Die Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen nach deutschem und chinesischem Recht: Eine Untersuchung zum Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht [1 ed.] 9783737008549, 9783847108542


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German Pages [179] Year 2018

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Die Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen nach deutschem und chinesischem Recht: Eine Untersuchung zum Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht [1 ed.]
 9783737008549, 9783847108542

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Schriften zum deutschen und internationalen Persönlichkeits- und Immaterialgüterrecht

Band 45

Herausgegeben von Professor Dr. Haimo Schack, Kiel, Direktor des Instituts für Europäisches und Internationales Privat- und Verfahrensrecht

Fei Yang

Die Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen nach deutschem und chinesischem Recht Eine Untersuchung zum Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6398 ISBN 978-3-7370-0854-9 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Gedruckt mit freundlicher Unterstþtzung der Studienstiftung ius vivum.  2018, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Teil 1: Deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Störerhaftung zur Begründung der Haftung von Plattformbetreibern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff der Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die weite Störerhaftung der früheren Rechtsprechung . . . . 2. Die enge Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftungsvoraussetzungen des Plattformbetreibers als Störer . . 1. Akzessorietät und Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Adäquat-kausaler willentlicher Beitrag zur Rechtsverletzung eines Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zumutbare tatsächliche und rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . III. Entwicklung der Haftungsbeschränkungen in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftungsbeschränkung durch Zumutbarkeitserwägungen auf der Rechtsfolgenseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsbeschränkung durch Prüfungspflichten auf Tatbestandsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinbarkeit der Störerhaftung mit dem EU-Recht . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abkehr von der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . I. Kritik an der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung . . . . . . . .

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Inhalt

1. Fehlen der Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1004 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes . . . . . . . . b) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kritik an der Prüfungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kritik an der Ablehnung von Schadensersatzansprüchen . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das BGH-Urteil »Jugendgefährdende Medien bei eBay« als Wendepunkt im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Täterschaft aufgrund der Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorliegen einer geschäftlichen Handlung . . . . . . . . . b) Schaffung der ernsthaften Gefahr einer Interessenverletzung von Marktteilnehmern durch Dritte c) Verletzung der lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflicht . . 3. Die Lehre von den Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . a) Die Entwicklung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . b) Begründung der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . c) Funktion und dogmatische Grundlage der Verkehrspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vergleich mit der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung . . . . a) Unterschiedlicher Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . b) Gelockerte Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unterschiedliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fortentwicklung und Ablösung der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut zur Begründung der Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand des BGH und seine Problematik . . . . . . . . . 1. Gründe des BGH für die Ablehnung der Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung im Urheber- und Markenrecht . . . a) Unterschied zwischen Erfolgs- und Verhaltensunrecht . . b) Tatbestandsmäßigkeit von mittelbaren Rechtsverletzungen im Urheber- und Markenrecht . . . . 2. Kritik an der Ansicht des BGH und Vorschläge in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

II. Stellungnahme: Ablehnung der Übertragung der Verkehrspflichten auf das Urheber- und Markenrecht . . . . . . 1. Fehlende gesetzliche Grundlage im Urheber- und Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anforderungen an die Werknutzung im Lichte des EU-Rechts und des deutschen UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Wiedergabe i. S.v. Art. 3 der InfoSoc-RL . . . b) Unvereinbarkeit der Täterhaftung mit den Vorgaben des EU-Rechts im Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs zum Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verstoß gegen den Grundsatz »keine Strafe ohne Gesetz« . . 5. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ermittlung des Umfangs der Prüfungspflichten für Plattformbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Umfang der Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Funktion und Aufgabenstellung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wirtschaftlicher Vorteil aus der Rechtsverletzung . . . . . . . 3. Gefahr und die gefährdeten Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . 4. Erkennbarkeit der Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sozialadäquanz der von Plattformbetreibern erbrachten Dienstleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Eigenverantwortung des unmittelbar handelnden Dritten . . 7. Beherrschungsmöglichkeit der Gefahr . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Haftungsprivilegierung von Internetplattformbetreibern . . . . . . I. E-Commerce-RL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich und Begriffserklärung der ECRL . . . . a) Dienste der Informationsgesellschaft . . . . . . . . . . . b) Diensteanbieter der Informationsgesellschaft . . . . . . . 2. Haftungsprivilegierung des Plattformbetreibers (Art. 14 ECRL) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine allgemeine Überwachungspflicht (Art. 15 ECRL) . . . . II. Umsetzung in das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ziel und Filterfunktion der §§ 7 ff. TMG . . . . . . . . . . . . 4. Die Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber nach § 7 Abs. 1 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Abgrenzung eigener von fremden Informationen . .

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Inhalt

b) Abgrenzungskriterien für zu eigen gemachte Inhalte in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anlehnung an presserechtliche Maßstäbe . . . . . . . . . bb) Anlehnung an die urheberrechtliche Veranstalterhaftung. cc) Bewusste Einzelauswahl oder Verantwortungsübernahme der Information durch den Plattformbetreiber . . . . . . dd) Abgrenzung nach der Sphärentheorie . . . . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fortbestand der Rechtsfigur des »Zueigenmachens« . . . aa) Meinungsstand in der deutschen Rechtsprechung . . . . bb) Vereinbarkeit der Rechtsfigur des »Zueigenmachens« mit der ECRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umfang der Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern nach § 10 TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit auf Unterlassungsansprüche . . . . . . . b) Kenntnis des Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . . aa) Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG . . . . . . . . . bb) Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 TMG . . . . . . . . . c) Unverzügliches Handeln nach Kenntniserlangung . . . . d) Keine Beaufsichtigung der Nutzer . . . . . . . . . . . . . 6. Reichweite der Überwachungspflicht im Verhältnis zur Prüfungspflicht des Störers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verbot allgemeiner Überwachungspflichten und proaktive Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezifische Überwachungspflichten und reaktive Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil 2: Chinesisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Begriffsklärung im chinesischen Recht . . . . . . . . . . . . . I. Arten von Internet Service Providern in China . . . . . . . II. Einordnung des Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . B. Grundlage der Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgebungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die gesamtschuldnerische Haftung der Plattformbetreiber 1. Grundtatbestände des chinesischen Haftungsrechts . . . a) Rechtswidrige Verletzungshandlung . . . . . . . . . b) Schadensereignisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kausalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhalt

d) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besondere Voraussetzungen des Plattformbetreibers als Gesamtschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mehrere Handelnde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anstiftungs- und Beihilfehandlung . . . . . . . . . . . d) Verschulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verursachung eines ungetrennten Schadens . . . . . . . 3. Abweichende Haftungsvoraussetzungen im Lauterkeitsrecht a) Unternehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wettbewerbsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unlauterkeit der Handlung i. S. d. chinUWG . . . . . . d) Handlungsunrecht oder Erfolgsunrecht . . . . . . . . . C. Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung von Plattformbetreibern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haftung nach Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung nach Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Haftung nach DelHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haftung nach chinUWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verhältnis des Lauterkeitsrechts zu den anderen Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis des chinUWG und des AGZ sowie des DelHaftG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis des chinUWG zum chinMarkenG und chinUrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Spezielle Regelungen des chinUWG über die unmittelbare und mittelbare lauterkeitsrechtliche Rechtsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bestimmung der Haftung von Plattformbetreibern in der Rechtspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erklärung des Begriffs »wissen« nach geltenden Rechtsnormen und Gerichtspraxis . . . . . . . . . . . . . . 2. »sicher wissen« und »wissen müssen« . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung der notwendigen Maßnahmen . . . . . . . . . III. Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einstellung der Verletzung und Beseitigung der Gefahr . . . 2. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Haftungsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abweichende Haftungsfolgen im chinUWG . . . . . . . . . a) Strafrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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10 b) Verwaltungsrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . c) Zivilrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Auskunftspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . I. Safe-Harbor-Bestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die chinesischen Safe-Harbor-Bestimmungen für Plattformbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsnatur der Safe-Harbor-Bestimmung . . . . . . . . . . . II. Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung . . . . . . . . . . . . 1. Tätigkeit zur Bereitstellung des Speicherplatzes . . . . . . . . 2. Veränderung der Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslegung von »nicht wissen« und »haben keine vernünftigen Gründe zu wissen« . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine direkte Gewinnerzielung . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Notice and Take Down . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen einer vollständigen Mitteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das Verhältnis zwischen der Mitteilung und der Pflicht zum Tätigwerden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die angemessene Reaktionsfrist . . . . . . . . . . . . . . 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Haftungsprivilegierung der Plattformbetreiber für die Mitwirkung an Markenrechtsverletzungen Dritter . . . . . . . . 1. Die Entscheidung »Yi Nian gegen Taobao« . . . . . . . . . . . 2. Analyse der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmung der gesamtschuldnerischen Haftung für mittelbare Markenrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . b) Anwendung der Safe-Harbor- und der NTD-Bestimmung im Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die vernünftige Sorgfaltspflicht der Plattformbetreiber . aa) Die präventive vernünftige Sorgfaltspflicht . . . . . . . . bb) Die vernünftige Sorgfaltspflicht bei wiederholten Zuwiderhandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Anforderungen an die vernünftige Sorgfaltspflicht . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teil 3: Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Inhalt

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Inhalt

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/2018 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Haimo Schack, für seine stets hervorragende Betreuung, außerordentliche Unterstützung, das mir entgegengebrachte Vertrauen und für die zügige Korrektur der Arbeit. Seine unermüdliche Hilfsbereitschaft, seine anhaltende Ermutigung und seine Geduld schätze ich sehr hoch ein. Dafür danke ich ihm herzlich. Weiterhin Danke ich Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli für die ebenfalls zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Bei der Studienstiftung ius vivum bedanke ich mich für den großzügigen Druckkostenzuschuss. Meiner ehemaligen Studienkollegin und Freundin Yu Yao danke ich für die langjährige Freundschaft und ihre unentbehrliche seelische Unterstützung während des ganzen Studiums und der anschließenden Promotion. Schließlich danke ich meinen Eltern und Großeltern für ihre vorbehaltlose Unterstützung und Förderung während meines gesamten bisherigen Lebenswegs. Ihnen sei diese Arbeit in Liebe gewidmet. Kiel, im Februar 2018 Fei Yang

Einleitung

A.

Einführung

Mit der Entwicklung der Internet-Technik tauchen vielfältige neue Geschäftsmodelle auf dem Markt auf, die unser Leben erleichtern. Hier spielt der Plattformbetreiber eine wesentliche Rolle, der dem Internetnutzer das Portal zur Verfügung stellt und die technischen Voraussetzungen schafft, damit der Nutzer die Inhalte dauerhaft oder für einen bestimmten Zeitraum abspeichern kann. Beispiele sind eBay, Youtube, Dropbox, Facebook sowie Meinungsforen. Auf Plattformen kann man z. B. Videos anschauen, Musik hören, Artikel kaufen und verkaufen, Meinungen austauschen, Dateien hochladen und zum Download anbieten. Der Service von Plattformbetreibern ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wer Informationen in das Internet stellen möchte, benötigt hierfür die Dienstleistung des Plattformbetreibers. Doch ist die Technikentwicklung immer wieder mit rechtlichen Herausforderungen verbunden. Im Zeitalter des Web 2.0 treten die Internetnutzer auf den interaktiven Plattformen nicht wie früher nur als rein passiver Informationsverbraucher auf, sondern auch als aktiver Informationsschöpfer.1 Eine wichtige Eigenschaft des Internets ist, dass die Internetnutzer die Möglichkeit haben, anonym oder unter einem Pseudonym tätig zu werden. Bei Rechtsverletzungen ist der unmittelbare Täter somit schwer zu identifizieren und zu verfolgen, während der Rechteinhaber sich gezwungen sieht, gegen den greifbaren Plattformbetreiber vorzugehen, der zwar die Rechtsverletzung nicht unmittelbar verursacht, aber an ihr mitgewirkt hat.2 Einerseits sollen die gesetzlichen Regelungen für die Rechteinhaber effektiven Rechtsschutz gewährleisten. Andererseits soll der Plattformbetreiber so exakt wie möglich abschätzen können, welche Pflichten er im Geschäftsbetrieb erfüllen muss, um eine rechtliche Inanspruchnahme zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund muss der Gesetzgeber 1 Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 17. 2 Gräbig, MMR 2011, 504.

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Einleitung

die Interessen zwischen den Rechteinhabern und dem Plattformbetreiber sachgerecht abwägen. Nach deutschem Recht wurde die Haftung von Plattformbetreibern für einen Rechtsverstoß seiner Nutzer lange Zeit über das Rechtsinstitut der Störerhaftung behandelt. Dies wurde im Bereich des Lauterkeitsrechts heftig kritisiert und ist von der Rechtsprechung inzwischen durch Annahme einer täterschaftlichen Haftung wegen Verletzung einer Verkehrspflicht abgelöst worden.3 In der Literatur wird teilweise befürwortet, dass die Störerhaftung auch im Urheber- und Markenrecht verabschiedet werden und eine einheitliche Grundlage für die Haftung wegen Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen im Lauterkeits- und Immaterialgüterrecht gebildet werden sollte.4 Strittig ist zudem, wann und inwieweit dem Plattformbetreiber eine Haftungsprivilegierung zugute kommen soll. Die vorliegende Arbeit will untersuchen, ob und inwieweit der Plattformbetreiber für urheber-, marken- und lauterkeitsrechtliche Rechtsverstöße seiner Nutzer haften muss. In China ist der Gesetzgeber mit derselben Problematik der Haftung von Plattformbetreibern für Rechtsverletzungen Dritter konfrontiert. Der chinesische Gesetzgeber hat sich in Einklang mit der Entwicklung in europäischen Ländern und den USA entschlossen, gesetzliche Regelungen zur Behandlung der Haftung im Internet einzuführen, die jedoch einen anderen Weg beschreiten als die Rechtsprechung in Deutschland. Dies wird im Folgenden dargestellt und bewertet. Bezüglich der Rechtspraxis in China beschränkt sich die Untersuchung vor allem auf urheber- und markenrechtliche Fälle. Lauterkeitsrechtliche Aspekte werden mangels einschlägiger Rechtsprechung nur sekundär behandelt.

B.

Gang der Untersuchung

Die Untersuchung ist in drei Teile gegliedert: Im Teil 1 werden die Grundlagen der Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht in Deutschland dargestellt. Zunächst werden die Störerhaftung als einheitliches Rechtsinstitut zur Begründung der Haftung von Plattformbetreibern bei mittelbaren Rechtsverletzungen und ihre Entwicklung in der Rechtsprechung im Einzelnen dargelegt. Danach wird der neue Grundsatz der täterschaftlichen Haftung wegen Verkehrspflichtverletzung im Bereich des Lauterkeitsrechts dargestellt. Anschlie3 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 422; BGH GRUR 2011, 152, 156 – Kinderhochstühle im Internet I. 4 Spindler, GRUR 2011, 101, 103; Gräbig, MMR 2011, 504, 508f.; Köhler, GRUR 2008, 1, 7; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 29.

Gang der Untersuchung

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ßend erfolgt eine ausführliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Lehre von der Verkehrspflicht als tragfähiger einheitlicher Grundsatz eine Täterhaftung auch im Urheber- und Markenrecht begründen kann. Schließlich wird der Umfang der Prüfungspflicht näher konkretisiert. Danach wird die Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern erörtert. Zunächst werden die rechtlichen Rahmenbedingungen in der EU dargestellt, anschließend die allgemeinen Voraussetzungen des TMG. Der 2. Teil widmet sich der Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern für Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrechtsverstöße Dritter nach chinesischem Recht. Nach einer Begriffserklärung werden die bisher geltenden gesetzlichen Regelungen vorgestellt, danach die Haftungsvoraussetzungen und ihre Rechtsfolgen. Anschließend geht es um die Haftungsbeschränkung des Plattformbetreibers in China. Der Fokus liegt hier auf den spezifischen Regelungen der »Safe-Harbor-Bestimmung«. Im letzten Teil 3 erfolgen eine abschließende Würdigung und Zusammenfassung.

Teil 1: Deutsches Recht

A.

Störerhaftung zur Begründung der Haftung von Plattformbetreibern

Angesichts der Schwierigkeit, direkt gegen den unmittelbaren Täter der im Internet begangenen Verletzungshandlungen vorzugehen, hat die Rechtsprechung in Anlehnung an die Rechtsfigur des Störers im Sachenrecht analog § 1004 BGB auch im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht die Figur der »Störerhaftung« entwickelt,5 damit weitere Verletzungshandlungen verhindert werden können. Im Folgenden sollen die Haftungsvoraussetzungen und Entwicklungstendenzen der Störerhaftung in dem jeweiligen Rechtsgebiet dargestellt werden.

I.

Begriff der Störerhaftung

1.

Die weite Störerhaftung der früheren Rechtsprechung

Es gibt keine gesetzliche Definition für den Begriff des Störers. Seine dogmatische Grundlage befindet sich nicht im Deliktsrecht, sondern in den Vorschriften über die Eigentums- und Besitzstörung der §§ 1004, 862 BGB.6 Unterschieden wird zwischen dem Handlungsstörer, der die Beeinträchtigung durch seine aktive Handlung oder ein pflichtwidriges Unterlassen adäquat verursacht hat,7 und dem Zustandsstörer, der die Beeinträchtigung zwar nicht selbst herbeige5 BGH GRUR 1991, 769, 770 – Honoraranfrage; BGH GRUR 1997, 313,315 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor ; BGH GRUR 2005, 171, 172 – Ausschreibung von Ingenieurleistungen; BGH GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetter ; BGH GRUR-RR 2005, 147, 148 – Auskunftsanspruch; BGH GRUR 2008, 702, 703 – Internet-Versteigerung III. 6 BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor ; kritisch Döring, WRP 2007, 1131, 1133f., Köhler, WRP 1997, 897, 898; Ahrens, WRP 2007, 1281, 1284. 7 Berger in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 16; BGH NJW 2000, 2901, 2902; BGH NJW 2005, 1366, 1368; BGH NJW 2007, 432.

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führt hat, durch dessen maßgebenden Willen der fremdes Eigentum beeinträchtigende Zustand einer Sache aber aufrechterhalten wird.8 Zur Begründung der Störerhaftung des Plattformbetreibers ist es in der Praxis nicht notwendig, ihn entweder als Handlungs- oder als Zustandsstörer einzustufen. Denn zum einen ist die Einstufung angesichts der vielfältigen und parallelen Tätigkeiten bzw. Funktionen des Plattformbetreibers schwierig, zum anderen sind die Grenzen und Übergänge zwischen Handlungs- und Zustandsstörern fließend. Eine Unterscheidung führt hier nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen und hat deshalb keine praktische Bedeutung.9 Die Voraussetzungen und Kriterien der Störerhaftung wurden allmählich von der Rechtsprechung entwickelt und sind als solche allgemein anerkannt. In den älteren Entscheidungen wurde der Begriff des Störers wesentlich weiter ausgelegt. Im Fall »Taeschner« wies der BGH auf Folgendes hin: »Wirken bei einer Beeinträchtigung mehrere Personen mit, so kommt es für die Frage, ob ein Unterlassungsanspruch gegeben ist, nicht auf Art und Umfang des Tatbeitrages oder das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung an. Wer eine – adäquate – Ursache für die Beeinträchtigung setzt oder setzen will, ist Störer, gleichviel, ob der Störer sonst nach der Art seines Tatbeitrages als Täter oder Gehilfe anzusehen wäre.«10

Der Begriff des Störers wurde damals als Oberbegriff für die Passivlegitimation aller möglichen urheber-, marken- und lauterkeitsrechtlichen Abwehransprüche verstanden; zwischen Tätern, Mittätern bzw. Teilnehmern i. S. d. § 830 BGB und Störern wurde nicht unterschieden.11 Damit blieb die entscheidende Abgrenzung unklar,12 und die Störerhaftung trat als eigenständige Haftungskategorie noch nicht deutlich hervor. 2.

Die enge Störerhaftung

Entgegen diesem weiten Begriff des Störers wird die Störerhaftung heute als eine eigenständige Haftungskategorie angesehen,13 die in Abgrenzung zur Haftung von Tätern und Teilnehmern eigene Voraussetzungen erfüllen muss. Als Störer soll haften, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes beige8 Berger in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 17; Fritzsche in: BeckOK BGB, § 1004, Rn. 21; BGH NJW-RR, 2001, 232; BGH NJW 2005, 1366, 1367f. 9 Vgl. Volkmann, S. 61f.; Berger in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 15. 10 BGH GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner ; s. auch BGH GRUR 1976, 256, 257 – Rechenscheibe; Schünemann, WRP 1998, 120. 11 Schünemann, WRP 1998, 120; v. Gierke, WRP 1997, 892. 12 Hartmann, S. 31. 13 Ahrens in: FS Canaris, Band I, S. 3, 6.

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tragen hat, wobei als Mitwirkung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügt, sofern der Inanspruchgenommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung gehabt hat.14 Im Unterschied zum Täter hat der Störer lediglich an einer fremden Rechtsverletzung mitgewirkt. Anders als ein Teilnehmer muss der Störer keinen Vorsatz bezüglich der begangenen Haupttat eines Dritten haben. Die Störerhaftung ist verschuldensunabhängig15 und beschränkt sich im Gegensatz zu Schadensansprüchen auf Abwehransprüche.16 In Abgrenzung zur deliktischen Täter- und Teilnehmerhaftung gemäß § 830 BGB wird im Folgenden der enge Begriff der Störerhaftung als eigenständige Erscheinungsform der negatorischen Rechtsbehelfe angewendet.

II.

Haftungsvoraussetzungen des Plattformbetreibers als Störer

1.

Akzessorietät und Subsidiarität

Die Störerhaftung ist streng akzessorisch zur Rechtsverletzung eines Dritten ausgestaltet.17 Ohne eine unmittelbare Rechtsverletzung wird keine Störerhaftung angenommen. An dieser Stelle ist besonders zu betonen, dass die Störerhaftung gegenüber der Inanspruchnahme des Täters grundsätzlich nicht subsidiär ist. Wenn dem Verletzten die Identität des unmittelbaren Täters bekannt ist, kann der Verletzte auch direkt gegen ihn vorgehen, weil er eigenverantwortlich gehandelt hat, und gegen den Störer, weil dieser den Störzustand herbeigeführt und beherrscht hat.18 Die Störerhaftung bietet effektiven Rechtsschutz, da sie auch dem Rech-

14 BGH GRUR 1988, 829, 830 – Verkaufsfahrten II; BGH GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 1999, 418, 419 – Möbelklassiker ; BGH GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung; BGH GRUR 2007, 708, 711 – Internetversteigerung II; BGH GRUR 2008, 702, 706 – Internetversteigerung III; BGH GRUR 2016, 268, 270 – Störerhaftung des Access-Providers. 15 BGH GRUR 1991, 769, 770 – Honoraranfrage; BGH GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 1999, 418, 419 – Möbelklassiker ; BGH GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; vgl. Spindler/Volkmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, BGB, § 1004, Rn. 63. 16 BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor. 17 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 429; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 8, Rn. 2.2; BGH GRUR 1990, 373, 374 – Schönheits-Chirurgie; BGH GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 1997, 473, 475 – Versierter Ansprechpartner ; BGH GRUR 2000, 73, 74f. – Tierheilpraktiker ; BGH GRUR 2000, 613, 615f. – Klinik Sanssouci; BGH GRUR 2002, 902, 904f. – Vanity-Nummer. 18 BGH GRUR 2007, 724, 726 – Meinungsforum.

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teinhabern erspart, gegen eine Vielzahl einzelner Verletzer vorgehen zu müssen.19 Anders ist die Situation im Fall der Störerhaftung von Access-Providern. Der Access-Provider, der nichts weiter als den Zugang zum Internet vermittelt, haftet nur subsidiär als Störer. Er ist vom unmittelbaren Rechtsverstoß verglichen mit einem Plattformbetreiber deutlich weiter entfernt.20 Zur Störerhaftung des Access-Providers hat der BGH entschieden: »Die Störerhaftung ist allerdings gegenüber der Inanspruchnahme des Täters im Grundsatz nicht subsidiär. […] Damit ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar, in dem einem Access-Provider abverlangt werden soll, den Zugang zu bestimmten Webseiten mit Linksammlung zu unterbinden. […] Im Hinblick darauf, dass der Access-Provider ein von der Rechtsordnung gebilligtes und in Bezug auf Rechtsverletzungen Dritter neutrales Geschäftsmodell verfolgt, ist es im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit von Überwachungs- und Sperrmaßnahmen angemessen, eine vorrangige Rechtsverfolgung gegenüber denjenigen Beteiligten zu verlangen, die […] entweder die Rechtsverletzung selbst begangen oder zu der Rechtsverletzung […] durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Dagegen kommt die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Zugangsvermittler unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nur in Betracht, wenn der Inanspruchnahme des Betreibers der Webseite jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde.«21

Die Haftung von Access-Providern ist jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. 2.

Adäquat-kausaler willentlicher Beitrag zur Rechtsverletzung eines Dritten

Zur Begründung der Störerhaftung muss der Handelnde an der Verursachung der rechtswidrigen Beeinträchtigung eines Dritten willentlich und adäquatkausal mitgewirkt haben.22 Mit Hilfe der adäquaten Kausalität werden die Handlungen, die mit dem Taterfolg keinen relevanten ursächlichen Zusammenhang haben und die dem Verantwortlichen billigerweise nicht zugerechnet werden können, herausgefiltert.23 Adäquat kausal sind nur solche Handlungen, BGH GRUR 2016, 268, 277 – Störerhaftung des Access-Providers. BGH GRUR 2016, 268, 278. BGH GRUR 2016, 268, 277f.; kritisch Spindler, GRUR 2016, 451, 458. BGH GRUR 1988, 829, 830 – Verkaufsfahrten II; BGH GRUR 1997, 313, 315 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 1999, 418, 419 – Möbelklassiker ; BGH GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de; BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internetversteigerung; BGH GRUR 2007, 708, 711 – Internetversteigerung II; BGH GRUR 2008, 702, 706 – Internetversteigerung III. 23 BGH NJW 1981, 983.

19 20 21 22

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23

»wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen.«24

In Bezug auf das Bereitstellen der Dienste des Plattformbetreibers liegt ein adäquat kausaler Beitrag zur Rechtsverletzung vor, wenn der Nutzer mit Hilfe der angebotenen Dienste oder eines Online-Speicherplatzes eine Rechtsbeeinträchtigung verursacht hat, sofern sich die Gefahr nicht auf sehr ungewöhnliche Weise realisiert. Für Plattformbetreiber wird eine adäquate Kausalität grundsätzlich bejaht, weil etwa der Betreib einer Verkaufsplattform im Internet nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, Rechtsverletzungen zu begünstigen. Bei wertender Betrachtung liegt es keinesfalls außerhalb der Lebenserfahrung, dass Dritte durch z. B. das Anbieten gefälschter Ware Markenrechtsverletzungen begehen können, weil auf einer Verkaufsplattform wie eBay theoretisch jeder Nutzer Waren anbieten kann. Überdies setzt eine Störerhaftung eine willentliche Mitwirkung an einer fremden Rechtsverletzung voraus.25 Die Anforderungen an die »Willentlichkeit« dürfen nicht mit dem Verschulden oder der Kenntnis des Rechtsverstoßes verwechselt werden.26 Es bedarf weder positiver Kenntnis noch des Kennenmüssen des Störers von der Rechtsverletzung eines Drittens, an der der Störer mitwirkt.27 Denn für eine negatorische Störerhaftung ist es nicht erforderlich, dass schuldhaft gehandelt worden ist, d. h. es kommt nicht auf die subjektive Kenntnis des Störers an.28 An die Störerhaftung dürfen keine zu hohen Anforderungen gestellt werden, da es den Merkmalen einer negatorischen Haftung widerspräche, wenn man die Willentlichkeit auf die bewusste Förderung der Rechtsverletzung eines Dritten beziehen würde.29 Für die Willentlichkeit reicht eine bewusste Vornahme der Mitwirkungshandlung aus. Danach sind nur solche Handlungen ausgeschlossen, die überhaupt nicht willensgesteuert sind.30 In der bewussten Bereitstellung der Speicherplätze für die Nutzer liegt also eine willentliche Handlung des Plattformbetreibers.

24 BGH NJW 1995, 126f.; BGH NJW 2005, 1420, 1421. 25 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 428; Neuhaus, S. 33; Schapiro, S. 49f.; Hügel, S. 85. 26 Neuhaus, S. 33; Dohnke, S. 154; Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 420. 27 a. A. OLG Köln MMR 2002, 110, 112: eine willentliche Mitwirkung an Herbeiführung der Rechtsbeeinträchtigung setze die Kenntnis der tatsächlichen Umstände voraus. Vgl. v. Gierke, WRP 1997, 892, 894; Schapiro, S. 49f. 28 KG Berlin, Urt. v. 20. 7. 2012–5 U 90/11. 29 Mantz, S. 245. 30 Volkmann, S. 62; Hügel, S. 85; Schapiro, S. 50.

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3.

Zumutbare tatsächliche und rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Rechtsverletzung

Der potenzielle Störer muss eine zumutbare tatsächliche und rechtliche Möglichkeit haben, den Störzustand zu verhindern bzw. die störende Handlung zu unterbinden.31 Falls eine Verhinderung der Rechtsverletzung durch den Plattformbetreiber mit technischer Hilfe oder aus rechtlichen Gründe unmöglich ist, muss eine Störerhaftung ausscheiden.32 Theoretisch hat der Plattformbetreiber immer die tatsächliche Möglichkeit, den Rechtsverstoß seiner Kunden z. B. durch Löschung, Abschirmung oder Sperrung der IP-Adresse zu verhindern.33 Fraglich ist nur, ob der potenzielle Störer auch dann die rechtliche Möglichkeit zur Abhilfe hat, wenn er mit dem unmittelbaren Täter in einer Vertragsbeziehung steht. Denn vor diesem Hintergrund würde eine tatsächliche Abhilfehandlung regelmäßig zu einer Vertragsverletzung des Diensteanbieters gegenüber dem unmittelbaren Täter führen.34 Indes folgt die rechtliche Abhilfemöglichkeit unabhängig von der konkreten Vertragsgestaltung aus der jedem Vertrag immanenten Pflicht zu rechtmäßigem Verhalten.35 Eine rechtliche Abhilfemöglichkeit ist somit zu bejahen, wenn der in Anspruch genommene Störer das Vertragsverhältnis mit dem unmittelbar Handelnden z. B. durch Kündigung beenden kann.36 Schließlich muss die tatsächliche und rechtliche Abhilfemöglichkeit auch zumutbar sein.37 Im Fall der Bereitstellung eines Internetmarktplatzes wird die Grenze des dem Plattformbetreiber technisch Zumutbaren als überschritten angesehen, wenn die Verdachtsfälle von Rechtsverletzungen Dritter nicht über eine automatisierte Suchsoftware aufgefunden werden können, sondern jedes Angebot einer manuellen Kontrolle unterzogen werden müsste.38

31 Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 12, Rn. 6.7; Ott, WRP 2007, 605, 608; BGH GRUR 1955, 97, 100 – Constanze II; BGH GRUR 1991, 769, 770 – Honoraranfrage; BGH GRUR 1994, 441, 443 – Kosmetikstudio, BGH GRUR 2015, 258, 262 – CT-Paradies; BGH GRUR 2016, 104, 108 – Artikel auf Internetportal »recht§billig«; ähnlich Hartmann, S. 50; Volkmann, S. 64. 32 Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 7, Rn. 68; Roggenkamp/Stadler in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, Kap. 10, Rn. 505. 33 Vgl. LG München I MMR 2007, 453, 457; BGH GRUR 2016, 104, 105. 34 Vgl. Mantz, S. 254. 35 BGH GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I. 36 Baldus, in: Müko, BGB, § 1004, Rn. 182. 37 Behrens, S. 67. 38 BGH GRUR 2011, 152, 155 – Kinderhochstühle im Internet I.

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III.

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Entwicklung der Haftungsbeschränkungen in der Rechtsprechung

Mit den oben genannten Voraussetzungen wird der Begriff des Störers sehr weit ausgelegt. Indes darf die Störerhaftung nicht ausufernd auf unbeteiligte Dritte erstreckt werden, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben.39 Der BGH hat in der Vergangenheit immer wieder versucht, den Kreis der Störer im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht in angemessener Weise einzuschränken. Im Folgenden wird diese Entwicklung anhand einer Analyse der Rechtsprechung im jeweiligen Rechtsgebiet dargestellt. Das zentrale Begrenzungskriterium ist der Umfang der Prüfungspflicht und ihre praktische Anwendung.

1.

Haftungsbeschränkung durch Zumutbarkeitserwägungen auf der Rechtsfolgenseite

Die Störerhaftung wurde zunächst auf der Rechtsfolgenseite korrigiert. In dem zum Urheberrecht ergangenen Urteil »Grundig-Reporter« von 1955 hat der BGH den Weg zu einer Haftungsbeschränkung gewiesen.40 Es ging um die Haftung des Herstellers von Tonbandgeräten, mit denen die Nutzer urheberrechtswidrige Aufnahmen erstellten. Der BGH bejahte die Störerhaftung des Geräteherstellers, weil er eine Rechtsbeeinträchtigung der Rechteinhaber verursache, indem er die fraglichen Geräte in den Verkehr bringe, ohne Maßnahmen zur Verhütung einer urheberrechtsverletzenden Benutzung durch die Abnehmer zu ergreifen, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang das Verhalten des Störers bereits eine Urheberrechtsverletzung zur Folge gehabt habe.41 Allerdings hat der BGH die Störerhaftung dann auf der Rechtsfolgenseite eingeschränkt: Der Hersteller sei nur verpflichtet, den Vertrieb zu unterlassen, wenn er bei der Veräußerung der Geräte nicht gleichzeitig darauf hinweise, dass eine Benutzung der Geräte zur Aufnahme von Werken aus dem Repertoire der Rechteinhaber deren Einwilligung bedürfte.42 Eine solche Hinweispflicht hielt der BGH für angemessen und zumutbar.43 In den folgenden urheberrechtlichen Entscheidungen »Tonbandgeräte39 BGH GRUR 1997, 313, 316 – Architektenwettbewerb; BGH GRUR 1997, 909, 911 – Branchenbuch-Nomenklatur ; BGH GRUR 1999, 418, 420 – Möbelklassiker ; BGH GRUR 2013, 511, 514 – Morpheus; BGH GRUR 2013, 1030, 1032 – File-Hosting-Dienst; BGH GRUR 2014, 657, 659 – BearShare; BGH GRUR 2016, 855, 857 – jameda.de. 40 BGHZ 17, 266 = GRUR 1955, 492 – Grundig-Reporter. 41 BGH GRUR 1955, 492, 500. 42 BGH GRUR 1955, 492, 493. 43 BGH GRUR 1955, 492, 501.

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Händler«44, »Personalausweise«45 und »Kopierläden«46 hat der BGH seine Begrenzungsmethode der Rechtsfolgenmodifikation weiterentwickelt. Danach ist der Störer nur im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, durch welche die Rechtsverletzungen verhindert werden können.47 Der »eigentliche« Störer kann sich also durch Ergreifen von Maßnahmen, z. B. durch einen Hinweis oder eine Instruktion, von seiner Haftung befreien.48 Art und Umfang dieser Maßnahmen bestimmte der BGH nach Treu und Glauben, § 242 BGB.49 Es ist davon auszugehen, dass der BGH seinerzeit die Störerhaftung nicht auf der Tatbestandsseite, sondern auf der Rechtsfolgenebene beschränkt hat, indem er den Umfang der Unterlassungsverpflichtung durch eine Abwägung der Zumutbarkeit im Einzelfall begrenzte. Zwei Punkte sind jedoch an dieser Rechtsfolgenmodifikation zu kritisieren: Zum einen widerspricht das Konzept der Rechtsfolgenmodifikation dem Grundgedanken der Störerhaftung nach § 1004 BGB, jeden Störer aufgrund seiner rechtswidrigen Handlung stets auf Unterlassen haften zu lassen.50 Es ist schwer zu verstehen, warum ein tatbestandlicher Störer sich von seiner Unterlassungsverpflichtung unter Berufung auf nicht gesetzlich verankerte Zumutbarkeitskriterien soll befreien können.51 Bemerkenswert ist, dass die Rechtsfolgenmodifikation die Unterlassungsverpflichtung des in Anspruch genommenen Störer abmildert, ihm zugleich aber eine zusätzliche aktive Pflicht, z. B. die Hinweispflicht usw. zur Vermeidung oder Verringerung der Gefahren, aufbürdet.52 Zum anderen sind die zur Haftungsbegrenzung dienenden einzelfallabhängigen Zumutbarkeitskriterien über § 242 BGB so flexibel und schwierig zu erfassen, dass sie die Rechtsunsicherheit erhöhen können.53 Für das Marken- und Lauterkeitsrecht hatte der BGH das Konzept der Rechtsfolgenmodifikation zur Begrenzung der Störerhaftung nicht übernommen.54 Die Störerhaftung wurde damals in weitem Umfang angenommen. Den entsprechenden Anhaltspunkt kann man z. B. in der kennzeichenrechtlichen 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

BGH GRUR 1964, 94 – Tonbandgeräte-Händler. BGH GRUR 1965, 104 – Personalausweise. BGH GRUR 1984, 54 – Kopierläden. BGH GRUR 1964, 94, 96 – Tonbandgeräte-Händler ; BGH GRUR 1965, 104, 107 – Personalausweise; BGH GRUR 1984, 54, 55 – Kopierläden. Vgl. Volkmann, CR 2008, 232, 235. BGH GRUR 1984, 54, 55 – Kopierläden. Haedicke, GRUR 1999, 397, 399. Dustmann, Provider, S. 56; Vollmann, S. 126; Schilling, Passivlegitimation, S. 20; Haedicke, GRUR 1999, 397, 399. Neuhaus, S. 43. Rinscheid, S. 29; Leistner, GRUR 2006, 801, 804; Kropp, S. 11f. Vgl. Haedicke, GRUR 1999, 397, 399; Wolf, GreifRecht 2014, 1, 7.

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Entscheidung »Taeschner«55 und den lauterkeitsrechtlichen Entscheidungen »Constanze II«56 sowie »Rechenscheibe«57 finden. In diesen Entscheidungen schränkte der BGH die Störerhaftung nicht ein, sondern bejahte sie, sobald sich der Inanspruchgenommene willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung eines Dritten beteiligt hatte.58

2.

Haftungsbeschränkung durch Prüfungspflichten auf Tatbestandsebene

In den Entscheidungen »Architektenwettbewerb«59 zum Lauterkeitsrecht und »Möbelklassiker«60 zum Urheberrecht vollzog der BGH eine dogmatische Wende von der fragwürdigen Rechtsfolgenmodifikation zu einer Prüfungspflicht auf Tatbestandsseite. Im Fall »Architektenwettbewerb« ging es um die Haftung eines Fenster-Unternehmens, welches mehrere Architekten im Rahmen einer Ausschreibung zur Einreichung von Entwürfen für die Erweiterung seines Verwaltungsgebäudes aufgefordert hatte. Dabei verstieß das Unternehmen unbewusst gegen die Vorschriften der HOAI. Vor diesem Hintergrund verklagte die Architektenkammer das Unternehmen wegen Mitwirkung an einem Wettbewerbsverstoß auf Unterlassen. Der BGH wiederholte die allgemeinen Voraussetzungen der Störerhaftung, lehnte aber die Störereigenschaft des Unternehmens ab. »Zwar kommt im Interesse der Vermeidung einer Umgehung standesrechtlicher Verbote eine Störerhaftung grundsätzlich auch dort in Betracht, wo der Störer selbst dem fraglichen Verbot nicht unterworfen ist. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass mit Hilfe der Störerhaftung die einen Normadressaten treffende Pflicht nicht über Gebühr auf unbeteiligte Dritte erstreckt werden darf. Denn bei der Bejahung der Störerhaftung werden notgedrungen Prüfungspflichten vorausgesetzt, deren Einhaltung zur Vermeidung erneuter Inanspruchnahme geboten ist. Dem als Störer Inanspruchgenommenen muss daher ausnahmsweise der Einwand offenstehen, dass ihm im konkreten Fall eine Prüfungspflicht – etwa weil der Störungszustand für ihn nicht ohne weiteres erkennbar war – entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt zuzumuten sei.«61

Dabei knüpft die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung an die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten an. 55 56 57 58

BGH GRUR 1957, 352 – Taeschner. BGH GRUR 1955, 97 – Constanze II. BGH GRUR 1976, 256 – Rechenscheibe. BGH GRUR 1957, 352, 353 – Taeschner; BGH GRUR 1955, 97, 99 – Constanze II; BGH GRUR 1976, 256, 258 – Rechenscheibe. 59 BGH GRUR 1997, 313 – Architektenwettbewerb. 60 BGH GRUR 1999, 418 – Möbelklassiker. 61 BGH GRUR 1997, 313, 315f. – Architektenwettbewerb.

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In der späteren Entscheidung »Möbelklassiker« hat der BGH auch festgestellt, dass die Verletzung einer dem Inanspruchgenommenen obliegenden Prüfungspflicht ein ungeschriebenes Tatbestandmerkmal der Störerhaftung ist. »Wer nur durch Einsatz organisatorischer oder technischer Mittel an der von einem anderen vorgenommenen urheberrechtlichen Nutzungshandlung beteiligt war, muss demgemäß, wenn er als Störer in Anspruch genommen wird, ausnahmsweise einwenden können, dass er im konkreten Fall nicht gegen eine Pflicht zur Prüfung auf mögliche Rechtsverletzungen verstoßen hat. So muss er insbesondere geltend machen können, dass ihm eine solche Prüfung nach den Umständen überhaupt nicht oder nur eingeschränkt zumutbar war.«62

Damit wurde die Rechtsfolgenkorrektur gemäß § 242 BGB zur Einschränkung der urheberrechtlichen Störerhaftung nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG zugunsten eines tatbestandbezogenen Konzepts aufgegeben. Der Ansatz, dass die Störerhaftung die Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten voraussetzt, wurde auch im Markenrecht übernommen. In seiner markenrechtlichen Entscheidung »ambiente.de« hat sich das Gericht auf die urheber- und lauterkeitsrechtliche Rechtsprechung berufen und ausdrücklich ausgeführt: »Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus.«63

Seitdem wird das Konzept der Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten durch die Rechtsprechung als ein rechtsübergreifender einheitlicher Anknüpfungspunkt und als zentrales Kriterium zur Beurteilung der Störerhaftung angesehen. Jedoch ist die systematische Verortung der Prüfungspflicht umstritten.64 In der Literatur wird die »Verletzung von Prüfungspflichten« der Rechtswidrigkeit,65 dem Verschulden66 oder der Tatbestandsebene67 zugeordnet. Hinsichtlich seiner Filterfunktion68 zur Haftungsbegründung ist es vorzugswürdig, das Merkmal der Verletzung zumutbarer Prüfungspflichten dem Tatbestand zuzuordnen.69 Zum Verschulden gehört sie jedenfalls nicht, weil die Störerhaftung verschuldensunabhängig ist und bleiben muss. Für den Plattformbetreiber gehören zu den Prüfungspflichten z. B. die BGH GRUR 1999, 418, 419f. – Möbelklassiker. BGH GRUR 2001, 1038, 1039 – ambiente.de. Vgl. Haedicke, GRUR 1999, 397, 399. Löhr, WRP 1974, 524, 525; Lindacher, WRP 1987, 585, 586; Haedicke, GRUR 1999, 387, 491f. Henning-Bodewig, GRUR 1981, 867, 870f.; Köhler, WRP 1997, 897, 898; vgl. auch BGH WRP 2006, 590, 594 – Markenparfümverkäufe. 67 Behrens, S. 68; Hartmann, S. 74f. 68 Hartmann, S. 75. 69 Vgl. Schack, Täter und Störer, in: FS Reuter, S. 1167, 1173f. 62 63 64 65 66

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Überwachung, Belehrung, Kontrolle und die technische Sicherung.70 In der Regel entstehen die Prüfungspflichten, sobald der in Anspruch genommene Störer von einer offensichtlichen Rechtsverletzung und seiner Mitwirkung Kenntnis erlangt,71 d. h., die Beseitigung und Unterlassung seiner Mitwirkung an dem fremden Rechtsverstoß kann ab dem Zeitpunkt der Kenntnis von der rechtswidrigen Haupttat verlangt werden. Die Kenntniserlangung kann z. B. durch Erstabmahnung, Verwarnung oder Klageerhebung erfolgen.72 Zudem muss der Umfang der Prüfungspflicht durch die Zumutbarkeit begrenzt werden,73 der sich wie das Übermaßverbot nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls richtet.74 Dabei sollen die Funktion und die Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sein.75 Der Umfang der Prüfungspflichten wird im weiteren Verlauf noch näher untersucht.76

IV.

Rechtsfolgen

Die Rechtsfolgen der Störerhaftung für die Mitwirkung an urheber-, markenund lauterkeitsrechtlichen Rechtsverletzungen eines Dritten sind Abwehransprüche auf Beseitigung einer gegenwärtigen fortbestehenden Störung77 und auf Unterlassung künftiger Störungen.78 Nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB setzt der Unterlassungsanspruch voraus, dass weitere Beeinträchtigungen drohen müssen, sog. Wiederholungsgefahr.79 Für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch genügt jedoch bereits die Gefahr 70 BGH GRUR 2014, 657, 658 – BearShare; AG Berlin-Charlottenburg, GRUR-RS 2015, 02858; LG Hamburg MMR 2015, 125, 136; Köhler, ZUM 2016, 1046, 1048; Spindler, Die Störerhaftung im Internet, in: FS Köhler, S. 695, 698f. 71 OLG Hamburg GRUR-RR 2007, 350, 350 – YU-GI-OH!-Karten; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2008, 122, 124 – Domain-Parking; Luckhaus, GRUR-RR 2008, 113, 114; Klatt, ZUM 2009, 265, 266f. 72 Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 40. 73 Lensing-Kramer/Ruess, GRUR 2009, 722, 725; Dreier/Specht in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, § 97, Rn. 33. 74 Schilling, Passivlegitimation, S. 54. 75 Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 8, Rn. 2.2a; BGH GRUR 2001, 1038, 1040 – ambiente.de; BGH GRUR 2003, 969, 971 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten; BGH GRUR 2009, 1093, 1094 – Focus-Online; BGH GRUR 2011, 1038, 1039 – Stiftparfüm; BGH GRUR 2012, 311,313 – Blog-Eintrag. 76 Siehe Teil. 1, D. 77 Spindler/Volkmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, BGB, § 1004. Rn. 64; Berger, in: Jauernig, BGB, § 1004, Rn. 6. 78 Berger, in: Jauernig, BGB, §1004, Rn. 10. 79 Berger, in: Jauernig, BGB, §1004, Rn. 11; Baldus in: MüKo BGB, § 1004, Rn. 289.

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einer ersten Beeinträchtigung, sog. Erstbegehungsgefahr.80 Den vorbeugenden Unterlassungsanspruch hat der BGH schon in seiner Entscheidung »InternetVersteigerung II« bejaht, weil bei einer drohenden Gefährdung nicht erst abgewartet werden müsse, bis der erste Eingriff in ein Rechtsgut erfolgt sei.81 Ein Schadensersatzanspruch gegen den Störer kommt nicht in Betracht,82 weil ein Anspruch auf Schadensersatz grundsätzlich nur bei Verschulden besteht.83 Es handelt sich bei der Störerhaftung vielmehr um eine verschuldensunabhängigen Anspruch analog § 1004 BGB, der keine schadensersatzrechtliche Funktion hat.84

V.

Vereinbarkeit der Störerhaftung mit dem EU-Recht

Die Störerhaftung, die mit höherrangigem Unionsrecht vereinbar sein muss, ist im Europarecht nicht unmittelbar geregelt. Zu prüfen bleibt, ob die deutsche Störerhaftung ausreicht, um die europarechtlichen Vorgaben zur Vermittlerhaftung umzusetzen. In der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft85 (InfoSoc-RL) ist die Haftung von Vermittlern für mittelbare Urheberrechtsverletzungen auf europäischer Ebene vorgesehen. Dies lässt sich Erwägungsgrund 59 der InfoSoc-RL entnehmen: »Insbesondere in der digitalen Technik können die Dienste von Vermittlern immer stärker von Dritten für Rechtsverstöße genutzt werden. Oftmals sind diese Vermittler selbst am besten in der Lage, diesen Verstößen ein Ende zu setzen. Daher sollten die Rechteinhaber – unbeschadet anderer zur Verfügung stehender Sanktionen und Rechtsbehelfe – die Möglichkeit haben, eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler zu beantragen, der die Rechtsverletzung eines Dritten in Bezug auf ein geschütztes Werk oder einen anderen Schutzgegenstand in einem Netz überträgt. Diese Möglichkeit sollte auch dann bestehen, wenn die Handlungen des Vermittlers nach Artikel 5 freigestellt sind. Die Bedingungen und Modalitäten für eine derartige gerichtliche Anordnung sollten im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden.« 80 BGH GRUR 2004, 263, 265 – Gasbelieferung; Berger, in: Jauernig, BGB, §1004, Rn. 11; Baldus in: MüKo BGB, § 1004, Rn. 289. 81 BGH GRUR 2007, 708, 711 – Internet-Versteigerung II. 82 BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor ; BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 432. 83 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 764. 84 Berger, in: Jauernig, BGB, §1004, Rn. 3; Baldus, in: MüKo BGB, § 1004, Rn. 217. 85 EG-ABl. 2001 L 167/10.

Störerhaftung zur Begründung der Haftung von Plattformbetreibern

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Vor diesem Hintergrund sind die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 3 InfoSoc-RL verpflichtet sicherzustellen, dass die Rechteinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten genutzt werden. Die Mitgliedstaaten sind ferner gemäß Art. 11 S. 3 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums86 (Durchsetzungs-RL) verpflichtet sicherzustellen, dass die Rechteinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen können, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Nach Art. 3 Abs. 2 der Durchsetzungs-RL müssen die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Voraussetzungen und Verfahren für derartige Anordnungen sollen nach Erwägungsgrund 23 der Durchsetzungs-RL dem Recht der Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Die Vorschriften zur Haftung für Mittelspersonen bleiben den Mitgliedstaaten vorbehalten. Das von Art. 8 Abs. 3 InfoSoc-RL und Art. 11 S. 3 sowie Art. 3 Abs. 2 Durchsetzungs-RL bezweckte Ziel kann in Deutschland durch die vorhandene Störerhaftung erreicht werden, die dem Rechteinhaber Abwehransprüche gewährt und ihm ermöglicht, die Rechtsverletzungen eines Dritten zu verhindern. Daher entspricht die Störerhaftung den europäischen Vorgaben und es liegt kein Umsetzungsbedarf vor.87

VI.

Zusammenfassung

Die Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden urheber-, marken- und lauterkeitsrechtlichen Rechtsverletzungen wird seit langem in Deutschland durch die Störerhaftung gewährleistet. Sie setzt einen fremden Rechtsverstoß voraus und der Störer darf selbst nicht Täter oder Teilnehmer sein. Er muss in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechtgutes beigetragen werden. Damit die Haftung für rechtsverletzende Handlungen eines Dritten nicht in unangemessener Weise auf unbeteiligte Dritte erstreckt wird, setzt die Störerhaftung die Verletzung von der Rechtsprechung entwickelter Prüfungspflichten voraus. Wenn der Inanspruchgenommene die zumutbaren Prüfungspflichten verletzt und die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung der Rechtsverletzung hat, haftet er verschuldensunabhängig als Störer auf Beseitigung- und Unterlassung. Abweichend vom Urheber- und Markenrecht ist derzeit die Haftung für 86 EG-ABl. 2004 L 157/45. 87 Behrens, S. 62.

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mittelbare Rechtsverletzungen im Lauterkeitsrecht konzipiert. Der BGH hat die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung ausdrücklich aufgegeben.88 Im Folgenden sollen diese dogmatische Wende und ihre Entwicklung genauer analysiert werden.

B.

Abkehr von der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht

I.

Kritik an der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung

Seit ihrer Einführung ist die Störerhaftung im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht einer breiten Kritik ausgesetzt. Nachfolgend werden die wichtigen Kritikpunkte am Konzept der Störerhaftung für mittelbare Rechtsverletzungen allgemein und insbesondere im Lauterkeitsrecht dargestellt. 1.

Fehlen der Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 1004 BGB

Die Rechtsprechung leitet die Störerhaftung aus einer analogen Anwendung von § 1004 BGB her. In der Literatur wird vor allem kritisiert, dass die sachenrechtlich geprägten negatorischen Ansprüche für die spezifischen lauterkeitsrechtlichen Probleme überhaupt ungeeignet sind.89 Überdies lägen die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung von § 1004 BGB im Lauterkeitsrecht nicht vor.90 Der BGH hat die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung ausdrücklich auf eine entsprechende Anwendung von § 1004 BGB gestützt, aber versäumt, die Voraussetzungen der Analogie zu prüfen.91 Bei der Analogie handelt es sich um eine gesetzesimmanente Rechtsfortbildung. Bei einer Gesetzesanalogie wird eine Gesetzesbestimmung auf einen gesetzlich nicht geregelten Fall, der diesem aber ähnelt, ausgedehnt.92 a) Planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes Eine zulässige Analogie setzt zunächst voraus, dass ein Gesetz nach der gesetzgeberischen Absicht eine ungewollte Regelungslücke, d. h. eine planwidrige 88 Ständige Rechtsprechung seit BGH GRUR 2011, 152, 156 – Kinderhochstühle im Internet I. Bestätigt durch BGH GRUR 2013, 301, 304 – Solarinitiative; BGH GRUR 2014, 883 – Geschäftsführerhaftung. 89 Schünemann, WRP 1998, 120, 121ff. 90 Döring, WRP 2007, 1131, 1133; Ahrens, WRP 2007, 1281, 1284. 91 BGH GRUR 313, 315 – Architektenwettbewerb. 92 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 202.

Abkehr von der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht

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Unvollständigkeit, enthält.93 Eine Unvollständigkeit des Gesetzes liegt vor, wenn das Gesetz keine Norm enthält, die den zu entscheidenden Fall unmittelbar regelt.94 Nach § 8 UWG kann auf Beseitigung und bei Widerholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine nach § 3 oder § 7 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt. Das UWG enthält keine Regelung zur Passivlegitimation einer Person, die nur an einem fremden Wettbewerbsverstoß beteiligt ist, ohne selbst eine geschäftliche Handlung vorzunehmen. Insoweit kann eine Unvollständigkeit des UWG bejaht werden. Fraglich ist, ob die Gesetzeslücke planwidrig ist. Planwidrig ist eine Gesetzeslücke unter anderem, wenn der Gesetzgeber die Lücke nicht gesehen und deshalb keine entsprechende Regelung getroffen hat.95 Hat der Gesetzgeber den Fall aber bewusst nicht geregelt, dann kann von einer planwidrigen Lücke keine Rede sein. Man wird davon ausgehen müssen, dass der Gesetzgeber die Störerhaftung im Lauterkeitsrecht bewusst nicht geregelt hat, weil er bei den Novellierungen des UWG mehrmals die Gelegenheit hatte, die Störerhaftung im UWG gesetzlich zu verankern. Einen Beweis liefert der Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. In ihm wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Klärung der Reichweite der Störerhaftung weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben solle, weshalb auf eine ausdrückliche Regelung dieser Frage verzichtet werde.96 Damit liegt keine planwidrige Gesetzeslücke vor, denn der Gesetzgeber hat die Störerhaftung gekannt, aber bewusst darauf verzichtet, sie gesetzlich zu regeln. Er wollte die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung vielmehr der Rechtsprechung überlassen.97 b) Vergleichbare Interessenlage Voraussetzung einer Analogie ist weiter eine vergleichbare Interessenlage. Die Interessenlage bei der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung müsste mit derjenigen, die der Störerhaftung nach § 1004 Abs. 1 BGB zugrunde liegt, vergleichbar sein. Die Abwehransprüche aus § 1004 BGB dienen dem Schutz absoluter Rechte und setzen die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung von absoluten Rechten i. S.v. § 823 Abs. 1 BGB voraus.98 Die absoluten Rechte richten sich gegen jedermann. Demnach ist der Berechtige befugt, die Achtung seines Rechtes von 93 94 95 96 97 98

Larenz, Methodenlehre, S. 370f.; Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 25. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, S. 20, 55. Larenz, Methodenlehre, S. 374. Begr. RegE zum DurchsetzungsG, BT-Drucks. 16/5048 v. 20. 4. 2007, S. 30. Schapiro, S. 88; Döring, WRP 2007, 1131, 1133. Spindler/Volkmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, BGB, § 1004, Rn. 62.

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jedermann zu verlangen und auch allen Menschen gegenüber durchzusetzen.99 Im Lauterkeitsrecht geht es jedoch nicht wie in § 823 Abs. 1 BGB um Erfolgsunrecht, sondern um Verhaltensunrecht. Nach § 1 schützt das UWG die Mitbewerber, die Marktgegenseite und zugleich die Allgemeinheit vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Das UWG stellt also Marktverhaltensrecht dar,100 das bestimmte Verhaltenspflichten statuiert.101 Die Rechtswidrigkeit einer unlauteren Handlung wird nicht durch Herbeiführung einer tatbestandmäßigen Beeinträchtigung der absoluten Rechte indiziert, sondern an die Verletzung bestimmter Verhaltenspflichten geknüpft.102 Im Unterschied zur Verletzung absoluter Rechte ist nicht jedermann der Normadressat des UWG, sondern nur wer eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG begeht.103 Nur Ihn treffen die Verhaltenspflichten des UWG. Es ist nicht sachgerecht, dem Störer einen Wettbewerbsverstoß vorzuwerfen, wenn ihm die notwendige Täterqualität fehlt, er also keine geschäftliche Handlung vorgenommen hat, so dass ihm auch keine besonderen Verkehrspflichten auferlegt werden müssen. Die wegen mittelbarer Rechtsverletzung im Lauterkeitsrecht in Anspruch Genommenen sind somit vom zivilrechtlichen Störer nach § 1004 BGB zu unterscheiden. Es fehlt deshalb die erforderliche vergleichbare Interessenlage. c) Ergebnis Es handelt sich weder um eine planwidrige Gesetzeslücke noch liegt eine vergleichbare Interessenlage vor, so dass eine analoge Anwendung von § 1004 BGB ausscheiden muss. Eine lauterkeitsrechtliche Störerhaftung aufgrund analoger Anwendung würde zu einer unzulässigen Ausweitung der Sanktionsadressaten des UWG führen.104 Das soll nach Ansicht einiger Autoren den Wertungen der Verfassung widersprechen und gegen Grundrechte verstoßen, Art. 20 Abs. 3, Art. 12 Abs. 2 GG.105 2.

Kritik an der Prüfungspflicht

Seit ihrer Einführung wird die Prüfungspflicht zur Begrenzung der Störerhaftung im Schrifttum kritisiert.106 Einerseits hat sich eine klare dogmatische 99 Ann/Hauck in: MüKo UWG, Band 1, Teil I, Rn. 89; Becker, GRUR Int 2010, 940, 942; Henrich in: Bamberger/Roth, BeckOK BGB, § 194, Rn. 16. 100 Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, Rn. 1. 101 Schneider, S. 64. 102 Köhler, WRP 1997, 897, 898. 103 Köhler, WRP 1997, 897, 898; Döring, WRP 2007, 1131, 1134. 104 Ähnlich Schneider, S. 64. 105 Döring, WRP 2007, 1131, 1134; Schneider, S. 65. 106 Ausführlich v. Gierke, WRP 1997, 892f.; Schünemann, WRP 1998, 120f.; Köhler, WRP 1997, 897f.; Haedicke, GRUR 1999, 397f.; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 6f.

Abkehr von der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht

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Grundlage bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur herausgebildet. Auch nachdem der BGH die Prüfungspflicht zur Begrenzung der Täterhaftung bestätigt hat,107 fehlt immer noch eine überzeugende Begründung der Prüfungspflicht im Bereich der negatorischen Haftung. Andererseits erfolgt die Konkretisierung der Prüfungspflicht vor allem anhand von Einzelfallentscheidungen. Rechteinhaber wie Plattformbetreiber fühlen sich verunsichert wegen einander widersprechender Urteile trotz ähnlicher Sachverhalte.108 Die letztlich vom BGH definierte Reichweite der Prüfungspflichten ist für den Plattformbetreiber schwer vorhersehbar, vor allem weil seine Prüfungspflicht an den unbestimmten Rechtsbegriff der »Zumutbarkeit« anknüpft. Außerdem wird kritisiert, dass, obwohl die Verletzung von Prüfungspflichten dogmatisch im objektiven Tatbestand einer Rechtsverletzung geprüft werden soll, sie aber unweigerlich den Vorwurf einer »Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt« i. S. d. § 276 Abs. 2 BGB enthält109 und damit ein Verschuldenselement in die verschuldensunabhängige Störerhaftung eingeführt wird, das der Systematik des § 1004 BGB fremd ist.110 3.

Kritik an der Ablehnung von Schadensersatzansprüchen

Bislang wird im Rahmen einer Störerhaftung kein Anspruch auf Schadensersatz wegen Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht gewährt.111 Im Fall »Meißner Dekor« hat der BGH ausdrücklich hervorgehoben, dass die Störerhaftung, die ihre Grundlage nicht im Deliktsrecht, sondern in der Regelung der Besitz- und Eigentumsstörung in § 862 und § 1004 BGB hat, nur Abwehransprüche vermittelt. Für einen Schadensersatzanspruch gegen den Störer fehle die gesetzliche Grundlage.112 Dementgegen wird in der Literatur kritisiert, dass der Grund für die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen rein pragmatisch sei und den allgemeinen Grundsätzen der deliktischen Haftung widerspreche,113 denn § 1004 BGB wird von der h. M. als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB angesehen.114 Bei schuldhafter Nichtbeachtung der Unterlassungspflicht haftet der Inanspruch107 BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 108 OLG Düsseldorf MMR 2006, 618f.; LG Hamburg MMR 2007, 726f.; LG Hamburg MMR 2008, 265f.; LG Hamburg ZUM 2009, 863f. 109 Lehment, WRP 2012, 149, 152f. 110 Köhler, WRP 1997, 897, 898; Jergolla, WRP 2004, 655, 659; Schneider, S. 67; Klein, S. 140. 111 BGH GRUR 2001, 82, 83 – Neu in Bielefeld I; BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor ; BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2004, 704, 705 – Verabschiedungsschreiben. 112 BGH GRUR 2002, 618. 619 – Meißner Dekor. 113 Döring, WRP 2007, 1131, 1134. 114 BGH NJW-RR 2001, 1208.

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genommene als Täter dieser Schutzgesetzverletzung auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 i. V. m. § 1004 BGB.115 Nach diesem Verständnis wäre es widersinnig, dass § 1004 BGB allein im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht kein Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB sein soll,116 indem der Störer bei Verletzung der aus § 1004 BGB abgeleiteten Unterlassungspflicht auch nach Ansicht des BGH nicht auf Schadenersatz haftet. Vor diesem Hintergrund ist dieser Kritik an der Ablehnung von Schadensersatzansprüchen grundsätzlich zuzustimmen. 4.

Zwischenergebnis

Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Störerhaftung im Lauterkeitsrecht dogmatisch nicht überzeugend begründet wird. Angesichts der heftigen Kritik hat der BGH von seiner richterlichen Rechtsfortbildung der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung Abstand genommen.

II.

Das BGH-Urteil »Jugendgefährdende Medien bei eBay« als Wendepunkt im Lauterkeitsrecht

Mit seiner Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay«117 von 2007 hat der BGH eine neue dogmatische Grundlage für die Begründung der Haftung von Plattformbetreibern wegen Mitwirkung an Wettbewerbsverstößen Dritter geschaffen. 1.

Die Entscheidung

Die Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay« betraf die Haftung eines Handelsplattformbetreibers für den Wettbewerbsverstoß seiner Nutzer. Der Beklagte betreibt den Online-Marktplatz eBay, auf dem neue oder gebrauchte Waren von kommerziellen Händlern oder Privatpersonen zur Versteigerung oder zum Sofortkauf angeboten werden. In der Regel erfolgt das Versteigerungs- und Kaufverfahren automatisch durch Computerprogramme. Die Verkäufer hatten jugendgefährdende Medien gemäß §§ 18, 24 JuSchG auf eBay zur Versteigerung angeboten. Weil es schwierig ist, die unmittelbaren Täter zu ermitteln und einzeln in Anspruch zu nehmen, klagte der Interessenverband des Video-Fachhandels gemäß § 8 Abs. 1 UWG gegen eBay auf Unterlassung. Der BGH stellt zunächst fest, dass eBay nicht als Täter nach §§ 3, 4 Nr. 11 a. F. 115 Döring, WRP 2007, 1131, 1134; Schapiro, S. 100. 116 Schapiro, S. 100. 117 BGH GRUR 2007, 890f. – Jugendgefährdende Medien bei eBay.

Abkehr von der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht

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UWG hafte, weil eBay dadurch, dass es den Anbietern seine Plattform zur Verfügung stellt und dort jugendgefährdende Angebote veröffentlicht werden können, nicht selbst gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien verstoße. Im Folgenden stellt der BGH klar, dass eine Haftung von eBay als Teilnehmer mangels Vorsatzes auch ausscheidet, denn eBay nehme die Angebote vor deren Veröffentlichung auf der Auktionsplattform nicht zur Kenntnis, sondern sie werden im Rahmen des Registrierungsverfahrens automatisch durch den Anbieter in das Internet gestellt. Hier habe eBay keine Kenntnis von der konkret drohenden Haupttat gehabt, so dass der erforderliche Gehilfenvorsatz fehlte.118 Ferner komme ein täterschaftlicher Verstoß gegen die Generalklausel des § 3 UWG wegen Verletzung einer lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht. Weil das Unternehmen eBay mit der Bereitstellung seiner Handelsplattform eine ernste Gefahr dafür geschaffen habe, dass Dritte das Jugendschutzrecht und damit auch die lauterkeitsrechtlich geschützten Verbraucherinteressen verletzen, komme eine lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht in Betracht, wonach eBay im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren Maßnahmen ergreifen müsse, um die Gefahr zu begrenzen und den Rechtsverstoß Dritter zu verhindern.119 Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif war, hat der BGH sie an das Berufungsgericht zurückverwiesen. 2.

Täterschaft aufgrund der Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten

Im diskutierten Urteil hat der BGH eine neue Form der Täterschaft aufgrund der Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten entwickelt. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Lauterkeitsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist lauterkeitsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.120 Im Folgenden werden die Voraussetzungen dieser Täterhaftung näher untersucht. a) Vorliegen einer geschäftlichen Handlung Zunächst muss eine geschäftliche Handlung zur Begründung der lauterkeitsrechtlichen Täterschaft vorliegen. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG definiert die geschäftliche Handlung als »jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes 118 BGH GRUR 2007, 890, 892. 119 BGH GRUR 2007, 890, 892. 120 BGH GRUR 2007, 890, 894.

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oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt«.

Der Begriff der geschäftlichen Handlung grenzt den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts vom allgemeinen Deliktsrecht ab.121 Nicht jeder ist Normadressat des UWG. Ohne eine geschäftliche Handlung ist der Anwendungsbereich des UWG nicht eröffnet.122 Zu berücksichtigen ist, dass mit Umsetzung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG123 (UGP-Richtlinie) der im UWG a. F. verwendete Begriff »Wettbewerbshandlung« durch »geschäftliche Handlung« ersetzt wurde, der ausschließlich objektiv zu interpretieren ist124 und deshalb eine früher erforderliche Wettbewerbsförderungsabsicht des Handelns nicht mehr verlangt. Entscheidend ist allein, dass ein objektiver Zusammenhang zwischen der Handlung und der Absatz- oder Bezugsförderung besteht.125 Im vorstehenden Fall schafft das Unternehmen eBay im eigenen geschäftlichen Interesse eine allgemein zugängliche Handelsplattform und erhält eine Provision für jedes auf seiner Handelsplattform erfolgreich vermittelte Geschäft. Die Bereitstellung der Plattform für Internetauktionen ist eine geschäftliche Handlung i. S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG.126 b)

Schaffung der ernsthaften Gefahr einer Interessenverletzung von Marktteilnehmern durch Dritte Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unmöglich.127 Niemand hat die allgemeine Pflicht, Gefahren von Dritten abzuwenden. Die Rechtspflicht zur Abwendung einer Rechtsverletzung kann sich aufgrund eines objektiv gefahrbegründenden oder gefahrerhöhenden Verhaltens ergeben.128 Deshalb setzt eine Täterhaftung wegen Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten weiter voraus, dass durch ein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr geschaffen wird, dass Dritte lauterkeitsrechtlich geschützte Interessen 121 Keller in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 2, Rn. 2; Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 4. 122 Keller in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 2, Rn. 2; Köhler in: Köhler/ Bornkamm, UWG, § 2, Rn. 3; BGH GRUR 2006, 428 – Abschleppkosten-Inkasso. 123 EG-ABl. 2005 L 149/22. 124 Sosnitza in: Ohly/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 5. 125 Keller in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 2, Rn. 15; BGH GRUR 2013, 945, 946 – Standardisierte Mandatsbearbeitung; BGH GRUR 2015, 694, 696 – Bezugsquellen für Bachblüten; BGH GRUR 2016, 946, 952 – Freunde finden. 126 BGH GRUR 2007, 890, 892 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 127 BGH NJW 2007, 1683, 1684. 128 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 476; BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay ; BGH GRUR 2016, 209, 212 – Haftung für Hyperlink.

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von Marktteilnehmern (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG) verletzen.129 Im vorstehenden Fall war zu prüfen, ob eBay durch die Bereitstellung seiner Plattform die Gefahr begründete oder erhöhte, dass lauterkeitsrechtlich geschützte Interessen der Marktteilnehmer – insbesondere der Verbraucher – durch die Handlung der Anbieter in stärkerem Maße beeinträchtigt werden, als dies ohne die Bereitstellung der Plattform der Fall wäre. Das hat der BGH bejaht, denn eBay habe in zurechenbarer Weise die ernsthafte Gefahr einer Verletzung des Jugendschutzrechts durch Dritte verursacht, indem es durch die Bereitstellung seiner Handelsplattform seinen Nutzern ermöglicht habe, mühelos Angebote im Internet zu veröffentlichen, die gegen das Jugendschutzrecht verstoßen. Dem Geschäftsmodell sei die ernstzunehmende Gefahr immanent, dass es von Verkäufern zum Vertrieb indizierter jugendgefährdender, volksverhetzender und gewaltverherrlichender Medien und damit zur Begehung von Straftaten und unlauteren geschäftliche Handlung genutzt wird.130 Fraglich ist, ob hier besondere Anforderungen an den Grad der Gefahr gestellt werden müssen, damit die lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht ausgelöst wird. Es ist anerkannt, dass man nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugen kann.131 Da es sich bei der Täterhaftung wegen Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten um eine Verschuldenshaftung handelt (im Unterschied zur Gefährdungshaftung, bei der es genügt, dass sich eine abstrakte Gefahr realisiert hat), muss eine konkrete Gefahr vorliegen,132 die sich von der abstrakten Gefahr qualitativ unterscheidet, so dass die Zurechnung einer erweiterten Haftung für die ursprüngliche Mitwirkungshandlung gerechtfertigt werden kann.133 Der BGH spricht hier von einer »ernsthaften« Gefahr.134 Die Entstehung einer lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflicht setzt somit konkrete Anhaltspunkte für eine unlautere geschäftliche Handlung eines Dritten voraus, die eine Wiederholungsgefahr oder zumindest eine Erstbegehungsgefahr auslösen.135 c) Verletzung der lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflicht Mit der Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay« hat der BGH die im Deliktsrecht entwickelte Lehre der Verkehrspflichten in das Lauterkeitsrecht übernommen.136 Er führte unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung 129 130 131 132 133 134

BGH GRUR 2007, 890, 894. BGH GRUR 2007, 890, 894. BGH NJW 2007, 1683, 1684. Behrens, S. 267; Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 125. Ähnlich Ahrens, WRP 2007, 1281, 1288. BGH GRUR 2007, 890f. – Jugendgefährdende Medien bei eBay ; BGH GRUR 2011, 1038, 1042 – Stiftparfüm. 135 Fritzsche in: MüKo UWG, Band 2, § 8, Rn. 266; Mühlberger, GRUR 2009, 1022, 1023; BGH GRUR 2007, 890, 896 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 136 Köhler, GRUR 2008, 1.

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»Bahnhofs-Verkaufsstellen«137 aus, dass die Verkehrspflichten der Sache nach im Lauterkeitsrecht bereits angenommen würden. Die Rechtsverletzung absoluter Rechte i. S.v. § 823 Abs. 1 BGB als Erfolgsunrecht unterscheidet sich von Lauterkeitsverstößen als Handlungsunrecht. Es liegt aber in der Verantwortung eines jeden, die von ihm geschaffene ernsthafte Gefahr in den Grenzen der Zumutbarkeit von Dritten abzuwenden, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich die Gefahr in einem Erfolgs- oder einem Handlungsunrecht realisiert.138 Deshalb sollen die im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB zur Abwendung eines Erfolgsunrechts entwickelten Verkehrspflichten uneingeschränkt auch im Lauterkeitsrecht angewendet werden. Doch kann die Einführung von Verkehrspflichten ins Lauterkeitsrecht zugleich zur Erweiterung der Haftung führen, weil mit Hilfe der lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichten manche ursprünglich nicht in §§ 4 ff. UWG normierten unlauteren geschäftlichen Handlungen, die aber kausal zum Wettbewerbsverstoß beitragen, auch als wettbewerbswidriges Verhalten angesehen werden können.139 Diese Haftungsausweitung bedarf deshalb unbedingt einer gesetzlichen Grundlage. Im UWG kann man eine solche gesetzliche Grundlage in der Generalklausel des § 3 Abs. 1 UWG suchen, die »der Rechtsprechung die Möglichkeit gibt, beliebige Verhaltensweisen als unlauter zu qualifizieren.«140 Weiter präzisierte der BGH die lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht wie folgt: »Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die Gefahr schafft, dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen, ist wettbewerbsrechtlich dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen.«141

Wer gegen eine lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht verstoße, sei Täter einer unlauteren geschäftlichen Handlung. Lauterkeitsrechtliche Verkehrspflichten könne derjenige verletzen, der erforderliche und ihm zumutbare Maßnahmen unterlasse, z. B. wer einen Link setzt, der auf wettbewerbswidrige Inhalte auf Internetseiten eines Dritten verweist,142 oder ein Geschäftsführer, der seinen Betrieb nicht so organisiert, dass sichergestellt ist, dass Werbe-E-Mails nur an solche Empfänger versendet werden, von denen eine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.143 Der BGH konkretisiert die lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht hinsichtlich 137 138 139 140 141 142 143

BGH GRUR 1995, 601ff. – Bahnhofs-Verkaufsstellen. BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. Ähnlich Neuhaus, S. 146. Neuhaus, S. 146. BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. BGH GRUR 2016, 209ff. – Haftung für Hyperlink. OGL Düsseldorf MMR 2010, 99, 100 – Spammer-Impressum.

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rechtsverletzender fremder Inhalte als Prüfungspflicht. Das Bestehen und der Umfang einer lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflicht seien im Einzelfall nach einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln, die sich an den zur Störerhaftung entwickelten Grundsätzen, also Zumutbarkeitskriterien, orientiere.144 Kriterien zur Bestimmung der Verkehrspflichten sind z. B. die Intensität der Gefahr, die Bedeutung und der Rang der betroffenen Schutzgüter und die Zumutbarkeit der Gefahrabwendung.145 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichten nicht lediglich auf die Prüfungspflichten beschränken, sondern auch z. B. Überwachungs- und Eingreifpflichten enthalten können.146 Im Folgenden wird die lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht unter Rückgriff auf die Lehre der Verkehrspflichten im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB untersucht, um diesem Konzept im Sonderdeliktsrecht mehr Klarheit und Fundament zu geben. 3.

Die Lehre von den Verkehrspflichten

Die gesetzlichen Vorschriften des Deliktsrechts können die vielfältigen Lebensverhältnisse nicht in allen Fällen rechtswidriger Verursachung erfassen. Die Verkehrspflichten sind durch richterliche Rechtsfortbildung in der Praxis entstanden, um diese Lücke im Deliktsrecht zu schließen, indem die Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB weit ausgelegt wird.147 Den Verkehrspflichten liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass jeder, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft oder andauern lässt, die ihm zumutbaren Maßnahmen und Vorkehrungen treffen muss, die zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren notwendig sind.148 a) Die Entwicklung der Verkehrspflichten Die Herausbildung der Verkehrspflichten begann mit einem Urteil des Reichsgerichts von 1902. Im Fall »Morscher-Baum«149 hatte der Kläger den Fiskus verklagt, da ein auf dem öffentlichen Weg stehender morscher Baum umgefallen

144 BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 145 Loschelder/Dörre, WRP 2010, 822, 824; Förster in: BeckOK BGB, § 823, Rn. 305; Wagner in: MüKo BGB, § 823, Rn. 776; Podszun in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 3, Rn. 176. 146 BGH GRUR 2014, 883, 884 – Geschäftsführerhaftung; Goldmann in: Harte-Bavendamm/ Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 440. 147 v. Bar, Verkehrspflichten, S. 15ff.; Mertens, VersR 1980, 397ff. 148 BGH NJW 1970, 1877 – Hoheitliche Tätigkeit; Haedicke, CR 1999, 309, 312. 149 RGZ 52, 373ff.

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war und Schäden an seinem Grundstück verursacht hatte. Das RG bejahte die Haftung des Fiskus für unterlassene Sicherungsmaßnahmen, da »ein jeder auch für Beschädigungen durch seine Sachen insoweit aufkommen solle, als er dieselben bei billiger Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen hätte verhüten müssen«.150

Aus dieser Rechtsprechung folgte eine Rechtspflicht des Eigentümers, den Zustand seiner Sachen regelmäßig zu überprüfen. In der Entscheidung »Straßentreppe«151 von 1903 hat das RG die Verkehrspflichten weiterentwickelt. Hier hatte der Kläger eine Stadtgemeinde verklagt, weil er auf einer schneeglatten und dunkel beleuchteten, dem öffentlichen Verkehr dienenden steinernen Treppe gestürzt war und die Stadtgemeinde es unterlassen hatte, die Treppe zu säubern und die Reinigung zu überwachen. Das RG stellte klar, dass wer sein Grundstück zum öffentlichen Verkehr bestimmt, das in einer Weise tun muss, die den Anforderungen der Verkehrssicherheit genügt.152 In beiden Fällen handelte es sich also um eine Haftung für einen Herrschaftsbereich. Hier wurde die Verkehrspflicht herausgebildet: Wer eine Gefahrenquelle schafft, ist verpflichtet, Vorkehrungen zur Abwendung der daraus Dritten drohenden Gefahren vorzunehmen.153 Im späteren »Milzbrandfall«154 wurde die Haftung noch erweitert. Der beklagte Tierarzt hatte einen Metzger auf die Infektionsgefahr nicht hingewiesen, sodass dieser sich als Beteiligter an der vom Arzt durchgeführten Notschlachtung des an Milzbrand erkrankten Rindes infizierte. In diesem Urteil wurde die Verkehrspflicht auf den Schutz der Rechtsgüter eines Dritten bei Ausübung einer übernommenen Aufgabe erstreckt.155 Daraus lässt sich ableiten, dass die Verkehrspflichten durch richterliche Rechtsfortbildung entstanden sind und ihr Bestehen, Inhalt und Umfang von einer für jeden Einzelfall durchzuführenden Abwägung abhängen.156 b) Begründung der Verkehrspflichten Eine Verkehrspflicht kann sich aus der Eröffnung oder Beherrschung einer Gefahrenquelle ergeben.157 Das entspricht dem bereits erwähnten Gedanken,

150 151 152 153 154 155 156 157

RGZ 52, 373, 379. RGZ 54, 53ff. RGZ 54, 53, 59. v. Bar, JuS 1988, 169. RGZ 102, 372ff. RGZ 102, 372, 375. Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 65. BGH NJW 1975, 108f.; BGHZ 66, 51; Weller in: Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil, 14. Kapitel, BGB, § 823, Rn. 11. Diese Fallgruppe ist für die Begründung der lauterkeitsrechtlichen

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dass wer eine Gefahrenquelle eröffnet oder beherrscht, entsprechende Maßnahmen im Rahmen des Zumutbaren und Erforderlichen zu ergreifen hat, um Schäden von Dritten abzuwenden.158 Beispielweise müssen der Eigentümer und Vermieter eines Mehrfamilienhauses dafür sorgen, dass Abdeckroste eines Lichtschachtes vor dem Abheben durch einen unbefugten Dritten gesichert sind.159 Die Verkehrspflicht kann auch aus der Übernahme einer Aufgabe oder der Ausübung eines Berufes oder Gewerbes folgen.160 So muss etwa ein Veranstalter von Musikkonzerten Maßnahmen gegen die Gefahren treffen, die Konzertbesuchern durch Gehörschäden aufgrund übermäßiger Lautstärke der dargebotenen Musik drohen.161 Die Verkehrspflicht kann sich auch aus vorangegangenem gefährlichen Tun ergeben. Beispielsweise muss eine Hausfrau, die eine zu Reinigungszwecken dienende ätzende Flüssigkeit (Natronlauge) in eine Bierflasche füllt, ausreichende Vorkehrungen dagegen treffen, dass dritte Personen sie nicht mit einer Getränkeflasche verwechseln und sich innere Verletzungen zufügen.162 Auch wer als Hersteller ein Produkt in den Verkehr bringt, trifft die Pflicht, die einwandfreie Beschaffenheit seiner Produkte zu gewährleisten und ihren Befund zu sichern, um Schäden eines Dritten vorzubeugen.163 Die Verkehrspflichten sind durch die Rechtsprechung im Laufe der Zeit fortentwickelt worden. Die erwähnten typischen Fallgruppen dürfen daher nicht als abschließend verstanden werden.164 c) Funktion und dogmatische Grundlage der Verkehrspflichten Die Verortung der Verkehrspflichten ist umstritten. Nach einem Teil der Literatur sind sie als Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB anzusiedeln.165 Diese Ansicht hätte jedoch zur Folge, dass der Schutzbereich des Deliktsrechts über die Verkehrspflicht ohne vorherige legislatorische Entscheidung ausgedehnt wird, sodass der Schutzgehalt und die gesetzgeberische Wertung des § 823 Abs. 1 durch eine ausufernde Anwendung des § 823 Abs. 2 BGB ausgehöhlt werden,166

158 159 160 161 162 163 164 165 166

Verkehrspflicht besonders von Bedeutung. Dazu Fritzsche in: MüKo UWG, Band 2, § 8, Rn. 265. BGH NJW 1985, 108; BGH NJW 1988, 2667; BGH NJW-RR, 1989, 219; Fritzsche in: MüKo UWG, Band 2, § 8, Rn. 268. BGH NJW 1990, 1236ff. Staudinger in: Schulze, BGB, §823, Rn. 64. BGH NJW 2001, 2019ff. BGH NJW 1968, 1182ff. BGH NJW 1988, 2611, 2613; OLG Stuttgart NJW-RR 2015, 1506, 1508; Weller in: Geigel, Haftpflichtprozess, 2. Teil, 14. Kapitel, BGB, § 823, Rn. 277f.; Filthaut, HPflG, § 12, Rn. 6; Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 172. Staudinger, § 823, Rn. 63. v. Bar, Verkehrspflichten, S. 157ff.; ders. JuS 1988, 169, 171. Fuchs, Deliktsrecht, S. 128; OLG Hamm Urt. v. 13. 11. 2007–3 U 207/07, Rn. 15.

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wobei die Unvorhersehbarkeit der Haftung zu Rechtsunsicherheit führe.167 Nach h.L. und Rechtsprechung sind die Verkehrspflichten deshalb dogmatisch in § 823 Abs. 1 BGB zu verorten.168 Sie schützen alle von § 823 Abs. 1 BGB erfassten absoluten Rechte und Rechtsgüter.169 Die Verkehrspflichten dienen zum einen dazu, die Haftung für ein Unterlassen zu begründen.170 Im Fall des Unterlassens kann die Rechtswidrigkeit nicht allein durch den Eintritt des Schadenserfolgs indiziert werden. Unter dem Handlungsbegriff versteht man sowohl das positive Tun als auch das Unterlassen.171 Ein Unterlassen ist rechtlich mit einem positiven Tun gleichzustellen, wenn den Unterlassenden eine bestimmte Rechtspflicht zum Tätigwerden trifft und das pflichtgemäße Handeln den Eintritt des Schadens verhindert hätte.172 Verletzt also eine Person ihre Verkehrspflicht durch Unterlassen, so kann dies erst über die rechtswidrige Tatbestandserfüllung zugerechnet werden. Zum anderen haben die Verkehrspflichten die Funktion, die Haftung im Fall mittelbarer Verletzungen zu begründen und zugleich zu beschränken.173 Die Tatbestandserfüllung wird in Fällen mittelbarer Verletzung wie beim Unterlassen nicht schon durch Vorliegen einer adäquaten Kausalität indiziert,174 weil die letzte und direkt zur Rechtsverletzung führende Ursache nicht vom mittelbar Handelnden gesetzt wird. Der kausale Beitrag des mittelbar Handelnden ist vom Erfolgseintritt zu weit entfernt. Ein Rechtswidrigkeitsurteil ist nur dann angemessen, wenn dem mittelbaren Handelnden seine Handlung zugerechnet wird, weil er gegen ihm obliegende Verkehrspflichten verstoßen hat, die dem Erfolgseintritts vorbeugen sollten.175 In diesem Sinne führt nicht jede Unterlassung zur Haftung des mittelbar Handelnden, sondern nur wenn er eine Verkehrspflicht verletzt hat. Daher verfügen die Verkehrspflichten über eine haftungsbegründende und zugleich haftungsbeschränkende Funktion.176 Aufgrund ihrer haftungsbegründenden Funktion ist es folgerichtig, die Verkehrspflichten auf der objektiven Tatbestandsebene des § 823 Abs. 1 BGB zu prüfen.177

167 168 169 170 171 172 173 174 175 176 177

Wagner in: MüKo BGB, § 823, Rn. 306. BGH NJW 1987, 2671, 2672; Wagner in: MüKo BGB, § 823, Rn. 306. BGH NJW 1987, 2671, 2672. Deckert, Jura 1996, 348, 349; Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 56. Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 46. BGH NJW 1990, 2128, 2129; BGH NJW 2012, 850, 851. Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 61. Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn. 646; ähnlich Rinscheid, S. 79. v. Bar, JuS 1988, 169, 179; Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 50. Schack, Täter und Störer, in: FS Reuter, S. 1167, 1174f. Wagner in: MüKo BGB, § 823, Rn. 308; Staudinger in: Schulze, BGB, § 823, Rn. 75.

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4.

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Vergleich mit der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung

In der Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay« hat der BGH statt der Störerhaftung eine eigenständige täterschaftliche Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an einem fremden Wettbewerbsverstoß angenommen. Die haftungsbegründende lauterkeitsrechtliche Verkehrspflicht konkretisiert der BGH als Prüfungspflicht, deren Bestehen und Umfang wie die zur Störerhaftung entwickelten Grundsätze zu ermitteln sind.178 Auf Tatbestandsebene sind keine wesentlichen Unterschiede zwischen der Störerhaftung und der täterschaftlichen Haftung wegen Verletzung von lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichten zu erkennen.179 Daher fragt sich, welche Unterschiede zwischen diesen beiden Haftungsformen überhaupt vorhanden sind. a) Unterschiedlicher Adressatenkreis Ein offensichtlicher Unterschied zwischen lauterkeitsrechtlicher Störerhaftung und einer Täterhaftung ist der unterschiedliche Adressatenkreis. Ein wesentlicher Grund, die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung abzulehnen, liegt darin, dass die Störerhaftung immer möglich ist, obwohl der mitwirkende Handelnde selbst die Täterqualifikation nicht aufweist.180 Es reicht aus, dass der unmittelbar Handelnde eine geschäftliche Handlung begangen hat,181 weil die Täterqualifikation dem Störer durch seine mitwirkende Handlung zugerechnet werden konnte.182 Demgegenüber muss eine geschäftliche Handlung i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, deren Erfüllung im Tatbestand vorausgesetzt wird, zur Begründung der Täterschaft aufgrund einer eigenen lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichtverletzung führen.183 Auf diese Weise können die spezialgesetzlichen lauterkeitsrechtlichen Vorschriften gegen den Anspruchsgegner nun dogmatisch einwandfrei angewendet werden.184 b) Gelockerte Akzessorietät Umstritten ist, ob die Täterhaftung aufgrund einer lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichtverletzung wie die Störerhaftung streng akzessorisch ausgestaltet ist,185 ob also auch die unmittelbare Handlung selbst eine vollständige unlautere BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. Gräbig, MMR 2011, 504, 505; Döring, WRP 2007, 1131, 1137. Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 539; Döring, WRP 2007, 1131, 1135. BGH GRUR 1997, 313, 316 – Architektenwettbewerb. Behrens, S. 54. BGH GRUR 2015, 1025 – TV-Wartezimmer ; Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 539; Köhler, GRUR 2008, 1, 3; Döring, WRP 2007, 1131, 1138; Fürst, WRP 2009, 378, 383; Lehment, WRP 2012, 149, 159; Ohly, NJW 2016, 1417, 1419; kritisch Ahrens, WRP 2007, 1281, 1290. 184 Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 539. 185 Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 125a.

178 179 180 181 182 183

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Handlung darstellen muss. Dies ist zu verneinen. Im Unterschied zur Störerhaftung ist die Täterhaftung nicht von einem durch sie verwirklichten unmittelbaren Wettbewerbsverstoß abhängig, es handelt sich vielmehr um eine selbständige Gefährdungshaftung.186 Maßgeblich ist, dass der mittelbare Täter selbst eine unlautere geschäftliche Handlung i. S.v. § 3 Abs. 1 UWG begeht, indem er die durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr in einer ihm zurechenbaren Weise geschaffene oder geduldete Gefahrenquelle nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren begrenzt.187 Ursprünglich sollte es unerheblich sein, ob diese Gefahr später tatsächlich eintritt oder ausbleibt.188 Das Vorliegen einer oben bereits diskutierten ernsthaften Gefahr ist aber zur Bestimmung des Bestehens der Verkehrspflicht notwendig, sodass man hier noch von einer gelockerten Akzessorietät sprechen kann.189 Zur Rechtfertigung des Vorfeldschutzes im Lauterkeitsrecht wird gefordert, dass ein ernsthafter unmittelbarer Wettbewerbsverstoß als Erstbegehungsgefahr droht oder Wiederholungsgefahr besteht.190 Dieses Konzept der Ausgestaltung des eigenständigen nichtakzessorischen Gefährdungstatbestandes ähnelt § 10 PatG,191 bei dem die Haftung des mittelbaren Patentverletzers nicht von der unmittelbaren Patentverletzung abhängt.192 § 10 Abs. 3 PatG bestimmt ausdrücklich, dass eine mittelbare Patentverletzung auch dann in Betracht kommt, wenn Privatleute das Mittel gemäß § 11 Nr. 1–3 PatG in nicht patentverletzender Weise verwenden.193 c) Keine Subsidiarität Fraglich ist weiter, ob ein Plattformbetreiber als Täter aufgrund der Verkehrspflichtverletzung wie ein Störer194 im Grundsatz nur subsidiär haftet. In der Literatur wird befürwortet, dass der Täter wegen seiner Mitwirkung an einem fremden Wettbewerbsverstoß nicht in Anspruch genommen werden soll, wenn dem Verletzten ein Vorgehen gegen den unmittelbaren Verletzer möglich und zumutbar sei.195 Dieses Argument einer fehlenden Schutzbedürftigkeit des Verletzten ist jedoch nicht überzeugend. Kein Täter darf von seiner Haftung befreit werden, indem er darauf hinweist, dass der Verletzte gegen einen anderen Verletzer vorgehen kann.196 Den mittelbaren wie den unmittelbaren Verletzer 186 187 188 189 190 191 192 193 194 195 196

Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 3. Sosnitza in: MüKo UWG, Band 1, § 3, Rn. 137. Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 538; Schneider, S. 130. Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 3f.; Schneider, S. 130. Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 4. Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 9; Behrens, S. 283; Schneider, S. 130. Haedicke, GRUR 2009, 273, 274. Rauh, GRUR Int 2010, 459, 460; LG Düsseldorf, Urt. v. 23. 02. 2007–22 S 307/06. Siehe hierzu ausführlich oben Teil 1, Abschnitt A.II.1 zu Access-Providern. Köhler, GRUR 2008, 1, 4f. Schapiro, S. 230.

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trifft wegen der Verkehrspflichtverletzung eine eigenständige Verantwortlichkeit an der Entstehung des Schadens. Daher kommt eine gesamtschuldnerische Haftung i. S.v. § 840 BGB in Betracht.197 Es gibt keine gesetzliche Grundlage, die mittelbare Rechtsverletzung subsidiär zu behandeln. Eine nur subsidiäre Verantwortlichkeit ist dem deutschen Recht grundsätzlich fremd.198 In Hinblick auf einen effektiven Rechtsschutz des Geschädigten wäre eine Subsidiarität auch unangemessen, weil in jedem Einzelfall geprüft werden müsste, ob dem Verletzen ein Vorgehen direkt gegen den unmittelbaren Verletzer möglich und zumutbar wäre. d) Unterschiedliche Rechtsfolgen Im Unterschied zur Störerhaftung, die ausschließlich Abwehransprüche gewährt, bietet die Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung bei Verschulden auch Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 9 UWG und bei Vorsatz auf Gewinnabschöpfung gemäß § 10 UWG.199 Daneben kommen noch Auskunfts- und Vernichtungsansprüche in Betracht.200 Zu beachten ist jedoch, dass der Schadensersatzanspruch nicht in Betracht kommt, wenn dem Plattformbetreiber kein Verschulden vorgeworfen werden kann und somit die Privilegierung des § 10 TMG greift. Es ist umstritten, ob § 10 TMG auch auf Abwehransprüche angewendet werden kann. Diese strittige Frage wird im Abschnitt E näher diskutiert. e) Fazit Die Täterhaftung wegen Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten unterscheidet sich von der lauterkeitsrechtlichen Störerhaftung dogmatisch grundlegend.201 Erstere basiert nicht mehr auf § 1004 BGB analog, sondern sie findet eine saubere dogmatische Grundlage unter Rückgriff auf die im Deliktsrecht entwickelten Verkehrspflichten. Bei der Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung ist der Adressatenkreis im Unterschied zur Störerhaftung auf diejenigen begrenzt, die selbst im geschäftlichen Verkehr einen selbständigen Wettbewerbsverstoß begangen haben. Die Voraussetzung der Akzessorietät wird nicht ganz aufgehoben, aber gelockert. Zur Begründung der mittelbaren Täterhaftung reicht es aus, dass eine Erstbegehungsgefahr des unmittelbaren Wettbewerbsverstoßes ersichtlich droht. Auch wenn sowohl Täterhaftung als auch die Störerhaftung nicht subsidiär ausgestaltet sind, führen sie doch zu 197 Neuhaus, S. 155. 198 Spindler, ZUM 1996, 533, 540; Schapiro, S. 230. 199 Döring, WRP 2007, 1131, 1137; Köhler, GRUR 2008, 1, 3; Krüger/Apel, MMR 2012, 144, 148; Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, § 8, Rn. 123a. 200 Haedicke, JZ 2010, 150, 152; Behrens, S. 289. 201 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 437.

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unterschiedlichen Rechtsfolgen, da nur die Täterhaftung das neue Sanktionsspektrum eröffnet.

III.

Fortentwicklung und Ablösung der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht

Aus der Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay« ließ sich damals noch nicht ableiten, dass die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung in Zukunft nicht mehr zur Anwendung kommen kann.202 Doch zeichnete sich die Aufgabe der Störerhaftung für das Lauterkeitsrecht bereits ab. In der Entscheidung »Kinderhochstühle im Internet I« hat der BGH erstmals das Rechtsinstitut der Störerhaftung im Lauterkeitsrecht ausdrücklich aufgegeben.203 Der BGH war der Ansicht, dass eine Störerhaftung in Fällen von Verhaltensunrecht nicht in Betracht komme.204 Dies wurde auch in der Folgezeit mehrmals bestätigt.205 Damit wurde die Störerhaftung in den Fällen des sog. Verhaltensunrechts, um das es bei Wettbewerbsverstößen geht und in denen keine absolute Rechtsverletzung in Rede steht,206 durch die Täterhaftung wegen Verletzung lauterkeitsrechtlicher Verkehrspflichten endgültig abgelöst. Dem vorstehenden Vergleich ist aber zu entnehmen, dass diese Täterhaftung und die traditionelle Störerhaftung bis zu einem gewissen Grad parallel laufen, weil der BGH für die Verkehrspflichten ausdrücklich die zur Störerhaftung entwickelten Grundsätze heranzieht.207 Die lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichten im Rahmen der Täterhaftung entsprechen somit inhaltlich den Prüfungspflichten im Rahmen der Störerhaftung.208 Die Personen, die ursprünglich von der Störerhaftung erfasst wurden, werden mit Ausnahme derjenigen Personen, die das erforderliche täterqualifizierende Merkmal nicht erfüllen, weiterhin von der Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung erfasst. Vor diesem Hintergrund bleibt möglichweise noch ein Anwendungsfeld für die Störerhaftung, wenn der Inanspruchgenommene selbst nicht geschäftlich gehandelt hat. Köhler hat bestimmte Fallgruppen im Einzelnen geprüft und daraus hergeleitet, dass keine sachlichen Gründe für ein Fortbestehen der bisherigen Störerhaftung neben der neuen Täterhaftung für Verkehrspflichtver202 Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 537; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 4; Döring, WRP 2007, 1131, 1140. 203 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 422. 204 BGH GRUR 2011, 152, 156 – Kinderhochstühle im Internet I. 205 OLG München MMR 2009, 126; OLG Köln GRUR-Prax 2010, 566; BGH GRUR 2013, 301, 304 – Solarinitiative; BGH GRUR 2014, 883f. – Geschäftsführerhaftung; BGH GRUR 2015, 672, 679 – Videospiel-Konsolen II; BGH GRUR 2015, 1025, 1027 – TV-Wartezimmer. 206 BGH GRUR 2014, 883, 883 – Geschäftsführerhaftung. 207 Hoeren/Neubauer, WRP 2012, 508, 510; Engels, MMR 2011, 175, 176. 208 Wilhelmi in: Große Ruse-Khan/Klass/v. Lewinski, S. 127.

Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut

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letzungen bestehen.209 Zu erwähnen ist hierbei auch, dass die geschäftliche Handlung nach Umsetzung der UGP-Richtlinie keine subjektive Wettbewerbsabsicht mehr voraussetzt.210 An das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung werden keine hohen Anforderungen gestellt.211 Ausgenommen sind nur private Handlungen außerhalb des unternehmerischen Bereichs. Diese werden vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Teilnehmerhaftung behandelt.212 Eine lauterkeitsrechtliche Störerhaftung kann also nur dort erhalten bleiben, wo weder eine Täter- noch eine Teilnehmerhaftung begründet werden kann.213 Solche Fälle dürften extrem selten sein.

C.

Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut zur Begründung der Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen?

Während die Störerhaftung im Lauterkeitsrecht endgültig abgeschafft wurde, hat der BGH hingegen im Urheber- und Markenrecht ausdrücklich an ihr festgehalten.214 In der Literatur wird mehrfach vorgeschlagen, dass die Haftung für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen eines Dritten im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht über ein einheitliches Haftungsinstitut, basierend auf Verkehrspflichten, behandelt werden soll.215 Im Folgenden wird diskutiert, ob eine Abkehr von der Störerhaftung auch im Urheber- und Markenrecht zu erwarten und wünschenswert ist. Zunächst werden die Rechtsprechung des BGH und die Kritik hieran sowie die Vorschläge der Literatur dargestellt. Sodann wird Köhler, GRUR 2008, 1, 6. Keller in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 2, Rn. 50. Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 541. Ähnlich Behrens, S. 293. Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 9. Für das Urheberrecht s. BGH GRUR 2010, 633, 634f. – Sommer unseres Lebens; BGH GRUR 2011, 1018, 1210 – Automobil-Onlinebörse; BGH GRUR 2013, 370, 371 – Alone in the Dark; BGH GRUR 2013, 1229, 1231 – Kinderhochstühle im Internet II; BGH GRUR 2013, 1030, 1032 – File-Hosting-Dienst; BGH GRUR 2016, 268, 270 – Störerhaftung des Access-Providers; für das Markenrecht s. BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2007, 708, 711 – Internet-Versteigerung II; BGH GRUR 2008, 702, 706 – Internet-Versteigerung III; OLG Köln MMR 2009, 48, 49 – Störerhaftung des Admin-C; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2009, 337, 338 – Prüfungspflicht des Admin-C; BGH GRUR 2011, 1038, 1039 – Stiftparfüm; BGH GRUR 2012, 304, 307f. – Basler Haar-Kosmetik; OLG Braunschweig GRUR 2014, 1002, 1006 – Posterlounge I; BGH GRUR 2015, 485, 490 – Kinderhochstühle im Internet III; BGH GRUR 2016, 936, 937 – Angebotsmanipulation bei Amazon. 215 Leistner, GRUR 2006, 801, 808; Klatt, ZUM 2009, 265, 268; Spindler, GRUR 2011, 101, 103; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 18f.; Köhler, GRUR 2008, 1, 6f.; Gräbig, MMR 2011, 504, 508f.; Lehment, WRP 2012, 149, 151; Nordemann in: FS Loewenheim, S. 215, 219f.; Stang/Hühner, GRUR 2010, 636, 637; Hohlweck, ZUM 2017, 109, 113; Behrens, S. 293f.; Kropp, S. 33f.

209 210 211 212 213 214

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Deutsches Recht

die Vereinbarkeit der dogmatischen Grundlagen der Verkehrspflichten mit dem EU-Recht und dem nationalen Recht untersucht.

I.

Meinungsstand des BGH und seine Problematik

In seiner markenrechtlichen Entscheidung »Internet-Versteigerung I«216 war der BGH mit einem Sachverhalt konfrontiert, der der lauterkeitsrechtliche Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay« vergleichbar war. Es ging um die Haftung der Betreiber von Onlinehandelsplattformen, auf denen die Nutzer gefälschte Markenuhren zum Kauf angeboten hatten. In diesem Urteil stützte sich der BGH mit ähnlicher Begründung wie in »Jugendgefährdende Medien bei eBay« jedoch noch auf die Störerhaftung.217 In späteren Entscheidungen im Bereich des Urheber- und Markenrechts hat der BGH an dieser Ansicht festhalten.218 Die Instanzgerichte folgten den Vorgaben des I. Zivilsenats und entschieden ausdrücklich gegen eine Täterhaftung in Fällen einer Verletzung absoluter Rechte.219 Eine überzeugende Begründung für die ungleiche Behandlung in den verschiedenen Rechtsgebieten ist der BGH bislang schuldig geblieben.220 1.

Gründe des BGH für die Ablehnung der Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung im Urheber- und Markenrecht

a) Unterschied zwischen Erfolgs- und Verhaltensunrecht Der Hauptgrund, aus dem die Übertragung der Verkehrspflichten als Haftungsgrundlage für mittelbare Rechtsverletzungen auf das Urheber- und Markenrecht abgelehnt wird, liegt darin, dass der BGH zwischen Erfolgsunrecht im Immaterialgüterrecht und Verhaltensunrecht im Lauterkeitsrecht unterscheidet.221 Nach Auffassung des BGH können die Verkehrspflichten, die sich an Verhaltenspflichten orientieren, nur im Rahmen von Verhaltensunrecht ge216 BGH GRUR 2004, 860 – Internet-Versteigerung I. 217 BGH GRUR 2004, 860, 864. 218 Für das Urheberrecht s. BGH 2009, 841, 843 – Cybersky ; BGH GRUR 2010, 633, 634 – Sommer unseres Lebens; BGH GRUR 2013, 370, 371 – Alone in the Dark; für das Markenrecht s. BGH GRUR 2009, 1167, 1171 – Partnerprogramm; BGH GRUR 2011, 152, 155 – Kinderhochstühle im Internet; BGH GRUR 2011, 617, 619 – Sedo; BGH GRUR 2011, 1038, 1039 – Stiftparfüm; BGH GRUR 2013, 1229, 1231 – Kinderhochstühle im Internet II. 219 OLG Köln MMR 2009, 48, 49; OLG München MMR 2010, 261; OLG Hamburg MMR 2011, 49, 50; OLG Köln GRUR-RR 2012, 329, 331; OLG Stuttgart MMR 2012, 475, 476; KG MMR 2016, 548, 549. 220 Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 538. 221 Spindler, GRUR 2011, 101, 102; Kropp, S. 34.

Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut

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prägten Lauterkeitsrecht angewendet werden.222 Im Urheber- und Markenrecht handelt es sich hingegen um Erfolgsunrecht, bei dem die Rechtswidrigkeit nicht durch Verletzung einer Verhaltenspflicht, sondern durch die Beeinträchtigung absolut geschützter Rechte bzw. durch den tatbestandmäßigen Erfolgseintritt indiziert wird.223 Bei einer tatbestandmäßigen Verletzung absoluter Rechte kommt es nicht auf die zum Erfolgseintritt führende Handlung, sondern auf den Erfolgseintritt als solchen an.224 Eine Haftung wegen Verkehrspflichtverletzung kommt daher im von Erfolgsunrecht geprägten Urheber- und Markenrecht nicht in Betracht. Der BGH führte in seiner Entscheidung »Internet-Versteigerung I« ausdrücklich aus: »Soweit in der neueren Rechtsprechung eine gewisse Zurückhaltung gegenüber dem Institut der Störerhaftung zum Ausdruck kommt und erwogen wird, die Passivlegitimation für den Unterlassungsanspruch allein nach der deliktsrechtlichen Kategorie der Täterschaft und Teilnahme zu begründen, betrifft dies Fälle des Verhaltensunrechts, in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede steht. Im Falle der Verletzung von Immaterialgüterrechten, die als absolute Rechte auch nach den §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB Schutz genießen, sind die Grundsätze der Störerhaftung uneingeschränkt anzuwenden.«225

b)

Tatbestandsmäßigkeit von mittelbaren Rechtsverletzungen im Urheber- und Markenrecht Ein weiterer Grund gegen die Annahme einer Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung im Urheber- und Markenrecht ist, dass die gesetzlich vorgeschriebenen Verletzungstatbestände im Urheber- und Markenrecht bei Anwendung der im Wege der Rechtsfortbildung praeter legem entwickelten flexiblen Rechtsfigur der Verkehrspflichten umgegangen werden könnten.226 Der BGH hat in seinen Urteil »Sommer unseres Lebens« darauf hingewiesen, dass »während im Lauterkeitsrecht das in Rede stehende Verhalten – die Eröffnung einer nicht hinreichend begrenzten Gefahr für die geschützten Interessen anderer Marktteilnehmer – ohne Weiteres als eine unlautere geschäftliche Handlung eingeordnet werden kann, für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein müssen.«227

222 Leible/Sosnitza, NJW 2004, 3225, 3227. 223 Ausführlich zur Differenzierung zwischen Erfolgs- und Verhaltensunrecht Haedicke, GRUR 1999, 397, 400f.; Neuhaus, S. 136f. 224 Kropp, S. 34. 225 BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I. 226 Schneider, S. 208. 227 BGH GRUR 2010, 633, 634 – Sommer unseres Lebens.

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Deutsches Recht

Ähnlich hatte der BGH in einer früheren markenrechtlichen Entscheidung eine Täterhaftung der Plattformbetreiberin abgelehnt, weil sie durch Bereitstellung ihrer Plattform für Fremdversteigerungen nicht die Merkmale einer Markenverletzung nach § 14 Abs. 3 oder Abs. 4 MarkenG erfülle, da sie selbst die gefälschte Ware gemäß § 14 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG nicht anbiete oder in Verkehr bringe und die Klagemarken auch nicht in der Werbung benutze.228 Das UrhG und das MarkenG normieren konkrete handlungsbezogene Verletzungstatbestände.229 Bei einer Annahme von Verkehrspflichten drohte eine Haftung im Vorfeld der normierten Verletzungstatbestände für Handlungen, die nicht tatbestandsmäßig sind, sondern bloß eine Verhaltenspflicht verletzen.230 2.

Kritik an der Ansicht des BGH und Vorschläge in der Literatur

In der Literatur ist die Auffassung des BGH zum Teil heftig kritisiert worden. Zunächst wird der Unterscheidung zwischen Erfolgs- und Handlungsunrecht entgegengehalten, dass zum einen die Grenzen zwischen Verhaltens- und Erfolgsunrecht nicht immer klar seien, und es auch schwierig sei festzustellen, wo die Grenze zwischen Wettbewerbs- und Sonderschutzrecht verlaufe.231 Man könne beispielweise einen Wettbewerbsverstoß auch als Erfolgsunrecht ansehen, weil auch das Lauterkeitsrecht letztlich auf die Verhinderung eines bestimmten Erfolgs bzw. »Verzerrung des freien Wettbewerbs«232 abziele.233 Der zweite Kritikpunkt lautet: »Der eigene Kausalbeitrag bei mittelbarer Rechtsverletzung ist von dem Erfolgseintritt – im Unterschied zu der nach dem Erfolgsunrecht beurteilten unmittelbaren Rechtsverletzung – sehr weit entfernt, sodass ein angemessenes Rechtswidrigkeitsurteil der mittelbaren Rechtsverletzung am Verhaltensunwert, also an der Verhaltenspflichtverletzung, anknüpfen muss.«234

Eine Störerhaftung für mittelbare Immaterialgüterrechtsverletzungen setzt, wie bereits erwähnt, eine Verletzung der Prüfungspflicht voraus, die die pflichtmäßigen Verhaltensnormen bereits immanent enthält. Daher bedürfe es beim Rechtswidrigkeitsurteil für mittelbare Immaterialgüterrechtsverletzungen neben dem Erfolgseintritt noch eines Unwerturteils über das bestimmte Verhalten.235 Deshalb wird vorgeschlagen, die mittelbaren Immaterialgüterrechts228 229 230 231 232 233 234 235

BGH GRUR 2004, 860, 863 – Internet-Versteigerung I. v. Wolff in: Wandtke/Bullinger, UrhG, § 97, Rn. 19. Schneider, S. 208; Behrens, S. 302. Goldmann in: Harte-Bavedamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 427. Leistner/Stang, WRP 2008, 533, 535. Haedicke, GRUR 1999, 397, 401. Neuhaus, S. 138. Haedicke, GRUR 1999, 397, 401.

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verletzungen dem Verhaltensunrecht zuzuordnen.236 Die mittelbaren immaterialgüterrechtlichen Verletzungshandlungen seien nur bei der Verletzung einer Verkehrspflicht tatbestandmäßig.237 Weiterhin wird argumentiert, dass es keinen strukturellen Unterschied bei mittelbaren Rechtsverletzungen in unterschiedlichen Rechtsgebieten gebe.238 Für die Verantwortlichkeit einer mittelbaren Rechtsverletzung sei die qualitative Gefahrerhöhung für das verletzte Rechtsgut entscheidend.239 Dabei sei unerheblich, ob sich die Gefahr in einem Erfolgs- oder in einem Handlungsunrecht realisiere. Deshalb seien keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung der Haftungsgrundlage im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht aufgrund der Unterscheidung von Erfolgsund Handlungsunrecht ersichtlich.240 In der Literatur wird noch vertreten, dass nicht nur derjenige als Täter einer Urheber- und Markenrechtsverletzung in Anspruch genommen werden kann, der selbst eine im Gesetz normierte und dem Rechteinhaber vorbehaltene Verwertungshandlung begeht, sondern auch derjenige, der nur adäquat kausal an einer fremden Rechtsverletzung eines Dritten mitwirkt, sofern ihm die Mitwirkungshandlung aufgrund der Verkehrspflichtverletzung zugerechnet werden kann.241 Von einer Befürchtung einer Umgehung der speziellen Verletzungstatbestände sei in den mittelbaren urheber- und markenrechtlichen Rechtsverletzungen keine Rede. Im Urheber- und Markenrecht, das zum Sonderdeliktsrecht zählt, könnten nicht nur eigenständige Verletzungshandlungen, sondern auch eine bloß mittelbare Verursachung den Tatbestand einer Urheberund Markenrechtsverletzung erfüllen.242 Die Autoren halten die Begründung des BGH gegen eine Übertragung der Verkehrspflicht auf das Urheber- und Markenrecht für nicht überzeugend. Sie schlagen vor, dass die im Rahmen des § 823 BGB entwickelten Verkehrspflichten als allgemeiner Rechtsgrundsatz einheitlich auch für das Urheber- und Markenrecht gelten sollten.243 Die Befürworter eines einheitlichen Haftungskonzepts sehen den Vorteil eines Rückgriffs auf die Verkehrspflicht zur Ablösung der Störerhaftung im Urheber- und Markenrecht vor allem darin, dass die Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen auf eine einheitliche und dogmatisch saubere

236 237 238 239 240 241 242 243

Schaub in: FS Medicus, S. 423, 435; Ahrens, WRP 2007, 1281, 1287. Schapiro, S. 151. Ahrens, WRP 2007, 1281, 1287. Ahrens, WRP 2007, 1281, 1287f. Spindler, GRUR 2011, 101, 103. Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 30; Köhler, GRUR 2008, 1, 6; Spindler, CR 2010, 592, 594. Gräbig, MMR 2011, 504, 508; Spindler, CR 2010, 592, 594; Köhler, GRUR 2008, 1, 6. Nordemann in: Fromm/Nordemann, § 97 UrhG, Rn . 155; Spindler, GRUR 2011, 101, 103; Gräbig, MMR 2011, 504, 508f.; Köhler, GRUR 2008, 1, 7; Stang/Hübner, GRUR 2010, 636, 637; Leistner, GRUR-Beil. 2010, 1, 29.

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Deutsches Recht

Grundlage gestellt wird,244 die auch mit der Entwicklung der allgemeinen Zivilrechtsdogmatik in Einklang steht.245 Zudem würde die Rechtssicherheit für den Rechtsverkehr gestärkt.246 Denn mithilfe der Verkehrspflichten, die durch die langjährige Rechtsprechung bereits klare Konturen gewonnen haben,247 lassen sich einerseits die Prüfungspflichten bei mittelbaren Urheber- und Markenrechtsverletzungen dogmatisch überzeugend begründen, andererseits können die Kriterien zur Bestimmung von Umfang und Inhalt der Prüfungspflicht weiter präzisiert und konkretisiert werden.248 Ein einheitliches Haftungskonzept für mittelbare Rechtsverletzungen könne außerdem einen Wertungswiderspruch in der Rechtsprechung in verschiedenen Rechtsgebieten vermeiden.249 Wenn beispielweise ein Wettbewerbsverstoß und eine Markenrechtsverletzung parallel stattfinden, sei es widersinnig, dass eine Person bei Verschulden aus lauterkeitsrechtlicher Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung nach §§ 9, 10 UWG auf Schadensersatz und Gewinnabschöpfung in Anspruch genommen werden könne, während sie aus markenrechtlicher Störerhaftung trotz Vorsatzes nur zur Unterlassung und Beseitigung verpflichtet ist.250 Diese Haftungsinkonsistenz wird kritisiert, weil in solchen Fällen sogar »eine generelle Abwertung aller Schutzrechte gegenüber dem Wettbewerbsrecht«251 drohe, welche Anlass dazu gebe, die Ungleichbehandlung mittelbarer Rechtsverletzungen im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht ganz in Frage zu stellen. Deshalb könnte es möglicherweise sachgerecht sein, das Haftungskonzept der mittelbaren Rechtsverletzung wegen Verkehrspflichtverletzung auf das Urheberund Markenrecht zu übertragen.

II.

Stellungnahme: Ablehnung der Übertragung der Verkehrspflichten auf das Urheber- und Markenrecht

Doch sprechen gewichtige Gründe gegen die Annahme eines einheitlichen Haftungskonzepts, vor allem wäre es mit dem geltenden nationalen Recht und dem vorrangigen EU-Recht nicht vereinbar.

244 245 246 247 248 249 250 251

Gräbig, MMR 2011, 504, 509; Freytag, Haftung im Netz, S. 75. Kropp, S. 49. Schneider, S. 179; Schilling, Passivlegitimation, S. 53f.; Kropp, S. 50. Behrens, S. 301; Schilling, Passivlegitimation, S. 64. Kropp, S. 50. Hügel, S. 35; Döring, WRP 2007, 1131, 1137; Behrens, S. 295, 299; Döring, S. 45. Döring, WRP 2007, 1131, 1137. Behrens, S. 295.

Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut

1.

55

Fehlende gesetzliche Grundlage im Urheber- und Markenrecht

Die Übertragbarkeit der Verkehrspflichten auf das Urheber- und Markenrecht wurde seinerzeit von Neuhaus mit dem Argument abgelehnt, dass, obwohl es sich auch hier um einen Typus des Verhaltensunrechts handele, die Verkehrspflichten keine Anwendung finden können, weil sie zur Erweiterung der Haftung für mittelbare Urheber- und Markenrechtsverletzungen führen würde, wofür eine gesetzliche Grundlage unbedingt erforderlich sei.252 Eine § 3 Abs. 1 UWG vergleichbare Vorschrift, die es ermögliche, beliebige Verhaltensweisen als unlauter zu qualifizieren,253 gebe es im Urheber- und Markenrecht nicht.254 Hier falle der Verletzungserfolg mit der Vornahme der dem Rechteinhaber vorbehaltenen im Gesetz normierten Handlungen zusammen.255 Die dem Rechteinhaber vorbehaltenen Handlungen könne man spiegelbildlich als Handlungsverbot für Dritte verstehen,256 auch wenn sich der Umfang des positiven Benutzungsrechts nicht immer vollständig mit dem negativen Verbietungsrecht decken muss. Anders als bei einer Verletzung des Sacheigentums, die abstrakt bestimmt werden kann, kann man einen urheber- oder markenrechtlich relevanten Verletzungserfolg nur feststellen, wenn der Täter eine dem Rechteinhaber vorbehaltene Handlung vornimmt.257 Mit Einführung einer allgemeinen Verkehrspflicht würde die Haftung auf gesetzlich nicht vorgesehene Verletzungstatbestände, auf nach dem Willen des Gesetzgebers nicht tatbestandsmäßige Handlungen, ausgeweitet. Damit würden nicht nur die speziellen Deliktstatbestände des Immaterialgüterrechts umgegangen,258 sondern auch in die allgemeine Handlungsfreiheit i. S.v. Art. 2 Abs. 1 GG eingegriffen. Für solche Eingriffe fehlt ein überzeugender gesetzlicher Rechtfertigungsgrund, der weder im Urheberrecht noch im Markenrecht erkennbar ist. 2.

Anforderungen an die Werknutzung im Lichte des EU-Rechts und des deutschen UrhG

Auch eine Analyse der Anforderungen an die urheberrechtliche Werknutzung im Lichte des EU-Rechts und des deutschen UrhG zeigt, dass die Täterhaftung nicht auf nach dem Willen des Gesetzgebers nicht tatbestandmäßige Handlun-

252 253 254 255 256 257 258

Neuhaus, S. 145. Neuhaus, S. 146. Neuhaus, S. 167. Neuhaus, S. 164. Neuhaus, S. 164. Neuhaus, S. 161f. Haedicke, JZ 2010, 150, 152.

56

Deutsches Recht

gen ausgeweitet werden kann. Das soll im Folgenden am Beispiel der Bereitstellung einer Internetplattform näher erläutert werden. a) Öffentliche Wiedergabe i. S.v. Art. 3 der InfoSoc-RL Die InfoSoc-RL enthält Regelungen zum Vervielfältigungsrecht (Art. 2), dem Recht der öffentlichen Wiedergabe und öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 3) und zum Verbreitungsrecht (Art. 4). Für Plattformbetreiber sind das Recht der öffentlichen Wiedergabe und das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung von größter Bedeutung. Danach hat der Urheber sowohl in Bezug auf das Original als auch auf Vervielfältigungsstück seiner Werke das ausschließliche Recht, die öffentliche Wiedergabe einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke zu erlauben oder zu verbieten. Nur wenn eine widerrechtliche öffentliche Wiedergabe, also eine Werknutzung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-RL, vorliegt, kommt eine Beeinträchtigung des Rechts des Urhebers in Betracht. Art. 3 Abs. 1 der InfoSoc-RL normiert offensichtlich keine mittelbaren Handlungen. Fraglich ist, ob die Verwertungstatbestände der »öffentlichen Wiedergabe« so weit ausgelegt werden können, dass eine bloße Mitwirkungshandlung wie das Zuverfügungstellen einer Internetplattform, die willentlich und adäquat zu einem Urheberrechtsverstoß seines Nutzers beigetragen hat, selbst eine öffentliche Wiedergabe darstellt und somit einen urheberrechtlich relevanten Erfolg verursachen kann. Eine Antwort gibt zunächst Erwägungsgrund 27 der InfoSoc-RL, wonach die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie darstellen soll. Also kann nicht jede zur Wiedergabe beitragende Handlung die unionsrechtlichen Tatbestände der »öffentlichen Wiedergabe« erfüllen. Der Wortlaut von Art. 3 der InfoSoc-RL stellt bestimmte Anforderungen an die tatbestandsmäßige Werknutzung, sodass die bloße Mitwirkung an einer fremden Urheberrechtsverletzung eines Dritten die Anforderungen an die öffentliche Wiedergabe eines Werkes nicht erfüllt.259 Ob der Handelnde als Werknutzer eine tatbestandmäßige öffentliche Wiedergabe i. S. d. Art. 3 der InfoSoc-RL überhaupt vornimmt, hängt nach Ansicht des EuGH davon ab, dass sich der Handelnde zielgerichtet an einen Kreis aufnahmebereiter Empfänger wendet und in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens handelt.260 Eine zwar tatsächlich, aber nur beiläufig oder zufällig und nicht zielgerichtet zur öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes führende Handlung

259 Hügel, S. 44. 260 EuGH GRUR 2012, 593, 596 – SCF; EuGH GRUR 2012, 597, 598 – Phonographic Performance (Ireland).

Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut

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kann den Tatbestand von Art. 3 der InfoSoc-RL nicht erfüllen.261 Werknutzer ist demnach nur, wer selbst tatbestandsmäßig handelt.262 b)

Unvereinbarkeit der Täterhaftung mit den Vorgaben des EU-Rechts im Urheberrecht Im Fall des Plattformbetreibers muss unterschieden werden, ob er lediglich technischer Vermittler für seine Nutzer ist, die sich seiner Plattform als Werknutzer bedienen, oder ob er selbst Werknutzer ist. Wenn er selbst keine urheberrechtlich relevante Nutzungshandlung vornimmt, ist er kein Täter einer Urheberrechtsverletzung. Mit Übernahme der Verkehrspflichten in das Urheberrecht würden hingegen Mitwirkungshandlungen, die mittelbar zu fremden Urheberrechtsverletzungen führen, als tatbestandsmäßige Werknutzung erfasst, und zugleich würden solche Hilfspersonen, die nicht zielgerichtet zur eigenständigen Werknutzung in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens handeln und an dem technischen Vorgang der Speicherung und Zugänglichmachung lediglich zum Werknutzungszweck eines Dritten mitwirken, auch selbst als Werknutzer qualifiziert. Dies steht der Ansicht des EuGH klar entgegen, wonach eine öffentliche Wiedergabe i. S. d. Art. 3 der InfoSoc-RL nicht nur einen tatsächlichen Verletzungserfolg, sondern auch eine tatbestandsmäßige zum Erfolg führende Handlung, die bestimmte Kriterien erfüllen muss, voraussetzt.263 Fraglich bleibt, ob das deutsche nationale Urheberrecht über Art. 3 der InfoSoc-RL durch eine weite Auslegung der Verwertungsrechte hinausgehen darf, die auch die kausalen Beiträge, die mittelbar zu Urheberrechtsverletzungen Dritter führen, umfasst. Die Frage ist zu verneinen, weil das Unionsrecht mit dem in Art. 2 bis 4 der InfoSoc-RL geregelten Verwertungsrechten nach ganz h. M. eine Vollharmonisierung anstrebt.264 Für das Recht der öffentlichen Wiedergabe hat der EuGH bereits in seiner Svensson-Entscheidung klargestellt, dass »Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weitergehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen.«265

Bei einer Vollharmonisierung muss die Reichweite der Verwertungsrechte in der gesamten Union autonom und einheitlich ausgelegt werden. Bei der Umsetzung 261 262 263 264

v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 578. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581. Hügel, S. 46. BGH GRUR 2013, 818, 819 – Die Realität I; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 1198, 1204; Grünberger, ZUM 2015, 273, 273f.; a. A. (nur Mindestharmonisierung) Riesenhuber, ZUM 2012, 433, 441. 265 EuGH GRUR 2014, 360, 362 – Svensson.

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der unionsrechtlichen Vorgaben bleibt hier den Mitgliedstaaten der EU kein Spielraum für von der InfoSoc-RL abweichende Vorschriften. Vor diesem Hintergrund müssen sich die Kriterien zur Bestimmung der Tätereigenschaft bzw. des Zueigenmachens einer Handlung Dritter streng an den Auslegungsergebnissen des EuGH orientieren, da die Reichweite der Verwertungsrechte in §§ 15ff. UrhG nicht über Art. 2 bis 4 der InfoSoc-RL hinausgegen kann.266 Damit ist eine Auslegung der öffentlichen Zugänglichmachung nach § 19a UrhG, die mit dem Haftungskonzept der Verkehrspflichten über die unionsrechtliche Reichweite der Verwertungsrechte i. S.v. Art. 3 der InfoSoc-RL hinausgeht, europarechtlich unzulässig. Es ist davon auszugehen, dass die Reichweite bei einer Haftung wegen Verkehrspflichtverletzung im deutschen Recht weiter ist als die Reichweite der unionsrechtlichen Verwertungsrechte,267 weil erstere auch kausale Mitwirkungshandlungen umfasst, die keine eigenständige Werknutzung darstellen, sondern nur mittelbar fremde Urheberrechtsverletzungen ermöglichen. Gelegentlich wird für die erweiternde Auslegung der Verwertungsrechte angeführt, dass der Urheber umfassend geschützt werden müsse.268 Dieses Argument ist jedoch nicht überzeugend. Vielmehr entspricht auch eine enge Auslegung der Verwertungsrechte dem Hauptziel der InfoSoc-RL, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und ihnen zu ermöglichen, für die Nutzung ihrer Werke, eine angemessene Vergütung zu erhalten.269 Daneben schützt § 11 UrhG die geistig-persönlichen Interessen des Urhebers und sichert dadurch die Kontrolle über die Verwendung seines Werkes zusätzlich ab.270 Das Urheberpersönlichkeitsrecht ist bisher jedoch nicht harmonisiert.271 Deshalb soll bei Auslegung der Verwertungsrechte der Zweck, die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers in Bezug auf die Werknutzung abzusichern, gegenüber dem Zweck, den Urheber in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Werknutzung zu schützen, vorrangig sein.272 Deshalb sollten die Verwertungsrechte eng und funktionsbezogen ausgelegt werden. Ein Eingriff in die Verwertungsrechte kommt erst bei einer bewussten Nutzung des schöpferischen Gehalts in Betracht. In den meisten Fällen ist eine Mitwirkungshandlung, die nur der eigenständigen Werknutzung eines Dritten dient, keine urheberrechtlich

266 267 268 269

Fuchs/Farkas, ZUM 2015, 110, 118. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 580. Schapiro, S. 144f. EuGH GRUR 2007, 225, 227 – SGAE/Rafael; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 579f.; ders, GRUR 2012, 1198, 1200; Fuchs/Farkas, ZUM 2015, 110, 115f.; Hügel, S. 44. 270 v. Ungern-Sternberg, GRUR 2015, 533; Bullinger in: Wandtke/Bullinger, UrhG, § 11, Rn. 1. 271 v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 579; Hügel, S. 59. 272 v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 580.

Die Verletzung von Verkehrspflichten als einheitliches Rechtsinstitut

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relevante Werknutzung.273 Wer nur eine Verkehrspflicht verletzt, ohne selbst die im Gesetz normierten, dem Rechteinhaber vorbehaltenen Verwertungshandlungen vorzunehmen, kann den »handlungsbezogenen Verletzungstatbestand des Urheberrechts«274 nicht verwirklichen und keine Täterschaft einer Urheberrechtverletzung nach § 97 UrhG begründen, solange er sich die fremden Inhalte nicht zu eigen macht und die Handlungen Dritter ihm als Werknutzer zugerechnet werden.275 Außerhalb dieser Fälle kann nur eine Verantwortlichkeit als Störer oder Teilnehmer in Betracht kommen. 3.

Exkurs zum Markenrecht

Eine Übertragung des Haftungskonzepts wegen Verkehrspflichtverletzung auf das Urheberrecht ist damit abzulehnen. Gleiches gilt im Markenrecht. Im Hinblick auf den Benutzungsbegriff des Art. 5 Abs. 1 und 2 der Markenrichtlinie (MRRL) ist § 14 Abs. 2 MarkenG so zu verstehen, dass eine markenrechtsverletzende Benutzungshandlung die Verwendung eines Zeichens für eigene Waren oder Dienstleistungen voraussetzt.276 Demnach darf nicht jegliche zum Markenverletzungserfolg führende Mitwirkungshandlung als Benutzungshandlung i. S.v. § 14 Abs. 2 MarkenG qualifiziert werden. Wer lediglich eine Plattform zur Verfügung gestellt hat, auf der Dritte fremde Zeichen für von ihnen vertriebene Waren oder Dienstleistungen markenrechtswidrig benutzen, nimmt selbst keine tatbestandsmäßige Verletzungshandlung gemäß § 14 Abs. 2 MarkenG vor.277 4.

Verstoß gegen den Grundsatz »keine Strafe ohne Gesetz«

Ein weiterer Grund gegen eine Übertragung der Verkehrspflicht auf das Urheber- und Markenrecht liegt darin, dass ihre Einführung ins Urheber- und Markenrecht gegen den Grundsatz »keine Strafe ohne Gesetz« verstoßen würde.278 § 143 MarkenG und § 106 UrhG stellen Kennzeichenverletzungen und unerlaubte Verwertungshandlungen urheberrechtlich geschützter Werke unter Strafe. Sie knüpfen damit an dem Rechteinhaber gesetzlich vorbehaltene Handlung an. Wenn also die Reichweite der Verantwortlichkeit nach der Rechtsfigur der Verkehrspflichtverletzung über die im UrhG und MarkenG kodifizierte Reichweite ausgedehnt wird, wird zugleich die Strafbarkeit ausge273 274 275 276 277 278

v. Ungern-Sternberg, GRUR 2015, 533f. BGH GRUR 2010, 633, 634 – Sommer unseres Lebens. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 581. EuGH GRUR 2007, 318, 319 – Adam Opel; EuGH GRUR 2008, 698, 699 – O2. Schapiro, S. 165. Neuhaus, S. 164.

60

Deutsches Recht

weitet.279 Nach dem Grundsatz »keine Strafe ohne Gesetz« ist es jedoch verboten, eine nicht im Gesetz normierte Handlung als strafbare Verletzungshandlung anzusehen.280 5.

Fazit

Einer Übertragung der Verkehrspflichten auf das Urheber- und Markenrecht fehlt die gesetzliche Grundlage, sie wäre auch nicht mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar. Ein einheitliches Haftungskonzept wegen Verkehrspflichtverletzung im Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrecht lässt sich nicht überzeugend begründen. Die Störerhaftung spielt bisher als ein vermittelndes Rechtsinstitut zwischen zwei Extremen, d. h. einem Haftungsausschluss einerseits und einer vollen Schadensersatzpflicht andererseits, eine wichtige Rolle.281 Die Störerhaftung kommt insbesondere dann zur Geltung, wenn beispielsweise einem Plattformbetreiber nicht zugemutet werden soll, Schadensersatz leisten zu müssen, für eine Werknutzung, die ihm selbst keinen wirtschaftlichen Vorteil bringt. Dies entspricht auch Art. 3 der Durchsetzungs-RL, wonach die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe verhältnismäßig sein müssen.282 Insgesamt ist festzustellen, dass durch das Haftungskonzept der Verkehrspflichten im Urheber- und Markenrecht keine wesentliche Verbesserung geschaffen werden kann. Im Anwendungsbereich des TMG haftet der Plattformbetreiber ohnehin nicht auf Schadensersatz, soweit er das Haftungsprivileg nach § 10 TMG genießt.283 Eine Preisgabe der Störerhaftung ist daher im Urheberund Markenrecht nicht geboten. Vielmehr ist ihr Fortbestehen im Urheber- und Markenrecht sogar erwünscht,284 weil sie dort eine wichtige (auch freiheitsschützende) Funktion erfüllt.285

279 280 281 282 283 284 285

Hügel, S. 60. Neuhaus, S. 164. Wolf, GreifRecht 2014, 1, 13. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 576, 582. Engels, MMR 2010, 558, 559. Ingerl/Rohnke in: Ingerl/Rohnke, MarkenG, vor §§ 14–19d, Rn. 54. Schack, Täter und Störer, in: FS Reuter, S. 1167, 1182.

Ermittlung des Umfangs der Prüfungspflichten für Plattformbetreiber

D.

Ermittlung des Umfangs der Prüfungspflichten für Plattformbetreiber

I.

Einführung

61

Seit ihrer Einführung wird die Prüfungspflicht zur Begrenzung der Störerhaftung im Schrifttum kritisiert.286 Eine klare dogmatische Grundlage hat sich bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur herausgebildet. Auch nachdem der BGH die Prüfungspflicht als Konkretisierung der Verkehrspflichten bei der Täterhaftung bestätigt hat, verhilft dies jedoch nicht zu einer überzeugenden Begründung der Prüfungspflicht im Rahmen der Störerhaftung. Die Prüfungspflicht spielt einerseits als inhaltliche Ausprägung der lauterkeitsrechtlichen Verkehrspflichten eine Rolle, andererseits als einschränkendes Kriterium bei der urheber- und markenrechtlichen Störerhaftung.287 Damit eine klare Grenzlinie zwischen der Störerhaftung und einer Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung gezogen werden kann, ist klarzustellen, dass die Prüfungspflicht und die Verkehrspflicht zwar hinsichtlich Struktur und Inhalt ähnlich sind, aber eine unterschiedliche Schutzrichtung haben288 und somit nicht komplett identisch sind. Daher soll die Prüfungspflicht nicht als Unterkategorie der Verkehrspflicht betrachtet werden.289 Vielmehr sind die negatorischen Prüfungspflichten parallel mit den deliktischen Verkehrspflichten als Unterkategorie der allgemeinen Gefahrvermeidungspflichten anzusehen.290 Für die Bestimmung des jeweiligen Umfangs und Inhalts lassen sich die Prüfungspflichten und die Verkehrspflichten wechselseitig fruchtbar machen. Daher können zur Bestimmung der Reichweite der Prüfungspflicht von Plattformbetreibern mit den Verkehrspflichten vergleichbare Kriterien herangezogen werden.291 Im Folgenden werden die im Bereich der Plattformbetreiberhaftung relevanten Kriterien präzisiert.

II.

Umfang der Prüfungspflichten

Zunächst ist zu prüfen, ob der Plattformbetreiber überhaupt in der Lage ist, irgendwelchen Prüfungspflichten nachzukommen. Der Umfang der Prüfungs286 Ausführlich v. Gierke, WRP 1997, 892f.; Schünemann, WRP 1998, 120f.; Köhler, WRP 1997, 897f.; Haedicke, GRUR 1999, 397f.; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 6f. 287 Klatt, ZUM 2009, 265, 268; Schack, Täter und Störer, in: FS Reuter, S. 1167, 1179. 288 Hartmann, S. 72. 289 Hartmann, S. 71. 290 Hartmann, S. 69. 291 Neuhaus, S. 203; Specht, ZUM 2017, 114, 118.

62

Deutsches Recht

pflicht muss sich im Rahmen der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit halten.292 Das richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und Aufgabe des Anspruchsgegners sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, zu berücksichtigen sind.293 Auffällig ist, dass Ausgangspunkt die Haftung des Plattformbetreibers ist, es sei denn, die Haftung wird nach einer Einzelfallprüfung als unzumutbar eingestuft.294 1.

Funktion und Aufgabenstellung

Typische Plattformbetreiber sind z. B. Blogs, Meinungsforen, Bewertungsportale und Online-Auktionshäuser. Für den Umfang der Prüfungspflicht spielt die spezielle Funktion und Aufgabenstellung der jeweiligen Plattformbetreiber eine wichtige Rolle.295 Sie können unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe erfordern.296 Im Fall »ambiente.de« ging es um die Haftung der Domainvergabestelle DENIC. In Anbetracht ihrer Funktion und Aufgabenstellung führte der BGH aus, dass es der DENIC nicht zuzumuten sei, umfangreiche rechtliche Überprüfungen anzustellen und die Rechtsbeziehungen zwischen dem Anmelder und angeblichen Rechteinhabern im Einzelnen zu beurteilen.297 Eine strenge Prüfungspflicht, jede eingestellte Domain auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen, würde das von der Rechtsordnung gebilligte Geschäftsmodell des Unternehmens unverhältnismäßig erschweren. Daher trifft die DENIC nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht, weil sie eine neutrale Funktion als rein technische Registrierungsstelle einnimmt und Aufgaben im Allgemeininteresse wahrnimmt.298 Demgegenüber trifft den Plattformbetreiber eine verschärfte Prüfungspflicht, wenn er eine aktive Rolle spielt, etwa seinen Nutzern unmittelbare Rechtsverletzungen nahelegt oder begünstigt.299

292 Lensing-Kramer/Ruess, GRUR 2009, 722, 725. 293 BGH GRUR 2001, 1038, 1040 – ambiente.de; BGH GRUR 2003, 969, 971 – Ausschreibung von Vermessungsleistungen; BGH GRUR 2004, 693, 695 – Schöner Wetten; BGH GRUR 2009, 1093, 1094 – Focus-Online; BGH GRUR 2011, 1038, 1039 – Stiftparfüm; BGH GRUR 2012, 311,313 – Blog-Eintrag; Köhler/Feddersen in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 8, Rn. 2.2a. 294 Bedner, JurPC Web-Dok. 94/2007, Abs. 50. 295 BGH GRUR 2012, 651f. – regierung-oberfranken.de. 296 Vgl. BGH GRUR 2016, 855, 859 – www.jameda.de. 297 BGH GRUR 2001, 1038f. – ambiente.de. 298 BGH GRUR 2001, 1038, 1040; BGH GRUR 2012, 651, 652 – regierung-oberfranken.de. 299 Leistner, GRUR 2006, 801, 805; vgl. Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 767.

Ermittlung des Umfangs der Prüfungspflichten für Plattformbetreiber

2.

63

Wirtschaftlicher Vorteil aus der Rechtsverletzung

Ein weiteres Kriterium zur Bestimmung der Zumutbarkeit der Prüfungspflichten ist, ob der Plattformbetreiber einen wirtschaftlichen Vorteil aus der Rechtsverletzung zieht. Wenn er eigene erwerbswirtschaftliche Zwecke verfolgt und einen wirtschaftlichen Vorteil in Gestalt von Provision aus einer Rechtsverletzung durch Dritte erlangt,300 sind ihm weitergehende Prüfungspflichten zuzumuten, anders als einen Plattformbetreiber, der ohne Gewinnerzielungsabsicht handelt.301 3.

Gefahr und die gefährdeten Rechtsgüter

Für die Zumutbarkeit der Prüfungspflicht von Bedeutung ist auch der Rang der gefährdeten Rechtsgüter. Im Urteil »Jugendgefährdende Medien bei eBay« führte der BGH aus, dass der Schutz der Minderjährigen ein Rechtsgut von hoher Bedeutung sei,302 weshalb höhere Anforderungen an die Prüfungspflichten gestellt werden können. In welchem Umfang die Gefahr droht und in welchem Ausmaß die Rechtsgüter beeinträchtigt werden, kann ebenfalls für die Zumutbarkeit der Prüfungspflicht relevant sein.303 Je höher der Rang der gefährdeten Rechtsgüter, je intensiver die Gefahr und je schwerer die drohende Rechtsverletzung ist, desto eher sind dem Plattformbetreiber weitergehende und umfassende Prüfungspflichten zuzumuten. 4.

Erkennbarkeit der Verstöße

Für die Zumutbarkeit ist auch die Erkennbarkeit der möglichen Rechtsverletzung zu berücksichtigen. Der BGH hält mit Recht ein Tätigwerden von Host Providern nur für veranlasst, wenn der Hinweis des Rechteinhabers so konkret gefasst ist, dass die angebliche Rechtsverletzung ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden kann.304 Die Prüfungspflicht beschränkt sich damit auf den ohne große Mühe feststellbaren, also »klaren, unschwer zu erkennenden« Rechtsverstoß.305 Ein klarer, unschwer zu erkennender Rechtsverstoß liegt vor, wenn die Rechtswidrigkeit offensichtlich ist,306 d. h. die 300 BGH GRUR 2015, 485, 490 – Kinderhochstühle im Internet III. 301 BGH GRUR 2011, 617, 620 – Sedo; Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 487. 302 BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 303 Köhler, GRUR 2008, 1, 4. 304 BGH GRUR 2012, 311, 313 – Blog-Eintrag. 305 BGH GRUR 2012, 651, 652 – regierung-oberfranken.de; BGH GRUR 2015, 485, 490 – Kinderhochstühle im Internet III. 306 Eck/Ruess, MMR 2003, 363, 365; Klatt, ZUM 2009, 265, 269.

64

Deutsches Recht

Rechtsverletzung derart eindeutig ist, dass sie sich dem Plattformbetreiber aufdrängen muss.307 Dies ist aus der Perspektive eines durchschnittlichen Laien, der über keine juristischen Fachkenntnisse verfügt, zu beurteilen.308 5.

Sozialadäquanz der von Plattformbetreibern erbrachten Dienstleistung

Es ist anerkannt, dass manche gefährdenden Handlungen sozial üblich und somit von der Allgemeinheit gebilligt sind.309 Darunter fällt beispielweise das Ausschänken alkoholischer Getränke in Gastwirtschaften.310 Nach dem Grundsatz der Sozialadäquanz der Handlung kann die Verkehrspflicht/Prüfungspflicht begrenzt und sogar ausgeschlossen sein.311 Fraglich ist, ob die Tätigkeit von Plattformbetreibern eine solche sozialadäquate Handlung darstellt. Die von unterschiedlichen Plattformbetreibern erbrachten Dienstleistungen können zwar Rechtsverletzungen Dritter begünstigen, doch halten sie vor allem »vielfältige legale Anwendungsmöglichkeiten« bereit.312 So kann man auf Handelsplattformen neue und gebrauchte Gegenstände schnell und zuverlässig online versteigern oder kaufen. Durch Share-Hosting-Dienste lassen sich Bilder, Videos und andere Daten, die wegen ihrer Größe nicht als Anhang in einer E-Mail beigefügt werden können, einfach verbreiten und weitergeben. In Internetforen kann man Meinungen austauschen und Alltagsprobleme diskutieren. Insgesamt erfüllen die allermeisten Internetplattformen eine sozial erwünschte Funktion, sie sind »soziale nützlich«.313 Vor diesem Hintergrund wird die durch die Tätigkeit von Plattformbetreibern verursachte Gefahr für andere Rechtsgüter allgemein in Kauf genommen, weil ihre soziale Nützlichkeit die mit ihr verbundene Gefahrerhöhung mehr als ausgleicht.314 Dies gewährleistet auch den technischen Fortschritt. Solange die Tätigkeit des Plattformbetreibers substanzielle legale Nutzungsmöglichkeiten bereithält und er selbst keine rechtsverletzenden Nutzungen aktiv bewirbt, ist es angemessen, die Reichweite der Prüfungspflichten entsprechend zu verringern.315

307 Welzel, MMR 2000, 39, 49; BGH GRUR 2001, 1038, 1040 – ambiente.de; BGH GRUR 2012, 651, 652 – regierung-oberfranken.de. 308 BGH GRUR 2012, 651, 653 – regierung-oberfranken.de; Schapiro, S. 246; Spindler/Volkmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, BGB, § 1004, Rn. 23. 309 BGH NJW 1964, 412f. 310 BGH NJW 1964, 412, 413. 311 Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 8. 312 Rinscheid, S. 124; OLG Köln MMR 2007, 786, 787; OLG Düsseldorf MMR 2010, 483, 484; BGH GRUR 2013, 370, 372 – Alone in the Dark. 313 Liesching/Günter, MMR 2000, 260, 262; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 8. 314 Spindler, GRUR 2014, 826, 834; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 8. 315 Klatt, ZUM 2009, 265, 271; Spindler, GRUR 2014, 826, 834.

Ermittlung des Umfangs der Prüfungspflichten für Plattformbetreiber

6.

65

Eigenverantwortung des unmittelbar handelnden Dritten

Ein weiteres Kriterium für die Zumutbarkeit der Prüfungspflicht ist die Eigenverantwortung eines Dritten, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat.316 Je intensiver der unmittelbar Handelnde am Rechtsverstoß beteiligt ist, desto eher lassen sich die Prüfungspflichten der übrigen Mitwirkenden absenken.317 7.

Beherrschungsmöglichkeit der Gefahr

Eine Rolle spielt auch, ob der Plattformbetreiber die Gefahr überhaupt in angemessener Weise beherrschen kann. Wenn ihm nur geringe Möglichkeiten zur Verfügung stehen oder er keine mit angemessenem Aufwand durchführbaren Maßnahmen ergreifen kann, um der Gefahr vorzubeugen, ist mangels Beherrschungsmöglichkeiten nur von geringen Prüfungspflichten auszugehen.318 Insgesamt gilt: Je wirksamer der Plattformbetreiber die Gefahr kontrollieren kann, desto strenger sind die Prüfungspflichten, die ihm auferlegt werden können.319

III.

Zusammenfassung

Der Umfang der Prüfungspflichten ist also durch den Rahmen der Zumutbarkeit und Verhältnismäßigkeit begrenzt.320 Die geschilderten Faktoren zur Bestimmung der Zumutbarkeit von Prüfungspflichten sind jedoch nicht abschließend zu verstehen. Weitere Aspekte sind beispielweise das Schutzbedürfnis des Rechteinhabers,321 die technische Schwierigkeit der Einrichtung der Filtersoftware,322 die Kosten und die Effektivität der Durchführung der Prüfungsmaßnahmen,323 aber auch die Werbung für mögliche rechtswidrige Aktivitäten.324 316 BGH GRUR 2015, 485, 490 – Kinderhochstühle im Internet III; BGH GRUR 2014, 657, 659 – BearShare; BGH GRUR 2015, 672, 679 – Videospiel-Konsolen II; BGH GRUR 2016, 936, 937 – Angebotsmanipulation bei Amazon. 317 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 496. 318 Ähnlich Leistner, GRUR 2006, 801, 810. 319 Rinscheid, S. 128. 320 Lensing-Kramer/Ruess, GRUR 2009, 722, 725. 321 BGH GRUR 2004, 619, 621 – kurt-biedenkopf.de; Köhler, GRUR 2008, 1, 4 f; Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 500. 322 OLG Hamburg MMR 2009, 405, 407 – Alphaload/Usenet II. 323 Rössel/Rössel, CR 2005, 809, 810f.; OLG Hamburg ZUM-RD 2009, 246, 259f. – Springnicht/ Usernet I; Döring, WRP 2008, 1155, 1157. 324 BGH GRUR 2009, 841, 843 – Cybersky ; BGH GRUR 2013, 1030, 1033 – File-Hosting-Dienst; Spindler/Volkmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, BGB, § 1004, Rn. 21; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 651.

66

Deutsches Recht

Alles hängt wie immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass dem Plattformbetreiber keine Prüfungspflichten auferlegt werden dürfen, die sein legales Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährden oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschweren.325

E.

Haftungsprivilegierung von Internetplattformbetreibern

Die Grundlage und die Voraussetzungen der Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an Rechtsverstößen Dritter finden sich einerseits in den einschlägigen Vorschriften des Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrechts und andererseits in der E-Commerce-RL (ECRL) auf europäischer und im TelemedienG auf deutscher Ebene. Nach den Vorschriften in der ECRL und ihrer Umsetzung im deutschen TMG genießen die Plattformbetreiber ein Haftungsprivileg. Im Folgenden sollen zunächst die EU-rechtlichen Rahmenbedingungen einer Haftung von Plattformbetreibern für vom Dritten begangene Urheber-, Marken-, und Lauterkeitsrechtsverstöße dargestellt werden. Sodann werden die Haftungsprivilegierung gemäß §§ 7–10 TMG und die mit ihr verbundenen Fragen behandelt.

I.

E-Commerce-RL

Für die Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern sind auf europäischer Ebene die ECRL und die Durchsetzungs-RL von besonderer Bedeutung. Die ECRL von 2000 soll nach ihrem Erwägungsgrund 40 die bestehenden und künftigen Unterschiede in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten hinsichtlich der Verantwortlichkeit von Diensteanbietern verhindern und so das reibungslose Funktionieren des elektronischen Geschäftsverkehrs im Binnenmarkt gewährleisten.326 1.

Anwendungsbereich und Begriffserklärung der ECRL

Die ECRL sieht in Art. 12 bis 15 unter gewissen Voraussetzungen eine Haftungsprivilegierung vor, die jegliche Haftung der Diensteanbieter von vornherein ausschließt. Zunächst ist zu prüfen, ob der Anwendungsbereich der ECRL überhaupt eröffnet ist. Ihr Anwendungsbereich wird in Art. 1 durch den zentralen Begriff »Dienste der Informationsgesellschaft« festgelegt. 325 BGH GRUR 2015, 1129, 1133 – Hotelbewertungsportal. 326 Näher Bröhl/Bender/Röder-Messell, Das neue E-Commerce-Recht, S. 15.

Haftungsprivilegierung von Internetplattformbetreibern

67

a) Dienste der Informationsgesellschaft Art. 2 lit. a der ECRL definiert durch die Verweisung auf Artikel 1 Nr. 2 der Richtlinie 98/34/EG i. d. F. der Richtlinie 98/48/EG die »Dienste der Informationsgesellschaft«.327 Hierunter ist jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung zu verstehen. Fraglich ist, ob auch eine unentgeltlich zur Verfügung gestellte Dienstleistung den Anwendungsbereich der ECRL eröffnen kann. Nach den Erwägungsgründen 2 und 19 der Richtlinie 98/48/EG ist der Begriff des »Dienstes« im gleichen Sinne wie der Begriff »Dienstleistung« in Art. 57 AEUV zu verstehen, welche in der Regel gegen Entgelt erbracht wird.328 Eine unentgeltliche Leistung muss nicht zwingend vom »Dienst der Informationsgesellschaft« i. S.v. Art. 12 Abs. 1 ECRL ausgeschlossen sein, denn das Entgelt muss nicht bedingt von demjenigen kommen, dem der Dienst zugutekommt.329 Die Gegenleistung kann auch z. B. durch eine entgeltliche Werbung erfolgen. Auch wenn der Provider seine Dienste den Nutzern kostenlos anbietet, handelt er doch wirtschaftlich eigennützig,330 sodass der Anwendungsbereich der ECRL eröffnet ist. Für das Vorliegen eines »Dienstes der Informationsgesellschaft« ist entscheidend, ob es sich bei dem Dienst überhaupt um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt.331 Vom Anwendungsbereich der ECRL ausdrücklich ausgeschlossen sind nach Art. 1 Abs. 5 das Steuerrecht, der Datenschutz, das Kartellrecht und die Tätigkeiten von Notaren, die gerichtliche Vertretung und Gewinnspiele, einschließlich Lotterien und Wetten. Nach Erwägungsgrund 58 gilt die ECRL auch nicht für die Diensteanbieter, die außerhalb der EU niedergelassen sind. b) Diensteanbieter der Informationsgesellschaft Der Begriff »Diensteanbieter der Informationsgesellschaft« ist wie in Art. 56, 57 AEUV weit zu verstehen.332 Nach Art. 2 lit. b ECRL ist ein Dienstanbieter jede natürliche oder juristische Person, die einen Dienst der Informationsgesellschaft i. S.v. Art. 2 lit. a anbietet. Es ist zu beachten, dass der Begriff der juristischen Person hier in Bezug auf die Gleichstellung der Gesellschaften nach Art. 54 AEUV weiter ausgelegt wird als im deutschen Recht.333 Als juristische Personen werden sämtliche juristischen Personen und Personenvereinigung des 327 328 329 330 331

EuGH GRUR 2016, 1146,1148 – McFadden/Sony Music. EuGH GRUR 2016, 1146,1148. EuGH GRUR 2016, 1146,1148; EuGH MMR 2016, 63, 64f. – Papasavvas. Marly in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, ECRL, Art. 2, Rn. 7. Erwägungsgrund 18 der ECRL; Marly in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, ECRL, Art. 2, Rn. 7. 332 Marly in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, ECRL, Art. 2, Rn. 7. 333 Forsthoff in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV, Art. 54, Rn. 3.

68

Deutsches Recht

öffentlichen und privaten Rechts erfasst, mit Ausnahme derjenigen, die keinen Erwerbszweck verfolgen.

2.

Haftungsprivilegierung des Plattformbetreibers (Art. 14 ECRL)

Die Diensteanbieter der Informationsgesellschaft vermitteln ihren Nutzern den Zugang zum Internet, stellen Inhalte in das Netz und bieten Speicherplatz für die von Nutzern eingegebenen Informationen an. Die ECRL enthält in Art. 12–15 spezifische Regelungen zur Verantwortlichkeit unterschiedlicher Typen von Diensteanbietern, je nach ihrer technischen Tätigkeit. Die Anbieter von Diensten der Informationsgesellschaft sollen für Informationen, die von ihren Nutzern eingegeben werden, haftungsrechtlich privilegiert werden. Das Haftungsprivileg für Plattformbetreiber als Host Provider ist in Art. 14 ECRL geregelt. Hiernach müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Diensteanbieter nicht für die Speicherung von durch ihre Nutzer eingegebenen Informationen verantwortlich sind. Diese Haftungsprivilegierung kommt dem Plattformbetreiber nach Art. 14 Abs. 1 ECRL nur zugute, wenn er keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information hat und im Fall von Schadensersatzansprüchen auch keine Kenntnis von Tatsachen oder Umständen, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird (lit. a) oder wenn er unverzüglich tätig wird, um die betroffene Information zu löschen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er von ihr Kenntnis erlangt hat (lit. b).334 Für das Haftungsprivileg von Plattformbetreibern kommt es auf die Kenntnis der Rechtswidrigkeit der von ihm gespeicherten oder bereitgestellten Informationen an. Zu unterscheiden ist die Anforderung an den Kenntnisstand in Bezug auf die strafrechtliche und allgemeine zivilrechtliche Verantwortlichkeit von der zivilrechtlichen schadensersatzrechtlichen Verantwortlichkeit. Für erstere entfällt die Haftungsprivilegierung erst, wenn der Plattformbetreiber nicht nur den Inhalt, sondern auch die Rechtswidrigkeit der Tätigkeit positiv kennt.335 Im Unterschied dazu entfällt eine Haftungsprivilegierung für letztere bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis bzw. grober Verletzung der verkehrsüblichen Sorgfalt.336 Zudem findet nach Art. 14 Abs. 2 ECRL die Haftungsprivilegierung des Abs. 1 keine Anwendung, wenn der die rechtsverletzenden Informationen eingebende Nutzer dem Plattformbetreiber untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird, d. h. wenn die betreffenden Informatio334 EuGH GRUR 2011, 1025, 1033 – L’Or8al/eBay. 335 Spindler, MMR 1999, 199, 202. 336 LG Düsseldorf MMR 2003, 120, 126f.; Härting, CR 2001, 271, 276; Ruess, MMR 2003, 363, 364; Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 36; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 33.

Haftungsprivilegierung von Internetplattformbetreibern

69

nen aus der Sphäre des Plattformbetreibers im weiteren Sinne stammen.337 In diesen Fällen einer engen Verbindung zwischen dem Plattformbetreiber und seinem Nutzer, kann eine Gleichstellung der vom Plattformbetreiber selbst eingegebenen und der von seinem Nutzer eingegebenen Informationen gerechtfertigt sein.338 Wichtig ist, dass Art. 14 Abs. 3 ECRL eine Haftung des Plattformbetreibers auf Beseitigung und Unterlassung rechtsverletzender Inhalte ausdrücklich von der Privilegierung ausnimmt. 3.

Keine allgemeine Überwachungspflicht (Art. 15 ECRL)

Solange sich die Tätigkeit des Plattformbetreibers auf »rein technische, automatische und passive Art« (vgl. Erwägungsgrund 42 der ECRL) beschränkt, hat er weder Kenntnis noch Kontrolle über die weitergeleitete oder gespeicherte Information. Deshalb verbietet Art. 15 ECRL den Mitgliedstaaten, dem Diensteanbieter allgemeine Verpflichtungen aufzuerlegen, die von ihm übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Unberührt bleiben die den nationalen Justizbehörden vorbehaltenen zielgerichteten, zeitweiligen Überwachungsmaßnahmen z. B. zur Strafverfolgung und Gefahrenabwehr,339 sowie die Überwachungspflichten in ganz spezifischen Fällen.340

II.

Umsetzung in das deutsche Recht

1.

Entstehungsgeschichte

Die (eingeschränkte) Verantwortlichkeit von Diensteanbietern ist im Jahr 1997 in Deutschland zum ersten Mal auf Bundesebene gesetzlich geregelt worden. Am 1. 8. 1997 trat das TDG als Teil des Informations- und Kommunikations-DiensteGesetzes (IuKDG) in Kraft, während die Länder die entsprechenden Fragen parallel im Mediendienste-Staatsvertrag (MDStV) regelten. Nach Erlass der ECRL musste der deutsche Gesetzgeber die europäischen Vorgaben in nationales Recht umsetzen. Das geschah mit dem Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr (EGG). Ein Großteil der Regelungen der ECRL wurde in das novellierte TDG/MDStV wörtlich übernommen.341 Die Regelungen der Providerhaftung wurden auf Bundes- wie auf Lan337 338 339 340 341

Spindler, MMR 1999, 199, 203. Marly in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, ECRL, Art. 14, Rn. 17. Spindler, MMR 1999, 199, 204. Erwägungsgrund 47 ECRL. Die Neufassung des TDG/MDStV traten am 21.12. 2001 in Kraft.

70

Deutsches Recht

desebene an die Richtlinie angepasst. Im Jahr 2007 ersetzt das neue Telemediengesetz (TMG) die alten Regelungen zu den Telemediendiensten im TDG, im Teledienstedatenschutzgesetz (TDDSG) und im MDStV. Das neue TMG regelt die Providerhaftung umfassend von den allgemeinen Informationspflichten beim E-Commerce bis zum Datenschutz im Internet.342

2.

Anwendungsbereich

Bevor die Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern näher untersucht wird, ist der persönliche und sachliche Anwendungsbereich des TMG zu klären. Abschnitt 3 des TMG beschränkt den persönlichen Anwendungsbereich auf Diensteanbieter. §§ 8 bis 10 TMG enthalten die Regelungen zur Haftungsprivilegierung des Diensteanbieters, der fremde Informationen für seine Nutzer durchleitet, automatisch, zeitlich begrenzt zwischenspeichert oder speichert. Unter einem »Diensteanbieter« versteht § 2 Nr. 1 TMG »jede natürliche oder juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt«. Der Anwendungsbereich des TMG bezieht sich auf die in § 1 Abs. 1 festgelegten »Telemedien«. Fraglich ist, wann überhaupt »Telemedien« vorliegen und ob man dies den Negativkriterien in § 1 Abs. 1 TMG entnehmen kann. Bei Telemedien handelt es sich um »elektronische Informations- und Kommunikationsdienste«, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 24 TKG, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind. Ohne Belang ist es nach § 1 Abs. 2 TMG, ob die Dienstleistung von privaten Anbietern oder von öffentlichen Stellen angeboten wird, und ob die Dienstleistung entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt.343 Daher kann der Begriff »Diensteanbieter« hier weiter als in Art. 12–15 ECRL ausgelegt werden,344 da auch rein private und nichtkommerzielle Dienste vom TMG erfasst werden.345 Dabei ist nicht zu befürchten, dass diese weite Auslegung des Diensteanbieters europarechtlichen Vorgaben widerspricht, denn die ECRL verbietet den Mitgliedstaaten nicht, Diensteanbietern über die ECRL hinaus zu privilegieren.346 In sachlicher Hinsicht erstreckt sich der Abschnitt 3 des TMG auf eine »Information«, die angesichts des Ziels der ECRL weit ausgelegt werden soll.347 Im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum EGG wird ausdrücklich darauf 342 Hoeren, NJW 2007, 801f. 343 Ricke in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 1, Rn. 13f.; Martini in: BeckOK InfoMedienR, TMG, § 1, Rn. 4. 344 Paal in: BeckOK InfoMedienR, TMG, § 7, Rn. 19. 345 Sieber/Höfinger in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.1, Rn. 30. 346 Freytag, CR 2000, 600, 603; Hoffmann, MMR 2002, 284. 347 v. Samson-Himmelstjerna, S. 58f.

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hingewiesen, dass der dem Richtlinientext entnommene Begriff »Informationen« dem im geltenden § 5 TDG verwendeten Begriff »Inhalte« entspricht und alle Angaben umfasst, die im Rahmen des jeweiligen Teledienstes übermittelt oder gespeichert werden.348 Nach einer weiten mit Rücksicht auf Art. 14 Abs. 1 S. 1 ECRL systematischen Auslegung erfassen die Informationen auch Tätigkeiten. Insofern können alle Inhalte, Angebote auf Internetplattformen und ihre Tätigkeiten als »Information« angesehen werden, sodass sie dem sachlichen Anwendungsbereich der Privilegierungsvorschriften des TMG unterfallen. Funktion der Plattformbetreiber im Internet ist, eine geeignete Infrastruktur zu gestalten, auf der die fremden Inhalte für ihre Nutzer gespeichert oder bereitgestellt werden. Typische Beispiele für Plattformbetreiber sind soziale Netzwerke, File-Hosting-Dienste, Online-Handelsplattformen, Meinungsforen, Bewertungsprotale usw. In diesem Sinne sind fast alle Plattformbetreiber als Telemedien i. S.v. § 1 Abs. 1 und zugleich als Diensteanbieter i. S.v. § 2 Nr. 1 TMG zu qualifizieren, sodass der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des TMG eröffnet ist. Aus funktionaler Perspektive349 bietet der Plattformbetreiber keine eigenen Informationen, sondern Speicherplatz auf eigenen Servern an. Im Vergleich zu den Durchleitungen und Zwischenspeicherungen i. S. d. §§ 8 und 9 TMG bezieht sich die Tätigkeit von Plattformbetreibern auf die auf unbestimmte Zeit angelegte Speicherung der Informationen ihrer Nutzer.350 Daher fällt der Plattformbetreiber, mit Ausnahme der Betreiber von Webseiten mit eigenen Inhalten, unter die Host Provider, sodass eine Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG in Betracht kommt.351

3.

Ziel und Filterfunktion der §§ 7 ff. TMG

Das Hauptziel der §§ 7 ff. TMG steht mit der ECRL in Einklang. Wie die Vorgängerregelungen im TDG/MDStV sollen sie die Verantwortlichkeit von Diensteanbietern gesetzlich klarstellen und Haftungsbegrenzungskriterien schaffen.352 §§ 7–10 TMG enthalten selbst keine Anspruchsgrundlage gegen den Diensteanbieter.353 Sie können somit eine zivil- oder strafrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern weder begründen noch erweitern oder verschärfen.354 Die 348 349 350 351 352 353 354

Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 23. Dustmann, S. 32. Hofmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 1. Spindler, MMR 2001, 737, 741. Sieber/Höfinger in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.1, Rn. 14. BGH GRUR 2004, 74, 75 – rassistische Hetze; BGH GRUR 2009, 1093 – Focus Online. Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 23; BGH GRUR 2009, 1093 – Focus Online; BGH GRUR 2007, 724, 725 – Meinungsforum.

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§§ 7–10 TMG werden auch nicht als »lex specialis« angesehen, welche die allgemeinen Haftungsregelungen verdrängen würden.355 Vielmehr wirken §§ 7–10 TMG als Filter, der geprüft werden muss, bevor ein Diensteanbieter zu einer Haftung nach den allgemeinen Vorschriften herangezogen werden kann.356 D. h. nur wenn die Haftungsprivilegierungen der §§ 8–10 TMG nicht greifen, ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Haftung von Diensteanbietern nach den allgemeinen Regeln im Zivil-, Straf- oder Öffentlichen Recht in Betracht kommt. Zum Teil werden die Privilegierungsvorschriften auch als »Nachfilter« betrachtet357 und nach dem Haftungstatbestand geprüft. Dies erscheint logisch, weil nur eine bestehende Haftung beschränkt werden kann.358 Doch ist die Vorfilterlösung ökonomischer und sie kann unabhängig vom Rechtsgebiet ein einheitliches Resultat absichern.359 §§ 7 ff. TMG enthalten somit zentrale Haftungsregelungen für Diensteanbieter, indem sie als »rechtsgebietsübergreifende Querschnittsregelung« die Haftung von Diensteanbietern in den unterschiedlichsten Rechtsgebieten begrenzen.360

4.

Die Verantwortlichkeit der Plattformbetreiber nach § 7 Abs. 1 TMG

Der deutsche Gesetzgeber normiert zunächst in § 7 Abs. 1 TMG den allgemeinen Grundsatz, dass die Diensteanbieter für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich sind. § 7 Abs. 1 TMG hat nur deklaratorischen Charakter, weil es weder die Haftung von Diensteanbietern begründet, noch eine bestehende Verantwortlichkeit privilegiert.361 a) Die Abgrenzung eigener von fremden Informationen §§ 7 ff. TMG beruhen auf Art. 12–15 ECRL, wobei jedoch einige Abweichungen bestehen. Vor allem hat sich der deutsche Gesetzgeber weiter an den Wortlaut der Vorgängervorschriften im TDG/MDStVangelehnt und verwendet weiter das Begriffspaar »eigene« und »fremde« Information, das dem europäischen Recht fremd ist, weil die ECRL nur von »von einem Nutzer eingegebenen Informa355 Bleisteiner, S. 153. 356 Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 23; BGH GRUR 2004, 74, 75 – rassistische Hetze. 357 Stadler, Teil 2, Rn. 22. 358 Müller, S. 84. 359 Müller, S. 84; Gäckle, Freilaw 2016, 1, 3. 360 Sieber/Höfinger in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.1, Rn. 1; Gäckle, Freilaw 2016, 1, 2. 361 Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 7, Rn. 2.

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tionen« spricht, im Unterschied zu den von Diensteanbietern selbst erstellten und eingegebenen Informationen.362 Nach §§ 8–10 TMG gilt die Haftungsprivilegierung ausschließlich für die »fremden« Informationen. Daher ist die Festlegung des Begriffspaars »eigene« und »fremde« Informationen im TMG auch für die Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers bedeutsam. Für die eigenen Informationen haftet der Plattformbetreiber gemäß § 7 Abs. 1 TMG uneingeschränkt. Eigene Informationen in diesem Sinne sind die originär eigenen Informationen des Diensteanbieters, die vom Plattformbetreiber selbst stammen, aber auch die in seinem Auftrag von den Nutzern erstellten Informationen.363 Fremde Informationen hingegen sind solche Informationen, die von den Nutzern (Dritten) eingegeben worden sind.364 Grundsätzlich haftet der Plattformbetreiber nicht für fremde Informationen.365 Nach § 10 S. 1 TMG verliert er seine Haftungsprivilegierung erst, wenn er positive Kenntnis der einzelnen, konkreten rechtswidrigen Handlung erlangt – bei Schadensersatzansprüchen reicht grob fahrlässige Unkenntnis – und es gemäß § 10 S. 2 TMG unterlässt, die konkreten Informationen unverzüglich zu entfernen oder den Zugang zu sperren, nachdem er davon Kenntnis erlangt hat.366 Neben den eigenen und fremden Informationen gibt es noch eine dritte Kategorie, die sog. zu eigen gemachten Informationen. Schon in der Entwurfsbegründung des TDG und EGG hatte der deutsche Gesetzgeber ausdrücklich erklärt, dass die eigenen Inhalte (Informationen) auch von Dritten hergestellte Inhalte (Informationen) umfassen, die sich der Diensteanbieter zu eigen macht.367 Vor diesem Hintergrund wird der Begriff des eigenen Inhalts erweitert interpretiert.368 Die zu eigen gemachten Informationen i. S. d. Gesetzesbegründung sind ursprünglich fremde Informationen, die jedoch wie eigene Informationen behandelt werden.369 Für die zu eigen gemachten Informationen muss der Plattformbetreiber wie für eigene Informationen voll einstehen. Wann es sich um zu eigen gemachte Informationen handelt, sagt der Gesetzgeber nicht. Weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung hat es bislang ein einheitliches Abgrenzungskriterium für die Rechtsfigur des »Zueigenmachens« gegeben. Aus diesem Grund wird im folgenden Abschnitt eine ausführliche Untersuchung durchgeführt. 362 363 364 365 366 367

Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 7. Rn. 6. Heß, S. 172; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647f. Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 4. Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 648. Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 22. Begr. RegE zum IuKDG, BT-Drucks. 13/7385 v. 9. 4. 1997, S. 19f.; und Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 22. 368 Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 7, Rn. 16. 369 Hoeren in: Kilian/Heussen, Computerrecht, Teil 14, vertragsrechtliche Fragen, Rn. 23.

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b) Abgrenzungskriterien für zu eigen gemachte Inhalte in der Literatur Für die Bestimmung der Abgrenzungskriterien der zu eigen gemachten Inhalte helfen weder das Gesetz noch die Gesetzgebungsmaterialien. Ein Hinweis findet sich allein in einer Bemerkung der Bundesregierung zum TDG 1997, dass »sich mit den Inhalten identifizieren« der Diensteanbieter ein Indiz für das »Zueigenmachen« sein könne.370 aa) Anlehnung an presserechtliche Maßstäbe Die früher wohl herrschende Lehre wollte das »Zueigenmachen« in Anlehnung an die Kriterien des Presserechts bestimmen. Danach kommt es auf die äußerlich erkennbare Einstellung des Plattformbetreibers an.371 Entscheidend ist, ob er den Inhalt klar als fremden Inhalt kennzeichnet,372 ob er sich von den Inhalten ernsthaft distanziert373 oder sich mit ihnen identifiziert,374 ob er die Verantwortung für die Inhalte aus einem objektiven Empfängerhorizont heraus als eigene übernehmen möchte.375 Damit der Plattformbetreiber sich die entsprechende Informationen nicht zu eigen macht, muss er die Inhalte klar als fremde kennzeichnen oder sich von diesen Inhalten so distanzieren, dass er die Verantwortung für sie aus Sicht eines objektiven Dritten nicht übernehmen will, andernfalls muss sich der Hostprovider die ursprünglich fremden Informationen entsprechend zurechnen lassen. Jedoch es ist wieder fraglich, wann eine sog. ernsthafte Distanzierung für einen Haftungsausschluss ausreicht. Unstreitig ist, dass der Plattformbetreiber sich seiner Verantwortlichkeit nicht einfach durch einen online »Disclaimer« entziehen kann.376 Im Gegenteil kann eine solche Haftungsausschlusserklärung manchmal ein starkes Indiz für die positive Kenntnis sein – der Hostprovider weiß genau, dass die fremden Inhalte möglicherweise rechtswidrig sind.377 Doch ist fraglich, ob diese presserechtlichen Grundsätze überhaupt auf andere Rechtsgebiete übertragbar sind. Die Gegner betonen, dass dieses Kriterium nur für Äußerungsdelikte sachgerecht ist.378 Denn die innere oder die äußerlich erkennbare Einstellung des Plattformbe370 Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage, BT-Drucks. 13/8153 v. 2. 7. 1997, S. 13. 371 Sieber, MMR-Beil. 2/1999, 1, 12f. 372 AG München CR 1998, 505f. – Compuserve; Koch, CR 1997, 193, 197; Engels, K& R 2001, 338, 341; Leupold in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 2, Rn. 578. 373 Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; Pelz, ZUM 1998, 530, 532; Sieber, MMR-Beil 2/1999, 1, 13; Heß, S. 175. 374 Eichler, K& R 1998, 412, 414; Jaeger, RDV 1998, 266, 268. 375 Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; Pichler, MMR 1998, 79, 86f. 376 LG Hamburg CR 1998, 565, 566 – Best’s Linking Case; Leupold in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 2, Rn. 578. 377 Busse-Muskala/Busse-Muskala, JurPC Web-Dok. 30/2005, Abs. 36. 378 Mießner, S. 44; Hartmann, S. 109; Heß, S. 172.

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treibers spielt für seine objektive Rechtsverletzung außerhalb der Äußerungsdelikte und insbesondere im Bereich des Lauterkeits- und Immaterialgüterrechts keine Rolle, wenn er die rechtswidrige Handlung tatsächlich begangen hat.379 Ein Beispiel macht das deutlich: Wenn jemand auf seiner Website den Zugang zu urheberrechtswidrigen Musikkopien geöffnet oder kinderpornographische Bilder bereitgehalten hat, kann er seine Verantwortlichkeit nicht durch bloße Fremdkennzeichnung ausschließen. Denn sonst könnte jeder eine strafbare Handlung einfach dadurch rechtfertigt, dass er seine tatsächliche innere Einstellung behauptet, die seiner äußerlich scheinbaren Einstellung widerspricht. Auf eine subjektiv erkennbare Einstellung in Anlehnung an presserechtliche Grundsätze kann man deshalb die Feststellung der Verantwortlichkeit für fremde Inhalte außerhalb der Äußerungsdelikte nicht stützen. Zur Begründung der Verantwortlichkeit für eigene Inhalte ist die subjektiv erhobene Einstellung jedoch möglicherweise bis zu einem gewissen Grad hilfreich.380 bb) Anlehnung an die urheberrechtliche Veranstalterhaftung Ähnlich wie bei der urheberrechtlichen Veranstalterhaftung mache sich der Plattformbetreiber die fremden Inhalten zu eigen, wenn er einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der Informationen, einen wirtschaftlichen Nutzen oder ein sonstiges besonderes Interesse an der Verbreitung der Informationen hat.381 Verglichen mit den presserechtlichen Maßstäben stellt diese Lehre nicht auf die rein subjektive Einstellung ab, die einen Haftungsausschluss auch nicht überzeugend begründen kann, sondern sie berücksichtigt wichtige objektive Kriterien wie die tatsächliche Herrschaft, Einflussmöglichkeit usw.382 Auch eine analoge Anwendung der urheberrechtlichen Veranstalterhaftung hat jedoch ihre Schwächen. Erstens ist fraglich, ob diese Lehre auf den Internetbereich überhaupt übertragbar ist. Nach der Gesetzesbegründung sollen die Diensteanbieter wegen ihrer technischen Tätigkeiten haftungsrechtlich privilegiert werden.383 Jedoch ist deren Berücksichtigung für die urheberrechtliche Veranstalterhaftung ganz unüblich. Zweitens sind die Kriterien »wirtschaftlicher Nutzen« bzw. »sonstiges besonderes Interesse an der Verbreitung der Informationen« fragwürdig. Denn während des Betriebes hat fast jeder Diensteanbieter ein direktes oder indirektes Interesse an der Verbreitung der Information. Beispielsweise integrieren viele Plattformbetreiber die Werbebanner auf ihrer Website und ziehen daraus einen wirtschaftlichen Nutzen. Und fast jeder Plattformbetreiber hat ein »sonstiges, besonderes Interesse« an der Verbreitung 379 380 381 382 383

Dustmann, S. 140. Heß, S. 172; Hartmann, S. 109. Heß, S. 176; Freytag, S. 88; Sieber, MMR-Beil. 2/1999, 1, 13. Sieber, MMR-Beil. 2/1999, 1, 13. Begr. RegE zum IuKDG, BT-Drucks. 13/7385 v. 9. 4. 1997, S. 20.

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der Informationen. Außerdem trägt der Vergleich zur Offline-Welt hier nicht. Ein Verleger z. B. haftet nicht für den Inhalt von Leserbriefen, auch wenn er in seiner Publikation Werbung schaltet.384 Angesichts des Gesetzeszwecks sollte der Plattformbetreiber jedoch nicht strenger als ein Diensteanbieter im OfflineBereich haften.385 Vor diesem Hintergrund könnte die Bestimmung der Verantwortlichkeit anhand der urheberrechtlichen Veranstaltungshaftung zu einer uferlosen Haftungserweiterung führen. Deshalb ist auch diese Lehre zur Bestimmung des »Zueigenmachens« nicht geeignet. cc)

Bewusste Einzelauswahl oder Verantwortungsübernahme der Information durch den Plattformbetreiber Anhand der spezifischen Besonderheiten der Telemediendienste hat Sieber einen anderen Ansatz entwickelt. Hiernach soll es darauf ankommen, ob der Hostprovider die Information selbst einzeln und bewusst ausgewählt oder dafür ausdrücklich die Verantwortlichkeit übernommen hat.386 Für die Verantwortlichkeit müssen die zu eigen gemachten Inhalte qualitativ mit den selbst eingegebenen Inhalten vergleichbar sein.387 Vom Rechtsgebiet unabhängig basiert diese Ansicht auf einem verobjektivierten Empfängerhorizont bezüglich des Willens, Verantwortlichkeit zu übernehmen, und ist zugleich mit dem Wissenselement des Hostproviders verbunden. Siebers Ansicht hat jedoch auch Schwächen. Zum einen könnte die Anwendung dieser Abgrenzung zum Leerlauf des § 10 S. 1 TMG und zu einem Wertungswiderspruch führen.388 Denn eine bewusste Einzelauswahl der Informationen setzt positive Kenntnis des Diensteanbieters voraus. Nach dem Wortlaut von § 10 S. 1 Nr. 1 TMG haften die Diensteanbieter für »fremde Informationen«, die sie für einen Nutzer speichern, wenn sie Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information haben. Solche Informationen bleiben auch bei Kenntnis der Diensteanbieter immer noch fremde Informationen. Wenn man bejaht, dass die fremden Informationen wegen Kenntnis der Diensteanbieter zu eigenen werden, wird die Regelung des § 10 S. 1 TMG ausgehöhlt und ein Wertungswiderspruch verursacht. Außerdem spricht gegen Sieber, dass nach seiner Ansicht manche verantwortungsvollen Plattformbetreiber ein größeres Betriebsrisiko tragen, wenn sie die Inhalte ihrer Website regelmäßig überprüfen und selektieren, während andere Plattformbetreiber, die die Inhalte ihrer Website z. B. anhand eines automatischen Hochladeverfahrens gestalten, sich ihrer Haftung entziehen könnten. Das würde entsprechend die weniger sorg384 385 386 387 388

BGH NJW 1986, 2503, 2505 – Ostkontakte. Spindler, MMR 2002, 549, 550. Sieber, MMR-Beil 2/1999, 1, 14; Sieber, Rn. 302. Sieber, MMR-Beil 2/1999, 1, 14. Heß, S. 177.

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fältigen Hostprovider privilegieren und dazu anreizen, Inhaltskontrolle absichtlich zu unterlassen. Dies wäre verfehlt und mit dem Gesetzesziel unvereinbar. Auch dürfen die Beweisprobleme des Geschädigten nicht vernachlässigt werden.389 Nach den allgemeinen Beweislastregeln trägt der Anspruchssteller die Darlegungs- und Beweislast.390 Jedoch ist es für Dritte schwer zu beweisen, ob die Plattformbetreiber die Inhalte ihrer Website selbst bewusst ausgewählt haben. Deshalb wird vorgeschlagen, dass umgekehrt die Plattformbetreiber darlegungs- und beweispflichtig sind, da es gerechter sei, wenn sie selbst die Voraussetzungen ihrer Privilegierung beweisen.391 dd) Abgrenzung nach der Sphärentheorie Nach dem novellierten § 10 S. 2 TMG verliert der Diensteanbieter seine Privilegierung, »wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird«. Nach der Sphärentheorie sei der Plattformbetreiber nur für die Inhalte, die aus seiner Sphäre stammen, verantwortlich.392 Fremde Informationen habe sich der Plattformbetreiber zu eigen gemacht, wenn die Information aus seiner Sphäre stammt. Jedoch regelt § 10 TMG nur fremde Informationen und sagt, wann die fremde Information die Haftungsprivilegierung genießt und verliert. Die Vorschrift kennt den Begriff der eigenen Informationen gar nicht. Außerdem fehlen klaren Kriterien, wann eine Information zur Sphäre des Hostproviders gehört. Das Problem der Abgrenzung des Zueigenmachens wird nur gegen das Problem der Abgrenzung der Sphären zwischen dem Plattformbetreiber und seinen Nutzern eingetauscht. Die eine Abgrenzung bleibt so unklar wie andere. Auch die Sphärentheorie kann deshalb nicht überzeugen. ee) Zwischenergebnis Die dargestellten Bemühungen des Schrifttums zur Abgrenzung der zu eigen gemachten Inhalte können angesichts der jeweiligen Schwächen allesamt nicht überzeugen. Wie man eigene von fremden Informationen abgrenzt und ob der Fortbestand der Rechtsfigur des »Zueigenmachens« unter dem TMG mit den Wertungen der ECRL vereinbart ist, muss deshalb im Folgenden weiter geklärt werden.

389 390 391 392

Matthies, S. 70. Hartmann, S. 113. Pankoke, S. 106; Hartmann, S. 113. Spindler, MMR 1999, 199, 203.

78 c)

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Fortbestand der Rechtsfigur des »Zueigenmachens«

aa) Meinungsstand in der deutschen Rechtsprechung In den vergangenen Jahren hat die deutsche Rechtsprechung mehrfach eine Abgrenzung des Zueigenmachens untersucht.393 Bisher wurde jedoch noch kein einheitlicher Maßstab gefunden. Obwohl einige Autoren betonen, dass die Figur des Zueigenmachens mit Blick auf die ECRL heute in §§ 7–10 TMG nicht mehr vertretbar sei,394 hält die deutsche Rechtsprechung dennoch unverändert am Institut des Zueigenmachens fest.395 In den vergangenen Jahren hatte der BGH wiederholt Gelegenheit klarzustellen, wann der Diensteanbieter sich die fremde Information zu eigen macht.396 Teilweise haben die Gerichte zur Beurteilung der Haftung für ins Internet eingestellte Inhalte einen den presserechtlichen Grundsätzen ähnlichen Ansatz herangezogen.397 Ein Zueigenmachen sei anzunehmen, wenn sich der Diensteanbieter aus objektiver Sicht aller relevanten Umstände mit den fremden Inhalten derart identifiziere, dass er die Verantwortung insgesamt oder für bewusst ausgewählte Teile davon übernehmen wolle,398 indem er eine fremde Äußerung so in einen eigenen Gedankengang einfüge, dass die gesamte Äußerung als eine eigene erscheine.399 Im Fall »marions-kochbuch.de« hat der BGH erstmals die Kriterien für ein Zueigenmachen ursprünglich »fremder« Inhalte entschieden.400 Demnach ist für die Bejahung des Zueigenmachens eine objektive Sicht des verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände maßgeblich.401 Ein Zueigenmachen ist dann anzunehmen, wenn der Plattformbetreiber vor Freischaltung der von seinem Nutzer hochgeladenen Inhalte diese redaktionell auf Vollständigkeit und 393 OLG Düsseldorf WRP 2004, 631 – Rolex/eBay ; LG Hamburg MMR 2007, 450 – Supernature.de; LG Potsdam CR 2009, 194 – Preußische Schlösser und Gärten; LG Köln MMR 2009, 71 – Haftung für Urheberrechtsverletzungen auf Internetplattform; OLG Köln MMR 2012, 197 – Laienprivileg eines Forenbetreibers. 394 Hoffmann, MMR 2002, 284, 288; Freytag/Wessing, GRUR-Prax 2010, 355, 356f.; Fitzner, GRUR Int 2012, 109, 113; Altenhain in: MüKo StGB, TMG, vor §§ 7 f., Rn. 24. 395 BGH GRUR 2004, 860f. – Internet-Versteigerung I; OLG Hamburg MMR 2009, 479f.; LG Hamburg MMR 2010, 833f. 396 BGH GRUR 2008, 534 – ueber18.de; BGH GRUR 2010, 616 – marions-kochbuch.de; BGH GRUR 2015, 1129 – Hotelbewertungsportal. 397 LG Potsdam MMR 1999, 739, 740; KG MMR 2010, 203, 204; BGH GRUR 2012, 751, 752 – RSS-Feeds. 398 KG, MMR 2010, 203, 204. 399 BGH GRUR 2012, 751, 752 – RSS-Feeds; BGH GRUR 2014, 693, 695 – Sächsische Korruptionsaffäre; OLG Frankfurt a.M. GRUR-RR 2016, 307, 308 – Hofdamen. 400 BGH GRUR 2010, 616f. – marions-kochbuch.de. 401 BGH GRUR 2010, 616, 618 – marions-kochbuch.de; BGH GRUR 2015, 1129, 1131 – Hotelbewertungsportal; BGH GRUR 2016, 209, 211 – Haftung für Hyperlink; OLG Hamburg ZUM-RD 2016, 83, 98 – YouTube.

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Richtigkeit kontrolliert oder auswählt.402 Weitere Indizien für die Bejahung des Zueigenmachens könnten darin liegen, dass die nutzergenerierten Inhalte den »redaktionellen Kerngehalt« des gesamten Webportals bilden403 oder wenn sich der Plattformbetreiber in seinen AGB das Verbreitungs- und Vervielfältigungsrecht an den nutzergenerierten Inhalten einräumen lässt und seine kommerzielle Nutzung darauf eingerichtet hat und sich damit nicht bloß auf eine technische Vermittlerrolle beschränkt.404 Der BGH will sich nicht auf einen der in der Literatur vertretenen Lösungsvorschläge festlegen,405 sondern er entwickelt einen selbständigen Ansatz in dem Sinne, dass er das Zueigenmachen durch eine wertende objektive Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände im Einzelfall bestimmt. Die vorstehend genannten Kriterien müssen jedoch nicht kumulativ herangezogen werden. Entscheidend ist, dass der Plattformbetreiber die fremde Information willentlich als Teil seiner eigenen Inhaltsangebote annehmen will, obwohl ihm die einzelnen Inhalte z. B. durch eine redaktionelle Kontrolle bereits konkret bekannt sind.406 Ob das Fortbestehen der Rechtsfigur des »Zueigenmachens« mit den europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist, hat der BGH bislang offengelassen. bb) Vereinbarkeit der Rechtsfigur des »Zueigenmachens« mit der ECRL Der Wortlaut der ECRL differenziert nicht zwischen eigenen und fremden Informationen und sie kennt auch nicht den Begriff des Zueigenmachens. Stattdessen spricht Art. 14 ECRL von »durch einen Nutzer eingegebener Information«. Nach Art. 14 Abs. 2 ECRL kommt eine Ausnahme von der Haftungsprivilegierung nur in Betracht, wenn der Nutzer dem Diensteanbieter untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird. Die Verantwortlichkeit eines Hosting Providers hängt demnach nicht davon ab, wie nahe er den rechtsverletzenden Informationen inhaltlich steht, sondern davon, wer die Information online eingegeben hat und wer den inhaltlichen Einfluss auf die Information oder die Auswahl der Adressaten der Information genommen hat.407 Anders als nach den zahlreichen wertenden Beurteilungskriterien vom BGH kommt es für die Verantwortlichkeit des Host Providers nach europäischem Recht nicht drauf an, ob und wie er die Informationen gegenüber Dritten darstellt. Denn der ECRL liegt im Wesentli402 BGH GRUR 2010, 616, 618f. – marions-kochbuch.de; BGH GRUR 2015, 1129, 1131 – Hotelbewertungsportal; Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 464. 403 BGH GRUR 2010, 616, 617 – marions-kochbuch.de. 404 BGH GRUR 2010, 616, 619 – marions-kochbuch.de. 405 Schapiro, S. 353. 406 Leupold in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 2, Rn. 594. 407 Hoffmann, MMR 2002, 284, 288; Spindler, MMR 2004, 440, 441; Säcker, MMR-Beil. 9/2001, 2, 3.

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chen ein rein technisch geprägtes Verständnis zugrunde, wonach nur die Herkunft von und die Herrschaftsmacht über die Informationen von Bedeutung sind.408 Nach der Umsetzung der ECRL durch das EGG in das nationale Recht wurde das TDG novelliert und später in das TMG überführt. Bei der Haftungsprivilegierung der ECRL handelt es sich um eine Vollharmonisierung. Danach dürfen die Mitgliedstaaten für die Verantwortlichkeit von Host Providern keine von der ECRL abweichenden Vorschriften beibehalten oder erlassen. Vor diesem Hintergrund halten einige Autoren eine Unterscheidung zwischen eigenen und fremden Informationen anhand der ECRL nicht mehr für zulässig, so dass auch die Figur des Zueigenmachens abgelehnt werden müsse.409 Nach den Vorschriften der ECRL sei nicht die geistige Urheberschaft, sondern allein die technische Fähigkeit und die Herrschaft über die Information für die Verantwortlichkeit der Host Provider maßgeblich.410 Demgegenüber enthalten die Kriterien zur Bestimmung des Zueigenmachens viele wertenden Faktoren, die höheren Anforderungen an eine Haftungsprivilegierung als die ECRL stellen, sodass die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf mitgliedstaatlicher Ebene nicht vollständig gewährleistet seien.411 Die europarechtlichen Vorgaben ließen keinen Raum mehr für die Rechtsfigur des Zueigenmachens, denn sie erzeuge nur den Anschein einer eigenen Information, was jedoch eine eigenständige Haftung für ursprünglich nicht vom Host Provider selbst erstellte Informationen nicht begründen könne.412 Die Anerkennung der Rechtsfigur des Zueigenmachens könne dazu führen, dass die Voraussetzungen, welche die ECRL und das TMG an den Wegfall der Privilegierung stellen, aushöhlt werden.413 Diese Begründung ist jedoch nicht überzeugend. Denn auch der EuGH hat versucht, den Anwendungsbereich von Art. 14 ECRL einzuschränken.414 Er hat im Urteil »Google und Google France« hervorgehoben, dass die Haftungsprivilegierung nach Art. 14 auf solche Host Provider beschränkt sei, die keine aktive Rolle gespielt haben, die ihnen Kenntnis der gespeicherten Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte.415 Anschließend hat sich der EuGH in »L’Or8al/eBay« weiter mit den Voraussetzungen der Haftungsprivilegierung von Host Providern beschäftigt und festgestellt, dass der privilegierungsfähige Host 408 Spindler, MMR 2004, 440, 441. 409 Altenhain in: MüKo StGB, TMG, vor §§ 7 ff.; Rn. 24; v. Samson-Himmelstjerna, S. 72f.; Schwartz/Poll, JurPC 73/2003, Abs. 86f.; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 651. 410 Altenhain in: MüKo StGB, TMG, vor §§ 7 ff.; Rn. 24. 411 Ähnlich v. Samson-Himmelstjerna, S. 78f. 412 Altenhain in: MüKo StGB, TMG, vor §§ 7 ff.; Rn. 24. 413 Altenhain in: MüKo StGB, TMG, vor §§ 7 ff.; Rn. 24. 414 Fitzner, GRUR Int 2012, 109, 115. 415 EuGH GRUR 2010, 445, 451 – Google und Google France.

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Provider ein »rein technischer, automatischer und passiver Art« tätige Vermittler sei und keine »aktive Rolle« i. S.v. Erwägungsgrund 42 der ECRL einnehmen dürfe.416 Auch der EuGH praktiziert also eine wertende Betrachtung der Tätigkeiten zur Beurteilung der Haftungsprivilegierung von Host Providern.417 Demnach haftet der Plattformbetreiber einerseits für die von ihm selbst eingegebenen Informationen, verliert jedoch seine Haftungsprivilegierung und haftet andererseits für die von Dritten stammenden Informationen, wenn er eine »aktive Rolle« spielt bzw. wenn er über die Herrschaft der Informationen verfügt. Solange der Umfang der Haftungsbefreiung der Host Provider, der sich durch die deutsche Rechtsfigur des Zueigenmachens verringert, mit dem durch die »aktive Rolle« beschriebenen Haftungsumfang i. S. d. ECRL in Einklang steht, sind die Beibehaltung der Differenzierung eigener von fremden Informationen bzw. die Figur des Zueigenmachens nicht europarechtswidrig. Obwohl die ECRL vollharmonisierend ist, ist eine wortwörtliche Transformation nicht notwendig.418 Der deutsche Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, bei Umsetzung der ECRL eine identische Haftungsfigur anzuwenden.419 Im Sinne des »effet utile« bleibt dem nationalen Gesetzgeber eine gewisse Flexibilität. Maßgeblich ist nur, dass die Umsetzung der europäischen Vorgaben das Ziel der Richtlinie erreicht.420 Vor diesem Hintergrund ist es nicht nötig, die Rechtsfigur des Zueigenmachens gänzlich abzulehnen, wenn damit keine strengeren Anforderungen an die Haftungsprivilegierung von Host Providern gestellt werden und in Ergebnis die gleiche Wirkung erzielt werden kann. Zu prüfen ist also, ob die Anwendung der Rechtsfigur des Zueigenmachens i. S. d. deutschen Rechts den Umfang der Haftungsprivilegierung für den Host Provider im Vergleich zur »aktiven Rolle« i. S. d. EuGH einschränkt und dadurch Art. 14 ECRL ausgehöhlt wird. Es ist davon auszugehen, dass der BGH den Umfang der fremden Information richtlinienkonform ausgelegt und so mittelbar zur engen Anwendung des Zueigenmachens beigetragen hat.421 Der BGH hat klargestellt, dass die fremden Informationen i. S.v. § 10 TMG allein die vom Nutzer eingegebenen Informationen sind, was im Einklang mit europäischen Vorgaben steht. Bei vom Diensteanbieter selbst eingegebenen Informationen handelt es sich um eigene Inhalte, so dass ein Zueigenmachen nicht in Betracht kommt. Doch bleibt zu beachten, dass die vom BGH praktizierte Abgrenzung des Zueigenmachens nicht wie die europäische Vorgabe auf einem rein techni416 EuGH GRUR 2011, 839, 848 – L’Or8al/eBay. 417 Fitzner, GRUR Int 2012, 109, 115. 418 EuGH Slg. 1987, 1733, Rn. 15 – Kommission/Italien; EuGH Slg. 1992, I-3265, Rn. 17 – Kommission/Niederlande. 419 Spindler, MMR 2004, 440, 441; Kropp, S. 91f. 420 EuGH NJW 1984, 2021– von Colson und Kamann. 421 BGH GRUR 2014, 180, 181 – Terminhinweis mit Kartenausschnitt.

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schen Verständnis bzw. der tatsächlichen und rechtlichen Herrschaftsmacht über die Information basiert, sondern viele subjektiv wertende Faktoren berücksichtigt. Der BGH hielt eine Beurteilung unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls für erforderlich. Hierbei muss er das Regelungsziel der ECRL berücksichtigen. Nach dem Richtlinientext und den Erwägungsgründen der ECRL wollte der europäische Gesetzgeber alle »neutralen« Host Provider von der Haftung entlassen, damit die Internetdienste nicht durch unsichere Betriebsrisiken gefährdet werden.422 Damit dieses Richtlinieziel erreicht werden kann, ist die Abgrenzung des Zueigenmachens restriktiv auszulegen. Bei der Einzelfallbeurteilung ist deshalb vor allem auf eine technische Bewertung abzustellen und weniger auf unbestimmte normative Maßstäbe.423 Demnach ist unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, ob der Host Provider die tatsächliche und rechtliche Herrschaft über die von einem Nutzer eingegebene Information besitzt. Maßgeblich ist nicht, wie die Gestaltung der Plattform auf einen Dritten wirkt, sondern das tatsächliche und rechtliche Verhältnis zwischen dem Plattformbetreiber und dem Nutzer. Wenn der Plattformbetreiber nur einen falschen Eindruck gegenüber Dritten erweckt, dass er die Herrschaft über die Information hat, kann dadurch seine Verantwortlichkeit nicht begründet werden. Er muss z. B. die redaktionelle Kontrolle oder Weiterverarbeitung vor der Veröffentlichung der Information tatsächlich durchgeführt haben. Auf diese Weise wird ein systematischer Abgleich der deutschen Haftungsfigur mit den europarechtlichen Anforderungen verwirklicht. Folglich stimmt eine restriktive richtlinienkonforme Auslegung der Rechtsfigur des Zueigenmachens mit europäischen Vorgaben überein. d) Ergebnis Die vom BGH angewandte Rechtsfigur des Zueigenmachens widerspricht bei der gebotenen restriktiven richtlinienkonformen Auslegung nicht den Vorgaben der ECRL. Deshalb ist eine Abkehr von der Anwendung des Zueigenmachens nicht geboten. Bei der Abgrenzung des Zueigenmachens muss jedoch auf die überwiegend subjektiven und wertenden Faktoren verzichtet werden. Die fremden Inhalte macht sich der Plattformbetreiber nur dann zu eigen, wenn er die tatsächliche und rechtliche Herrschaft über die vom Nutzer eigegebenen und in dessen Auftrag gespeicherten Informationen besitzt. Die Auslegung des Zueigenmachens muss im Lichte der ECRL erfolgen.

422 Ähnlich Kropp, S. 96; Frech, S. 104. 423 Hartmann, S. 112.

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5.

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Umfang der Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern nach § 10 TMG

Der Plattformbetreiber als Host Provider ist grundsätzlich nicht verantwortlich, wenn er den Privilegierungstatbestand des § 10 TMG erfüllt. Fraglich ist, ob die Haftungsprivilegierung auch die Abwehransprüche gegen einen Störer erfasst. Dafür ist zunächst zu klären, wie der im deutschen Recht vereinzelt gebrauchte Begriff »Verantwortlichkeit« in §§ 7 ff. TMG verstanden werden muss. Die Begründung des Gesetzentwurfs zum IuKDG versteht unter Verantwortlichkeit das rechtliche Einstehenmüssen für eigenes Verschulden.424 Entsprechend haben §§ 7 ff. TMG eine rechtsgebietsübergreifende Funktion, die Verantwortlichkeit erfasst somit jede Art von Haftung eines Diensteanbieters wegen Rechtsverstößen seiner Nutzer.425 a) Anwendbarkeit auf Unterlassungsansprüche Ob die Haftungsprivilegierung nach §§ 8 ff., hier § 10 TMG für den Plattformbetreiber auf die zur Störerhaftung gehörenden Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche anwendbar ist, wurde in der Literatur und Rechtsprechung kontrovers diskutiert. Manche halten die Haftungsprivilegierung auch auf die Unterlassungsansprüche für uneingeschränkt anwendbar.426 Andere sind der Ansicht, dass sich die Haftungsprivilegierung nicht auf verschuldensunabhängige Abwehransprüche bezieht.427 Der 1. Zivilsenat des BGH geht in seinen wegweisenden Entscheidungen »Internetversteigerung I–III« davon aus, dass die Haftungsbeschränkung des § 10 TMG die Unterlassungsansprüche nicht erfasst.428 Von der Privilegierung seien nur die strafrechtliche Verantwortlichkeit und die Schadensersatzhaftung erfasst.429 Danach wird die oben430 diskutierte Störerhaftung des Plattformbetreibers durch das TMG nicht eingeschränkt.431 424 Begr. RegE zum IuKDG, BT-Drucks. 13/7385 v. 9. 4. 1997, S. 19. 425 Sieber/Höfinger in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.1, Rn. 15; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, vor § 7 ff., Rn. 24; Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 772. 426 OLG Düsseldorf WRP 2004, 631, 633 ff; Leupold, MMR 2004, 318, 319; Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 449; Ehret, CR 2003, 754, 759f. 427 Hoffmann, MMR 2002, 284, 286; Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 3; Lehment, WRP 2003, 1058, 1063f.; Schultz, WRP 2004, 1347, 1353; Spindler/Dorschel, CR 2005, 38, 41; Sesinghaus, WRP 2005, 697, 702; Klatt, ZUM 2009, 265, 268; Schack, Täter und Störer, in: FS Reuter, S. 1167, 1180; ders., Urheber- und Urhebervertragsrecht, Rn. 772a; Hartmann, S. 131f.; Schapiro, S. 393. 428 BGH GRUR 2004, 860, 862 – Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2008, 702, 705 – InternetVersteigerung II; BGH GRUR 2011, 152, 153 – Internet-Versteigerung III. 429 BGH GRUR 2007, 724, 725 – Meinungsforum; BGH NJW 2009, 2888, 2889f. – spickmich.de. 430 Siehe hierzu ausführlich oben Teil 1, Abschnitt A.IV.

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Der Auffassung des 1. Zivilsenats des BGH ist zu zustimmen. § 7 Abs. 2 S. 2 TMG lässt die Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung der Nutzung von Informationen nach den allgemeinen Gesetzen auch im Fall der Nichtverantwortlichkeit des Diensteanbieters nach §§ 8 bis 10 TMG ausdrücklich unberührt.432 Die Autoren, die eine Privilegierung auch in Hinblick auf Unterlassungsansprüche für möglich halten, meinen, dass die in § 7 Abs. 2 S. 2 TMG erwähnte Entfernung und Sperrung allein auf die Beseitigung einer bereits begangenen und fortdauernden Rechtsverletzung abziele. Präventive Maßnahmen, wie der in die Zukunft gerichtete vorbeugende Unterlassungsanspruch seien davon nicht erfasst.433 Dies überzeugt jedoch nicht. Man muss zwischen unterschiedlichen Anspruchszielen beim Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch unterscheiden. Der Beseitigungsanspruch ist auf die Beseitigung einer gegenwärtigen fortwährenden Störung gerichtet, während der Unterlassungsanspruch auf die Verhinderung künftiger Störung zielt.434 Die »Sperrung der Nutzung von Informationen« i. S.v. § 7 Abs. 2 S. 2 TMG soll erreichen, dass eine Information durch einen Nutzer nicht mehr abgerufen werden kann.435 Aus diesem Zweck des § 7 Abs. 2 S. 2 TMG folgt, dass die Sperrung der Nutzung von Informationen neben der Beseitigung der bereits begangenen und fortdauernden Inhalte auch die Pflicht erfasst, derartige Informationen in Zukunft nicht mehr abrufbar zu halten und zugänglich zu machen. Das also ist genau der Inhalt des Unterlassungsanspruchs.436 Für die Auffassung des 1. Zivilsenats spricht ferner, dass die Unanwendbarkeit der Privilegierung auf Unterlassungsansprüche einen Wertungswiderspruch innerhalb des abgestuften Haftungssystems vermeidet. Würde man die Privilegierungen der §§ 8–10 TMG auf den Unterlassungsanspruch erstrecken, dann wären die Anforderungen an den Unterlassungsanspruch höher als an den Schadensersatzanspruch.437 Nach § 10 S. 1 Nr. 1 TMG haftet der Diensteanbieter bereits bei grob fahrlässiger Unkenntnis auf Schadensersatz,438 wenn er keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information hat, ihm aber Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder Information offensichtlich wird. Auf Unterlassung haftete er aber erst bei tatsächlich positiver Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der In-

431 432 433 434 435 436 437 438

Sobola in:Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 42, Rn. 108. BGH GRUR 2004, 860, 862f. – Internet-Versteigerung I. Gercke, MMR 2006, 493, 494; Berger/Janal, CR 2004, 917, 920. Wiegand, S. 151ff. Schapiro, S. 383. Vgl. Lehment, WRP 2003, 1058, 1064; Schapiro, S. 382f. BGH GRUR 2004, 860, 863 – Internet-Versteigerung I. Sobola in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 42, Rn. 109.

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formation.439 Wäre die Haftungsprivilegierung auf Unterlassungsansprüche anwendbar, würde der Diensteanbieter mangels tatsächlicher Kenntnis nicht auf Unterlassung haften, aber bezüglich derselben Umstände zum Schadensersatz verpflichtet sein. Es wäre widersprüchlich, an verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche geringere Anforderungen zu stellen als an verschuldensunabhängige Unterlassungsansprüche.440 Das Verständnis des BGH entspricht auch den Vorgaben der ECRL. Dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 3, 13 Abs. 2 und 14. Abs. 3 und Erwägungsgrund 46 der ECRL ist zu entnehmen, dass die Normierung von Abwehransprüchen auf Ebene der Mitgliedstaaten unberührt bleiben soll. Ein weiterer Hinweis findet sich in der Begründung des ersten Kommissionsvorschlags: »Nicht ausgeschlossen wird durch diesen Artikel jedoch die Möglichkeit einer Unterlassungsklage.«441 Hier wird dem nationalen Gesetzgeber ein weiter Umsetzungsspielraum eingeräumt. Nach der Gegenmeinung sollen die Haftungsfreistellungen nach §§ 8 ff. TMG nicht auf Unterlassungsansprüche anwendbar sein, weil diese nicht im Einklang mit dem Telos der ECRL stünde, da sie zu verbotenen allgemeinen Überwachungspflichten führen können.442 Diese Argumentation krankt daran, dass sie zwei Fragen nicht sauber auseinander hält: Erlaubt die ECRL den Mitgliedstaaten, die Unterlassungsansprüche im nationalen Recht zu regeln, und in welchem Umfang werden die Unterlassungsansprüche durch das Verbot allgemeiner Überwachungspflichten beschränkt?443 Unterlassungsansprüche stehen mit dem Zweck der Haftungsprivilegierung der ECRL nicht in Widerspruch, solange sie nicht über den durch das Verbot allgemeiner Überwachungspflichten beschränkten Umfang hinausgehen.444 Unterlassungsansprüche sind also von den Privilegierungen der §§ 8 ff. TMG ausgeschlossen. Dieses Verständnis ist mit dem Wortlaut § 7 Abs. 2 S. 2 TMG vereinbar und wird auch nicht durch die ERCL eingeschränkt. Außerdem wird so ein Wertungswiderspruch innerhalb des TMG/der ECRL vermieden.

b) Kenntnis des Plattformbetreibers Für die Haftungsprivilegierung des Plattformbetreibers spielt sein Kenntnisstand eine ausschlagende Rolle. Hat er Kenntnis von der rechtwidrigen Handlung oder Information, so kommt eine Privilegierung nach § 10 S. 1 TMG nicht 439 440 441 442 443 444

Sobola in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 42, Rn. 109. Hoeren, MMR 2004, 643, 648. KOM (1998) 586 endg., S. 30. Ott, ZUM 2008, 556, 561. Vgl. Schapiro, S. 372. Freytag, CR 2000, 600, 605; Schapiro, S. 372.

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in Betracht.445 Schwieriger zu erklären sind die zwei alternativen Kenntnisbegriffe in § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 und 2 TMG. aa) Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG Nach § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG greift die Haftungsprivilegierung des Plattformbetreibers, wenn er keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder Information hat. Kenntnis versteht man hier als menschliche,446 tatsächliche, positive Kenntnis der einzelnen konkreten Inhalte.447 Bloßes Kennenmüssen oder grob fahrlässige Unkenntnis reichen nicht aus.448 Dieses Verständnis entspricht der Vorgabe in Art. 14 Abs. 1 ECRL, der die Formulierung »tatsächliche Kenntnis« verwendet.449 Des Weiteren lässt sich argumentieren, dass, wenn die Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG auch das »Kennenmüssen« erfassen würde, eine Unterscheidung der Kenntnis in Alt. 2 bei Schadensersatzansprüchen überflüssig wäre.450 Nach der zutreffenden Auffassung des BGH entspricht ein solches Verständnis sowohl dem Wortlaut der Vorschrift als auch ihrem Zweck, dem Diensteanbieter die nötige Rechtssicherheit zu geben.451 Nach dem Wortlaut »keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information« ist anzunehmen, dass § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG auch die Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Handlung verlangt.452 Streitig ist aber, ob die Kenntnis sich auch auf die Rechtswidrigkeit der Information bezieht. Das wird man bejahen müssen.453 Denn wenn die Kenntnis des Plattformbetreibers lediglich auf die Existenz der Information bezogen wäre, müsste er sämtliche auf seiner Plattform gespeicherten, ihm zur Kenntnis gelangten Informationen regelmäßig auf ihre Rechtmäßigkeit untersuchen, um die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG vollumfänglich zu genießen. Dies könnte im Ergebnis auf eine 445 Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 24f. 446 Kohl, Haftung der Betreiber von Kommunikationsforen, S. 70; Kempel/Wege in: Große Ruse-Khan/Klass/v. Lewinski, S. 103. 447 LG Düsseldorf MMR 2003, 120, 124; Fitzner, GRUR Int 2012, 109, 113; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 9, Rn. 37; Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 7. 448 BGH NJW 2003, 3794, 3794; Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 7; Ehret, CR 2003, 754, 758; Kartal-Azdemir/Krieg, MMR 2012, 647, 648; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 9, Rn. 37; Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 24. 449 Paal aaO. 450 v. Samson-Himmelstjerna, S. 132f. 451 BGH GRUR 2004 74, 75 – rassistische Hetze. 452 Eck/Ruess, MMR 2003, 363, 365; Freytag, CR 2000, 600, 608; Hoffmann, MMR 2002, 284, 288f.; Kropp, S. 100; a. A. Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 10; Härting, CR 2001, 271, 276. 453 Vgl. Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 25; v. Samson-Himmelstjerna, S. 122f.; a. A. Gercke, MMR 2003, 602, 603; Kartal-Aydemir/ Krieg, MMR 2012, 647, 648.

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verbotene allgemeine Überwachungs- oder Nachforschungspflicht hinauslaufen.454 Außerdem spricht die Textfassung von Art. 14 Abs. 1 lit. a ECRL von der »Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information«, lässt also in Unterschied zum Gesetzestext des TMG das zweite Wort »der« vor »Information« aus.455 Nach den Vorgaben der ECRL soll entscheidend für die rechtliche Wertung nicht zwischen der Tätigkeit und der Information differenziert werden. Dieses Verständnis bestätigt der EuGH, wenn er in der Entscheidung »Google und Google France« ausführt, dass der Host Provider wegen der in Art. 14 Abs. 1 ECRL vorgesehenen Beschränkung nicht für die von Nutzern eingegebenen Informationen verantwortlich sei, es sei denn, er ist nicht unverzüglich tätig geworden, nachdem er von der Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder Tätigkeiten des Nutzers Kenntnis erlangt habe.456 Dieser Auffassung hat sich der BGH in seiner »Vorschaubilder« Entscheidung angeschlossen.457 Daher muss der Bezugspunkt der Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG richtlinienkonform ausgelegt und auf die Rechtswidrigkeit der Informationen erstreckt werden.458 bb) Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 TMG Nach der Begründung des Regierungsentwurfs bezieht sich § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 2 TMG nicht auf die strafrechtliche, sondern allein auf die zivilrechtliche Verantwortlichkeit.459 Im Fall von Schadensersatzansprüchen ist eine tatsächliche positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der einzelnen konkreten Inhalte nicht erforderlich.460 Vielmehr reicht es für den Wegfall der Haftungsprivilegierung aus, wenn dem Plattformbetreiber die Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder Information offensichtlich wird. Erforderlich ist eine positive Kenntnis dieser Umstände.461 Zudem muss sich die Rechtswidrigkeit aus solchen dem Plattformbetreiber bekannten Umständen geradezu aufdrängen,462 also offensichtlich sein. Insofern muss der Plattformbetreiber zumindest »bewusst, grob fahrlässig« handeln.463 Dies liegt vor, wenn er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße 454 455 456 457 458 459 460 461 462 463

Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 23. Hoffmann, MMR 2002, 284, 288. EuGH GRUR 2010, 445, 450 – Google und Google France. BGH GRUR 2010, 628, 633 – Vorschaubilder. Hoffmann, MMR 2002, 284, 288; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 23. Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 25. Heiß, S. 234; Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 33. Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 25. Sobola in: Auer-Reinsdorff/Conrad, Handbuch IT- und Datenschutzrecht, § 42, Rn. 97; Sieber/Höfinger in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.1, Rn. 91. LG Düsseldorf MMR 2003, 120, 126f.; Härting, CR 2001, 271, 276; Ruess, MMR 2003, 363, 364; Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 36; Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 33.

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verletzt und unbeachtet lässt,464 indem er sich einer möglichen Kenntnis der betreffenden Tatsachen oder Umstände bewusst verschließt,465 aus denen die Rechtswidrigkeit offensichtlich wird, die er als sorgfältiger Wirtschaftsteilnehmer hätte feststellen und wissen müssen.466 c) Unverzügliches Handeln nach Kenntniserlangung Hat der Plattformbetreiber die Kenntnis i. S.v. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt. 1 TMG erlangt oder hätte er von den Umständen i. S. der 2. Alt. wissen müssen, so verliert er die Haftungsprivilegierung dennoch nicht, wenn er »unverzüglich tätig geworden ist, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.« Die Beschränkung auf das technisch Mögliche und Zumutbare in § 5 TDG a. F. ist nicht ausdrücklich in das TMG übernommen worden. Doch sollte die Haftung des Host Providers hindurch nicht verschärft werden,467 denn die Einschränkung gilt nach herrschender Lehre und Rechtsprechung sowie dem Regierungsentwurf zum EGG als übergeordneter allgemeiner Grundsatz auch weiterhin.468 Der Wortlaut des § 10 S. 1 Nr. 2 TMG verlangt auch keinen tatsächlichen Eintritt des Erfolgs.469 Vielmehr reicht eine geeignete, zielgerichtete Maßnahme zur Entfernung oder Zugangssperrung im Rahmen des technisch Möglichen und Zumutbaren aus.470 Zudem muss der Host Provider unverzüglich tätig werden. Hierfür sieht Art. 14 Abs. 1 lit. b ECRL keine feste Frist vor. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte,471 kann der Begriff »unverzüglich« im Einklang mit dem Zweck der ECRL durch Rückgriff auf die Legaldefinition in § 121 Abs. 1 S. 1 BGB als »ohne schuldhaftes Zögern« verstanden werden,472 so dass der Plattformbetreiber nicht unangemessen belastet wird. Außerdem ist zu beachten, dass der Plattformbetreiber erst dann zum Tätigwerden verpflichtet ist, wenn er die Kenntnis i. S.v. § 10 S. 1 Nr. 1 Alt 1. oder Alt. 2 TMG erlangt hat. Unerheblich ist, 464 465 466 467 468 469 470 471 472

BGH NJW 2003, 1118, 1119. Heiß, S. 235. EuGH GRUR 2011, 1025, 1033 – L’Or8al/eBay. Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 44. v. Samon-Himmelstjerna, S. 157; Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 25; Begr. RegE zum EGG, BT-Drucks. 14/6098 v. 17. 5. 2001, S. 25; BGH GRUR 2013, 370, 372 – Alone in the Dark. Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 44; Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 448; Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 42. Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 10, Rn. 44; Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 24; Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 42. BGH BeckRS 2011, 26378, Rn. 54. Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 45; Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 26; OLG Saarbrücken MMR 2008, 343, 344.

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wie er die erforderliche Kenntnis erlangt hat,473 ob er sie unbeabsichtigt aufgrund eigener Wahrnehmung oder aufgrund gezielter konkreter Hinweise eines Drittens erlangt hat.474 Wenn der Plattformbetreiber die Kenntnis durch Hinweise eines Drittens erlangt hat, ist ein Tätigwerden nur veranlasst, wenn der Hinweis so konkret ist, dass die angebliche Rechtsverletzung ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung bejaht werden kann.475 d) Keine Beaufsichtigung der Nutzer Der Plattformbetreiber kann die Haftungsprivilegierung nicht beanspruchen, wenn der Nutzer ihm untersteht oder von ihm beaufsichtigt wird (§ 10 S. 2 TMG). Denn in diesem Fall spielt er nicht mehr eine rein technische, automatisch und passive Rolle, wenn er einen Nutzer angewiesen hat, konkrete Inhalte einzugeben. Damit hat der Plattformbetreiber tatsächlich aktive Kontrollmöglichkeiten über die eingegebenen Inhalte, so dass solche Inhalte seiner Sphäre zuzuordnen sind.476 6.

Reichweite der Überwachungspflicht im Verhältnis zur Prüfungspflicht des Störers

Wie bereits erwähnt,477 müssen die Unterlassungsansprüche das in § 7 Abs. 2 S. 2 TMG vorgesehene Verbot allgemeiner Überwachungspflichten berücksichtigen. Im Folgenden wird daher die Reichweite der Überwachungspflichten des Plattformbetreibers im Verhältnis zu den einem Störer auferlegten Prüfungspflichten näher untersucht. a) Verbot allgemeiner Überwachungspflichten und proaktive Prüfungspflichten Nach deutschem Recht haftet der Plattformbetreiber für die Mitwirkung an einem Rechtsverstoß eines Dritten bei Verletzung von Prüfungspflichten im Urheber- und Markenrecht als Störer und bei Verkehrspflichtverletzungen im Lauterkeitsrecht als Täter. Fraglich ist, ab welchem Zeitpunkt die Prüfungspflichten/Verkehrspflichten von Plattformbetreibern entstehen, ob bereits mit Bereitstellung der Plattform oder ob sie erst später durch verschiedene Umstände ausgelöst werden. Nach § 7 Abs. 2 S. 2 TMG ist der Plattformbetreiber grundsätzlich nicht verpflichtet, die durch seine technischen Dienste übermittelten oder gespeicherten Informationen ohne konkrete Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen zu 473 474 475 476 477

Paal in: Gersdorf/Paal, BeckOK InfoMedienR, TMG, § 10, Rn. 40. Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 12. BGH GRUR 2012, 311, 313 – Blog-Eintrag. Sobola/Kohl, CR 2005, 443, 448; Fitzner, GRUR Int 2012, 109, 113. Siehe hierzu ausführlich oben Teil 1, Abschnitt E.II.5.a).

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Deutsches Recht

überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen.478 In der Rechtsprechung ist seit langem anerkannt, dass den Plattformbetreiber keine allgemeinen proaktiven Prüfungspflichten treffen.479 Dies entspricht dem Verbot allgemeiner Überwachungspflichten in Art. 15 Abs. 1 ECRL. Einige Autoren meinen, dass eine proaktive Prüfungspflicht des Plattformbetreibers wegen Bereitstellung einer gefahrgeeigneten Plattform, z. B. zum Zwecke des Share-Hosting, begründet werden könne,480 sofern die Rechtsverletzung durch verfügbare technische Filter unschwer identifizierbar sei.481 Diese Meinung erscheint auf den ersten Blick berechtigt, weil man im Zurverfügungen einer solchen gefahrgeeigneten Plattform die Eröffnung einer Gefahrenquelle sehen kann, die das Risiko von Lauterkeits-, Urheber- und Markenrechtsverstößen Dritter wesentlich erhöht.482 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Frage der Entstehung der Prüfungspflicht immer mit deren Zumutbarkeit zusammenfällt.483 Dem Plattformbetreiber ist es zwar technisch theoretisch möglich, z. B. mit Hilfe einer Filtersoftware sämtliche Inhalte seiner Nutzer vor Zugänglichmachung auf Rechtsverletzungen zu kontrollieren und die Rechtmäßigkeit neu eingegebener Informationen fortlaufend zu überprüfen. Aber auf einer Internetplattform wird täglich eine immense Zahl von neuen Daten und Medien eingestellt, die nach dem Hochladen ständig und rasant verändert werden können. Ohne großen Zeit- und Finanzaufwand ist es dem Plattformbetreiber nicht möglich, die Rechtsmäßigkeit aller Inhalte, die von seinen Nutzern eingegebenen werden, zu kontrollieren. Je nach Ausmaß und Funktion der Geschäftsmodelle unterscheiden sich der Aufwand und die technischen Möglichkeiten vorbeugender Maßnahmen. In manchen Fällen kann der Plattformbetreiber eine solche vorbeugende Prüfungspflicht nicht einhalten, ohne dass sein gesamte legitimes Geschäftsmodell in Frage gestellt wird, was der BGH ausdrücklich vermeiden will.484 Daher ist die Bereitstellung einer gefahrgeneigten Plattform zwar ein Entstehungsgrund von Prüfungspflichten,485 die aber erst aktiviert werden, sobald es einen

478 LG Köln, Urteil vom 27. 2. 2013–84 O147/12; BGH GRUR 2012, 311 – Blog-Eintrag. 479 BGH GRUR 2004, 860, 863 – Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay. 480 Hühner, GRUR 2013, 373, 375; Obergfell, NJW 2013, 1995, 1999; Rinscheid, S. 104. 481 Schuster, GRUR 2013, 1201, 1203. 482 Rinscheid, S. 104. 483 Neuhaus, S. 211. 484 BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2007, 708, 712 – InternetVersteigerung II; BGH GRUR 2013, 370, 371 – Alone in the Dark. 485 Rinscheid, S. 110.

Haftungsprivilegierung von Internetplattformbetreibern

91

konkreten Anlass für die Annahme einer drohenden Rechtsverletzung gibt.486 Diese Regelung steht im Einklang mit dem Erfordernis in Art. 3 DurchsetzungsRL, wonach die Maßnahmen fair, gerecht, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen und nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein dürfen.487 Fraglich ist, ob eine weitergehende proaktive Prüfungspflicht wegen der »offensichtlichen« rechtswidrigen Inhalte auch vor Kenntniserlangung begründet werden kann. Auch dies ist abzulehnen,488 weil das im Ergebnis wieder zu einer von § 7 Abs. 2 S. 1 TMG verbotenen allgemeinen Überwachungspflicht führen würde. Der Plattformbetreiber kann in der Praxis die Rechtswidrigkeit der Inhalte seiner Kunden, unabhängig von der Evidenz der Rechtswidrigkeit, erst dadurch erfahren, dass er sämtliche Inhalte individuell kontrolliert, was wiederum sein Geschäftsmodell vereiteln würde.489 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Plattformbetreiber ohne Kenntniserlangung nicht verpflichtet ist, anlassunabhängig vorbeugende Maßnahmen zu treffen, um alle Inhalte auf seiner Plattform auf mögliche Rechtsverletzungen zu überprüfen. b) Spezifische Überwachungspflichten und reaktive Prüfungspflichten Reaktive Prüfungspflichten entstehen erst, wenn der Plattformbetreiber selbst oder über Dritte Kenntnis von konkreten rechtswidrigen Inhalten erlangt hat.490 Die Kenntnis kann er z. B. durch eine Erstabmahnung, Verwarnung oder Klageerhebung erlangen. Fraglich ist, ob auch die reaktive Prüfungspflicht gegen das Verbot allgemeiner Überprüfungspflicht i. S. d. § 7 Abs. 2 TMG verstößt. Dieses Verbot bezieht sich nur auf die Kenntnis des Inhalts als solchen und ist von den zumutbaren Prüfungspflichten zu unterscheiden, die nach Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Inhalte greifen.491 Wenn ein Plattformbetreiber unter Angabe der konkreten Titel und der genauen Speicherplätze auf rechtsverletzende Inhalte hingewiesen wird, ist er verpflichtet, das konkrete Angebot unverzüglich zu sperren.492 Diese reaktive Prüfungspflicht verpflichtet den Plattformbetreiber nicht zu einer verbotenen vorbeugenden Kontrolle sämtlicher Inhalte.493 Er 486 BGH GRUR 2013, 370, 372 – Alone in the Dark; BGH GRUR 2013, 1030, 1033 – File-HostingDienst; LG München I MMR 2007, 453, 455. 487 Leupold in: Münchener Anwaltshandbuch IT-Recht, Teil 2, Rn. 620. 488 BGH GRUR 2013, 370, 371 – Alone in the Dark; BGH GRUR 2013, 1030, 1034 – File-HostingDienst. 489 Schapiro, S. 244. 490 Ähnlich BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay ; Ensthaler/ Heinemann, WRP 2010, 309, 315. 491 Spindler/Volkmann, WRP 2003, 1, 3f. 492 BGH GRUR 2013, 1030, 1033 – File-Hosting-Dienst. 493 Vgl. Spindler, Die Störerhaftung im Internet, in: FS Köhler, S. 695, 699.

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Deutsches Recht

muss nur die auf seiner Plattform zugänglich gemachten Inhalte aus Anlass einer konkreten Rechtsverletzung auf ihre Rechtswidrigkeit untersuchen.494 Eine solche spezielle Überprüfungspflicht steht weder dem Wortlaut noch dem Zweck von Erwägungsgrund 47 der ECRL entgegen, wonach diese Richtlinie die Möglichkeit unberührt lässt, dass das Verbot allgemeiner Überwachungspflicht die Überwachungspflicht in spezifischen Fällen nicht betrifft und nicht die Anforderungen berührt, die von den Mitgliedstaaten nach innerstaatlichem Recht getroffen werden.495 Der BGH geht in seiner Rechtsprechung zur Reichweite der Prüfungspflichten von Plattformbetreibern weiter davon aus, dass, wenn der Plattformbetreiber auf »klare, ohne Weiteres erkennbare«496 Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist, er nicht nur das konkrete Angebot unverzüglich sperren, sondern auch Vorsorge dafür treffen muss, dass es künftig möglichst nicht zu weiteren »derartigen« bzw. »gleichartigen« Rechtsverletzungen kommt,497 wenn eine solche Überprüfung technisch und wirtschaftlich möglich und zumutbar ist.498 Hier geht es wie bei der Bestimmung des sachlichen Umfangs von Unterlassungsansprüchen um kerngleiche Verletzungen.499 Demnach erfasst das Unterlassungsgebot nicht nur identische Verletzungshandlungen, sondern auch alle, zwar leicht abgewandelten, aber im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische der Verletzungsform zum Ausdruck kommt.500 Dazu, welche Verletzungshandlungen als »im Kern gleichartig« einzustufen sind, hat der BGH in Bezug auf Handelsplattformen darauf hingewiesen, dass zu den gleichartigen Rechtsverletzungen neben den Angeboten, die mit den bekannt gewordenen Fällen identisch sind, auch neue Angebote durch denselben Nutzer, die derselben gefährdenden Kategorie angehören, und überdies das Angebot des gleichen Artikels durch andere Nutzer gehören.501 Der Pflicht, zukünftigen gleichartigen Rechtsverletzungen vorzubeugen, liegt der Gedanke zugrunde, den Rechteinhaber effektiv zu schützen. Eine »Gleichartigkeit« von Rechtsverletzungen, die dazu führt, dass die Prüfungspflicht den Umfang des Zumutbaren übersteigt, geht jedoch zu weit. Das gilt für die nach Ansicht des 494 495 496 497 498 499 500 501

Sieber/Höfinger in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Multimedia-Recht, Teil 18.1, Rn. 54. Spindler, Die Störerhaftung im Internet, in: FS Köhler, S. 695, 712. BGH GRUR 2007, 708,712 – Internet-Versteigerung II. BGH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung I; BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay ; BGH GRUR 2013, 1030, 1033 – File-Hosting-Dienst; OLG Dresden MMR 2016, 198, 199 – Haftung des Sharehosters. BGH GRUR 2013, 370, 372 – Alone in the Dark. Bornkamm in: Köhler/Bornkamm, UWG, § 8, Rn. 1.68; Wild in: Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 97, Rn. 129. Ingerl/Rohnke, MarkenG, vor §§ 14–19d, Rn. 94; BGH GRUR 2009, 772, 774 – Augsburger Puppenkiste; BGH GRUR 1994, 844, 846 – Rotes Kreuz. BGH GRUR 2007, 890, 894 – Jugendgefährdende Medien bei eBay.

Haftungsprivilegierung von Internetplattformbetreibern

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BGH gleichartigen Rechtsverletzungen durch das Angebot des identischen Artikels durch andere Nutzer. Das würde die Prüfungspflicht unvermeidlich auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit aller Angebote sämtlicher Nutzer erstrecken. Doch hat es der EuGH in der Entscheidung »SABAM./.Netlog« zu Recht klar abgelehnt, den Plattformbetreiber dazu zu verpflichten, ein Filtersystem einzurichten, das alle Daten sämtlicher Nutzer seiner Dienste aktiv überwacht, um künftigen Rechtsverletzungen vorzubeugen.502 Denn dies würde die Grundrechte der Nutzer auf Schutz personenbezogener Daten und auf freien Empfang und Verbreitung von Informationen beeinträchtigen.503 Um der Pflicht zur Entfernung gleichartiger Rechtsverletzung nachzukommen, muss der Plattformbetreiber nach Ansicht des BGH Filtermaßnahmen, etwa einen Wortfilter, einsetzen,504 die jedoch technisch leicht umgegangen werden können. Überdies könnte ein Wortfilter z. B. in Meinungsforen wegen der automatischen Sperrung von Artikeln in die Freiheit der Meinungsäußerung eingreifen.505 Auch besteht die Gefahr, dass rechtmäßige Angebote von den Plattformbetreibern falsch erfasst und gesperrt werden. Damit rechtmäßige Angebote nicht unterbunden werden, muss man eine manuelle Überprüfung vornehmen, die einen hohen Kosten- und Zeitaufwand verursacht.506 Wenn er einer möglichen Haftung entgehen will, steht der Plattformbetreiber damit vor der Wahl, entweder eine solche Kontrolle durchzuführen, die seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwert, oder sein gesamtes Geschäftsmodell einzustellen.507 Deshalb würde eine dem Plattformbetreiber auferlegte im Kern gleichartige Rechtsverletzungen erfassende Prüfungspflicht tatsächlich zur verbotenen allgemeinen Überwachungspflicht führt, so dass sie nicht als spezielle Überprüfungspflicht i. S.v. Art. 15 Abs. 1 ECRL qualifiziert werden kann.508 Der Plattformbetreiber ist als rein technischer Vermittler zwischen seinem Nutzer und Dritten grundsätzlich nicht in der Lage, alle auf seiner Plattform gespeicherten Informationen zu kontrollieren.509 Nach dem Zweck der ECRL dürfen die Anforderungen an die Prüfungspflichten der Plattformbetreiber nicht überspannt werden.510 Daher muss die »Gleichartigkeit« einschränkend ausgelegt werden, indem sich die Prüfungspflicht auf die Verhinderung identischer Rechtsverletzungen des selben

502 EuGH GRUR 2012, 382, 383 – SABAM./. Netlog. 503 EuGH GRUR 2012, 382, 384 – SABAM./. Netlog. Eine anlassbezogene Filterung nach Abmahnung soll möglich sein, Bäcker, ZUM 2012, 311, 313. 504 BGH GRUR 2013, 370, 372f. – Alone in the Dark. 505 EuGH GRUR 2012, 382, 384 – SABAM./. Netlog. 506 Ähnlich Schneider MMR 2004, 18, 21. 507 Goldmann in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 8, Rn. 483. 508 Hoffmann in: Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, TMG, § 7, Rn. 36. 509 Altenhain in: MüKo StGB, TMG, § 10, Rn. 2. 510 Müller-Broich in: Müller-Broich, TMG, § 7, Rn. 4.

94

Deutsches Recht

Verletzers beschränkt.511 Dieses Verständnis widerspricht den Vorgaben der ECRL nicht, weil es einerseits nicht auf eine allgemeine Überwachungspflicht hinausläuft und andererseits durch Erwägungsgrund 48 der ECRL unterstützt wird. Ihm zufolge lässt die Richtlinie die Möglichkeit unberührt, dass die Mitgliedstaaten von Diensteanbietern, die von Nutzern bereitgestellte Informationen speichern, verlangen, die nach vernünftigem Ermessen von ihnen zu erwartende und in innerstaatlichen Rechtsvorschriften niedergelegte Sorgfalt anzuwenden, um bestimmte Arten rechtswidriger Tätigkeiten aufzudecken und zu verhindern. Daraus ergibt sich, dass die Richtlinie den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet, den Plattformbetreibern bestimmte gesetzliche Überwachungs- bzw. Nachforschungspflichten abzuverlangen.512 Durch die restriktive Auslegung der »Gleichartigkeit« kann ein Interessenausgleich zwischen dem Rechteinhaber an der Vermeidung weiterer gleichartiger Rechtsverletzungen und der Plattformbetreiber an einer weiterhin wirtschaftlich sinnvollen Geschäftstätigkeit innerhalb der europarechtlichen Vorgaben gewährleistet werden.513

III.

Ergebnis

Die Untersuchung hat ergeben, dass es für die Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern für Informationen, die von ihren Nutzern eingegeben worden sind, zunächst darauf ankommt, ob die Informationen dem Plattformbetreiber aufgrund des restriktiven richtliniekonformen ausgelegten Zueigenmachens als eigene Informationen zugerechnet werden können. Wenn nicht, findet die Haftungsprivilegierung des § 10 TMG Anwendung. Hierfür darf er keine Kenntnis haben von der Rechtswidrigkeit der Handlung und der Information sowie von den Tatsachen und Umständen, aus denen die Rechtswidrigkeit der Handlung und Information offensichtlich wird. Proaktive Prüfungspflichten sind ausgeschlossen. Erst nach Kenntniserlangung muss der Plattformbetreiber die rechtsverletzenden Informationen unverzüglich entfernen oder den Zugang zu ihnen sperren, um sich die Haftungsprivilegierung zu erhalten.

511 Hacker, GRUR-Prax 2011, 391, 393; ähnlich v. Samson-Himmelstjerna, S. 211f. 512 Marly in: Grabitz/Hilf, Das Recht der EU, ECRL, Art. 15, Rn. 7. 513 OLG Hamburg MMR 2008, 823, 825; LG Hamburg ZUM 2009, 863, 869.

Teil 2: Chinesisches Recht

Nach dem aktuellen statistischen Bericht vom China Internet Network (CNNIC)514 gab es Ende 2015 in China 668 Millionen Internetnutzer, was fast der Hälfte der Gesamtbevölkerung Chinas entspricht.515 Während die Internettechnik stark auf dem Vormarsch ist, entstehen zahlreiche Rechtsprobleme zur gleichen Zeit auch in der virtuellen Welt. Damit die Informations- und Meinungsfreiheit der Menschen geschützt und dabei die Entwicklung im Internet berücksichtigt werden kann, strebt die chinesische Regierung an, wie andere Industriestaaten auch, die Haftung der Internet Service Provider insbesondere im Bereich des Immaterialgüterrechts zu präzisieren und ein klares Haftungsregime für Rechtsverletzungen im Internet zu schaffen. Dieser Teil der Arbeit widmet sich den Grundlagen des chinesischen Haftungsrechts für Internet Service Provider bei fremden Urheber-, Marken- und Lauterkeitsrechtsverletzungen. Diskutiert wird das chinesische Haftungsregime für Plattformbetreiber.

A.

Begriffsklärung im chinesischen Recht

Zur Bestimmung des Umfangs und der Grenzen der Haftung von Plattformbetreibern ist zunächst, der Begriff »Internet Service Provider« nach chinesischem Recht zu klären. Die Klassifizierung der Internet Service Provider im juristischen Sinne ist entscheidend für deren Haftung.516

514 CNNIC wurde im Jahr 1997 als Vergabestelle für die länderspezifische Top-Level-Domain ».cn« gegründet. Dessen statistischer Report die wichtigste Quelle zur Internetentwicklung in China. 515 CNNIC, Statistischer Report, unter : http://www.cnnic.net.cn/hlwfzyj/hlwxzbg/201601/P02 0160122469130059846.pdf, abgerufen am 20. 6. 2017. 516 JIANG Zhipei, in: Digitaltechnik und Urheberrecht, S. 182.

96 I.

Chinesisches Recht

Arten von Internet Service Providern in China

Der Begriff »Internet Service Provider« findet sich in vielen weitverstreuten chinesischen Gesetzesvorschriften. Im Folgenden werden sie chronologisch aufgelistet: Am 1. 12. 1997 trat die vom Ministerium für Informationsindustrie erlassene »Methode zur Verwaltung der Medien- und Massenkommunikation«517 (MVMM) in Kraft. Die MVMM verteilt die Internet Service Provider einfach in »Access Provider der Medien- und Massenkommunikation« und »Content Provider der Medien- und Massenkommunikation«, die beide als Unterbegriff der »Service Provider der Medien- und Massenkommunikation« verstanden werden. Nach § 2 Nr. 4 MVMM sind die »Access Provider der Medien- und Massenkommunikation« die einen Vertrag mit China Telecom abschließenden oder im Auftrag von China Telecom handelnden Unternehmen, die über eine leistungsfähige Verbindung am Internet angeschlossen sind und den Nutzern über notwendige technische Einrichtungen den Zugang zu diesem Netzwerk gewähren. Nach § 2 Nr. 5 MVMM sind die »Content Provider der Medien- und Massenkommunikation« die Unternehmen, welche die Multimediadaten sammeln, überarbeiten und speichern und der Öffentlichkeit Multimediadienste anbieten. Am 20. 9. 2000 wurde die »Methode zur Verwaltung der Internet-Informationsdienste«518 (MVII) vom Staatsrat erlassen. Auch die MVII unterteilt die Internet Service Provider in »Content Provider der Network-Information« und »Access Provider der Network-Information«. Der Begriff »Internet Service Provider« wurde in der am 22. 11. 2000 vom Obersten Volksgerichtshof (OVGH) erlassenen »Interpretation zu einigen Fragen betreffend die Anwendung des Rechts in Urheberrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Computer-Netzwerken«519 (im Folgenden: »Int-UrhCN«) erstmals wörtlich verwendet. In der »Int-UrhCN« ist vorgeschrieben, dass die Internet Service Provider nach unterschiedlichen Dienstinhalten als »Internet Access Provider« und »Internet Content Provider« unterschieden werden sollen. Nach der Int-UrhCN sind Internet Access Provider die Internet Service Provider, die den Internetzugang und notwendige physische Technikanlagen anbieten. Internet Content Provider dagegen sind die Internet Service Provider, die zahlreiche Informationsdienste anbieten, einschließlich News-Feed, Internetforum, Chatrooms, E-Mail Newsletter usw. Bemerkenswert ist, dass der hier verwendete Begriff Internet Content Provider nicht nur als Inhaltsanbieter verstanden werden kann, der selbst redaktionelle Inhalte zur Verfügung stellt, 517 Youbu (1997) Nr. 733 v. 1. 12. 1997, mit Wirkung ab dem 10. 4. 2009 aufgehoben. 518 Amtsblatt des Staatrates 2000, Nr. 34. Verabschiedet vom Staatsrat durch Dekret Nr. 292 am 20. 9. 2000, am 25. 9. 2000 in Kraft getreten, zuletzt geändert am 8. 1. 2011. 519 Amtsblatt des OVGH 2000, Nr. 1.

Begriffsklärung im chinesischen Recht

97

sondern auch Host Provider einschließt. Die »Int-UrhCN« wurde 2003 und 2006 wegen der Novellierung des chinesischen UrhG zweimal geändert,520 jedoch wurde der Begriff des Internet Service Providers nicht weiter präzisiert. Die am 1. 7. 2006 vom Staatsrat erlassene »Vorschrift über den Schutz des Rechts der Verbreitung von Informationen im Internet«521 (im Folgenden: »Vorschrift«) hat den Begriff Internet Service Provider weiter benutzt, ohne ihn genauer zu definieren. Die »Vorschrift« zieht den »Digital Millennium Copyright Act«522 (DMCA) der USA und die E-Commerce-Richtlinie 2000/31/EG (ECRL) als Beispiel heran. Besonders zu betonen ist, dass die »Vorschrift« ausschließlich urheberrechtliche Bestimmungen enthält und somit nur auf urheberrechtliche Sachverhalte anwendbar ist. Anders als das deutsche TMG hat die »Vorschrift« keine rechtsgebietsübergreifende Funktion. §§ 20–23 der »Vorschrift« teilen die Internet Service Provider in vier Kategorien ein und beschreibt ihre unterschiedlichen Dienste: die »Access Provider«, die »Caching Provider«, die »Host Provider« und die »Links und Suchmaschinen Provider«. Diese Unterscheidung wurde in der am 1. 1. 2013 vom OVGH erlassenen »Interpretation zu einigen Fragen betreffend die Anwendung des Rechts der Verbreitung von Information im Internet«523 (im Folgenden: »Int-RVII«) bestätigt. Auch § 36 des am 1. 7. 2010 vom nationalen Volkskongress erlassenen Gesetzes der Volksrepublik China über die Haftung für die Verletzung von Rechten524 (im Folgenden: DelHaftG) verwendet den Begriff der Internet Service Provider, doch regelt das DelHaftG, ohne die Unterschiede der Internetdienste zu berücksichtigen, nur die allgemeine Haftung der Internet Service Provider. Im DelHaftG sollen die Internet Service Provider weit verstanden werden, d. h. neben dem Content Provider auch andere Arten von Dienstanbietern einschließen. An dieser Stelle ist zu betonen, dass die chinesischen Gesetzgeber den Oberbegriff der »Internet Service Providers« bewusst nicht explizit definieren. Sie versuchen jedoch, den Internet Service Provider nach den jeweiligen Diensten in unterschiedliche Gruppen einzuteilen, und erlassen für jede Gruppe entsprechende spezielle Regelungen.525 Ein Vorteil dieser Gesetzgebungstechnik besteht darin, dass sich die Regelungen leichter an die neueste Entwicklung der Internettechnik anpassen können, auch wenn eine umfassende Begriffsdefinition für die Rechtsanwendung vielleicht gewisse Rechtssicherheit schaffen würde. Doch die Internet-Technologie verändert sich ständig und diese Verän520 521 522 523

Amtsblatt des OVGH 2004, Nr. 2 und Amtsblatt des OVGH 2007, Nr. 1. Amtsblatt des Staatsrates 2006, Nr. 19. 17 U.S.C. §§ 512ff. Copyright Act. Amtsblatt des OVGH 2013, Nr. 3. Nach dem Erlass der Int-RVII wurde die Int-UrhCN aufgehoben. 524 Amtsblatt des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses 2010, Nr. 1. 525 QIU Yixian, The Law Monthly 2011, Vol. 62, No. 8, S. 107.

98

Chinesisches Recht

derung kann mit einer festen Definition nicht erfasst werden. Unabhängig davon, welche Namen die Diensteanbieter in Zukunft benutzen oder welche Dienste sie anbieten, soweit der Diensteanbieter eine bestimmte Tätigkeit ausübt, kann er nach dem chinesischen Recht in die entsprechende Gruppe der Internet Service Provider eingeordnet und die einschlägigen Regelungen gefunden werden. Festzustellen bleibt, dass der Begriff »Internet Service Provider« in zahlreichen chinesischen Gesetzen erscheint, der Begriffsinhalt in den einzelnen Dokumenten jedoch häufig nicht der gleiche ist. Das führt unvermeidlich zu einem Chaos in der Rechtspraxis. Eine eindeutige und vernünftige Einteilung und Differenzierung der unterschiedlichen Gruppen der Internet Service Provider sind Anfangspunkt und Voraussetzung für die Feststellung und Begrenzung der Haftung wegen mittelbaren Rechtsverletzungen. Eine Analyse der Gesetzestexte zeigt, dass die Internet Service Provider unter besonderer Berücksichtigung ihres Besitzes an den Informationen von den chinesischen Gesetzgebern in die Kategorien »Internet Content Provider« und »Internet Vermittler Service Provider« eingeteilt werden.526 Die Internet Content Provider stellen eigene redaktionelle Inhalte zur Verfügung und sind für diese voll verantwortlich. Internet Vermittler Service Provider hingegen bieten ihren Nutzern den Internetzugang oder eine Plattform im Internet und Technikservice an. Sie sind nur für die reine Durchleitung, das Caching oder die Speicherung der Informationen ihrer Kunden zuständig und haften nur begrenzt für Rechtsverletzungen ihrer Kunden. Als nächstes ordnen die chinesischen Gesetzgeber den Internet Vermittler Service Provider technikabhängig in vier Gruppen, die »Access Provider«, »Caching Provider«, »Host Provider« und »Links- und Suchmaschine Provider«, ein. Deren Funktion, Tätigkeiten, Diensteigenschaft und Verfügungsmacht über die Information sind unterschiedlich. Daraus können unterschiedliche Haftungsfolgen resultieren.

II.

Einordnung des Plattformbetreibers

Eine Internetplattform ist im Grunde eine Website, die Internetnutzern, die bereits über einen Internetzugang verfügen, zahlreiche Online Services anbietet, z. B. Internetforum, Filesharing, Blog, Cloud-Speicher, Online Auktionen, Bewertungsportale usw. Ihre Funktion bezieht sich vor allem auf die Speicherung von Informationen ihrer Kunden. Deshalb lassen sich die Internetplattformbetreiber nach chinesischem Recht als Host Provider einordnen.527 526 SHENTU Caifang, S. 11f. 527 SHENTU Caifang, S. 11.

Grundlage der Haftung von Plattformbetreibern

B.

Grundlage der Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Rechtsverletzungen

I.

Gesetzgebungsgeschichte

99

Im geltenden chinesischen Recht findet man die Haftungsgrundlagen von Internet Service Providern für mittelbare Rechtsverletzung in den »Allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts«528 (AGZ), der »Vorschrift«, in den Int-RVII, in den »Richtlinien zur Administration von elektronischen Nachrichtendienstleistungen im Internet«529 (IntNachrDienstlR), in der MVII, im Markengesetz der VR China530 (chinMarkenG) und in deren Ausführungsverordnung531 (AusfVO zum MarkenG). Weder das derzeit geltende chinesische Urheberrechtsgesetz532 (chinUrhG) noch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb533 (chinUWG) enthalten spezielle Regelungen für die Haftung wegen Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen. Die spezielle Gesetzgebung zur Haftung von Internet Service Providern wegen Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen wird in drei Zeitphasen eingeteilt. Von 1994 bis 2005 haben die chinesischen Gesetzgebungsorgane auf und oberhalb der Kreisebene tausende von Gesetzen, Verwaltungsrechtsnormen, Verwaltungsvorschriften der Staatsratsabteilungen und Interpretationen zur Regelung des Internetverhaltens erlassen. Für diese Zeitphase charakteristisch war, dass die Gesetzgeber mehr Wert auf öffentliche Rechtsnormen legten. Sie sahen Verwaltungstrafen als die wichtigste Maßnahme. 2006 wurden die »Vorschrift« und die Int-UrhCN erlassen. Die »Vorschrift« war eine große Reform und auch ein Versuch, die chinesische Rechtsordnung derjeniger anderer Staaten, die über reichhaltige Gesetzgebungserfahrung verfügen, anzugleichen.534 Zu den Nachteilen des chinesischen Internetrechts vor Erlass des DelHaftG gehörten ein sehr eingeschränkter Schutzbereich, das Vertrauen auf öffentliche Rechtsnormen und die Vernachlässigung der privaten Rechtsbehelfe. § 36 DelHaftG535 regelt nun die Rechtsbehelfe des Verletzten und die Haf528 Die AGZ wurden am 12. 4. 1986 vom Nationalen Volkskongress verabschiedet und traten am 1. 7. 1987 in Kraft. 529 Amtsblatt des Staatsrates 2001, Nr. 25. 530 Das chinMarkenG vom 23. 8. 1982 trat am 1. 3. 1983 in Kraft. Es wurde zuletzt 2013 modifiziert und die Änderung trat am 1. 5. 2014 in Kraft. 531 Die AusfVO zum chinMarkenG wurde am 3. 8. 2002 erlassen und trat am 15. 9. 2002 in Kraft. Sie wurde 2014 modifiziert und die Änderung trat am 1. 4. 2015 in Kraft. 532 Das chinUrhG vom 7. 9. 1990 trat am 1. 6. 1991 in Kraft. Es wurde zuletzt 2010 modifiziert und die Änderung trat 1. 4. 2010 in Kraft. 533 Das chinUWG vom 2. 9. 1993 trat am 1. 12. 1993 in Kraft. 534 WANG Hong, Hebei Law Science 2013, No. 7, 26. 535 Text siehe unten Teil 2, Abschnitt C.I.3.

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tungsverteilung. Die Regelung wahrt die international anerkannte »Netzneutralität« und fordert von den Internet Service Providern keine unzumutbaren Prüfungs- und Überwachungspflichten. Danach handeln sie nur dann rechtswidrig, wenn sie die rechtswidrige Handlung ihrer Kunden im Vorhinein kennen oder sie nach Bekanntwerden der Rechtsverletzung innerhalb eines angemessenen zeitlichen Rahmens keine vorgeschriebenen Maßnahmen treffen. Seit Inkrafttreten des DelHaftG wird dies als allgemeine Haftungsgrundlage verstanden. Ergänzend werden die auf urheberrechtliche Sachverhalte anwendbare »Vorschrift« und die Interpretation des OVGH als spezielle Regelungen in der Rechtspraxis angewendet. Besonders zu erwähnen ist hier die geschichtliche Entwicklung der Lauterkeitsgesetzgebung in China. China entwickelte sich in den letzten 40 Jahren von einer Planwirtschaft zu einer marktorientierten sozialistischen Marktwirtschaft. Die Gesetzgebungsgeschichte des chinesischen Lauterkeitsrechts begann mit den von DENG Xiaoping eingeleiteten Wirtschaftsreformen in den 1980er Jahren. Am 17. 10. 1980 wurden »die vorläufigen Bestimmungen über die Durchführung und den Schutz des sozialistischen Wettbewerbs« vom Staatsrat erlassen, die als die ersten vollständigen Verwaltungsverordnungen zur Unterbindung von unlauteren Wettbewerbshandlungen nach der Gründung der VR China im Jahre 1949 betrachtet werden. Diese Verwaltungsverordnungen enthalten jedoch nur deklaratorische Regelungen über das Verbot von unlauteren Wettbewerbshandlungen, keine Sachnormen über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit bestimmter Verhaltensweisen. Außerdem sind diese Verwaltungsverordnungen noch stärker von der Planwirtschaft geprägt. Deshalb können sie keinen ausreichenden Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb Dritter auf dem Wirtschaftsmarkt garantieren. Mit dem Beitritt Chinas zur Pariser Verbandsübereinkunft536 zum Schutz des gewerblichen Eigentums im Jahr 1985 waren die chinesischen Gesetzgeber dazu veranlasst, den Aufbau eines weitreichenden nationalen Rechtsrahmens zum Schutz vor unlauteren Geschäftspraktiken anzugehen. Im August 1987 bildeten das Rechtsamt des Staatsrats, das staatliche Hauptamt zur Verwaltung von Industrie und Handel und andere entsprechende Abteilungen zusammen eine Führungsgruppe zum Entwurf des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Im Januar 1992 unterzeichneten die VR China und die USA das »China-USA Memorandum of Unterstanding zum Schutz geistigen Eigentums«. In ihm versprach die Regierung Chinas noch einmal, ein Gesetz zu erlassen, das den unlauteren Wettbewerb verhindert, sodass die Situation des unzureichenden Schutzes des geistigen Eigentums in China umfangreich verbessert werden und 536 Verabschiedet am 20. 3. 1883, revidiert am 14. 7. 1967 in Stockholm und geändert am 28. 9. 1979.

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das geltende Recht an international geltende Standards angepasst werden können. Das chinUWG wurde schließlich am 2. September 1993 vom Nationalen Volkskongress verabschiedet und trat am 1. Dezember 1993 in Kraft. Zweck des chinUWG ist es, eine gesunde Entwicklung der sozialistischen Marktwirtschaft zu gewährleisten, fairen Wettbewerb anzuregen, unlautere Wettbewerbshandlungen zu unterbinden und die gesetzlichen Rechte und Interessen der Unternehmer und Verbraucher zu schützen.537 Bemerkenswert ist, dass das chinUWG zu Beginn nicht zwischen der Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen und wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen differenzierte.538 Das chinUWG enthält neben den Regelungen gegen unlauteren Wettbewerb noch Regelungen gegen die Beschränkung des Wettbewerbs.539 Im zweiten Kapitel des chinUWG werden insgesamt sechs den freien Wettbewerb bedrohende, sanktionierbare unlautere Handlungen und fünf wettbewerbsbeschränkende Maßnahmen normiert. Tatsächlich wollte jedoch der chinesische Gesetzgeber das Lauterkeitsrecht und das Kartellrecht nicht in einer einheitlichen Wettbewerbsordnung im weiteren Sinne zusammenfassen. Schon kurz nach Erlass des chinUWG wurde eine intensive Debatte über den Entwurf des Antimonopolgesetzes der VR China (AMG) geführt. Am 30. 8. 2007 wurde das AMG vom ständigen Ausschuss des nationalen Volkskongresses verabschiedet und trat am 1. 8. 2008 in Kraft.540 Seitdem sind die Vorschriften gegen unlauteren Wettbewerb und die gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der VR China getrennt geregelt. Bis Ende 2016 wurde das chinUWG nicht revidiert. Die einzige wesentliche Ergänzung sind die Auslegungsbestimmungen des OVGH zur Erläuterung der Frage der Rechtsanwendung bei der Behandlung von Zivilrechtsfällen im Bereich des Lauterkeitsrechts, die am 30. 12. 2006 erlassen wurden.541 Es verwundert daher nicht, dass das chinUWG keine spezifischen Regelungen gegen unlautere Wettbewerbshandlungen der Plattformbetreiber enthält. Durch das Internet hat sich das Wirtschaftsleben stark verändert und entwickelt sich rasant weiter. Zugleich müssen die Unternehmen und Verbraucher auf dem Markt gegen unzählige neue unlautere Wettbewerbshandlungen kämpfen. Das geltende, im Jahr 1993 erlassene und seither nicht revidierte chinUWG normiert nur bestimmte unlautere Wettbewerbsverletzungen. In der Rechtspraxis werden Wettbewerbshandlungen im Internet daher vor allem nach § 2 Abs. 2 chinUWG,

537 538 539 540 541

Vgl. § 1 chinUWG. Vgl. Heuser, Einführung in die chinesische Rechtskultur, S. 430f. §§ 6, 7, 11, 12, 15 UWG; vgl. Chile, GRUR Int 2007, 785, 789. Amtsblatt des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses 2007, Nr. 6. Fashi (2007) Nr. 2, verabschiedet am 30. 12. 2006 und am 1. 2. 2007 in Kraft getreten.

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der als Generalklausel ausgestaltet ist, behandelt. Weithin unbestritten ist, dass das chinUWG nicht mehr in die heutige Zeit passt und revidiert werden muss.542 Im Jahr 2017 soll das chinUWG 24 Jahre nach seinem Erlass zum ersten Mal umfassend revidiert werden.543 Am 24. 2. 2017 hat der ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses die erste Lesung des Entwurfs zum chinUWG (EchinUWG) abgeschlossen. Zweck der Modifizierung des chinUWG ist es, die Ordnung des fairen Marktwettbewerbs und die Interessen der Verbraucher besser zu schützen. Zunächst wird § 2 chinUWG dahin geändert, dass der Umfang der unlauteren Wettbewerbshandlungen sich nicht nur auf die Handlungen erstreckt, durch die der faire Wettbewerb zwischen Unternehmen beschädigt wird, sondern auch auf die Handlungen, durch die die rechtlich geschützten Interessen der Allgemeinheit und der Verbraucher beeinträchtigt werden. Außerdem sind erstmals Vorschriften zur Regelung der unlauteren Wettbewerbshandlungen im Bereich des Internets in das chinUWG eingefügt worden. Darüber hinaus wurden die bisherigen Regelungen gegen Wettbewerbsbeschränkungen aus dem chinUWG gestrichen. Somit geht es beim revidierenden chinUWG ausschließlich darum, die unlauteren Wettbewerbshandlungen zu bekämpfen, wohingegen das AMG auf die Förderung des wirksamen Wettbewerbs auf den Märkten gerichtet ist und den freien Wettbewerb durch die Marktstrukturkontrolle vor wettbewerbsbeschränkenden Maßnahmen schützt. Vor diesem Hintergrund bilden das chinUWG und das AMG zusammen ein vollständiges und einheitliches System der Wettbewerbsordnung in der VR China, sodass Wertungswidersprüche zwischen beiden Normenkomplexen vermieden werden können.

II.

Die gesamtschuldnerische Haftung der Plattformbetreiber

Im chinesischen Deliktrecht gibt es keine spezielle Theorie zur Begründung der Haftung für mittelbare Rechtsverletzungen.544 In der Tat ist das Begriffspaar »direkte/indirekte Haftung« im chinesischen Rechtssystem nicht vorhanden. Doch in der Literatur wird die indirekte von der direkten Haftung unterschieden.545 Wenn der Handelnde die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung nicht selbst begangen, aber an der Herbeiführung der fremden Rechtsverletzung eines Dritten bewusst und kausal mitgewirkt hat, sieht man die Mitwirkungshandlung 542 543 544 545

a. A., KONG Xiangjun, Kreative Anwendung des chinUWG, in Einleitung, S. 2. Ausführlich WANG Wenmin, GRUR Int 2017, 706. WANG Qian/WANG Linghong, S. 2. LI Mingde/XU Chao, S. 223; WANG Qian, Urheberrechtsschutz im Internet, S. 145.

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nach chinesischer Rechtstheorie als unzulässige gemeinschaftliche Deliktshandlung. Die allgemeine Regelung über Gesamtschuldner in § 130 AGZ lautet: »Wenn mehrere durch gemeinsame Verletzung von Rechten eine Schädigung anderer herbeiführen, müssen sie die Haftung als Gesamtschuldner übernehmen.«546

Das bedeutet, dass, wenn mehrere gemeinschaftlich die rechtsverletzende Handlung ausgeführt und dadurch einen Schaden an geschützten Rechtsinteressen von Personen oder am Vermögen anderer verursacht haben, sie nach chinesischem Recht als Mittäter haften.547 Art. 148 Abs. 1 der Ansichten des OVGH zu einigen Fragen der Anwendung des AGZ548 (Ansichten des OVGH zum AGZ) stellt klar, dass auch derjenige, der andere bei der Ausführung der rechtsverletzenden Handlung anstiftet oder ihnen hilft, gesamtschuldnerisch haftet. Demnach wird der Mitwirkende anhand der Theorie der Teilnehmerhaftung wegen Anstiftung oder Beihilfe für die unmittelbaren Schäden wie ein Mittäter behandelt. Diese Regelung wird in § 9 Abs. 1 DelHaftG wiederholt, der eine Parallele zu § 830 Abs. 2 BGB darstellt. Hervorzuheben ist, dass Anstiftung und Beihilfe im chinesischen Gesetz nicht explizit definiert werden. Es existieren lediglich Regelungen, wonach Anstifter und Gehilfen als Gesamtschuldner haften. Die Anstiftung und Beihilfe verletzen nicht unmittelbar die geschützten Rechtsgüter ; diese Handlungen werden in China als mittelbare Rechtsverletzung gesehen.549 In der Praxis wird die Haftung der Plattformbetreiber für mittelbare Rechtsverletzungen auch mit der Gesamtschuldtheorie begründet.550 Für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen eines Dritten wird dem Plattformbetreiber die Handlung seines Nutzers zugerechnet, weil die Rechtsverletzung von seinem Willen umfasst sei. Doch sind die Tatbestandmerkmale einer gesamtschuldnerischen Haftung von den Grundtatbeständen des Haftungsrechts zu unterscheiden. Im Folgenden soll dies im Einzelnen diskutiert werden. Dabei wird die Besonderheit der gesamtschuldnerischen Haftung von Plattformbetreibern berücksichtigt.

546 Siehe auch § 8 DelHaftG: »Haben zwei oder mehr als zwei Personen gemeinsam die rechtsverletzende Handlung begangen und anderen einen Schaden verursacht, müssen sie die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen.« 547 KONG Xiangjun, Chinese Journal of Law 1991, No. 4, S. 52. 548 Amtsblatt des OVGH 1988, Nr. 2. 549 WANG Qian/WANG Linghong, S. 3; WANG Qian, Electronics IP 2006, No. 12, S. 47. 550 CHENG Yan, Internet Law Review 2012, No. 1 S. 203.

104 1.

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Grundtatbestände des chinesischen Haftungsrechts

Für die Verschuldenshaftung nach chinesischem Recht müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein: Vorliegen einer rechtswidrigen Handlung, eines Schadens, einer Kausalität und eines Verschuldens.551 Die Prüfung der Haftung unterliegt entsprechend einem viergliedrigen Deliktsaufbau. a) Rechtswidrige Verletzungshandlung Jeder zivile Schaden ist mit einer bestimmten Handlung verbunden. Ohne rechtsverletzende Handlung entsteht kein Schaden. Rechtsverletzend ist die Handlung im weiteren Sinne, wenn sie gegen Gebots- oder Verbotsregelungen im Gesetz, gegen Rechtsnormen oder die öffentliche Ordnung und guten Sitten verstößt. Der Handelnde muss gegen die im Alltag geforderte Verhaltenspflicht (positives Tun oder Unterlassen) verstoßen haben.552 Eine rechtswidrige Handlung ist notwendige Voraussetzung zur Bestimmung einer Deliktshaftung. b) Schadensereignisse Die grundliegende Funktion des DelHaftG liegt in China darin, den Schaden auszugleichen.553 Ohne Eintritt eines Schadens ist das Deliktsrecht nicht anwendbar. Deshalb wird der Schaden häufig als erstes notwendiges Tatbestandmerkmal einer Deliktshaftung betrachtet.554 Der Schaden wird definiert als Einbuße oder Untergang von Rechten einer Person und von Vermögen oder anderen rechtlich geschützten Interessen wegen eines bestimmten Verhaltens.555 c) Kausalität Die Kausalität i. S. d. DelHaftG erfordert einen objektiven Zusammenhang zwischen dem rechtswidrigen Fehlverhalten und dem Schaden.556 Früher verwendeten die Gerichte meistens den Maßstab der »zwingenden Kausalität«.557 Danach muss ein innerer, grundsätzlicher und zwangläufiger Zusammenhang zwischen der rechtsverletzenden Handlung und dem Erfolg bestehen, d. h. jede Bedingung ist erfolgsursächlich, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele.558 Diese Theorie passt sich jedoch dem Ent551 HE Xuxu, Journal of the East China University of Political Science and Law 2016, No. 5, S. 113f. 552 CONG Lixian, Law Review 2007, No. 5, S. 114. 553 ZHANG Xinbao, Journal of Renmin University of China 2009, No. 3, S. 2f.; WANG Liming, Contemporary Law Review 2008, No. 5, S. 5f.; ders., The Jurist 2010, No. 2, S. 89. 554 CONG Lixian, Law Review 2007, No. 5, S. 114. 555 YANG Lixin, Deliktsrecht, S. 99. 556 YANG Lixin, Deliktischer Schadensersatz, S. 115f. 557 WEI Zhenying, Zivilrecht, S. 657. 558 WANG Liming, Journal of Renmin University of China 1992, No. 2, S. 82.

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wicklungstrend des Deliktsrechts nicht an.559 Der Entscheidungsspielraum des Richters wäre bei Anwendung der »zwingenden Kausalität« beschränkt, denn sie schließt den wertenden Interessenausgleich bei der Bestimmung der Kausalität aus. Die Kausalität muss bestimmbar und begrenzt sein, damit die Haftung nicht uferlos ausgeweitet und die Handlungsfreiheit nicht übermäßig beeinträchtigt werden.560 Deshalb ist die »zwingende Kausalität« um die Adäquanztheorie zu ergänzen. Für die Kausalität müssen zwei Voraussetzungen erfüllt werden: Die rechtsverletzende Handlung muss ursächlich für den Erfolg sein und sie muss nach allgemeiner Lebenserfahrung die objektive Möglichkeit des Erfolgseintritts generell in nicht unerheblicher Weise erhöht haben.561 d) Verschulden Die weitere Voraussetzung einer deliktischen Haftung ist das Vorliegen von Verschulden. Das chinesische Deliktsgesetz sieht zwei parallele Zurechnungsnormen vor, die Verschuldenshaftung und die verschuldensunabhängige Haftung. § 6 Abs. 1 DelHaftG besagt: »Wenn der Handelnde schuldhaft zivile Rechtsinteressen eines anderen verletzt, muss er die Haftung für die Verletzung von Rechten übernehmen.« Nach § 7 DelHaftG gilt, wenn der Handelnde die zivilen Rechtsinteressen eines anderen verletzt und eine gesetzliche Bestimmung vorschreibt, dass er unabhängig davon, ob ihn ein Verschulden trifft, die deliktische Haftung für die Verletzung von Rechten übernehmen muss, diese gesetzliche Bestimmung. Dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 und § 7 DelHaftG ist zu entnehmen, dass die Verschuldenshaftung der allgemeine Grundsatz ist, während die verschuldensunabhängige Haftung als ergänzende und helfende Zurechnungsnorm betrachtet wird und vom Gesetz ausdrücklich angeordnet werden muss.562 Die Definition des Verschuldens kann man jedoch nicht im DelHaftG finden. Nach der Literatur umfasst das Verschulden eine subjektive und objektive Seite. Die subjektive Seite bedeutet die Vorwerfbarkeit eines seelischen Zustands. Jede schuldfähige Person hat eine Willensfreiheit und ist für die eigene willentliche Handlung verantwortlich.563 Die objektive Seite bedeutet die Vorwerfbarkeit der äußeren Handlung, die den inneren Willen wi-

559 560 561 562

CUI Jianyuan/HAN Shiyuan, Forschung zum Schuldrecht, S. 283. WEI Zhenying, Zivilrecht, S. 657. Ähnlich WEI Zhenying, Zivilrecht, S. 657. Vgl. § 106 Abs. 3 AGZ: »Wenn kein Verschulden vorliegt, aber nach den gesetzlichen Bestimmungen die zivile Haftung übernommen werden muss, muss die zivile Haftung übernommen werden.« Im DelHaftG werden z. B. die Produkthaftung, Gefährdungshaftung, Umwelthaftung und Tierhalterhaftung als verschuldensunabhängige Haftung geregelt. 563 JIANG Ping, Zivilrecht, S. 756.

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derspiegelt und mit dem erforderlichen Handlungsmaßstab nicht vereinbar ist.564 Nach § 36 Abs. 1 DelHaftG müssen Internetnutzer und Internet Service Provider, wenn sie durch die Nutzung des Internets zivile Rechtsinteressen anderer verletzen, die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen. In dieser Vorschrift wird das Verschulden nicht ausdrücklich erwähnt. Deshalb behaupten einige, dass hier eine verschuldensunabhängige Haftung begründet werde.565 Diese Meinung ist jedoch nicht in der Rechtspraxis anerkannt.566 Die herrschende Meinung versteht § 36 Abs. 1 DelHaftG rein deklaratorisch und führt die Zurechnungsnorm auf § 6 DelHaftG zurück. Das Verschulden soll also auch eine Voraussetzung zur Begründung der Haftung von Internet Service Providern für rechtsverletzende Handlungen sein. Denn einerseits gibt es keine ausdrückliche Gesetzesnorm zur Bestimmung der verschuldensunabhängigen Haftung von Internet Service Providern und andererseits würde die OnlineVerbreitung von Informationen im Internet stark eingeschränkt werden, wenn man eine Gefährdungshaftung von Internet Service Providern annehmen würde. 2.

Besondere Voraussetzungen des Plattformbetreibers als Gesamtschuldner

Nach dem DelHaftG müssen zur Begründung einer gesamtschuldnerischen Haftung bzw. Anstiftungs- und Beihilfehaftung neben den o.g. allgemeinen noch einige speziellen Tatbestandmerkmale erfüllt werden. a) Mehrere Handelnde Erforderlich sind mindesten zwei Handelnde. Bezüglich der Haftung von Plattformbetreibern ist Voraussetzung für eine mittelbare Rechtsverletzung das Vorhandensein eines unmittelbaren Täters, der die Rechtsverletzung im Internet selbst begangen hat, und eines Plattformbetreibers, der den Täter angestiftet oder ihm geholfen hat, d. h. mittelbar beteiligt war. Der unmittelbar Handelnde kann eine natürliche oder juristische Person sein.

564 JIANG Ping, Zivilrecht, S. 756. 565 Schlender, ZChinR 2011, 196, 200. 566 Der Rechtsarbeitsausschuss beim ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses betont im Kommentar zum DelHaftG, dass die Haftung von Internet Service Providern und Internetnutzern gemäß § 36 DelHaftG i. V. m. § 6 DelHaftG und den Bestimmungen des chinUrhG zusammen bestimmt werden muss.

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b) Akzessorietät Die Haftung wegen Anstiftung und Beihilfe hängt vom Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat ab.567 Wenn keine unmittelbare Rechtsverletzung eines Dritten vorliegt, scheidet eine Teilnehmerhaftung aus. c) Anstiftungs- und Beihilfehandlung Der Plattformbetreiber muss seinen Nutzer zum unmittelbaren Rechtsverstoß anstiften oder hinzu einen Gehilfenbeitrag leisten, also eine fremde Haupttat fördern.568 Die Anstiftungs- und Beihilfehaftung ist auch in China von der subjektiven gesamtschuldnerischen Haftung zu unterscheiden. Letztere ist mit der Haftung von Mittätern i. S. d. § 830 Abs. 1 S. 1 BGB vergleichbar.569 Wenn der Plattformbetreiber mit seinem Nutzer gemeinsam eine unerlaubte Handlung begangen hat und somit ein gemeinsames Verschulden vorliegt, muss der Plattformbetreiber nicht als Teilnehmer, sondern als Mittäter die gesamtschuldnerische Haftung gemäß § 8 i. V. m. § 36 Abs. 1 DelHaftG übernehmen. In Fällen von Anstiftung und Beihilfe ist der Plattformbetreiber nicht direkt an dem unmittelbaren Rechtsverstoß eines Dritten beteiligt, er hat lediglich an der Herbeiführung der Rechtsverletzung bewusst und kausal mitgewirkt. In der chinesischen Rechtspraxis haftet der Plattformbetreiber aufgrund seiner technischen Eigenschaft tatsächlich selten als Anstifter. Er haftet in den meisten Fällen wegen Beihilfe zur rechtswidrigen Handlung eines Dritten, welche somit das Vorliegen einer rechtswidrigen Haupttat seines Kunden und ein kausales Hilfeleisten zu dieser Haupttat voraussetzt. Eine Hilfeleistung eines Plattformbetreibers wird von der chinesischen Gerichtspraxis bejaht, wenn seine Handlung die Tatbestandsverwirklichung der Haupttat eines Dritten objektiv ermöglicht, erleichtert oder abgesichert hat.570 Hier ist zu betonen, dass die Anstiftungs- oder Beihilfehandlung und die unmittelbare Tathandlung objektiv unmittelbar miteinander verbunden sein müssen, d. h., jede einzelne Handlung des Handelnden muss zur Mitwirkung des Erfolgseintritts beitragen. Falls die Anstiftungs- oder Beihilfehandlung und die unmittelbare Tathandlung unabhängig voneinander stattfinden und kein objektiv innerer Zusammenhang besteht, kann eine gesamtschuldnerische Haftung nicht begründet werden.571

567 568 569 570

CHEN Jinchuan, Urheberrechtliche Entscheidungen, S. 234. Ähnlich WANG Qian, Urheberrechtsschutz im Internet, S. 158. BU Yuanshi, ZfRV 2010, 218, 221. Ähnlich CUI Guobin, Chinese Journal of Law 2013, No. 4, S. 140; TAO Qian, IP 2011, No. 4, S. 87f. 571 DONG Ansheng/TIAN Tucheng, Zivilrecht, S. 285.

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d) Verschulden Die Anstiftungs- und Beihilfehaftung wird in China als »objektive gesamtschuldnerische Haftung« bezeichnet.572 Die gesamtschuldnerische Haftung ist immer eine Verschuldenshaftung. Eine Gesamtschuld scheidet aus, wenn ein Handelnder mit und ein anderer ohne Verschulden handelt. Im Unterschied zur Mittäterhaftung führen mehrere Personen im Fall der objektiven gesamtschuldnerischen Haftung ohne bewusstes und gewolltes Zusammenwirken unabhängig voneinander den tatbestandlichen Erfolg herbei. In China verweist die h. M. hinsichtlich der zivilrechtlichen Definition von Teilnehmern @ ähnlich wie in Deutschland @ auf das Strafrecht.573 Im Unterschied zum deutschen Recht muss der Teilnehmer aber nach chinesischer h. M. nicht vorsätzlich den Haupttäter bei der Begehung der unmittelbaren Rechtsverletzung unterstützen. Eine lediglich fahrlässige Mitwirkung an einer fremden Rechtsverletzung reicht aus, soweit der Beitrag die Tatbestandsverwirklichung der Haupttat objektiv ermöglicht oder erleichtert hat.574 Ein einheitlicher Begriff im Zivil- und Strafrecht für den Teilnehmer sei nicht notwendig, weil er unterschiedlichen Zwecken diene. Während das Strafrecht eine Sanktion bezwecke, diene das Deliktsrecht vor allem dem Schadensausgleich.575 Demnach soll Vorsatz für die Teilnehmerhaftung in Hinblick auf einen umfassenden Schutz des Geschädigten nicht erforderlich sein.576 Diese Auffassung berücksichtigt nicht nur die subjektive Seite des Handelnden, sondern auch den objektiven Zusammenhang der rechtsverletzenden Handlungen. In subjektiver Hinsicht muss beim Teilnehmer und beim unmittelbaren Täter zunächst eigenes Verschulden vorliegen, d. h., beide müssen vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt haben. Und in objektiver Hinsicht müssen die jeweiligen Handlungen, die eine ungetrennte Einheit darstellen, miteinander verbunden sein. Jede einzelne Handlung ist notwendige Bedingung für den Erfolgseintritt.577 Für ein Verschulden des Plattformbetreibers reicht es aus, dass er weiß oder hätte wissen müssen, dass seine Dienstleistung zur Herbeiführung einer 572 YE Ruosi/ZHU Jianjun, Science-Technology and Law 2009, No. 4, S. 59. 573 YE Jinqiang, Jiaotong University Legal Science 2014, No. 1, S. 143. 574 Vgl. LI Jiangrong, The Chinese Journal of Law Application 2011, No. 12, S. 64f.; ZHANG Xinbao, Grundlage des Deliktsrechts, S. 81. 575 WANG Boqi, Schuldrecht AT, S. 80. 576 LI Jiangrong, The Chinese Journal of Law Application 2011, No. 12, S. 64f.; ZHANG Xinbao, Grundlagen des Deliktsrechts, S. 81. 577 Der OVGH erwähnt in Art. 3 seiner Ansichten zu einigen Fragen hinsichtlich der Rechtsanwendung bei der Beurteilung von Schadensersatzfällen wegen Körperverletzung, dass, wenn zwei oder mehr Personen gemeinsam eine unerlaubte Handlung vorsätzlich oder fahrlässig begehen und dadurch einem Dritten Schaden zufügen, sie eine gesamtschuldnerische Haftung nach § 130 AGZ übernehmen, auch wenn sie keinen gemeinsamen Vorsatz haben, soweit ihre Handlungen miteinander verbunden sind und einen ungetrennten Schaden verursachen.

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rechtswidrigen Rechtsverletzung seines Nutzers, also zur Haupttat, geführt hat, und er keine Maßnahmen ergreift, um die Rechtsverletzung zu unterbinden. Erforderlich ist also die Kenntnis von der rechtswidrigen Haupttat.578 e) Verursachung eines ungetrennten Schadens Der Schaden, der durch den Gesamtschuldner verursacht wird, muss eine ungetrennte Einheit bilden. Wenn der Schaden, der durch einen Handelnden verursacht wird, von dem Schaden, der durch einen anderen herbeiführt wird, getrennt werden kann, liegt keine echte gesamtschuldnerische Haftung vor, sondern mehrere Fälle einer gleichlaufenden allgemeinen Deliktshaftung.579

3.

Abweichende Haftungsvoraussetzungen im Lauterkeitsrecht

Nach chinesischer Rechtstheorie entwickelt sich das Lauterkeitsrecht aus dem Deliktsrecht. Ein Lauterkeitsrechtsverstoß ist einerseits eine unerlaubte Handlung, d. h. für die Begründung der Haftung sind zunächst die allgemeinen Haftungsvoraussetzungen wie beim Deliktsrecht zu beachten.580 Nach h. M. ist es für eine wettbewerbsrechtliche Schadensersatzhaftung auch erforderlich, dass der Handelnde schuldhaft gegen einen lauterkeitsrechtlichen Verbotstatbestand verstoßen hat,581 während die Unterlassungshaftung nach der allgemeinen Dogmatik kein Verschulden voraussetzt, auf die subjektive Kenntnis des Handelnden kommt es also nicht an.582 Gegenüber der deliktischen unerlaubten Handlung weist die lauterkeitswidrige Handlung die Besonderheit auf, dass die Handlung einen Bezug zum Wettbewerb haben muss.583 Als Ausgangspunkt für die rechtliche Analyse sollen zunächst die abweichenden Voraussetzungen einer lauterkeitsrechtlichen Haftung erörtert werden. a) Unternehmer Der größte Unterschied einer lauterkeitsrechtlichen Haftung zur »normalen« deliktischen Haftung liegt darin, dass der Inanspruchgenommene Adressat der Vorschriften des chinUWG sein muss. Nach § 2 Abs. 2 chinUWG setzt ein lauterkeitsrechtlicher Verstoß eine Handlung voraus, bei deren Vornahme der Unternehmer in Verletzung dieses Gesetzes die gerechten Interessen anderer 578 579 580 581

CUI Guobin, Chinese Journal of Law 2013, No. 4, S. 140. Vgl. ZHANG Xinbao, Chinesisches Deliktsrecht, S. 89. FAN Chengwei, Grundlage der zivil- und handelsrechtlichen Haftung, S. 361f. Vgl. SHAO Jiandong, Law Science 1994, No. 8, S. 41 f; a. A. WU Handong, Das Recht des geistigen Eigentums, S. 285. 582 LI Chen, Wesentliche Grundlage des Rechts des geistigen Eigentums, S. 235. 583 Vgl. Maier, Das Lauterkeitsrecht in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zur Rechtslage in der VR China, S. 89.

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Unternehmer schädigt und die soziale Wirtschaftsordnung stört. Daraus ergibt sich, dass ein lauterkeitsrechtswidriges Verhalten von jemandem begangen worden sein muss, der selbst ein Unternehmer ist. Nur gegenüber einem Unternehmer i. S. d. chinUWG kann das Lauterkeitsrecht Anwendung finden. Ein Plattformbetreiber kann Täter einer lauterkeitsrechtlichen Verletzungshandlung also nur sein, wenn er als unmittelbarer oder als mittelbarer Verletzer die erforderliche Täterqualifikation aufweist. § 2 Abs. 3 chinUWG definiert die Unternehmer als natürliche Personen, juristische Personen und andere Wirtschaftsorganisationen, die Waren oder Dienstleistungen kommerziell mit Gewinnerzielungsabsicht vertreiben. Demnach ist es erforderlich, dass der Unternehmer i. S. d. chinUWG bei seiner ausgeübten Tätigkeit die Absicht haben muss, auf Dauer Gewinn zu erzielen. Diese enge Definition des Unternehmers erweist sich in der Rechtspraxis des chinUWG als Nachteil,584 sie ist auch mit der internationalen Praxis nicht vereinbar. Das von der WIPO entwickelte lauterkeitsrechtliche Modellgesetz grenzt Unternehmer nicht auf solche ein, die mit Gewinnerzielungsabsicht handeln. In der Anmerkung 1.05 zu Art. 1 Abs. 1 des lauterkeitsrechtlichen Modellgesetzes wird hervorgehoben, dass der Begriff »industrielle oder gewerbliche Tätigkeiten« im weiteren Sinne so verstanden werden solle, dass er nicht nur die Tätigkeiten von Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, insbesondere den Kauf und Verkauf solcher Produkte oder Dienstleistungen, erfasst, sondern auch die Aktivitäten von Fachleuten wie Rechtsanwälten, Ärzten in der Privatpraxis und anderen Personen. Für die Zwecke dieser Mustervorschriften spielt es keine Rolle, ob eine Person oder ein Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht gehandelt hat.585 Zu berücksichtigen ist auch, dass der Begriff »Unternehmer«, sowie er im später erlassenen § 12 Abs. 1 AMG definiert wird, keine Gewinnerzielungsabsicht mehr voraussetzt. Danach ist Unternehmer eine natürliche oder eine juristische Person oder eine andere Organisation, die Waren produziert, vertreibt oder Dienstleistungen anbietet. Aus der Perspektive des Schutzes des fairen Wettbewerbs folgt der Begriff des Unternehmens im E-chinUWG der Definition in § 12 Abs. 1 AMG. In § 2 Abs. 3 E-chinUWG ist der Begriff »Unternehmer« nicht mehr an die Anforderung geknüpft, dass er mit Gewinnerzielungsabsicht handeln muss. Der Anwendungsbereich des chinUWG wird damit erweitert, indem alle mit dem Warenverkehr und Dienstleistungen verbundenen Subjekte vom Begriff »Unternehmer« erfasst 584 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 23663(2005), Hai Min Chu Zi; Das erste MVG Beijing, Fall Nr. 5251 (2006), Yi Zhong Min Zhong Zi; KONG Xiangjun/LIU Zeyu/WU Jianying, Wettbewerbsrecht – Grundlage, Regelungen und Rechtsprechung, S. 24; KONG Xiangjun, Anwendung und Verbesserung des Lauterkeitsrechts, S. 64f. 585 WIPO, Model Provisions on Protection Against Unfair Competition, Notes on Article 1, 1.05, p. 8.

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werden. In der Tat hat die chinesische Rechtsprechung den Begriff des Unternehmers auch bisher schon weit interpretiert. So wurden freiberuflich tätige Schriftsteller, Schulen, Krankenhäuser und andere nichtgewinnorientierte Organisationen als Unternehmer anerkannt.586 Diese weite Auslegung des Begriffs des Unternehmers ist zu begrüßen. Aus der Perspektive des Wettbewerbsrechts ist allein das Verhalten des Handelnden für den Unternehmerbegriff entscheidend. Zu prüfen ist, ob der Handelnde am Marktwettbewerb teilnimmt und eine unternehmerische Tätigkeit, die die Wettbewerbsordnung auf dem Markt beeinflussen kann, unternimmt. Erforderlich ist ein objektiver Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Handelnden und der Förderung des Absatzes von Waren oder Dienstleistungen. Ausreichend ist eine auf Dauer angelegte, selbstständige wirtschaftliche Betätigung, die darauf gerichtet ist, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt zu vertreiben.587 Es soll keine Rolle spielen, ob der Handelnde seine Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht unternimmt. b) Wettbewerbsverhältnis Die chinesische Lauterkeitsrechtstheorie definiert eine Wettbewerbshandlung als jede Handlung einer Person mit dem Ziel, den eigenen Wettbewerbsvorteil zu fördern oder den fremden Wettbewerbsvorteil zu stören. Ein Wettbewerbsverhältnis ist ein soziales Verhältnis, das im Wettbewerb auf dem Markt zwischen den Wettbewerbern entsteht.588 Nach dem Gesetzestext des chinUWG ist das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses kein notwendiges Tatbestandsmerkmal einer unlauteren Wettbewerbshandlung. Doch ist in der chinesischen Gerichtspraxis allgemein anerkannt, dass das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Wettbewerbern eine Voraussetzung für eine lauterkeitswidrige Handlung ist.589 Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt voraus, dass sich die am Wettbewerb beteiligten Unternehmen auf demselben sachlichen, zeitlichen und räumlichen Markt betätigen. Dies besteht regelmäßig zwischen Parteien, die substituierbare (gleiche bzw. gleichartige) Waren oder Dienstleistungen inner586 Vgl. ZHENG Xuefeng, CHEN Guoqing v. Volkskrankenhaus der Provinz Jiangsu, in: Amtsblatt des OVGH 2004, Nr. 8; MVG Changsha von Hunan, Fall Nr. 221 (2004), Chang Zhong Min San Chu Zi; MVG Nanjing von Jiangsu, Fall Nr. 219 (2004), Ning Min San Chu Zi; OVGH, Fall Nr. 1 (2002), Min San Zhong Zi; LI Yougen, Journal of Nanjing University (Philosophy, Humanities and Social Science) 2007, Nr. 3, S. 56f. 587 Zur vergleichbaren deutschen Rechtsprechung s. BGH GRUR 2009, 871, 874 – Ohrclips. 588 KONG Xiangjun, Grundlage und Rechtsprechung des Marken- und Lauterkeitsrechts, S. 686. 589 CAO Jianming (ex-Vizepräsident des OVGH), Bericht über die Stärkung des gerichtlichen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums und über die Kontrolle der Marktwettbewerbsordnung zur Tagung vom 11. 11. 2004.

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halb des gleichen Abnehmerkreises zu gleichen Zwecken anbieten oder sich um den Erwerb gleichartiger Waren oder Dienstleistungen vor demselben Personenkreis bemühen.590 In der chinesischen Gerichtspraxis werden keine hohen Anforderungen an das Bestehen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses gestellt. Der Begriff »Wettbewerbsverhältnis« wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Demnach reicht es für die Annahme eines Wettbewerbsverhältnisses aus, wenn der Verletzer durch seine Wettbewerbshandlung in irgendeiner Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.591 Der OVGH weist darauf hin, dass ein Wettbewerbsverhältnis in der Regel zwischen den Unternehmen besteht, die gleiche bzw. gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb derselben Personenkreise anbieten bzw. vertreiben. Wenn die Unternehmen jedoch unterschiedlichen Branchen angehören, sei das Wettbewerbsverhältnis auch dann gegeben, wenn der Handelnde im konkreten Fall durch seine Verletzungshandlung gegen den in § 2 chinUWG enthaltenen Wettbewerbsgrundsatz verstoße.592 Hieraus ergibt sich, dass das Wettbewerbsverhältnis auch zwischen Unternehmen besteht, die nur mittelbar konkurrieren, wenn die Wettbewerbshandlung einer Partei nach den Vorschriften des chinUWG unlauter ist. Um den Zweck des chinUWG zu verwirklichen und ein ungerechtes Ergebnis zu vermeiden, praktiziert die chinesische Rechtsprechung eine teleologische Auslegung des Lauterkeitsrechts. Demnach wird jede gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende Handlung, die fremdes Wettbewerbsverhalten auf dem Markt unmittelbar oder mittelbar fördern oder beeinträchtigen kann, als unlautere Handlung gewertet. Das Wettbewerbsverhältnis ist somit eine Beziehung zwischen Verletzer und Verletztem.593 In der Rechtspraxis wird bei Annahme einer unlauteren Handlung mehr Wert auf den Charakter des Wettbewerbsverhaltens selbst gelegt und eher niedrigere Anforderungen an das Wettbewerbsverhältnis gestellt. Bei der Mitwirkung an einer Lauterkeitsrechtsverletzung eines Dritten kann das chinUWG deshalb Anwendung finden, wenn der Mitwirkende selbst Unternehmer ist und er mit seiner Handlung einen fremden Wettbewerb mittelbar fördert oder beeinträchtigt.594 590 CHENG Yan in: SU Chi/CHEN Jinchuan/Yang Boyong, S. 317. 591 KONG Xiangjun, Grundlage des Rechts gegen unlauteren Wettbewerb, S. 65 f; Baidu v. Qingdao Aoshang Network Technik GmbH, in: Amtsblatt des OVGH 2010, Nr. 8. 592 KONG Xiangjun/LIU Zeyu/WU Jianying, Wettbewerbsrecht – Grundlage, Regelungen und Rechtsprechung, S. 40f. 593 ZHENG Youde, Das Spannungsverhältnis zwischen den Rechten des geistigen Eigentums und dem fairen Wettbewerb, S. 271. 594 Vgl. das zweite MVG Shanghai, Fall Nr. 147 (2007), Er Zhong Min Wu Zhi Chu Zi; MVG Wuhan von Hubei, Fall Nr. 2061 (2013), E Wu Han Zhong Zhi Chu Zi.

Grundlage der Haftung von Plattformbetreibern

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c) Unlauterkeit der Handlung i. S. d. chinUWG Die beanstandete Wettbewerbshandlung muss außerdem unlauter sein. Das chinUWG definiert die Unlauterkeit nicht, die somit in der Rechtspraxis im Einzelfall festzustellen ist. Im zweiten Kapitel des chinUWG wird durch die Spezialtatbestände beschrieben, welche Wettbewerbshandlungen eines Unternehmers unlauter und damit unzulässig sind. Daneben können sich die Verbotsvorschriften auch in Nebengesetzen wie dem Gesetz der VR China zum Schutz der Rechte und Interessen von Verbrauchern595, dem Gesetz der VR China über Produktqualität596 oder dem Werbungsgesetz der VR China597 finden. Die Unlauterkeit kann in der Rechtspraxis auch durch Rückgriff auf die Generalklausel des § 2 Abs. 1 chinUWG konkretisiert werden, wenn eine Wettbewerbshandlung nicht von den Beispielstatbeständen des zweiten Kapitels des chinUWG erfasst wird.598 d) Handlungsunrecht oder Erfolgsunrecht Eine weitere Tatbestandsvoraussetzung einer Lauterkeitsrechtsverletzung ist, dass der Handelnde die berechtigten Interessen von Mitbewerbern schädigt und die soziale Wirtschaftsordnung stört.599 In China wird zwischen Handlungsunrecht und Erfolgsunrecht nicht ausdrücklich differenziert. Im chinesischen Lauterkeitsrecht werden die Unlauterkeit der Handlung und der Eintritt des Erfolgs als zwei Seiten derselben Medaille betrachtet. Eine unlautere Handlung setzt voraus, dass sie die lauterkeitsrechtlich geschützten Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher oder der Allgemeinheit schädigt. Ausreichend ist das Verschaffen einer objektiven Möglichkeit, solche Interessen zu beeinträchtigen. Als typischer Schädigungserfolg können nach der Gerichtspraxis z. B. die Irreführung über die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen, die Herbeiführung der Substitution der Waren, die Behinderung oder Störung des Absatzes bestimmter Waren anderer Wettbewerber usw. bezeichnet werden. Solche Beeinträchtigungen können unmittelbar oder mittelbar erfolgen. Dabei reicht eine potenzielle Beeinträchtigung der lauterkeitsrechtlich geschützten Interessen, d. h. der Eintritt des faktischen Schädigungserfolgs ist nicht notwendig.600 Dies ist ein wichtiger Unterschied zum Tatbestand einer allgemeinen deliktischen 595 Verabschiedet am 31. 10. 1993 durch den ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, am 1. 1. 1994 in Kraft getreten, zuletzt geändert am 25. 10. 2013. Deutsche Fassung in ZChinR 2014, S. 69f. 596 Verabschiedet am 22. 2. 1993 durch den ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, am 1. 9. 1993 in Kraft getreten, zuletzt geändert am 8. 7. 2000. 597 Verabschiedet am 27. 10. 1994 durch den ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses, am 1. 2. 1995 in Kraft getreten, zuletzt geändert am 24. 4. 2015. 598 Vgl. OVGH, Fall Nr. 1065 (2009), Min Shen Zi. 599 § 2 Abs. 2 chinUWG. 600 CHENG Yan in: SU Chi/CHEN Jinchuan/Yang Boyong, S. 323.

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Chinesisches Recht

Handlung. Der Grund für den Unterschied liegt darin, dass für die Bestimmung der Unlauterkeit einer Wettbewerbshandlung nicht deren Ergebnis maßgeblich ist, sondern die Rechtmäßigkeit der Art und Weise der Wettbewerbshandlung selbst.

C.

Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung von Plattformbetreibern

Im folgenden Abschnitt richtet sich der Fokus auf spezielle Regelungen in den besonderen Gesetzen, der »Vorschrift« und den Interpretationen des OVGH. Es wird dargestellt, welche konkrete Lösung die chinesische Rechtsordnung für die Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Rechtsverletzungen gefunden hat.

I.

Gesetzliche Grundlagen

1.

Haftung nach Markenrecht

Das neue chinMarkenG kennt eine mittelbare Markenverletzung. Nach § 57 Abs. 6 chinMarkenG ist der Handelnde für eine Verletzung des ausschließlichen Nutzungsrechts an der eingetragenen Marke verantwortlich, wenn er einem anderen bewusst die günstigen Bedingungen bietet, welche die Ausführung der rechtsverletzenden Handlung anderer fördert. Das Tatbestandsmarkmal der »günstigen Bedingungen« wird in der neuen AusfVO zum chinMarkenG erläutert, die auch als Grundlage zur Begründung einer mittelbaren Haftung der Internet Service Provider dienen kann. Gemäß § 75 AusfVO können Angebote einer Internetplattform eine günstige Bedingung i. S.v. § 57 Abs. 6 chinMarkenG darstellen. Demnach können Plattformbetreiber wegen Mitwirkung an fremden Markenrechtsverletzungen ihrer Kunden gesamtschuldnerisch haften. 2.

Haftung nach Urheberrecht

Die Regelungen für die direkte Rechtsverletzung befinden sich in §§ 47, 48 Nr. 1– 5, 8 chinUrhG. Eine mittelbare Urheberrechtsverletzung wird in dem geltenden chinUrhG nicht ausdrücklich erwähnt. Im kürzlich überarbeiteten Prüfungsentwurf zur dritten Novellierung des chinUrhG601 (Entwurf zum chinUrhG) 601 Rechtsetzungsbüro des Staatsrats, unter: http://www.gov.cn/xinwen/2014-06/10/content_269 7701.htm, abgerufen am 10.7.2017.

Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung

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werden Regelungen für die Haftung von Internet Service Providern für mittelbare Rechtsverletzungen eingeführt. In § 73 Abs. 4 des aktuellen Entwurfs zum chinUrhG wird vorgeschlagen, dass Internet Service Provider gesamtschuldnerisch haften, wenn sie bei der rechtsverletzenden Handlung des unmittelbaren Täters bewusst helfen oder dazu anstiften. Da der Novellierungsprozess noch nicht abgeschlossen ist, gehört die IntRVII des OVGH derzeit noch zu den in der Rechtspraxis am häufigsten angewendeten Regelungen zur Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Urheberrechtsverletzungen. Deren Art. 7 sieht vor, dass die Internet Service Provider haften, wenn sie bei der Verletzung von Urheberrechten, die von Internetnutzern verursacht worden sind, geholfen oder dazu angestiftet haben. Eine Anstiftungshandlung liegt nach Ansicht des OVGH vor, wenn die Plattformbetreiber mit Worten, technischer Unterstützung oder durch Belohnung ihre Kunden zu einer rechtsverletzenden Handlung ermutigen. Die Plattformbetreiber haften nach Ansicht des OVGH als Gehilfen, wenn sie davon wussten oder hätten wissen müssen, dass ihr Kunde über das Internet eine Urheberrechtsverletzung begeht, und sie dem Täter weiterhin technische Unterstützung anbieten, oder wenn sie es unterlassen, notwendige Maßnahmen zur Einstellung der rechtsverletzenden Handlung, z. B. durch Löschung, Abschirmung oder Trennung der Internetverbindung, zu ergreifen.602 3.

Haftung nach DelHaftG

§ 9 DelHaftG regelt die generelle Teilnahme an einer deliktischen Verletzungshandlung. § 36 DelHaftG regelt speziell die Haftung des Internet Service Providers. Nach der Regel »Lex specialis derogat legi generali« verdrängt § 36 DelHaftG, der im »besonderen Teil« des DelHaftG steht, die allgemeine Regelung des § 9 DelHaftG. § 36 DelHaftG lautet: »Wenn Internetnutzer und Internet Service Provider durch die Nutzung des Internets zivile Rechtsinteressen anderer verletzen, müssen sie die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen. Wenn ein Internetnutzer durch die Nutzung des Internets rechtsverletzende Handlungen ausführt, ist der Verletzte berechtigt, dem Internet Service Provider mitzuteilen, dass er notwendige Maßnahmen, wie z. B. die Löschung, Abschirmung und Trennung der Internetverbindung, ergreift. Wenn der Internet Service Provider nach Empfang der Mitteilung nicht unverzüglich die notwendigen Maßnahmen ergreift, übernimmt er mit dem Internetnutzer die gesamtschuldnerische Haftung für die Vergrößerung des Schadens.

602 Art. 7 Int-RVII.

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Chinesisches Recht

Wenn der Internet Service Provider davon gewusst hat, dass ein Internetnutzer durch die Nutzung des Internets zivile Rechtsinteressen anderer verletzt, und keine notwendigen Maßnahmen ergreift, übernimmt er mit dem Internetnutzer die gesamtschuldnerische Haftung.«

Während § 36 Abs. 1 DelHaftG die Haftung von Plattformbetreibern für selbstverschuldete Rechtsverletzungen Dritter regelt, sind die Absätze 2 und 3 von großer praktischer Bedeutung für die Begründung der Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Rechtsverletzungen. § 36 Abs. 2 und Abs. 3 DelHaftG stellen zwei wichtige Regeln auf für die Bestimmung der Haftung von Plattformbetreibern wegen Mitwirkung an Rechtsverletzungen ihrer Kunden: die Benachrichtigungsregel und die Wissensstandregel.603

4.

Haftung nach chinUWG

a)

Verhältnis des Lauterkeitsrechts zu den anderen Rechtsgebieten

aa) Verhältnis des chinUWG und des AGZ sowie des DelHaftG Das Lauterkeitsrecht und das Bürgerliche Recht gehören beide zum Privatrecht, das die Beziehung zwischen gleichrangigen Personen regelt. Gegenüber dem AGZ und dem DelHaftG hält das chinUWG spezielle Regelungen bereit. Daher wird es auch als Sonderdeliktsrecht bezeichnet.604 Die allgemeinen Vorschriften des AGZ und des DelHaftG bleiben ergänzend anwendbar, solange und soweit das chinUWG keine entsprechende Sonderregelung enthält. Beispielweise enthält das chinUWG keine Vorschriften über die Verjährung, sodass § 135 AGZ ergänzend eingreift. Demnach beträgt die Klageverjährungsfrist für an das Volksgericht gerichtete Verlangen nach dem Schutz von zivilrechtlichen Rechten zwei Jahre. Die Frist beginnt gemäß § 137 AGZ zu laufen, wenn der Verletzte erfährt oder hätte erfahren müssen, dass ein Recht verletzt worden ist. Zur Anwendung kommen z. B. noch die Bestimmungen zur Täterschaft und zur Haftung für Gehilfen. Besonders zu erwähnen ist, dass die ergänzende Anwendung der Vorschriften des AGZ und des DelHaftG einen weiteren Schutz der Interessen der Wettbewerber auf dem Markt garantiert.605 Wenn beispielsweise das Recht eines Unternehmens an seiner Unternehmensbezeichnung, sein Ruf oder seine Ehre durch eine Handlung eines Dritten verletzt wird, ist der Unternehmer nach § 120 AGZ berechtigt, die Einstellung der Verletzung, die Wiederherstellung seines Rufes, die Besei603 YANG Lixin, Deliktshaftungsgesetz, S. 206. 604 WANG Xiaoye, Inter-Trade 2014, Nr. 7, S. 43. 605 WANG Xiaoye, Inter-Trade 2014, Nr. 7, S. 43; FAN Dunqiang/YE Yong, IP 2015, Nr. 3, S. 55.

Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung

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tigung der Auswirkungen, eine Entschuldigung und bei Verschulden auch Schadensersatz zu verlangen. Es wird davon ausgegangen, dass diese Vorschrift mehr Schutz für das Unternehmen als § 5 Abs. 3 chinUWG bietet, da die Unternehmensbezeichnung nach § 5 Abs. 3 chinUWG ausschließlich geschützt werden kann, wenn der Wettbewerber eigenmächtig die Unternehmensbezeichnung eines anderen verwendet und damit zu der irrigen Annahme verleitet, es handele sich um die Ware eines anderen. Im Vergleich zu dem AGZ und dem DelHaftG, die reinen Individualschutz bezwecken, schützt das chinUWG vor allem die Interessen der Mitbewerber und zugleich die Interessen der Verbraucher und der Allgemeinheit. Das chinesische Lauterkeitsrecht soll als Marktverhaltensrecht die im Spannungsfeld konkurrierenden Interessen zwischen Staat, Unternehmen und Verbraucher sicherstellen. Nach § 3 chinUWG sind die Verwaltungsbehörden – die Industrie- und Handelsverwaltungsabteilungen der Volksregierung auf und über der Kreisstufe – für die Überwachung und Prüfung der Unlauterkeit der Wettbewerbshandlungen zuständig. Vor diesem Hintergrund hat das chinUWG in China neben dem typischen deliktsrechtlichen Charakter noch einen kollektiv- und öffentlich-rechtlichen Charakter. Die wesentlichen Unterschiede zum Deliktsrecht betreffen die Sanktionsvorschriften. Das chinUWG kennt neben den Zivilsanktionen noch Verwaltungs- und Strafsanktionen. bb) Verhältnis des chinUWG zum chinMarkenG und chinUrhG In der chinesischen Literatur wird das Verhältnis des Lauterkeitsrechts zum Recht des geistigen Eigentums schon seit langer Zeit diskutiert. Hierzu werden vor allem zwei Meinungen vertreten: Die einen sind der Ansicht, dass, obwohl zwischen dem Recht gegen unlauteren Wettbewerb und dem Recht des geistigen Eigentums eine enge Beziehung bestehe, das Lauterkeitsrecht den Schutzbereich des geistigen Eigentums nicht abdecken könne und vice versa.606 Jedes Rechtsgebiet habe seinen eigenen unabhängigen Schutzzweck, Anwendungsbereich und Tatbestand. Deshalb seien das chinUWG und das chinMarkenG sowie das chinUrhG in der Rechtspraxis gleichrangig und unabhängig anzuwenden.607 Andere dagegen sind der Ansicht, dass das Recht gegen unlauteren Wettbewerb in einer komplexen wechselwirkenden Beziehung mit dem Recht des geistigen Eigentums stehe. Zwischen den beiden Rechtsgebieten bestehe ein großer Überschneidungsbereich. Für den Schutz der Rechte des geistigen Eigentums könne das chinUWG eine Auffangfunktion haben.608 606 MA Wenyao, Kommentar und Ausblick des Rechts des geistigen Eigentums, S. 156. 607 ZHENG Youde/WAN Zhiqian, Studies in Law and Business 2009, No. 6, S. 95; Vgl. Köhler, GRUR 2007, 548, 554. 608 YANG Ming, Studies in Law and Business 2003, No. 3, S. 127.

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Es ist zutreffend, dass das chinesische Lauterkeitsrecht den Schutz des geistigen Eigentums im Überschneidungsbereich der beiden Rechtsgebiete ergänzen kann. Der Ausgangspunkt des Rechts des geistigen Eigentums ist, ausschließliche Nutzungsrechte der Rechteinhaber zu schützen und insbesondere unautorisierte Nutzungshandlungen Dritter zu unterbinden. Auf der einen Seite lässt sich feststellen, dass das Recht des geistigen Eigentums durch den Schutz dieser Interessen der Rechteinhaber vor Beeinträchtigungen zugleich einer fairen Wettbewerbsordnung dient. Auf der anderen Seite betreffen viele Vorschriften des chinUWG auch die Inhalte in Bezug auf den Schutz des geistigen Eigentums. So ist z. B. § 10 chinUWG die zentrale Vorschrift zum Schutz vor Diebstahl von Geschäftsgeheimnissen. Auch die Nachahmung fremder Warenzeichen und die unautorisierte Verwendung besonderer Bezeichnungen, Verpackungen oder Aufmachungen einer bekannten Ware, die zu Verwechslungen mit der bekannten Ware eines anderen führen und die Käufer irrig annehmen lassen, es handele sich um diese bekannte Ware, werden nach § 5 chinUWG als unlautere Handlung bewertet. In China hat das Markenrecht im System des Immaterialgüterrechts eine enge Beziehung zum Lauterkeitsrecht. In der Rechtspraxis bietet das chinMarkenG überwiegend den Schutz vor Verwässerungsgefahr der registrierten Marken, während das chinUWG vor allem die nicht registrierten bekannten Marken gegen Verwechslungsgefahr schützt.609 Die Beziehung zwischen Lauterkeitsrecht und Urheberrecht ist dagegen relativ locker. In der Praxis können die betrügerische Verwendung der Namen oder Titel der fremden Werke, die unautorisierte Verwendung virtueller Figuren in dem fremden Werk für geschäftliche Zwecke als urheberrechtlich relevante und zugleich lauterkeitsrechtswidrige Handlungen angesehen werden. Diese Beispiele zeigen, dass Teilbereiche des Lauterkeitsrechts in seiner Anwendung in gewisser Weise auch dem Schutz des geistigen Eigentums dienen. Allerdings darf man die Unterschiede zwischen den beiden Rechtsgebieten nicht vernachlässigen. Das subjektive Urheber- und Markenrecht bezeichnet das subjektive Recht in Gestalt absoluter Ausschließlichkeitsrechte. Im Vergleich dazu gewährt das Lauterkeitsrecht als Marktverhaltensrecht beim unlauteren Wettbewerb rein schuldrechtliche Ansprüche gegenüber dem unlauter Handelnden. Die Grenzen zwischen den beiden Rechtsgebieten dürfen nicht durch die Anwendung des chinUWG unterlaufen werden. Im chinUrhG und chinMarkG wird eindeutig vorgeschrieben, welche absoluten Rechte dem Rechteinhaber zugewiesen sind. Im Überschneidungsbereich der beiden Rechtsgebiete hat das Recht des geistigen Eigentums bei Anspruchskonkurrenz Vorrang vor dem Lauterkeitsrecht. In dem vom Urheber- und Markenrecht nicht geregelten

609 ZHENG Youde/WAN Zhiqian, Studies in Law and Business 2009, No. 6, S. 97f.

Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung

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Bereich kann das chinUWG seine eigenständige Anwendung finden. Ihm kommt daher eine Auffangfunktion im Bereich des Marken- und Urheberrechts zu. b)

Spezielle Regelungen des chinUWG über die unmittelbare und mittelbare lauterkeitsrechtliche Rechtsverletzung Im geltenden chinUWG werden die Tatbestände des unlauteren Wettbewerbs in §§ 5 bis 15 im Einzelnen beschrieben. Geregelt sind: irreführende Nachahmungund Verwechselungshandlungen (§ 5 chinUWG), irreführende Werbung (§ 9 chinUWG), Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (§ 10 chinUWG), Rufschädigung von fremden Mitbewerbern bzw. von deren Waren oder Dienstleistungen (§ 14 chinUWG), Vornahme aktiver oder passiver Bestechungen beim Handel (§ 8 chinUWG) und Prämienverkauf (§ 13 chinUWG). Für die Annahme einer unmittelbaren Lauterkeitsrechtsverletzung ist zunächst zu prüfen, ob durch eine Wettbewerbshandlung eines Unternehmers einer der Tatbestände der in §§ 5 bis 15 chinUWG normierten unzulässigen Geschäftspraktiken erfüllt ist. Wenn ja, ist die Handlung unzulässig und es liegt eine unmittelbare Lauterkeitsrechtsverletzung vor. Wie bereits erwähnt, ist das chinUWG lange Zeit nicht revidiert worden, sodass seine Inhalte nicht mehr gut in die heutige Zeit passen. Daher können viele Wettbewerbshandlungen, insbesondere die im Internet stattfindenden, nicht unter die spezifischen Verbotstatbestände der §§ 5 bis 15 chinUWG subsumiert werden. Soweit eine entsprechende Handlung nicht von den normierten Verbotstatbeständen erfasst ist, muss auf die Generalklausel des § 2 Abs. 2 chinUWG zurückgegriffen werden. In der Rechtspraxis wird die Unlauterkeit von Wettbewerbshandlungen im Internet vor allem aus § 2 Abs. 2 hergeleitet. Der Internet Service Provider (ISP) ist ein wichtiger Teilnehmer im Internetgeschäftsverkehr, der direkt oder indirekt am Marktwettbewerb teilnimmt. Das geltende chinUWG kann den Interessenausgleich unter dem Rechteinhaber, dem ISP und der Allgemeinheit nicht ausreichend gewährleisten und seine Auffangschutzfunktion damit nicht erfüllen. Vor diesem Hintergrund werden im E-chinUWG die Vorschriften eingeführt, die die unlauteren Handlungen im Internet regeln.610 Die folgenden im Internet stattfindenden Wettbewerbshandlungen werden nach § 14 E-chinUWG direkt als unlautere Handlung bewertet, soweit sie die Entscheidung des Internetnutzers beeinflussen oder die normalen Geschäftsvorgänge anderer Unternehmen beeinträchtigen. Die gesetzlichen Beispiele unlauterer Handlungen nach § 14 EchinUWG sind: »1. Ohne Zustimmung des Nutzers seine normale Nutzung der Dienstleistungen anderer ISP durch technische Maßnahmen zu unterbinden. 610 Vgl. WANG Wenmin, GRUR Int 2017, 706, 708f.

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2. Ohne Zustimmung oder Autorisierung des Nutzers seine Suchseite durch bösartige Linksetzung auf eine vom Nutzer nicht gewünschte Seite zu ändern. 3. Irreführende Handlungen, die dazu führen, dass der Nutzer die Internetdienste anderer ISP nicht normal nutzen kann. 4. Ohne Zustimmung oder Autorisierung des Nutzers den normalen Betrieb der Internetdienste von anderen zu stören oder zu zerstören.«

Solange das neue chinUWG noch nicht in Kraft getreten ist, kann das chinesische Gericht die Unlauterkeit der unmittelbaren Wettbewerbshandlungen nur mit Rückgriff auf den flexiblen § 2 Abs. 2 chinUWG bestimmen. Erwähnenswert ist, dass ein Plattformbetreiber, der lediglich kausal an einer fremden unlauteren Wettbewerbshandlung Dritter mitwirkt, gemeinsam mit dem unmittelbar Handelnden als Gesamtschuldner zu verurteilen gewesen wäre. Nach bisheriger Rechtsprechung war der Plattformbetreiber verantwortlich, wenn er Kenntnis vom jeweiligen Wettbewerbsverstoß seines Kunden hat oder hätte haben müssen und dem Täter weiterhin technische Unterstützung anbietet, oder wenn er es unterlassen hat, notwendige Maßnahmen zur Einstellung der unlauteren Wettbewerbshandlung zu ergreifen.611 Liegt diese Voraussetzung vor, so haftet der Plattformbetreiber gesamtschuldnerisch für den durch die Zuwiderhandlung eines Dritten gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schadens, mit der Wirkung, dass jeder der Inanspruchgenommenen zum vollen Ersatz des Schadens verpflichtet ist, und der Geschädigte das Recht hat, von jedem von ihnen vollen Schadensersatz zu verlangen, bis der Schaden vollständig ersetzt ist. Dabei hat das Gericht offengelassen, ob die mitwirkende Handlung des Plattformbetreibers selbst wegen Verstoßes gegen die Generalklausel des § 2 Abs. 2 chinUWG als Wettbewerbsverstoß qualifiziert wird, wenn eine unmittelbare Wettbewerbshandlung Dritter vorliegt.612 Obwohl § 2 Abs. 2 chinUWG schon oft als Generalklausel in der Gerichtspraxis angewendet wurde, ist es in der Literatur noch umstritten, ob § 2 Abs. 2 chinUWG wie § 3 des deutschen UWG als Generalklausel behandelt werden soll. Nach § 2 Abs. 2 chinUWG versteht dieses Gesetz unter unlauterem Wettbewerb die Handlungen, mit denen der Unternehmer die im chinUWG geschützten Interessen anderer Unternehmen schädigt und die soziale Wirtschaftsordnung stört. Bei diesem Paragraph handelt es sich offenkundig um die Legaldefinition 611 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 26637 (2014), Hai Min Zhi Chu Zi; IP Gericht Beijing, Fall Nr. 1322 (2015), Jing Zhi Min Zhong Zi. 612 Das HVG Beijing hat in Art. 35 seiner Entscheidungsleitung von Fällen, die mit dem Recht des geistigen Eigentums im Internet im Zusammenhang stehen, hingewiesen, dass wenn die durch das Internet durchführende wirkende Handlung gegen § 2 Abs. 2 chinUWG sowie den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt und geeignet ist , die rechtlich geschützten Interessen eines Dritten zu beeinträchtigen und eine faire Wettbewerbsordnung zu stören, kann diese Handlung nach § 2 chinUWG direkt als unlautere Handlung bewertet werden.

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der unlauteren Handlung. Die Gesetzgeber legen sich nicht eindeutig fest, ob § 2 Abs. 2 chinUWG als eine Generalklausel zu interpretieren ist. Diesbezüglich stehen sich in der Literatur zwei Meinungen gegenüber : Eine Ansicht spricht sich dagegen aus und begründet dies damit, dass die Aufzählung der unlauteren Handlungen in §§ 5 bis 15 chinUWG abschließend ist. Die unlautere Handlung hat eine flexible und unbestimmte Grenze, die im Vorhinein im Gesetz normiert werden muss. § 2 Abs. 2 chinUWG darf somit nicht weit ausgelegt werden. Die nicht in §§ 5 bis 15 erwähnten Handlungen sind deshalb nicht als unlauter anzusehen.613 Die Gegenansicht weist drauf hin, dass § 2 Abs. 2 chinUWG angesichts der stets hinter der technischen Entwicklung hinterherhinkenden Gesetzgebung als Generalklausel, mit Auffangfunktion, angesehen werden soll, damit die Funktion des chinUWG sicher gewährleistet werden kann.614 Der letzten Meinung ist zuzustimmen. Das chinUWG benötigt eine Generalklausel, um vielfältige unlautere Wettbewerbshandlungen zu bekämpfen. Weil eine abschließende Aufzählung aller unlauteren Handlungen nicht möglich ist, darf man die Verbotstatbestände der §§ 5 bis 15 chinUWG nicht abschließend verstehen. Wenn sich das Verständnis der unlauteren Handlung nur auf die in §§ 5 bis 15 chinUWG erwähnten Handlungen beschränkt, entstünde unvermeidlich eine erhebliche Gesetzeslücke, die in der Praxis durch eine Gesetzesanalogie, weite Gesetzesauslegung oder einzelfallbezogene Interessenabwägung geschlossen werden müsste. Daraus ergibt sich, dass das Verständnis des § 2 Abs. 2 chinUWG als Generalklausel auch zu den objektiven Anforderungen an die Rechtspraxis passt, welche die Annahme als Generalklausel bereits mehrfach bejaht hat.615 Hierbei hat der OVGH ausführlich in seinem Beschluss erörtert, dass die Annahme der Unzulässigkeit einer nicht im chinUWG geregelten Wettbewerbshandlung durch Anwendung des § 2 Abs. 2 chinUWG als Generalklausel voraussetzt, dass sich (1) diese Handlung nicht in die Aufzählung der ausdrücklich vom Gesetz unlauteren Handlungen einordnen lässt, (2) die Handlung die berechtigten Interessen der Mitbewerber tatsächlich beeinträchtigt und, (3) die Handlung gegen die Geschäftsethik und den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt.616 Die Generalklausel des chinUWG ist ein subsidiärer Auffangtatbestand: Enthalten die spezifischen Vorschriften im zweiten Kapitel des chinUWG oder in den Nebengesetzen besondere Bestimmungen darüber, wie die Wettbewerbshandlungen zu qualifizieren sind, so werden diese Bestimmungen angewandt. § 2 Abs. 2 chinUWG ist als Generalklausel ein flexibles 613 ZHONG Mingzhao, Wettbewerbsrecht, S. 112f. 614 ZHANG Ping, The Chinese Journal of Law Application 2013, No. 3, S. 51. 615 Das zweite MVG Beijing, Fall Nr. 122 (2000), Er Zhong Zhi Chu Zi; VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 26213 (2014), Hai Min Zhi Chu Zi; IP Gericht Shanghai, Fall Nr. 54 (2016), Hu 73 Min Zhong Zi. 616 OVGH, Beschluss Nr. 1065 (2009), Min Shen Zi.

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Chinesisches Recht

Instrument des Lauterkeitsrechts und hat die Funktion, das Recht zu konkretisieren und funktionsgerecht fortzubilden, die Interessen auszugleichen und die Wettbewerbsordnung abzusichern.617 Dank der Generalklausel kann sich das chinUWG flexibel an die Herausforderungen der Zukunft anpassen.

II.

Bestimmung der Haftung von Plattformbetreibern in der Rechtspraxis

Wenn ein Plattformbetreiber die Tatbestände der geschützten absoluten Rechte nicht selbst verwirklicht, übernimmt er die gesamtschuldnerische Haftung nach § 36 Abs. 3 DelHaftG nur, wenn er weiß, dass ein Internetnutzer durch die Nutzung seiner Dienstleistung die geschützten zivilen Rechtsinteressen anderer verletzt, und keine notwendigen Maßnahmen ergreift. Für die Haftung des Plattformbetreibers ist zunächst maßgebend, ob er von den rechtswidrigen Inhalten oder Informationen weiß. Fraglich ist hier, wie man den Terminus »wissen« im DelHaftG verstehen soll. 1.

Erklärung des Begriffs »wissen« nach geltenden Rechtsnormen und Gerichtspraxis

Im Gesetzgebungsverfahren des DelHaftG ist dieses Wort mehrfach verändert worden. Zuerst verwendete der Gesetzgeber das Wort »sicher wissen«, dann wurde es durch »wissen« ersetzt. Später korrigierte der Gesetzgeber »wissen« in »wissen oder wissen sollen«. Schließlich ist der Terminus »wissen« im Gesetztext erhalten geblieben.618 Auch in der Literatur ist streitig, wie der Begriff »wissen« ausgelegt werden soll.619 Nach h. M. umfasst der Begriff »wissen« zwei Elemente: das »sicher wissen« und das »wissen müssen«.620 Dies sieht auch der OVGH so. Der Vizepräsident des OVGH hat in einem Bericht zur nationalen Entscheidungsarbeit im Bereich des Immaterialgüterrechts betont, dass »wissen« i. S.v. § 36 Abs. 3 DelHaftG nicht nur »sicher wissen«, sondern auch das »wissen müssen« umfassen soll, und sein Inhalt den §§ 22, 23 der »Vorschrift« ähnelt. § 22 der »Vorschrift« statuiert ein urheberrechtliches Haftungsprivileg für Host Provider. Nach § 22 Abs. 3 der »Vorschrift« haftet der Host Provider für von seinen Nutzern eingegebene Inhalte grundsätzlich nicht auf Schadensersatz, wenn er von den rechtswidrigen Inhalten nichts weiß und auch keine vernünftigen Gründe hat, von ihnen zu 617 618 619 620

ZHANG Ping, The Chinese Journal of Law Application 2013, No. 3, S. 48f. Vgl. XI Xiaoming, S. 263. Ausführlich WU Handong, China Legal Science 2011, No. 2, S. 43f. WANG Shengming, Kommentar zum chinesischen DelHaftG, S. 185; ZHANG Xinbao/REN Hongyan, Journal of Renmin University of China 2010, No. 4, S. 23.

Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung

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wissen. § 23 der »Vorschrift« sieht eine urheberrechtliche Haftung der Linksetzer und Suchmaschinenbetreiber vor. Danach muss der Linksetzer oder Suchmaschinenbetreiber die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen, wenn er Links zur Verfügung stellt, von denen er sicher weiß oder wissen musste, dass sie zu Inhalten führen, die fremde Urheberrechte verletzen. Diese Meinung hat der OVGH in Art. 8 Abs. 1 S. 2 Int-RVII wiederholt, der ausdrücklich regelt, dass das Verschulden des Internet Service Providers das Wissen oder Wissenmüssen der Rechtsverletzung seiner Kunden umfasst. Jedoch liefern die Gesetzesmaterialien keine Hinweise darauf, wie »nicht wissen«, »hat keinen vernünftigen Grund zu wissen«, »sicher wissen« oder »wissen müssen« zu beurteilen ist. Der Gerichtspraxis ist auch zu entnehmen, dass chinesische Gerichte versucht haben, den Begriff »wissen« über »sicher wissen« hinaus als »sicher wissen und wissen müssen« auszulegen. In älteren Entscheidungen wurde das Verschulden von Plattformbetreibern ausschließlich anhand von »sicher wissen« bestimmt. Im Fall »XinLi Musik« hatte der Beklagte auf seiner Website eine Navigation eingerichtet, die direkt zu einer bestimmten Unterseite führte, die den Internetnutzern Musikdateien anbot. Shandongs Oberes Volksgericht (OVG) und der OVGH waren der Ansicht, dass, weil der Rechteinhaber die Rechtsverletzung dem Plattformbetreiber nicht mitgeteilt hatte, nicht bewiesen werden konnte, dass der Beklagte sicher von den rechtswidrigen Inhalten gewusst hat.621 Dieses Urteil legt den Begriff »wissen« sehr eng aus, indem er ihn auf »sicher wissen« beschränkt. Nach Erlass der »Vorschrift« im Jahr 2006 wird der Begriff »wissen« etwas weiter verstanden. Im Fall »Ciwen Video Production Co., Ltd. v. Hainan Netcom« hatte der Beklagte auch auf seiner Website einen Film-Channel und eine Navigation eingerichtet, die direkt zu den geschützten Filmwerken auf anderen Websiten führte. In diesem Fall hat der OVGH die gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten bejaht, obwohl ihm nicht mitgeteilt wurde, dass sein Kunde über seine Dienste Rechtsverletzungen begangen hat, weil der Plattformbetreiber bei Einhaltung der minimalen Sorgfaltspflicht die Umstände hätte kennen müssen, welche die Rechtswidrigkeit der Inhalte offensichtlich machen.622 Der Sachverhalt ist mit der Entscheidung »Xinli Musik« vergleichbar, doch hat der OVGH offensichtlich seine Ansicht geändert.623 Festzuhalten bleibt, dass seit Erlass der »Vorschrift« von 2006 die Termini »sicher wissen« und »wissen müssen« auf der Gesetzgebungsebene und in der Gerichtspraxis beide als subjektive Zustände von »wissen« anerkannt sind. 621 Antwortschreiben des OVGH vom 2. 6. 2005 zum Fall »XinLi Musik«, (2005) Min San Ta Zi Nr. 2. 622 OVGH in der Zivilentscheidung (2009), Min Ti Zi Nr. 17. 623 SONG Haiyan, S. 37.

124 2.

Chinesisches Recht

»sicher wissen« und »wissen müssen«

Unter »sicher wissen« versteht man die positive tatsächliche Kenntnis der konkreten Inhalte oder Handlung.624 »Sicher wissen« ist ein subjektiver Bewusstseinszustand, der darauf hinweist, dass der Plattformbetreiber tatsächliche davon gewusst hat, z. B. indem er vom Rechteinhaber mit fundierten Beweisen bezeugt wird, dass sein Kunde mit Hilfe seines Dienstes eine Rechtsverletzung begangen hat.625 »Wissen müssen« ist eine rechtliche Vermutung des Wissenszustands, auch »Vermutungswissen« genannt. Das bedeutet, dass, wenn jemand mit der erforderlichen Sorgfalt die rechtswidrigen Inhalte kennen kann, es rechtlich vermutet wird, dass er die rechtswidrigen Inhalte gekannt hat, unabhängig davon, ob er von der Tat tatsächlich wusste oder sie aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht kannte.626 Hier bezieht sich »wissen müssen« grundsätzlich auf grobe Fahrlässigkeit,627 was einen Unterschied zu »Kennenmüssen« im deutschen Recht darstellt. § 122 Abs. 2 BGB liefert eine Legaldefinition für das Kennenmüssen mit Gültigkeit für das gesamte Privatrecht.628 Demnach bedeutet es eine infolge von Fahrlässigkeit entstandene Unkenntnis. Nach h. M. ist für die fahrlässige Unkenntnis jede Form der Fahrlässigkeit i. S. d. § 276 Abs. BGB ausreichend.629 Grobe Fahrlässigkeit ist nicht erforderlich.630 Demgegenüber genügt die einfache Fahrlässigkeit für »wissen müssen« im chinesischen Recht jedoch nicht. Also ein »wissen müssen« bedeutet ein auf grober Fahrlässigkeit beruhendes Nichtwissen.631 »Wissen müssen« eines Plattformbetreibers ist erst anzunehmen, wenn er irgendeine Rechtsverletzung Dritter deshalb nicht kennt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat.632 Wie erwähnt, ist das »wissen« ein subjektiver Bewusstseinszustand des Menschen. Es ist deshalb fraglich, mit welchen objektiven Kriterien dieser subjektive Zustand beurteilt werden kann. In der Rechtspraxis wird »sicher wissen« hauptsächlich aus einer Benachrichtigung durch die Rechteinhaber oder aus dem Verhalten des Plattformbetreibers selbst, z. B. eine inhaltliche Kontrolle, gefolgert. Dabei lässt sich allein 624 625 626 627 628 629 630 631 632

Ähnlich YANG Lixin, Journal of National Prosecutors College 2010, No. 2, S. 9. XI Xiaoming, Kommentar zur Interpretation und Leitentscheidung des OVGH, S. 244. Das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 33 (2011), Yi Zhong Min Wu Zhi Zhong Zi. KONG Xiangjun/LIU Zeyu/WU Jianying, Wettbewerbsrecht – Grundlage, Regelungen und Rechtsprechung, S. 223. Wendtland in: BeckOK BGB, § 122, Rn. 10. Wendtland in: BeckOK BGB, § 122, Rn. 10; Ellenberger in: Palandt, BGB, § 122, Rn. 5. Wendtland in: BeckOK BGB, § 122, Rn. 10; Ellenberger in: Palandt, BGB, § 122, Rn. 5. KONG Xiangjun/LIU Zeyu/WU Jianying, Wettbewerbsrecht – Grundlage, Regelungen und Rechtsprechung, S. 223. Vgl. PAN Xiuping, Schuldrecht: Grundlage, Regelungen und Entscheidungen, S. 264.

Spezielle Regelungen der gesamtschuldnerischen Haftung

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anhand der Tatsache, dass der Rechteinhaber eine Nachricht an den Plattformbetreiber gesendet hat, dessen Wissensstand noch nicht bestimmen. Wenn der Plattformbetreiber eine vollständige und schriftliche Nachricht erhalten hat, aus der er die rechtsverletzende Handlung seiner Kunden genau erkennen kann, kann man davon ausgehen, dass er von der Rechtsverletzung sicher weiß.633 Wenn aber die Situation eine andere und die Benachrichtigung nicht vollständig ist oder die schriftliche Form fehlt, muss man aus Sicht einer vernünftigen Person beurteilen, ob der Plattformbetreiber anhand der Information die rechtsverletzende Handlung seiner Kunden erkennen bzw. die rechtsverletzenden Inhalte herausfinden konnte. Wenn er trotz angemessener Sorgfalt die Rechtsverletzung nicht erkennen konnte, liegt das »sicher wissen« nicht vor. »Wissen müssen« ist ein rechtliches Vermutungswissen. Der OVGH hat die wichtigen Beurteilungskriterien der Entscheidungspraxis zur Bestimmung des Wissensstands »wissen müssen« in seiner Int-RVII zusammengefasst. Nach Art. 9 Int-RVII muss das Gericht bei der Bestimmung von »wissen müssen« folgende Kriterien berücksichtigen: (1) die Fähigkeit des Internet Service Providers zur Informationsverwaltung, je nach Art und Weise der erbrachten Dienstleistungen und des Risikos, unerlaubte Handlungen hervorzurufen; (2) Art und Beliebtheit der verbreiteten Werke und die Sichtbarkeit der rechtswidrigen Handlung; (3) ob der Internet Service Provider aus eigenem Antrieb die Werke ausgewählt, bearbeitet, modifiziert, empfohlen oder anderweitig behandelt hat; (4) ob er Maßnahmen aktiv ergriffen hat, um Rechtsverletzungen zu verhindern; (5) ob er geeignete Programme eingerichtet hat, um Mitteilungen der Rechteinhaber zu empfangen und um rechtzeitig auf die Benachrichtigung über die unerlaubte Handlung aufmerksam zu werden; (6) ob er angemessene Maßnahmen gegen wiederholte Zuwiderhandlungen eines Internetnutzers ergriffen hat. Art. 10 und 12 Int-RVII nennen noch einige Beispielsfälle von »wissen müssen« eines Plattformbetreibers: Wenn er die populären Inhalte, die seine Kunden rechtswidrig hochgeladen haben, in einer Position, wie z. B. auf der Homepage oder einer anderen primären Seite, platziert, wo es für den Plattformbetreiber leicht erkennbar ist, oder wenn er bei der Bereitstellung seines Dienstes populäre Filme und Fernsehserien etwa in einer Rangliste empfiehlt, kann das Gericht feststellen, dass er von der rechtswidrigen Handlung oder Information hätte wissen müssen. Von einem Teil der Literatur wurde vorgeschlagen, das »wissen müssen« des Plattformbetreibers auf die Fälle zu beschränken, in denen die Rechtswidrigkeit der Handlung seiner Kunden offensichtlich ist und anhand sog. »red flag« Kriterien erkannt werden kann. Wenn der Plattformbetreiber von der rechtswidrigen Handlung nicht weiß, muss ein »red flag«-Test durchgeführt werden, 633 CHEN Jinchuan, Urheberrechtliche Entscheidungen, S. 286.

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um festzustellen, ob er die Umstände kennen musste.634 Bei diesem Test wird zunächst ermittelt, ob der Plattformbetreiber das Vorhandensein der rechtswidrigen Inhalte oder Tätigkeiten subjektiv wahrgenommen hat. Wenn er bei Bereitstellung seines Dienstes die Inhalte, die seine Kunden eingegeben haben, auswählt, einordnet oder beschreibt, kann man davon ausgehen, dass er die Inhalte oder Tätigkeiten seiner Kunden subjektiv erkannt hat. Im nächsten Schritt ist nach einer objektiven Betrachtung festzustellen, ob die Rechtswidrigkeit der Inhalte oder Tätigkeiten aus der Sicht einer vernünftigen Person in gleicher Situation wie eine rote Flagge wirkt. Wenn die Rechtswidrigkeit des Umstands wie eine rote Flagge offensichtlich ist, der Plattformbetreiber aber die Vogel-Strauß-Taktik anwendet, d. h. er die rechtswidrigen Inhalte oder Handlungen einfach nicht zur Kenntnis nehmen will, so kann man den Schluss ziehen, dass er die rechtswidrige Tätigkeit seiner Kunden zumindest hätte kennen müssen.635 Nach den »red flag«-Kriterien muss der Plattformbetreiber die Tatsache und den Umstand der rechtverletzenden Handlung seiner Kunden subjektiv kennen. Ob auch die Rechtswidrigkeit des Umstands wie eine rote Flagge offensichtlich ist, soll nach objektiven Kriterien beurteilt werden, die der angemessenen Sorgfalt eines Plattformbetreibers entsprechen. Zur angemessenen Sorgfalt gehören z. B. die rechtzeitige Reaktion auf den Hinweis der Rechteinhaber und die Pflicht, wiederholte Verletzungshandlungen zu verhindern.636 3.

Bestimmung der notwendigen Maßnahmen

Sobald der Plattformbetreiber von den rechtsverletzenden Handlungen seiner Kunden weiß, muss er notwendige Maßnahmen unverzüglich ergreifen. In § 36 DelHaftG hat der Gesetzgeber keine konkreten Anforderungen an die notwendigen Maßnahmen gestellt. Ihr Umfang hängt von Kriterien wie z. B. der Art des Dienstes, der Durchführbarkeit der Technik, der Kosten und des Schwierigkeitsgrades der Maßnahmen sowie der Stärke der Zuwiderhandlung ab.637 In der Regel gehört zu den notwendigen Maßnahmen die Löschung der rechtswidrigen Inhalte, die Verwarnung oder vorübergehende Sperrung des Accounts, die Blockierung der IP-Adresse usw. Die Notwendigkeit der Maßnahmen wird begrenzt einerseits durch das zum Schutz der Interessen der Rechteinhaber an wirksamer Einstellung und Verhinderung der rechtsverlet634 Ähnlich YUAN Xiuting/HU Mi, Law Science 2009, No. 4, S. 159. 635 CAO Yang, IP 2012, No. 11, S. 28; WANG Qian, Urheberrecht im Internet, S. 190; JIANG Bo/ ZHANG Jinping, The Chinese Journal of Law Application 2009, No. 12, S. 53f. 636 CHEN Jinchuan, Urheberrechtliche Entscheidungen, S. 246; das zweite MVG Beijing, Fall Nr. 18 (2010), Er Zhong Zhi Chu Zi. 637 QIAN Yuwen/ZHANG Jialin, IP 2013, No. 2, S. 47.

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zenden Handlung Erforderliche;638 andererseits im Sinne eines Interessenausgleiches darauf, dass den Internetnutzern keine unangemessenen Nachteile entstehen dürfen.639 Insgesamt müssen die notwendigen Maßnahmen verhältnismäßig sein.

III.

Haftungsfolgen

Die Haftungsfolgen sind in § 15 DelHaftG geregelt. Bei der deliktischen Verletzung von Rechten gibt es acht Haftungsfolgen: Einstellung der Verletzung; Beseitigung der Störung oder Gefahr ; Herausgabe von Vermögen; Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands; Schadensersatz; Entschuldigung; Beseitigung der Auswirkungen und Wiederherstellung des guten Rufs. Diese Haftungsfolgen können allein oder kombiniert angewendet werden. Als mögliche Haftungsfolgen der Plattformbetreiber für mittelbare Rechtsverletzungen im Internet kommen vor allem die Einstellung der Verletzung, die Beseitigung der Gefahr und Schadensersatz in Betracht. 1.

Einstellung der Verletzung und Beseitigung der Gefahr

In der Praxis ist die Einstellung der Verletzung die häufigste Haftungsfolge. Bei mittelbaren Rechtsverletzungen hat der Plattformbetreiber häufig die günstigen Bedingungen angeboten, mit denen die Internetnutzer ihre rechtsverletzenden Handlungen durchführen und fortsetzen können. Damit die Vergrößerung des eingetretenen Schadens oder ähnliche Verletzungen in Zukunft verhindert werden, muss der Plattformbetreiber aufgefordert werden, die Verletzung einzustellen und künftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Der Plattformbetreiber ist einerseits verpflichtet, seine Mitwirkung an der aktuellen Rechtsverletzung einzustellen, andererseits muss er aufgrund seiner Sorgfaltspflicht versuchen, die konkrete Gefahr zu beseitigen, dass Rechtsinteressen anderer erneut geschädigt werden.640 In diesem Sinne hat die Gefahrbeseitigung auch eine proaktiv vorbeugende Funktion. Die üblichen Erscheinungsformen der Einstellung der Verletzung und Gefahrenbeseitigung sind die Löschung der rechtswidrigen Inhalte, die Sperrung des Accounts, die Trennung der Internetverbindung usw.

638 FENG Shujie, IP 2015, No. 5, S. 16. 639 MEI Xiaying/LIU Ming, Journal of Yantai University (Philosophy and Social Science Edition) 2013, No. 3, S. 28f. 640 Ähnlich LIU Xiaohai, GRUR Int 1999, 488, 492.

128 2.

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Schadensersatz

Der Schadensersatz zielt auf den Ausgleich eines erlittenen Schadens durch eine finanzielle Kompensation, er ist die zentrale deliktische Haftungsfolge in der chinesischen Rechtspraxis.641 Schadensersatz kann nicht nur bei der Verletzung von Vermögensrechten,642 sondern auch bei Körperverletzungen643 und immateriellen Schäden644 verlangt werden. Wenn der Plattformbetreiber von der Rechtsverletzung seiner Kunden gewusst oder an ihr mitgewirkt hat und es unterlassen hat, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, ist er zum Ersatz des Schadens verpflichtet. § 36 Abs. 2 DelHaftG hat den Haftungsumfang wie folgt festgelegt: Wenn der Plattformbetreiber gegen die Melden/Löschen-Regelung (notice and take down) verstößt, haftet er mit dem Internetnutzer gesamtschuldnerisch (nur) für den durch seine Unterlassung ausgeweiteten Teil des Schadens. Wenn der Plattformbetreiber gegen die Wissensregelung verstoßen hat, muss er mit dem Internetnutzer die vollständige gesamtschuldnerische Haftung übernehmen. Hier gibt es (ähnlich wie in § 43 DelHaftG bei der gesamtschuldnerischen Haftung von Hersteller und Verkäufer) einen Innenausgleich zwischen dem Plattformbetreiber und dem Nutzer, der die Rechtsgüter unmittelbar verletzt hat. Nach außen haftet der Plattformbetreiber als Gesamtschuldner auf Zahlung des vollen Schadensersatzes. Er kann jedoch seinerseits im Innenverhältnis von seinem Nutzer Ausgleich fordern.645 Weil der Plattformbetreiber nur an der Rechtsverletzung seines Nutzers mitgewirkt hat, soll er nur eine sekundäre Haftung übernehmen. Sein Anteil im Innenverhältnis richtet sich nach dem Grad des Verschuldens.646 In der Praxis wird der Schadensersatz nach dem chinUrhG und chinMarkenG zunächst nach dem tatsächlichen erlittenen Schaden des Verletzten berechnet.647 Der tatsächliche erlittene Schaden umfasst nicht nur die konkrete Vermögensminderung, sondern auch die Verhinderung einer Vermögensvermehrung.648 Wenn die Höhe des Schadensersatzes nach dem erlittenen Schaden allerdings nicht berechnet werden kann, kommt der Verletzergewinn als Methode der Berechnung des Schadenersatzes in Betracht.649 In Bezug auf die Reihenfolge der beiden Berechnungsmethoden hat der OVGH in einer justiziellen Interpretation 641 642 643 644 645 646 647 648 649

ZHANG Xinbao, Untersuchung der Deliktshaftung im Internet, S. 66. §§ 19, 20 DelHaftG. §§ 16, 17 DelHaftG. § 22 DelHaftG. BU Yuanshi, ZfRV 2010, 218, 220; QIAN Yuwen/ZHANG Jialin, IP 2013, No. 2, S. 48. WU Handong, Studies in Law and Business 2010, No. 6, S. 31. § 63 Abs.1 S. 1 chinMarkenG, § 49 Abs. 1 chinUrhG. LIU Xiaohai, GRUR Int 1999, 488, 494. § 63 Abs.1 S. 1 chinMarkenG, § 49 Abs. 1 chinUrhG.

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bestimmt, dass dem Rechteinhaber das Wahlrecht zusteht, den Schadensersatz nach dem erlittenen Schaden oder nach dem Verletzergewinn zu berechnen.650 Bei Markenrechtsverletzung kann der Schadenersatz um das Einfache und bis auf das Dreifache der durch die beiden Berechnungsmethoden berechneten Summe erhöht werden, wenn festgestellt wird, dass die Markenrechtsverletzungen vorsätzlich begangen worden ist.651 Kann der Schaden anhand dieser beiden Methoden auch nicht klar berechnet werden, wird er nach richterlichem Ermessen im Rahmen bestimmter Obergrenzen bestimmt.652 Bei Urheberrechtsverletzungen sieht § 49 Abs. 2 chinUrhG für Schadensersatzbeträge nach richterlichem Ermessen einen Maximalbetrag von RMB 500.000 Yuan vor. Bei Markenrechtsverletzungen liegt die Obergrenze des gesetzlich festgelegten Schadensersatzes nach § 68 Abs. 3 chinMarkenG bei RMB 30.000.000 Yuan. Ausführlicher war diese Obergrenze bisher von dem Gesetzgeber nicht begründet worden. Solche Obergrenze wird häufig infrage gestellt, weil sie in der Praxis häufig nicht ausreicht, um den tatsächlichen Verlust des Verletzten zu decken, insbesondere, wenn mehrere Schutzrechte des Rechteinhabers verletzt werden.653 Zu berücksichtigen ist auch, dass der vom Richter nach eigenem Ermessen festgesetzte Schadensersatz trotz hoher Justizeffizienz die Privatautonomie beeinträchtigen könnte, denn nach einem solchen richterlichen Ermessen greift der Staat in die Rechtssphäre der Bürger ein. Damit ein Ausgleich zwischen Effizienz und Fairness der Justiz gewährleistet wird, sollte diese Art der Schadensberechnung in der Gerichtspraxis nur begrenzt angewendet werden. Das Gericht sollte sich bemühen, den Schadensersatz möglichst konkret anhand des erlittenen Schadens oder des Verletzergewinns zu berechnen. Zu erwähnen ist, dass § 76 Abs. 1 Entwurf zum chinUrhG dem Rechteinhaber ein Wahlrecht zwischen den drei Berechnungsmethoden gibt. 3.

Andere Haftungsfolgen

Der Plattformbetreiber ist auch verpflichtet, sich beim Rechteinhaber zu entschuldigen, wenn er durch seine Mitwirkung an der Rechtsverletzung deren persönliche Interessen beeinträchtigt hat. Nach h. M. wird die öffentliche Entschuldigung nur bei Verletzung der persönlichen Interessen gewährt.654 Danach haftet der Plattformbetreiber nur auf eine öffentliche Entschuldigung, wenn er durch seine Mitwirkung das Veröffentlichungsrecht, das Namensnennungsrecht, das Änderungsrecht oder das Recht auf Schutz der Unversehrtheit des 650 651 652 653 654

§ 10 Int-UrhCN. § § 63 Abs. 1 S. 2 chinMarkenG. CAO Jingjing, GRUR Int 2009, 292, 295. CAO Jingjing, GRUR Int 2009, 292, 296. WANG Liming, Die Forschung des Deliktsrechts I, S. 648.

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Chinesisches Recht

Werkes beeinträchtigt hat, also bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Bei ihnen oder bei einer Verletzung des geschäftlichen Rufs kann der Plattformbetreiber auch auf Beseitigung der negativen Auswirkungen und auf Wiederherstellung des guten Rufs verpflichtet werden. 4.

Abweichende Haftungsfolgen im chinUWG

Die Vorschriften des chinUWG sind durch Zivilklage der Betroffenen und vor allem durch die Intervention der Industrie- und Handelsverwaltungsabteilungen der VR China auf und über der Kreisstufe durchzusetzen. Im Vergleich zu Deutschland, wo die unlautere Handlung nahezu nur mit zivilrechtlichen Mitteln bekämpft wird,655 können die Wettbewerbsverstöße in der VR China sowohl mit Zivil- als auch mit Straf- und Verwaltungssanktionen verfolgt werden. a) Strafrechtliche Haftung Das chinUWG sanktioniert einige Wettbewerbsverstöße ausschließlich strafrechtlich. Wann ein solches normverletzendes Verhalten strafrechtlich sanktioniert werden kann, sollen die Justizorgane nach den Vorschriften des Strafgesetzes der VR China656 (chinStG) und des Strafprozessgesetzes der VR China (chinStPG)657 bestimmen. Das im Jahr 1997 durch den Nationalen Volkskongress modifizierte Strafgesetz enthält viele Straftatbestände über den unlauteren Wettbewerb. Zum Beispiel sieht § 21 Abs. 2 chinUWG eine strafrechtliche Verfolgung vor, wenn der Absatz falscher oder minderwertiger Ware eine Straftat ist. Im 1. Abschnitt des dritten Kapitels des chinStG wird das Produzieren und Verkaufen falscher oder minderwertiger Ware verboten. Deshalb kann die unlautere Handlung, die mit dem Vertrieb falscher oder minderwertiger Waren verbunden ist, mit der Strafrechtssanktion nach dem 1. Abschnitt des dritten Kapitels des chinStG verfolgt werden. Die wesentlichen mit unlauteren Handlungen verbundenen Straftatbestände sind z. B. die Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 163 chinStG), die Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 164 chinStG), Rufschädigung (§ 221 chinStG), Falschwerbung (§ 222 chinStG) und Verletzung von Geschäftsgeheimnissen (§ 219 chinStG). b) Verwaltungsrechtliche Haftung Damit der Staat einerseits eine faire Wettbewerbsordnung gewährleisten und sich andererseits einen notwendigen Eingriff in das Wirtschaftsleben vorbe655 Ohly in: Ohly/Sosnitza, UWG, Einführung, Rn. 5. 656 Verabschiedet durch den Nationalen Volkskongress am 1. 7. 1979, am 1. 1. 1980 in Kraft getreten, zuletzt geändert am 29. 8. 2015. 657 Verabschiedet durch den Nationalen Volkskongress am 1. 7. 1979, am 1. 1. 1980 in Kraft getreten, zuletzt geändert am 14. 3. 2012.

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halten kann, obliegt den Verwaltungsbehörden in der VR China die Durchsetzung des chinUWG. Wenn eine Wettbewerbshandlung die Interessen der Allgemeinheit oder der Verbraucher nicht unerheblich verletzt, können sie auch verwaltungsrechtlichen Sanktionen verhängen. Die verwaltungsrechtliche Haftung wegen Wettbewerbsverstößen richtet sich nach §§ 21 bis 30 chinUWG. Dies setzt voraus: das Vorliegen (1) einer verwaltungsrechtswidrigen Handlung und (2) der gesetzlichen Haftungsgrundlagen; (3) ein Verschulden des Handelnden, soweit das Gesetz nichts Abweichendes bestimmt.658 Die Haftungsfolgen nach dem chinUWG sind folgende: (1) Einstellung der rechtswidrigen Handlung nach Anweisung der Verwaltungsbehörden; (2) Beseitigung der Auswirkung nach Anweisung der Verwaltungsbehörden; (3) Verwaltungsdisziplinarmaßnahmen; (4) verwaltungsrechtliche Geldbußen; (5) Einziehung des illegalen Vermögens; (6) Entzug oder Aufhebung des Gewerbescheins (§§ 21 bis 30 chinUWG). Zu betonen ist, dass nach dem chinUWG neben die verwaltungsrechtlichen Sanktionen auch die strafrechtliche Verantwortlichkeit trifft, wenn der Sachverhalt eine Straftat bildet. § 28 Beratungsentwurf des chinUWG vom 25. 2. 2016 sieht zum ersten Mal eine verwaltungsrechtliche Haftung des Plattformbetreibers vor, der den Wettbewerbsverstoß zwar nicht unmittelbar verursacht, aber daran mitgewirkt hat. Hiernach kann die Überwachungs- und Prüfungsabteilung gegen den Unternehmer eine Geldbuße in Höhe von 100.000 bis 1.000.000 RMB verhängen, wenn er den Wettbewerbsverstoß anderer fördert, von dem er Kenntnis hat oder hätte Kenntnis haben müssen.659 c) Zivilrechtliche Haftung Schadenersatzansprüche können sich aus § 20 chinUWG ergeben. Nach § 20 Abs. 1 chinUWG haftet ein Unternehmer, der gegen dieses Gesetz verstößt und einen anderen Unternehmer schädigt, auf den Ersatz des Schadens. Da Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche im chinUWG nicht vorgesehen sind, lassen sich solche Ansprüche auf die allgemeinen Vorschriften des AGZ und des DelHaftG stützen. In der Praxis sind die Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche von der Rechtsprechung anerkannt. In § 17 Beratungsentwurf des chinUWG werden die Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche ausdrücklich geregelt.660 Im Vergleich zu den Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen, die kein Verschulden voraussetzen, setzt der Schadensersatzanspruch auch im Lauterkeitsrecht stets Verschulden voraus. 658 KONG Xiangjun/LIU Zeyu/WU Jianying, Wettbewerbsrecht – Grundlage, Regelungen und Rechtsprechung, S. 323f. 659 Diese Vorschrift ist jedoch aus dem E-chinUWG gestrichen worden. 660 Der in § 17 Beratungsentwurf des chinUWG vorgesehene Unterlassungsanspruch ist aber aus dem E-chinUWG gestrichen worden.

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Chinesisches Recht

Der Umfang des Schadensersatzes wird in § 20 Abs. 1 chinUWG geregelt: Die Höhe des Schadensersatzes hat zunächst dem tatsächlichen Schaden zu entsprechen. Wenn der erlittene Schaden des Verletzten nicht eindeutig berechnet werden kann, soll der Ersatzbetrag dem Gewinn entsprechen, den der unlauter Handelnde durch seine lauterkeitswidrige Handlung aus der Rechtsverletzung gezogen hat. Außerdem muss der unlauter Handelnde die angemessenen Kosten übernehmen, die der Verletzte zur Untersuchung der unlauteren Wettbewerbshandlungen aufgewandt hat.

IV.

Auskunftspflicht

Der OVGH hat in Art. 4 der »Interpretation zu einigen Fragen betreffend die Anwendung des Rechts in Zivilrechtsstreitigkeiten über Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Internet«661 (Int-PerRInt) die Auskunftspflicht der Plattformbetreiber geregelt. Art. 4 Int-PerRInt lautet: »(1) Wenn der Kläger einen Internet Service Provider verklagt und dieser sich damit verteidigt, dass die angeblich verletzenden Informationen von seinem Nutzer stammen, kann das Volksgericht aufgrund des Antrags des Klägers und der besonderen Umstände vom Internet Service Provider fordern, dem Gericht den Namen, die Kontaktinformation, die Netzwerkadresse und andere Informationen über den Nutzer mitzuteilen. (2) Verweigert der Internet Service Provider die Auskunft über die vorstehend genannten Informationen ohne rechtfertigenden Grund, kann das Volksgericht Maßnahmen wie die Geldbuße gegen den Internet Service Provider gemäß § 114 des Zivilprozessgesetzes ergreifen.«

Die Anonymität im Internet gewährleistet wertvolle Räume der Meinungsfreiheit, kann aber auch dazu führen, dass z. B. die Identifizierung von Rechtsverletzungen im Internet dem Rechteinhaber nur selten gelingt. Nach entsprechenden Rechtsnormen in China erhält der Plattformbetreiber aufgrund seines Geschäftsmodells die Registerinformationen, Namen, Kontaktinformationen, den Account, die IP-Adresse, die Domain und andere personenbezogene Daten.662 Er kann mit Hilfe der Technik die wahre Identität der Täter identifizieren. Fraglich ist, wer unter welchen Bedingungen die personenbezogenen Daten der vermuteten Täter verlangen kann. Des Weiteren ist fraglich, wie ein Ausgleich zwischen der Auskunftspflicht und der Verschwiegenheitspflicht663 für personenbezogene Daten im Internet geschaffen werden kann. 661 Fashi (2014) Nr. 11, verabschiedet am 21. 8. 2014 und am 10. 10. 2014 in Kraft getreten. 662 Vgl. § 14 »Maßnahmen zu Internetdienstleistungen«, Amtsblatt vom Staatsrat 2000, Nr. 34; §§ 14, 15 »Richtlinien zur Administration von elektronischen Nachrichtendienstleistungen im Internet«, Amtsblatt vom Staatsrat 2001, Nr. 25. 663 § 3 Beschluss des ständigen Ausschusses des nationalen Volkskongresses über die Stärkung

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In der chinesischen Gesetzgebungsgeschichte finden sich zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen. Die »Vorschrift« geht von der Staatsmacht aus. Nach § 13 der »Vorschrift« kann die Verwaltungsabteilung für das Urheberrecht vom Internet Service Provider die Bekanntgabe der personenbezogenen Daten, wie z. B. Namen, Kontaktinformationen und IP-Adresse des vermuteten Täters, verlangen, damit die Zuwiderhandlung untersucht und verfolgt werden kann. Diese Regelung gilt nicht für private Personen, da nach der »Vorschrift« Anspruchsteller nur ein Verwaltungsorgan sein kann. Für Privatpersonen gibt die (aufgehobene) Int-UrhCN. Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie besagte: Wenn der Urheberrechtsinhaber eine Rechtsverletzung feststellt und dem Internet Service Provider Warnhinweise gibt oder ihn auffordert, Registrierungsdaten des vermuteten Täters bekanntzugeben, der aber seinerseits keinen Nachweis seines Urheberrechts und keine Beweisunterlagen der vorhandenen Rechtsverletzung vorlegt, sollen seine Warnhinweise und Aufforderungen auf Auskunft als nicht abgegeben gelten. Im Gegenzug bedeutet diese Regelung, dass, wenn der Rechteinhaber entsprechende Nachweise vorlegt und die Rechtsverletzung beweisen kann, er vom Internet Service Provider Auskunft über personenbezogene Daten des vermuteten Täters verlangen kann. Wenn der Internet Service Provider die Auskunftserteilung ohne rechtfertigenden Grund verweigert, haftet er nach § 106 AGZ.664 Doch lässt sich auf diese Weise die Verschwiegenheitspflicht des Internet Service Providers und der Informationsschutz des Internetnutzers nicht ausreichend gewährleisten. Der Staatsmachtmodus eignet sich besser zum Ausgleich des Spannungsfeldes zwischen der Verschwiegenheitspflicht des Internet Service Providers, dem Schutz der Interessen der Rechteinhaber und dem Datenschutz des Internetnutzers. Auf dieser Grundlage erließ der OVGH Art. 4 Int-PerRInt. Danach darf das Volksgericht auf Antrag des Klägers und nach den Umständen des Sachverhalts vom Internet Service Provider Auskunftserteilung verlangen. Wenn der Internet Service Provider ohne rechtfertigenden Grund die Auskunft verweigert, kann das Volksgericht ihn anweisen, diese Pflicht zu erfüllen, und auch Geldbußen verhängen. Bei Anwendung von Art. 4 Int-PerRInt sind jedoch die folgenden Voraussetzungen zu beachten: (1) Der Kläger muss bereits eine Klage gegen den Internet Service Provider eingereicht und dieser muss sich damit verteidigt haben, des Informationsschutzes im Internet: »Internet Service Provider und andere Unternehmen, Institutionen und ihre Angestellten müssen die elektronischen personenbezogenen Daten, die in Geschäftstätigkeiten gesammelt werden, streng vertraulich behandeln und dürfen sie nicht verraten, verändern, beschädigen, verkaufen oder illegal an Dritte weitergeben.« (erlassen und in Kraft getreten am 28. 12. 2012). 664 § 106 AGZ: »Wenn Bürger oder juristische Person gegen Verträge verstoßen oder andere Pflichten nicht erfüllen, müssen sie die zivile Haftung dafür übernehmen.«

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Chinesisches Recht

dass sein Nutzer die angeblich verletzenden Inhalte eingegeben hat. (2) Der Kläger kann die personenbezogenen Daten des Nutzers aus objektiven Gründen nicht selbst in Erfahrung bringen. Dann darf der Kläger gemäß § 64 Abs. 2 des Zivilprozessgesetzes665 beim Volksgericht beantragen, den Internet Service Provider aufzufordern, entsprechende Daten mitzuteilen. (3) Das Volksgericht muss nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen, ob eine Auskunft des Internet Service Providers erforderlich ist. (4) Die Auskunftserteilung beschränkt sich auf den konkreten Verletzungsfall. (5) Der Internet Service Provider kann aus bestimmten Gründen aus der Auskunftspflicht entlassen werden, wenn z. B. die gesetzlichen oder vertraglichen Aufbewahrungsfristen für personengezogene Daten des angeblichen Täters überschritten sind.666 Das Volksgericht darf keine Geldbuße festsetzen, wenn die Erfüllung der Auskunftserteilung unmöglich ist.

D.

Zwischenergebnis

Im Haftpflichtrecht gilt in China grundsätzlich die Verschuldenshaftung. Eine Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen seines Nutzers setzt also Verschulden voraus. Nach § 36 Abs. 3 DelHaftG liegt Verschulden vor, wenn der Plattformbetreiber die Zuwiderhandlung seines Nutzers sicher weiß oder bei erforderlicher Sorgfalt hätte kennen müssen. Unter »wissen« versteht § 36 Abs. 3 DelHaftG »sicher wissen« und »wissen müssen«. »Sicher wissen« wird durch objektive Umstände oder Tatsachen, z. B. eine Nachricht des Rechteinhabers, bestätigt. »Wissen müssen« wird durch den »red flag«-Test bestimmt, der sowohl den subjektiven Wissensstand des Plattformbetreibers als auch seine objektive Sorgfaltspflicht berücksichtigt. Der deutsche Terminus »Störerhaftung« existiert im chinesischen Recht nicht. Im chinesischen Recht wird die Haftung der Plattformbetreiber für mittelbare Rechtsverletzungen stets als gesamtschuldnerische Haftung bzw. als Anstiftung oder Beihilfe behandelt. Regelmäßig haftet der Plattformbetreiber auf Unterlassung, Beseitigung und Schadensersatz. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass das chinesische Recht für Schadensersatzansprüche immer ein Verschulden voraussetzt, während die Unterlassungund Beseitigungsansprüche nach herrschender Lehre verschuldensunabhän665 § 64 Abs. 2 Zivilprozessgesetz: »Beweise, welche die Parteien und ihre Prozessvertreter aus objektiven Gründen nicht selbst sammeln können, bzw. Beweise, welche das Volksgericht für die Behandlung des Falles als erforderlich ansieht, muss das Volksgericht selbst untersuchen und sammeln.« 666 LU Xiaoming, Presentday Law Science 2010, No. 3, S. 13.

Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern

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gig zu gewähren sein sollen.667 Nach Aufforderung des Volksgerichts kann im Einzelfall der Plattformbetreiber auch zur Auskunft über personenbezogene Daten seines Nutzers verpflichtet sein, damit der Kläger den Täter ermitteln kann. In der Rechtspraxis ist neben dem neuen DelHaftG die »Vorschrift« von großer Bedeutung für die Bestimmung der Haftung von Plattformbetreibern. Mit ihr wollte der chinesische Gesetzgeber eine umfassende Gesetzesgrundlage schaffen, um die Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Rechtsverletzungen adäquat zu regeln und andererseits den nötigen Schutz der Rechteinhaber zu gewährleisten.

E.

Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen

Damit das Internet funktionieren und sich weiterentwickeln kann, darf der Plattformbetreiber nicht durch eine unvorhersehbare und unangemessene Haftung belastet werden.668 Vielmehr ist ein Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern und Plattformbetreibern erforderlich, der von den traditionellen Rechtsregelungen der Offline-Welt nur schwer geschaffen werden kann. Deshalb hat der chinesische Gesetzgeber versucht, die Haftung des Plattformbetreibers für das Fehlverhalten seiner Kunden mit verschiedenen Instrumenten einzuschränken.

I.

Safe-Harbor-Bestimmung

Am 28. 10. 1998 wurde der Digital Millennium Copyright Act (DMCA) in den USA in Kraft gesetzt. § 512 (a)-(d) DMCA, die sog. »Safe-Harbor«-Bestimmung, gewährt unter bestimmten Bedingungen eine Reihe von Haftungsprivilegierungen für die verschiedenen Internet Service Provider. Der chinesische Gesetzgeber hat eine solche Safe-Harbor-Bestimmung in die »Vorschrift« eingeführt mit dem Ziel, den Internet Service Providern keine unangemessenen Nachteile zu bereiten und die Entwicklung des Internets zu schützen und voranzutreiben.669 667 HE Yudong, IP 2008, No. 6, S. 73 f; ZHENG Chengsi, Global Law Review 2004 (Winter), S. 461; LUO Haocai/SUN Wanzhong, Kommentar zur Rechtsprechung des Volksgerichts: Geistiges Eigentum, S. 324. 668 XUE Hong, Urheberrechtliche Haftung der Internet Service Provider, S. 140. 669 JIANG Zhipei, China Copyright 2004, No. 2, S. 8f.

136 1.

Chinesisches Recht

Die chinesischen Safe-Harbor-Bestimmungen für Plattformbetreiber

Die chinesischen Safe-Harbor-Bestimmungen finden sich in §§ 22–23 der »Vorschrift« von 2006, die den vier Arten von Diensteanbietern Schutz vor Inanspruchnahme durch den Geschädigten verschaffen. Für den Host Provider bzw. Plattformbetreiber gilt § 22. Nach § 22 der »Vorschrift« haftet der Plattformbetreiber für die Tätigkeit der Speicherung von Informationen des Internetnutzers nicht auf Schadensersatz, wenn der Plattformbetreiber : (1) klar darauf hinweist, dass der Speicherplatz für seine Nutzer bereitgestellt wird und er der Öffentlichkeit seinen Namen, den Ansprechpartner und die Internetadresse bekannt macht, und (2) keine Änderung an Inhalten vornimmt, die von seinem Nutzer zur Verfügung gestellt werden, und (3) nicht weiß oder keine vernünftigen Gründe hat, zu wissen, dass die von seinem Nutzer zur Verfügung gestellten Inhalte eine Rechtsverletzung darstellen, und (4) keinen direkten finanziellen Vorteil von seinem Nutzer erhält, der die Inhalte zur Verfügung stellt, und (5) nachdem er eine schriftliche Mitteilung des Rechteinhabers erhalten hat, die Inhalte, die der Rechteinhaber für eine Rechtsverletzung hält, unverzüglich entfernt. Die chinesische Safe-Harbor-Bestimmung regelt ausdrücklich, dass die Haftungsbefreiung ausschließlich für Schadensersatzansprüche gilt. Andere Ansprüche, insbesondere Unterlassung- und Beseitigungsansprüche, bleiben unberührt.670 Die umfassende Safe-Harbor-Bestimmung in § 512 DMCA soll die Bedingungen für eine Haftungsprivilegierung definieren und zugleich das »notice and take down« (NTD) Verfahren regeln. Mit anderen Worten enthält die »Safe-Harbor-Bestimmung« zwei Regelungen, d. h. materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Bestimmungen. In China wird das konkrete Verfahren zur Meldung und Entfernung (NTD) rechtswidriger Inhalte in §§ 14–17 der »Vorschrift« separat geregelt.671

2.

Rechtsnatur der Safe-Harbor-Bestimmung

Die Safe-Harbor-Bestimmung sagt nicht, wie üblicherweise die Haftungsnormen des chinesischen Rechts, unter welchen Voraussetzungen die in Anspruch 670 Orth, S. 178. 671 Siehe hierzu ausführlich unten Teil 2, Abschnitt E.II.5.

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genommene Person für einen Schaden einzustehen hat. Sie regelt vielmehr die Privilegierungsvoraussetzungen. In der chinesischen Literatur und Rechtspraxis wird über die Rechtsnatur der Safe-Harbor-Bestimmung heftig diskutiert. Eine Meinung betrachtet die Safe-Harbor-Bestimmung als haftungsbegründende Regelung. Danach müsse der Plattformbetreiber die Schadensersatzhaftung übernehmen, wenn er die Voraussetzungen in § 22 der »Vorschrift« nicht erfüllt.672 Nach der Gegenansicht hat die Safe-Harbor-Bestimmung außerhalb der Interpretation der Verschuldensformen des Internet Service Providers keine Bedeutung.673 In einigen Gerichtsurteilen wurde die Safe-Harbor-Bestimmung als haftungsbegründende Regelung verstanden. Im Urteil »shuren-soft gegen Heyi« hat das OVG Beijing ausdrücklich gesagt, dass, nur wenn der VideoPlattformbetreiber alle fünf Voraussetzungen gemäß § 22 der »Vorschrift« erfüllt, seine Schadensersatzhaftung ausgeschlossen werden kann, ansonsten muss er die Haftung übernehmen.674 Diese Meinung ist nicht überzeugend, denn sie setzt die haftungsausschließende mit einer haftungsbegründenden Regelung gleich. Die Safe-Harbor-Bestimmung ist jedoch nicht die Kehrseite der haftungsbegründenden Regelung.675 Diese Meinung verwechselt die haftungsausschließende Regelung mit der haftungsbegründenden. Andere Autoren heben hervor, dass die Safe-Harbor-Bestimmung nur eine haftungsausschließende Funktion hat und keine haftungsbegründende Regelung darstellt.676 Dieser Meinung ist zuzustimmen, weil es wichtig ist, die Voraussetzungen der SafeHarbor-Bestimmung von den Tatbestandmerkmalen der deliktischen Haftung zu trennen. Die Safe-Harbor-Bestimmung soll die Haftung der Internet Service Provider für bestimmte Tätigkeiten einschränken bzw. ihre Schadensersatzhaftung ausschließen.677 Die deliktische Haftung der Plattformbetreiber für mittelbare Rechtsverletzungen muss aber nach dem DelHaftG mit der gesamtschuldnerischen Haftung begründet werden. Wenn der Plattformbetreiber die Voraussetzungen der Safe-Harbor-Bestimmung nicht erfüllt, muss er nicht automatisch auf Schadensersatz haften, sondern es müssen die Tatbestände der deliktischen Haftung geprüft werden. Seine Verantwortlichkeit muss nach den allgemeinen Haftungsvorschriften im DelHaftG, AGZ usw. begründet werden. Die Safe-Harbor-Bestimmung hat keinen Einfluss auf die Haftungsbegründung

672 SHENTU Caifang, S. 100. 673 LIU Xiao, Journal of Qiqihaer University (Philosophy and Social Science Edition) 2011, No. 4, S. 73. 674 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 9200 (2008), Hai Min Chu Zi; vgl. OVG Beijing, Fall Nr. 1190 (2007), Gao Min Zhong Zi. 675 XIE Guanbin/SHI Xueqing, IP 2008, No. 1, S. 85. 676 ZHANG Jin/GUO Silun, S. 232. 677 MEI Shuwen/WEN Bo, Electronics IP 2009, No. 11, S. 19.

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als solche,678 andernfalls würde gegen die allgemeinen Haftungsprinzipien verstoßen. Die Safe-Harbor-Bestimmung ist deshalb eine haftungsausschließende Regelung; sie kann nicht zur Haftungsbegründung dienen. Wenn der Plattformbetreiber die Voraussetzungen des Safe Harbors nicht erfüllt, haftet er nicht unbedingt. Dabei ist es gleichgültig, ob die Tatbestände der deliktischen Haftung vor oder nach den Voraussetzungen der Safe-Harbor-Bestimmung geprüft werden.679

II.

Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung

Im Folgenden werden die fünf Voraussetzungen der Safe-Harbor-Bestimmung und die Gerichtspraxis näher untersucht. 1.

Tätigkeit zur Bereitstellung des Speicherplatzes

§ 22 Nr. 1 der »Vorschrift« fordert vom Plattformbetreiber, dass er auf seine Tätigkeit zur Bereitstellung des Speicherplatzes für seine Nutzer hinweisen muss. Zudem muss er seinen Namen, den Ansprechpartner und die Internetadresse der Öffentlichkeit bekannt machen. Nur wenn der Plattformbetreiber die notwendigen Informationen der Öffentlichkeit bekannt gibt, kann der Rechteinhaber mit ihm umgehend in Kontakt treten und ihm eine Rechtsverletzung mitteilen. Der Plattformbetreiber kann dann die notwendigen Maßnahmen treffen, um eine Vergrößerung des Schadens zu verhindern.680 In der Praxis richten die meisten Plattformbetreiber eine Internetseite mit den erforderlichen Kontaktdaten ein. Dies reicht nach in der Gerichtspraxis für § 22 Nr. 1 der »Vorschrift« aus.681 2.

Veränderung der Inhalte

Um sich die Haftungsprivilegierung zu erhalten, darf der Plattformbetreiber nach § 22 Nr. 2 der »Vorschrift« die Inhalte, die von seinen Kunden stammen, nicht verändern. Bei den zahllosen Informationen, die von den Internetnutzern eingegeben werden, ist der Plattformbetreiber grundsätzlich nicht in der Lage, tatsächliche Kenntnis von sämtlichen Inhalten zu nahmen. Aber wenn der Plattformbetreiber die Inhalte aktiv bearbeitet oder verändert, ist die Annahme 678 679 680 681

CHEN Jinchuan, The Chinese Journal of Law Application 2012, No. 9, S. 28. Vgl. Holznagel, S. 24. WU Weiguang, S. 214f. Das zweite MVG Beijing, Fall Nr. 9 (2009), Er Zhong Min Zhong Zi.

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gerechtfertigt, dass er die rechtswidrigen Inhalte zur Kenntnis genommen hat, damit verliert er seine rein technische neutrale Stellung. Was die »Veränderung« im Sinne der »Vorschrift« bedeutet, ist in der Gerichtspraxis sehr umstritten. Früher vertrat das Volksgericht eine sehr strenge Ansicht. Im Fall »shurensoft gegen Heyi« etwa war ein Video ohne Einwilligung der Rechteinhaber von einem Dritten auf der Videoplattform »youku.com« des Beklagten zum Abruf bereitgestellt worden. Sobald das Video gespielt wird, wird ein transparentes Logo von youku.com in einer Ecke des Videos eingeblendet. Das Volksgericht Beijing Haidianbezirk entschied, dass die Einblendung des Logos eine Veränderung der Werke i. S.v. § 22 Nr. 2 der »Vorschrift« sei, die zugleich zur Kennzeichnung der Urheberquelle des Videos dienen könne.682 In weiteren Entscheidungen hat das VG Beijing Haidianbezirk diese Ansicht bestätigt.683 Diese Auffassung ist jedoch zu streng, weil sie die Funktion der Safe-Harbor-Bestimmung unterläuft. Wenn der Plattformbetreiber die ursprünglichen Inhalte nicht verändert, behält er seine technische neutrale Stellung. Wenn er aber die von seinen Kunden eingegebenen Inhalte initiativ verändert oder bearbeitet, wandelt sich seine neutrale Stellung als Host Provider in eine aktive Stellung als Content Provider. Dies ist mit dem »Zueigenmachen« fremder Inhalte in der deutschen Praxis vergleichbar. Im Fall »shuren-soft gegen Heyi« und in ähnlichen Fällen wurde das Logo der Plattform automatisch in das Video eingefügt und die Darstellung der ursprünglichen Werke nicht wesentlich verändert. Deshalb sollte diese Handlung nicht als eine »Veränderung« i. S.v. § 22 Nr. 2 der »Vorschrift« verstanden werden. In einer späteren Entscheidung hat das Volksgericht seine Ansicht korrigiert.684 Das OVG Beijing hat sich in seinen »Leitlinien zur Handhabung von einigen Problemen bei urheberrechtlichen Streitigkeiten im Internet I«685 (Leit-UrhIntBeijing) ähnlich geäußert. Nach deren Art. 24 bedeutet eine »Veränderung« i. S.v. § 22 Nr. 2 der »Vorschrift« die Inhaltsänderung der Werke im Unterschied zu einer bloßen Veränderung der Form oder des Formats. Eine Einblendung des Logos, eine Veränderung des Speicherformats oder das Einfügen von Werbung sollen nicht als eine Veränderung angesehen werden. Diese Leitlinien befolgt das erste mittlere Volksgericht (MVG) Beijing in der späteren Gerichtspraxis.686 Zusammenfassend muss die »Veränderung« wesentlich sein. Nur wenn der Plattformbetreiber die Werke willentlich und wissentlich verändert und die

682 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 9200 (2008), Hai Min Chu Zi. 683 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 14025 (2008), Hai Min Chu Zi; Fall Nr. 20961 (2008), Hai Min Chu Zi; Fall Nr. 22186 (2008), Hai Min Chu Zi. 684 Das zweite MVG Beijing, Fall Nr. 9 (2009), Er Zhong Min Zhong Zi. 685 Jing Gao Fafa (2010) Nr. 166, erlassen am 19. 5. 2010. 686 Das erste MVG Beijing, Fall Nr. 4387 (2011), Yi Zhong Min Zhong Zi.

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formale Darstellung der Werke wesentlich geändert wird, darf man eine »Veränderung« i. S.v. des § 22 Nr. 2 der »Vorschrift« annehmen. 3.

Auslegung von »nicht wissen« und »haben keine vernünftigen Gründe zu wissen«

Der Haftungsausschluss in § 22 Nr. 3 der »Vorschrift« hängt vom Wissensstand des Plattformbetreibers ab. Wenn er von den rechtswidrigen Inhalten nichts weiß und auch keine vernünftigen Gründe hat, von ihnen zu wissen, kann er von einer Schadensersatzhaftung entlastet werden. Fraglich ist, wie »nicht wissen« und »haben keine vernünftigen Gründe zu wissen« hier zu verstehen ist. Logisch kann man »sicher wissen« als das Gegenteil von »nicht wissen« verstehen, entsprechend »haben vernünftige Gründe zu wissen« als das Gegenteil von »haben keine vernünftigen Gründe zu wissen«. Bemerkenswert ist, dass der OVGH in § 23 der »Vorschrift« bei der Haftungsprivilegierung für Links und Suchmaschinenbetreiber erneut das bereits in Kapitel 2 diskutierte Begriffspaar »sicher wissen und wissen müssen« verwendet. Hier ist fraglich, welche Unterschiede und Verbindungen zwischen »haben vernünftige Gründe zu wissen« und »wissen müssen« bestehen. Nach einer Meinung bedeutet »haben vernünftige Gründe zu wissen«, dass, wenn der Person die Tatsachen oder Umstände bekannt sind, die das Vorhandensein einer Zuwiderhandlung ausreichend vermuten lassen, das Wissen im rechtlichen Sinn festgestellt ist. Danach ist gleichgültig, ob die Person tatsächlich von der rechtwidrigen Handlung oder Information gewusst hat. Im Fall des »wissen müssen« indes ist entscheidend, ob die rechtsverletzende Handlung durch eine sorgfältige Untersuchung einer vernünftigen Person hätte erkannt werden können. Im Unterschied zum »haben vernünftige Gründe zu wissen« enthalte »wissen müssen« außerdem eine sorgfältige Untersuchungspflicht.687 Diese Meinung überzeugt bei einer systematischen Auslegung der »Vorschrift« nicht. In § 23 der »Vorschrift« wird »wissen müssen« verwendet, um den Wissensstand von Suchmaschinenbetreibern zu beschreiben. In § 22 der »Vorschrift« hingegen, der für Host Provider gilt, benutzt der OVGH »haben keine vernünftigen Gründe zu wissen«. Die Überprüfung auf rechtswidrige Inhalte ist für Host Provider technisch offensichtlich einfacher als für Suchmaschinenbetreiber, weil der Host Provider die Inhalte auf seinem eigenen Server speichert. Der OVGH konnte logischerweise keine strengere Pflicht oder eine sorgfältige Untersuchungspflicht ausgerechnet für Suchmaschinenbetreiber vorsehen. In der Tat erläutert der OVGH in seinem offiziellen Kommentar zur »Vorschrift«, dass die Anforderungen an den Wissensstand der Host Provider garantieren 687 LIU Jiarui, IP 2009, No. 2, S. 17.

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sollen, dass sie ihre Dienste in gutem Glauben bereitstellen können. Voraussetzung der Haftungsprivilegierung nach § 22 Nr. 3 sei, dass der Host Provider von der Rechtsverletzung weder sicher weiß noch hätte wissen müssen.688 Anzunehmen ist, dass der OVGH keine Absicht hatte, »haben vernünftige Gründe zu wissen« von »wissen müssen« zu unterscheiden. Vor diesem Hintergrund muss »haben vernünftige Gründe zu wissen« in § 22 Nr. 3 der »Vorschrift« als »wissen müssen« verstanden werden. Wenn der Plattformbetreiber von der Rechtsverletzung seines Nutzers sicher weiß oder von ihr hätte wissen müssen, kann er sich nicht auf die Safe-Harbor-Bestimmung berufen.

4.

Keine direkte Gewinnerzielung

Um das Haftungsprivileg zu genießen, darf der Plattformbetreiber nach § 22 Nr. 4 der »Vorschrift« keine direkten finanziellen Vorteile von seinem Nutzer erhalten, der die rechtsverletzenden Inhalte hochgeladen hat. Die Kriterien zur Feststellung eines direkten finanziellen Gewinns sind in der Rechtspraxis umstritten. Einige Volksgerichte sind der Ansicht, dass der Plattformbetreiber aus rechtsverletzenden Handlungen oder Inhalten seiner Kunden einen direkten finanziellen Gewinn erhalte, wenn die rechtswidrigen Handlungen oder Inhalte mehr Internetnutzer anziehen und dies dazu führe, dass der Plattformbetreiber mit der Einblendung der Werbung mehr Einkommen erzielen könne.689 Andere Volksgerichte wenden strengere Kriterien zur Bestimmung des direkten finanziellen Gewinns an. Im Urteil »Ciwen Film gegen die Videoplattform 56.com« führt das VG Beijing Chaoyangbezirk aus, dass, obwohl die Plattform 56.com die Werbung auf ihrer Website eingeblendet habe, sie doch keine Gebühren von dem Nutzer eingezogen und sein Video der Öffentlichkeit kostenlos angeboten habe. Daher könne man einen direkten finanziellen Gewinn nicht feststellen.690 Das OVG Beijing hat in seinen Leit-UrhInt Stellung zur Feststellung des direkten finanziellen Gewinns genommen. Das Entgelt, das der Host Provider von seinen Nutzern nach der Nutzungsdauer oder dem Nutzungsaufwand erzielt, und die Werbeeinnahmen, die er von Dritten erhält, können nicht als ein direkter finanzieller Gewinn i. S.v. § 22 Nr. 4 der »Vorschrift« betrachtet werden. Das gilt allerdings nicht für das Einkommen aus einer Werbung, die gezielt auf rechtswidrige Inhalte eingeblendet wird.691 Das OVG Beijing wendet die Kriterien zur Feststellung des direkten finanziellen Gewinns sehr streng an und erweitert damit den Anwendungsbereich der Safe-Harbor-Bestimmung. Diese Gedanken 688 689 690 691

ZHANG Jianhua, S. 85. VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 24752 (2008), Hai Min Chu Zi. Vgl. das zweite MVG Beijing, Fall Nr. 9 (2009), Er Zhong Min Zhong Zi. Art. 25 Leit-UrhInt-Beijing.

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werden vom OVGH bestätigt. Nach Art. 11 Int-RVII werden nur die Einnahmen, die direkt der rechtsverletzenden Handlung zuzuschreiben sind, als direkter finanzieller Gewinn i. S.v. § 22 Nr. 4 der »Vorschrift« betrachtet. Angesichts der neutralen Stellung und der erwünschten Geschäftstätigkeit der Plattformbetreiber wäre es unangemessen, alle Einkommen eines Plattformbetreibers als direkte finanzielle Vorteile anzusehen. Entscheidend ist der direkte Zusammenhang zwischen dem Vorteil und der rechtsverletzenden Handlung oder Inhalte, d. h. die Vorteile müssen genau aus den rechtswidrigen Handlungen oder Inhalten selbst stammen. 5.

Notice and Take Down

Der Haftungsausschluss hängt nach § 22 Nr. 5 der »Vorschrift« weiter davon ab, dass der Plattformbetreiber nach einer Mitteilung des Rechteinhabers, den rechtsverletzenden Inhalt unverzüglich aus dem Internet entfernt. Wie bereits erwähnt, regeln §§ 14–17 der »Vorschrift« das konkrete Verfahren zur Meldung und Entfernung (NTD) rechtswidriger Inhalte. Danach kann der Rechteinhaber durch eine schriftliche Mitteilung den Plattformbetreiber auffordern, die angeblich rechtswidrigen Inhalte zu entfernen oder die Verbindung zu ihnen zu trennen. Um in den Safe Harbor einzutreten, muss der Plattformbetreiber nach Erhalt der vollständigen Mitteilung vom Rechteinhaber diese an seinen Nutzer, der die Inhalte zur Verfügung gestellt hat, weiterleiten und die betreffenden Inhalte entfernen oder den Zugang zu ihnen sperren. Wenn die Mitteilung dem Nutzer z. B. wegen Hinterlegung falscher Kontaktdaten nicht weitergeleitet werden kann, soll der Plattformbetreiber den Inhalt der Mitteilung im Internet bekannt geben. §§ 16, 17 der »Vorschrift« regeln das »Counter Notice and Restore Access« (CNRA) Verfahren. Demnach hat der Internetnutzer, der die angeblich rechtswidrigen Inhalte zur Verfügung stellt, das Recht, der Mitteilung eine schriftliche Gegenmitteilung (Counter Notice) über die behauptete Rechtsverletzung entgegenzusetzen. Nach Erhalt der Gegenmitteilung muss der Plattformbetreiber die entfernten Inhalte unverzüglich wiederherstellen oder die Sperrung des Zugangs zu diesen Inhalten aufheben und die Gegenmitteilung an den Rechteinhaber weiterleiten. Der Rechteinhaber kann dann einen deliktischen Anspruch direkt gegen den unmittelbaren Täter erlangen. Er darf dann eine mit der ersten Mitteilung inhaltlich identische Meldung gemäß dem NTD-Verfahren nach § 17 Abs. 2 der »Vorschrift« nicht wiederholen. Wichtig ist, dass nur eine vollständige Mitteilung wirksam ist.

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a)

Die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen einer vollständigen Mitteilung Die Mitteilung soll den Plattformbetreiber darauf hinweisen, dass auf seinem Server rechtswidrige Inhalte gespeichert sind.692 Um die Haftung wegen Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen auszuschließen, muss der Plattformbetreiber nach Erhalt der Mitteilung die angeblich rechtswidrigen Inhalte entfernen. Vor diesem Hintergrund muss die Mitteilung bestimmte formelle und inhaltliche Voraussetzungen erfüllen. Der Plattformbetreiber soll die rechtswidrigen Inhalte ohne großen Zeitaufwand aus der Masse von Informationen gezielt herausfinden und ggf. die Unklarheiten rechtzeitig mit dem Rechteinhaber klären können, damit willkürliche Mitteilungen vermieden werden, die gegen den Zweck der NTD-Bestimmung verstoßen. Die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen einer Mitteilung nennt § 14 der »Vorschrift«. Eine vollständige Mitteilung muss in Schriftform erfolgen und den Namen, die Kontaktdaten des Rechteinhabers, den Titel und die konkrete Internetadresse des verletzenden Inhaltes sowie den vorläufigen Beweis für die Zuwiderhandlung enthalten. Da die »Vorschrift« die Schriftform hier nicht definiert, muss man ihr nicht unbedingt die klassische Form eines papiergebundenen Schreibens verstehen.693 Nach § 11 Vertragsgesetz694 (chinVG) gehören die schriftliche Niederlegung des Vertragsinhalts, Briefwechsel, Telegramme, Fernschreiben, Faxe, elektronischer Datenaustausch und E-Mails zu den Schriftformen. Unbestritten reicht es für die Schrittform der Mitteilung aus, wenn deren Inhalt einen sichtbaren Ausdruck gefunden hat. Dies hat der OVGH im Art. 13 Int-RVII bestätigt. Die Information in der Mitteilung muss die inhaltlichen Anforderungen von § 14 der »Vorschrift« erfüllen und eindeutig sein. Die Rechtswirkung der unvollständigen Mitteilung wird von § 14 der »Vorschrift« jedoch nicht geregelt. Fraglich ist in der Praxis, ob eine unvollständige Mitteilung absolut wirkungslos ist, insbesondere wenn der Rechteinhaber keine konkreten URLs der verletzenden Inhalte angegeben hat. Meines Erachtens müssen hinsichtlich ihrer Wirkung zwei Situationen unterschieden werden. (1) Wenn die Mitteilung des Rechteinhabers weder konkrete URLs noch andere Informationen enthält, anhand derer der Plattformbetreiber die angeblich rechtsverletzenden Inhalte herausfinden kann, muss man die Mitteilung für wirkungslos halten. Im Fall »Fanya gegen Baidu« hatte der Kläger eine Mittei692 WANG Qian, Urheberrechtsschutz im Internet, S. 253. 693 CHEN Jinchuan, Urheberrechtliche Entscheidungen, S. 281. 694 § 11 chinVG: »Schriftform bedeutet eine Form, bei der die Inhalte einen sichtbaren Ausdruck finden können, wie mit Vertragsurkunden, Briefen oder elektronischen Datenschriftstücken, einschließlich Telegramme, Fernschreiben, Faxe, ausgetauschte elektronische Daten und E-mails.«

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lung an den Beklagten gesendet, die jedoch nur Titel und Texte der Lieder enthielt, an den der Kläger Urheberrechte besaß. Das OVG Beijing weist darauf hin, dass zum einen unterschiedliche Lieder den gleichen Namen haben können und zum anderen die betroffenen Texte auch in einer rechtmäßigen Anwendung, z. B. einer Lieder-Bewertung, enthalten sein können. Mit der vorhandenen Technik könne der beklagte Plattformbetreiber die rechtsverletzenden Inhalte allein anhand der mitgeteilten Titel und Texte ohne großen Zeit- und Kostenaufwand nicht identifizieren. Vielmehr droht die Gefahr, dass andere rechtmäßige Inhalte zu Unrecht entfernt würden. Deshalb sei die Mitteilung des Klägers nach § 14 der »Vorschrift« wirkungslos.695 Der Ansicht des OVG Beijing ist zuzustimmen, denn die wirkungsvolle Mitteilung soll sicherstellen, dass der Plattformbetreiber nicht unangemessen belastet und legitime Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. In diesem Fall ist es angemessen, zu verlangen, dass der Rechteinhaber in der Mittelung unter Nennung der konkreten URLs darauf hinweist, welche Inhalte ohne seine Zustimmung zum Download angeboten werden. (2) Davon zu unterscheiden ist die Situation, dass die Mitteilung des Rechteinhabers nicht alle Anforderungen von § 14 der »Vorschrift« erfüllt, der Plattformbetreiber aber die konkrete Position der rechtswidrigen Inhalte identifizieren kann. Als neutrale Host Provider kann er die auf seinem Server gespeicherten rechtsverletzenden Inhalte nur schwer erkennen. Die Mitteilung soll ihn genau darauf hinweisen, dass sein Dienst an möglichen Rechtsverletzungen mitgewirkt hat. Unterlässt er es dennoch, nach Erhalt dieser Mitteilung, notwendige Maßnahmen zu ergreifen, dann trifft ihn ein Verschulden an dem eingetretenen Schaden. Deshalb hat die Mitteilung auch die Funktion eines Hinweises auf ein Verschulden. Auch eine unvollständige Mitteilung kann darauf hinweisen, dass Rechte verletzt werden, und den Plattformbetreiber auffordern, entsprechende Maßnahmen zu treffen.696 In Bezug auf ihre Funktion als Verschuldenshinweis wäre es unangemessen, der Mitteilung jegliche Wirkung ganz abzusprechen. Sofern die Mitteilung inhaltlich ausreicht, damit der Plattformbetreiber die rechtswidrigen Inhalte ohne großen Zeit- und Kostenaufwand herausfinden kann, darf er seine Tätigkeit zur Entfernung der rechtswidrigen Inhalte nicht unterlassen. Für eine wirksame Mitteilung genügt es insoweit, wenn sie eine überzeugende Information enthält, die zur Identifizierung der angeblich rechtswidrigen Inhalte führen kann. Bei einer unvollständigen Mitteilung kann der Plattformbetreiber den Rechteinhaber auffordern, die nötigen Informationen nachzureichen.697 In Art. 4 Leit-UrhInt-Beijing wird die Mittei695 OVG Beijing, Fall Nr. 1201 (2007), Gao Min Chu Zi. 696 SHENTU Caifang, S. 122. 697 SHENTU Caifang, S. 122.

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lung des Rechteinhabers als eine »überzeugende Warnung« interpretiert, welche die Identität des Rechteinhabers, den Nachweis der Rechtsinhaberschaft und den vorläufigen Beweis der Rechtsverletzung enthalten soll.698 Wenn eine unvollständige Mitteilung ohne konkrete URLs solche überzeugenden Informationen enthält, darf ihre Wirkung und Funktion als Verschuldenshinweis nicht verneint werden. b) Das Verhältnis zwischen der Mitteilung und der Pflicht zum Tätigwerden § 15 der »Vorschrift« sieht vor, dass der Internet Service Provider nach Empfang der Mitteilung die angeblich rechtswidrigen Inhalte, einschließlich der Links, unverzüglich entfernen oder den Zugang zu ihnen sperren soll. Was den Wortlaut »soll« angeht, gibt es eine Meinung, die den Plattformbetreiber gesetzlich für verpflichtet hält, nach Empfang der Mitteilung die Maßnahmen zu treffen, andernfalls haftet er auf Schadensersatz.699 Diese Meinung verkennt die Hauptfunktion des NTD-Verfahrens, dem Plattformbetreiber einen bequemen Mechanismus zur Lösung der Streitigkeit anzubieten. Wenn er nach Erhalt der Mitteilung die erforderlichen Maßnahmen ergreift und die übrigen Voraussetzungen der Safe-Harbor-Bestimmung erfüllt, tritt er in den Safe Harbor ein und haftet nicht auf Schadensersatz für Rechtsverletzungen seines Nutzers. Der Plattformbetreiber hat selbstverständlich das Recht, den Inhalt der Mitteilung zu prüfen. Wenn er glaubt, dass die Mitteilung keine Rechtsverletzung enthält, muss er keine Maßnahmen treffen. In diesem Fall haftet er nicht automatisch, sondern er verliert nur den Schutz des Safe Harbor. Nach Erhalt der Mitteilung zu handeln ist nur eine Voraussetzung für den Haftungsausschluss und keine gesetzliche Pflicht. Wenn sich der Inhalt der Mitteilung später als falsch herausstellt, haftet der Plattformbetreiber nicht als Gesamtschuldner, denn es liegt keine unmittelbare Rechtsverletzung vor. Auch eine akzessorische Haftung ist ausgeschlossen. Wie bereits erwähnt, hat die Mitteilung die Funktion, im Fall eines rechtswidrigen Unterlassens auf das Verschulden hinzuweisen. Aber die Mitteilung kann weder das Verschulden noch eine Handlungspflicht direkt begründen, denn die Mitteilung könnte arglistig oder falsch sein.700 Deshalb soll der Plattformbetreiber die Möglichkeit haben, zu prüfen, ob der Verdacht bestätigt oder ausgeräumt werden kann. Das Ergreifen von Maßnahmen ist nur eine Voraussetzung dafür, dass seine Haftung durch die Safe-Harbor-Bestimmung ausgeschlossen wird. Wenn er keine Maßnahmen trifft, besteht eine gesetzliche Handlungspflicht zur Entfernung der rechtswidrigen Inhalte erst, 698 JIANG Zhipei, in: Digitaltechnik und Urheberrecht, S. 209. 699 Ähnlich CHEN Jinchuan, Urheberrechtliche Entscheidungen, S. 286. 700 Das erste MVG Beijing, Fall Nr. 10170 (2005), Yi Zhong Min Chu Zi; Fall Nr. 8478 (2005), Yi Zhong Min Zhong Zi; Fall Nr. 7978 (2005), Yi Zhong Min Chu Zi.

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nachdem der Inhalt der Mitteilung bestätigt und das Vorliegen der angeblichen Rechtsverletzung bewiesen ist. Er muss dann die gesamtschuldnerische Haftung für den durch die Verzögerung oder Unterlassung der Maßnahmen ausgeweiteten Teil des Schadens übernehmen. c) Die angemessene Reaktionsfrist Um in den Safe Harbor einzutreten, muss der Plattformbetreiber gemäß § 15 der »Vorschrift« die rechtswidrigen Inhalte unverzüglich entfernen oder den Zugang zu ihnen sperren, sobald er die Mitteilung vom Rechteinhaber erhalten hat. In der Praxis ist die Auslegung des Begriffs »unverzüglich« umstritten.701 In § 14 des Entwurfs der »Vorschriften«702 hieß es, dass der Internet Service Provider innerhalb von fünf Tagen nach Kenntniserlangung entsprechende Maßnahmen treffen muss. In der späteren »Vorschrift« wurde jedoch die Reaktionsfrist gestrichen. Eine gesetzliche feste Frist, die zu einer unangemessenen Benachteiligung des Plattformbetreibers führen kann, ist auch nicht erforderlich. Denn seine Reaktionsfrist hängt von vielen komplizierten objektiven Umständen ab, sie ist unterschiedlich z. B. nach Werktypen, verschiedenen Fähigkeiten, Umfang der rechtsverletzenden Inhalte usw. Eine feste Reaktionsfrist kann all diese Umstände nicht angemessen erfassen. Nach Meinung des OVGH in Art. 14 IntRVII sind für die Beurteilung der Unverzüglichkeit die Form und Genauigkeit der Mitteilung, die Schwierigkeit der Maßnahmen, die Natur der Dienste, die Art, Beliebtheit und Menge der betreffenden Inhalte entscheidend. Wenn der Plattformbetreiber nach den besonderen Umständen des Einzelfalls ohne schuldhaftes Zögern gehandelt hat, ist er unverzüglich tätig geworden.703 6.

Zwischenergebnis

Die Safe-Harbor-Bestimmung dient dem Ausgleich der Interessen des Internet Service Providers und der Rechteinhaber und sie sichert eine Weiterentwicklung technischer Internetdienste. In der Rechtspraxis kennt § 22 der »Vorschrift« ein umfassendes System zur Haftungsprivilegierung des Plattformbetreibers. Wenn er die genannten fünf Voraussetzungen erfüllt, ist seine Schadensersatzhaftung ausgeschlossen. Dabei spielt die NTD-Bestimmung eine wichtige Rolle. Die NTD-Bestimmung selbst begründet keine Haftung, sondern bewirkt in Verbindung mit anderen Voraussetzungen nur einen Haftungsausschluss.704 701 VG Beijing Chaoyangbezirk, Fall Nr. 21731 (2008), Chao Min Chu Zi; VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 3355 (2007), Hai Min Chu Zi. 702 Entwurf der »Vorschriften«, unter: http://www.gov.cn/zwhd/2005-10/17/content_78781.htm, abgerufen am 23. 5.2017. 703 Ähnlich Orth, S. 188. 704 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 21305 (2008), Hai Min Chu Zi.

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Der chinesische Gesetzgeber will die Safe-Harbor-Bestimmung auch in das neue UrhG einführen, um eine umfassende und sichere Rechtsgrundlage für die (privilegierte) Behandlung mittelbarer Rechtsverletzungen des Internet Service Providers zu schaffen. Im Entwurf zum chinUrhG705 wird neben der Safe-Harbor-Bestimmung das NTD-Verfahren in § 2, das Verschuldensprinzip in § 3 und die Beihilfe- und Anstiftungshaftung des Internet Service Providers für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen in § 4 geregelt. Zu berücksichtigen ist auch, dass der OVGH in Art. 1 Int-RVII ausdrücklich gesagt hat, dass das Volksgericht bei seiner Entscheidung einen Ermessensspielraum hat und dabei einen Interessenausgleich zwischen Rechteinhaber, Internet Service Provider und der Öffentlichkeit erzielen soll. Hier bleibt deshalb Raum für die Auslegung und Rechtsfortbildung, um Gesetzeslücken zu schließen.706

III.

Haftungsprivilegierung der Plattformbetreiber für die Mitwirkung an Markenrechtsverletzungen Dritter

In den letzten Jahren hat sich der E-Commerce in China explosionsartig entwickelt. Ein erfolgreiches Vorbild ist das Online-Auktionshaus Taobao,707 das bereits mehr als hundert Millionen aktive Mitglieder hat. Zugleich werden aber zahlreiche Plagiate von Markenartikeln zum Kauf angeboten. Wie bereits erwähnt, gilt die »Vorschrift« zunächst nur für Urheberrechtsverletzungen und enthält – anders als das deutsche TMG – keine bereichsübergreifende Privilegierung. Anders als im Urheberrecht fehlt es in China im Markenrecht an spezifischen Regelungen zur Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern für mittelbare Markenrechtsverletzungen. In der Praxis wenden die chinesischen Volksgerichte die urheberrechtlichen Regelungen analog und die allgemeinen Vorschriften im DelHaftG auch auf andere Rechtsgebiete, insbesondere auf Markenrechtsverletzungen, an.708 Das Markenrecht ist zwar eng mit dem Urheberrecht verwandt, weist aber einige grundlegenden Unterschiede auf.709 Die folgende Leitentscheidung soll die Haftung der Plattformbetreiber für mittelbare Markenrechtsverletzungen und zugleich die Haftungsprivilegierung veranschaulichen. 705 706 707 708

Siehe hierzu oben Teil 2, Abschnitt C.I.2. XIONG Wencong, Journal of Comparative Law 2014, No. 4, S. 133f. Taobao wurde 2003 von Jack Ma gegründet und gehört zur Alibaba-Gruppe. VG Shanghai Pudongneubezirk, Fall Nr. 426 (2010), Pu Min San Zhi Chu Zi; das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 40 (2011), Yi Zhong Min Wu Zhi Zhong Zi; ZHANG Jin, Electronics IP 2012, No. 3, S. 42; WANG Shengming, Kommentar zum chinesischen DelHaftG, S. 183; LIU Runtao, Electronics IP 2015, No. 11, S. 51. 709 LIU Runtao, Electronics IP 2015, No. 11, S. 52.

148 1.

Chinesisches Recht

Die Entscheidung »Yi Nian gegen Taobao«

Der Kläger Yi Nian ist ein Handelsunternehmen für Textilbekleidung. Die ELand GmbH hat dem Kläger das ausschließliche Nutzungsrecht ihr eingetragenen Marken Nr. 1545520 und Nr. 1326011 eingeräumt. Darunter ist die Bekleidungsmarke »TEENIE WEENIE«, die in China sehr beliebt und in Shanghai eine berühmte Marke ist. Der Beklagte zu 1) Guofa DU verkaufte bei Taobao.com, der Beklagten zu 2), gefälschte Kleidungsstücke der Marke »TEENIE WEENIE«. Die Einzelhandelspreise für diese gefälschten Kleidungsstücke betrugen ein Fünftel oder sogar ein Zehntel des Originalpreises. Darüber hinaus waren die gefälschten Waren von sehr schlechter Qualität, woraus eine immense Abwertung der Marke resultierte. Nachdem der Kläger die rechtsverletzende Handlung von Guofa DU bemerkt hatte, hat er Taobao siebenmal durch schriftliche Mitteilung aufgefordert, die rechtsverletzenden Waren zu entfernen und notwendige vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, damit ähnliche Rechtsverletzungen in Zukunft vermieden werden können. Taobao hat nur die beanstandeten gefälschten Waren entfernt und keine anderen Maßnahmen getroffen. Der Kläger machte geltend, Taobao hafte für die beanstandeten Markenverletzungen seines Nutzers DU, weil es Taobao möglich und zumutbar gewesen sei, weitere rechtsverletzende Angebote durch notwendige Maßnahmen zu verhindern. Das VG Shanghai Pudongneubezirk wies darauf hin, dass Taobao die wiederholten rechtsverletzenden Handlungen von DU bekannt gewesen seien und jener keine notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, obwohl er technisch und rechtlich dazu in der Lage gewesen sei. Taobao stellte seine Dienste weiterhin für den unmittelbaren Täter bereit. Damit, so das Gericht, hatte Taobao die Markenverletzung billigend in Kauf genommen. Taobao handelte damit vorsätzlich und musste die gesamtschuldnerische Haftung für die Mitwirkung an der Markenverletzung übernehmen.710 In der zweiten Instanz hat das MVG Shanghai dieses Urteil bestätigt.711 2.

Analyse der Entscheidung

a)

Bestimmung der gesamtschuldnerischen Haftung für mittelbare Markenrechtsverletzungen Im Zeitpunkt der Entscheidung »Yi Nian gegen Taobao« von 2011 waren das neue chinMarkenG und deren AusfVO noch nicht erlassen worden. Das Volksgericht begründete die gesamtschuldnerische Haftung von Taobao deshalb mit Hilfe von § 36 DelHaftG. In diesem Fall hat das erste MVG Shanghai zunächst 710 VG Shanghai Pudongneubezirk, Fall Nr. 426 (2010), Pu Min San Zhi Chu Zi. 711 Das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 40 (2011), Hu Yi Zhong Min Wu Zhi Zhong Zi.

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den Verkaufsplattformbetreiber als Host Provider eingeordnet. Er hat für seine Nutzer nur den Speicherplatz und die Infrastruktur bereitgestellt, aber den Markenrechtsverstoß nicht selbst begangen. Der Plattformbetreiber kann die rechtsverletzende Handlung seines Nutzers nicht vorhersehen. Aus diesem Grund soll er nicht uneingeschränkt für fremde Rechtsverletzungen Dritter auf Schadensersatz haften. Das erste MVG Shanghai hat daraufhin folgende Tatsachen festgestellt: Der Kläger hatte seit 2006 bei Taobao mehrfach die markenrechtsverletzende Handlung von DU reklamiert. Die Mitteilung des Klägers erhielt die relevanten Tatsachen und Gründe einschließlich eindeutiger URLs der rechtsverletzenden Waren, die die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen einer vollständigen Mitteilung gemäß § 14 der »Vorschrift« erfüllten. Nach Erhalt der Mitteilung musste Taobao die angeblichen URLs untersuchen, sodass er mit einem gewissen Vorverständnis an die entsprechenden Umstände herangegangen war. Als ein Verkaufsplattformbetreiber, der häufig mit Beschwerden und Reklamationen konfrontiert ist, sollte Taobao nach einer Untersuchung der betreffenden Waren deren Rechtswidrigkeit zur Kenntnis nehmen können. Außerdem hatte DU seine Waren ausdrücklich beschrieben: »Die von mir angebotenen Waren sind teils gefälscht, günstig, aber von guter Qualität.« Als Taobao die in der Mitteilung erwähnten Angebote aus seiner Plattform entfernte, musste er die Warenbeschreibung von DU gelesen haben und kannte somit deren rechtsverletzende Handlung. Darüber hinaus habe DU der Mitteilung des Rechteinhabers nichts entgegengesetzt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung würde eine Person nicht schweigen, wenn ihre rechtmäßig angebotenen Waren von der Plattform entfernt werden. Sie würde definitiv Taobao mit einer Gegenmitteilung auffordern, die gelöschten Waren wiedereinzustellen. In diesem Fall hatte Taobao die Angebote von DU mehrmals von seiner Plattform entfernt und ihm die entsprechenden Mitteilungen des Rechteinhabers weitergegeben. Trotzdem hatte DU sich nicht verteidigt. Demgemäß hatte Taobao vernünftige Gründe zu wissen, dass DU rechtswidrig gehandelt hat.712 Es ist offensichtlich, dass das Volksgericht hiermit einen »red flag«-Test durchgeführt hat. Das Gericht ermittelte zunächst, ob Taobao das Vorhandensein der rechtswidrigen Tätigkeit von DU subjektiv durch die Untersuchung der URLs nach Erhalt der Ermittlung wissen konnte. Dies ist eine subjektive Betrachtung im Rahmen des »red flag«-Tests. Dann wurde festgestellt, dass Taobao aus Sicht eines vernünftigen Plattformbetreibers die Rechtswidrigkeit erkennen konnte. Dieser Schritt gehört zur objektiven Betrachtung i. S. d. »red flag«-Tests. Wenn Taobao trotz Kenntnis der wiederholten illegalen Handlungen keine angemessenen Maßnahmen zur Verhinderung der Rechtsverletzung ergreift und seine Dienste weiter demselben Nutzer anbietet, kann man feststellen, dass er mit dem Be712 Das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 19 (2009), Yi Zhong Min Wu Zhi Zhong Zi.

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reitstellen seiner Dienste an der Rechtsverletzung seines Nutzers schuldhaft mitwirkt. Daher musste er die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen.

b) Anwendung der Safe-Harbor- und der NTD-Bestimmung im Markenrecht Seit Einführung der Safe-Harbor-Bestimmung durch die »Vorschrift« von 2006 hat das chinesische Volksgericht diese Reglung nicht nur in urheberrechtlichen Streitigkeiten angewendet, sondern auch analog in anderen Rechtsbereichen, insbesondere im Markenrecht. Das 2009 erlassene DelHaftG regelt NTD ausdrücklich in § 36 Abs. 2. Das DelHaftG hat den Anwendungsbereich der NTDBestimmung auf den gesamten zivilen Deliktsbereich einschließlich der Markenverletzungen ausgeweitet.713 Im vorliegenden Fall wird die erste Instanz darauf hingewiesen, dass wenn DU durch die Nutzung des Internets das Markenrecht verletzt, der Kläger berechtigt ist, Taobao mitzuteilen, dass er notwendige Maßnahmen, wie z. B. eine Löschung, Abschirmung oder Trennung der Internetverbindung, ergreifen soll. Der Kläger hatte insgesamt sieben schriftliche Mitteilungen an Taobao gesendet, nachdem er die markenverletzenden Waren erstmals auf der Plattform gefunden hatte. Jedes Mal hatte Taobao nach Erhalt der Mitteilung die rechtsverletzenden Waren entfernt. Die erste Instanz hat ausdrücklich erklärt, dass die Befolgung der NTD-Bestimmung eine der Voraussetzungen zur Haftungsprivilegierung des Plattformbetreibers sei. Die zweite Instanz bejahte die Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung der ersten Instanz. Damit halten beide Instanzen die ursprünglich für das Urheberrecht vorgesehenen Safe-Harbor- und NTD-Bestimmungen nun gemäß § 36 Abs. 2 DelHaftG auch im Bereich des Markenrechts für anwendbar. Doch reicht allein die NTD-Bestimmung in § 36 Abs. 2 DelHaftG nicht aus, die Haftungsprobleme des Plattformbetreibers für mittelbare Markenrechtsverletzungen befriedigend zu lösen, denn sie enthält keine so konkreten Verfahrensbestimmungen wie die »Vorschrift«. Deshalb wendet das Volksgericht in der Rechtspraxis, insbesondere was die Bestimmung der Mitteilung betrifft, die konkreten Regelungen der »Vorschrift« in der Regel entsprechend an.714 Durch die Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung im Markenrecht wird die Haftung des Verkaufsplattformbetreibers maßgeblich entschärft. Ziel ist, die Entwicklung der Internetindustrie voranzutreiben. Die chinesische Markenrechtspraxis zeigt jedoch eine ungewöhnliche Tendenz zur starren Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung, was die Interessen der Rechteinhaber beeinträchtigen kann. Vor diesem Hintergrund wird häufig von der Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass sich der Anwendungsbereich der Safe-Harbor713 ZHU Dong, IP 2016, No. 7, S. 42. 714 FENG Shujie, IP 2015, No. 5, S. 19.

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Bestimmung im Markenrecht auf die Fälle beschränken muss, in denen der Plattformbetreiber die vernünftige Sorgfalt eingehalten hat.715 c) Die vernünftige Sorgfaltspflicht der Plattformbetreiber Das Volksgericht hat klargestellt, dass die gesamtschuldnerische Haftung Verschulden voraussetzt. Es prüft, ob Taobao von der markenverletzenden Handlung seines Nutzers gewusst und die entsprechend notwendigen Maßnahmen ergriffen hat. In der Praxis versucht das Volksgericht einerseits, durch Analyse der vernünftigen Sorgfaltspflicht, die der Plattformbetreiber bei Bereitstellung seiner Dienste einhalten soll, seine Haftung zu begrenzen. Andererseits wird die starre Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung durch die vernünftige Sorgfaltspflicht einigermaßen eingeschränkt. Das Volksgericht stellt klar, dass der Plattformbetreiber, während er die wirtschaftlichen Vorteile im Internet erzielt, sich seiner sozialen Verantwortung für die Kulturverbreitung und den Schutz der Rechteinhaber und öffentlicher Interessen nicht entziehen kann. Er muss eine angemessene vernünftige Sorgfaltspflicht im Geschäftsverkehr einhalten.716 Wenn der Plattformbetreiber gegen die Sorgfaltspflicht verstößt, handelt er zumindest fahrlässig und muss deshalb eine entsprechende Haftung übernehmen. Dabei kann das Volksgericht durch eine erweiterte oder eingeschränkte Auslegung der »vernünftigen Sorgfaltspflicht« den Maßstab zur Beurteilung des Wissensstands und der Notwendigkeit der Maßnahmen justieren. aa) Die präventive vernünftige Sorgfaltspflicht Der Plattformbetreiber soll eine angemessene präventive vernünftige Sorgfaltspflicht einhalten, was aber auf keinen Fall bedeutet, dass er eine allgemeine Überwachung- und Kontrollpflicht übernehmen soll. Die Fähigkeit des Plattformbetreibers, eine Markenrechtsverletzung, vorherzusehen, ist die gleiche wie bei einem durchschnittlichen Menschen. Vor der Mitteilung des Rechteinhabers kann er die rechtswidrige Handlung oder Information nur schwer erkennen. Eine allgemeine Überwachungs- und Kontrollpflicht könnte der Plattformbetreiber nur mit einem enormen Zeit- und Kostenaufwand erfüllen, der sein gesamtes Geschäftsmodell gefährden würde. In den frühen chinesischen Entscheidungen wird die allgemeine Überwachungs- und Kontrollpflicht allerdings bejaht. Soweit der Plattformbetreiber die rechtsverletzenden Inhalte seiner Nutzer mittels einer internen Suchmaschine herausfinden könne, sei das Verschulden des Plattformbetreibers wegen Verletzung der vernünftigen Sorgfaltspflicht zu bejahen und er müsse die gesamt715 ZHU Dong, IP 2016, No. 7, S. 44. 716 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 5558 (2012), Hai Min Chu Zi.

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schuldnerische Haftung übernehmen.717 Diese Ansicht wurde in der Entscheidung »Wanglehulian gegen Tudou« aufgegeben. In der ersten Instanz hatte das VG Shanghai Pudongneubezirk eine allgemeine Überwachungspflicht des Plattformbetreibers angenommen, weil er die Herrschaft über die Informationen habe und deshalb eine höhere Sorgfaltspflicht übernehmen müsse.718 Diese Ansicht wurde jedoch in der zweiten Instanz verworfen. Das erste MVG Shanghai wies darauf hin, dass der Plattformbetreiber keine höhere, sondern nur eine allgemeine Sorgfaltspflicht einhalten soll, die von ihm nicht verlangt, dass er die Inhalte auf seiner Plattform proaktiv überwacht719 Auch der OVGH ist in Art. 8 Abs. 2 Int-RVII der Meinung, dass das Gericht das Verschulden des Plattformbetreibers nicht feststellen kann, nur weil er die Handlung seiner Kunden und die von ihnen eingegebenen Informationen nicht aktiv überwacht oder kontrolliert hat. Diese Interpretation des OVGH ist verbindlich für die untergeordneten Volksgerichte, was zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung führt. So ist seitdem in der Rechtspraxis anerkannt, dass der Plattformbetreiber vor dem Zeitpunkt der Kenntnis einer konkreten Rechtsverletzung keine allgemeinen Überwachungs- und Kontrollpflichten hat. Wie bereits erwähnt, zeigte sich in der chinesischen Rechtspraxis in den letzten Jahren eine Tendenz, die Safe-Harbor- bzw. die NTD-Bestimmung starr anzuwenden, so dass einige Volksgerichte der Ansicht sind, dass nur die Mitteilung vom Markenrechtsinhaber ein Verschulden des Verkaufsplattformbetreibers auslösen könnte. Bis zum Erhalt der Mitteilung über die Rechtsverletzung treffe ihn keine Pflicht zur proaktiven Überwachung und Kontrolle.720 Das MVGuangdong Zhuhaistadt hält die Mitteilung über die Markenrechtsverletzung sogar für eine Pflicht des Markenrechtsinhabers.721 Damit würde die im Geschäftsverkehr erforderliche Sorgfaltspflicht des Verkaufsplattformbetreibers fast komplett ausgeschlossen. Zugleich würde die Last der Bekämpfung von Markenrechtsverletzungen auf einer Verkaufsplattform gänzlich auf den Rechteinhaber übertragen. Dies ist jedoch unangemessen und könnte der Gefahr von Markenrechtsverletzungen auf Verkaufsplattformen nicht wirksam begegnen. In diesem Sinne soll die präventive vernünftige Sorgfaltspflicht eines Plattformbetreibers wie Taobao so verstanden werden, dass sie den Plattformbetreiber nicht dazu auffordert, die Rechtmäßigkeit der Waren oder Dienstleistungen seiner Nutzer proaktiv sachlich zu prüfen. Er muss nur die gesetzlich erforderlichen Informationen (z. B. den Namen, die ID-Nummer, die Handels717 OVG Guangdong, Fall Nr. 355 (2006), Yue Gao Fa Min San Zhong Zi; OVG Shanghai, Fall Nr. 7 (2008), Gao Min San Zhi Zhong Zi. 718 VG Shanghai Pudongneubezirk, Fall Nr. 440 (2008), Pu Min San Zhi Chu Zi. 719 Das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 19 (2009), Yi Zhong Min Wu Zhi Zhong Zi. 720 Das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 371 (2005), Yi Zhong Min Wu Zhi Chu Zi. 721 MVG Zhuhai von Guangdong, Fall Nr. 1 (2012), Zhu Zhong Fa Zhi Min Chu Zi.

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registernummer usw.) formell bestätigen. Diese Pflicht folgt auch aus § 23 der »Methode zur Verwaltung des Online-Handels«722 (Meth-VOH). Außerdem muss ein Plattformbetreiber klare Handelsregeln zur Sicherung des OnlineHandelns und der Interessen der Verbraucher aufstellen, die auf seiner Website veröffentlicht werden müssen (§ 25 Meth-VOH). bb) Die vernünftige Sorgfaltspflicht bei wiederholten Zuwiderhandlungen Nach Empfang der Mitteilung des Rechteinhabers soll der Plattformbetreiber die tatsächlich rechtsverletzenden Inhalte sofort entfernen. Wenn er das tut, hat er nach Ansicht einiger Volksgerichte die erforderliche Sorgfalt erfüllt und ihn trifft daher kein Verschulden.723 Doch reicht die bloße Entfernung oder Sperrung des Zugangs nach der NTD-Bestimmung nicht immer zum Schutz der Rechteinhaber, insbesondere vor wiederholten Zuwiderhandlungen, aus. Der OVGH hat in seiner Stellungnahme724 am 16. 12. 2011 geäußert, dass der Sinn und Zweck der NTD-Bestimmung gewahrt werden muss. Es soll verhindert werden, dass der Plattformbetreiber unter Berufung auf die NTD-Bestimmung seine Haftung ausschließen kann, obwohl er gegen seine vernünftige Sorgfaltspflicht durch Unterlassen notwendiger Maßnahmen verstoßen hat. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich, dass dem Plattformbetreiber bei wiederholten Zuwiderhandlungen nach Entfernung der rechtswidrigen Inhalte nach der NTD-Bestimmung noch die vernünftige Sorgfaltspflicht auferlegt ist, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit die vorhandene Rechtsverletzung unterbunden und künftigen ähnlichen Rechtsverletzung effektiv vorgebeugt wird. Das erste MVG Shanghai führt in seinem Urteil725 aus, dass eine wiederholte Reklamation bzw. Mitteilung zwar rechtlich nicht erforderlich ist, aber dazu führen kann, dass alle in den Mittellungen angesprochenen Umstände zur sicheren Kenntnis von Taobao der angeblichen Tatsachen führen, aus denen die Rechtswidrigkeit der Handlung oder Information offensichtlich ist. Deshalb musste Taobao strengere Maßnahmen ergreifen, damit die Zuwiderhandlung endgültig verhindert werden kann und einer Wiederholungsgefahr vorgebeugt wird. Versäumt Taobao, notwendige Maßnahmen zu treffen, oder sind seine Maßnahmen nicht angemessen, um die künftige Rechtsverletzung zu verhindern, dann muss man davon ausgehen, dass er die Rechtsverletzung hätte vor722 Verabschiedet durch die Staatsverwaltung für Industrie und Handel (SAIC), am 26. 1. 2014, am 15. 3. 2014 in Kraft getreten. 723 MVG Jieyang von Guangdong, Fall Nr. 31 (2013), Jie Zhong Fa Min San Chu Zi; das zweite MVG Shanghai, Fall Nr. 236 (2013), Er Zhong Min Wu Zhi Chu Zi; das zweite MVG Beijing, Fall Nr. 02013 (2014), Er Zhong Min Chu Zi. 724 Fafa (2011) Nr. 18, § 2, Nr. 6. 725 Das erste MVG Shanghai, Fall Nr. 40 (2011), Hu Yi Zhong Min Wu Zhi Zhong Zi.

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hersehen müssen, aber billigend in Kauf genommen hat oder zumindest fahrlässig darauf vertraut hat, die erneute Rechtsverletzung werde nicht eintreten, sodass er die erforderliche vernünftige Sorgfaltspflicht verletzt hat und daher die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen muss. Für einen Verkaufsplattformbetreiber werden z. B. die Verwarnung, die Abwertung der Kreditwürdigkeit, die Einrichtung von »Nachfilterprogrammen« und die Sperrung des Kontos zu den notwendigen Maßnahmen gezählt. Ihr Umfang und ihre Intensität hängen vom Ausmaß der Rechtsverletzung ab. Die Notwendigkeit der Maßnahmen beschränkt sich darauf, dass die rechtsverletzende Handlung, ohne den Plattformbetreiber unangemessen zu belasten, effektiv verhindert wird.726 Dabei ist in China die Verwaltungsabteilung für Industrie und Handel berechtigt, zur Durchsetzung der vorbeugenden Maßnahmen der Verkaufsplattform in der Praxis aktiv mitzuwirken. Die Verwaltungsabteilung für Industrie und Handel auf Kreisebene und höher muss die Glaubwürdigkeitsarchive für die Dienstleistungen der Verkaufsplattform schaffen, die die täglichen Überwachungsergebnisse und Protokolle über die Zuwiderhandlungen auf der Plattform umfasst. Die Verkaufsplattformen werden anhand ihrer jeweiligen Glaubwürdigkeitsstufe separat durch die Verwaltungsabteilung überwacht und betreut.727 Wenn die Verkaufsplattformbetreiber das relevante Recht ernsthaft verletzen, ist die Verwaltungsabteilung für Industrie und Handel berechtigt, die Verwaltungsabteilung für Kommunikation aufzufordern, die rechtswidrigen Inhalte zu löschen oder die betreffende Webseite ganz zu sperren, damit eine weitere Rechtsverletzung unterbunden werden kann.728 cc) Anforderungen an die vernünftige Sorgfaltspflicht Aufgrund verschiedener Umstände könnte die Fähigkeit desselben Plattformbetreibers zur Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit der Schädigung unterschiedlich sein. Denn je mehr Informationen auf der Plattform vorhanden sind und je schwieriger es ist, das Vorhandensein der Rechtsverletzung herauszufinden, desto geringere Anforderungen werden an die vernünftige Sorgfaltspflicht gestellt, das gilt naturgemäß auch umgekehrt.729 In der chinesischen Gerichtspraxis werden jedoch öfter abstrakte Kriterien zur Bestimmung der Anforderungen an die vernünftige Sorgfaltspflicht eingeführt, z. B., wenn der Plattformbetreiber eine wichtige Stellung in seiner Branche einnimmt oder besondere gesellschaftliche Aufmerksamkeit oder hohe wirtschaftliche Vorteile 726 MEI Xiaying/LIU Ming, Journal of Yantai University (Philosophy and Social Science Edition) 2013, No. 3, S. 30. 727 § 40 Abs.1 Meth-VOH. 728 § 45 Meth-VOH. 729 WU Weiguang, Internet Law Review 2011, No. 1, S. 29.

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genießt. In solchen Fällen soll die vernünftige Sorgfaltspflicht höher sein.730 Es ist kritisiert worden, dass der Plattformbetreiber bei seiner Tätigkeit eine unklare und dynamische Sorgfaltspflicht nicht vorhersehen kann. Abstrakte Kriterien, wie z. B. die »gesellschaftliche Aufmerksamkeit«, erhöhen die Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des Plattformbetreibers unangemessen, was dazu führen kann, dass er die in der Regel nicht verlangte proaktive Überwachungspflicht übernehmen und einen unangemessenen Kostenaufwand tragen muss. Deshalb ist eine klare Erklärung und Eingrenzung der vernünftigen Sorgfaltspflicht in künftigen Entscheidungen zu erwarten, damit die allgemeine Handlungsfreiheit der Plattformbetreiber nicht durch eine unangemessene Erweiterung der vernünftigen Sorgfaltspflicht beeinträchtigt wird.

3.

Zwischenergebnis

Ziel der Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung im Markenrecht ist es, die Haftung der Verkaufsplattformbetreiber angemessen einzuschränken und dadurch die Internetindustrie zu schützen. Bei einer starren Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung werden die Rechteinhaber jedoch unangemessen benachteiligt, sodass die Haftungsprivilegierung nur für einen sorgfältigen Internet Service Provider greifen darf. Eine allgemeine Überwachungs- und Kontrollpflicht des Plattformbetreibers, die sein Geschäftsmodell gefährden kann, ist grundsätzlich verboten. Aber aufgrund des Interessenausgleiches trifft den Plattformbetreiber eine vernünftige Sorgfaltspflicht. Zum einen soll er die NTD-Bestimmung befolgen und nach Erhalt einer ernsthaften Mitteilung des Rechteinhabers unverzüglich tätig werden, da er sonst die gesamtschuldnerische Haftung für die Vergrößerung des Schadens übernehmen muss. Zum anderen begründen wiederholte Zuwiderhandlungen und mehrfache Mitteilungen seinen subjektiven Wissensstand. Danach wird ihm eine höhere Sorgfaltspflicht abverlangt, dass er angemessene vorbeugende Maßnahmen ergreift, die einer Wiederholung der Rechtsverletzung effektiv vorbeugen. Wenn der Plattformbetreiber die im Geschäftsverkehr erforderliche vernünftige Sorgfaltspflicht verletzt, muss er die gesamtschuldnerische Haftung übernehmen. Stets müssen die Anwendung der Safe-Harbor-Bestimmung und ihre Einschränkung im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden.731 Seit Inkrafttreten des neuen chinMarkenG und deren AusfVO ist ausdrücklich geregelt, dass der Plattformbetreiber für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen seines Nutzers als Gehilfe gesamtschuldnerisch haftet. Nach 730 VG Beijing Haidianbezirk, Fall Nr. 5558 (2012), Hai Min Chu Zi. 731 ZHU Dong, IP 2016, No. 7, S. 74.

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§ 92 des Gesetzgebungsgesetzes der VR China732 (§ 83 a. F.) sollen besondere Bestimmungen gelten, wenn sie bei Gesetzen, Verwaltungsrechtsnormen, territorialen Rechtsnormen, Autonomie- und Einzelverordnungen oder Regeln, die vom gleichen Organ festgesetzt wurden, mit den allgemeinen Bestimmungen nicht übereinstimmen. Dies entspricht auch dem Grundsatz »Lex specialis derogat legi generali«. Deshalb haben die markenrechtlichen Vorschriften Vorrang vor dem § 36 DelHaftG. Die chinesische Rechtspraxis behandelt die Haftung der Plattformbetreiber wegen ihrer Mitwirkung an Markenrechtsverletzungen Dritter deshalb nach § 57 Abs. 6 chinMarkenG i. V. m. § 75 AusfVO. Für das Haftungsprivileg wird die NTD-Bestimmung aus § 36 Abs. 2 DelHaftG direkt angewandt, während die konkreten Verfahrensregelungen der NTD-Bestimmung in §§ 14–17 der »Vorschriften » analog angewandt werden.

IV.

Fazit

Die Beschränkung der Haftung von Plattformbetreibern für mittelbare Rechtsverletzungen in China wird durch die Safe-Harbor-Bestimmung realisiert. Es ist deshalb wichtig, die speziellen Regelungen des Safe Harbor bei der Behandlung mittelbarer Rechtsverletzungen im Internet richtig zu verstehen und anzuwenden. Danach sollen abschließende Regelungen auf Gesetzesebene eingefügt werden. Die folgende Aussage des ehemaligen Generalsekretärs der World Intellectual Property Organisation (WIPO), Arpad Bogsch, wird häufig zitiert: China hat beim Schutz des geistigen Eigentums innerhalb von 25 Jahren denselben Weg zurückgelegt, für den die Industrienationen mehr als hundert Jahre benötigt haben. Man muss aber auch eingestehen, dass viele doppelte, einander widersprechende und mehrdeutige Regelungen zur Behandlung der Haftung von Plattformbetreibern für die Mitwirkung an fremden Rechtsverletzungen in den chinesischen Gesetztexten, z. B. in der »Vorschrift«, im DelHaftG und in den Interpretationen bestehen, die modifiziert und verbessert werden sollten.733 Was die Haftungsprivilegien des Plattformbetreibers betrifft, sollte im Gesetz verankert werden, dass den Internet Service Providern keine allgemeinen Überwachungs- oder Kontrollpflichten obliegen. Außerdem sollte im Gesetz bestimmt werden, welche Rechtsfolgen eine unvollständige Benachrichtigung durch den Rechteinhaber auslöst und welche Kriterien maßgeblich für den Umfang der vernünftigen Sorgfaltspflicht und damit für das Verschulden sind. 732 Verabschiedet am 15. 3. 2000; revidiert am 15. 3. 2015. 733 CAI Chang, Studies in Law and Business 2013, No. 2, S. 116f.

Teil 3: Resümee

Die Untersuchung hat ergeben, dass die Haftung des Plattformbetreibers wegen Mitwirkung an fremden Rechtsverstößen in Deutschland und in China unterschiedlich behandelt wird. In Deutschland haftete der Plattformbetreiber für Rechtverstöße seiner Nutzer zunächst einheitlich als Störer analog § 1004 BGB im Urheber-, Markenund Lauterkeitsrecht. Dies ist vor allem im Lauterkeitsrecht auf heftige Kritik gestoßen. Die Arbeit hat gezeigt, dass die lauterkeitsrechtliche Störerhaftung mit einer Analogie zu § 1004 BGB dogmatisch nicht überzeugend begründet werden kann. Weder besteht eine planwidrige Gesetzeslücke noch eine vergleichbare Interessenlage. Mit der Entscheidung »Jugendgefährdende Medien bei eBay« hat der BGH den Grundsatz der Verkehrspflichtverletzung aus dem allgemeinen Deliktsrecht auf das Lauterkeitsrecht zur Begründung der Haftung von Plattformbetreibern für Rechtsverstöße Dritter übertragen und seitdem stets aufrechterhalten. Gegenüber der Störerhaftung bringt die Täterhaftung aufgrund der Verletzung von Verkehrspflichten deutliche Vorteile mit sich, insbesondere eine klare dogmatische Grundlage und die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen im Falle von Verschulden. Mit dieser ausgedehnten Täterhaftung ist die Störerhaftung im Lauterkeitsrecht in der Praxis endgültig aufgegeben worden. In der Literatur wird immer häufiger ein einheitliches Haftungsregime wegen Verkehrspflichtverletzung für alle mittelbaren Rechtsverletzungen im Lauterkeits- wie im Immaterialgüterrecht gefordert. Doch ist die Einführung einer Täterhaftung wegen Verkehrspflichtverletzung im Urheber- und Markenrecht im Ergebnis abzulehnen. Über eine Verkehrspflichtverletzung würde die Haftung auf gesetzlich nicht vorgesehene Verletzungstatbestände ausgeweitet. Das ist ohne eine gesetzliche Grundlage im Urheber- und Markenrecht nicht statthaft. Außerdem ginge der Schutz von Immaterialgüterrechtsverletzungen wegen Verkehrspflichtverletzungen weiter als die Reichweite der unionsrechtlichen Verwertungsrechte. Eine Übertragung des Haftungskonzepts der Verkehrspflichtverletzung auf das Urheber- und Markenrecht würde deshalb gegen die unionsrechtlichen Vorgaben verstoßen. Die Haftung von Plattformbetrei-

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Resümee

bern für Urheber- und Markenrechtsverletzungen Dritter wird deshalb weiterhin mit der Störerhaftung begründet. Doch darf die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte ausgedehnt werden. Deshalb ist die den Plattformbetreiber treffende Prüfungspflicht auf das zumutbare Maß beschränkt, das anhand von den Verkehrspflichten vergleichbaren Kriterien ermittelt und nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt werden kann. In China gibt es kein mit der Störerhaftung vergleichbares Haftungskonzept. Die Haftung des Plattformbetreibers wegen Rechtsverletzungen seiner Nutzer wird als gesamtschuldnerische Haftung behandelt. Dazu gibt es spezifische Regelungen im neuen DelHaftG und in gesetzesgleichen Interpretationen. Objektiv muss der Plattformbetreiber die Tatbestände der geschützten absoluten Rechte nicht selbst verwirklichen, aber willentlich an der Rechtsverletzung seiner Nutzer mitwirken. Subjektiv muss er schuldhaft handeln. Es reicht aus, wenn er weiß, dass sein Nutzer durch die Nutzung der Dienstleistung fremde Rechtsgüter verletzt und keine notwendigen Maßnahmen ergreift. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung handelt sich also um eine Verschuldenshaftung. Als Rechtsfolge kommen neben den verschuldensunabhängigen negatorischen Ansprüchen auch Schadensersatz- und Auskunftsansprüche in Betracht. Wegen der Mitwirkung an einer fremden Lauterkeitsrechtsverletzung haftet der Plattformbetreiber im chinesischen Recht in der Regel wie im Bereich des Urheberund Markenrechts als Gesamtschuldner. Weil das chinUWG keine Sonderregelungen zur gesamtschuldnerischen Haftung enthält, sind die allgemeinen deliktsrechtlichen Vorschriften aus dem DelHaftG unmittelbar anwendbar. Wenn der Plattformbetreiber schuldhaft gehandelt hat, haftet er neben der Unterlassung auch auf Schadensersatz. Weil das chinUWG neben den Zivilrechtssanktionen noch einige straf- und verwaltungsrechtliche Sanktionen vorsieht, kann in der Praxis die Mitwirkung an fremden Lauterkeitsverstößen sowohl mit Zivilals auch mit Straf- und Verwaltungssanktionen verfolgt werden, soweit die jeweiligen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Im Interesse der technischen Dienstleistung wird die Haftung von Plattformbetreibern in Deutschland wie in China spezialgesetzlich eingeschränkt. Deutschland kennt eine Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern nach den Vorschriften des TMG, das die ECRL umgesetzt hat. Der Anwendungsbereich des § 10 TMG ist eröffnet, wenn es sich um fremde, für einen Nutzer gespeicherte Informationen handelt. Für eigene rechtswidrige Inhalte, die der Plattformbetreiber selbst erstellt, und für die ursprünglich fremden Informationen, die er sich aber zu eigen gemacht hat, muss er nach den allgemeinen Vorschriften haften. Somit ist die Abgrenzung des Zueigenmachens für die Verantwortlichkeit des Plattformbetreibers von großer Bedeutung. Um nicht gegen europarechtliche Vorgaben zu verstoßen, muss die Rechtsfigur des Zueigenmachens restriktiv im Lichte der ECRL objektiv ausgelegt werden. Der

Resümee

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Plattformbetreiber muss somit keine tatsächliche und rechtliche Herrschaft über die vom Nutzer eingegebenen und in dessen Auftrag gespeicherten Informationen besitzen. Grundsätzlich haftet der Plattformbetreiber nicht für rein fremde Informationen, wenn er keine Kenntnis i. S.v. § 10 S. 1 Nr. 1 hat oder wenn er nach Kenntniserlangung unverzüglich tätig geworden ist, um die rechtsverletzenden Informationen zu entfernen oder den Zugang zu ihnen zu sperren. Der Plattformbetreiber hat keine anlassunabhängige Überwachungsoder Nachforschungspflicht. Prüfungspflichten entstehen erst, sobald er selbst oder über Dritte Kenntnis von den konkreten rechtswidrigen Inhalten erlangt hat. Damit die Rechteinhaber so weit wie möglich geschützt werden, ist der Plattformbetreiber auch verpflichtet, gleichartige Rechtsverletzungen zu verhindern. Der Plattformbetreiber darf jedoch nicht unangemessen belastet werden. Deshalb muss die »Gleichartigkeit« restriktiv verstanden werden und sich inhaltlich auf die Entfernung identischer rechtsverletzender Inhalte desselben Verletzers beschränken. Diese Haftungsprivilegierung erstreckt sich jedoch nicht auf Abwehransprüche. Deshalb bleibt die Störerhaftung von der Haftungsprivilegierung des TMG unberührt. Das chinesische Recht unterscheidet auch zwischen den Service Providern für reine Durchleitung, für Caching, dem Host Provider und dem Suchmaschinenbetreiber sowie dem Linksetzer. Die chinesischen Privilegierungsvorschriften lehnen sich inhaltlich und in der Struktur vor allem an das US-amerikanische Recht an. Die Haftungsprivilegierung von Plattformbetreibern wird durch die »Safe-Harbor«-Regelung bewirkt, die zunächst im Urheberrecht eingeführt und später auch analog in der markenrechtlichen Gerichtspraxis angewendet worden ist. Die hauptsächliche Haftungsregelung findet sich im DelHaftG, das den Charakter einer Querschnittsregelung hat und die Haftung von Plattformbetreibern in allen Bereichen des Privatrechts regelt. § 36 Abs. 2 DelHaftG enthält eine der NTD-Bestimmung ähnelnde Regelung, deren prozedurale Aspekte sich in der Praxis an die Safe-Harbor-Bestimmung der zum Urheberrecht erlassenen »Vorschriften« anlehnen muss. Die Haftungsprivilegierung in China berührt nur die Schadensersatzansprüche. Die Abwehransprüche bleiben wie im deutschen Recht unberührt.

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Abkürzungsverzeichnis

a. A. a. F. AAGZ

AEUV AG AGB AGZ AMG Art. AT AusfVO BeckOK Begr. Beil. BGB BGH BGH BR BT chinMarkenG chinStG chinStPG chinUrhG chinUWG chinVG CNNIC CNRA CR d. h. DelHaftG

andere Ansicht alte Fassung Ansichten des Obersten Volksgerichtshof zu einigen Fragen der Anwendung der Allgemeinen Grundsätzen des Chinesischen Zivilrechts Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Amtsgericht Allgemeine Geschäftsbedingungen Allgemeine Grundsätze des Chinesischen Zivilrechts Antimonopolgesetz der VR China Artikel Allgemeiner Teil Ausführungsverordnungen zum Markengesetz der VR China Beck’scher Online-Kommentar Begründung Beilage Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Bundesgerichtshof Bundesrat Bundestag Markengesetz der VR China Strafgesetz der VR China Strafprozessgesetz der VR China Urheberrechtsgesetz der VR China Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb der VR China Vertragsgesetz der VR China China Internet Network Information Center Counter Notice and Restore Access Computer und Recht das heißt Gesetz der VR China über die Haftung für die Verletzung von Rechten

174 ders. DMCA Dok. Drucks. E-chinUWG ECRL EDI EDV EG EGG endg. EU EuGH f./ff. Freilaw FS GG GreifRecht GRUR GRUR GRUR Int GRUR-Prax GRUR-RR GRUR-RS h.L. h. M. HPflG hrsg. HTTP i. d. F. i. S. d. i. S.v. i. V. m. i. w. S. ICANN InfoMedienR IntNachrDienstlR Int-PerRInt

Abkürzungsverzeichnis

derselbe Digital Millennium Copyright Act (USA) Dokument(ation) Drucksache Entwurf zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb der VR China E-Commerce-Richtlinie Electronic Data Interchange Elektronische Datenverarbeitung Europäische Gemeinschaft Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr endgültig Europäische Union Gerichtshof der Europäische Union folgende Freiburg Law Students Journal Festschrift Grundgesetz Greifswalder Halbjahresschrift für Rechtswissenschaft Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Praxis im Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, RechtsprechungsReport Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Rechtsprechungssammlung herrschende Lehre herrschende Meinung Haftpflichtgesetz herausgegeben Hypertext Transfer Protocol in der Fassung im Sinne des/der im Sinne von in Verbindung mit im weiteren Sinne Internet Corporation for Assigned Names and Numbers Informations- und Medienrecht Chinesische Richtlinien zur Administration von elektronischen Nachrichtendienstleistungen im Internet Interpretation des chinesischen Obersten Volksgerichtshof zu einigen Fragen betreffend die Anwendung des Rechts in Zivilrechtsstreitigkeiten über Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Internet

Abkürzungsverzeichnis

Int-RVII

Int-UrhCN

IP ISP IT IuKDG JurPC JuS JuSchG JZ K& R Kap. KG Leit-UrhInt-Beijing LG m. m. w. N. MDStV MMR MRRL MüKo MVG MVMM n. F. NJW NJW-RR No. Nr. NTD OLG OVG OVGH PatG RDV RegE RG RGZ RL

175

Interpretation des chinesischen Obersten Volksgerichtshof zu einigen Fragen betreffend die Anwendung des Rechts der Verbreitung von Information im Internet Interpretation des chinesischen Obersten Volksgerichtshof zu einigen Fragen betreffend die Anwendung des Rechts in Urheberrechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit Computer-Netzwerken Internet Protocol; Intellectual Property Internet Service Provider Informationstechnik Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informationsund Kommunikationsdienste Juristische Fachzeitschrift für Rechtsinformatik und Informationsrecht Juristische Schulung Jugendschutzgesetz Juristenzeitung Kommunikation & Recht Kapitel Kammergericht Leitlinie des Oberen Volksgerichts Beijing zur Handhabung einiger Probleme bei urheberrechtlichen Streitigkeiten im Internet I Landgericht mit mit weiteren Nachweisen Medienstaatsvertrag Multimedia und Recht Markenrechtsrichtlinie Münchener Kommentar Mittleres Volksgericht der VR China Methode zur Verwaltung der Medien- und Massenkommunikation der VR China neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivilrecht number Nummer notice and take down/Meldung and Entfernung Oberlandesgericht Oberes Volksgericht der VR China Oberster Volksgerichtshof der VR China Patentgesetz Recht der Datenverarbeitung Regierungsentwurf Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinie

176 Rn. s. SAIC Slg. StGB TDG TKG TMG u. URL Urt. USA usw. UWG v. VR China VG vgl. WIPO WLAN WRP WWW z. B. ZChinR ZfRV zit. ZUM ZUM-RD

Abkürzungsverzeichnis

Randnummer Seite; siehe State Administration for Industry and Commerce of the People’s Republic of China Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes und des Gerichts Erster Instanz Strafgesetzbuch Teledienstegesetz Telekommunikationsgesetz Telemediengesetz und Uniform Resource Locator Urteil United States of America und so weiter Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom; versus Volksrepublik China Chinesisches Volksgericht vergleiche World Intellectual Property Organisation Wireless Local Area Network Wettbewerb in Recht und Praxis World Wide Web zum Beispiel Zeitschrift für Chinesisches Recht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung zitiert Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Rechtsprechungsdienst

Weitere Bände dieser Reihe Band 44: Victoria-Sophie Stracke Die öffentliche Wiedergabe nach § 15 Abs. 2 UrhG am Beispiel sozialer Medien 2018. 175 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0836-8

Band 43: Jan Hendrik Schmidt Maximalschutz im internationalen und europäischen Urheberrecht 2018. 264 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0800-9

Band 42: Lukas Mezger Die Schutzschwelle für Werke der angewandten Kunst nach deutschem und europäischem Recht 2017. 237 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0696-8

Band 41: Dominik König Das einfache, unentgeltliche Nutzungsrecht für jedermann

Band 40: Antonia Kutscher Der digitale Nachlass 2015. 193 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0436-0

Band 39: Jann Hendrik Cornels Die Schranken des Designrechts 2015. 162 Seiten, gebunden € 40,– D ISBN 978-3-8471-0435-3

Band 38: Bastian Selck Entschädigungsansprüche und andere Sanktionen vor Vollrechtserwerb im Gewerblichen Rechtsschutz 2014. 146 Seiten, gebunden € 35,– D ISBN 978-3-8471-0318-9

Band 37: Constanze Thönebe Kunstwerke in der Ausstellungsund Verkaufswerbung und in Museumskatalogen 2014. 458 Seiten, gebunden € 70,– D ISBN 978-3-8471-0225-0

2016. 333 Seiten, gebunden € 55,– D ISBN 978-3-8471-0610-4

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