen „protocols“ bewerkstelligen.14 Damit werden durch Rechtsunsicherheiten verursachte Kooperationshemmnisse (Gefahr von nutzlosen Aufwendungen) beseitigt. Die inhaltliche Ausgestaltung der Kooperationsvereinbarung kann sich dabei an Vertragsgestaltungen zur Bildung eines Gleichordnungskonzerns orientieren. Die Insolvenzverwalter verpflichten sich dabei, ihre Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das in ihre Masse fallende konzernverbundene Unternehmen nach den Vorgaben eines aus allen Insolvenzverwaltern gebildeten Lenkungsausschuss auszuüben, um damit eine einheitliche Fortführung und Verwertung rechtlich abzusichern.15 Die Untersuchungen haben ergeben, dass sich der Insolvenzverwalter in den Grenzen des Insolvenzzwecks, bestmögliche Befriedigung der Gläubiger durch bestmögliche Verwertung der Insolvenzmasse, vorab über die Ausübung seiner Befugnisse vertraglich binden kann (Befugnisdisposition). Eine umfassende vertragliche Bindung bedarf jedoch einer Befreiung von der Pflicht des Insolvenzverwalters zur höchstpersönlichen Amtsführung durch die Gläubigerversammlung, die bis zum Berichtstermin vorläufig durch das Insolvenzgericht ausgesprochen werden kann.16 Je nach vertraglicher Ausgestaltung lassen sich über eine Kooperationsvereinbarung insbesondere Unsicherheitsfaktoren bezüglich einer gemeinsamen Fortführung und Verwertung beseitigen. 12 13 14 15 16
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
3. 3. 3. 3. 3.
Teil, Teil, Teil, Teil, Teil,
A.III.2.d). A.III.2.c)bb). B. B.III.2.b). B.IV.
D. Koordinierung bei einer Reorganisation des Gesamtkonzerns
387
D. Koordinierung bei einer Reorganisation des Gesamtkonzerns Wird die Reorganisation des Gesamtkonzerns angestrebt, hat die Untersuchung ergeben, dass durch die Anordnung der Eigenverwaltung eine hierarchische Koordinierung der einzelnen Konzernglieder durch die Mutter im Insolvenzverfahren fortgesetzt und durch koordinierte oder konsolidierende Insolvenzpläne das Reorganisationskonzept implementiert werden kann.
I. Eigenverwaltung Eine konzernweite Reorganisation lässt sich zunächst durch die gezielte Anordnung der Eigenverwaltung fördern. Im Gegensatz zum Regelverfahren bleibt die Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren bestehen, wenn für die einzelnen Untergesellschaften die Eigenverwaltung angeordnet wurde. Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Unternehmen der Untergesellschaft geht dann nicht auf einen außerhalb des Verbandes stehenden Amtstreuhänder über. Vielmehr wird der Untergesellschaft selbst die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis insolvenzspezifisch übertragen. Im Außenverhältnis werden die Befugnisse der Untergesellschaft durch das vertretungsberechtigte Organ ausgeübt, welches jedoch intern den gesellschaftsrechtlichen Bindungen unterliegt.17 Für den faktischen GmbH-Konzern bedeutet dies, dass die Obergesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer der Untergesellschaft bezüglich der Ausübung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis weiterhin Weisungen erteilen kann. Geschäftsführer und Gesellschafter sind jedoch bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen an den Zweck des Insolvenzverfahrens, bestmögliche Haftungsverwirklichung der Gläubiger der Untergesellschaft, gebunden.18 Bei der Ausübung der Konzernleitungsmacht wird die Obergesellschaft oder ihr Insolvenzverwalter durch Sachwalter und Gläubigerausschuss der Untergesellschaft kontrolliert. Auf eine nachteilige Einflussnahme der Obergesellschaft kann die Gläubigerversammlung zu jederzeit mit einem Antrag auf Aufhebung der Eigenverwaltung beim Insolvenzgericht reagieren und damit den Einfluss der Obergesellschaft auf die Untergesellschaft verhindern.19 Die Aufrechterhaltung der gesellschaftsrechtlichen Bindungen und der damit verbundenen faktischen Konzernleitungsmacht lässt sich aus Sicht der Gläubiger der Untergesellschaft nur dann vertreten, wenn zwischen Gläubi17 18 19
Vgl. 4. Teil, A.IV. Vgl. 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(a). Vgl. 4. Teil, A.IV.2.d)bb)(2)(c).
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6. Teil: Zusammenfassung und wesentliche Untersuchungsergebnisse
ger und Gesellschafter ein Interessensgleichlauf besteht. Ein solcher Interessengleichlauf zwischen Gesellschafter und Gläubiger liegt jedoch nur bei einer beabsichtigen Reorganisation vor. In diesem Fall steht die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit der Gesellschaft im Vordergrund. Eine Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit ist zunächst im Interesse der Gläubiger, denn sie werden im Rahmen einer Reorganisation typischerweise nicht aus der Substanz der Masse, sondern aus zukünftig vom schuldnerischen Unternehmen zu erwirtschaftenden Erträgen befriedigt. Sie steht jedoch gleichermaßen im Interesse der Gesellschafter, weil sie dadurch langfristig ihrem Gesellschaftsanteil wieder einen Wert zuführen können.20 Dagegen sind bei einer angestrebten Liquidation (auch übertragenden Sanierung) die Interessen zwischen Gläubiger und Gesellschafter gegensätzlich und entsprechend von der Anordnung der Eigenverwaltung abzusehen. Auch im Vertragskonzern besteht das Weisungsrecht der Obergesellschaft gegenüber dem Vorstand der Untergesellschaft im Grundsatz fort. Aufgrund der prävalierenden Wirkung des Insolvenzverfahrenszwecks der Untergesellschaft sind jedoch nachteilige Weisungen nur bei unmittelbarem Nachteilsausgleich möglich.21 Die Eigenverwaltung als gezieltes Instrumentarium zur Aufrechterhaltung der Konzernleitungsmacht im Insolvenzverfahren bietet sich insbesondere dann an, wenn zuvor ein von der Konzernspitze ausgearbeitetes, außergerichtliches Konzerngesamtsanierungskonzept am Widerstand einzelner Gläubiger gescheitert ist und nun als sog. „prepacked plans“ in die einzelnen Insolvenzverfahren unter Nutzung des Obstruktionsverbotes (§ 245 InsO) eingebracht und umgesetzt werden soll. Entsprechend der allgemeinen gesetzgeberischen Intention zur Eigenverwaltung im Einzelunternehmen werden auch im Konzern die Leitungsstrukturen im Verfahren und nach erfolgreichem Abschluss des Sanierungsverfahrens erhalten. Kooperationshindernisse durch rivalisierende Insolvenzverwalter in den einzelnen Insolvenzverfahren werden dadurch vermieden. Das Insolvenzgericht hat durch die Anordnung der Eigenverwaltung die Chancen auf eine konzernweite Gesamtsanierung zu wahren, wenn der Gutachter oder schwache vorläufige Insolvenzverwalter zu dem Ergebnis kommt, dass Aussichten auf eine Reorganisation bestehen und von Seiten der schuldnerischen Gesellschaft mit der Anordnung der Eigenverwaltung keine nachteiligen Einflussnahmen zu befürchten sind.22
20 21 22
Vgl. 4. Teil, A.IV.2.a)cc). Vgl. 4. Teil, A.VII. Vgl. 4. Teil, A.IX.3.
E. Einheitliche gerichtliche Zuständigkeit im Konzern
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II. Koordinierte und konsolidierende Insolvenzpläne Konzernspezifische Besonderheiten können auch bei der Gestaltung des Insolvenzplanverfahrens (§§ 217 ff. InsO) berücksichtigt werden. Zwar existiert nach deutschem Recht kein einheitliches Konzernplanverfahren, das unmittelbar in einen Konzerngesamtreorganisationsplan mündet. Die Implementierung einer konzernweiten Sanierungsstrategie erfordert vielmehr, dass für jede Konzerngesellschaft ein Insolvenzplan aus einem Konzerngesamtsanierungskonzept zu entwickeln und nach den Vorschriften über das Planverfahren (§§ 235 ff. InsO) isoliert zu verabschieden ist (koordinierte Insolvenzpläne).23 Die konzernspezifische Besonderheit ist dabei im darstellenden Teil und im Erörterungstermin zu berücksichtigen. Die aus der US-amerikanischen Reorganisationspraxis bekannte „substantive consolidation“, durch die Verabschiedung von jeweils eine Gesamtbetrachtung einnehmenden Reorganisationsplänen, lässt sich auch nach deutscher Rechtslage über das Insolvenzplanverfahren verwirklichen. In diesem Fall stellen die einzelnen Insolvenzpläne eine Befriedigungseinheit her, indem die zukünftigen Konzerngesamterträge auf alle Gläubiger des Konzerns verteilt werden.24 Für jedes einzelne Planverfahren ist dabei streng auf die Voraussetzungen des § 251 InsO (Minderheitenschutz) und ggf. § 245 InsO (Obstruktionsverbot) zu achten.
E. Einheitliche gerichtliche Zuständigkeit im Konzern Für den zentral-funktional integrierten Konzern erwies sich auch eine einheitliche gerichtliche Zuständigkeit zur effizienten Verfahrensbewältigung als vorteilhaft.25 Mit ihr steigt die Chance auf die Berufung eines Konzerninsolvenzverwalters und die Anordnung der Eigenverwaltung bei entsprechender Sanierungsaussicht. Eine typisiert teleologische Auslegung der europäischen Zuständigkeitsnorm (Art. 3 Abs. 1 EuInsVO) führte zu dem Ergebnis, dass Tochtergesellschaften dann den Mittelpunkt ihrer hauptsächlichen Interessen am tatsächlichen Sitz der Konzernzentrale aufweisen, wenn sie durch ihren Geschäftsführer nach außen hin von der Konzernzentrale aus verwaltet werden oder der Unternehmensgegenstand der Tochtergesellschaften in der Satzung auf eine dienende Funktion im Konzern ggf. mit entsprechender Firmenpublizität ausgerichtet sind.26 Gleiches gilt im Grundsatz auch für die nationale örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 InsO. 23 24 25 26
Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.
4. 4. 5. 5.
Teil, Teil, Teil, Teil,
B.I. B.II.4.b). A. B.II.2.
390
6. Teil: Zusammenfassung und wesentliche Untersuchungsergebnisse
Für den Fall, dass über das Vermögen einer Tochtergesellschaft ein Sekundärinsolvenzverfahren im Staat ihres wirtschaftlichen Tätigkeitsschwerpunktes eröffnet wird, haben die Untersuchungen gezeigt, dass bei Einsetzung eines einheitlichen Konzerninsolvenzverwalters diesem in der Eigenschaft als Hauptinsolvenzverwalter der Tochtergesellschaft über die Kooperationsvorschriften der Art. 31 ff. EuInsVO genügend Einfluss auf die überwiegend im Sekundärstaat befindliche Masse der Tochtergesellschaft verbleibt.27
27
Vgl. 5. Teil, B.V.
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centre d’exploitation 317, 338 Centros-Urteil EuGH 332 Chapter 7 Verfahren 106, 232 Chapter 11 Verfahren 95, 202 clear abuse test 231 Coase 36 COMI („center of main interest“) siehe Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen common trustee 127 Corporate Governance 235 debtor in possession 202, 208, 229 f. Distributionskonflikt 86 Dokumentationspflicht in der Konzerninsolvenz 145 – Abhängigkeitsbericht 146 – Absicherung Verwalterhaftung 145 – Verhinderung Masseverlagerung 148 Domino-Effekt 67, 69, 288 drohende Zahlungsunfähigkeit 62, 281 Durchgriffshaftung 53, 91, 92 effektiver Verwaltungssitz 318–320, 337, 340 f. EG-Konkursübereinkommen 325 Eigenverwaltung – allgemein 77, 200–205 – Anwendungsfälle im Konzern 279–285 – Entscheidung Insolvenzgericht 283 – geeigneter Anwendungsbereich 203 f. – Kompetenzverteilung 204 f. – Kontinuität der Leitungsstrukturen 280
Stichwortverzeichnis – Rechtsnatur Verfügungsbefugnis 205–241 – Sekundärinsolvenzverfahren 378–382 – Weichenstellung im Eröffnungsverfahren 284 Einmann-GmbH 226 Eröffnungsverfahren 278 f. Ertragswertmethode 39, 177 EuInsVO 327 Eurofood-Entscheidung EuGH 321–324 existenzvernichtender Eingriff 48, 52 Fortführungsprognose 137, 349 Fortführungswert 121 Forum Shopping 341 Geschäftsbesorgungsvertrag 259 Geschäftsführer – Kompetenzen im Insolvenzverfahren 75 – Weisungsunterworfenheit 47 Geschäftsführerdoppelmandat 131 Geschäftszentrum 326 Gesellschafter – existenzvernichtender Eingriff 48, 52 – Treuepflicht in der GmbH 48 f. Gesellschafterversammlung – Blockadehaltung in der Eigenverwaltung 225 – Weisungsrecht allgemein 47 – Weisungsrecht im Insolvenzverfahren 76 – Weisungsrecht in der Eigenverwaltung 214–241 Gesellschaftsanteile – Bestandteile der Insolvenzmasse 243–245 – Pfändbarkeit 244 Gesellschaftsorgane – Kompetenzen im Insolvenzverfahren 75, 229
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Gewinnabführungsvertrag 43, 259, 302 Gewinnabschöpfungsklausel – im Insolvenzplan 304 Gläubiger – Schutz im faktischen GmbH Konzern 47 Gläubigerausschuss 111, 117 Gläubigerautonomie 305 Gläubigerversammlung – Beschluss über Aufhebung der Eigenverwaltung 203 – Verwertungsentscheidung 74, 80 f., 91 – Zustimmung zu Koordinierungsvereinbarungen 190 Gleichordnungskonzern 168, 178 Gleichordnungskonzernvertrag 170 Going Concern 144, 313, 369 Hauptinsolvenzverfahren 324, 355, 368 Hauptinsolvenzverwalter – Aussetzung Verwertung im Sekundärverfahren 367 f. – Einfluss auf Sekundärinsolvenzverfahren 365–371 head office functions 318, 320, 348 Hold-up-Problem – allgemein 38 – in der Konzerninsolvenz 88, 118 Holzmüller-Entscheidung BGH 215, 218 Insichgeschäft (§ 181 BGB) 133, 140 – Gestattung durch Gläubigerversammlung 148 – Gestattung durch Insolvenzgericht 149 Insolvenzanfechtung – allgemein 133, 145 – Geltendmachung durch Sachwalter 280 – Regelung im Insolvenzplan 305
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Stichwortverzeichnis
Insolvenzbeschlag – im Sekundärinsolvenzverfahren 379 – in der Unternehmensinsolvenz 73, 79, 210 Insolvenzeröffnungsverfahren 67, 284 Insolvenzgericht – Aufsichtsfunktion 310 – Einsetzungspflicht Konzerninsolvenzverwalter 157 – internationale siehe Zuständigkeit – Kompetenzen im Eröffnungsverfahren 284, 310 – örtliche Zuständigkeit siehe Zuständigkeit Insolvenzplan 62, 286 f. – Einbeziehung nicht insolventer Töchter 296 – gerichtliche Bestätigung 294 – Inhalt und Aufbau 288 f. – Konzerninsolvenzplanverfahren 104 – Koordinierte Insolvenzpläne im Konzern 293 – Planinitiativrecht in der Eigenverwaltung 292 – Planinitiativrecht Insolvenzverwalter 291 – Planinitiativrecht Schuldner 290 – prepackeged plan 63, 114 Insolvenzverfahren – Aufhebung durch Planbestätigung 295 – Verfahrenszweck 58, 80, 137, 186, 238, 246 – Verwertungsoptionen 58 – zweckwidrige Verfügung 187, 210 Insolvenzverfahrensorgane 116, 220 f. – Einschränkung Verwertungsspielraum 116 Insolvenzverwalter – autonome Stellung 73–80 – Berufshaftpflichtversicherung 249 – Haftung nach § 60 InsO 187, 192 – Haftung nach § 61 InsO 248
– höchstpersönliche Amtsführung 149–157, 182, 185 – Kompetenzaufteilung zwischen Gesellschaftsorgane 74–76 – Konzernlenker 245 f., 266 f. – Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 74 – Wahlrecht 89, 110, 134 Insolvenzverwaltungsvertrag 159 Insolvenzvorstände 223 Inspire Art-Entscheidung EuGH 332 Istanbuler Übereinkommen 327 joint administration 93, 127 joint plans 299 Kapitalerhaltungsregel GmbH 52 KBV-Entscheidung BGH 52 konsolidierende Insolvenzpläne 296–308 – Aufbau 306 f. – gerichtliche Bestätigung 307 – Obstruktionsverbot 307 Konzern – Abhängigkeitsbericht 46 – aktienrechtlicher Konzernbegriff 26 f. – betriebswirtschaftliche Organisationsform 27 f. – dezentraler 29 f. – fehlende Insolvenzfähigkeit 66 – finanzwirtschaftliche Verflechtung 69 f. – funktionaler 34, 69, 343 – horizontaler, diversifizierter 31 f., 33 f. – Insolvenzeröffnungsverfahren 67 – leistungswirtschaftliche Verflechtung 29 f., 68 f. – vertikal 34, 69 – wirtschaftlicher Verflechtungsgrad 55 – zentraler 29 f., 343
Stichwortverzeichnis Konzerndilemma 242 Konzernfinanzierung 70 Konzernfirma 58 – Indizfunktion 355 Konzerngesamtverwertungsstrategie 83–90, 107 – Distributionskonflikt 86 – Einschränkung Verwertungsentscheidung 116 – Gründe für Scheitern 85–90 – Vorteil 83 ff. Konzerngläubigerversammlung – fehlende 91 – US-amerikanisches Recht 94 Konzerninsolvenzverwalter – allgemein 126–159 – Fortführungseffizienz 131 f. – Insichgeschäfte 133 – Interessenskollision 128, 133 – rechtliche Hindernisse 135 – Verfahrenseffizienz 129–131 Konzerninteresse 42, 53 f., 245, 253 – statutarische Ausrichtung 352 – Verhältnis zum Eigeninteresse der Konzernglieder 54 konzerninterner Leistungsaustausch 42, 109, 133, 243 Konzernleitungsmacht – allgemein 41, 81 – faktischer Aktienkonzern 44–46, 54 – faktischer GmbH Konzern 46–53, 54 – Fortbestand bei Eigenverwaltung 241–249 – Insolvenzverwalter als Adressat 77 f. – statutarische Ausrichtung 55 f. – Verhältnis Insolvenzbeschlag 76 – Vertragskonzern 41–43, 54 konzernspezifischer Verbundwert 39 Konzernreorganisationsplan 94, 99 Konzernverrechnungspreise 46, 301 Kooperationsgewinn
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– allgemein 111, 121 – Verteilung durch Insolvenzplan 302 Kooperationspflichten – Gerichte 124 f. – Gläubiger 110–124 – Insolvenzverwalter der Konzernglieder 108–110 – Verbot treuwidriger Verwertungsentscheidung 114 Kooperationsvereinbarung – Abschlussbefugnis des Insolvenzverwalters 180–186 – Beendigung 193 f. – Eröffnungsverfahren 195 – Gegenstand/Muster 175 f. – Grenzen inhaltlicher Ausgestaltung 186–191 – grenzüberschreitende Insolvenzverfahren 194 – Primär- und Sekundärpflichten 191 – Vertragsparteien 179 – Zustimmungspflicht Gläubigerversammlung 190 Koordinationsmechanismen 126, 159 lex fori concursus 354, 361 Liquidation 59, 224 Migration – insolvenzbedingte 23 – Schefenacker 23 Minderheitenschutz § 251 InsO – bei konsolidierenden Insolvenzplänen 307 mind of management Ansatz 320 Missbrauch der Vertretungsmacht 210 Mittelpunkt hauptsächlicher Interessen – allgemein 314, 335, 342 – Konzerngesellschaften 342–355 Niederlassung i. S. d. EuInsVO 360 – Tochtergesellschaft als Niederlassung 361
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Stichwortverzeichnis
Normenhäufung 332 Normmangel 332 Obstruktionsverbot 66, 105, 282, 307 Opportunistisches Verhalten 88, 111 Organisationsvertrag siehe Beherrschungsvertrag Organschaft (steuerrechtliche) 303 par conditio creditorum 137, 165, 188 Pareto-Prinzip 107 Partikularverfahren 360 personale Verflechtung 30, 344 Planverfahren siehe Insolvenzplan prepacked plan 281 Principal Agent Problem 237 principal etablissement 326 protocols siehe Protokolle Protokolle – allgemein 159 – deutsche Rechtslage 178–196 – Muster für Konzerninsolvenz 175 f. – typischer Inhalt 164 – Vertragsparteien 179 Prüfungstermin 156 Rechnungslegungspflicht – insolvenzspezifische 147 Rechtsträgerprinzip – im Insolvenzverfahren 91 Reformkommission Insolvenzrecht 129 Reorganisation 61–65, 97, 197 f. rescue culture 127 Sachwalter 200 f., 204, 205 Sanierung – fortführende 61–65 – übertragende 60 Sanierungschance – Wahrnehmung durch die Gesellschafter 236
– Wahrnehmung durch die Obergesellschaft 249 Sanierungsgewinn 302 Schiedsgericht 176, 178, 188 Schlusstermin 156 Schuldnerbereich 76, 229, 290 Sekundärinsolvenzverfahren – allgemein 358–362 – Eigenverwaltung 378–381 – Eröffnungsvoraussetzungen 360 f. – koordinierte Insolvenzpläne 373 – Koordinierung mit Hauptinsolvenzverfahren 363–377 – Liquidationszweck 372 Sekundärinsolvenzverwalter 365 Sicherungsmaßnahmen 284 Sonderinsolvenzverwalter 141 f. – Funktion in der Konzerninsolvenz 143–145 – Rechtsstellung allgemein 142 f. substantive consolidation – Deutschland 101–107, 299–307 – durch Insolvenzplanverfahren 296–307 – USA 92, 93–101, 297 f. – Vermögens- und Sphärenvermischung 96 Substitutionsverbot 151–156 TBB-Entscheidung BGH 52 Transaktionskostenansatz 36 Transaktionsspezifische Investition 37 Trennungsprinzip 103, 138 Treuepflichten – Gesellschafter 48, 245, 247 – gesellschaftsähnliche der Gläubiger 115 – Insolvenzverwalter des Gesellschafters 247 Treuhänder 306 Treu und Glauben, § 242 BGB – treuwidrige Verwertungsentscheidung 117, 125
Stichwortverzeichnis Trihotel-Entscheidung BGH 52 trustee 230 Überschuldung – allgemein 62, 333, 374 – im Vertragskonzern 71 f. Überseering-Entscheidung EuGH 332 übertragende Sanierung 60 f., 63 Unternehmensbewertung – allgemein 39 f. – Fortführungswert 59, 61 – Liquidationswert 59 unzulässige Rechtsausübung 120 Verdrängungsbereich 75 Verfügungsverbot – im eröffneten Insolvenzverfahren 74 – im Eröffnungsverfahren 278 Vergleichsverfahren 199 ff., 208, 211 Vergleichsverwalter 257 Verlustausgleichsanspruch (§ 302 AktG) – allgemein 43, 135 – als Dauerschuldverhältnis 270 – Insolvenz der Obergesellschaft 268 – Insolvenz der Untergesellschaft/ Doppelinsolvenz 276 Verlustvortrag 303 Vermögens- und Sphärenvermischung 96 Vertragskonzern 71 f. Vertretertheorie 79 Verwertung der Insolvenzmasse
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– Beendigungsschrumpfung 60 – Einschränkung im Konzern 118 – Entscheidungsfindungsprozess 65, 81 – Liquidation 59 f. – Reorganisation 61 f. – Strategien im Konzern 83 f. – übertragende Sanierung 60 f., 111 vorläufiger Insolvenzverwalter 278 – schwacher 279 – starker 278, 285 Vorstandsdoppelmandate 30, 41, 45 Wahlrecht 89, 110, 134, 204 Weisungsrecht – der Gesellschafterversammlung 47 f. – Grenzen in der Einmann-GmbH 51 f. – Grenzen in der mehrgliedrigen GmbH 48 f. Williamson 36 f. Workouts 115 Zahlungsunfähigkeit – allgemein 70, 333 – im Vertragskonzern 72 Zuständigkeit – internationale (EuInsVO) 315–341 – internationale (EuInsVO) im Konzern 342–355 – nationale 356 – nationale im Konzern 357