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German Pages 114 Year 1974
BERND HÖRER
Die Besitzrechtsklage - Klagegrundlage und Praktikabilität
Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 11
Die Besitzrechtsklage Klagegrundlage und Praktikabilität Eine Untersuchung zum deutschen und schweizerischen Recht
Von
Dr. Bernd Hörer
DUNCKER
&
BUMBLOT I BERLIN
Alle Rechte vorbehalten @) 197' Duncker & Humblot, Berlln 41
Gedruckt 1974 bei Buchdruckerei Richard Schröter, Berlln 61 Prlnted in Germany ISBN 3 428 03069 9
Inhaltsverzeichnis Seite Einleitung 11 Die Aufgabestellung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Erster Abschnitt
Das deutsdte Recht 1. Kapitel
Die Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte des § 1007 BGB I. Die Motive der Ersten Kommission zum Ersten Entwurf .. . .. .. .
Würdigung .............. . .......... . .. . .................... . .
17 17 21
II. Die Protokolle der Zweiten Kommission zum Ersten Entwurf .. . 21 Würdigung .. . ..... . ....... . ........... ... ............ .... . .. . 23 1. Analyse des Wortlauts des Antrags 3 zu§ 945 EI . . . ..... . . . . 23 2. Analyse der Erwägungen der Zweiten Kommission im Hinblick auf die Klagegrundlage ....... . . . . . ............ ... ... . 25 111. Das Preußische ALR . .................... . ............... . . . . Würdigung ............ ....... . ..... . . ......... . ............. .
29 30
IV. Die Denkschr ift zum Sachenrecht .. .. ... . . . . .. . . . .. .. ........ . 30 Würdigung ........... .. ..... .. ................ . ...... .. . . ... . 31 31 Zusammenfassung des 1. Kapitels 2. Kapitel Die Klagegrundlage in der L i t eratur zu§ 1007 BGB
32
I. Die Auffassung von Crome . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Die übrigen Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3. Gruppe - Diederichsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
6
Inhaltsverzeichnis 4. Gruppe- Wolff-Raiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gruppe - Otto v. Gierke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Heck, Westermann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) übrige Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gruppe .,..... Henle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41 42 44 45 46
47 47
48 49
Zusammenfassung des 2. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
50
Gesamtergebnis für das deutsche Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
Zweiter Abschnitt
Das sdtweizerische Redtt 1. Kapitel Die Besitzrechtsklage im System des schweizer i schen ZGB
52
2. Kapitel Die Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte der Art. 934- 936 ZGB .... . .............. .. ................................ . . ... . . .. 55 I. Die Auffassung Eugen Hubers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
1. Seine "Erläuterungen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . • . . . . . • .
2. Art. 205 - 208 alt. OR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55 56 57
II. Die Botschaft des Bundesrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
Zusammenfassung des 2. Kapitels
60
3. Kapitel Die Klagegrundlage in der Literatur zu Art. 934- 936 ZGB
61
I. Die Auffassung Wielands ....... .. ... ........ .... . .. .. ....... . Würdigung II. HinderUng Würdigung ............. ............. ... ... ..... .......... ... . III. Tuor ... . ... ..... ...... ...... ......... ... . .. . .... .. . . . .... ... .
65
IV. Ostertag . .. ... ........ . . .. ... . . . . .. . ... ..... . ..... . ......... . Würdigung .................. . .... . . . .... . . .. . .. .. ... ........ .
65 66
61 62 62 64
Inhaltsverzeichnis
7
V. Stark Würdigung ....................................... . .......... .
67 68
VI. Schmidlin ................................................... . Würdigung
70
VII. Hornberger Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
73 74
72
VIII. Zycha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ·71? Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 IX. Rusconi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77 78
Zusammenfassung des 3. Kapitels . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Abschnitt
Gegenüberstellung der Vorschriften über die Besitzrechtsklage im deutschen und im schweizerischen Recht
82
Vierter Abschnitt
Die eigene Auffassung vom Klagegrund der Besitzrechtsklage Zusammenfassung
85
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
Fünfter Abschnitt
Bemerkungen zur Praktikabilität der Besitzrechtsklage
101
I. Die Sache ist nicht abhanden gekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 II. Die Sache ist abhanden gekommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
Sechster Abschnitt
Rechtspolitischer Ausblick Literaturverzeichnis
108 10.9
Abkürzungsverzeichnis a.a.O. abh.gek. Abs. AcP a.E. A.F. allg. ALR Arun.
aOR Art. AT Bd. Bekl.
Bem. bew. BFH BG BGB BGHZ Bösgl. BürgerI. DJZ Diss. EI EII Einf. eig. Recht z. B . ff.
Fußn. fr. Besitz GG insbes. JherJ. Kl. Mat.
am angeführten Ort abhanden gekommen Absatz Archiv für die civilistische Praxis amEnde alte Folge allgemein preußisches Allgemeines Landrecht Anmerkung altes schweizerisches Obligationenrecht Artikel Allgemeiner Teil Band Beklagter Bemerkung beweisen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bürgerliches Gesetzbuch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bösgläubigkeit bürgerlich Deutsche Juristenzeitung Dissertation Erster Entwurf eines BGB Zweiter Entwurf eines BGB Einführung eigenes Recht zum Besitz folgende Fußnote früherer Besitz Grundgesetz insbesondere Jherings Jahrbücher Kläger Materialien zum BGB
Abkürzungsverzeichnis Nichtabhandenk. Nichtber. Nichteig. N.F. NJW Nr. OR pr. Rdn. RGRK
s.
SeuffBl. SJK SJZ vgl. Vorbem. ZBJV ZGB ZSR
Nichtabhandenkommen Nichtberechtigung Nichteigentum NeueFolge Neue juristische Wochenschrift Nummer altes schweizerisches Obligationenrecht preußisch Randnummer Reichsgerichtsräte-Kommentar Seite Blätter für Rechtsanwendung Schweizerische Juristische Kartothek Schweizerische Juristenzeitung vergleiche Vorbemerkung Zeitschrift des bernischen Juristenvereins Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Schweizerisches Recht
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Einleitung Das schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) und das deutsche Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) weisen trotz mancher Unterschiedlichkeiten in weiten Bereichen ähnliche Regelungen auf1 • Dies gilt auch im Bereich des Sachenrechts, insbesondere hinsichtlich der sachenrechtliehen Herausgabeklagen. In beiden Rechtsordnungen kennt man als solche Herausgabeklagen sowohl die rei vindicatio als auch die Besitzrechtsklage. Die Bedeutung dieser beiden Klagearten wird aber im deutschen und im schweizerischen Recht verschieden beurteilt: Während man im schweizerischen Recht gemeinhin die Besitzrechtsklage in ihrer Bedeutung über die rei vindicatio stellt, führt im deutschen Recht die Besitzrechtsklage neben der rei vindicatio ein Schattendasein. Es wäre nun an sich müßig, die Besitzrechtsklage einer erneuten Betrachtung zu unterziehen, da sie im deutschen Recht wegen ihrer geringen Bedeutung bereits seit einigen Jahrzehnten ausdiskutiert scheint. Man könnte also die angebliche Bevorzugung im schweizerischen Recht hinnehmen und auf sich beruhen lassen. Jedoch sind gerade in jüngster Zeit im schweizerischen Recht neue Stimmen aufgetaucht, die entgegen der herrschenden Meinung in der Schweiz der Besitzrechtsklage gegenüber der rei vindicatio jede Bedeutung absprechen wollen und sie sogar lediglich zu einer Erleichterungsmöglichkeit im Rahmen der rei vindicatio herabwerten, wobei sie ihr den eigenständigen Charakter einer Klageart nehmen2 • Dies gibt Anlaß, auch für das deutsche Recht die Problematik der Besitzrechtsklage wieder aufzurollen. Es ist zu überprüfen, ob dieses neuartige Verständnis der Besitzrechtsklage auch für das deutsche Recht von Bedeutung sein kann. Außerdem gibt noch ein weiterer Umstand der gegenwärtigen RechtsentwicklungAnlaß zu neuerlicher Überprüfung, nämlich dasAufkommen der sogenannten Leasing-Verträge8 • Denn diese begründen obligatori1 Vgl. Hinderling, ZBJV 98, S. 4 ff.; Gmiir, R., Das schw. ZGB vgl. mit dem BGB, S. 20, 112 ff. z Vgl. Rusconi, l'action petitoire ... 3 Vgl. hierzu BFH NJW 71, 1151; BFH NJW 70, 1148; Fink, Leasing-Handbuch, 2. Aufl.
12
Einleitung
sehe Besitzrechte an beweglichen Sachen, die bislang in der Praxis kaum vorkamen. Da sich möglicherweise gerade hier ein neuer Anwendungsbereich der Besitzrechtsklage ergibt, rechtfertigt sich auch aus diesem Grunde deren erneute Betrachtung. Es liegt nahe, sich dabei nicht auf eine Einzelbetrachtung der schweizerischen und der deutschen Rechtsordnung zu beschränken, sondern eine Gesamtbetrachtung zu versuchen.
Die Aufgabestellung der Arbeit Die Besitzrechtsklage ist im deutschen Recht in§ 1007 BGB geregelt, im schweizerischen Recht in den Artikeln 934- 936 ZGB. Die rei vindicatio findet sich im BGB in § 985, im ZGB in Art. 641 Abs. 2. Das ZGB formuliert die rei vindicatio allerdings nicht so explizit wie das BGB. Dennoch wird die Existenz der rei vindicatio in der Schweiz allgemein anerkannt\ wenn auch zum Teil nur in Form einer stillschweigenden AnerkennungS. Dieser Zurücksetzung der rei vindicatio im äußeren Erscheinungsbild des ZGB entspricht es, daß die überwiegende Meinung in der schweizerischen Literatur der Besitzrechtsklage gegenüber der rei vindicatio die größere Bedeutung beimißt8 • Diese Bevorzugung wird in der Regel auf die Beweisvorteile und Erleichterungen zurückgeführt, die die Besitz'rechtsklage gegenüber der rei vindicatio angeblich kennzeichnen. Es wird gesagt, diese lägen darin, daß bei der rei vindicatio der Kläger den vollen Beweis seines Rechts erbringen müsse, was insbesondere bei derivativem Rechtserwerb wegen der sogenanten probatio diabolica schwierig sei. Demgegenüber habe der Kläger bei der Besitzrechtsklage lediglich seinen früheren Besitz nachzuweisen. Die Situation im deutschen Recht in bezug auf die Beurteilung von § 1007 BGB ist eigenartig: Die heutige allgemeine Meinung spricht der Vorschrift jede Bedeutung ab7 • Dies wird allerdings zumeist auf die Fassung allein, die Formulierung der Vorschrift zurückgeführt. Der Grundgedanke der Vorschrift sei an sich klar und einfach, die Formulierung verdunkle ihn aber. Außerdem ist man der Auffassung, die Bestimmung sei in ihrem ureigensten Anwendungsbereich zu eng gefaßt: § 1007 BGB schaffe eine Her-
4
Meier-Hayoz, ZGB, Bemerkung zu Art. 641 ZGB; Leemann, ZGB, Art. 641,
Rdn.16ff.
Tuor, ZGB, § 82 II d. Vgl. Gmilr, a. a. 0.; Simonius, Züricher Kommentar, Art. 713 Vorbem. Rdn.ll; Haab, ZGB, Art. 641 Rdn. 33; Tuor, a. a. 0., Wieland, ZGB Art. 934 Anm.10; Stark, ZGB Vorbem. zu Art. 930- 937 Rdn. 46, 47. 7 Vgl. Staudinger- Berg, BGB § 1007 Rdn.1; Wolf!- Raiser, Sachenrecht § 23 Fußn. 21; RGRK, BGB § 1007 Bem. 1- 6; Soergel- Siebert- Milhl, BGB, § 1007 Rdn.1; Medicus, AcP 1968, 75; Eichler, Institutionen II, S. 235 Fußn. 265; Heck, Sachenrecht, S. 131, 134; Westermann, Sachenrecht, § 35 I 3; Diederichsen, Recht zum Besitz, S. 62; Hedemann, Sachenrecht, S. 200. 5
8
14
Aufgabestellung
ausgabeklage für den lediglich obligatorisch zum Besitz Berechtigten, der sonst keine selbständige Herausgabeklage habe. Dies sei an sich eine anerkennenswerte Besonderheit der Vorschrift. In der Beschränkung des Herausgabeanspruchs auf bewegliche Sachen sei aber dieser Schutz des obligatorisch Berechtigten zu eng, da obligatorische Besitzrechte an beweglichen Sachen selten seien. Die wichtigsten Fälle der obligatorischen Besitzrechte, nämlich insbesondere die Wohnraummiete, würden nicht erfaßt. Mancheneuere Autoren dagegen halten die Vorschrift des § 1007 für einigermaßen bedeutend, insbesondere weil diese eine Verdinglichung obligatorischer Rechte bewirke und eine wichtige soziale Aufgabe wahrzunehmen habe8 • Gänzlich umgekehrt als die heute überwiegende Ansicht haben die älteren Autoren die Bedeutung der Besitzrechtsklage des§ 1007 BGB im Vergleich zu § 985 BGB eingeschätzt. Insbesondere in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg hat man dem§ 1007 überragende Bedeutung beigemessen. Man war der Auffassung, § 1007 werde in der Praxis viel häufiger angewandt werden als § 985 und diese Vorschrift sogar ersetzen9• Dies ging sogar so weit, daß man der Vorschrift des § 985 jegliche Existenzberechtigung gegenüber § 1007 absprach und sie für ein anachronistisches romanistisches Relikt hielt, das gegenüber einem am Recht des deutschen Mittelalters geläuterten BGB ein Fremdkörper seP0 • Es läßt sich also feststellen, daß zur Zeit der Entstehung des BGB der § 1007 äußerst positiv beurteilt wurde und daß die tatsächliche Rechts-
entwicklung völlig prognosewidrig verlief. Dennoch gab es auch früher schon kritische Stimmen, die insbesondere die angeblichen Beweisvorteile der Besitzrechtsklage bezweifelten11 • Mit dieser zuletzt erwähnten Meinung ist die neue Richtung in der schweizerischen Literatur, die bereits kurz erwähnt wurde und die vor allen Dingen von RusconP2 angeführt wird, verwandt. Wenn auch Rusconi ganz pointiert die Bedeutungslosigkeit der Besitzrechtsklage ausspricht und sich ihm nur Liver18 und Piotet14 angeschlos8 Vgl. Dulckeit, Verdinglichung; Boehmer, Einf., S. 308; auch StaudingerBerg, a. a. 0., Rdn. 15. 9 Vgl. Rilmelin, Vorentwurf, S. 147. 10 Pflüger, Verfolgung, S. 459; Enn.- H. 0. Lehmann, BGB, S. 195; Feustel, § 1007, S. 17; Effertz, § 1007, S. 37, 38, 39; Miethke, § 1007, S. 39; Peipers, § 1007, S. 90; Neumann, § 1007, S. 53, 55; Loos, § 1007, S. 97, 108; 0. v. Gierke, Bedeutung, S. 67; Beck, § 1007, S. 4; Lorey, § 1007, S. 39, 40; Crome, System, S. 251
Fußn.104. u Koppers, DJZ 7, 1902. 12 Rusconi, l'action ... 1a ZBJV 95, 1959. 14 SJZ 67, 66 ff.
Aufgabestellung
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sen haben, gibt es doch auch in der Schweiz seit längerem schon Autoren, welche die Bedeutung der Besitzrechtsklage für den schweizerischen Bereich anzweifeln, auch wenn sie einen so extremen Standpunkt wie Rusconi nicht haben15• Dieser Meinungsstreit um die Bedeutung der Besitzrechtsklage ist nicht so sehr auf rechtspolitische Erwägungen zurückzuführen als auf eine dogmatische Problematik der Vorschriften über die Besitzrechtsklage. Es ist das Verdienst Rusconis, diese Problematik für das schweizerische Recht deutlich herausgearbeitet zu haben. Wegen der Verwandtschaft der schweizerischen mit der deutschen Regelung stellt sich dieses Problem auch für das deutsche Recht. Dieser dogmatische Streit entzündet sich an folgendem Beispielsfall: E ist Eigentümer eines Autos. Das Auto wird ihm vom Dieb D 1 gestohlen, der es an den gutgläubigen K 1 verkauft. K 1 nun vermietet entweder das Auto an M, der es veruntreut, indem er es an K 2 verkauft, der bösgläubig ist, oder dem K 1 wird das Auto vom Dieb D 2 gestohlen. Ausgangspunkt für die Beurteilung des Falles ist, daß K 1 trotz seiner Gutgläubigkeit kein Eigentum an dem Auto erworben hatte und ihm auch sonst kein Besitzrecht zusteht. Hier setzt der dogmatische Streit ein. Die Frage ist, ob dem K 1 aufgrund der Vorschriften über die Besitzrechtsklage gegenüber K 2 oder D 2 ein eigener Herausgabeanspruch zusteht, und zwar, obwohl er kein Recht zum Besitz hat, oder ob nur der E aufgrund der rei vindicatio Herausgabe verlangen kann. Ist dieser eigene Herausgabeanspruch des K 1 zu bejahen, so steht fest, daß die Besitzrechtsklage zumindest in gewissen Grenzen selbständige Bedeutung hat; ist sie zu verneinen, so liegt die Erwägung nahe, sie in irgend einerWeise in die rei vindicatio einzugliedern. Die eben aufgeworfene Frage läßt sich anhand des Wortlauts der Vorschriften über die Besitzrechtsklage nicht allein und abschließend entscheiden. Die Kernfrage ist die nach der ratio legis der Besitzrechtsklage. Nur nach Klärung der Klagegrundlage kann beantwortet werden, ob die Besitzrechtsklage einem gutgläubigen, nichtberechtigten früheren Besitzer einen selbständigen Herausgabeanspruch gibt. Diese Frage wird also das zentrale Problem der Untersuchung sein.
15 Hornberger, ZGB Art. 932 Rdn. 4, Art. 934 Rdn.17, 18; Zycha, Eigentumsverfolgung, S. 99; Hinderling, ZBJV 1962, 6, insbes. Fußn. 2.
16
Aufgabestellung
Erst nach Klärung der Klagegrundlage kann versucht werden, den Wortlaut der Bestimmungen über die Besitzrechtskla ge deutlicher und zweifelsfreier zu fassen. Dann kann auch die Bedeutung der Besitzrechtsklage gegenüber der rei vindicatio beleuchtet werden. Erst dann sind auch Untersuchunge n über die jeweilige Praktikabilität der rei vindicatio und der Besitzrechtskla ge möglich. Den Abschluß der Untersuchungen haben im Anschluß hieran rechtspolitische Erwägungen zu bilden.
Erster Abschnitt
Das deutsche Recht 1. Kapitel
Die Klagegrundlage in der Entstehungsgeschi chte des § 1007 des Bürgerlichen Gesetzbuches I. Die Motive der Ersten Kommission zum Ersten Entwurf Die Motive16 der Ersten Kommission gehen von dem Ziel aus, die Eigentumsverfolgun g bei beweglichen Sachen zu erleichtern. Denn nach der Rechtslage, von der die Erste Kommission ausging, müßte der Kläger normalerweise bei der Geltendmachung der aus dem Eigentum fließenden Ansprüche seinen Eigentumserwerb im einzelnen nachweisen. Dies könne nach Auffassung der Kommission insbesondere bei abgeleitetem Eigentumserwerb schwierig sein, da der Kläger, um sein Eigentum zu beweisen, zunächst das Eigentum seines Rechtsurhebers zu beweisen hätte, und zwar so lange, bis er bei einem der Rechtsvorgänger originären Eigentumserwerb bewiesen hätte. Der Kläger wäre also mit der sogenannten probatio diabolica belastet. Diese probatio diabolica zu umgehen, hatte sich die Erste Kommission zur Aufgabe gemacht. Zu jener Zeit galt in Deutschland das gemeine Recht, das römischrechtlich orientiert war. Die probatio diabolica war ein typisches Phänomen der romanistisch-gemein rechtlichen rei vindicatio. Allerdings versuchte schon das alte römische Recht, diese Schwierigkeit zu umgehen: Die rei vindicatio war seinerzeit nur bei sogenanntem quiritischem Eigentum, nicht aber bei sogenanntem bonitarischem Eigentum gegeben. Das quiritische Eigentum stand nur den römischen Bürgern zu, während das bonitarische Eigentum, das lediglich von den Prätoren geschützt wurde, vor allem dann entstand, wenn ein Nichtrömer von einem Römer eine Sache zu Eigentum erwerben wollte. Hier knüpfte die sogenannte actio Publiciana an, die dieses bonitarische Eigentum durch einen Herts
Vgl. Mugdan, Mat., S. 240 Ziff. 1.
2 Hörer
Das deutsche Recht
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ausgabeanspruch schützte, welcher der rei vindicatio nachgebildet war.
In späterer Zeit wurde die actio Publiciana auch beim Eigentumserwerb
unter Römern angewendet, wenn lediglich durch traditio, nicht durch mancipatio übereignet worden war. Denn an res mancipi konnte quiritisches Eigentum nur durch mancipatio übertragen werden. Diese Ausdehnung der actio Publiciana in den Bereich der rei vindicatio hinein bedeutete eine Erleichterung der Eigentumsverfolgung, da der Kläger weniger zu beweisen hatte. Vor allem blieb ihm der Beweis des quiritischen Eigentums erspart17• Für den germanischen Rechtskreis stellte sich demgegenüber die Frage der probatio diabolica nicht. Es gab dort nur die Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere. Die Eigenart der Gewere war, daß sie an das tatsächliche Haben die dinglichen Rechte anknüpfte, die allerdings im alten deutschen Recht noch nicht so differenziert unterschieden wurden wie schon im römischen Recht. Der Kläger mußte nur seine frühere Gewere dartun sowie den unfreiwilligen Gewereverlust. Damit hatte er die erforderlichen Nachweise erbracht und konnte Herausgabe verlangen18• Die Erste Kommission hatte bereits einige Vorschrüten in den Ersten Entwurf aufgenommen, die geeignet waren, die Schwierigkeit der probatio diabolica zu vermindern: Der E I ließ in seinen §§ 877 - 879 den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten zun. Dadurch war es für den Kläger nicht mehr erforderlich, seinen Eigentumserwerb und den seiner Rechtsvorgänger bis hinab zu einem originären Eigentumserwerb zu beweisen. Denn selbst wenn einer der Vormänner kein Eigentum erworben haben sollte, wäre irgendwann einmal in der Kette der Rechtsvorgänger ein gutgläubiger Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten möglich gewesen. Der Kläger brauchte somit nur noch die Voraussetzungen des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten darzutun. Letztlich oblag ihm also nur der Beweis der Gutgläubigkeit. Eine weitere Hilfe waren die in den E I aufgenommenen Besitzschutzklagen und die Besitzkondiktion (Vergl. §§ 819-824, § 737 Abs. 3 EI). Dennoch aber hielt die Erste Kommission noch ein Bedürfnis für gegeben, die Eigentumsverfolgung weiter zu erleichtern, da nach ihrer Ansicht die Besitzschutzklagen und die Kondiktion eine rein persönliche Richtung hätten und der Erwerb im guten Glauben Ausnahmen erleide und sich nicht auf die - wenn auch seltenen - Fälle des derivativen Eigentumserwerbs ohne Tradition beziehe. 17
ts tu
Vgl. zum ganzen Kaser, Römisches Privatrecht,§ 97. Vgl. Eugen Huber, Gewere. Vgl. Mugdan, a. a. 0., Gegenüberstellung S. XXI.
Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte des § 1007 BGB
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Die Erste Kommission wägt dabei zwei Möglichkeiten ab, die sich bereits im seinerzeit geltenden Recht vorgefunden hatten: Zunächst untersucht sie die deutschrechtliche Lösung20 , die bereits im Preußischen ALR und dem französischen und dem schweizerischen Recht vorhanden war. Hiernach ergebe sich folgender Grundgedanke: Derjenige frühere Besitzer, der dergestalt den Besitz der Sache verloren habe, daß der nachfolgende Erwerber der Sache kein Eigentum erworben habe, müsse bei der Erhebung der Eigentumsansprüche nur seinen früheren Besitz und die Art des Verlustes des Besitzes beweisen. Dieser Satz setzt nach Ansicht der Kommission voraus, daß der frühere Besitzer zur Zeit seines Besitzes als Eigentümer zu vermuten ist und deshalb der Besitzwechsel von dem früheren Besitzer auf den jetzigen Besitzer als Übergang des Besitzes aus der Hand des Eigentümers in die Hand des Nichteigentümers anzusehen sei. Diese Lösung arbeitet also mit einer an den Besitz geknüpften Eigentumsvermutung. Die Erste Kommission lehnt aber diesen deutschrechtlichen Weg ab. Nach ihrer Ansicht kann er nämlich nur zu einer Beweiserleichterung führen und insbesondere dem Beklagten die exceptio de iure tertii freilassen. Der Beklagte könnte also die zugunsten des Klägers wirkende Eigentumsvermutung dadurch zerstören, daß er das Eigentum eines Dritten nachweist. Der Kläger müßte dann, wenn er auf der Eigentumsklage beharrt, auf die probatio diabolica zurückgreifen. Die zweite Lösung, die die Kommission erwägt, ist die römischrechtliche Lösung, nämlich die publizianische Rechtsposition21 • In denneueren Gesetzgebungen sei diese nicht mehr an den Eintritt in die Ersitzungslage - wie noch im römischen Recht -, sondern an die redliche und rechtmäßige Besitzerwerbung geknüpft. Die Rechtmäßigkeit des Besitzes in diesem Sinne werde als auf einer objektiven Grundlage beruhend gedacht und die obligatorische causa der Eigentumserwerbung für eine solche Grundlage erachtet. Die von der Kommission ins Auge gefaßte neuere actio Publiciana stellte also nicht mehr auf das Eigentum als solches ab, sondern begnügte sich mit dem obligatorischen Erwerbstitel und der Redlichkeit, das heißt Gutgläubigkeit. Von der Beweiserleichterung der deutschrechtlichen Lösung unterscheide sich die publizianische Erleichterung in dem wesentlichen Punkt, daß an die qualifizierte Besitzerwerbung die Entstehung einer dinglichen, eigentumsähnlichen Rechtsposition geknüpft werde. Dieser 20
Mugdan, Nr. 2 a.
z1 Mugdan, Nr. 2 b.
2"
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Das deutsche Recht
Rechtsposition wohne ebenso wie dem Eigentum ein absoluter Charakter bei. Jedoch könne dieser absolute Charakter unter solchen streitenden Teilen, welche beide das Eigentum an der Sache in Anspruch nehmen, wegen der Undenkbarkeit eines doppelten absoluten Rechts gleichen Inhalts nicht beibehalten werden. In diesem inneren Verhältnis sei daher ein Unterschied in der Güte der Rechtsposition zu machen, und derbesseren Rechtsposition der Vorzug einzuräumen. Die praktisch wichtige Folge einer solchen Regelung sei, daß im Eigentumsprozeß über bewegliche Sachen die exceptio de iure tertii ausgeschlossen sei, welche sonst zulässig wäre. Hierzu treibe ein dringendes Bedürfnis. Denn nach Ansicht der Kommission würde es zu großen Unzuträglichkeiten führen, wenn man im Eigentumsprozeß darüber verhandeln könnte, ob vielleicht eine dritte Person der wahre Eigentümer sei und man deswegen den Beweis des klägerischen Rechts als nicht erbracht ansehe. Mit Rücksicht auf dieses Bedürfnis zieht die Erste Kommission die römischrechtliche publizianische Rechtsposition der deutschen Lösung vor. Für die Kommission kommt eine Präsumption zugunsten des dominium auctoris nicht infrage, da nach dem Entwurf bei derivativem Eigentumserwerb der Erwerb vom Nichtberechtigten zugelassen und insoweit nur der gute Glaube des Erwerbers zu beweisen sei. Für die seltenen Fälle eines derivativen Erwerbs ohne Übergabe sei die Bestimmung einer Präsumption entbehrlich und wenig angemessen. Die publizianische Klage finde gegenüber dem wirklichen Eigentümer keine Anwendung, ebensowenig wie gegenüber einer Person, welche "nach der der publizianischen Klage zugrundeliegenden Wahrscheinlichkeitsrechnung" eine ebenso große oder eine größere Wahrscheinlichkeit des wirklichen Eigentums für sich in Anspruch nehmen könne. Der wirkliche Rechtserwerb bleibe unaufgeklärt. Die Erste Kommission hat aufgrund dieser Erwägungen folgende Vorschrift in den E I aufgenommen: § 945 E I : "Die Vorschriften der §§ 929-944 über die dem Eigentümer zustehenden Ansprüche finden entsprechende Anwendung zugunsten desjenigen, welcher den Besitz einer beweglichen Sache erworben hat, sofern er bei dem Besitzerwerbe den Umstand nicht gekannt hat, durch welchen der Erwerb des Eigentums an der Sache verhindert worden ist, und seine Unkenntnis auch nicht auf grober Fahrlässigkeit beruht hat. Die Vorschrift des § 877 Satz 2 findet entsprechende Anwendung. Die aus der Vorschrift des Satzes 1 des Abs. 1 sich ergebenden Ansprüche können jedoch nicht gegen den Eigentümer und auch nicht gegen denjenigen geltend gemacht werden, bei welchem die Voraussetzungen jener Vorschrift gleichfalls zutreffen, es sei denn, daß der letztere seinen Erwerb von dem nämlichen Rechtsvorgänger aus einer späteren Veräußerung desselben herleitet."
Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte des§ 1007 BGB
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Würdigung
Der Ersten Kommission ist zuzugeben, daß die exceptio de iure tertii mißlich ist. Denn sie ermöglicht, die Rechtsposition eines außerhalb des konkreten Prozesses stehenden Rechtssubjektes in das Verfahren hineinzuziehen, ohne daß der Dritte dazu selbst etwas vortragen, geschweige denn überhaupt auftreten könnte. Dies widerspricht an sich einem geordneten Verfahren. In heutiger Sicht wäre die exceptio de iure tertii möglicherweise verfassungswidrig, da ein Verstoß gegen Art.103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) infrage käme. Es ist hervorzuheben, daß die Kommission mit der actio Publiciana eine eigene dingliche Rechtsstellung verbindet. Allerdings führt die Kommission die Eigenart dieses Rechts nicht weiter aus. Der Hinweis auf die Eigentumsähnlichkeit läßt den Unterschied zum Eigentum unerörtert. Die Qualifizierung als absolutes Recht ist zumindest unscharf, da die Klage nicht gegenüber dem Eigentümer, also nicht gegenüber jedermann zugebilligt wird. Im Rahmen der Aufgabestellung dieser Arbeit sind die Motive der Ersten Kommission nicht unmittelbar von Nutzen, da die Erste Kommission eine dem heutigen§ 1007 BGB entsprechende Vorschrift noch nicht gekannt hat. Außerdem findet sich im Gedankengang der Ersten Kommission ein gewisser Widerspruch: Es bleibt unklar, wieso die dingliche Rechtsstellung ihren Grund in einer Wahrscheinlichkeitsrechnung finden soll, ohne daß der wirkliche Rechtserwerb aufgeklärt wird. Wie kann eine Wahrscheinlichkeitsrechnung zu einem dinglichen Recht führen, das sich vom Eigentum unterscheidet? Im übrigen bleibt unerläutert, was sie überhaupt unter einerWahrscheinlichkeitsrechnungverstehen will22 •
II. Die Protokolle der Zweiten Kommission zum Ersten Entwurf Die Protokolle der Zweiten Kommission23 sind vor dem Hintergrund der Motive der Ersten Kommission zu sehen, an welche sie anknüpfen. Die Zweite Kommission nahm gegenüber der Ersten Kommission einen entgegengesetzten Standpunkt ein. Sie lehnte den publizianischen Anspruch ab. Nach ihrer Auffassung bestand für den publizianischen Anspruch kein Bedürfnis mehr, da neueingeführte Rechtsvermutungen bei beweglichen Sachen dessen Funktion übernommen haben. H
Vgl. Weitnauer, Karlsruher Forum 1966. S. 698, 699.
ta Mugdan,
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Das deutsche Recht Dies bedarf näherer Erläuterung:
Zunächst ist zu klären, was hier unter dem Begriff Rechtsvermutung verstanden werden soll. Es sind an den Besitz einer beweglichen Sache geknüpfte Vermutungen des Inhalts, daß mit dem Besitz der Sache zugleich ein dingliches Recht verbunden sei, nämlich Eigentum, Nießbrauch oder Pfandrecht. Die Erste Kommission hatte in den Entwurf lediglich eine Eigentumsvermutung für unbewegliche Sachen aufgenommen, die dem heutigen§ 891 BGB entsprach. (Vergl. § 826 EI). Eine Rechtsvermutung, die sich an den Besitz von beweglichen Sachen anknüpfte, gab es damals noch nicht. Es gab allerhöchstens eine mehr als dürftige Andeutung des Rechtsvermutungsgedankens in der Vorschrift des § 825 E I. Der Wortlaut des§ 825 EI war folgender: "Hat Jemand den Besitz einer Sache verloren oder wird diese während seines Besitzes beschädigt, so wird vermutet, daß sein Vermögen im ersten Falle um den Wert der Sache, im zweiten Falle um die Verringerung des Wertes derselben vermindert worden sei." Diese Vorschrift war lediglich im Bereich des Schadensersatzrechts von Bedeutung. Erst die Zweite Kommission war es, die in den Entwurf eine an den Besitz beweglicher Sachen geknüpfte allgemeine Rechtsvermutung einführte2'. Diese Rechtsvermutung fand sich in dem neuen § 944 a des Entwurfs, der dem heutigen§ 1006 BGB entsprach. Diese Rechtsvermutung glich im wesentlichen der deutschrechtlichen Vermutung, die von der Ersten Kommission erwogen, aber abgelehnt worden war. Die Zweite Kommission bevorzugte also im Gegensatz zur Ersten Kommission die deutschrechtliche, nicht die römischrechtliche Lösung. Das Ziel der Erleichterung der Eigentumsverfolgung wurde nunmehr mit Hilfe einer Rechtsvermutung angestrebt. Damit war die von der Ersten Kommission normierte actio Publiciana hinfällig geworden, da ihre Aufgabe von der Rechtsvermutung übernommen worden war. Besonders bedeut&am für die vorliegende Untersuchung ist nun, daß die Zweite Kommission sich nicht allein damit begnügte, einen anderen Standpunkt als die Erste Kommission einzunehmen. Darüber hinaus nämlich hat die Zweite Kommission noch eine weitere Vorschrift neu eingeführt, und zwar den § 945 des Entwurfs. DerWortlaut dieses neuen § 945 des Entwurfs war folgender: "Wer eine bewegliche Sache im Besitze oder im mittelbaren Besitze gehabt hat, kann von einem Besitzer, der bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in u Wegen der Erwägungen hierzu vgl. Mugdan, S. 519, 520.
Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte des § 1007 BGB
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gutem Glauben war (d. h. den Mangel des Rechtes zum Besitze gekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat), die Herausgabe derselben verlangen. Ist die Sache gestohlen oder verloren oder sonst ohne den Willen des früheren Besitzers aus dessen Besitz gekommen, so findet der Anspruch auch gegen einen gutgläubigen Besitzer statt, es sei denn, daß dieser der Eigentümer ist oder daß ihm der Besitz oder der mittelbare Besitz in gleicher Weise wie dem früheren Besitzer oder dem mittelbaren Besitzer vor dessen Besitzzeit abhanden gekommen war, oder daß die Herausgabe von Geld oder Inhaberpapieren verlangt wird. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der frühere Besitzer oder der mittelbare Besitzer bei dem Erwerbe des Besitzes oder des mittelbaren Besitzes nicht in gutem Glauben war oder wenn er den Besitz oder den mittelbaren Besitz (rechtswirksam) aufgegeben hat. Im übrigen finden die Vorschriften der §§ 929 - 938 a entsprechende Anwendung." Dieser Wortlaut entspricht dem Antrag 3 zu § 945 EI, der von der Zweiten Kommission angenommen wurde. Dieser Antrag "gestalte den publizianischen Anspruch des Entwurfs zu einem Anspruche aus früherem Besitze (im Sinne der zweiten Lesung) gegen den Schlechterberechtigten um. Der Anspruch solle auch dem Mieter, dem Finder usw. zustehen. Er schließe sich im wesentlichen an das preußische Recht an. Dieser verallgemeinerte Anspruch entspreche einem vorhandenen Bedürfnisse. Er werde weder durch die beschlossene Eigentumsvermutung noch durch die dem Besitzer zustehenden Ansprüche aus dem Besitze, der Bereicherung oder der Unerlaubten Handlung entbehrlich. Mit Recht schließe der Antrag (Absatz 2 Satz 1 a. E.) diesen Anspruch auch dann aus, wenn der klagende frühere Besitzer oder mittelbare Besitzer den Besitz oder mittelbaren Besitz rechtswirksam aufgegeben, zum Beispiel die Sache veräußert oder sie etwa als Mieter oder Verwahrer dem Vermieter oder Hinterleger zurückgegeben habe. Ein solcher früherer Besitzer stehe in keinem Verhältnisse mehr zu der Sache und dürfe sie daher auch einem unredlichen Besitzer nicht abnehmen können. Insoweit müsse die exceptio de iure tertii zugelassen werden" 25•
WüTdigung 1. Analyse des Wortlauts des AntTags 3 zu§ 945 EI Es soll nicht untersucht werden, wie der von der Vorschrift beschriepene Besitz des Klägers oder des Beklagten beschaffen sein muß. Der hier entscheidende Ausgangspunkt derüberlegungenist der Umstand, daß der Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 des § 945 E I nur gegenüber einem Besitzer gegeben ist, der "nicht in gutem Glauben war". Dieses Tatbe15
Zitiert nach Mugdan, a. a. 0 .
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Das deutsche Recht
Standsmerkmal ist genau zu untersuchen. Allerdings wird die Betrachtung erheblich erleichtert, weil in dem Antrag 3 der Inhalt dieses Merkmals genau definiert wurde. Nicht in gutem Glauben ist hiernach nur, wer den Mangel des Rechts zum Besitz gekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. Auffällig an dieser Legaldefinition ist, daß das Fehlen des guten Glaubens an den Mangel des Rechts zum Besitz geknüpft ist. Daraus folgt, daß von fehlendem guten Glauben nur die Rede sein kann, wenn ein Recht zum Besitz nicht besteht. Der Begriff des guten Glaubens baut auf dem Fehlen eines Besitzrechts auf und beantwortet die Frage nach der Kenntnis beziehungsweise dem Kennenmüssen hiervon. Ist ein Besitzrecht vorhanden, so stellt sich also die Frage nach dem guten Glauben nicht. Der gute Glaube ist also ein zweiteiliger Begriff, der eine objektive und eine subjektive Komponente in sich schließt. Der gute Glaube ist stets Irrtum. Diese Definition gilt aber der Wortfassung des Antrags nach nur für den Beklagten. Wenn der Anspruch gegen den Beklagten aus Satz 1 des Absatzes 1 des Antrags begründet sein soll, so muß der Beklagte bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben, mit anderen Worten bösgläubig gewesen sein. Das bedeutet nach dem Gesagten, daß der Beklagte zum Besitz nicht berechtigt gewesen sein darf und außerdem diese fehlende Berechtigung gekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt haben muß. Das Entscheidende also ist, daß insoweit der Beklagte zum Besitz nicht berechtigt ist. Das Gesagte gilt dem Wortlaut nach nur für den Beklagten. Die Frage ist, ob Entsprechendes nicht auch für den Kläger gelten muß. Dies ist das zentrale Problem. Die Antwort könnte sich darin finden, daß Absatz 2 Satz 1 des Antrags den Anspruch dann ausschließt, wenn der Kläger bei dem Erwerbe des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Insoweit aber fehlt eine Definition des Gutglaubensbegriffs, wie sie der Antrag für den Beklagten gegeben hatte. Es bestehen aber keine Bedenken, die in Absatz 1 des Antrags gegebene Definition auch auf Absatz 2 zu übertragen. Der Fassung des gesamten Antrags ist zu entnehmen, daß das Fehlen des guten Glaubens in Absatz 1 und in Absatz 2, also beim Beklagten und beim Kläger im gleichen Sinne zu verstehen ist. Wäre dies nicht im Sinn der Antragsteller gewesen, so wäre eine andere Wortfassung gewählt worden. Dies bedeutet, daß auch seitens des Klägers der Anspruch dann nicht gegeben ist, wenn der Kläger den Mangel des Rechts zum Besitz gekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat. In allen anderen Fällen des Absatzes 2 Satz 1 1. Halbsatz des Antrags ist der Anspruch also gegeben. Die Ausschließung des Anspruchs setzt nicht nur ein Fehlen des Rechts zum Besitz voraus, sondern auch noch die Kenntnis oder zumindest das Kennenmüssen des Klägers hiervon. Nur dann ist der Kläger nicht in
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gutem Glauben. Das bedeutet umgekehrt, daß der Kläger noch in gutem Glauben ist, wenn er zwar kein Recht zum Besitz hat, dieses Fehlen des Besitzrechts aber nicht kennt beziehungsweise nicht infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt. Das bedeutet, daß dem Kläger der Anspruch noch zusteht, obwohl er kein Recht zum Besitz hat. Dieses Ergebnis der Wortlautanalyse ist besonders hervorzuheben. Man kann aber noch weiter gehen: Der Anspruch ist nur ausgeschlossen, wenn der Kläger nicht in gutem Glauben ist. Diese negative Fassung bedeutet, daß der Kläger auch dann nicht "nicht-in-gutem-Glauben" ist, wenn sich die Frage nach seiner Bösgläubigkeit nicht stellt. Das ist nach dem oben Gesagten dann der Fall, wenn der Kläger ein Recht zum Besitz hat. Es läßt sich also feststellen, daß der Kläger sowohl dann anspruchsberechtigt ist, wenn er ein Recht zum Besitz hat, als auch dann, wenn er kein Recht zum Besitz hat. In letzterem Fall allerdings nur, wenn er das Fehlen nicht kennt beziehungsweise kennen muß. Dieses Ergebnis bedeutet für den auf Seite 15 geschilderten Ausgangsfall, daß K 1 Herausgabe verlangen kann. Obwohl bis jetzt nur der Wortlaut des Antrags 3 zu § 945 E I analysiert wurde, müssen die gefundenen Erkenntnisse auch auf den Wortlaut des heutigen § 1007 BGB übertragen werden.§ 1007 BGB entspricht in seiner Wortfassung im wesentlichen dem Antrag 3. Allerdings fehlt dem § 1007 BGB die im Antrag 3 vorhandene Legaldefinition des Fehlens des guten Glaubens. Dies kann aber keinen Unterschied bedeuten. Aus den gesamten Materialien ergibt sich kein Hinweis, daß der Gesetzgeber über redaktionelle Änderungen hinaus den § 1007 BGB gegenüber dem Antrag 3 umgestalten wollte. Damit ergibt sich auch für § 1007 BGB, daß auch ein nichtberechtigter, wenn auch gutgläubiger Kläger Herausgabe verlangen kann. Auch nach § 1007 BGB wäre also im genannten Ausgangsfall dem K 1 der Anspruch zuzubilligen. Ob dieses Ergebnis letztlich aufrechtzuerhalten ist, kann aber aufgrund einer bloßen Wortanalyse noch nicht endgültig beantwortet werden. Vielmehr kann eine Klärung erst erreicht werden, wenn dieses Ergebnis auch mit der ratio legis des § 1007 BGB übereinstimmt. Unter diesem Gesichtspunkt muß also die Klagegrundlage des § 1007 BGB untersucht werden. Diese Untersuchung hat damit zu beginnen, daß die Erwägungen der Zweiten Kommission betrachtet werden, die zur Annahme des Antrags 3 zu§ 945 EI geführt hatten.
2. AnaLyse der Erwägungen der Zweiten Kommission im HinbLick auf die KLagegrundLage Es steht fest, daß das Ziel der von der Zweiten Kommission neu eingeführten Vorschrüt nicht mehr sein kann, die Eigentumsverfolgung
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Das deutsche Recht
hinsichtlich beweglicher Sachen zu erleichtern. Dies war zwar die Aufgabe der ursprünglichen actio Publiciana. Diese aber wurde von der Zweiten Kommission aus dem Entwurf herausgenommen und durch die neugeschaffene Rechtsvermutung ersetzt. Damit blieb für das ursprüngliche Ziel kein Raum mehr. Wenn aber nicht mehr die Erleichterung der Eigentumsverfolgung die Aufgabe der Neufassung des § 945 E I war, dann fragt es sich, welcher Grundgedanke nunmehr hinter der neuen Vorschrift steht. Welche Existenzberechtigung soll der neue Anspruch noch neben der neugeschaffenen Rechtsvermutung haben? Die Zweite Kommission sieht in dem Anspruch einen Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten. Mehr wird nicht zur Klagegrundlage gesagt. Aus dem Zusammenhang der Erwägungen ergibt sich lediglich, daß sich diese neue Klage von den Ansprüchen aus dem Besitz unterscheiden soll. Unter diesen Ansprüchen aus dem Besitz sind die possessorischen Besitzschutzansprüche zu verstehen. Bei possessorischen Besitzschutzansprüchen ist Schutzgut allein der Besitzu. Daraus wäre an sich zu schließen, daß Klagegrundlage der neuen Vorschrift jedenfalls nicht der Besitz als solcher sein soll. Die weitere Abgrenzung des Antrags 3 von den Ansprüchen aus Bereicherung und Unerlaubter Handlung führt für die vorliegende Frage ebenfalls nicht weiter. Man muß also versuchen, die Wendung "Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten" auszuwerten. Die Verwendung des Begriffs "Schlechterberechtigter" bedeutet grammatikalisch gesehen eine Steigerung, die einen Vergleich voraussetzt. Das heißt, einem "Schlechterberechtigten" muß ein "Besserberechtigter" gegenüberstehen. Das "Schlechter" oder "Besser" hat sich auf ein Recht zum Besitz zu beziehen. Man könnte somit die Kommission dahin verstehen, daß ein Besserberechtigter gegenüber einem Schlechterberechtigten Herausgabe verlangen könnte. Die Kommission erwähnt einen "Besserberechtigten" jedoch nicht. Sie spricht vielmehr nur von einem früheren Besitzer. Hierbei bleibt aber unklar, ob und gegebenenfalls warum ein früherer Besitzer besserberechtigt sei. Zu dem früheren Besitz als solchem müßten weitere Kriterien treten, die einen Vergleich erst ermöglichten. Der frühere Besitz des Klägers selbst führt jedenfalls nicht schon zu einer schlechteren Berechtigung des Beklagten. Es bleibt also zweifelhaft, wieso aus dem früheren Besitz geklagt werden kann.
zs Vgl. statt aller Palandt - Degenhart, BGB, § 861 Anm. 1.
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Als Klagegrundlage käme daher allerhöchstens ein Recht des Klägers zum Besitz infrage. Dann aber bleibt offen, wie dieses Besitzrecht beschaffen ist, zumalessich an den früheren Besitz anknüpft. Der frühere Besitz als solcher stellt jedenfalls kein Recht dar, sondern lediglich eine Tatsache. Dies entspricht der weitaus herrschenden Meinung27. Anderer Ansicht sind insbesondere Wolff- Raiser28, die den Besitz als subjektives Recht sehen. Diese Meinung ist aber abzulehnen. Zwar ist zuzugeben, daß mit dem Besitzbegriff des BGB zum Teil eigenartige Phänomene verbunden sind. Allerdings ist der Besitz als tatsächliche Sachherrschaft zu definieren. Insoweit wäre für eine Verrechtlichung kein Anlaß. Aber es gibt die Figur des Besitzdieners, § 855 BGB, der trotz tatsächlicher Sachherrschaft keinen Besitz hat. Andererseits werden als Besitz vom Gesetz auch Verhältnisse bezeichnet, die von der tatsächlichen Sachherrschaft völlig losgelöst sind. Es sind zu nennen insbesondere der Erbenbesitz, § 857, der mittelbare Besitz, § 868, aber auch in gewissem Sinne der Mitbesitz, § 866, sowie die Möglichkeit der Besitzübertragung durch bloße Einigung, § 854 Abs. 2 BGB. Hieraus könnte man ein subjektives Recht folgern, weil der Besitzbegriff über das rein Tatsächliche hinausgehoben erscheint. Von einem subjektiven Recht kann man aber nur dann reden, wenn das Gesetz dem Besitzer Willensmacht beziehungsweise Willensherrschaft einräumt29 • Das ist aber in den genannten Fällen nicht der Fall. Auch bei ihnen stellt der Besitz ein bloßes Tatbestandsmerkmal dar, das nicht die Entscheidung über das Behaltendürfen der Sache in sich trägt und überflüssig macht. Erst aber aufgrundeiner solchen Entscheidung kann ein subjektives Recht an einer Sache begründet werden. Eine Entscheidung über das Behaltendürfen hat das Gesetz auch nicht in den Besitzschutzansprüchen getroffen. Denn nach allgemeiner Meinung30 sind die Besitzschutzansprüche unabhängig von einem Recht zum Besitz gegeben, sie dienen nur der vorläufigen Regelung der Besitzverhältnisse ohne Rücksicht auf das Recht zum Besitz, auf das endgültige Behaltendürfen. Sie dienen dem Friedensschutz81 • Dies ist die Friedenstheorie. Anderer Ansicht ist insoweit Heck82• Er will mit den§§ 861 ff. das sogenannte Kontinuitätsinteresse geschützt wissen. Seine Ansicht kann aber nicht überzeugen. Das Kontinuitätsinteresse ist kein geeigneter Grund für den Besitzschutz. Wenn die Besitzschutzansprüche von vom27 18 18
80 31
Palandt - Degenhart ist statt aller zu erwähnen. § 3 III. Vgl. Lehmann, Allg. Teil,§ 10 Ill, IV. Vgl. statt aller Palandt- Degenhart, § 861 Anm. 1. Vgl. Eichler, Band II 1. Halbband 1. Kapitel 1. "Besitz- und Friedens-
schutz", insbes. Anm. 2. 32 Sachenrecht Exkurs I S. 485 ff.
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herein nur vorläufig sind, dann ist eine zu schützende Kontinuität nicht vorhanden. Wieso ein vorläufiger Rechtsschutz gegeben ist, kann nur aus öffentlichen Interessen erklärt werden, bei denen aber unter Umständen das Kontinuitätsinteress e motivierend ist. Besitzschutz ohne Rücksicht auf ein Besitzrecht beziehungsweise trotz Fehlens eines Besitzrechts des Klägers ist nur damit zu erklären, daß das Gesetz die Folgen der verbotenen Eigenmacht, § 858, ungeschehen machen und damit denjenigen, der verbotene Eigenmacht verübt hat, auf den Rechtsweg verweisen will. Wenn auch W olff - Raiser 33 im übrigen anerkennen, daß der Besitz in ihrer Sicht nur ein vorläufiges subjektives Recht sein kann, geben sie selbst zu erkennen, daß das Gesetz auch nach ihrem Verständnis dem Besitzer keine Willensmacht einräumt. Eine solche kann nur bei gewisser Dauer und Endgültigkeit anerkannt werden. Auch die Anerkennung des Besitzes als "sonstiges Recht" im Sinn des § 823 I BGB führt zu keiner anderen Beurteilung. Die schadensersatzrechtliche Betrachtungsweise berechtigt nicht zu sachenrechtliehen Rückschlüssen. Man könnte also danach fragen, ob mit der Wendung "Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigt en" nicht angedeutet werden soll, daß die Klagegrundlage ein an den Besitz geknüpftes Recht zum Besitz darstellt. Als ein solches Recht zum Besitz käme sowohl ein absolut-dingliches Recht, wie etwa Eigentum, Pfandrecht oder Nießbrauch in Betracht, als auch ein relativ-obligatorisch es, wie etwa die Miete. Dem widerspricht an sich, daß der Wortlaut nur die Bezeichnung "früherer Besitz" verwendet. Denkbar wäre aber, daß der frühere Besitz stellvertretend für ein Besitzrecht genannt ist. Dies würde dann einer Vermutungswirkung entsprechen dergestalt, daß mit dem früheren Besitz die Vermutung eines Rechts zum Besitz verknüpft ist. Abgesehen davon, daß diese Möglichkeit dem Wortlaut der Protokolle nicht entnommen werden kann, steht ihr auch entgegen, daß eine an den Besitz geknüpfte Rechtsvermutung bereits an anderer Stelle von der Kommission eingefügt worden war, nämlich im § 944 adesErsten Entwurfs, dem heutigen § 1006 BGB. Daneben erscheint eine weitere Vermutungsvorschr üt überflüssig. Außerdem soll nach den Überlegungen der Zweiten Kommission der Anspruch auch dem Mieter, dem Finder usw. zustehen. Dies könnte man dahin verstehen, daß die Kommission als Klagegrundlage jedenfalls nicht ein dingliches Recht zum Besitz ansehen will. Denn der Mieter hat nur ein obligatorisches Recht zum Besitz. Zweifelhaft aber ist auch, ob 33
§ 3 III.
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ein obligatorisches Recht die Klagegrundlage ist, weil der Anspruch auch einem Finder zustehen kann. Ob nämlich ein Finder überhaupt ein Recht zum Besitz hat, ist höchst zweifelhaft. Nachall dem kommt als Klagegrundlage weder der Besitz als solcher noch ein dingliches oder ein obligatorisches Recht zum Besitz infrage. Aber auch der Umstand, daß in Absatz 2 des Antrags 3 die Besitzaufgabe die Klage ausschließt, gibt in bezug auf die Klagegrundlage nichts her. Die Zweite Kommission sagt selbst, daß dieses Tatbestandsmerkmal nur deswegen zum Ausschluß der Klage führt, weil der Besitzer seine Beziehung zum Besitz völlig losgelöst hat. Es handelt sich also um ein Erwägung mehr rechtspolitischer Art, die in dogmatischer Hinsicht die neue Vorschrift nicht zu erhellen vermag. Die Protokolle der Zweiten Kommission lassen somit die Frage nach der Klagegrundlage völlig im unklaren. Die Erwägungen haben den Anschein der Ungereimtheit. Das im Ausgangsfall aufgeworfene Problem kann aufgrund der Protokolle noch nicht abschließend beantwortet werden.
m.
Das Preußische Allgemeine Landrecht
In den Protokollen der Zweiten Kommission ist angedeutet, daß sich der neue Anspruch im wesentlichen an das preußische Recht anschließt. Das preußische ALR ist also im Hinblick auf die Klagegrundlage zu untersuchen. Das preußische ALR hat in I 7 § 161 eine Klage aus dem besseren Recht zum Besitz zugelassen: "Gegen den, welcher den Besitz einer Sache oder eines Rechts weder durch Gewalt, noch heimlich, mit List, oder bloß bittweise überkommen hat, kann der vorige Besitzer auf Wiederherstellung des Besitzes nur insofern klagen, als er ein besseres Recht zum Besitze aufzuweisen hat." Nach§ 162 kann der bloße Inhaber die seinem Gewahrsam entkommene Sache nur von demjenigen zurückfordern, der sie ohne allen Rechtsgrund im Besitz hat. Gemäß § 178 muß der unredliche Besitzer immer dem redlichen weichen. Diese Klage34 ist die Klage des relativ besser Berechtigten. Sie ist dem älteren deutschen Recht entnommen, jedenfalls was den Gesichtspunkt der Relativität betrifft. Das Moment der Relativität beruhte nämlich im deutschen Recht bei der Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere darauf, daß der Kläger durch Eid bekräftigen mußte, daß er die Sache be84
Vgl. zum folgenden FöTsteT- Eccius, ALR, §§ 163, 164.
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Das deutsche Recht
sessen und wider seinen Willen verloren habe. Das Eigentumsrecht wurde nicht untersucht. Jedoch konnte der Beklagte sein Eigentum beschwören. Weiche Partei den Eid nun zu leisten hatte, hatte der Richter zu entscheiden, und zwar nach Umständen, aus denen das stärkere Recht für die eine oder andere Partei folgte. Dieses Moment der Relativität war aber nicht allgemein und genauer geregelt35• Die Übernahme des Relativitätsgedankens durch das preußische Recht bedeutete eine Inhaltsveränderung. Es sollte damit nicht mehr geregeit werden, welche Partei näher zum Eid stand und damit den Eid leisten durfte. Die Bedeutung war vielmehr jetzt, die bessere gegenüber der schlechteren Berechtigung im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagtem zu bezeichnen38• Würdigung
Die Untersuchung des ALR kann keine Klarheit darüber bringen, welche ratio legis dem neugefaßten § 945 des Entwurfs innewohnt. Zwar findet der von der Zweiten Kommission verwendete Gedanke der Schlechterberechtigung seinen Vorläufer im ALR und letztlich im alten germanischen Recht. Der Blick in die Geschichte klärt aber den Inhalt dieser schlechteren Berechtigung nicht. Vor allen Dingen kann das preußische Recht keine Auskunft darüber geben, wieso die Zweite Kommission die schlechtere Berechtigung dem früheren Besitz gegenüberstellt. IV. Die Denkschrift zum Sacllenrecllt
Die Denkschrift zum Sachenrecht37 war vom Reichsjustizamt ausgearbeitet worden und dem Reichstag vorgelegt worden, und zwar zusammen mit dem Entwurf des BGB, nachdem dieser vom Bundesrat angenommen worden war. Sie bezeichnet die Klage als Anspruch aus früherem Besitz. Die Klage bilde die Möglichkeit der Rechtsverfolgung allein auf der Grundlage der Tatsache des früheren Besitzes. Dem Kläger werde ein besseres Recht zum Besitz zuerkannt. In Ansehung von Geld und Inhaberpapieren werde der Eigentumserwerb desjenigen, der sich in gutem Glauben befinde, nicht dadurch ausgeschlossen, daß der frühere Besitzer den Besitz ohne sein Zutun verloren habe.
36
38 37
Förster - Eccius, S. 110, 111. Förster - Eccius, S. 113. Mugdan, S. 980 Nr. VI 4.
Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte des§ 1007 BGB
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Würdigung
Die Bemerkungen in der Denkschrift bringen nichts Neues. Die Klagegrundlage der neuen Vorschrift bleibt immer noch dunkel. Auch die genannte Äußerung über Geld und Inhaberpapiere, die insoweit die neue Vorschrift erläutern soll, bringt keinen Fortschritt. Man kann sie zwar dahin verstehen, daß bei Abhandenkommen die Klage ihren Grund darin findet, daß der Kläger wegen des unfreiwilligen Besitzverlusts sein Eigentum nicht an einen Gutgläubigen verloren hat. Dies deutet auf das Eigentum als Klagegrundlage hin. Dem steht aber entgegen, daß nach der Denkschrift auch andere Rechte vom Schutzbereich der Vorschrift umfaßt sind. Außerdem fragt es sich, wieso neben einem Recht zum Besitz wie dem Eigentum die Figur des besseren Rechts noch nötig ist. Es fehlt an einer näheren Darlegung des Begriffs "besseres Recht". Letztlich beharrt die Denkschrift auf den von der Zweiten Kommission vorgezeichneten Erwägungen. Sie führt nicht weiter. Die Kritik an den Ausführungen der Zweiten Kommission gilt auch bei der Denkschrift. Zusammenfassung des 1. Kapitels Die Entstehungsgeschichte des § 1007 BGB vermag über dessen Klagegrundlage keinen Aufschluß zu geben. Wohl ist ihr zu entnehmen, daß auch ein nichtberechtigter, aber gutgläubiger früherer Besitzer aufgrundder Besitzrechtsklage Herausgabe verlangen kann. Ob dieses Ergebnis der Wortlautanalyse aber mit der ratio legis übereinstimmt, kann die Entstehungsgeschichte nicht beantworten.
2. Kapitel
Die Klagegrundlage in der Literatur zu§ 1007 BGB I. Die Auffassung von Crome18 Crome läßt sich als Hauptvertreter einer Meinungsgruppe nennen, die den § 1007 BGB nicht als Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten kennzeichnen, sondern ausschließlich seine Beziehung zu der Vermutung des § 1006 BGB als seine Grundlage hervorheben. Ähnlich wie Crome äußert sich auch Matthiaß39, der allerdings seine Verwandtschaft mit Crome nur andeutet. Crome führt aus, zur Begründung des Anspruchs sei der Nachweis eines Rechts überhaupt nicht erforderlich. Die Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes bilde die Grundlage des Anspruchs40 • Der Anspruch hänge mit der Rechtsvermutung aus dem Besitz nach § 1006 BGB enge zusammen und sei im Einklang mit ihr zu entwickeln. Der Besitz trete an die Stelle des Rechts. In§ 1007 siege nicht das sogenannte bessere Recht. Die Figur des relativ besseren Rechts zum Besitz sei aus der actio Publiciana entlehnt und von dem BGB nicht übernommen worden. Dem § 1007 BGB liege der Gedanke zugrunde, daß der Besitz die Rechte vertrete und demnach auch zum Schutz derjenigen Rechte führe, die in dem Sachbesitz ihre Verwirklichung und angemessenen Ausdruck fänden. Wenn dem früheren bösgläubigen Besitzer die Klage versagt sei, dann deswegen, weil diese Erwerbsart den Schluß auf einen Rechtstitel des Besitzes nicht zulasse. Der Besitz solle nur zum Schutz eines durch ihn zu verwirklichenden Rechts zurückgegeben werden41 • Habe der Kläger kein Recht auf die Sache, so schütze der Anspruch wenigstens seinen Putativtitel42 • Der Bösgläubige habe kein Besitzrecht erworben, so wenig wie das Eigentum vom Nichtberechtigten habe erworben werden können. Die Schlußfolgerung von einem dergestalt erlangten Besitz auf ein Recht sei nicht möglich. In den von§ 1007 BGB umfaßten Tatbestandsmerkmalen sei ein Schluß von dem Besitz des Beklagten auf einen
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ag 40 41
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System,§ 387, S. 241 f!. Bürgerl. Recht,§ 177. s. 242. S. 242, 243, 244 und Fußn. 22. Fußn.38.
Klagegrundlage in der Literatur zu § 1007 BGB
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Rechtserwerb nicht möglich43 • Habe der frühere Besitzer, der bösgläubig gewesen sei, wirklich ein Recht an der Sache, so dürfe er sich nicht nur auf den gehabten Besitz stützen, sondern müsse auf das Recht zurückgehen44. Der frühere Besitz werde wieder hergestellt, weil damit für gewöhnlich dem vorhandenen wahren Rechtszustand entsprochen werde45 • Würdigung
Die Auffassung Cromes ist abzulehnen. Seine Ausführungen lassen sich nicht mit der Entstehungsgeschichte des § 1007 BGB, so wie sie in den Motiven und Protokollen dargestellt ist, vereinbaren. Der Widerspruch liegt darin, daß Crome die bessere Berechtigung als Klagegrundlage ablehnt. Vor allem aber läßt sich der Kerngedanke der Cromeschen Auffassung mit der Entstehungsgeschichte widerlegen. Hiernach kann sich § 1007 BGB keinesfalls auf den Gedanken stützen, daß sich mit dem Besitz unter Umständen die Vermutung eines Rechts verbindet. Denn diese Vermutung ist von der Zweiten Kommission nicht dem § 1007 BGB, sondern dem§ 1006 BGB zugedacht worden. Unrichtig sind auch die weiteren Ausführungen Cromes, daß bei Bösgläubigkeit eine solche Vermutung nicht gegeben sei. Denn aus der Entstehungsgeschichte ergibt sich unzweideutig, daß der Begriff "Bösgläubigkeit" zwei Teile hat, daß man von Bösgläubigkeit nur reden kann, wenn objektiv ein Recht zum Besitz fehlt und subjektiv Kenntnis hiervon vorhanden ist. Die genannte Vermutung kann nicht wegen Bösgläubigkeit entfallen. Nicht erst die subjektive Tatsache "Bösgläubigkeit" verhindert die Schlußfolgerung auf ein Recht, sondern die Bösgläubigkeit setzt bereits den Nachweis der fehlenden Berechtigung voraus, und dadurch schon ist die Vermutung entkräftigt. Der subjektive Teil des Gutglaubensbegriffs stellt sich neben dem objektiven Teil als Akzidens dar. Lediglich in einem Fall wird mit dem Nachweis der Bösgläubigkeit allein auch der Nachweis der fehlenden Berechtigung geführt: Wenn nämlich ein Erwerb von einem Nichtberechtigten vorliegt, kann nach § 932 BGB der Rechtserwerb nur wirksam sein, wenn der Rechtserwerber gutgläubig war. Hier entfällt die Zweiteiligkeit des Gutglaubensbegriffs. Allein in diesem Fall bedeutet der Nachweis der Bösgläubigkeit, daß derErwerberkein Recht zum Besitz erlangt hat.
" s. 244,247,248. " Fußn. 72. " 5.251.
3 Hörer
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In sämtlichen anderen Fällen aber ist davon auszugehen, daß Bösgläubigkeit und fehlende Berechtigung zwei verschiedene Dinge sind, und daß die Bösgläubigkeit die fehlende Berechtigung begrifflich voraussetzt. Dies sieht im übrigen Crome selbst46 • Seine Ausführungen sind daher widersprüchlich. Das zeigt sich auch darin, daß er durch § 1007 wenigstens den Putativtitel geschützt wissen will. Damit erkennt er schon an, daß der Kläger unter Umständen gar kein Recht zum Besitz hat. Aus welchem Grundertrotz seiner obigen Ausführungen den gutgläubigen Kläger schützen will, bleibt ohne Erläuterung. Von einer Vermutung als Klagegrundlage ist jedenfalls bei dem Schutz eines Putativberechtigten nicht die Rede. Crome verdunkelt auch das Verhältnis von § 1007 zur rei vindicatio des § 985. Die letzte - allerdings unausgesprochene - Konsequenz seiner Auffassung wäre, der Vorschrift des § 1007 die Eigenschaft einer eigenen Klagegrundlage gegenüber der rei vindicatio des § 985 in Verbindung mit§ 1006 abzusprechen47 •
II. Die übrigen Autoren Für das deutsche Recht lassen sich zwei große Meinungsgruppen hinsichtlich der Klagegrundlage feststellen: Zur ersten Gruppe gehört Crome, der bereits behandelt wurde. Zur zweiten Hauptgruppe gehören die übrigen Autoren, die in diesem Kapitel darzustellen sind. Den Autoren dieser zweiten Gruppe ist gemeinsam, daß sie im Einklang mit der Entstehungsgeschichte die Vorschrift des § 1007 BGB als Anspruch aus dem früheren Besitz gegen den Schlechterberechtigten anerkennen. Die Divergenzen dieser Autoren betreffen also nicht den Rahmen "Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten". Man ist sich vielmehr nur darin uneinig, was unter "Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten" zu verstehen sei. Hervorzuheben ist, daß sich in den unterschiedlichen Anschauungen keine Extrema finden. Die Unterschiede bestehen in Nuancen und Akzent;verschiebungen. Deswegen· lassen sich die Meinungen im einzelnen sehr schwer polarisieren. Es lassen sich aber dennoch sieben Autorengruppen bilden, wenn man die Schwerpunkte der Meinungen herausarbeitet. Fußn.25. Insoweit ist die Auffassung Cromes mit derjenigen von Rusconi, l'action ... , in gewissem Sinne verwandt. 48
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Klagegrundlage in der Literatur zu§ 1007 BGB
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1. Gruppe
Viele Autoren kennzeichnen den Anspruch lediglich als Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten, ohne eine Begründung zu bringen48• Diese Autoren befruchten die Frage nach der Klagegrundlage nicht und sind daher nur der Vollständigkeit halber zu erwähnen. Eine Besonderheit findet sich allerdings bei Buhl49 • Er führt aus, daß ein Recht zum Besitz bei§ 1007 nicht zum Klagegrund gehöre. Eine Besonderheit bei ihm ist jedoch, daß er meint, bei Absatz 1 des § 1007 werde man im Gegensatz zu Absatz 2 von einem besseren Recht zum Besitz nicht reden dürfen. Er hält also nur den Anspruch aus Absatz 2 für einen Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten. Eine dogmatische Erklärung bleibt er aber insgesamt schuldig. 2. Gruppe
Andere sehen den Grund des Anspruchs aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten in dem unfreiwilligen Besitzverlust seitens des Klägers, ohne aber eine nähere Begründung zu bieten5°. Würdigung
Der unfreiwillige Besitzverlust ist nicht die Klagegrundlage des § 1007. Richtig ist zwar, daß der unfreiwillige Besitzverlust eine Tatbestandsvoraussetzung der Vorschrift ist. Dies ist in Absatz 2 ausdrücklich gesagt, denn Abhandenkommen ist als Besitzverlust ohne Willen des Besitzers die stärkste Form des unfreiwilligen Besitzverlustes. Aber auch im Fall des Absatz 1 ist Anspruchsvoraussetzung der unfreiwillige Besitzverlust. Dies ist dem Wortlaut des Absatz 1 allerdings nicht unmittelbar zu entnehmen. Jedoch folgt dies aus Absatz 3, denn der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Kläger den Besitz aufgegeben hat. Während die Besitzaufgabe des Absatz 3 im Vergleich zu Absatz 2 keine selbständige Bedeutung hat, da der Besitz einer abhandengekommenen Sache nicht mehr aufgegeben werden kann, entfaltet die Besitzaufgabe in Absatz 1 ihre volle Bedeutung. Bei Absatz 2 kann eine ohne Willen des Besitzers abhandengekommene Sache nicht mehr von dem früheren 48 Vgl. Buhl, Recht d. bewegl. Sachen, § 17; Palandt- Degenhart, § 1007; P:flüger, Verfolgung, S. 451 ff.; Erman- Westermann, BGB § 1007; Hedemann, § 29 VII c; Soergel- Siebert- Mühl, § 1007; Kronberger, Anspruch; Ennecc.H. 0. Lehmann, § 73; Schimanski, § 1007; BGHZ 7, 215. 48 § 17. 50 RGRK, BGB, § 1007; J. v. Gierke, Sachenrecht,§ 42; Kretzschmar, Sachenrecht, § 1007; Cosack- Mitteis, Bürgerl. Recht, § 17; Janssen, § 1007; Lange, Boden usw., § 12 IV.
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Besitzer aufgegeben werden. Besitzaufgabe im Sinne des Absatz 3 bedeutet nämlich Freiwilligkeit des Besitzverlustes, das heißt Besitzverlust mit Willen des Besitzers. Im Fall des Absatz 2 kann daher ein Besitzverlust ohne Willen des Besitzers nicht mehr zu einem Besitzverlust mit Willen des Besitzers gemacht werden, da seitens des Klägers eine Besitzposition, die er noch aufgeben könnte, nicht mehr vorhanden ist. Das bedeutet, daß die Besitzaufgabe des Absatz 3 nur auf den Fall des Absatz 1 gemünzt sein kann. Fraglich ist allerdings, welcher Anwendungsbereich für Absatz 1 noch vorhanden ist, wenn der Anspruch nur auf den unfreiwilligen Besitzverlust beschränkt ist. Man könnte meinen, daß Absatz 2 dem Absatz 1 völlig den Anwendungsbereich nimmt, da bei Absatz 2 der unfreiwilllige Besitzverlust bereits ausdrückliches Tatbestandsmerkmal ist. Absatz 1 ist aber wegen Absatz 3 nicht überflüssig geworden, sondern es bleibt ihm ein selbständiger Anwendungsbereich neben Absatz 2. Dies beruht darauf, daß die Besitzaufgabe des Absatz 3 nicht der völlige Gegensatz zum Abhandenkommen des Absatz 2 ist. Besitzaufgabe bedeutet zwar Besitzverlust mit Willen des Besitzers und Abhandenkommen Besitzverlust ohne Willen des Besitzers. Zwischen beidem gibt es aber einen Fall, der weder Besitzaufgabe noch Abhandenkommen darstellt. Diesen einen Fall hat der Absatz 1 des§ 1007 im Auge. Dies bedarf der Erläuterung: Die Überlegungen haben bei dieser Frage von der Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Besitz auszugehen. Nun ist zu differenzieren: Der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren und des mittelbaren Besitzes begründet Abhandenkommen. Die Umwandlung des unmittelbaren Besitzes in einen mittelbaren Besitz stellt noch keinen unfreiwilligen Besitzverlust dar. Folgende Beispiele sollen der Verdeutlichung dienen: a) Dem A wird eine bewegliche Sache gestohlen, die er in unmittelbarem Besitz gehabt hatte. Hier liegt Abhandenkommen und unfreiwilliger Besitzverlust vor. b) A vermietet eine bewegliche Sache an B. A überträgt hierbei seinen unmittelbaren Besitz auf B, wird aber zugleich mittelbarer Besitzer. c) A vermietet seine bewegliche Sache an B, dem sie vom D gestohlen wird. Hier liegt sowohl für A als auch für B Abhandenkommen vor und unfreiwilliger Besitzverlust. Bei B betrifft dies den unmittelbaren Besitz, bei A den mittelbaren.
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d) A vermietet eine bewegliche Sache an B. B veruntreut sie, indem er sie an den gutgläubigen K verkauft. An diesem letzteren Fallläßt sich die Problematik aufzeigen: Von B aus gesehen liegt freiwillige Besitzaufgabe vor, was A anbelangt, so hat er den unmittelbaren Besitz freiwillig gegen den mittelbaren Besitz vertauscht. Seinen mittelbaren Besitz aber hat er durch die Veruntreuung verloren. Dieser Verlust des mittelbaren Besitzes erfolgte an sich ohne seinen Willen. Die Frage ist nun, ob man bei der Lösung des Falles auf den freiwilligen Besitzverlust des B oder den unfreiwilligen Besitzverlust des A abzustellen hat. Richtiger Ansicht nach liegt Abhandenkommen nur bei unfreiwilligem Verlust des unmittelbaren, nicht aber auch des mittelbaren Besitzes vor51 • Eine Parallelproblematik findet sich bei § 935 BGB. In Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift ist aber angeordnet, daß Abhandenkommen im Fall des mittelbaren Besitzes nur dann vorliegt, wenn die Sache dem unmittelbaren Besitzer abhandenkommt. Das bedeutet umgekehrt, daß für den mittelbaren Besitzer kein Abhandenkommen gegeben ist, wenn der unmittelbare Besitzer den Besitz freiwillig aufgibt. Die in § 935 getroffene Wertung ist auf den§ 1007 zu übertragen. Dafür spricht nicht nur die äußere Verwandtschaft zwischen§ 1007 und§§ 932, 935, die auf den ersten Blick auffällt. Für die Gleichbehandlung sprechen auch innere Gründe. Dies verkennen die Vertreter der gegenteiligen Auffassung52 • Wenn man mit der Unterscheidung mittelbarer/unmittelbarer Besitz Ernst machen will und insbesondere den mittelbaren Besitz als vollen, gleichwertigen Besitz anerkennt, so muß man auch sagen, daß über die Freiwilligkeit beziehungsweise die Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes jeweils gesondert zu entscheiden ist. Nicht jede freiwillige Besitzaufgabe des unmittelbaren Besitzers bedeutet zugleich die Freiwilligkeit seitens des mittelbaren Besitzers. Die Umwandlung des unmittelbaren Besitzes in den mittelbaren allein kann noch keine Besitzaufgabe darstellen, da beide Besitzarten rechtlich gleichwertig sind. Der von § 1007 Absatz 1 ins Auge gefaßte Fall ist nach dem Gesagten also der, daß der Kläger seinen mittelbaren Besitz unfreiwillig verloren hat, indem ein Dritter die Sache zum Beispiel an den Beklagten veruntreut hat. Dies ist die typische Fallgestaltung des Absatz 1. Für den 61 Biermann, BGB § 1007, 2; Soergel- Siebert- Mühl, § 1007, 3; RGRK, § 1007, 2; Westermann, Sachenrecht, § 35 II 3; Endemann, Bürger!. Recht, § 46, 4 a; Eichler, Band II 1, S. 240; Heck, Sachenrecht, S. 133; Planck- Brodmann, BGB, § 1007 3b; Wolf]-Raiser, § 23 I 2; Staudinger-Berg, § 1007, Rdn.12. 62 Maenner, Sachenrecht, § 27 Fußn. 88, 90; 0. v. Gierke, S. 59; Lorey, S. 20,
21; Giese, Besitzrechtsschutz, S. 68.
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Kläger liegt dann kein Abhandenkommen und somit nicht der Fall des Absatz 2 vor. Es ist aber auch keine freiwillige Besitzaufgabe im Sinn des Absatz 3 gegeben, da der Kläger zwar freiwillig seinen unmittelbaren Besitz gegen einen mittelbaren Besitz vertauscht hatte, der Verlust des mittelbaren Besitzes aber unfreiwillig erfolgte. Zur Frage der Klagegrundlage zurückkommend ist aber zu sagen, daß die Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes zwar Tatbestandsmerkmal des gesamten § 1007 ist, jedoch keine Rückschlüsse auf die Klagegrundlage zuläßt. Die Unfreiwilligkeit ist ein rein tatsächliches Verhältnis. Sie zieht Rechtsfolgen nach sich, begründet sie aber nicht letztlich. Die Unfreiwilligkeit mag zwar rechtspolitisch ein Leitmotiv für die Schaffung des§ 1007 gewesen sein, sie vermag aber nicht dogmatisch die Natur des Anspruchs aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten zu begründen. Ein Herausgabeanspruch ist dogmatisch nur denkbar, wenn ihm ein Recht zum Besitz zugrundeliegt, aus dem dieser Anspruch fließt. Dies ist unbestritten und wird von sämtlichen Autoren stillschweigend angenommen. Die Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Herausgabeanspruchs setzt gedanklich voraus, daß im Wege einer Vorentscheidung der einen Partei gegenüber der anderen, dem einen Prätendenten gegenüber dem anderen der Besitz der Sache zugesprochen wurde. Es muß eine Entscheidung über das Behaltendürfen vorliegen. Der Herausgabeanspruch bringt lediglich - soweit erforderlich - die Wirklichkeit mit dieser Entscheidung in Einklang. Mit anderen Worten: Im Wege dieser Vorentscheidung muß ein Recht zum Besitz begründet worden sein. Ein solches Besitzrecht muß auch dem Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten zugrundeliegen. Die Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes vermag die Rechtsnatur dieses Besitzrechts nicht zu erläutern. 3. Gruppe
Diese Meinungsgruppe sieht die Klage als aus dem früheren Besitz allein fließend an, wobei allerdings Einwendungen des Beklagten aus seinem besseren Besitzrecht zulässig seien. Dies ist insbesondere die Auffassung von Diederichsen53• Er meint, das Recht zum Besitz sei von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger brauche kein Besitzrecht zu haben oder wenigstens gehabt zu haben. Anknüpfungspunkt für§ 1007 sei der frühere Besitz, eine Tatsache, wie ss S. 61-64. Ahnlich, aber weniger pointiert: Maenner, S. 238, 239.; Koppers, S. 196, 197; Biermann, § 1007; Boehmer, S. 29,223,227,228,292,308.
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bei der Besitzschutzklage54• Theoretisch sei denkbar, daß die wahre Besitzrechtslage im Prozeß aus § 1007 überhaupt nicht erörtert wird. Auch die Aufgabe des Richters, festzustellen, ob der Kläger beziehungsweise der Beklagte bei der Besitzerlangung hinsichtlich des Bestehens seines Besitzrechts gutgläubig gewesen sei, sei eine Tatsachenfrage, denn es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, daß das Recht zum Besitz auch wirklich bestanden habe, sondern nur darauf, daß der Kläger oder der Beklagte an das Vorhandensein eines Besitzrechts geglaubt habe (subjektive Tatsache)55• Im Anfangsstadium des Verfahrens sei allein der frühere Besitz entscheidend. § 1007 besage nichts mehr, als daß derjenige, der sich fälschlich zum Besitzerwerb berechtigt geglaubt habe, das heißt gutgläubig gewesen sei, geschützt sein solle. Es werde nicht vorausgesetzt, daß der Klägeraufgrund seines guten Glaubens das Besitzrecht auch erworben habe. Im Gegensatz zu den Besitzschutzklagen sei bei § 1007 aber nicht ausgeschlossen, daß petitorische Einwendungen vorgebracht würden. Beide Parteien könnten sich auf die wahre Besitzrechtslage berufen, und im Ergebnis bleibe dann derjenige Sieger, der das bessere Recht zum Besitz habe. Deswegen aber allein dürfe man die Klage nicht als Anspruch aus dem besseren Recht zum Besitz bezeichnen. Denn dieser Ausdruck sei zwar nicht falsch, aber er gebe das eigentliche Wesen des Anspruchs ungenau wieder. Insbesondere lasse er nicht erkennen, daß der Kläger die Sache nach § 1007 auch dann zurückerhalten könne, wenn er kein Recht zum Besitz habe. Gegenüber dem bloßen Besitzschutz ergebe sich die Erweiterung, daß Einwendungen aus dem materiellen Recht zulässig seiense.
Würdigung Zunächst ist Diederichsen entgegenzuhalten, daß er den Gutglaubensbegriff anders als gewöhnlich definieren will. Er sieht den Gutglaubensbegriff rein subjektiv, ohne die objektive Seite. Nach ihm setzt die Gutgläubigkeit nicht objektiv eine fehlende Berechtigung voraus. Dem kann nicht gefolgt werden. Bemerkenswert ist, daß selbst Diederichsen ausdrücklich meint, guter Glaube sei stets Irrtum57• Seine Auffassung vom guten Glauben als einer rein subjektiven Einstellung ist daher widersprüchlich. Abgesehen davon widerspricht sie der Entstehungsgeschichte des§ 1007. Diederichsen geht mit seiner Lösung dem Problem aus dem Wege, wieso nach dem Wortlaut des§ 1007 ein nichtberechtigter aber gutgläubiger Kläger ein Recht zum Besitz haben kann. Allerdings
s. 62. ss S. 53, Fußn. 209. 66 s. 63, 64.
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Fußn. 209.
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kann Diederichsen letztlich der Problematik nicht ausweichen. Wenn man wie er davon ausgeht, daß Klagegrundlage allein der frühere Besitz sein soll, dann fragt es sich, wieso bei § 1007 im Gegensatz zu den Besitzschutzklagen auf einmal Einwendungen aus dem materiellen Recht zulässig sein sollen, wo doch in beiden Klagen die Klagegrundlage dieselbe ist. Daß der von Diederichsen geprägte rein subjektive Gutglaubensbegriff unrichtig ist, ergibt sich des weiteren auch noch daraus, daß die Rechtsordnung den Gutglaubensbegriff nur zweiteilig verwendet, insbesondere in § 932 BGB. Auch bei § 932 Absatz 2 BGB hat die Frage nach der Gutgläubigkeit nur dort einen Sinn, wo ein Nichteigentümer zu Eigentum übertragen hat. Dem objektiven Teil: Veräußerung durch einen Nichteigentümer, korrespondiert ein subjektiver Teil: Kenntnis beziehungsweise Kennenmüssen des Erwerbers. Dann muß der Gutglaubensbegriff auch in § 1007 ähnlich strukturiert sein. Dies entspricht dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Das Gesetz hätte es in§ 1007 sicher zum Ausdruck gebracht, wenn es von der Legaldefinition der Zweiten Kommission und von der des § 932 Absatz 2 BGB hätte abweichen wollen. Dies schließt nicht aus, daß der Gutglaubensbegriff in § 1007 einen weiteren Inhalt hat. Der gute Glaube im Sinn von § 1007 braucht sich nämlich nicht nur an das fehlende Eigentum des Veräußerers anzuknüpfen (wie in § 932), sondern kann darüber hinaus sich umfassend auf die Erlangung eines eigenen Rechts zum Besitz zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs beziehen58• Der gute Glaube im Sinn des § 1007 "heilt" jeden Rechtsmangel, der dem Rechtserwerb im Zeitpunkt des Besitzerwerbs entgegenstand, und zwar bemerkenswerterweise auch den Mangel der Geschäftsfähigkeit59• Ein Rechtsmangel muß aber begriffsnotwendig vorhanden sein, damit sich das Problem des guten Glaubens überhaupt stellt. 4. Gruppe
Wolff- Raiser80 stehen an der Spitze einer Gruppe, die den Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten als "Recht zum Besitz aus Besitz" bezeichnen. Ähnlich auch Planck- Brodmann81, jedoch weniger deutlich. Nach Wolff-Raisergreift der Anspruch aus früherem Fahrnisbesitz dann ein, wenn zwei Personen um den Besitz streiten, ohne daß sie sich auf dingliche oder obligatorische Rechte berufen. Es könne nämlich sein, daß es beiden Parteien an solchen Rechten völlig as Staudinger- Berg,§ 1007 Rdn. 11.
n Staudinger- Berg,§ 1007 Rdn.ll; Allg. Meinung.
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§ 23. § 1007.
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fehle, oder daß die Parteien sich nicht darauf berufen wollen, weil sie der notwendigen Beweise nicht sicher seien. § 1007 gebe für diesen Fall einen Herausgabeanspruch und damit dem Kläger ein (relatives) Recht zum Besitz. Dieses Recht stütze sich nicht auf Eigentum oder ein beschränktes dingliches Recht oder auf ein Schuldverhältnis, sondern auf den gutgläubig erworbenen Besitz selbst. Es sei ein Recht zum Besitz aus Besitz. Der Anspruch aus § 1007 sei ebenso wie der Besitzentziehungsanspruchs wegen verbotener Eigenmacht auf Besitz gerichtet und auf Besitz gestützt. Beide Ansprüche flössen aus dem gegenwärtigen, die Sachherrschaft überdauernden Besitzrecht. Der Unterschied zeige sich darin, daß bei§ 1007 petitarische Einwendungen zulässig seien. Wegen dieser Möglichkeit, die petitarischen Rechte der Partei im Prozeß nach§ 1007 mit zu erörtern, strebe dieser Prozeß eine endgültige Regelung des Besitzstandes an. Der aus § 1007 durchdringende Kläger sei eben deshalb definitiv besser zum Besitz berechtigt als der Beklagte. Daher werde der Anspruch oft, wenn auch nicht glücklich, als Anspruch aus dem besseren Recht zum Besitz bezeichnet82 • Planck-Brodmann meinen, bei dem Anspruch aus besserem Recht zum Besitz sei es das in dem Besitz selbst liegende Recht, aus dem der Anspruch fließe und das gerade hierdurch vornehmlich erst zu einer Art von subjektivem Recht herausgestellt werde83 • Würdigung
Für W olff - Raiser liegt nach dem Gesagten die Klagegrundlage im Besitz, wenn auch insoweit eine Einschränkung gemacht wird, daß es sich wenigstens um einen gutgläubig innegehabten Besitz handeln muß. Die Autoren sagen aber unmißverständlich, daß sowohl die Besitzentziehungsansprüche als auch die Klage aus§ 1007 auf demselben Besitzbegriff beruhen. Mehr noch als oben schon bei Diederichsen bleibt hier unklar, wieso bei § 1007 Einwendungen aus dem Recht zulässig seien, nicht aber bei den Besitzschutzansprüchen. Ein innerer Grund für eine derartige Verdoppelung der Besitzschutzmöglichkeiten ist nicht ersichtlich und wird auch nicht weiter dargetan. Es führt auch nicht weiter, wenn man mit Wolff- Raiser den Besitz nicht lediglich als bloße Tatsache sehen möchte, sondern als ein subjektives Recht64 • Mit der Qualifikation des Besitzes als eines subjektiven Rechts kann der Unterschied zwischen Besitzschutzansprüchen und § 1007 nicht geklärt werden. Es muß außerhalb des Besitzes als solchen eine gesetzgeberische Wert-
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s. 69. § 1007, 1. § 3 III.
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entscheidung vorliegen, welche den Herausgabeanspruch dogmatisch zu begründen vermag. Diese Wertentscheidung wird auch von W olff - Raiser nicht dargetan. Wenn die Autoren den Klagegrund in einem Recht zum Besitz aus Besitz sehen, so ist dies keine ausreichende Erklärung. Der Besitz als solcher müßte dann auch hier die Klagegrundlage sein. Der Besitz kann nur Gegenstand eines Rechts zum Besitz sein, er kann aus sich selbst heraus aber kein solches Recht begründen. Außerdem gehen W olff - Raiser ausdrücklich davon aus, daß der Gutglaubensbegriff sowohl eine objektive als auch subjektive Komponente hat65 • Die Autoren billigen ausdrücklich einem unberechtigten, wenn auch gutgläubigen Kläger den Anspruch zu. Aus welchem Grunde ein Nichtberechtigter aber Herausgabe verlangen darf, wird niCht geklärt. Es ist auch nicht möglich, die Gutgläubigkeit des Klägers hinsichtlich seiner vermeintlich erworbenen Berechtigung als dogmatische Rechtfertigung eines Herausgabeanspruchs anzusehen. Die Gutgläubigkeit kann zwar rechtspolitisch für den Gesetzgeber ein wertbildender Faktor gewesen sein. Dogmatisch aber hat die Gutgläubigkeit mit einem Recht zum Besitz nichts zu tun. Wenn das Gesetz einen Herausgabeanspruch regelt, so geschieht dies im Hinblick auf ein Recht zum Besitz. Deshalb kann man sich nicht mit einer Tatsache wie der Gutgläubigkeit begnügen, sondern man hat nach einem Recht zum Besitz zu fragen. Klagegrundlage des § 1007 kann dann nur ein Recht zum Besitz sein. Nun weisen Wolff- Raiser aber auf ein relatives Recht zum Besitz hin, das dem§ 1007 zugrundeliegen soll. Dies könnte eine Fährte sein, die von den Autoren aber leider nicht weiter verfolgt wird. Damit sind auch die Ausführungen von W olff- Raiser nicht geeignet, die Frage der Klagegrundlage befriedigend zu beantworten. 5. Gruppe
Otto von Gierke66 ist der Begründer einer Meinung, der sich viele Autoren angeschlossen haben67 • Diese Richtung sieht den Geltungsgrund des Anspruchs aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten ebenfalls in der Unfreiwilligkeit des Besitzverlusts, bleibt aber nicht dabei stehen, sondern hält ein besseres Recht zum Besitz für gegeben, weil der "Besserberechtigte" vermutlich zum Besitz berechtigt sei, und dies eben wegen der Unfreiwilligkeit des Besitzverlustes. S. 70 Fußn. 4, S. 71. Bedeutung. e1 Staudinger- Berg, § 1007 Rdn.1, 12; Beck, § 1007, S. 3, 4, 6, 9, 27; Giese, Besitzrechtsschutz, S. 23, 35, 36, 69, 71; Loos, S. 4, 5, 6, 7, 69, 71, 72, 97; Neumann, § 1007, S. 10, 11, 12, 36, 37, 38, 39, 53, 55; Neikes, § 1007, S. 28, 37, 39, 46, 47, 48. 51, 53; Volk,§ 1007, S.l, 9, 14, 15, 17, 18, 33; Lorey, S. 7, 8, 9,10, 15,16, 23, 27, 28, 30, 31, 36, 40, 41, 44, 45. 65
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Otto von Gierke entwickelt seine Lehre von § 1007 rechtshistorisch. § 1007 gebe nach dem Vorbild der Fahrnisklage aus unfreiwillig verlorener Gewere des alten deutschen Rechts einen petitorischen Herausgabeanspruch aus ehemaligem Besitz, indem der Besitz, der frühere Besitz als solcher eine dingliche Angriffswaffe bildet. Dies sei eine der Gewerewirkungen, die vom alten deutschen Recht ins BGB übernommen worden seien88• Insbesondere habe sich bei der Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere der Begriff der Gewere völlig von dem physischen Gewaltverhältnis ablösen können. Im Fall gewaltsamer Entwerung sei Fortdauer der Gewere angenommen worden, damit sei neben die leibliche Gewere die ideelle Gewere getreten68 • Neben dieser Wirkung der Gewere, bei unfreiwilligem Verlust eine Klage zu geben, habe die Gewere auch noch die Wirkung gehabt, eine Vermutung für das Dasein des in ihr erscheinenden Rechts zu begründen. Denn sie sei das Kleid des Sachenrechts, sie sei die äußere Form, hinter der der innere Gehalt des Rechts solange zurücktrete, bis sie sich bei einem Widerspruch als unberechtigter Schein erweise70 • Bei§ 1007 könne der Kläger aus dem früheren Besitz Herausgabe verlangen71. Der Beklagte könne jedoch ein bessseres Recht zum Besitz geltend machen. Denn es handle sich um einen Besitzrechtsstreit, in dem der Nachweis des besseren Besitzrechts unbedingt den Sieg verleihe72 • Dagegen genüge es zur Herbeiführung der Klageabweisung an sich nicht, wenn der Beklagte den Beweis führe, daß dem Kläger ein Besitzrecht nicht zustehe. Denn Klagegrund sei der Besitz, nicht das Besitzrecht. Hierin zeige sich ein Gegensatz zur Vindikation. Bei§ 1007 handle es sich um einen Besitzrechtsanspruch73. Der Beklagte könne sich zunächst damit verteidigen, der frühere Besitzer sei bei dem Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben gewesen. Beweise der Beklagte den bösgläubigen Besitzerwerb des Klägers, so sei der Anspruch aus dem früheren Besitz schlechthin ausgeschlossen. Der unredlich erlangte Besitz nämlich sei niemals imstande, ein Recht auf den Besitz zu begründen. Habe der frühere Besitzer gleichwohl ein Besitzrecht gehabt, so könne er doch dieses nicht auf den Besitz stützen. Für den Besitzrechtsstreit stehe seine Nichtberechtigung fest. Hieran ändere es auch nichts, wenn der Beklagte selbst den Besitz bösgläubig erworben habe. Denn dann sei er aus seinem Besitz zwar nicht besser, ~ 611 70
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s. 19,50,71,72. s. 2, 3, 10. s. 9, 13, 17, 19. s. 46, 50, 52, 56, 58, 63, 65, 66, 67, 72. s. 56, 58, 59, 62, 63, 65, 66, 70, 71. s. 58.
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aber auch nicht schlechter berechtigt. Dann entscheide lediglich die gegenwärtige Besitzlage, die zwischen zwei unredlichen Besitzerwerbern zu verschieben das Recht keinen Anlaß habe74 • In dem Besitzrechtsstreit solle die Frage des Besitzrechts endgültig entschieden werden. Die Besitzrechtsklage sei von der Klage aus dem Recht zu unterscheiden75. Die Besitzrechtsklage beruhe darauf, daß mit dem Besitz der Schein eines Besitzrechts verbunden sei78 • Wie bei der Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere sei auch bei der Klage aus § 1007 der unfreiwillige Besitzverlust Voraussetzung. Deswegen seien beide Klagen miteinander verwandt. Auch die Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere habe nur relativ dingliche Kraft gehabt, da sie am besseren Besitzrecht des Beklagten habe scheitern können. Die Unterschiede zwischen der alten Klage aus der Gewere und der neuen Klage beruhen lediglich darin, daß der gute und der böse Glaube nunmehr berücksichtigt werde. Klagegrund für die dingliche Fahrnisklage sei ausschließlich die unfreiwillig verlorene Gewere gewesen. Auch die Klage aus§ 1007 sei nur zur Wiedererlangung von unfreiwillig verlorenem Besitz bestimmt. Der böse Glaube verschiebe jedoch die Beweislage, so daß der unfreiwillige Verlust des Besitzes nur dem gutgläubigen Besitzer gegenüber zum Klagegrund gehöre, während der des bösgläubigen Besitzerwerbs überführte Besitzer auf die Einrede angewiesen sei, daß der frühere Besitzer den Besitz freiwillig aufgegeben habe77• Diese genannten Unterschiede träfen aber mehr den äußeren Bau als das innere Wesen der Klage und ließen den gemeinsamen Grundgedanken unberührt78.
Würdigung Gierke geht von dem früheren Besitz als Klagegrundlage aus. Es wurde bereits oben mehrfach gesagt, daß damit das Wesentliche noch nicht getroffen ist. Nach dem Gesagten führt auch der Hinweis auf die Unfreiwilligkeit des Besitzverlusts nicht weiter. Ein Anhaltspunkt für das Verständnis von Gierkes könnte sich darin finden, daß seiner Ansicht nach der bösgläubige Besitzerwerb des Klägers niemals imstande sei, ein Recht auf den Besitz zu begründen. Außerdem begründe der Besitz den Schein des Besitzrechts. Hieraus könnte man schließen, daß Gierke deswegen im früheren Besitz die Klagegrundlage sieht, weil sich mit ihm eine Vermutung verknüpft, daß 7'
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s. 58, 59. S.62. S.63. S.71. S.72.
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ein Besitzrecht hinter ihm stehe. Von hier aus ist es aber widersprüch).ich, wenn Gierke den Begriff des Fehlens des guten Glaubens an das Fehlen eines Rechts zum Besitz anknüpft78 • Dann wäre die für den Kläger sprechende Vermutung nicht erst durch den Nachweis der Bösgläubigkeit widerlegt, sondern schon durch den Nachweis der fehlenden Berechtigung, obwohl der Kläger dennoch gutgläubig sein kann. Dem Vermutungsgedanken widerspricht weiter, daß nach Gierke selbst dem Beklagten der Angriff auf das klägerischeRecht nichts nützt, weil Klagegrundlage der Besitz sei. Wie kann sich in einem solchen Fall mit dem Besitz der Schein eines Rechts verbinden? Auch der Hinweis auf die germanische Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere hilft nicht weiter: Die Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere hat ihren Grund darin, daß mit der Gewere eine Vermutungswirkung verbunden ist und daß diese Vermutungswirkung im Fall unfreiwilligen Gewereverlusts immer noch für den Entwerten spricht. Dies entspricht in der Wirkung der rei vindicatio des § 985 BGB in Verbindung mit den an den Besitz geknüpften Rechtsvermutungen des § 1006 BGB. Mit § 1007 BGB weist dagegen die Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere nicht die von Gierke behauptete Verwandtschaft auf. Die germanische Klage ist die Vorläuferin der Rechtsvermutung aus§ 1006, aber nicht dieVorläuferindes § 1007. Gierke sieht nicht, daß die Zweite Kommission die Vorschrüt des § 1007 neben die durch die Rechtsvermutung erleichterte rei vindicatio gestellt hat. Unvollständig bleiben auch die Ausführungen Gierkes über die relativ dingliche Kraft der germanischen Klage und der Klage aus § 1007. Diese Bemerkung kann zwar im Ansatz richtig sein, es fehlen jedoch weitere Erläuterungen. Auch wenn Gierke die bessere oder schlechtere Berechtigung zum Besitz in Zusammenhang mit der Klagegrundlage bringt, so begründet er diesen Gedanken nicht näher. Somit gelingt es auch 0. v. Gierke nicht, die Klagegrundlage des § 1007 zu erhellen. 6. Gruppe
An die Spitze einer weiteren Autorengruppe sind vor allem Heck"0 und Westermann81 zu stellen. Diese Gruppe begründet den Anspruch aus früherem Besitz gegen den Schlechterberechtigten damit, daß der Besserberechtigte deshalb besser berechtigt sei, weil er vermutlich berechtigt sei. 78
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a) Die Auffassung von Heck und Westermarm Nach Heck greift der Anspruch aus früherem Besitz dann ein, wenn das Recht des früheren Besitzers nach gewissen Merkmalen wahrscheinlicher erscheine als das des gegenwärtigen und keiner von beiden sich auf die definitive Rechtsordnung berufen könne. Das in § 1007 betätigte Werturteil sei in seinem Grundgedanken durchaus verständlich. Der § 1007 sei das juristische Äquivalent zu dem volkstümlichen Spruch: "Unter Blinden ist der Einäugige König." Man könne ihn auch als die Norm des Relativschutzes bezeichnen. Es sei begreiflich, daß dann, wenn zwei Leute um den Besitz einer Sache streiten und keiner von ihnen ein definitives Recht an der Sache nachweisen könne, doch Gründe vorliegen können, welche den früheren Besitzer als besser berechtigt hinstellen. Die Wahrscheinlichkeit, daß er im Recht sei, könne größer sein82• Der Schutz des§ 1007 sei umfassend, denn das vermutete Recht brauche nicht Eigentum zu sein und überhaupt kein dingliches Recht. Auch wenn die Besitzlage es wahrscheinlich mache, daß ein obligatorisches Besitzrecht gegeben sei, greife § 1007 ein83• Die Ansprüche aus § 1007 seien zwar Besitzwirkungen, aber sie schützten den Besitz nicht als Gut, sondern in letzter Linie das Recht, das infolge des Besitzes vermutet werde84• Für Westermarm handelt es sich bei § 1007 um einen Anspruch aus vermutetem Recht zum Besitz. § 1007 greife ein, wenn ein dingliches Recht des Klägers nicht bestehe oder nicht nachweisbar sei. Dennoch könne der Besitz des Beklagten einem anderen gegenüber nicht gerechtfertigt sein. § 1007 sei ein Mittel, den Streit um den Besitz zu entscheiden, wenn keinem der Streitenden der Nachweis eines Rechts auf den Besitz gelinge. Das Gesetz weise dann die Sache dem zu, den es als den relativ Berechtigten ansehe. Es handle sich um das Recht zum Besitz. Die eine Partei erscheine gegenüber der anderen als relativ berechtigt. Anspruchsgrundlage sei der Besitz, aus dem eine Vermutung eines Rechts zum Besitz abgeleitet werde85• Der Besitz als Tatsache sei ohne Rücksicht auf das Recht zum Besitz in§ 861 BGB Anspruchsgrundlage. Um das nachgewiesene Recht zum Besitz handle es sich bei § 985 BGB811 • Anspruchsgrundlage sei das relativ bessere Recht zum Besitz, der Besitz schaffe eine Vermutung für ein Recht auf den Besitz87•
82
Heck, S.131.
sa S . 134 unter 7.
M
85 86 87
S. 134 unter 7 c. Westermann, S. 171. S. 172 oben. S. 175, Zusammenfassung.
Klagegrundlage in der Literatur zu§ 1007 BGB
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Würdigung
Die Erklärungsversuche von Heck und Westermann sind abzulehnen. Die Auffassung, der Besitz werde als Vermutung angerufen, als Grundlage für eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung hinsichtlich eines Rechts zum Besitz, geht fehl. Die Autoren widersprechen sich bereits insofern selbst, als sie die Klage auch einem unberechtigten Besitzer zusprechen88, für den keine Vermutung ins Feld geführt werden kann. Widersprüchlich ist es weiter, wenn beide Autoren ausdrücklich von dem zweiteiligen Gutglaubensbegriff ausgehen89• Übersehen wird dabei, daß eine Vermutungswirkung gegenstandslos ist, wenn ein Besitzer nachgewiesenermaßen nichtberechtigt ist, obwohl er sich in gutem Glauben befindet. Heck und W estermann sehen auch nicht, daß nach der Entstehungsgeschichte die Vermutungswirkung nicht dem § 1007, sondern dem § 1006 übertragen wurde. Die Verwendung des Begriffs "relativ besseres Recht zum Besitz" und des "Relativschutzes" mag zwar im Ansatz richtig sein. Es fehlt jedoch die nähere Erläuterung. Auch kann man sich nicht recht vorstellen, wie ein nachgewiesenermaßen Nichtberechtigter sich auf eine Wahrscheinlichkeit seiner Berechtigung berufen kann, und wie diese Wahrscheinlichkeit zu einem relativ besseren Recht führen soll. Anzuerkennen ist an den Bemühungen von Heck und Westermann, daß sie die Tatbestandsmerkmale des § 1007 im wesentlichen klar darstellen. Indem sie aber die Klagegrundlage der Vorschrift auf eine Wahrscheinlichkeitsüberlegun g beziehungsweise Vermutung zurückführen, verwischen sie die von ihnen herausgearbeiteten Differenzierungen wieder. Damit zeigen sie, daß sie das Wesen des§ 1007 letztlich nicht erkannt haben. b) Von den übrigen Autoren dieser Richtung90 sind der Vollständigkeit halber folgende hervorzuheben: Eichler91 , der allerdings wenig klar ist. Teils nennt er den Anspruch im Anschluß an Wolff-Raiser als "Recht zum Besitz aus Besitz", teils Heck, S. 132, Westermann, S.172 2 b. Heck, S. 132, Westermann, S. 173 li 1. 90 Peipers, S. 6, 20, 29, 30, 46, 47, 61, 62, 87, 88, 89, 90, 97, 99, 100, 105, 106, 107; Janiszewski, § 1007, S. 11, 23, 31, 32, 35, 37, 41, 49, 50, 52, 55, 58; Michel, § 1007, S. 52; Miethke, S. 6, 12, 24, 25, 32, 29, 30, 35, 38, 39; Scherer, § 1007, S. 10, 22, 23, 32, 33, 34, 39, 40, 53, 54; Effertz, S. 10, 11, 12, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27, 34, 37, 39, 43, 46, 49; Frank, S. 21, 26, 29, 30, 39, 50, 51, 52, 53, 56, 60, 61, 62, 63, 64, 69, 70, 73; Feustel, S. 5, 7, 8, 10, 11, 14, 16, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 32, 33, 34, 35, 37, 38, 44, 46, 56. 91 s. 235 fi. 88 89
Das deutsche Recht
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schließt er sich Heck und dessen Wahrscheinlichkeitsbetrachtung an. Dies, obwohl er einen Gutglaubensbegriff verwendet, der in eine objektive und eine subjektive Komponente zerfällt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang auch, daß Wolff-Rai'ser ihren Standpunkt vom Recht zum Besitz aus Besitz damit begründen, der frühere Besitzer werde als Berechtigter vermutet92 • Zum Teil sind sie also der hier geschilderten Gruppe zuzurechnen. Medicus93 sagt zwar zum Klagegrund wenig, merkwürdigerweise stellt er aber auf eine Vermutung ab, obwohl er explizit das Problem aufwirft, warum ein nichtberechtigter, aber gutgläubiger Kläger dem Wortlaut des § 1007 nach Herausgabe verlangen kann. Dulckeit" weist auf eine Vermutung als Klagegrundlage hin, läßt sich aber nicht näher darüber aus. Staudinger- Berg95 schließen sich mit ausdrücklichem Zitat der Auffassung von Heck an. Endemann": Er versteht allerdings den Begriff des guten Glaubens anscheinend rein subjektiv97• 7. Gruppe: Die Auffassung von Henle98
Henle beschäftigt sich im Gegensatz zu den bisher genannten Autoren mehr mit der Frage, was für eine Rechtfertigung hinter§ 1007 steht. Er versucht, die Klagegrundlage der Herausgabeansprüche dogmatisch zu erfassen. Henle ist der Ansicht, daß die Herausgabeansprüche einem sogenannten Mutterrecht entstammen, das im Fall des § 1007 nicht ein Forderungsrecht sein könnne, sondern dinglicher, absoluter Natur sein müsse. Dem § 1007 müsse ein Gebot zugrundeliegen, den Berechtigten in seinem Besitz nicht zu beeinträchtigen. Dieses Gebot sei nicht nur an einen bestimmten Besitzer ergangen, es sei ergangen nicht als ein relatives, sondern als ein absolutes. Deswegen könne man das Recht aus § 1007 nicht als relatives Recht bezeichnen. Der Anspruch aus§ 1007 sei relativ, nicht aber das Recht aus § 1007. Dieses sei absolut. Absolut im Gegensatz zu relativ sei ein Recht schon dann, wenn es sich nicht gegen einen Bestimmten, sondern gegen unbestimmt viele als Verpflichtete wende. 92 93
s. 70.
AcP 168 S. 75 unter 2. und AcP 165 insbes. S. 127- 142. Ahnlieh wie
Medicus Oppermann, Schadensersatz, S. 5, 25, 26, 66, 72, 74, 105, 126. 94 Verdinglichung, S.ll. 91 § 1007 Rdn. 1. 96 Bürger!. Recht, S. 248, 249, 253, 255, 256. 87 Anders aber auf Seite 250. 88 Das Recht auf Besitz.
Klagegrundlage in der Literatur zu § 1007 BGB
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Dies tue das Verbot der Beeinträchtigung aus § 1007. Daher stelle es absolutes Recht dar, ein dingliches Recht. Allerdings habe es innerhalb der absoluten Natur des Rechts aus § 1007 eine relative Ader. Man dürfe das Recht aus § 1007 ein relativ-absolutes nennen. Denn es bestehe nicht allen gegenüber, wie zum Beispiel das Eigentum, denn das Recht aus § 1007 müsse vor dem Eigentümer zurückweichen. Das Eigentumsrecht sei stärker''. Der frühere Besitz als solcher könne nicht genügende Grundlage für den Herausgabeanspruch sein100 • Denn das Recht aus § 1007 entspringe nur einem in gutem Glauben erworbenen Besitz101 • Die Bezeichnung "Anspruch aus dem besseren Recht zum Besitz" sei nicht ganz richtig, denn zwar habe der Anspruch aus § 1007 petitarischen Charakter, aber das Recht, dem noch kein Anspruch entflossen sei, lasse sich nicht als petitarisch bezeichnen. Der Anspruch aus dem besseren Recht zum Besitz leite zwar mühelos auf das bessere Recht zum Besitz hin. Aber diese Bezeichnung sei zu farblos, um das Recht von den gewöhnlichen Rechten zum Besitz abzuheben102• Das Recht auf Besitz aus § 1007 sei ein relativ-absolutes Recht, denn die Relativität walte dem Eigentümer ob. Diese Relativität sei wesensnotwendig, man könnte sie eine absolute Relativität nennen103 • Neben dieser absoluten Relativität gebe es auch eine relative Relativität gegenüber dem Recht auf Besitz10'. Würdigung
An den Bemühungen Henles ist anzuerkennen, daß er sich um eine scharfe Abgrenzung des dem § 1007 zugrundeliegenden Rechts gegenüber den sonstigen Rechten Gedanken macht. Er erkennt, daß einem Herausgabeanspruch ein Recht zum Besitz zugrundeliegen muß. Er sieht auch deutlich, daß das dem§ 1007 zugrundeliegende Besitzrecht von den normalen Besitzrechten wie Eigentum und obligatorischen Besitzrechten zu unterscheiden ist. Aber seine Ausführungen können letztlich nicht die volle Klarheit bringen. Henle bleibt die Erklärung schuldig, wieso sich das Recht aus § 1007 von den sonstigen Besitzrechten abhebt und welcher Natur es sein soll. Seine Qualifizierung als relativ-absolutes Recht erscheint gekünstelt, insbesondere in Anbetracht seiner erläuternden weiteren Ausführungen, in denen er von absoluter Relativität und relativer Relativität spricht. Im übrigen scheint Henle auch nicht den Unterschied zwischen Absolutheit eines Rechts und dessen Dinglichkeit zu erkennen. Die Begriffe Absolutheit und Dinglichkeit sind aber scharf zu trennen: 00
100 101 102 108 10'
s. 260.
S. 262 rechts unten. S. 263 links oben. s. 265, 266. s. 323. s. 325.
4 Hörer
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Das deutsche Recht
Die Dinglichkeit bedeutet die unmittelbare Berechtigung an einer Sache, die Unmittelbarkeit. Die Absolutheit die Berechtigung gegenüber jedermann, die Wirkung eines Rechts gegenüber allen. Die Dinglichkeit spricht die Frage nach dem Verhältnis zwischen Person und Sache an, die Absolutheit die Frage nach dem Verhältnis einer berechtigten Person zu den anderen Personen.
Zusammenfassung des 2. Kapitels Die Klagegrundlage des § 1007 ist auch nach einer Analyse der deutschen Literatur dunkel geblieben. Soweit sich die Autoren überhaupt mit diesem Problem befassen, bleiben ihre Äußerungen entweder oberflächlich oder beharren in den Anfangsgründen der Problematik oder sie sind gar in sich widerspruchsvoll.
Gesamtergebnis für das deutsche Recht Die vorliegenden Untersuchungen haben aufgezeigt, daß die Frage der ratio legis des § 1007 BGB im deutschen Recht ungeklärt ist. Für das Kernproblem der Arbeit, wie es sich im Ausgangsfall stellt, bedeutet das folgendes: Nach wie vor spricht der Wortlaut des§ 1007 den Herausgabeanspruch einem zum Besitz nicht berechtigten Kläger zu, wenn er nur hinsichtlich seiner Berechtigung gutgläubig war. Inwieweit dieses Ergebnis auch mit der ratio legis dieser Vorschrift übereinstimmt, läßt sich nach dem bisher Gesagten nicht beantworten.
Zweiter Abschnitt
Das schweizerische Recht 1. Kapitel
Die Besitzrechtsklage im System des schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) Die Besitzrechtsklage ist in den Artikeln 934- 936 ZGB geregelt. Diese Vorschriften haben folgenden Wortlaut: Art. 934: "Der Besitzer, dem eine bewegliche Sache gestohlen wird oder verloren geht oder sonst wider seinen Willen abhanden kommt, kann sie während fünf Jahren jedem Empfänger abfordern. Ist die Sache öffentlich versteigert oder auf dem Markt oder durch einen Kaufmann, der mit Waren der gleichen Art handelt, übertragen worden, so kann sie dem ersten und jedem spätem gutgläubigen Empfänger nur gegen Vergütung des von ihm bezahlten Preises abgefordert werden. Die Rückleistung erfolgt im übrigen nach den Vorschriften über die Ansprüche des gutgläubigen Besitzers." Art. 935: "Geld und Inhaberpapiere können, auch wenn sie dem Besitzer gegen seinen Willen abhanden gekommen sind, dem gutgläubigen Empfänger nicht abgefordert werden." Art. 936: "Wer den Besitz einer beweglichen Sache nicht in gutem Glauben erworben hat, kann von dem früheren Besitzer jederzeit auf Herausgabe belangt werden. Hatte jedoch auch der frühere Besitzer nicht in gutem Glauben erworben, so kann er einem spätem Besitzer die Sache nicht abfordern." Demgegenüber findet sich die rei vindicatio in der Vorschrift des Art. 641 Absatz 2 ZGB. Art. 641: "Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen. Er hat das Recht, sie von jedem, der sie ihm vorenthält, herauszuverlangen und jede ungerechtfertigte Einwirkung abzuwehren." Die Regelung der Besitzrechtsklage im schweizerischen ZGB ist vor folgendem Normzusammenhang zu sehen: Der Besitzbegriff ist in Art. 919 ff. ZGB im wesentlichen ähnlich geregelt wie im deutschen Recht. Anzumerken ist nur, daß das ZGB nicht
Die Besitzrechtsklage im System des ZGB
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die Bezeichnung "unmittelbarer/mittelbarer Besitzer" verwendet, sondern den Ausdruck "selbständiger/unselbständiger Besitzer". Dies führt aber nicht zu einem materiellen Unterschied105. Der Erwerb des Fahrniseigentums ist in Art. 713 ff. ZGB ebenfalls ähnlich geregelt wie im BGB106. Ein wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht ist aber zu betonen: Während beim Erwerb des Immobiliareigentums wie im deutschen Recht das Abstraktionsprinzip gilt, ist der Erwerb des Mobiliareigentums im Gegensatz zum deutschen Recht grundsätzlich kausaP07. Anders als im deutschen Recht hat das ZGB in Art. 3 auch ausdrücklich eine Vermutung für das Bestehen des guten Glaubens angeordnet108. Ein materieller Unterschied zum deutschen Recht folgt hieraus aber nicht. Denn wo im deutschen Recht der gute Glaube eine Rolle spielt (wie etwa im § 932 BGB), ist aus der in den Vorschriften enthaltenen Beweislastregelung zu entnehmen, daß grundsätzlich von dem guten Glauben auszugehen ist. So stellt sich etwa im Fall des§ 932 BGB die Bösgläubigkeit als die Ausnahme dar, die derjenige zu beweisen hat, der sich darauf beruft. Dagegen hat nicht der Gutgläubige seinen guten Glauben zu beweisen. Es findet sich im ZGB auch hinsichtlich des Erwerbs einer beweglichen Sache vom Nichtberechtigten eine ähnliche Regelung wie im BGB. Die Kernvorschrift hierfür ist Art. 933 ZGB. Art. 933 ZGB: "Wer eine bewegliche Sache in gutem Glauben zu Eigentum oder zu einem beschränkten dinglichen Recht übertragen erhält, ist in seinem Erwerbe auch dann zu schützen, wenn sie dem Veräußerer ohne jede Ermächtigung zur Übertragung anvertraut worden war." Diese Vorschrift wird ergänzt durch die Vorschriften der Art. 934 bis 936 ZGB, die in etwa mit§ 935 BGB zu vergleichen sind. Letztere Vorschriften sind zugleich die Regeln über die Besitzrechtsklage. Es besteht also die Besonderheit, daß die Vorschriften über die Besitzrechtsklage im ZGB nicht nur eine Klageart regeln, sondern zugleich Kernbestandteil der Vorschriften über den Erwerb vom Nichtberechtigten sind. Anders als das deutsche Recht kennt das ZGB in Art. 934 Absatz 2 ein sogenanntes Lösungsrecht. Dies kann aber an der inhaltlichen Verwandtschaft zwischen der deutschen und der schweizerischen Regelung nichts ändern. Die dem § 1006 BGB entsprechende Eigentumsvermutung findet sich in ähnlicher Weise in Art. 930-932 ZGB. Abweichend vom deutschen 1os Vgl. Hornberger, ZGB Art. 919 ff. 1ou Vgl. Simonius, ZGB Art. 713 ff. 1 07 Vgl. Simonius, ZGB Art. 714 Rdn. 57; BG 48 II 5; 64 II 65. 1os Vgl. Simonius, Art. 714 Rdn. 61 ff. und Egger, ZGB Bem. zu Art. 3.
54
Das schweizerische Recht
Recht ist insbesondere Art. 931 ZGB, der jedoch in seinem Absatz 1 wiederum an § 1006 Absatz 3 BGB erinnert. Trotzdem ist ein Unterschied vorhanden, da der unselbständige Besitzer ( = unmittelbarer Besitzer im BGB) ein eigenes Recht hat, die zugunsten des selbständigen Besitzers ( = mittelbaren Besitzers nach BGB) sprechende Rechtsvermutung geltend zu machen. Eigenartig ist auch Art. 932 ZGB, der von einer Vermutung zugunsten eines besseren Rechts spricht. Der Vorschrift wird aber nur ein wiederholender Charakter zugeschrieben100• Dem § 1006 BGB entspricht am ehesten der Art. 930 ZGB. Diesem Artikel fehlt aber die in § 1006 Absatz 1 Satz 2 BGB vorgesehene Bestimmung, wonach die Vermutung bei Abhandenkommen entfällt110• Im Ergebnis führt dies aber nicht zu einem inhaltlichen Unterschied. Denn im schweizerischen Recht gibt es die Lehre von der sogenannten Zweideutigkeit des Besitzes111, der "possession equivoque"m. Das bedeutet, daß die aus dem Besitz fließende Rechtsvermutung leicht zu widerlegen ist, wenn sich auch nur ein Zweifel an der Übereinstimmung von Recht und Besitz zeigt, wenn "Zweideutigkeit" des Besitzes vorliegt. Eine solche Zweideutigkeit ist auch dann gegeben, wenn der Kläger Abhandenkommen nachweist. Dann schon hat der Kläger die zugunsten des besitzenden Beklagten sprechende Eigentumsvermutung widerlegt. Im Ergebnis entspricht diese Wirkung derjenigen des § 1006 Absatz 1 Satz 2, nur mit dem dogmatischen Unterschied, daß bei§ 1006 BGB die Vermutungswirkung beim jetzigen Besitzer gar nicht erst entsteht, während sie im ZGB zwar zunächst vorhanden ist, dann aber entkräftet wird.
1oo Vgl. Stark, ZGB Art. 932 Rdn.l.
Stark, Art. 930 Rdn. 24 d. Stark, Art. 930 Rdn. 24 d. m Hornberger, Art. 930 Rdn.10; Hornberger- Marti, Besitz; BG 41 II 31;
110 111
50 II 241.
2. Kapitel
Die Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte der Art. 934 • 936 ZGB Die Entstehungsgeschichte des ZGB ist unlösbar mit der Person Eugen Hubers verknüpft. Dieser große Gelehrte hat zunächst große Verdienste auf dem Gebiet der deutschen Rechtsgeschichte erworben. Hier sind seine Forschungen über das germanische Institut der Gewere wegweisend. Ein mehrbändiges Werk widmete er dem gesamten kantonalen Privatrecht der Schweiz, das er von den germanischen Uranfängen bis hin zu seiner Zeit untersuchte113 und dadurch bedeutende Vorarbeiten für das ZGB leistete. Während das BGB erst nach jahrzehntelangen Beratungen entstand und hierbei mehrere Kommissionen mit vielen Mitarbeitern tätig geworden waren, ist das ZGB die Schöpfung eines einzelnen hervorragenden Mannes: Eugen Hubers. Ihm gelang es in verhältnismäßig kurzer Zeit, eine Kodifikation des Privatrechts zu schaffen, deren Umfang dem des BGBs nahezu vergleichbar ist. Im Gegensatz zum BGB besticht das ZGB durch seine Geschlossenheit, seine lebendige Sprache und die prägnante Kürze seiner Vorschriften. Seine Überlegungen zu den einzelnen Vorschriften des ZGB hat Eugen Huber in den "Erläuterungen" niedergelegt. Diese "Erläuterungen" sind Ausgangspunkt zu vorliegender Untersuchung der Entstehungsgeschichte der Vorschriften über die Besitzrechtsklage.
I. Die Auffassung Eugen Hubers
1. Seine "ETläuterungen" Huber entwickelt seine Auffassung zunächst ähnlich wie Gierke an den deutschrechtlichen Gewerewirkungen. Der Besitzer könne sich für die Wiedererlangung einer unfreiwillig verlorenen Sache einfach auf seinen früheren Besitz berufen. Dies sei jetzt auch für das ZGB anerkannt. Ohne sein Recht beweisen zu müssen, erlange er die Rückleistung. Sein Recht an der Sache werde ohne weiteres vermutet. Er habe mit dem Besitz zunächst auch das von ihm behauptete Recht an der Sache bewiesen. Alle Schwierigkeiten, die für den Vindikanten mit dem Nachweis seiner 111
Die Bedeutung der Gewere, System und Geschichte.
Das schweizerische Recht
56
Berechtigung verbunden seien, seien entfallen114 • In der äußeren Gestalt des dinglichen Rechts an der Sache, im Besitz, werde zugleich über das Recht verhandelt. In vielen Fällen werde es gar nicht nötig sein, überhaupt das Recht besonders hervorzuheben. Im Verhältnis zwischen früherem Besitzer und jetzigem Besitzer komme es bei unfreiwilligem Besitzverlust gar nicht auf das materielle Recht an. Der materielle Rechtsstreit kleide sich in das Gewand des Streits über die Besitzverhältnisse. Im Rechtsstreit brauche über den Eigentumserwerb nicht gesprochen zu werden. Der Besitzer trete aufgrund seines Besitzes als Eigentümer auf, dank der äußerlichen, zunächst vom Recht im Besitz anerkannten Gestalt des Eigentums. Er könne somit abwarten, ob der frühere Besitzer darzutun vermöge, daß diese äußere Form nicht berechtigt sei und deshalb eine andere Ordnung Platz zu greifen habe115 • Hiervon ausgehend gelangt Huber zur Erörterung der neuen Bestimmungen der Art. 934- 936 ZGB, wobei er noch Art. 933 ZGB einbezieht. Er ist der Ansicht, daß die Art. 933- 936 ZGB in ihrem materiellen Inhalt sich völlig an die Bestimmungen der Art. 205- 208 des alten Obligationenrechts anlehnten. Die Abweichungen von diesen Bestimmungen seien redaktionellen Charakters116•
2. Art. 205- 208 alt. OR Es ist also erforderlich, die Bestimmungen der Art. 205 - 208 des alten Obligationenrechts vom 14. Juni 1881 darzustellen. Nach Art. 205 wird der gutgläubigeErwerbereiner beweglichen Sache auch dann Eigentümer, wenn der Veräußerer Nichteigentümer war, abgesehen von den Vorschriften über die gestohlenen und verlorenen Sachen. Unter den gleichen Bedingungen verlieren Dritte die andern dinglichen Rechte, die ihnen möglicherweise an der Sache zustehen. Diese Vorschrift entspricht etwa dem Art. 933 ZGB. Art. 206 sagt, gestohlene oder verlorene Sachen können von jedem Inhaber herausgefordert werden, und zwar innerhalb einer Frist von fünf Jahren vom Tag des Verlusts oder Diebstahls ab. Wenn die gestohlenen oder verlorenen Sachen gutgläubg auf einem Markt erworben worden waren oder auf einer öffentlichen Versteigerung oder von einem Kaufmann, der mit ähnlichen Sachen handelt, braucht ihr Inhaber sie nur gegen Erstattung des Kaufpreises herauszugeben. Diese Vorschrift entspricht dem Art. 934 ZGB. Art. 207 regelt, daß der bösgläubige Erwerber immer gehalten ist, die Sache herauszugeben oder, wenn er sie nicht mehr hat, ihren Wert zu tu 115 118
Erläuterungen S. 373.
s. 375, 376. s. 391, 392.
Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte der Art. 934 ff. ZGB
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ersetzen. Er ist außerdem für jede Wertminderung verantwortlich, die aufgrundseines Verschuldens eingetreten ist. Diese Vorschrift entspricht dem Art. 936 ZGB. Art. 208 schließt - vorbehaltlich der Bestimmung des Art. 207 Herausgabe aus bei Banknoten usw.
die
Dies entspricht dem Art. 935 ZGB. Würdigung
Hubers Darlegungen können das Wesen der schweizerischen Besitzrechtsklage nicht erklären. Schon die Erläuterungen selbst lassen den Verdacht aufkommen, daß Huber den Unterschied zwischen der durch die Rechtsvermutungen erleichterten rei vindicatio und der Besitzrechtsklage nicht deutlich gesehen hat. Man gewinnt den Eindruck, daß Huber die Besitzrechtsklage als Ausfluß der Rechtsvermutungen ansieht. Dann aber hätte er den Unterschied zur rei vindicatio erklären müssen. Wenn Huber meint, die Art. 934- 936 ZGB gingen unmittelbar auf die genannten Bestimmungen des alten Obligationenrechts zurück, wobei nur redaktionelle Änderungen vorgenommen worden seien, so ist dies unzutreffend: Die Bestimmungen des Obligationsrechts weisen nämlich gegenüber dem ZGB einen ganz erheblichen Unterschied auf. Den Bestimmungen des Obligationenrechts fehlt die dem Art. 936 Absatz 2 ZGB entsprechende Regelung, wonach ein früherer Besitzer Herausgabe dann nicht verlangen kann, wenn er selbst bösgläubig ist. Dies stellt für das ZGB eine völlig neue Problematik dar, die dem alten OR noch völlig unbekannt war. Außerdem steht in der Literatur zum alten OR fest, daß die Herausgabeansprüche der Art. 206 ff OR lediglich die rei vindicatio im Auge hatten117• Da aber die neuen Bestimmungen der Art. 934 - 936 ZGB zu der rei vindicatio schon vom Gesetz her keine Beziehung haben - diese ist ja in Art. 641 ZGB geregelt - hätte Huber ihre Besonderheit darlegen müssen. Vom Standpunkt Hubers ist es auch unverständlich, wieso die Bösgläubigkeit dem Kläger den Anspruch verwehren sollte. Bei der rei vindicatio nämlich entscheidet über die Frage der Aktivlegitimation allein das Eigentum oder das Nichteigentum, nicht aber die Bös- oder Gutgläubigkeit. 117 Vgl. Rusconi, S. 51, 52, 53; Hafner, OR, Art. 205 ff.; Schneider- Fick, OR, Art. 204 ff.
Das schweizerische Recht
58
Von besonderer Bedeutung ist auch folgendes: Art. 936 Abs. 2 ZGB, der dem bösgläubigen Kläger die Klage versagt, ist unmittelbar dem§ 1007 BGB entnommen, der in seinem Absatz 3 eine entsprechende Einschränkung der Aktivlegitimation enthält118 • Das BGB bestand bereits ein Jahrzehnt, als Huber den Entwurf eines ZGB fertigte. Die Wurzel des Art. 936 Absatz 2 findet sich somit nicht im alten OR, sondern im BGB. Dies kann für die Interpretation des Art. 936 Absatz 2 ZGB nicht unberücksichtigt bleiben. Nicht nur der Wortlaut des § 1007 BGB war bei der Schaffung der schweizerischen Besitzrechtsklage bekannt, sondern auch die Entstehungsgeschichte des § 1007 BGB. Man kannte also auch die Protokolle der Zweiten Kommission sowie die zum Entwurf eines BGB vorliegenden Anträge. Also war auch die Legaldefinition des Begriffs des bösen Glaubens bekannt, wie er in Antrag 3 zu § 945 EI gesprägt war. Es wurde bereits oben dargelegt, daß nicht zuletzt wegen dieser Definition sich die Frage nach dem guten oder bösen Glauben einer Person nur dann stellt, wenn diese Person zum Besitz nicht berechtigt ist. Weiter wurde ausgeführt, daß diese Definition auch bei§ 1007 BGB gilt. Wenn aber nach dem Gesagten§ 1007 unmittelbar in Art. 936 Absatz 2 ZGB Eingang gefunden hat, so muß daraus folgen, daß bei Art. 936 Absatz 2 auch der in § 1007 BGB gültige Gutglaubensbegriff maßgebend ist. Es findet sich im schweizerischen Recht kein Anhaltspunkt, daß ein anderer Gutglaubensbegriff verwendet werden sollte. Wenn Eugen Huber von dem im deutschen Recht geltenden Gutglaubensbegriff hätte abweichen wollen, hätte er das zum Ausdruck gebracht. Das ist aber nicht geschehen. Dieser Gedanke wird auch noch durch eine weitere Überlegung bekräftigt. Die Art. 934 - 936 ZGB statuieren nicht nur eine Herausgabeklage, sondern regeln zusammen mit Art. 933 ZGB das Institut des Rechtserwerbs vom Nichtberechtigten. Wesensnotwendig aber kann sich beim Erwerb vom Nichtberechtigten die Frage des guten Glaubens des Erwerbers nur dann stellen, wenn der Veräußerer nichtberechtigt war. Es gilt insoweit im deutschen und im schweizerischen Recht das gleiche. Veräußert ein Berechtigter, so fragt man nicht nach dem guten oder bösen Glauben des Erwerbers. Wenn sich die Frage nach dem guten Glauben aber nur dann stellt, wenn der Veräußerer nichtberechtigt war, so kann sich die Gutgläubigkeit nur auf die fehlende Berechtigung des Veräußerers beziehen. Somit ergibt sich auch für Art. 936 ZGB, daß der Gutglaubensbegriff zweiteilig ist, daß er in die objektive Komponente "fehlendes Besitz118
Hinderling, ZBJV S. 7, insbes. Fußn. 5.
Klagegrundlage in der Entstehungsgeschichte der Art. 934 ff. ZGB
69
recht" und in die subjektive Komponente "Kenntnis bzw. Kennenmüssen hiervon" zerfällt. Dies entspricht im übrigen auch der Vorschrift des Art. 3 ZGB und ist auch allgemeine Meinung in der Literatur118• Die Einschränkung der Klagelegitimation in Art. 936 Absatz 2 ZGB und der dort enthaltene Gutglaubensbegriff erstrecken sich nach einhelliger Meinung auch auf die Regel des Art. 934 ZGB120• Daraus folgt, daß auch in der Schweiz die Besitzrechtsklage in allen ihren Alternativen unter dem Vorbehalt der Gutgläubigkeit des Klägers steht. Die Wortanalyse der Art. 934-936 ZGB ergibt somit hinsichtlich der Aktivlegitimation des Klägers dasselbe Bild wie bei§ 1007 BGB. Der Kläger kann somit nur dann Herausgabe verlangen, wenn er entweder zum Besitz berechtigt ist oder ihm zwar ein Recht zum Besitz fehlt, er insoweit aber gutgläubig ist. Die Klage steht ihm nicht mehr zu, wenn ihm ein Besitzrecht fehlt und er darüberhinaus bösgläubig ist. Um auf unseren Musterfall oben aufS. 15 zurückzukommen, ergibt sich nach der Wortfassung auch der schweizerischen Vorschrüten über die Besitzrechtsklage die Klagebefugnis des K 1 • Wie im deutschen Recht steht auch im schweizerischen Recht dieses Ergebnis unter dem Vorbehalt der ratio legis. Nur die Untersuchung der Klagegrundlage kann letztlich die Antwort geben. Diese Darlegungen zeigen auf, daß Huber noch in anderer Hinsicht die Problematik der Besitzrechtsklage undeutlich darstellt. Das an sich paradoxe Ergebnis der Wortlautanalyse, die Klagebefugnis des nichtberechtigten Klägers, hätte er sehen und erklären müssen. Es steht außerdem im Widerspruch zu seiner Vorstellung, die Besitzrechtsklage sei Ausfluß der Rechtsvermutung. Wie kann ein nichtberechtigter Kläger mit Hilfe einer Rechtsvermutung Herausgabe verlangen können? ll. Die Botschaft des Bundesrats Die Botschaft des Bundesrats zu einem Gesetzentwurf enthaltend das schweizerische Zivilgesetzbuch vom 28. 5. 1904 war an die Bundesversammlung gerichtet. Hierin ist zwar erkannt worden, daß der Ausschluß des Rückforderungsrechts bei fehlendem guten Glauben des Klägers die Artikel205 ff. OR nicht unbedeutend erweitert hatm. Welche Konsequenzen hieraus für die Klagegrundlage zu ziehen sind, bleibt unerörtert. Der Hinweis darauf, daß in diesem Fall bei beiden Parteien wegen des Fehlens des guten Glaubens der gleiche Mangel vorhanden sei und keine sich deshalb auf den Besitz werde berufen können, ist 118
110 121
Vgl. Stark, Art. 933 Rdn. 43 ff. Schmidlin, Bedeutung, S. 143. s. 93.
60
Das schweizerische Recht
lediglich eine rechtspolitische Erklärung. Der Satz: melior est condicio possidentis erläutert die Dogmatik der Klagegrundlage nicht. Aber auch diese rechtspolitische Erklärung wäre zumindest unvollständig, da sie nicht erkennen läßt, warum der Beklagte in seinem Besitz geschützt wird. Zusammenfassung des 2. Kapitels Die Betrachtung der Entstehungsgeschichte des ZGB läßt die gleichen ungelösten Probleme erkennen wie die des BGB. Hier wie dort ergibt die WOrtfassung der Vorschriften die Klagemöglichkeit für die nichtberechtigten früheren Besitzer, ohne daß dies begründet wird.
3. Kapitel
Die Klagegrundlage in der Literatur zu Art. 934-936 ZGB I. Die Auffassung Wielands Wieland122 unterscheidet genau den Vindikationsanspruch als Anspruch aus dem Recht und die Fahrnisklage oder Besitzrechtsklage als die Klage aus dem besseren Besitz. Bei der in Art. 934 - 936 normierten Besitzrechtsklage berufe sich der Kläger nicht auf ein bestimmtes Recht zum Besitz, wie etwa das Eigentum, sondern auf ein besseres Recht. Der Beklagte könne sich zur Verteidigung ebenfalls nur auf ein eigenes noch besseres Recht berufen. Der bloße Nachweis der fehlenden klägerischen Berechtigung genüge nicht123• Mit dem früheren Besitz mache der Kläger zugleich sein besseres Recht zum Besitz geltend. Allerdings drehe sich die Fahrnisklage nicht um den Besitz als solchen, sondern um das Recht zum Besitz. Die Sache werde nicht schlechthin demjenigen zugesprochen, der vorher Besitzer gewesen sei, sondern demjenigen, der ein besseres Recht nachzuweisen vermöge. Gelinge es dem Beklagten nicht, ein eigenes besseres Recht darzutun, so sei die bessere Berechtigung des Klägers gegeben. Es sei somit nicht erforderlich, daß der Kläger ein bestimmtes Recht ausdrücklich namhaft mache124 • Habe der Kläger unfreiwilligen Besitzverlust dargetan, wie bei Art. 934, so habe er damit schon glaubhaft gemacht, daß ihm ein besseres Recht zustehe als dem Beklagten. Im übrigen gründe sich die Fahrnisklage jedoch auf das Recht zum Besitz. Die Sache werde dem materiell Berechtigten, nicht dem Besitzer als solchem zugesprochen125• Berufe sich der Kläger während des Besitzrechtsstreites auf ein bestimmtes Recht, so wechsle er in zulässiger Weise zur Eigentumsklage über123• Art. 936 Abs. 2 sei damit zu erklären, daß bei beidseitigem bösgläubigem Erwerb der Besitzer als der besser Berechtigte erscheine. Denn ein bösgläubiger Erwerber könne nicht Eigentümer, Pfandgläubiger usw. werden, soweit guter Glaube eine Voraussetzung des Rechtserwerbs bilde121• 122 12a
124 12s
123 1"
ZGB Bem. zu Art. 934 ff. Art. 930; 931 Bem. 4; Bem. zu Art. 932, Art. 934 Bem. 10. Art. 934 Bem. 1. Art. 934 Bem. 10. Art. 934 Bem.10 ff. Art. 936 Bem. 2, 3, 4.
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Das schweizerische Recht Würdigung
Für Wieland ist Klagegrundlage der Besitzrechtsklage ein besseres Recht zum Besitz. Er schildert allerdings dessen dogmatische Natur nicht näher. Anscheinend will Wieland dann eine bessere Berechtigung annehmen, wenn eine Partei vermutlich ein bestimmtes Besitzrecht erworben hat128• Die Besitzrechtsklage kann aber nicht in den Zusammenhang mit einer Rechtsvermutung gebracht werden. Die vom ZGB an den Besitz geknüpften Rechtsvermutungen sind nur im Rahmen der rei vindicatio von Bedeutung. Ferner übersieht er die Zweiteiligkeit des Gutglaubensbegriffs: Wie schon mehrfach betont, steht die Klage auch einem Nichtberechtigten, aber Gutgläubigen zu. Eine Rechtsvermutung kann auch aus diesem Grunde nicht Klagegrundlage sein. Wenn Wieland den Übergang zur Eigentumsklage annimmt, sobald der Kläger sich im Besitzrechtsstreit auf ein bestimmtes Recht beruft, so trägt dies zur Erheilung der Klagegrundlage nicht bei129• Möglicherweise sieht Wieland das bessere Recht zum Besitz in einem allgemeinen, undefinierten Besitzrecht, das von einem bestimmten Besitzrecht zu unterscheiden wäre130• Ein solches unbestimmtes Besitzrecht hätte aber näherer Erläuterung bedurft. Es fiele nicht unter die bisher anerkannten subjektiven Rechte, seine neuartige Rechtsnatur hätte dargelegt werden müssen. Im übrigen ist auch die Existenz eines solchen allgemeinen und unbestimmten Besitzrechts mehr als zweüelhaft. Das Recht kennt im Eigentum bereits das allgemeinste der Besitzrechte. Für ein weiteres allgemeines Besitzrecht bleibt daneben kein Raum111• ß. Die Auffassung Bindedings
Hinderling132 weist mit Wieland eine gewisse Verwandtschaft auf, ist aber dennoch von ihm zu unterscheiden. Hinderling geht davon aus, daß, anders als bei der Besitzschutzklage, demjenigen, dem ein (dingliches oder persönliches) Recht bzw. das bessere Recht zum Besitz zustehe, bei der Besitzrechtsklage der Sieg zufallen solle133• Bei der Besitzrechtsklage berufe sich der Kläger auf seinen früheren Besitz nicht im Sinne einer Vermutung, da dies nicht nötig sePM. Der Beklagte könne sich gegenüber der Besitzrechtsklage damit verteidigen, daß er seinerseits 118 Art. 932 Bem. 2. Absatz, insbesondere S. 515 oberste Zeile: "glaubhaft gemacht". Vgl. auch Art. 936, 4. 1211 Art. 934, S. 516: "keine verbotene Klagänderung". 180 Art. 930; 931 Bem. 4, 1. Absatz, letzte Zeile; Art. 934 Bem. 1. 131 Vgl. auch Rusconi, S. 112 1!. unter B. 13! Anwendungsbereich ZBJV. tu Anwendungsbereich S. 8 oben. tM S. 10 oben. Damit sind die Rechtsvermutungen der Art. 930 1!. zugunsten eines bestimmten Rechts gemeint.
Klagegrundlage in der Literatur zu Art. 934 ff. ZGB
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die aus dem früheren Besitz des Klägers fließende und reaktivierte Vermutung eines besseren Besitzrechts zu entkräften sich bemühe und dartue, daß dennoch nicht der Kläger als vormaliger Besitzer, sondern der Beklagte besser zum Besitz berechtigt sei135• Demgegenüber könne sich der Kläger wieder replicando auf ein noch besseres Recht zum Besitz berufen. Damit verschiebe sich freilich das Klagefundament, weil nicht mehr aus dem zuerst angerufenen Besitz geklagt werde. Bei der Fahrnisklage werde zwar aus dem früheren Besitz geklagt, dennoch solle der (besser) Berechtigte den Sieg davontragen, wenn er sein Recht geltend mache. Dann könne die Klage aus dem Besitz in eine Klage aus dem Recht oder um das Recht münden, wenn sie nicht von Anfang an eine solche gewesen sei136• Hinderling distanziert sich auch davon, aus den Bestimmungen des alten Obligationenrechts etwas für die Interpretation der Art. 934 - 936 ZGB zu entnehmen. Denn neuartigerweise habe das ZGB ausdrücklich den früheren Besitzer als Klageberechtigten anerkannt131. Bei Art. 934- 936 könne aus dem früheren Besitz als solchem ohne Nennung eines Rechts zum Besitz geklagt werden138• Dies scheine dafür zu sprechen, daß die Besitzrechtsklage von einem Recht nicht abhängig sei m. Könne sich jedoch aus dem früheren Besitz als solchem ein Recht zum Besitz ergeben, so könne dem Kläger gestattet werden, stets zuerst nur seinen früheren Besitz zu behaupten und sich auf die Frage seines eigenen Besitzrechts nur einzulassen, wenn das erforderlich werde, um ein vom Beklagten behauptetes eigenes Recht zum Besitz zu widerlegen140. Hinderling geht davon aus, Art. 936 Absatz 2 gelte auch für Art. 934141• Dennoch aber wirft er die Frage auf, warum bei Art. 934 die Einschränkung des Art. 936 Abs. 2 nicht genannt sei, obwohl die Klage aus Art. 934 ebenfalls bei Bösgläubigkeit des Klägers ausgeschlossen sein müsse. HinderUng untersucht in diesem Zusammenhang das Problem, ob nicht das ZGB eine verdeckte Wertungslücke enthalte im Hinblick auf die Frage, welcher von zwei erwiesenermaßen unberechtigten Parteien der Besitz zuzusprechen seP 42 • Im Ergebnis aber lehnt Hinderling eine solche Wertungslücke ab, er hält sie allerhöchstens in gewissen Ausnahmefällen für zulässig143• Im Gegensatz zu§ 1007 BGB sei bei der Besitzrechtsklage nach ZGB der unfreiwillige Besitzverlust kein Erfordernis1" . 185
S.l5.
1aa S.l6.
137 188 180 140 141 142 143 144
S.l9.
s. 20. s. 21. s. 22. S. 15 und Fußn. 38, 39. Vgl. auch S. 14 oben. s. 25, 26. s. 27, 29. s. 32.
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Das schweizerische Recht
Die Besitzrechtsklage sei immer dann, wenn der Kläger sich schon in der Klage auf ein Recht und nicht nur auf den früheren Besitz berufe, (auch) eine Klage aus dem Recht. Die Vermutungswirkung des Besitzes könne sogar die Klage aus dem früheren Besitz auch ohne ausdrückliche Rechtsbehauptung zugleich als Eigentumsklage erscheinen lassen. Denn was vermutet werde, müsse nicht behauptet werden. In eine Klage aus dem Recht münde eine Klage aus dem Besitz nachträglich auch auf alle Fälle ein, wenn der Kläger sich genötigt sehe, in der Replik auf sein Recht zurückzugreifen146• Würdigung
Auch Hinderlings Ausführungen überzeugen nicht. Hinderling unterscheidet zwar deutlich die dinglichen und persönlichen Besitzrechte von dem sogenannten besseren Recht zum Besitz146• Aber das bessere Recht zum Besitz wird auch von ihm nicht näher definiert. Für Hinderling ist allerdings klar, daß nach dem Wortlaut der Vorschriften auch ein erwiesenermaßen nichtberechtigter, wenn auch gutgläubiger Kläger Herausgabe verlangen kann147• Das heißt, wenn der Beklagte zwar beweisen kann, daß der Kläger kein Recht zum Besitz hat, wenn er aber umgekehrt sein eigenes Recht zum Besitz nicht beweisen kann, wird er verurteilt. Hinderling erkennt insoweit klar die Konsequenzen der auch von ihm verwendeten zweiteiligen Gutglaubensdefinition148 • Dieser Erkenntnis widerspricht aber, wenn Hinderling den Klagegrund der Besitzrechtsklage in der Vermutung eines besseren Besitzrechts sieht1u. Die Vermutung richtet sich also nicht auf ein bestimmtes Besitzrecht, das möglicherweise zu einer besseren Berechtigung führt. Sie bezieht sich vielmehr unmittelbar auf ein besseres Besitzrecht. Wie schon Wieland bleibt auch Hinderling die dogmatische Begründung schuldig. Das zu Wieland Gesagte hat auch hier zu gelten. Ohne Begründung bleibt auch, wieso sich die Klage aus Art. 934 bis 936 in eine Klage aus dem Recht verwandeln soll, wenn der Kläger replicando ein eigenes Besitzrecht in den Prozeß einführt. Nach der Wortfassung der Vorschriften über die Besitzrechtsklage nämlich leitet sich der Herausgabeanspruch ungeachtet der Replik aus diesen her. Denn der Klageausschluß für den Kläger ist negativ formuliert, der Kläger darf nur nicht "nicht in gutem Glauben" erworben haben. Hat er ein Besitzrecht, so greift diese Ausnahme nicht ein. UG 14G
147 148
148
5. 38.
5. 8. 5.19.
s. 14, 15.
S. 15 unter V am Anfang.
Klagegrundlage in der Literatur zu Art. 934 ff. ZGB
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Hinderling verkennt anscheinend auch den Unterschied zwischen Besitzrechtsklage und rei vindicatio. Dieser Verdacht ergibt sich aus der Bemerkung, daß die Berufung auf den früheren Besitz seitens des Klägers auch ohne besondere Behauptung eines Besitzrechts zugleich die Vermutungswirkung für ein bestimmtes Besitzrecht begründe. Denn sowohl bei der Besitzrechtsklage als auch bei der durch die Rechtsvermutung erleichterten Eigentumsklage muß der Kläger als Klagevoraussetzung seinen früheren Besitz dartun. Insoweit mögen zwar in praktischer Hinsicht beide Klagearten die gleichen Voraussetzungen haben, in dogmatischer Hinsicht sind die beiden Klagen aber streng zu unterscheiden. Die von Hinderling erwogene Wertungslücke muß abgelehnt werden: Es wurde bereits nachgewiesen, daß die Vorschrift des Art. 936 Abs. 2 ZGB, die die Regelung der Besitzrechtsklage besonders problematisch macht, unmittelbar dem§ 1007 Abs. 3 BGB entlehnt worden war. Dann muß bei der Schaffung des ZGB auch die Entstehungsgeschichte des BGB bekannt gewesen sein, und mit ihr der in den Beratungen verwendete Gutglaubensbegriff. Die Problematik des § 1007 Abs. 3 war demnach bekannt. Von einer übersehenen Wertungslücke kann daher nicht die Rede sein.
m. Die Auffassung Tuors Tuor150 ist sehr unklar. Zunächst schildert er die Rechtspräsumptionen der Art. 930 ff. Für eine ihrer Wirkungen hält er "die Offensivwirkung, die Eigentumsverfolgung. Art. 934 ff." Damit scheint er die Eigentumsklage mit der Besitzrechtsklage und auch mit den Vermutungen zu vermischen. Andererseits aber unterscheidet er auch wieder die Klage aus dem Rechte, Art. 641 Abs. 2 ZGB, ausdrücklich. Die Besitzrechtsklage steht nach ihm im Zusammenhang damit, daß der Kläger ein ihm zustehendes besseres Recht glaubhaft gemacht habe. Er sagt ausdrücklich, die Besitzrechtsklage beruhe auf einer Vermutung zugunsten des besseren Rechts des Klägers. Tuor bringt somit keine neuen Erkenntnisse. Darüber hinaus ist er besonders verschwommen. IV. Die Auffassung Ostertags Ostertag meint, bei der Besitzrechtsklage sei-die Wirkung des Besitzes gegenüber den Präsumptionen weiter verstärkt dadurch, daß bei Art. 934 - 936 der Beklagte selbst dann den Anspruch nicht abwenden könne, wenn der Kläger nicht zum Besitz der Sache berechtigt sei. Der 151
150
ZGB§ 82.
m ZGB Art. 934 - 936.
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frühere Besitz allein schon legitimiere. Gleichgültig bleibe, ob der Kläger zum Besitz berechtigt sei. Der Beklagte könne jedoch sein besseres Recht zum Besitz entgegenhalten. Trotzdem handele es sich bei der Besitzrechtsklage um Rechtsverfolgung und nicht lediglich um einen Besitzstreit152• Die Besitzrechtsklage stütze sich nicht auf das Recht des nichtbesitzenden Klägers, sondern nur auf den früheren Besitz als solchen (nicht als Rechtspräsumption). Es sei daher dem Besitzer der Gegenbeweis des mangelnden Rechts des Klägers zur vergangenen Besitzzeit nicht gestattet153• Dennoch sei die Besitzrechtsklage eine aus dem Recht an der Sache fließende Klage. Der Besitz werde angerufen als Form des Rechts. Sie brauche nicht ausdrücklich als Besitzrechtsklage eingeführt zu werden, denn das Recht an der Sache werde überhaupt durch Berufung auf den Besitz geltend gemacht. Nur der Ausschluß der Berufung des Beklagten auf den Mangel des klägerischen Rechts, ohne daß der Beklagte doch selber ein besseres Recht geltend machen könnte, unterscheide die Besitzrechtsklage von der Klage aus dem Recht154• Die Besitzrechtsklage sei kein Ausfluß der Eigentumsklage. Der Besitz diene nicht als Vermutung des Rechts im Sinn der Art. 930, 931 ZGB, sondern als Klagelegitimation schlechthin, so daß eine Widerlegung des Rechts des Klägers ausgeschlossen sei155• Würdigung
Der Vorzug von Ostertags Ausführungen liegt darin, daß er deutlich unterscheidet zwischen den Rechtspräsumptionen der Art. 930 - 932 und der Besitzrechtsklage. Widersprüchlich ist jedoch, wenn er meint, die Besitzrechtsklage brauche nicht als solche geltend gemacht zu werden, da die Berufung auf den früheren Besitz zugleich die Berufung auf das Recht beinhalte150• Dies verwischt den Unterschied zur rei vindicatio. Andererseits unterscheidet Ostertag genau zwischen dem früheren Besitz, wie er der Besitzrechtsklage zugrundeliegt, und dem Besitz im Sinn der Besitzschutzansprüche. Dieser Gegensatz liege darin, daß bei Besitzrechtsklagen der Besitz als Form des Rechts angerufen werdem. Wie Ostertag aber dogmatisch den Begriff "Form des Rechts" fassen will, sagt er nicht. Dies wäre aber nötig gewesen, weil, wie er sagt, die Form des Rechts von der Eigenschaft des Besitzes als Grundlage einer Rechtspräsumption zu unterscheiden ist158• Man könnte nämlich meinen, daß ein solcher Unterschied nicht besteht. Denn die Rechtspräsumptionen Vorbem. zum 24. Titel, Rdn. 22. Art. 931 Rdn. 9. Art. 932 Rdn. 8. us Art. 936 Rdn. 14. 156 Art. 932 Rdn. 8. 157 Art. 934 Rdn. 13, Art. 932 Rdn. 5. 168 Vorbem. zum 24. Titel, Rdn. 7, 8. 1 52
153 154
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beruhen ebenfalls auf der Form des Besitzes für das Recht, seiner Bedeutung, seiner Funktion. Wegen des Publizitätsprinzips stellt der Besitz die äußere Form dinglicher Rechte an beweglichen Sachen dar. Dies wiederum ist auf das Traditionsprinzip zurückzuführen159• Das Traditionsprinzip bedeutet, daß zum Rechtserwerb an einer beweglichen Sache immer der Besitzerwerb notwendig ist. Umgekehrt geht also grundsätzlich ohne den Besitz kein Recht über. Dies bedeutet, daß in der Regel Besitz und Recht zusammenfallen. Der Rechtsverkehr kann davon ausgehen, daß hinter dem Besitz ein Recht zum Besitz steht. Auf diesem Gedanken beruhen die Präsumptionen. Auch im Sinn der Präsumptionen ist also der Besitz die Form des Rechts. Für Ostertag verbindet sich aber mit dem Begriff "Besitz als Form des Rechts" offenbar eine weitere Wirkung, die über die Vermutungswirkung hinausgeht. Sonst würde er nicht die Form des Rechts in Gegensatz zur Präsumption stellen. Wie diese weitere Wirkung denkbar ist und was sie beinhaltet, hätte Ostertag näher ausdrücken müssen.
V. Die Auffassung Starks Stark führt die von Ostertag begründete Richtung weiter. Für ihn ist der Besitz im Rahmen des Publizitätsprinzips die normale Erscheinungsform des Eigentumsrechts (Formfunktion des Besitzes). Darauf baue die Rechtsordnung mit ihren Rechtsvermutungen auf (Legitimationswirkung)161. Das wesentliche Merkmal der Besitzrechtsklage bestehe in der Aktivlegitimation des früheren Besitzers. Die Rechtsvermutungen der Art. 930 ff. würden vom Gesetzgeber also nicht nur in dem Sinne ausgebaut, daß der Erwerber einer Sache in seinem guten Glauben auf das sich aus dem Besitz ergebende Verfügungsrecht bei anvertrauten Sachen geschützt werde (Art. 933), so daß er, gestützt darauf, das dingliche Recht selbst vom Nichtberechtigten erwerben könne. Darüber hinaus habe das Gesetz diese Vermutung vielmehr weiter ausgebildet durch die Gewährung einer speziellen Klage des früheren Besitzers auf Herausgabe der Sache unter bestimmten Umständen. Der frühere Besitzer müsse hier seine Aktivlegitimation nicht mehr dadurch begründen, daß er aus seinem seinerzeitigen Besitz ein dingliches Recht ableite und, gestützt darauf, die Vindikation anstrenge. Er könne vielmehr aus dem Besitz selbst klagen. In diesem Sinne klage der frühere Besitzer nicht nur aus seinem Recht, sondern auch aus dem Besitz, der normalen Erscheinungsform des Rechts182• Die Besitzrechtsklage sei keine allge180
m Vgl. Meier-Hayoz, Vorbem. zu Art. 641; Leemann, Einleitung Sachenrecht; Hornberger, Besitz, Vorbem. 180 Berner Kommentar, "Besitz". 181 Vorbem. Rechtsschutz Art. 930-937 Rdn. 23. 182 Rdn. 39, 40. 5*
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meine Klage aus dem Recht, weil der nichtberechtigte Kläger gegenüber dem ebenfalls nichtberechtigten Beklagten, außer im Fall von Art. 936 Abs. 2, obsiege. Auch der materiell nichtberechtigte Kläger als früherer Besitzer einer abhandengekommenen Sache sei zu schützen, wenn der Beklagte nicht seine eigene bessere Berechtigung nachweisen könne, weil der Kläger vom Gesetz als besser berechtigt fingiert werde. Dies gelte auch bei bösgläubigem Besitzerwerb des Beklagten, wenn dem Kläger die Berechtigung nicht selbst wegen bösen Glaubens fehle183. Der Besitz werde als äußere Form der dinglichen Rechte betrachtet. Der Rechtsschutz knüpfe sich nur an einen Besitz, der unter Würdigung der gesamten Umstände den Eindruck erwecke, daß er auf einer Berechtigung beruhe1~. Die Besitzrechtsklage stelle eine Verstärkung der an den Besitz geknüpften Rechtsvermutung dar. Für den Besitzbegriff seien daher die gleichen Kriterien maßgebend wie bei der Rechtsvermutung185. Der Besitz werde angerufen als Form des Rechts. Die Klage brauche nicht ausdrücklich als Besitzrechtsklage bezeichnet zu werden. Gegenüber der Besitzrechtsklage sei hervorzuheben, daß zugunsten der rei vindicatio ebenfalls die Rechtsvermutungen aus dem Besitz eingreifen188. Der Besitz diene nicht als Grundlage der Vermutung des Rechts gemäß Art. 930, 931, sondern als Klagelegitimation schlechthin, so daß die Widerlegung des Rechts des Klägers dem Beklagten nichts nütze. Der Beweis des besseren Rechts des Beklagten stelle gleichzeitig den Beweis für die fehlende Berechtigung des Klägers dar. Auf diesem Wege allerdings sei die Widerlegung des Rechts des Klägers zulässig187. Art. 936 Abs. 2 gründe sich darauf, daß der jetzige Besitzer als beatus possidens den Vorrang habe. Weiter sei zu Art. 936 Abs. 2 zu sagen, wer den Besitz bösgläubig erworben habe, werde dadurch in der Regel Nichtberechtigter. Deshalb stehe ihm die Rechtsschutzfunktion des Besitzes nicht zur Verfügung: in pari turpitudine melior est causa possidentis188. Würdigung
Starks Ausgangspunkt ist die Formfunktion des Besitzes, die er der bloßen Rechtsvermutung gegenüberstellt. Die Formfunktion ist für ihn eine Verstärkung der Rechtsvermutung. Seiner Ansicht nach beruht sie wie die Präsumption auf der Wahrscheinlichkeitsüberlegung, daß hinter dem Besitz ein Recht zum Besitz steht. Stark gibt aber ausdrücklich einem objektiv nichtberechtigten Kläger, der gutgläubig ist, den HerRdn. 42. Rdn. 49. 185 Rdn. 52. 188 Rdn. 59, 60. 187 Art. 934 Rdn. 3. tos Art. 934 Rdn. 4, 17; Art. 936 Rdn.lB.
183 1114
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ausgabeanspruchaus der Besitzrechtsklagets0• Dieses Paradoxon erklärt er sich damit, daß der Kläger unter den Umständen, die die Tatbestandsmerkmale der Besitzrechtsklage bilden, als besser berechtigt fingiert wird. Die Formfunktion des Besitzes begründet für ihn also nicht bloß eine widerlegbare Vermutung, sondern darüber hinaus eine Fiktion der besseren Berechtigung. Eine solche Fiktion ist aber abzulehnen. Sie widerspricht nicht nur dem Wortlaut der Vorschriften über die Besitzrechtsklage, die eine solche Fiktion wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck bringen müßten, was aber nicht der Fall ist. Diese Annahme widerspricht auch dem Bedeutungsgehalt des Begriffs "Fiktion". Eine Fiktion liegt wesensmäßig nur dann vor, wenn das Gesetz eine Tatsache als gegeben unterstellt, die objektiv nicht gegeben ist. Der Inhalt einer Fiktion widerspricht also immer der Wirklichkeit170 • Wenn aber das Gesetz eine solche Abweichung von der Wirklichkeit vornehmen will, so muß dies ausdrücklich angeordnet werden. Der Wortlaut muß also einen gewissen Anhaltspunkt bieten. Außerdem muß sich eine Fiktion auf eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Tatsache beziehen und nicht auf eine Rechtsfolge171 • Die Fiktion im Sinne Starks betrifft aber nicht eine Tatsache, sondern die bessere Berechtigung des Klägers, also eine Rechtsfolge. Die Fiktion einer besseren Berechtigung ist auch noch aus anderen Gründen zweifelhaft: Die Fiktion einer besseren Berechtigung erscheint im Rahmen der Besitzrechtsklage überflüssig. Dies hängt damit zusammen, daß die Fiktion im Sinne Starks sich auf eine Rechtsfolge bezieht. Wenn der Kläger beim Vorliegen der Tatbestandsmerkmale der Besitzrechtsklage Herausgabe verlangen kann, so ist er nach Ansicht des Gesetzes gegenüber dem Beklagten zum Besitz berechtigt, also im Vergleich zum Beklagten eher als dieser, besser, zum Besitz berechtigt. Die bessere Berechtigung ist existente Rechtsfolge. Ein bereits existierendes Faktum kann und braucht aber nicht Gegenstand einer Fiktion zu sein. Statt einer Fiktion könnte aber auch eine unwiderlegliche Vermutung hinsichtlich eines besseren Besitzrechts vorliegen. Während eine Fiktion von der objektiven Unrichtigkeit des Fingierten ausgeht, gründet sich eine Vermutung auf eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung. Bei der widerlegliehen Vermutung kann diese Wahrscheinlichkeitsüberlegung durch den Beweis des Gegenteils zerstört werden, während dies bei der unwiderleglichen Vermutung nicht möglich ist. Zwischen unwiderleglicher Vermutung und Fiktion besteht aber dennoch ein wesentlicher UnterVorbem. Rechtsschutz, Rdn. 42. Vgl. Rosenberg, Beweislast; Lehmann, AT, § 4 IV 4 b und die dort Zitierten. 111 Lehmann, § 4 IV 4 b. 1GD 170
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schied: Die Fiktion ist eine bewußte "Lüge", die unwiderlegliche Vermutung will der Wahrheit entsprechen. Die unwiderlegliche Vermutung ist eine erstarrte Wahrscheinlichkeitsüberlegung. Für Stark ist der Herausgabeanspruch nicht dadurch ausgeschlossen, daß dem Kläger ein Recht zum Besitz fehlt. Es könnte sich somit hier nur um eine unwiderlegliche Vermutung zugunsten der klägerischen Berechtigung handeln, nicht aber um eine widerlegliche, denn der Nachweis des Fehlens der klägerischen Berechtigung ist für den Herausgabeanspruch unerheblich. Aber auch die Annahme einer unwiderleglichen Vermutung kommt nicht infrage. Diese wäre nach den Vorschriften über die Besitzrechtsklage an den früheren gutgläubigen Besitz geknüpft. Sie bestünde aber nur solange, als der Beklagte nicht sein eigenes besseres Besitzrecht nachweist. Eine unwiderlegliche Vermutung kann aber durch diesen Nachweis nicht zu Fall gebracht werden. Eine unwiderlegliche Vermutung kann logischerweise nicht widerlegt werden. Starks Hinweis auf die gesteigerte Formfunktion des Besitzes, die über die bloßen Präsumptionen hinausgeht, erklärt die bessere Berechtigung des Klägers nicht. Die Präsumptionen sind bereits Wirkungen der Formfunktion des Besitzes. Wenn Stark nun die gesteigerte Formfunktion der Präsumption gegenüberstellt, so begründet er dies nicht in überzeugender Weisem. VI. Die Auffassung Scb.midlins Schmidlin bewegt sich im wesentlichen auf der von Ostertag und Stark vorgezeichneten Linie. Für ihn entscheidet allein die bessere Berechtigung zum Besitz. Auch er geht davon aus, daß Art. 936 Abs. 2 sich auf Art. 934 erstreckt. Trotz Vorliegens aller Voraussetzungen des Art. 934 scheitere also die hierauf gegründete Herausgabeklage, wenn der Kläger beim Erwerb des Besitzes bösgläubig war. Bei der Besitzrechtsklage gehe der Streit darum, welche von den Parteien relativ besser zum Besitz der Sache berechtigt sei. Könne der Kläger Herausgabe verlangen, so erweise sich sein früherer Besitz gegenüber dem Beklagten als ein Recht zum Besitz174• Die Besitzrechtsklage stütze sich nicht auf die Berechtigung zum Besitz, sondern direkt auf den Besitz, sofern dieser der sichtbare Ausdruck einer behaupteten Berechtigung sei. Der Besitz sei nicht allein der äußere Ausgangspunkt der Klage, der nur eine widerlegbare Vermutung des Rechts begründe. Er habe eine selbstän173
172
Vgl. zum Problem der Wahrscheinlichkeitsüberlegung vor allem Weit-
173
Bedeutung. S.145.
nauer, Karlsruher Forum. 114
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dige Bedeutung. Er sei hier die äußere sichtbare Seite des Rechts selbst. Im Vordergrund stehe nicht der allgemeine Besitzbegriff als ein faktisches Gewaltverhältnis, sondern die Funktion, die der Besitz bei Mobilien übernehme: Er verleihe dem Recht zum Besitz die Publizität und mache es offenkundig. Der Besitzer werde vom Gesetz solange als berechtigter Besitzer betrachtet, als der Rechtsschein für ihn spreche. Dabei sei Voraussetzung, daß er selbst in gutem Glauben den Besitz als Form seines Rechts betrachte. Wenn er nicht in gutem Glauben erworben habe, wisse er von vornherein, daß der Besitz kein Recht verkörpere. Er könne dann nicht erklären, sein Besitz sei der legitime Ausdruck seines Rechts175• Das Gesetz unterscheide nicht zwischen berechtigtem und unberechtigtem Besitz178 • Die Fahrnisklage sei in ihren Voraussetzungen von der Vindikation zu unterscheiden. Mit dem früheren Besitz habe der Kläger zugleich wegen der Publizitätsform das von ihm behauptete Recht an der Sache bewiesen. Es werde nicht nur vermutet, daß eine innere Berechtigung hinter dem früheren Besitz gestanden habe, die ihn als äußere Form des Rechts qualifiziere. Das Gesetz gehe vielmehr davon aus, daß dieser Besitz selbst die äußere Form des Rechts sei, ein Recht selbst verkörpere. Das sei mehr als nur die Vermutung einer speziellen inneren Berechtigung. Insoweit sei auch ein Unterschied zur Beweisführung bei der Vindikation zu machen. Nicht als vermutlich Berechtigter, sondern als früherer gutgläubiger Besitzer sei der Kläger zur Fahrnisklage zugelassen. Mehr verlange das Gesetz nicht, es begnüge sich vorerst mit dem äußeren sichtbaren Rechtsschein. Diesen Rechtsschein könne der Beklagte durch den Nachweis der Bösgläubigkeit abwehren, das heißt durch den Nachweis der Kenntnis der mangelnden Berechtigung. Wenn der Kläger nunmehr seine innere Berechtigung hervorkehre, so verwandle sich die Besitzrechtsklage in eine Klage aus dem Recht, bei der nicht der Rechtsschein, sondern nunmehr das bessere materielle Recht entscheide177• Der Nachweis des früheren Besitzes diene nicht der Vermutung eines früheren dinglichen Rechts, sondern bescheinige dem Kläger, daß er formal zum Besitz berechtigt gewesen sei und daß er es noch immer sei178• Da der Kläger sich vorerst auf seinen früheren, im Besitz manifesten Rechtsschein stütze und die materielle Rechtsposition einstweilen in Hintergrund bleibe, könne der Beklagte auch nicht mehr als diese formale Berechtigung angreifen. Er könne also nicht das Fehlen des klägerischen Rechts in den Prozeß einführen178 • Erst wenn der Besitz seines Rechtsscheines entkleidet worden sei, enthülle er sich als ein bloßes tatsächliches Verhältnis. 175 178 177 178 17D
S.148, 149. S.l50. S.153. S.156. S.157.
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Die fundamentale Beziehung von Rechtsschein und Besitz - entfiießend dem Publizitätsprinzip- liege auch der Regelung des Besitzrechts zugrunde. Der Besitz gelte als Verkörperung einer dinglichen Berechtigung. Das Recht sei durch den Besitz hinreichend legitimiert, der Besitzer sei formal berechtigt180 • In dieser auf die äußere Rechtsform, auf den Besitz gegründeten Klagelegitimation von vornherein zwischen berechtigtem und unberechtigtem Besitzer zu unterscheiden, sei widersprüchlich. Denn dann würde der Besitz gerade in seiner Funktion als Publizitätsform des Rechts nicht ernst genommen. Er wäre dann eben doch nicht mehr als eine berechtigte oder unberechtigte Gewalt über eine Sache. Der Besitz könne keinen eigenen Rechtsschein vermitteln. Diese äußere Form des Rechts begründe keine absolute Position. Sie verleihe nur einen vorläufigen Rechtsschein, der aber sogleich zusammenbreche, wenn er sich ausweisen solle und keine materielle Berechtigung ihn stütze181 •
Würdigung Gegen die Auffassung von Schmidlin sind im wesentlichen die gleichen Bedenken wie gegen Ostertag und Stark vorzubringen. Auch Schmidlin geht von der Formfunktion des Besitzes als Klagegrundlage aus. Seine Ausführungen über den Inhalt dieser Formfunktion überzeugen aber nicht. Seine Abgrenzung gegenüber den Rechtsvermutungen, die auch an die Form des Rechts, an den Besitz anknüpfen, ist nicht zwingend. Man erkennt nicht, wieso sich die Publizitätsform über die Vermutungen hinaus noch steigern sollte. Der von Schmidlin so betonte Rechtsschein ist nur verbal etwas anderes als die Rechtsvermutung, aber nicht inhaltlich. Denn so, wie sich Schmidlin zum Teil ausdrückt182, beruht die Annahme eines Rechtsscheins auf der Überlegung, daß gewöhnlich hinter dem Besitz ein Recht steht. Das ist aber dann die gleiche Überlegung, wie sie den Rechtsvermutungen zugrundeliegt. Auffällig ist besonders der folgende Widerspruch in Schmidlins Ausführungen: Auf Seite 167 sagt Schmidlin, der Rechtsschein, die formale Position, sei unabhängig von berechtigtem oder unberechtigtem Besitz. Das bedeutet also, auch ein nachgewiesenermaßen unberechtigter Besitzer hat den Rechtsschein für sich. Wenige Zeilen später, auf Seite 168, meint Schmidlin, die Form des Rechts verleihe nur einen vorläufigen Rechtsschein, der sogleich zusammenbreche, wenn ihn keine materielle Berechtigung stütze. Wie kann nun aber der Rechtsschein von einer Berechtigung zum Besitz unabhängig sein und doch sogleich zusammenfallen, 180 181 182
s. 164. s. 167, 168. s. 168, 169, 172, 153.
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wenn das Fehlen einer materiellen Berechtigung nachgewiesen ist? Konsequenterweise müßte auch nach Schmidlins Auffassung der Nachweis des Fehlens des klägerischenRechts zur Zerstörung des Rechtsscheins, der doch die Klagegrundlage sein soll, führen. Worin soll die Klagegrundlage sein, wenn der Klägertrotz seiner fehlenden materiellen Berechtigung im Fall seiner Gutgläubigkeit dennoch Herausgabe verlangen kann? Vll. Die Auffassung Bombergers Homberger183 gehört zu einer Autorengruppe, die den Sinn der Vorschriften über die Besitzrechtsklage nicht in der Gewährung einer eigenen Klageart sehen, sondern in der Schaffung von Beweiserleichterungen für die rei vindicatio. Hornberger hat diese Richtung begründet, andere Autoren folgten ihm nach18'. Hornberger macht keinen Unterschied zwischen der Besitzrechtsklage und der rei vindicatio, sondern nur einen Unterschied zwischen den Besitzschutzklagen und den Klagen aus Art. 930 ff. ZGB. Im Gegensatz zu den Besitzschutzklagen mache der Besitzer bei den Klagen aus Art. 930 ff. seine Eigentumsvermutung geltend, wobei ihm der Besitz eine Legitimation zur Eigentumsklage gebe. Nehme er dagegen nur ein beschränktes dingliches oder persönliches Recht als Rechtfertigung für seinen Besitz in Anspruch, so erleichterten ihm die Vermutungen die Geltendmachung seiner Rechte in der Fahrnis- oder Besitzrechtsklage185 • Die Besitzrechtsklage stütze sich auf ein eigenes dingliches Recht des Klägers. Die Klage regele sich hinsichtlich der Beweislast nach den Rechtsvermutungen. Habe der Kläger die für den Beklagten sprechende Rechtsvermutung entkräftet, indem er seinen früheren Besitz und die Unfreiwilligkeit des Verlusts dargetan habe, so greife die Rechtsvermutung zu seinen Gunsten kraft des früheren Besitzes ein. Der Beklagte könne diese Vermutung seinerseits entkräften, indem er dartue, daß dem Besitz des Klägers kein Recht zugrundegelegen habe, wie zum Beispiel, daß der Beklagte immer Eigentümer gewesen sei, oder daß der Kläger seinerseits im Sinn von Art. 936 bösgläubig erworben habe188 • Wenn das Gesetz den Herausgabeanspruch dem früheren Besitzer zubillige, so könne damit nur der wahre Berechtigte gemeint sein, dessen Rechttrotz Veräußerung der Sache- im Fall des Art. 936 ZGB- wegen des bösen Glaubens des Erwerbers nicht untergegangen sei. Der Besitz sei zunächst Ausgangspunkt der Klage, sobald aber der Beklagte 183 184
ZGB und SJK.
Bertand, Ia revendication; Zycha, l'action ... ; Liver, ZBJV 95; Piotet. 185 ZGB Art. 932 Rdn. 4. 1Be ZGB Art. 934 Rdn. 17, 18.
Eigentumsverfolgung; Rusconi,
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sein besseres Recht zum Besitz, sein Recht auf den Besitz, geltend gemacht habe, müsse der Kläger auf sein Recht zurückgreifen. Beweise der Beklagte, daß das Recht des früheren Besitzers erloschen sei oder daß der Klägertrotz seines früheren Besitzes gar nie ein Recht an der Sache gehabt habe - den wichtigsten Fall hebe Absatz 2 von Art. 936 ja gerade hervor - so könne von einer Herausgabepflicht nicht mehr die Rede sein. Der Begriff des bösgläubigen Erwerbs habe nur da einen Sinn, wo Erwerb vom Nichtberechtigten vorliege. Bei bösgläubigem Erwerb bestehe das Recht des wahren Berechtigten fort 187• Für Art. 936 Abs. 2 ergebe sich folgende Erklärung: Habe auch der frühere Besitzer vom Nichtberechtigten die Sache nicht in gutem Glauben erhalten, so habe er das Recht nicht erwerben können. Er sei somit seinerseits Nichtberechtigter und könne deshalb die Sache einem späteren Besitzer, selbst wenn dieser auch bösgläubig sein sollte, nicht abfordern. "In pari turpitudine melior est causa possidentis." Habe dagegen der frühere Besitzer von einem Berechtigten erworben, so sei er nicht bösgläubig im Sinn der Bestimmung188• Der Kläger mache das durch den Besitz in Erscheinung getretene Recht an der Sache geltend, brauche dies aber vorläufig nicht nachzuweisen189• Dennoch unterscheide sich aber die Besitzrechtsklage von der Vindikationsklage190•
Würdigung Die eigentlichen Aussagen Hornhergers in bezug auf das Kernproblem der vorliegenden Arbeit sollen weiter unten im Zusammenhang mit Rusconi gewürdigt werden. Hier an dieser Stelle soll nur auf folgendes hingewiesen werden: Hornhergers Ansichten über das Klagefundament der Besitzrechtsklage sind zwar nicht sehr klar zum Ausdruck gebracht. Dennoch wird deutlich, daß er als Klagegrundlage ein Recht zum Besitz ansieht, das durch die Rechtsvermutungen in den Prozeß eingeführt werde. Die Besitzrechtsklage steht nach Hornberger in unlösbarem Zusammenhang mit der Vindikation. Es bleibt aber zweifelhaft, wieso er trotzdem die Besitzrechtsklage von der Vindikation unterscheidet. Wenn er möglicherweise die rei vindicatio allein der Eigentumsverfolgung vorbehält und der Besitzrechtsklage die Verfolgung von sonstigen dinglichen oder obligatorischen Besitzrechten überträgt, so ist dies wenig überzeugend. Die Art. 930 ZGB zeigen, daß die Vermutungswirkungen nicht nur hinsichtlich des Eigentums eingreifen, sondern auch hinsichtlich anderer Rechte. Deshalb kann Hornberger auch nicht so verstanden werden, als ob für ihn die Rechtsvermutungen nur bei der Eigentumsklage eingreiZGB Art. 936 Rein. 2, 3, 4. ZGB Art. 936 Rein. 5. 189 SJK li 1. 1uo ZGB Art. 930 Rein. 14, 15.
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fen würden. Man kann auch nicht sagen, daß bei der rei vindicatio die Klagerleichterung durch die Rechtsvermutungen nicht möglich sei und die Rechtsvermutungen nur im Zusammenhang mit der Besitzrechtsklage eine Rolle spielten. Gerade bei der Eigentumsklage entfaltet die an den Besitz geknüpfte Eigentumsvermutung ihre volle Wirkung. Hornberger sagt unmißverständlich, daß sich für ihn der Begriff von vornherein damit verbindet, daß ein Übertragungsakt vom Nichtberechtigten vorlag. Er will anscheinend den Begriff "bösgläubiger Erwerb" allein auf den Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten angewendet wissen. Das Neuartige an Hornhergers Lösung ist, daß er den Klageausschluß bei bösgläubigem Besitzerwerb des Klägers nur als Beispielsfall für die mangelnde Berechtigung ansieht. Generell ist für ihn die Besitzrechtsklage ausgeschlossen, wenn der Kläger kein Recht zum Besitz hat. Der Fall der Bösgläubigkeit hat nur den Erwerb vom Nichtberechtigten im Auge, denn ein Bösgläubiger kann vom Nichtberechtigten kein Recht erworben haben. Hornberger sieht den Begriff der Bösgläubigkeit in Art. 936 Abs. 2 also eng, allein auf den Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten reduziert. Einen weiteren Inhalt des Begriffs "Bösgläubigkeit" lehnt er ab. Sein Bösgläubigkeitsbegriff umfaßt nicht mehr den folgenden Fall: Der geisteskranke Eigentümer E verschenkt sein Auto dem B , der die Geisteskrankheit nicht kennt. Die Gutgläubigkeit des B bezieht sich auf die Fehlerfreiheit des Übertragungsaktes, nicht auf die Berechtigung des E. Letztlich bezieht sich die Gutgläubigkeit auf den eigenen Rechtserwerb des B. Der Gutglaubensbegriff in allgemeinster Form kann sich also aus zweierlei Gründen auf die Gültigkeit des Rechtserwerbs beziehen: Beim Erwerb vom Nichtberechtigten auf die Berechtigung des Veräußerers, beim Erwerb vom Berechtigten auf die Gültigkeit des Übertragungsaktes. Im ersten Fall entscheidet allein die Gutgläubigkeit die Gültigkeit des Rechtserwerbs, im zweiten Fall hat die Gutgläubigkeit mit dem Rechtserwerb überhaupt nichts zu tun, sondern stellt etwas Eigenständiges dar. Im ersten Fall ist der Gutglaubensbegriff nicht von der Frage nach dem Rechtserwerb zu trennen, im zweiten Fall sind Rechtserwerb und Gutgläubigkeit zwei verschiedene Dinge. Den Begriff der Bösgläubigkeit in Art. 936 ZGB auch im Sinn des zweiten Falles zu verstehen, lehnt Hornberger anscheinend ab, begründet es jedoch nicht näher.
Vßl. Die Auffassung Zychas Zycha181 ist im Zusammenhang mit Hornberger und Rusconi darzustellen. Für ihn fließt die Klage aus dem Besitz, der Beklagte könne sich 191
s. 76, 79.
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jedoch auf sein besseres Recht berufen. Die Herausgabe gründe sich aber nicht auf den Besitz schlechthin. Der Besitz begründe den Schein der Berechtigung des erhobenen Anspruchs. Dies werde durch die Vermutungen bewirkt192 • Jeder mala-fide-Erwerber sei vermutlich ein Unberechtigter, weil unredliche Besitzerlangung zum Erwerb eines dinglichen Rechts nicht führe. Die Vermutung sei in diesem Fall formell ausgeschlossen und brauche nicht materiell widerlegt zu werden. So erkläre sich Art. 936. Die Vermutung des Eigentums aus gegenwärtigem Besitz müsse auch entfallen, wenn der frühere gutgläubige Besitz unfreiwillig verloren worden sei. Die Klage solle zum Schutz eines Rechts dienen183• Der Besitz werde als Ausdruck des Rechts verwendet, als formale Bedeutung für das Recht. Die Art. 930 ff. über die Vermutungen stellten gleichsam das Laboratorium dar, in welchem der Besitz zum Gebrauch der Klage in Gewere verwandelt werden solle. Der Beklagte habe daher den klägerischen Besitz nicht als solchen, sondern weil er ein - allerdings nicht zu nennendes - Recht bedeute, zu bekämpfen. Dies könne er nur durch den Nachweis des besseren Rechts, das ihm zustehe. Der direkte Nachweis, daß der klägerischeBesitz ein Recht nicht bedeute, sei ausgeschlossen194• Die Besitzrechtsklage finde ihren Grund weder an sich im Besitz, noch unmittelbar im Recht, sondern im Besitz als dem Ausdruck eines zunächst vermuteten, eventuell zu erweisenden Rechts. Wehre sich der Kläger gegen den auf ein besseres Recht gestützten Gegenangriff durch den Nachweis des vorerst nur vermuteten eigenen Rechts, so liege hierin keine Klageänderung. Könne der Besitz von Haus aus ein gegenwärtiges Recht auf den Besitz nicht vorstellen, so existiere kein Klagegrund. Da der Kläger nur den Besitz, nicht sein Recht geltend mache, könne ihm auch nicht das fehlende Recht nachgewiesen werden195• Würdigung
Wie Hornberger ist auch Zycha vornehmlich bei Rusconi zu würdigen. Hervorgehoben werden soll schon jetzt, daß es für Zycha ausdrücklich ein Problem ist, wieso durch den Nachweis bösgläubigen Besitzerwerbs die Bedeutung des Besitzes und damit die Klage zu Fall gebracht werden könne, und durch direkte Aufdeckung der Nichtexistenz des angeblich hinter dem Besitz stehenden Rechts nicht198 • Für Zycha liegt die Lösung darin, daß es kein Grundrecht des Beklagten geben dürfe, dem Kläger durch einfaches Nein alle Gefahren des Beweises seiner Rechtsbehauptung aufzubürden, während er selbst niemals zur Angabe und Ausführung seines Titels gezwungen werden könnte. Die 191 191 194 195 198
s. 80. S.83, 89. s. 91. s. 92, 93.
S. 93 unten.
Klagegrundlage in der Literatur zu Art. 934 ff. ZGB
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Klage verlange wegen dieser Nichtanerkennung eines solchen Grundrechts vom Kläger den Ausweis über sein Recht erst dann, wenn der Gegner zuvor ein Recht nachgewiesen habe, das andernfalls als die entscheidende Berechtigung zum Besitz aufrecht bliebe197 • Bösgläubiger Erwerb könne ein Recht zum Besitz nicht bedeuten198• Es handle sich um eine Klage aus dem Besitz als vermutetem Recht 189• In Anlehnung an die historische Klage aus unfreiwillig verlorener Gewere sei die Besitzrechtsklage gebildet. Der Besitz sei Klageinleitungsgrund, der wahre Klagegrund liege aber im klägerischen Recht200 • Da der Besitz Klageinleitungsgrund sei, müsse zunächst der Beklagte ein eigenes besseres Recht beweisen, bevor auf das eigene Recht des Klägers - das eigentlich die Klagegrundlage bilde - eingegangen werde. Es handle sich hier um das Rechtsschutzsystem der Verteidigung2°1 • Wenn für Zycha einerseits die Besitzrechtsklage eine Klage aus dem Recht ist und er andererseits zugeben muß, daß auch einem nichtberechtigten Kläger der Herausgabeanspruch zustehen kann, so stellt dies einen Widerspruch dar, der von Zycha nicht ausreichend behoben wird. Vor allem aber scheint Zycha der Besitzrechtsklage neben der rei vindicatio doch die eigenständige Bedeutung zu versagen, sonst könnte er sie nicht als Ausfluß der Rechtsvermutungen ansehen. Denn die Rechtsvermutungen entfalten ihre Kraft vornehmlich im Rahmen der rei vindicatio. Auch insoweit gibt Zycha keine Erläuterungen. IX. Die Auffassung Rusconis
Rusconi knüpft an die Entwicklungen Hornhergers und Zychas an, indem er sie vervollständigt und präzisiert. 202
Seiner Auffassung nach hat das ZGB mit den Art. 934 - 936 keine eigene Herausgabeklage geschaffen. Es sei vielmehr angebracht, diese Bestimmungen einfach in das System der rei vindicatio (des Eigentums oder eines anderen dinglichen Rechts) einzufügen, der sie einige Erleichterungen brächten, was die Beweisführungslast anbelange. Die rei vindicatio werde somit zur einzigen Herausgabeklage. Sie sei anwendbar in allen Fällen, wo der Begriff des dinglichen Rechts eine Herausgabeklage begründe, wobei die Art. 930 ff. eine Ergänzung darstellten. Die Art. 934 bis 936 begründeten also keine selbständige Herausgabeklage mehr, sondern stellten lediglich Beweiserleichterungen im Rahmen der rei vindicatio dar 203 • Die Klagegrundlage der betreffenden Artikel sei also ein 187 188
188 200
101
101 201
s. 94. s. 96, 97. s. 99. s. 109. s. 119. L'action petitoire fondee sur la possession. s. 146, 153.
Das schweizerische Recht
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ganz bestimmtes dingliches Recht204 • Um die rei vindicatio zu beginnen, genüge es für den Kläger zunächst, die Voraussetzungen der Art. 934 bis 936 darzutun205• Damit berufe er sich mit seinem früheren Besitz auf dasjenige dingliche Recht, das gemeinhin in den meisten Fällen mit dem Besitz verbunden sei, nämlich auf das Eigentum206 • Der Kläger klage deshalb zunächst einmal aus vermutetem Eigentum. Im weiteren Verlauf des Prozesses könne der Kläger diese Vermutung auf ein beschränktes dingliches Recht konkretisieren, was möglich sei, weil ein solches auf jeden Fall vom Eigentum umfaßt sei207 • Da der Kläger aus seinem vermuteten bestimmten dinglichen Recht klage, sei es zulässig, daß der Beklagte sich von vornherein damit verteidige, der Kläger sei zum Besitz nicht berechtigt. Der Beklagte könne also direkt das Fehlen des klägerischen Rechts in den Prozeß einbringen. Das gleiche gelte, wenn der Kläger lediglich ein obligatorisches Recht für sich geltend machen könne. Denn insoweit gebe Art. 931 eine entsprechende Vermutung. Was Art. 936 Abs. 2 betreffe, so sei dies nur ein Beispielsfall unter vielen anderen, um das Fehlen des klägerischen Rechts nachzuweisen. Die Bösgläubigkeit des Klägers stelle also lediglich einen Beispielsfall für die fehlende Berechtigung des Klägers dar208• Dies bedeute, daß der Kläger sich bei der rei vindicatio in diesen Fällen nicht auf die Besitzvermutung stützen könne, sondern - sollte er dennoch berechtigt sein - sein Recht direkt nachweisen müsse209 • Würdigung
Rusconi besticht damit, daß er die Unklarheit der bisherigen Erklärungsversuche markant bloßstellt210 • Er erkennt die Problematik, die mit dem Klagegrund der Besitzrechtsklage verbunden ist und von der die Entscheidung des Beispielfalls oben Seite 15 abhängt, ganz klar. Im Gegensatz zu der teilweise nebelhaften Ausführung der anderen Autoren ist seine Darstellung von wohltuender Transparenz. Rusconi nimmt die Verworrenheit, die sich in den bisherigen Lösungsversuchen findet, zum Ausgangspunkt seiner eigenen Untersuchung. Er findet dabei eine Lösung, die verblüffend einfach ist: Auch bei der Besitzrechtsklage kann nur ein zum Besitz berechtigter Kläger Herausgabe begehren. Was den Beispielsfall auf S. 15 betrifft, so steht dem K 1 trotzseiner Gutgläubigkeit nach Rusconi kein Herausgabeanspruch zu.
20' 205 208
207 208 209 210
S.146.
s. 147, 148, 149. s. 150. s. 152, 153, 159, 160. s. 156, 157. S.159. S.106.
Klagegrundlage in der Literatur zu Art. 934 ff. ZGB
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Der Auffassung Rusconis kann jedoch nicht gefolgt werden. Rusconi geht davon aus, daß die Art. 934 - 936 keine selbständige Bedeutung hätten, sondern lediglich in den Rahmen der Rechtsvermutungen und somit in den Rahmen der rei vindicatio einzubetten seien. Ohne diese Grundannahme ist seine Lösung nicht haltbar. Schon diese Grundannahme Rusconis ist aber abzulehnen. Sie beruht auf einer nicht gerechtfertigten Vereinfachung und es ist kein Wunder, daß die Besitzrechtsklage danach keine Probleme mehr birgt. Wenn man wie Rusconi den Vorschriften über die Besitzrechtsklage die eigenständige Bedeutung nimmt, dann ist die Frage nach ihrem Klagegrund, nach ihrer ratio legis, hinfällig geworden. Es geht aber nicht an, den Vorschriften über die Besitzrechtsklage die eigenständige Bedeutung zu versagen. Dies widerspricht zunächst der Wortfassung der Vorschriften, die ausdrücklich einen eigenen Herausgabeanspruch geben. Aber auch noch weitere Gründe sprechen gegen Rusconis Auffassung. Der Angelpunkt seiner These ist seine Interpretation des Bösglaubensbegriff in Art. 936 Abs. 2 ZGB. Nur hieraus erklärt sich der Klagausschluß für einen nicht zum Besitz berechtigten früheren Besitzer, nur dann kann man die Vorschriften über die Besitzrechtsklage als Ausfluß der rei vindicatio ansehen. Rusconi sieht den Gutglaubensbegriff in Art. 936 Abs. 2 wie schon früher Hornberger, nur führt er diesen Gedanken pointiert aus und stellt auch dessen Konsequenzen dar. Er hält den Klageausschluß für den bösgläubigen Besitzer in Art. 936 Absatz 2 lediglich für einen Beispielsfall des allgemeinen Grundsatzes der Besitzrechtsklage, daß einem Nichtberechtigten die Herausgabe verwehrt ist. Diese enge Inhaltsbestimmung des Bösglaubensbegriffs in Art. 936 Abs. 2 bezieht diesen allein auf den Erwerb vom Nichtberechtigten, nicht aber auf die sonstigen Fälle eines fehlgeschlagenen Rechtserwerbs. Diese Einengung des Bösglaubensbegriffs ist bei Art. 936 aber nicht angebracht. Zunächst gilt das bereits bei Hornberger Gesagte. Weiter aber ist dagegen vorzubringen, daß selbst Rusconi an anderer Stelle den Begriff des guten Glaubens anders sieht, indem er anerkennt, daß er zwei Teile hat211 • Insoweit sieht Rusconi, daß die Frage des guten Glaubens nicht nur den Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten, sondern alle Fälle eines Rechtsmangels betrifft. Von einem zweiteiligen Gutglaubensbegriff kann man nur dann reden, wenn kein Erwerb von einem Nichtberechtigten, aber doch ein sonstiger Mangel des Übertragungsaktes vorliegt. Nur im Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten ist der Gutglaubensbegriff einteilig, da sich die Frage des Rechts211
S. 91, Fußn. 1.
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erwerbsnach dem Vorliegen des guten Glaubens beantwortet. Rusconi übersieht auch, daß Art. 936 Abs. 2 ZGB aus § 1007 Abs. 3 BGB hergeleitet ist, dem die Gutglaubensdefinition des Antrags 3 zu § 945 des Ersten Entwurfs zugrundeliegt. In diesem Antrag 3 ist der gute Glaube derart allgemein definiert, daß er sämtliche Rechtsmängel umfaßt, nicht nur den Fall des Erwerbs vom Nichtberechtigten betrifft. Der Rechtsmangel im Sinn dieser Definition kann also zum Beispiel darin liegen, daß ein Geisteskranker oder sonst Geschäftsunfähiger veräußert hat. Es ist weder im BGB noch im ZGB noch in den Materialien zu einem dieser Gesetze auch nur angedeutet, daß von dieser Definition abgewichen werden solle. Diese Definition ist also der Interpretation der jetzigen Vorschriften über die Besitzrechtsklage zugrundezulegen. Es ist nicht gerechtfertigt, wenn Rusconi hiervon abweicht. Diese gleichen Einwendungen sind auch gegen Hornberger und Zycha vorzubringen.
Zusammenfassung des 3. Kapitels Die Literatur zum schweizerischen Recht läßt sich in zwei Gruppen einteilen: Der überwiegende Teil der Autoren gibt einem früheren Besitzer auch dann einen Anspruch nach den Vorschriften über die Besitzrechtsklage, wenn er nachgewiesenermaßen kein Recht zum Besitz hat. Diese Autoren geben dem K 1 im Ausgangsfall S. 15 den Herausgabeanspruch. Die zweite Richtung, die vor allen Dingen von Hornberger und Rusconi angeführt wird, versagt einem nachgewiesenermaßen unberechtigten Kläger den Herausgabeanspruch. K 1 würde nach ihnen im Prozeß abgewiesen werden. Keine der beiden Gruppen begründet jedoch ihr Ergebnis in überzeugender Weise. Insbesondere die Frage nach dem Klagegrund, der ratio legis der Vorschriften über die Besitzrechtsklage wird nur höchst unbefriedigend beantwortet. Eine endgültige Entscheidung des Ausgangsproblems ist also aufgrund der schweizerischen Literatur nicht möglich.
Zwischenergebnis Die Betrachtung von Entstehungsgeschichte und Literatur sowohl zum deutschen als auch zum schweizerischen Recht bietet folgendes Bild: Die Frage der Klagegrundlage der Besitzrechtsklage wird größtenteils gar nicht gestellt. Dort wo sie auftaucht, wird sie allerhöchstens gestreift, keinesfalls aber eingehend und klar behandelt. Die wel_!igen Autoren, die sich speziell mit dem Problem der Klagegrundlage befassen, sind abzulehnen. Sie gehen nicht erst im Ergebnis, sondern bereits in ihrer Grundthese fehl. Zusammenfassend läßt sich also sagen, daß weder im deutschen noch im schweizerischen Recht die ratio legis der Besitzrechtsklage endgültig und überzeugend geklärt ist.
6 Hörer
Dritter Abschnitt
Gegenüberstellung der Vorschriften über die Besitzrechtsklage im deutschen und im schweizerischen Recht Anhand der bisherigen Betrachtungen soll nun eine vorläufige Interpretation der jeweiligen Vorschriften über die Besitzrechtsklage gegeben werden. Zunächst sind die äußerlichen Unterschiede und Gemeinsamkeiten festzustellen. Falls Unterschiede vorhanden sein sollten, ist deren Auswirkung auf die ratio legis zu prüfen. Dann wird das Problem zu lösen sein, ob diese Unterschiede eine verschiedene ratio legis der Vorschriften über die Besitzrechtsklage im deutschen und im schweizerischen Recht bewirken. Rein äußerlich regelt das ZGB die Besitzrechtsklage in drei Vorschriften, während das BGB sie in einem Paragraphen zusammenfaßt. Anders als im BGB ist in Art. 934 ZGB der Herausgabeanspruch auf 5 Jahre befristet. Für das Klagefundament ist das aber unerheblich. Im Art. 934 ZGB findet sich auch im Gegensatz zum BGB ein sogenannter Lösungsanspruch, wonach in bestimmten Fällen der jetzige Besitzer die Sache nur herausgeben muß, wenn ihm der Kläger den Kaufpreis erstattet. Dies stellt zwar eine gewisse Erschwerung für den Kläger dar, kann aber keinen Einfluß auf die ratio legis haben. Wichtiger kann der Unterschied sein, daß bei § 1007 BGB die Klage ausdrücklich ausgeschlossen ist, wenn der Kläger den Besitz aufgegeben hat, während im ZGB eine solche Einschränkung fehlt. Die Besitzaufgabe hat aber mit der Klagegrundlage nichts zu tun, sie betrifft nicht die dogmatische Rechtfertigung des Herausgabeanspruchs. Der Klageausschluß für diesen Fall beruht vielmehr allein auf rechtspolitischen Zweckmäßigkeitsgründen. Letztlich ist es sogar überflüssig, die Besitzaufgabe ausdrücklich in die Vorschriften aufzunehmen, da sich der Klagausschluß für diesen Fall von selbst versteht. Wer den Besitz einer Sache freiwillig aufgegeben hat, hat seine Beziehung zu ihr völlig gelöst. Es ist gerechtfertigt, ihm den Herausgabeanspruch zu versagen und dem Beklagten ihm gegenüber endgültig den Besitz zu belassen. Allerdings wird in den meisten Fällen ein früherer Besitzer, der sich völlig von einer Sache gelöst hat, nicht auf den Gedanken kommen, nun doch noch Herausgabe zu verlangen. Auch wenn ein ausdrücklicher Ausschluß für
Gegenüberstellung
83
den Fall der Besitzaufgabe fehlt, könnte man den Herausgabeanspruch ablehnen. Der Kläger hätte sich nämlich mit seinem eigenen früheren Verhalten in Widerspruch gesetzt. Sein jetziges Herausgabeverlangen verstieße gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Demnach kann zwar manchmal von der "Besitzaufgabe" die Entscheidung über den Herausgabeanspruch abhängen. Den dogmatischen Geltungsgrund dieses Herausgabeanspruchs vermag sie aber letztlich nicht zu erklären. Die "Besitzaufgabe" führt also nicht dazu, das deutsche und das schweizerische Recht verschieden zu beurteilen. Während § 1007 BGB allein die Regelung des Herausgabeanspruchs zum Gegenstand hat, übernehmen die Art. 934- 936 ZGB darüber hinaus die Aufgabe, zugleich die Voraussetzungen des Rechtserwerbs vom Nichtberechtigten mit zu normieren. Für die ratio legis des Herausgabeanspruchs ist dies aber unerheblich. Es liegt lediglich gesetzestechnisch ein Unterschied vor. Ohne Bedeutung ist auch, daß das ZGB die Vorschriften über die Besitzrechtsklage systematisch neben die Vorschriften über die Rechtsvermutungen stellt. Dasselbe gilt, was die Schwerpunktverteilung betrifft: Das BGB stellt die Vorschrift über die rei vindicatio in den Vordergrund und behandelt im Zusammenhang mit ihr die Frage der Nebenansprüche, also den Anspruch auf Herausgabe der Nutzungen, den Schadensersatzanspruch und den Anspruch auf Ersatz von Verwendungen (vgl. §§ 985-1003 BGB). Der § 1007 BGB ist in diesem Komplex nur ein Anhängsel, das wegen dieser Nebenansprüche auf die im Zusammenhang mit der rei vindicatio erlassenen Vorschriften verweist. Demgegenüber ist im schweizerischen Recht die Besitzrechtsklage im Vordergrund, in ihrem Zusammenhang werden auch die sogenannten Nebenansprüche geregelt (vgl. Art. 938- 940 ZGB). Die rei vindication findet sich an ganz anderer Stelle, sie enthält wegen der Nebenansprüche nicht einmal eine Verweisung. Eine verschiedene Beurteilung der ratio legis könnte sich aber daraus ergeben, daß nur § 1007 BGB zum Ausdruck bringt, daß der Beklagte durch den Nachweis eines Rechts zum Besitz den Herausgabeanspruch abwehrenkann (Vgl. § 1007 Abs. 3 i.V.m. § 986 BGB). DerWortlaut des ZGB kennt eine solche Möglichkeit nicht. Sie könnte sich aber aus der Vorschrift des Art. 932 ZGB ergeben, die zu den Vorschriften über die Rechtsvermutungen gehört. Diese Frage braucht aber nicht weiter vertieft zu werden, da alle Autoren übereinstimmend den Herausgabeanspruch ablehnen, wenn der Beklagte ein eigenes besseres Recht zum Besitz nachweist, also ein Recht zum Besitz, das ihn gegenüber dem Kläger zum Besitz berechtigt. Ein Unterschied zwischen der deutschen und der schweizerischen Regelung liegt auch insoweit nicht vor.
84
Gegenüberstellung
Ein erheblicher Unterschied könnte schließlich noch darin liegen, daß der Bösglaubensbegriff in Art. 936 Abs. 2 anders zu interpretieren ist als in § 1007 Abs. 3. Dabei ist davon auszugehen, daß die Klageinschränkung des Art. 936 Abs. 2 auch im Bereich des Art. 934 ZGB gilt. Eine unterschiedliche Interpretation ist jedoch nicht möglich. Dies wurde bereits öfters näher ausgeführt. Deswegen soll hier nur nochmals daran erinnert werden, daß Art. 936 Abs. 2 ZGB entstehungsgeschichtlich dem § 1007 Abs. 3 BGB entlehnt worden war. Das bedeutet, daß der Bösglaubensbegriff in der Besitzrechtsklage sowohl im deutschen als auch im schweizerischen Recht denselben Inhalt hat und sogar identisch ist. Dieser Bösglaubensbegriff stellt die eigentliche Problematik der Besitzrechtsklage dar. Da die deutsche und die schweizerische Rechtsordnung in diesem Punkt identisch sind - die vorhandenen Abweichungen sind unerheblich- kann die Frage nach der ratio legis für beide Rechtsordnungen nur einheitlich beantwortet werden.
Vierter Abschnitt
Die eigene Auffassung vom Klagegrund der Besitzrechtsklage Der Beklagte kann der Herausgabeanspruch dadurch abwehren, daß er bösgläubigen Besitzerwerb des Klägers nachweist. Dies sagt der Wortlaut der Vorschrüten über die Besitzrechtsklage. Die Interpretation dieses Bösglaubensbegriffs hat gezeigt, daß der Kläger nicht Herausgabe verlangen kann, wenn er entweder selbst die Sache bösgläubig vom Nichtberechtigten erworben hatte, oder aber vom Berechtigten aufgrund fehlerhaften Erwerbsakts, wobei er die Fehlerhaftigkeit kannte oder kennen mußte. Umgekehrt hat er den Anspruch, wenn er zum Besitz berechtigt ist, aber auch dann, wenn er objektiv nicht berechtigt ist, dies aber nicht kennt oder kennen muß. Zur Verdeutlichung folgende Beispiele, die den Ausgangsfall auf Seite 15 variieren: a) K 1 hat das Auto unmittelbar von E rechtswirksam gekauft. K 1 hat daher ein Recht zum Besitz, er kann Herausgabe verlangen. b) K1 hat vom Dieb D1 gekauft, hielt diesen aber für den Eigentümer. K1 hat zwar kein Recht zum Besitz erworben, ist aber gutgläubig. Er kann Herausgabe verlangen. c) K 1 hat vom Dieb D1 gekauft, kannte aber den Diebstahl bzw. hat ihn nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt. K 1 ist nicht berechtigt und bösgläubig, er kann nicht Herausgabe verlangen. d) K 1 hat das Auto unmittelbar von E gekauft, E war aber geisteskrank, was K1 nicht wußte und auch nicht infolge grober Fahrlässigkeit nicht wußte. K 1 ist nicht berechtigt aber gutgläubig, deswegen kann er Herausgabe verlangen. e) E vermietet das Auto an F, der es unterschlägt und an K 1 verkauft. K 1 wußte bzw. mußte wissen, daß nicht F, sondern E Eigentümer war. K1 hat also infolge seiner Bösgläubigkeit kein Recht zum Besitz erworben. Er kann nicht Herausgabe verlangen. f) Wie Falle), jedoch wußte K 1 nicht, bzw. mußte er auch nicht wissen, daß nicht F, sondern E Eigentümer war. K 1 hat infolge seiner Gutgläubigkeit ein Recht zum Besitz erworben und kann Herausgabe verlangen. g) Wie Fall d), jedoch kannte K1 die Geisteskrankheit des E, bzw. er hätte sie kennen müssen. K1 ist nicht berechtigt und bösgläubig, er kann nicht Herausgabe verlangen. Ein Herausgabeanspruch ist logischerweise nur denkbar, wenn ein Recht zum Besitz gegeben ist. Wenn die Vorschriften über die Besitz-
Eigene Auffassung
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rechtsklage einen Herausgabeanspruch geben, so muß auch ihr ein Recht zum Besitz zugrundeliegen. Die Vorschriften über die Besitzrechtsklage müssen ein Recht zum Besitz schaffen, aus dem der Herausgabeanspruch fließt. Die Beispielsfälle zeigen aber, daß ein Kläger auch dann Herausgabe verlangen kann, wenn er ganz eindeutig kein Recht zum Besitz hat. Wie kann das sein? Die Lösung kann nur darin liegen, daß hier zwei verschiedene Arten von Besitzrechten angesprochen sind. Man muß nämlich auch im Rahmen der Besitzrechtsklage zwischen Tatbestand und Rechtsfolge unterscheiden. Wenn man danach fragt, ob der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, so fragt man nach seiner Gutgläubigkeit, damit nach seinem Recht zum Besitz. Hier ist das Recht zum Besitz also Tatbestandsmerkmal. Wenn man über den Herausgabeanspruch entscheidet, so entscheidet man ebenfalls über ein Recht zum Besitz. Dieses Recht zum Besitz gehört aber der Rechtsfolgeseite an. Im Rahmen der Besitzrechtsklage gibt es ein Recht zum Besitz also sowohl auf der Tatbestandseite als auch auf der Rechtsfolgeseite. Beispiel: Im Ausgangsfall von Seite 15 hat K 1 kein Recht zum Besitz erworben, weil das Auto abhanden gekommen war. Dieses Recht zum Besitz gehört zur Tatbestandsseite. Wenn er Herausgabe verlangen kann, so wird ihm gegenüber dem jetzigen Besitzer K 2 oder D 2 ein Recht zum Besitz gegeben. Dieses Recht zum Besitz ist Bestandteil der Rechtsfolgeseite. Zu den Besitzrechten der Tatbestandseite gehören die herkömmlichen Rechte an beweglichen Sachen, wie die dinglichen Rechte Eigentum, Pfandrecht und Nießbrauch oder die obligatorischen Rechte wie zum Beispiel die Miete. Fraglich ist aber die Natur des Besitzrechts der Rechtsfolgeseite. Zu den genannten herkömmlichen Rechten kann es nicht zählen, denn ein Kläger kann auch dann Herausgabe verlangen, wenn ihm ein solches Recht nicht zusteht. Das Besitzrecht der Rechtsfolgeseite muß also anderer Natur sein als die genannten herkömmlichen Rechte. Es ist ein dingliches Recht, welches die Besitzrechtsklage schafft. Dies ergibt sich zunächst aus der systematischen Einordnung der Besitzrechtsklage in das Sachenrecht, denn das Sachenrecht befaßt sich mit dinglichen Rechten. Daß es sich um ein dingliches Recht handelt, folgt auch aus dem Begriff der Dinglichkeit. Dinglich ist ein Recht, wenn es einem Rechtssubjekt ein unmittelbares Herrschaftsrecht über eine Sache gibt212 • Die Unmittelbarkeit dieser Beziehung ist das Entscheidende. Der Gegensatz hierzu ist das obligatorische Besitzrecht. Dieses gibt nur ein mittel212
Vgl. statt aller Lehmann, AT§ 12 I; Diederi.chsen.
Eigene Auffassung
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bares Herrschaftsrecht über eine Sache. Beim obligatorischen Besitzrecht wird die Berechtigung vermittelt durch ein Rechtsverhältnis zu einem anderen Rechtssubjekt, beim dinglichen Besitzrecht fehlt es an einem solchen vermittelnden Rechtsverhältnis. Beispiel: Der Mieter ist nur wegen seines Mietvertrags mit dem Vermieter zum Besitz der Sache berechtigt. Er hat nicht eine unmittelbare Herrschaftsbeziehung zur Sache, sondern seine Beziehung zur Sache wird bestimmt durch seine Rechte gegenüber dem Vermieter. Das Rechtsverhältnis zum Vermieter vermittelt also sein Herrschaftsrecht. Anders beim Eigentümer: Sein Herrschaftsrecht leitet sich nicht von einer anderen Person ab. Er hat ein Herrschaftsrecht, das sich unmittelbar aus der Rechtsordnung ergibt. Die Vorschriften über die Besitzrechtsklage schaffen ein Herrrschaftsrecht über die Sache. Wenn der Kläger obsiegt, steht ihm dieses Herschaftsrecht zu, wenn er verliert, wird das Herrschaftsrecht dem Beklagten zugesprochen. Die Vorschriften über die Besitzrechtsklage ordnen den Besitzstreit der Parteien, indem sie dem Kläger oder dem Beklagten den Besitz zusprechen. Sie geben somit dem Kläger oder dem Beklagten ein Recht zum Besitz. Dieses Herrschaftsrecht leitet sich unmittelbar aus dem Gesetz her. Es leitet sich nicht von einer anderen Person vermittels eines Rechtsverhältnisses ab. Es handelt sich also um ein unmittelbares, dingliches Herrschaftsrecht. Die Besonderheit dieses dinglichen Rechts liegt aber darin, daß es nur zwischen den beiden Parteien des Besitzrechtsstreits wirkt. Deswegen ist es möglich, daß es einer der Parteien zugesprochen wird und somit ihr Herrschaftsrecht anerkannt wird, auch wenn feststeht, daß eine dritte, unbeteiligte Person ein Recht zum Besitz an dieser Sache hat, wenn zum Beispiel ein Dritter Eigentümer ist. Beispiel: Wenn im Ausgangsfall von Seite 15 der K 1 obsiegt, wird ihm im Verhältnis zu K 2 oder D 2 das unmittelbare Herrschaftsrecht an dem Auto zuerkannt. Dies, obwohl feststeht, daß nach wie vor E Eigentümer geblieben ist und seinerseits über die rei vindicatio Herausgabe verlangen kann. Erhält K 1 den Besitz wieder, so kann E ihm die Sache abfordern. Die Entscheidung im Besitzrechtsstreit beeinfiußt also nicht das Verhältnis zwischen E und K 1 • Das Beispiel zeigt, daß die Besitzrechtsklage ein Recht zum Besitz gewährt, obwohl feststeht, daß letztlich ein Dritter ausschließlich zum Besitz berechtigt ist. Die Besitzrechtsklage nimmt auf diese ausschließliche Berechtigung des Dritten keine Rücksicht.
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Dies bedeutet, daß das Besitzrecht der Besitzrechtsklage nicht gegenüber jedermann wirkt, sondern nur im Verhältnis zur anderen Partei. Es handelt sich also um ein relatives Recht, nicht um ein absolutes. Der Besitzrechtsklage liegt daher ein relativ-dingliches Recht zugrunde. Die Existenz eines solchen relativ-dinglichen Rechts mag zwar auf den ersten Blick verblüffen. Der Begriff des relativ-dinglichen Rechts wird aber verständlich, wenn man sich folgendes vergegenwärtigt: Die Rechtsordnung unterscheidet bei den Besitzrechten zwischen absoluten und relativen Rechten. Dem steht eine weitere Unterscheidung von dinglichen und obligatorischen Rechten gegenüber. Es ist zu betonen, daß die Merkmale dinglich/obligatorisch nichts mit den Merkmalen absolut/ relativ zu tun haben113• Ein absolutes Recht wirkt gegenüber jedermann, ein relatives nur zwischen bestimmten Personen. Die Relativität/Absolutheit beantwortet die Frage, wem gegenüber ein Recht wirkt. Sie bestimmt, wem gegenüber sich ein zum Besitz Berechtigter auf sein Recht zum Besitz berufen kann und umgekehrt, welche Personen das Besitzrecht eines anderen zu beachten haben. Beispiel: Der Mieter einer beweglichen Sache ist nur gegenüber dem Vermieter zum Besitz berechtigt. Nur ihm gegenüber kann er sich auf sein Besitzrecht berufen. Umgekehrt hat auch nur der Vermieter das Besitzrecht des Mieters zu beachten. Ist nicht der Vermieter Eigentümer, ·sondern ein Dritter, und hat er die Sache ohne dessen Willen vermietet, so kann sich der Mieter dem Eigentümer gegenüber nicht auf sein Besitzrecht aus dem Mietvertrag berufen. Der Eigentümer seinerseits braucht das Mietrecht des Mieters nicht zu achten. Der Eigentümer einer Sache kann sich auf sein Eigentum jedermann gegenüber berufen. Jedermann ist verpflichtet, den Eigentümer in seinem Besitzrecht zu respektieren. Das Begriffspaar "dinglich-obligatorisch" ist scharf von dem Begriffspaar "relativ-absolut" zu trennen. Beidebetreffen verschiedene Aspekte eines Rechts. Das Begriffspaar "dinglich-obligatorisch" betrifft die Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit einer Herrschaftsbeziehung einer Person zu einer Sache. Das Begriffspaar "relativ-absolut" kennzeichnet die Beziehung einer Person zu anderen Personen. Gerade weil die beiden Begriffspaare verschiedene Eigenschaften eines Rechts kennzeichnen, sind sie besonders geeignet, ein Recht exakt zu beschreiben. Die meisten obligatorischen Besitzrechte sind zugleich relativ, die meisten dinglichen Rechte absolut. Dies schließt aber nicht aus, auch ein dingliches Recht als relativ anzusehen. 113
Vgl. Lehmann; Diederichsen.
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Zusammenfassend läßt sich sagen, daß unter "Recht zum Besitz" auf der Tatbestandseite der Vorschriften über die Besitzrechtsklage entweder ein absolut-dingliches oder ·ein relativ-obligatorisches Besitzrecht zu verstehen ist, während unter "Recht zum Besitz" auf der Rechtsfolgeseiteein relativ-dingliches Besitzrecht zu verstehen ist. Das Ausgangsproblem der Arbeit, warum der nichtberechtigte frühere Besitzer ein Recht zum Besitz haben kann, ist nunmehr so zu lösen, daß er zwar kein absolut-dingliches oder relativ-obligatorisches Besitzrecht, wohl aber ein relativ-dingliches Besitzrecht hat. Was das Verständnis der Besitzrechtsklage erschwert, ist letztlich der Denkfehler der Begriffsvertauschung. Man muß sich immer vor Augen halten, daß der Begriff "Recht zum Besitz" auf der Rechtsfolge- und auf der Tatbestandsseite jeweils eine andere Bedeutung hat. Die dogmatische Klagegrundlage ist also das relativ-dingliche Recht zum Besitz. Die Figur des relativ-dinglichen Rechts zum Besitz soll nun anhand der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Besitzrechtsklage demonstriert werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen, die der Kläger erfüllen muß, um Herausgabe verlangen zu können, wurden bereits auf Seite 82-84 dargestellt. Hinzu kommt noch für § 1007 Abs. 1 BGB, daß keine Besitzaufgabe vorliegen darf. Wenn der Kläger die Voraussetzungen erfüllt, die an ihn gestellt sind, damit er Herausgabe verlangen kann, dann kommt er als relativ-dinglich Berechtigter in Betracht. Ein relativ-dingliches Besitzrecht gegenüber dem Beklagten hat er aber nur dann, wenn der Beklagte die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, an die das Gesetz seine Herausgabepflicht knüpft. Diese Voraussetzungen sind nun zu untersuchen. Dabei soll zunächst § 1007 Abs. 1 BGB behandelt werden. Für Art. 936 ZGB gilt dann Entsprechendes. Nach§ 1007 Abs.1 BGB ist der Beklagte nur dann zur Herausgabe verpflichtet, wenn er beim Erwerb des Besitzes nicht in gutem Glauben war. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn der Beklagte vom Nichtberechtigten bösgläubig erworben hat, zum andern, wenn er zwar vom Berechtigten, aber fehlerhaft erworben hat und die Fehlerhaftigkeit kennt bzw. kennen muß. Der Beklagte ist also dann nicht zur Herausgabe verpflichtet, wenn er entweder ein Recht zum Besitz erworben hat oder ihm ein solches zwar fehlt, er dies aber nicht weiß oder nicht wissen muß. Kann der Kläger aufgrund dieser Vorschriften Herausgabe verlangen, so ist er gegenüber dem Beklagten relativ-dinglich zum Besitz berechtigt, darf der Beklagte die Sache behalten, steht diesem das relativ-dingliche Besitzrecht zu.
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Beispiele: a) E ist Eigentümer eines Fernsehgerätes. Er vermietet es an den M, welcher es berechtigterweise an den UM untervermietet. UM unterschlägt das Gerät und verkauft es dem B. M verlangt von B Herausgabe. War der B beim Erwerb gutgläubig, so hat er Eigentum erworben. Er braucht das Gerät nicht herauszugeben. War der B dagegen bösgläubig, so scheitert deswegen sein Eigentumserwerb. Er war im Sinn der Vorschriften über die Besitzrechtsklage beim Erwerb nicht in gutem Glauben und muß daher das Gerät an M herausgeben. b) Eist wie oben Eigentümer eines Fernsehgerätes. Er vermietet es dem M, dem er die Veräußerung des Gerätes gestattet. M verkauft das Gerät an B. Kommt der Eigentumserwerb des B fehlerfrei zustande, so kann M nicht Herausgabe verlangen. Kommt ein Erwerb nicht zustande, weil die Einigung zum Beispiel fehlerhaft war, so ist zu unterscheiden: War B hinsichtlich des Rechtsmangels gutgläubig, braucht er nicht herauszugeben. War B hinsichtlich des Rechtsmangels bösgläubig, so ist er zur Herausgabe an M verpflichtet. Der Beklagte muß dann herausgeben, wenn er mindestens kein Recht zum Besitz hat. In der Regel muß er darüber hinaus auch noch bösgläubig sein. Diese Zweistufigkeit entfällt nur beim Erwerb vom Nichtberechtigten. Dem scheint zu widersprechen, daß sich der Beklagte nach § 1007 Abs. 3 in Verbindung mit § 986 BGB auf ein Recht zum Besitz berufen kann. Wie kann sich ein nichtberechtigter Beklagter auf einmal auf ein Recht zum Besitz berufen? Das Problem löst sich auf, wenn man bedenkt, daß § 1007 Abs. 1 BGB auf das Fehlen eines Besitzrechts lediglich im Zeitpunkt des Besitzerwerbs abstellt. Hat der Beklagte aus irgend welchen Gründen später ein Besitzrecht erworben, so kann er die Herausgabe verweigern. Dann erst ist er gegenüber dem Kläger relativ-dinglich zum Besitz berech-
tigt. Beispiel: E ist Eigentümer eines Fernsehgerätes. Er vermietet es an M, der es unbefugt an den bösgläubigen B veräußert. E genehmigt nun die Veräußerung. B ist nachträglich Eigentümer geworden. M könnte jetzt nicht mehr Herausgabe verlangen. Es ist anzumerken, daß auch der Kläger nachträglich ein Recht zum Besitz replizieren kann, obwohl dies vom Gesetz nicht ausgesprochen wird. Der Kläger kann also nachträglich aktivlegitimiert werden, auch wenn er im Zeitpunkt seines Besitzerwerbs bösgläubig war. Beispiel: Der geisteskranke E 1 ist Eigentümer eines Fernsehgeräts. Er vermietet es an den M, der es unterschlägt, indem er es dem bösgläubigen K verkauft. M selbst kannte beim Abschluß des Mietvertrags die Geisteskrankheit des E 1 • M könnte jetzt noch nicht Herausgabe verlangen.
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Wenn nun E 1 stirbt und dessen Erben mit M den Mietvertrag neu abschließen, wird M nachträglich zum Besitz berechtigt. Er kann nunmehr Herausgabe verlangen. Nunmehr ist § 1007 Abs. 2 BGB zu behandeln. Entsprechendes gilt dann für Art. 934/935 ZGB. Der Kläger muß die gleichen Voraussetzungen wie in§ 1007 Abs.1 erfüllen. Er braucht aber nicht mehr die Bösgläubigkeit des Beklagten nachzuweisen, der Nachweis des Abhandenkommens genügt. Auf ein Recht des Beklagten zum Besitz kommt es vorerst nicht an, seine fehlende Berechtigung braucht nicht - wie bei Abs. 1 - dargetan zu werden. Das bedeutet aber nicht, daß der Beklagte die Sache auch dann herausgeben muß, wenn er ein Recht zum Besitz hat. Letztlich braucht auch bei Abs. 2 der Beklagte nur dann herauszugeben, wenn er kein Recht zum Besitz hat. Anders als bei Abs. 1 braucht er aber nicht dazu noch bösgläubig zu sein. Die Wirkung des Abhandenkommens ist so stark, daß sie sich sogar gegenüber einem gutgläubigen Beklagten durchsetzt. Auf die Gut- oder Bösgläubigkeit kommt es hier nicht mehr an. Dem Beklagten ist es auch bei§ 1007 Abs. 2 möglich, sich über§ 1007 Abs. 3 in Verbindung mit§ 986 auf ein Recht zum Besitz zu berufen. Das zeigt, daß im Ergebnis nur ein nichtberechtigter Beklagter herausgeben muß. Wenn sich der Beklagte nach§ 1007 Abs. 2 auch auf sein Eigentum berufen darf, so hat dies neben dem Einwand aus § 986 keine selbständige Bedeutung, sondern dient nur der Klarstellungn4 • Während bei Abs.1 im Rahmen der Bösgläubigkeit des Beklagten von vornherein auf die Frage seines Eigentums eingegangen wird, muß bei Abhandenkommen nach Abs. 2 die Berechtigung des Beklagten vorerst überhaupt nicht erörtert werden.§ 986 bezieht sich aber seinem Wortlaut nach nicht auf das Eigentum, sondern nur auf sonstige Rechte zum Besitz. Dies folgt aus seiner Gegenüberstellung zu § 985, der das Eigentum betrifft. Wenn § 1007 Abs. 2 das Eigentum besonders erwähnt, so soll damit eine Lücke vermieden werden und klar zum Ausdruck kommen, daß ein zum Besitz berechtigter Beklagter nicht herausgeben muß. Während bei § 1007 Abs. 1 sich § 986 allein auf einen nachträglichen Rechtserwerb bezieht, betrifft er in § 1007 Abs. 2 einen Rechtserwerb zu jedwedem Zeitpunkt. Bei§ 1007 Abs. 2 bleibt nämlich die Berechtigung des Beklagten vorerst aus dem Spiel. Wenn er aber ein Recht zum Besitz in den Prozeß einführen kann, so ist gleichgültig, zu welchem Zeitpunkt er dieses Recht erworben hat. Bei Absatz 2 braucht § 986 also nicht zeitlich so eingeschränkt werden wie bei Absatz 1. Wenn der Beklagte weiter einwenden kann, ihm sei die Sache vor der früheren Besitzzeit des Klägers abhanden gekommen, so wird lediglich 214
Soergel- Siebert- Mühl, § 1007 Rdn. 5; Heck, S. 133.
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die Klagebehauptung des Klägers umgekehrt. Für die Dogmatik der Klage ist dies unerheblich. Beispiele: a) E vermietet sein Fahrrad an M. Dem M wird das Rad von D gestohlen. D verkauft es dem B. M kann Herausgabe von B verlangen. b) E ist Eigentümer eines Inhaberpapieres, das im Depot der Bank B liegt. Dort wird es bei einem Bankraub vom Räuber R gestohlen. Dieser verschenkt es an seine Freundin F. Für die Lösung ist zu unterscheiden: Ist die F hinsichtlich des Eigentums des R gutgläubig, darf sie das Papier behalten. Ist sie bösgläubig, muß sie es an die Bank herausgeben. c) E ist Eigentümer einer Schreibmaschine. Er vermietet sie an M, dem sie vom D gestohlen wird. D verkauft sie an B. E ficht den Mietvertrag wirksam an und verpfändet die Schreibmaschine dem B. M hat kein Recht zum Besitz, war aber zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubig, da er die Anfechtbarkelt nicht kannte. Wenn er nach der Anfechtung die Unwirksamkeit kennt, ist dies unschädlich: Kenntnis zum Zeitpunkt des Besitzerwerbs entscheidet, mala fides superveniens non nocet. M konnte an sich Herausgabe von B verlangen, B hat jedoch nachträglich ein Besitzrecht erworben, das er dem M entgegenhalten kann. d) E ist Eigentümer eines Rings. Im Zustand geistiger Umnachtung verkauft und übergibt er den Ring dem ahnungslosen K. K schließt mit B einen Kaufvertrag über den Ring, ohne daß es zu Einigung und Obergabe kommt. Der Dieb D stiehlt den Ring bei K und verkauft und übergibt ihn seinerseitsdemB. K kann nicht Herausgabe verlangen. § 1007 Abs. 2 greift an sich ein, jedoch kann B dem K aus dem Kaufvertrag ein Recht zum Besitz entgegenhalten, das er schon im Zeitpunkt seines Besitzerwerbs erworben hatte. e) E ist Eigentümer eines Fotoapparats, den er seinem Freund F vermietet. Einige Tage später nimmt E dem F die Kamera wieder unbefugt weg und verleiht sie seinem Kollegen K. K verliert den Fotoapparat, F findet ihn. K kann nicht Herausgabe verlangen. Dem F ist die Kamera vor der Besitzzeit des K abhanden gekommen. Alle diese Fälle lassen sich auch nach schweizerischem Recht genau so lösen, und zwar auch der Fall e. Die schweizerische Besitzrechtsklage hat ihrem Wortlaut nach zwar den Klageausschluß für den Fall nicht, daß dem Beklagten die Sache vor der früheren Besitzzeit des Klägers selbst abhanden gekommen war. Diesem Klageausschluß liegt der Gedanke zugrunde, daß der Kläger nicht vom Beklagten Herausgabe einer Sache verlangen soll, die er diesem gleich wieder zurückgeben müßte. Nach diesem Grundgedanken entscheidet man auch im schweizerischen Recht, so daß insoweit nur redaktionelle Unterschiede vorhanden sind. Betrachtet man sämtliche Beispielsfälle zur Besitzrechtsklage, so stößt man auf eine weitere Besonderheit: Diese Besonderheit betrifft das Tatbestandsmerkmal "nicht in gutem Glauben". Nachdem nun als Klagegrundlage das relativ-dingliche Be-
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sitzrecht gefunden wurde, soll jenes Tatbestandsmerkmal genauer und differenzierter beleuchtet werden. Es ist zu prüfen, ob das relativ-dingliche Besitzrecht als Klagegrundlage die Interpretation des Gutglaubensbegriffs in der Besitzrechtsklage beeinflußt. Eine Beeinflussung erscheint deswegen merkwürdig, weil doch erst die Untersuchung des Gutglaubensbegriffs zur Entwicklung der Figur des relativ-dinglichen Besitzrechtes geführt hat. Eine solche Wechselwirkung wäre aber kein Widerspruch. Wenn vom Gutglaubensbegriff her die Figur des relativ-dinglichen Besitzrechts entwickelt wurde, so vor allem aufgrund der Überlegung, daß guter Glaube stets Irrtum ist. Die Frage nach dem guten Glauben stellt sich also nur, wenn ein Besitzrecht fehlt. Ist ein Besitzrecht vorhanden, kommt es auf den guten Glauben nicht an. Für einen Irrtum ist kein Raum. Damit ist aber noch nicht entschieden, auf welche Besitzrechte sich der gute Glaube zu beziehen hat, welche Besitzrechte Gegenstand des Irrtums sein müssen. Mit anderen Worten, es ist noch völlig offen, in welchen Fällen ein Besitzrecht fehlt. Dies ist noch zu untersuchen, und erst dann steht fest, wann es auf die Frage der Gutgläubigkeit überhaupt ankommt. Wann ist jemand im Sinn des Gutglaubensbegriffs "nichtberechtigt"? Dieser Aspekt des Gutglaubensbegriffs ist von der Klagegrundlage der Besitzrechtsklage, dem relativ-dinglichen Besitzrecht, abhängig. Dies widerspricht nicht dem Wesen des Gutglaubensbegriffs. Je nach Rechtsinstitut ist der Gegenstand des Irrtums verschieden. Beim Erwerb vom Nichtberechtigten bezieht sich der Glaube z. B. auf das Eigentum des Veräußerers, während bei der Besitzrechtsklage auch der gute Glaube an die Geschäftsfähigkeit geschützt wird. Der Inhalt des Gutglaubensbegriffs in der Besitzrechtsklage ist anhand einiger Beispielsfälle zu veranschaulichen. Dabei ist zunächst der Gutglaubensbegriff beim Kläger zu untersuchen: a) E ist Eigentümer eines Buches, das er dem M vennietet. M verleiht es unbefugt an L 1, der es seinerseits unbefugt an Lz weiterverleiht. M will von L2 Herausgabe. M hat gegenüber L2 weder ein absolut-dingliches noch ein obligatorisches Besitzrecht. Es ist lediglich gegenüber dem E relativ-obligatorisch zum Besitz berechtigt. b) Wie Fall a), jedoch hat M das Buch von E aufgrund eines Pfandrechts erhalten. M hat hier als einziges Besitzrecht das beschränkt-dingliche Pfandrecht. c) E ist Eigentümer eines Buches. Der Dieb D stiehlt ihm das Buch und vermietet es an M. M verleiht es an L~r der es unbefugt an L 2 weiterverleiht. M verlangt von Lz Herausgabe.
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M hat gegenüber L2 weder ein dingliches noch ein obligatorisches Besitzrecht. Auch gegenüber E ist er nicht zum Besitz berechtigt. Lediglich gegenüberD steht ihm ein relativ-obligatorisches Besitzrecht zu. d) E ist Eigentümer eines Buches, das ihm vom Dieb D gestohlen wird. D vermietet es an M. M verleiht es an L. Er kündigt den Leihvertrag wirksam und verlangt Herausgabe. Gegenüber E hat M kein Recht zum Besitz. Er hat aber gegenüber L aus dem Leihvertrag ein Recht zum Besitz, und zwar ein relativ-obligatorisches. Auch gegenüber D ist er relativ-obligatorisch zum Besitz berechtigt. Der Gutglaubensbegriff beim Beklagten: a) E ist Eigentümer eines Buches, das er dem M vermietet. M verleiht es an L 1 • Dort stiehlt es der Dieb D, der es an L 2 verleiht. L2 vermietet nun das Buch unbefugt wieder an M. D verlangt von M Herausgabe. M hat gegenüber D weder ein dingliches noch ein obligatorisches Recht zum Besitz. Lediglich im Verhältnis zu L2 steht ihm ein relativ-obligatorisches Besitzrecht zu. Vor allem aber hat er auch gegenüber E ein relativobligatorisches Besitzrecht. b) Wie Fall a), jedoch hat M das Buch von E aufgrund eines Pfandrechts erhalten. c) E ist Eigentümer eines Buches, das er dem M vermietet hat. M verleiht es an L 1, der es unbefugt an L2 weiterverleiht. M verlangt Herausgabe. L2 hat gegenüber M kein Recht zum Besitz. Er ist lediglich gegenüber L1 relativ-obligatorisch zum Besitz berechtigt. d) E ist Eigentümer eines Buches, das ihm vom Dieb D gestohlen wird. D vermietet es wirksam an M und verlangt Herausgabe, ohne daß er gekündigt hätte. M hat gegenüber E kein Besitzrecht. Gegenüber D ist er hingegen relativobligatorisch zum Besitz berechtigt. Diese Fälle zeigen folgendes: Den Fällen a) ist gemeinsam, daß der Kläger/Beklagte gegenüber der anderen Partei weder dinglich-absolut noch relativ-obligatorisch zum Besitz berechtigt ist, ihm dagegen ein relativ-obligatorisches Besitzrecht gegenüber dem Eigentümer zusteht. In den Fällen b) wirkt das Pfandrecht des Klägers/Beklagten als dinglich-absolutes Besitzrecht auch gegenüber der anderen Partei. In den Fällen c) hat der Kläger/Beklagte weder gegenüber der anderen Partei noch gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz. Es steht ihm lediglich gegenüber einem außenstehenden Dritten, der Nichteigentümer ist, ein relativ-obligatorisches Besitzrecht zu. In den Fällen d) ist der Kläger/Beklagte gegenüber der anderen Partei relativ-obligatorisch zum Besitz berechtigt. Gemeinsam ist allen diesen Fällen a)-d), daß der jeweils zu untersuchenden Partei immer ein Recht zum Besitz zusteht, das aber jeweils eine andere Rechtsnatur hat bzw. sich gegen eine andere Person richtet.
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Bringt man diese Feststellung in Zusammenhang mit dem Gutglaubensbegriff, so wäre es an sich konsequent, die Frage nach dem guten Glauben nicht zu stellen. Dies würde bedeuten, daß der Kläger/Beklagte in allen Fällen im Sinn der Besitzrechtsklage relativ-dinglich zum Besitz berechtigt wäre, und zwar unabhängig von seinem guten oder bösen Glauben. In den Fällen c) ist dieses Ergebnis unbefriedigend, da das Besitzrecht von Kläger/Beklagtem als relativ-obligatorisches nur gegenüber einem unbeteiligten Dritten wirkt, nicht aber gegenüber der anderen Partei oder gegenüber dem Eigentümer. Muß die andere Partei ein solches Recht gegen sich gelten lassen? Der Wortlaut der Vorschriften über die Besitzrechtsklage gibt hierüber keine Antwort. Es muß also der Sinn und Zweck der Vorschriften über die Besitzrechtsklage zu Rate gezogen werden. Es ist auf die Grunderwägungen zurückzugehen, die zur Schaffung der Figur "relativ-dingliches Besitzrecht" geführt haben. Der Leitgedanke hierfür war der Relativschutz. Die Besitzrechtsklage soll entscheiden, welche der beiden Parteien nur im Verhältnis zur anderen Partei den Besitz zugesprochen bekommt. Wer im Rechtsstreit obsiegt, ist gegenüber der anderen Partei relativ-dinglich berechtigt, wer verliert, ist relativ-dinglich nichtberechtigt. Mit dem relativdinglichen Besitzrecht soll dieser Relativschutz herbeigeführt werden. Nur die Besitzlage zwischen den Parteien ist zu regeln. Aufgrund welcher weiterer .Überlegungen dieser Relativschutz herbeigeführt und die Besitzlage relativ geregelt werden soll, kann den Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften über die Besitzrechtsklage entnommen werden. In ihnen finden sich Erwägungen darüber, welcher der streitenden Parteien im Verhältnis zur anderen der Besitz eher zuzusprechen ist. Der Relativschutz bedeutet nämlich, daß die eine Partei gegenüber der anderen "besser" bzw. "schlechter" zum Besitz berechtigt ist, daß sie aufgrundbesserer Gründe eher zum Behalten der Sache befugt ist als die andere. Diejenige Partei, die die stärkeren Gründe für sich hat, erhält das relativ-dingliche Besitzrecht zugesprochen. Insoweit kann auch eine Wahrscheinlichkeitsüberlegung mitspielen, ob die betreffende Partei letztlich nach den sonstigen Besitzrechten zum Besitz befugt ist. Das ändert aber nichts daran, daß das relativdingliche Besitzrecht der Besitzrechtsklage scharf von den sonstigen Besitzrechten zu unterscheiden ist und grundsätzlich unabhängig von diesen zugesprochen wird. Diese besseren Gründe für das Behaltendürfen sind nun anhand der Tatbestandsvoraussetzungen im einzelnen zu besprechen: Wenn Kläger/Beklagter Eigentümer der Sache ist, so steht ihm das stärkste Besitzrecht an einer Sache zu, das die Rechtsordnung überhaupt
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kennt. Deshalb erscheint er gegenüber der anderen Partei als derjenige, der sich auf einen starken Grund für das Behaltendürfen stützen kann. Vorbehaltlich der Möglichkeit, daß sich die andere Partei doch noch auf ein noch stärkeres Recht berufen kann, erscheint er bereits jetzt schon schutzfähig. Er ist vom Gesetz in die Reihe der Aktiv- bzw. Passivlegitimierten aufgenommen worden, weil aufgrund seines Besitzrechts "Eigentum" die Möglichkeit seines weiteren Besitzrechts "relativ-dingliches Recht" schlüssig dargetan ist. Das sagt aber noch nicht, daß ihm letztlich auch das relativ-dingliche Besitzrecht zusteht. Seine bisherige Rechtsposition ist aber so beschaffen, daß ihm möglicherweise im Rechtsstreit das relativ-dingliche Besitzrecht wegen dieser starken Position zugesprochen wird. Es handelt sich lediglich um eine Vorauswahl. Das gleiche gilt, wenn Kläger/Beklagter ein beschränktdingliches Besitzrecht hat. Auch dann ist seine Position so beschaffen, daß seine relativ-dingliche Berechtigung in Betracht kommt. Um Mißverständnissen vorzubeugen, soll an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen werden, daß der Besitzrechtsstreit nicht allein aufgrund des Eigentums oder des beschränkt-dinglichen Rechts entschieden wird, sondern aufgrund des relativ-dinglichen Rechts. Eigentum und beschränkt dingliches Recht können im Rahmen der Besitzrechtsklage lediglich zu einem relativ-dinglichen Recht führen. Wenn Kläger/Beklagtem wie in den Fällen a) lediglich gegenüber dem Eigentümer ein relativ-obligatorisches Besitzrecht zusteht, ohne sich sonst auf ein anderes Recht berufen zu können, so hat er ebenfalls einen starken Grund für das Behaltendürfen für sich. Das relativ-obligatorische Besitzrecht nützt ihm zwar nur gegenüber dem Eigentümer etwas, nicht aber gegenüber der anderen Partei. Man könnte daher meinen, er dürfe dieses relativ-obligatorische Besitzrecht nicht gegenüber dem anderen ins Feld führen. Zu bedenken ist aber, daß dieses relative Recht vom stärksten aller Besitzrechte abgeleitet ist und gegenüber dem stärksten Berechtigten gilt. Dies hat ein derart starkes Gewicht, daß es angebracht ist, auch den lediglich relativ-obligatorisch gegenüber dem Eigentümer Berechtigten als Anwärter für das relativ-dingliche Besitzrecht anzusehen. Jetzt läßt sich auch das Problem der Fälle c) lösen. Kläger/Beklagter hat hier nur ein relativ-obligatorisches Besitzrecht gegenüber einem außenstehenden Dritten, ist aber weder gegenüber dem Eigentümer noch gegenüber der anderen Partei sonst zum Besitz berechtigt. Seine Position erscheint sehr schwach, da er sich wegen der Relativität seines Besitzrechts gegenüber dem Dritten allein behaupten kann, während Eigentümer oder Gegenpartei sich nicht auf dieses relative Recht verweisen lassen müssen. Ihnen gegenüber ist es wirkungslos. Daher er-
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scheint schon jetzt die Position von Kläger/Beklagtem als so schwach, daß er allein aufgrundseines relativen Rechts gegen den Dritten für den Schutz des relativ-dinglichen Rechts der Besitzrechtsklage nicht in Betracht kommt. Obwohl er tatsächlich ein Recht zum Besitz aufweisen kann, ist er im Sinn der Vorschriften über die Besitzrechtsklage als Unberechtigter anzusehen. Das relativ-dingliche Besitzrecht der Besitzrechtsklage kommt für ihn nur noch dann infrage, wenn er sich auf weitere Gründe berufen kann, die eine Bevorzugung gegenüber der anderen Partei als möglich erscheinen lassen. Ein solcher weiterer Grund kann seine Gutgläubigkeit sein. Hier beginnt also der Anwendungsbereich des Gutglaubensbegriffs im Sinn der Vorschriften über die Besitzrechtsklage. Für diesen Gutglaubensbegriff ist Kläger/Beklagter nicht berechtigt, obwohl ihm ein relativ-obligatorisches Besitzrecht zusteht. Gesetzgeberisch bestehen gegen eine solche Verwendung des Gutglaubensbegriffs keine Bedenken, da er jeweils verschiedenen Zwecken zu dienen hat, je nach dem Sinn der Vorschrift. Wenn Kläger/Beklagter gegenüber der anderen Partei bereits ein eigenes Besitzrecht hat, dann ist die Möglichkeit seiner relativ-dinglichen Berechtigung erst recht gegeben. Es gibt lediglich einen Ausnahmefall, in dem die Vorschriften über die Besitzrechtsklage einer Partei das relativ-dingliche Besitzrecht geben, obwohl keine Partei gegenüber der anderen strenggenommen als besser- oder schlechterberechtigt angesehen werden kann, da keiner der genannten starken Gründe für sie spricht. Es handelt sich hier um den Fall, daß beide Parteien nichtberechtigt und bösgläubig sind. In diesem Fall wird dennoch der Beklagte in seinem Besitz belassen, er wird gegenüber dem Kläger im Besitz geschützt, ihm wird das relativ-dingliche Besitzrecht gegenüber dem Kläger zugesprochen. Hier gilt der Satz: "In pari turpitudine melior est condicio possidentis." Zusammenfassend läßt sich die Besitzrechtsklage für das deutsche und das schweizerische Recht folgendermaßen formulieren: I. Wer eine bewegliche Sache in Besitz gehabt hat, kann vom jetzigen Besitzer Herausgabe verlangen, wenn dieser vom Nichtberechtigten bösgläubig erworben hatte oder zwar vom Berechtigten, aber unwirksam erworben hatte und hinsichtlich des Rechtsmangels zum Zeitpunkt seines Besitzerwerbs bösgläubig war. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der jetzige Besitzer nach seinem Besitzerwerb ein Recht zum Besitz gegenüber dem früheren Besitz erworben oder wenn der frühere Besitzer seinen unmittelbaren oder mittelbaren Besitz freiwillig aufgegeben hat. Eine solche Besitzaufgabe liegt nicht vor, wenn er freiwillig seinen unmittelbaren Besitz in einen mittelbaren verwandelt hat. 7a Hörer
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II. Ist dem früheren Besitzer die Sache abhanden gekommen, so kann er sie audl einem gutgläubigen jetzigen Besitzer abfordern. Für Geld oder Inhaberpapiere gilt auch im Fall des Abhandenkoromens Absatz I. Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der jetzige Besitzer gegenüber dem früheren Besitzer zum Besitz berechtigt ist oder wenn ihm die Sache vor der Besitzzeit des früheren Besitzers selbst abhanden gekommen war. III. Der frühere Besitzer kann niemals Herausgabe verlangen, wenn er die Sache vom NichtberedlUgten bösgläubig erworben hatte oder zwar vom Beredltigten, aber unwirksam erworben hatte und hinsichtlich des Rechtsmangels zum Zeitpunkt seines Besitzerwerbs bösgläubig war. Nach diesem Überblick über die einzelnen Tatbestandsmerkmale der Besitzrechtsklage ist es nun möglich, die Eigenschaften des von ihr geschaffenen relativ-dinglichen Besitzrechts noch genauer zu beschreiben: Es hat sich gezeigt, daß ein früherer Besitzer dann Herausgabe verlangen kann, wenn er entweder zum Besitz berechtigt ist oder ihm ein Besitzrecht zwar fehlt, er aber gutgläubig ist. Die Vorschriften über die Besitzrechtsklage geben in diesen Fällen dem Kläger das relativ-dingliche Besitzrecht. Der Beklagte hingegen braucht nicht herauszugeben, wenn er entweder ein Recht zum Besitz hat oder zwar unberechtigt, aber gutgläubig ist. Hier wird dem Beklagten im Verhältnis zum Kläger das relativdingliche Besitzrecht zugesprochen. Die Vorschriften über die Besitzrechtsklage schützen also immer denjenigen früheren oder jetzigen Besitzer, der entweder ein Recht zum Besitz hat oder aber nichtberechtigt, jedoch gutgläubig ist. Das relativdingliche Besitzrecht steht sowohl einem Berechtigten als auch einem Nichtberechtigten zu, wenn er gutgläubig ist. Die bisherige Untersuchung ging immer von dem Paradoxon aus, daß ein Nichtberechtigter nach den Vorschriften über die Besitzrechtsklage doch ein Recht zum Besitz hat. Dies war die Situation im Ausgangsfall Seite 15. Jetzt hat sich gezeigt, daß auch ein Berechtigter den Schutz der Vorschrüt über die Besitzrechtsklage genießt. Ein Berechtigter bekommt ein Recht zum Besitz. Ein dinglich-absolut oder obligatorisch-relativ zum Besitz Berechtigter ist weiter relativ-dinglich zum Besitz berechtigt. In einem solchen Fall kommt es also zu einer Häufung von Besitzrechten. Beispiel: E ist Eigentümer eines Fahrrads, das ihm vom Dieb D gestohlen wird. D verkauft das Rad an den Hehler H . . Wenn E Herausgabe verlangt, so kann er sich zunächst auf sein noch vorhandenes Eigentum stützen. Er erfüllt aber auch sämtliche Voraus-
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setzungen der Besitzrechtsklage, so daß er auch hiernach Herausgabe verlangen kann. E hat nicht nur das absolut-dingliche Eigentumsrecht, sondern darüber hinaus noch das relativ-dingliche Recht aus den Vorschriften über die Besitzrechtsklage. Das relativ-dingliche Recht aus der Besitzrechtsklage geht nicht etwa im Eigentumsrecht auf oder wird von diesem verdrängt. Es bleibt vielmehr neben dem Eigentum und den sonstigen Besitzrechten bestehen und tritt zu diesen hinzu. Die Existenz des relativ-dinglichen Rechts hängt allein von den Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschriften über die Besitzrechtsklage ab, und diese sind auch bei einem absolut-dinglich oder obligatorisch zum Besitz Berechtigten gegeben. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Besitzrechtsklage sind scharf von den Tatbestandsvoraussetzungen der übrigen Besitzrechte zu trennen. Eine solche Kumulierung von Besitzrechten findet sich auch anderswo in der Rechtsordnung. So ist zum Beispiel ein Pfandgläubiger dem Eigentümer gegenüber wegen seines Pfandrechts dinglich zum Besitz berechtigt, daneben aber auch obligatorisch aufgrund des dem Pfandrecht vorausgehenden schuldrechtlichen Sicherungsvertrags. Das Eigenartige bei der Besitzrechtsklage liegt gegenüber diesem Beispiel darin, daß mehrere dingliche Besitzrechte nebeneinander treten können. Aber selbst dies ist für die Rechtsordnung keine Besonderheit, man denke nur an die Figur der Eigentümergrundschuld, bei der das Eigentum am Grundstück und das Grundpfandrecht in einer Person zusammentreffen. In allen diesen Fällen läßt sich das relativ-dingliche Recht der Besitzrechtsklage mit einem Dach vergleichen, das die herkömmlichen Besitzrechte überspannt. Bemerkenswerterweise haben die herkömmlichen Besitzrechte im Rahmen der Besitzrechtsklage dann aber nur noch die Funktion bloßer Tatbestandsmerkmale, während sie sonst immer selbst Rechtsfolgen sind. Rechte werden hier zu Tatbestandsmerkmalen eines weiteren Rechts, des relativ-dinglichen Rechts der Besitzrechtsklage. Dies erklärt sich mit dem Ziel der Besitzrechtsklage, die Besitzlage nur zwischen den beiden streitenden Parteien zu regeln, ohne Rücksicht auf die Beziehungen der Parteien zu dritten Personen. In diesem Sinn läßt sich sagen, daß im Besitzrechtsstreit lediglich das Recht gesucht wird, das der einen gegenüber der anderen Partei zusteht, also das relativbessere Recht. In den Tatbestandsmerkmalen der Besitzrechtsklage haben sich die Erwägungen niedergeschlagen, die über die bessere oder schlechtere Berechtigung der einen Partei gegenüber der anderen entscheiden sollen. Ausgangspunkt dieser Erwägungen kann auch ein son7 Hörer
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stiges Besitzrecht einer Partei sein. Dies ändert aber nichts daran, daß nur die Besitzlage im Verhältnis der Parteien geordnet werden soll. Der Ausgangsfall auf Seite 15 kann dies noch weiter verdeutlichen. Dort haben weder der frühere Besitzer K 1 noch die jetzigen Besitzer K 2 oder D2 ein Recht zum Besitz. Dennoch aber ist im Besitzrechtsstreit der Besitz dem K 1 zuzusprechen. Im Verhältnis zu dem ebenfalls nichtberechtigten Beklagten erscheint er schutzwürdiger. Gegenüber dem bösgläubigen K 2 ist K 1 gutgläubig, bei der Klage gegen D 2 liegt Abhandenkommen vor. Ausgangspunkt der Erwägungen, die hier zur Zubilligung des relativ-dinglichen Besitzrechts führen, sind die Gut- oder Bösgläubigkeit bzw. das Abhandenkommen. Dies führt zu der Billigkeitsentscheidung, der einen nichtberechtigten Partei gegenüber der andereE nichtberechtigten Partei den Besitz zuzusprechen. Hier lebt das Sprichwort auf: "Unter Blinden ist der Einäugige König." Daß die Rechtsordnung einen Streit zwischen zwei objektiv Nichtberechtigten schlichten muß, ist auch sonst keine Seltenheit. Es ist auf die Besitzschutzklagen hinzuweisen, die bewußt unabhängig von der materiellen Besitzrechtslage die Besitzverhältnisse regeln sowie vor allem auf § 817 BGB, der ausdrücklich den Bereicherungsausgleich bei ungesetzlichem Handeln betrifft. Ähnliches findet sich auch im Bereich des Strafrechts. Man denke etwa an die Strafbarkeit des Diebes, der einen Dieb bestiehlt.
Zusammenfassung Die Vorschriften über die Besitzrechtsklage geben einem Berechtigten und einem Nichtberechtigten, aber Gutgläubigen ein Besitzrecht. Dieses Besitzrecht ist von den herkömmlichen, absolut-dinglichen oder obligatorischen Besitzrechten zu unterscheiden. Es ist ein relativ-dingliches Besitzrecht. Es ist dinglich, weil es dem Berechtigten ein unmittelbares Herrschaftsrecht gibt. Es ist relativ, weil es die Besitzverhältnisse nur zwischen den streitenden Parteien regelt, ohne Rücksicht auf die Beziehungen der Parteien zu außenstehenden Dritten. Das relativdingliche Recht kann auch einem im herkömmlichen Sinn Nichtberechtigten zustehen, wenn er gegenüber dem anderen als besserberechtigt erscheint. Hier gilt der Satz: "Unter Blinden ist der Einäugige König." Das relativ-dingliche Recht kann einer Partei aber auch dann zustehen, wenn sie schon ein herkömmliches Besitzrecht hat. Im Rahmen der Besitzrechtsklage sind die herkömmlichen Besitzrechte dann Tatbestandsmerkmale, das relativ-dingliche Recht ist die Rechtsfolge. Es überspannt wie ein Dach die herkömmlichen Besitzrechte. Auch in diesem Fall aber wird im Besitzrechtsstreit nur darüber entschieden, ob die eine Partei gegenüber der anderen relativ besser berechtigt ist.
Fünfter Abschnitt
Bemerkungen zur Praktikabilität der Besitzrechtsklage Die Praktikabilität der Besitzrechtsklage beurteilt sich nach ihren Beweisschwierigkeiten. Dabei bedarf es vor allem des Vergleichs zur Beweislage bei der rei vindicatio. Vorweg ist zu sagen, daß nur die rei vindicatio, nicht aber die Besitzrechtsklage zur Anwendung kommt, wenn der Eigentümer nie Besitzer war. Zu denken ist hier an§ 926 BGB oder§ 931 BGB. Beispiel: V ist Eigentümer eines Grundstücks nebst Zubehör. Er verkauft es an K und läßt es ihm auf. Die Eintragung im Grundbuch erfolgt. Bei der Auflassung waren sich beide darüber einig, daß auch das Zubehör mit veräußert werden sollte. K hat noch nicht Besitz von Zubehör und Grundstück ergriffen. Zum Zubehör gehört ein Traktor, den der Dieb D nach der Veräußerung stiehlt. K kann nur über die rei vindicatio Herausgabe verlangen. Er ist zwar bereits Eigentümer des Traktors, war aber noch nicht Besitzer. Umgekehrt kommt nur die Besitzrechtsklage, nicht aber die rei vindicatio in Betracht, wenn es um die Verfolgung obligatorischer Besitzrechte geht. Beispiel: Eist Eigentümer eines Autos, das er an M vermietet. Dem M wird das Auto vom D gestohlen. M ist dies sehr peinlich. Da E nichts erfahren soll, möchte er selbst den Wagen von D herausverlangen. M kann sich auf die Besitzrechtsklage, nicht aber auf die rei vindicatio stützen. Die Frage, welche der beiden Klagearten praktikabler ist, kann sich also nur stellen, wenn der Eigentümer zugleich früherer Besitzer war. Es sind dabei die Beweisprobleme beider Klagen zu untersuchen. I. Die Sache ist nicht abhanden gekommen Die Besitzrechtsklage beurteilt sich nach § 1007 Abs.1 BGB bzw. Art. 936 ZGB. Der Kläger hat zunächst seinen früheren Besitz zu beweisen, außerdem den jetzigen Besitz des Beklagten und dessen Bösgläubigkeit beim Erwerb. Die Bösgläubigkeit beweist er, indem er entweder dartut, daß
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Praktikabilität
der Beklagte vom Nichtberechtigten erworben hat und die Nichtberechtigung des Veräußerers kannte bzw. kennen mußte oder aber indem er dartut, daß der Beklagte mit dem Besitzerwerb kein Recht zum Besitz erlangt hat und außerdem dies kennt bzw. kennen muß. Der Beklagte kann demgegenüber einwenden, daß er nach seinem Besitzerwerb doch zum Besitz berechtigt wurde oder daß der Kläger seinerseits beim Besitzerwerb bösgläubig war, d. h. entweder seinerseits vom Nichtberechtigten und mit Kenntnis oder Kennenmüssen erworben hatte, oder zwar vom Berechtigten aber rechtsunwirksam erworben hatte und beim Besitzerwerb diesen Rechtsmangel kannte bzw. kennen mußte. Demgegenüber kann der Kläger replizieren, er habe nach seinem Besitzerwerb doch ein Recht zum Besitz erlangt. Bei der rei vindicatio greifen sowohl nach deutschem als auch nach schweizerischem Recht die an den Besitz geknüpften Rechtsvermutungen ein. Der Kläger hat zunächst sein Eigentum zu beweisen. Dies gelingt ihm, wenn er seinen früheren Besitz beweist. Dann greift zu seinen Gunsten die an seinen früheren Besitz geknüpfte Rechtsvermutung ein, so daß er für die Dauer seiner früheren Besitzzeit als Eigentümer vermutet wird. Er muß außerdem den jetzigen Besitz des Beklagten beweisen. Mit diesem Besitz des Beklagten ist die Rechtsvermutung verbunden, daß der Beklagte jetziger Eigentümer sei. Bei der rei vindicatio muß der Kläger aber jetziger Eigentümer sein. Der Kläger muß also die Vermutung zugunsten des Beklagten zerstören. Dann greift die weitere Vermutung für ihn ein, wonach sein früheres Eigentum als heute noch fortbestehend gilt. Die Rechtsvermutung zugunsten des Beklagten wird dadurch widerlegt, daß der Kläger das Fehlen eines Eigentumsrechts beim Beklagten beweist. Dazu ist erforderlich, daß der Kläger die Vorgänge ans Licht bringt, die zum Besitzerwerb des Beklagten geführt haben. Dabei muß er nachweisen, daß mit dem Besitzerwerb ein Rechtserwerb nicht verbunden war. Dies geschieht dadurch, daß der Kläger zum Beispiel beweist, daß der Beklagte von einem Nichtberechtigten und mit Kenntnis bzw. Kennenmüssen dieser Nichtberechtigung erworben hat, oder indem er dartut, daß der Rechtserwerb sonst fehlerhaft war, zum Beispiel wegen Geisteskrankheit des Veräußerers. Der Beklagte kann einwenden, daß er entweder nach § 986 BGB zum Besitz berechtigt sei, er kann aber auch den Nachweis führen, daß die für den Kläger sprechende Rechtsvermutung zu Unrecht besteht. Er
Praktikabilität
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kann also beweisen, daß der Kläger nicht Eigentümer ist. Er muß zu diesem Zweck dartun, daß mit dem Besitzerwerb des Klägers kein Rechtserwerb verbunden war. Dies kann dazu führen, daß der Beklagte das Eigentum eines Dritten nachweist: exceptio de iure tertii. Der Kläger kann wieder replizieren, daß er unabhängig von seinem Besitzerwerb doch Eigentümer geworden sei. Der Vergleich ergibt, daß bei der rei vindicatio der Kläger sich auf die Rechtsvermutungen stützen kann und lediglich das Nichteigentum des Beklagten nachzuweisen hat. Bei der Besitzrechtsklage würde der Beweis der fehlenden Berechtigung des Beklagten nicht genügen, der Kläger müßte darüber hinaus noch Bösgläubigkeit des Beklagten nachweisen. Insoweit ist die Besitzrechtsklage sehr viel schwieriger, da der Beweis der subjektiven Tatsache "Bösgläubigkeit" meistens unmöglich ist. Andererseits kann bei der rei vindicatio der Beklagte schon von vornherein das Fehlen des klägerischen Eigentums beweisen und sich sogar auf das Eigentum eines Dritten berufen. Bei der Besitzrechtsklage würde dem Beklagten dieser Nachweis nichts nützen. Insoweit ist die rei vindicatio gegenüber der Besitzrechtsklage für den Kläger ungünstiger. Beispiel: E ist Eigentümer eines Fahrrads, das er dem K 1 verkauft und übergibt. Kaufvertrag und Übereignung sind wegen Dissenses nichtig. E verkauft deshalb das Rad nach§ 931 an K 2 • Für die rei vindicatio gilt: Der K 1 wird als Eigentümer vermutet, der E muß diese Vermutung zerstören, indem er den Dissens nachweist. Dann gilt die an seinen früheren Besitz geknüpfte Eigentumsvermutung auch für den jetzigen Zeitpunkt. K 1 kann sich nun damit verteidigen, daß er die Rechtsvermutung zugunsten des E zerstört, indem er die Veräußerung an K 2 nachweist. Bei der Besitzrechtsklage würde dem E der Nachweis des Dissenses allein nichts nützen, er müßte vielmehr noch dazu beweisen, daß der K 1 den Dissens gekannt hat bzw. kennen mußte. Andererseits nützt dem K 1 nicht, wenn er beweist, daß der E den K 2 zum Eigentümer gemacht hat. Er könnte sich aber darauf berufen, der E habe seinen früheren Besitz freiwillig aufgegeben. II. Die Sache ist abhanden gekommen Die Besitzrechtsklage beurteilt sich nach § 1007 Abs. 2 BGB bzw. Art. 934 ZGB.
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Praktikabilität
Der Kläger hat seinen früheren Besitz und das Abhandenkommen zu beweisen. Der Beklagte kann ein Recht zum Besitz dartun oder beweisen, daß ihm die Sache vor der früheren Besitzzeit des Klägers abhanden gekommen war. Er kann aber auch nachweisen, daß der Kläger entweder vom Nichtberechtigten bösgläubig erworben hatte oder sonst rechtsfehlerhaft, aber mit Kenntnis bzw. Kennenmüssen des Mangels. Der Kläger kann replizieren, daß er nachträglich ein Recht zum Besitz erworben habe. Bei der rei vindicatio greifen auch hier wieder die Rechtsvermutungen ein. Der Kläger muß seinen früheren Besitz beweisen, dann gilt er für die Dauer seines früheren Besitzes als Eigentümer. Zugunsten des Beklagten gilt zunächst die Vermutung seines Eigentums. Im deutschen Recht wird diese Vermutung entkräftet, wenn der Kläger Abhandenkommen nachweist. Im schweizerischen Recht wird diese Vermutung nicht entkräftet, sondern lediglich zerstört, was aber im Ergebnis ohne Unterschied ist. Mit dem Nachweis des Abhandenkoromens gilt das Eigentum des Klägers als fortbestehend. Der Beklagte kann wiederum nachweisen, daß er ein Recht zum Besitz hat, er kann aber auch die Rechtsvermutung zugunsten des Klägers zerstören, indem er z. B. nachweist, daß ein Dritter Eigentümer ist oder indem er nachweist, daß ihm selbst die Sache vor der früheren Besitzzeit des Klägers abhanden gekommen war. Dann wird die Rechtsvermutung zugunsten des Klägers hinfällig und sie lebt beim Beklagten wieder auf. Der Vergleich zeigt, daß sich hinsichtlich dessen, was der Kläger zu beweisen hat, bei Abhandenkommen kein Unterschied zwischen Besitzrechtsklage und rei vindicatio ergibt. Lediglich für den Beklagten ist auch in diesem Fall die rei vindicatio günstiger. Er kann nämlich direkt das Fehlen des klägerischen Eigentums nachweisen, während ihm dieser Beweis bei der Besitzrechtsklage nichts nützt. Anhand der bisherigen Untersuchungen kann nun der Frage nachgegangen werden, warum im schweizerischen Recht anders als in Deutschland die Besitzrechtsklage der rei vindicatio vorgezogen wird. Dabei ist schon vorweg zu bemerken, daß dies vorwiegend ein theoretisches Problem ist. Rein statistisch sind in der Praxis sachenrechtliche Herausgabeklagen äußerst selten. Außerdem gibt es keinen Kläger, der sein Herausgabeverlangen lediglich auf eine bestimmte Vorschrift stützt. Er strebt ein Ergebnis an, die Herausgabe. Auf welche Weise er sein Ziel erreicht, ist ihm gleichgültig: iura novit curia. Ferner gilt der prozessuale Streitgegenstandsbegriff, wonach der Kläger nur sein pro-
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Praktikabilität Vbersicht über die Vor- und Nachteile von rei vindicatio und Besitzrechtsklage:
rei vindicatio mcht abhanden gekommen: KI.
muß
,bew.
+
fr. Besitz Nichteigt. d. Bekl.
abhanden gekommen:
fr. Besitz
+ Abhandenkommen
Bekl. tbew.
eig. Recht z. Bes. oder Nichteigt. d. Kl.
Besitzrechtskl. fr. Besitz
+ Nichtber. d. Bekl. + Bösgläubigkeit fr. Besitz
+ Abhandenkommen eig. Recht z. Bes. oder Nichtber. d. Kl. + Bösgl. d. Kl. Zusätzlich bei Nichtabhandenk.: Besitzaufgabe
zessuales Herausgabebegehren zum Streitgegenstand macht, nicht aber die einzelne Anspruchsgrundlage. Im übrigen besteht Anspruchskonkurrenz, mehrere Anspruchsgrundlagen können also nebeneinander eingrellen. In der Praxis ist es kaum denkbar, daß jemand einen Herausgabeprozeß anstrengt, ohne daß er sich für besitzberechtigt im herkömmlichen Sinn hält. Dies schon im Hinblick auf das Kostenrisiko. Wer weiß, daß er eine Sache letztlich doch einem anderen herausgeben muß, wird an einem Prozeß kein Interesse haben, der ihm nur im Verhältnis zu einem anderen ein relatives Besitzrecht geben kann. In derartigen Fällen ist es für den Kläger näher liegend, sich auf ein starkes Besitzrecht zu berufen, als auf das schwache relativ-dingliche Recht der Besitzrechtsklage. Vor allem aber kann nicht genug betont werden, daß die an den Besitz geknüpften Rechtsvermutungen für die rei vindicatio eine ungeheure Beweiserleichterung darstellen. Wenn der Kläger sich auf seinen früheren Besitz beruft, macht er schon sein Eigentum geltend. Damit klagt er primär schon aus dem Eigentumsrecht, nicht nur aus der Besitzrechtsklage. Dies um so mehr, als es einer ausdrücklichen Rechtsbehauptung seitens des Klägers gar nicht bedarf, sondern für das Eingreifen der Vermutungen schon ausreichend ist, wenn sich aus dem gesamten Verhalten des Klägers stillschweigend eine Rechtsbehauptung ergibt. Zu einer Besitzrechtsklage könnte es in einem solchen Fall erst dann kommen, wenn der Beklagte die fehlende Berechtigung des Klägers nachweist. Dann
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Praktikabilität
könnte der Kläger versuchen, auf die Besitzrechtsklage auszuweichen, bei der sein Eigentum nicht Voraussetzung ist. Erst dann käme er auf den Gedanken, die für ihn schwieriger zu beweisenden Tatbestandsvoraussetzungen auf der Beklagtenseite in den Prozeß einzuführen. Soweit wird es aber in der Regel in der Praxis nicht kommen. Meistens wird derjenige Kläger, der die Voraussetzungen der rei vindicatio nicht erfüllt, auch nicht die Voraussetzungen der Besitzrechtsklage erfüllen. Häufig wird bei einem solchen Kläger Bösgläubigkeit ins Spiel kommen. Es ist also festzustellen, daß die an den Besitz geknüpften Rechtsvermutungen in der Praxis für die Besitzrechtsklage kaum mehr Raum lassen. In dem einzigen Fall, wo die Besitzrechtsklage eigenständige Bedeutung hat, wenn es sich nämlich um die Verfolgung bloß obligatorischer Besitzrechte dreht, wird sie in der Praxis doch nicht verwendet. Abgesehen davon, daß Gerichtsentscheidungen hierüber nicht vorhanden sind,- die Entscheidung BGHZ 7, 215 kann außer Betracht bleiben, da sie einen atypischen Fall betrifft - hat ein lediglich obligatorisch Besitzberechtigter kaum Interesse an einem eigenen Herausgabeanspruch. Schon die obligatorischen Besitzrechte an beweglichen Sachen sind höchst selten. Sollte z. B. einem Mieter einer beweglichen Sache diese gestohlen werden, so wird in der Regel sein wirtschaftliches Interesse an der Sache so gering sein, daß er kaum die Mühen eines Herausgabeprozesses auf sich nimmt. Dies wird er lieber dem Eigentümer überlassen. Meistens ist der Besitzverlust auf Nachlässigkeit des Mieters zurückzuführen, was den Eigentümer zur Kündigung des Mietverhältnisses veranlassen wird. Danach wird der Mieter überhaupt kein Interesse mehr an einer Herausgabe haben. Der Eigentümer wird darauf Wert legen, Herausgabe an sich selbst zu verlangen. Irgend welche Schritte des Mieters würde er nur als störend empfinden. Wenn angesichts dieser Situation in der Praxis die herrschende Meinung in der Schweiz die Besitzrechtsklage für die bevorzugte Klageart hält, so sind die Gründe für dieses Urteil unerfindlich. In der Schweiz wird die Besitzrechtsklage allerhöchstens theoretisch bevorzugt. Dies liegt daran, daß äußerlich im Gesetzesaufbau der Besitzrechtsklage der dominierende Platz gegenüber der lediglich versteckt aufzufindenden rei vindicatio eingeräumt ist. Die Nebenansprüche auf Nutzungsersatz, Schadensersatz, Verwendungsersatz sind nicht im Zusammenhang mit der rei vindicatio geregelt, sondern bei der Besitzrechtsklage. Ferner hat in der Schweiz die Besitzrechtsklage zugleich die Aufgabe, den Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten mit zu regeln. Weiterhin ist im schweizerischen Recht der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen kausal und nicht abstrakt geregelt. Bei Fehlen bzw. Nichtigkeit des Grundgeschäfts scheitert also der Eigentumserwerb. Das
Praktikabilität
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heißt, daß ein Erwerber im schweizerischen Recht sich zur Wiedererlangung einer verlorenen Sache lediglich auf früheren Besitz stützen kann. Warum aber die Besitzrechtsklage diese theoretische Bevorzugung erhalten hat, muß ungeklärt bleiben. Eugen Huber, bei dem man eine Erklärung hierfür vermuten könnte, schweigt sich zu diesem Problem aus. Auch aus dem Zusammenhang seiner Darlegungen läßt sich nichts entnehmen, da sich der Verdacht aufdrängt, daß er die Besitzrechtsklage ohnehin falsch eingeschätzt hat. Dies folgt daraus, daß er die Besitzrechtsklage in engen Zusammenhang mit den Rechtsvermutungen bringt, die doch erst bei der rei vindicatio von Bedeutung sind, und daraus, daß er die Besitzrechtsklage als redaktionelle Überarbeitung der Vorschriften des alten OR ansieht und dabei das Kernproblem der neuen Vorschriften nicht erkennt, nämlich den Klageausschluß für den bösgläubigen früheren Besitzer. Gegenüber dem schweizerischen Recht führt im BGB die Besitzrechtsklage schon von ihrer Stellung im Gesetz her ein Schattendasein. Der Schwerpunkt liegt auf der rei vindicatio, bei der auch die Nebenansprüche behandelt sind. Wenn allerdings verschiedene Autoren sagen, die mangelnde Bevorzugung des§ 1007 BGB beruhe auf dessen undeutlicher Formulierung215 , so geht diese Auffassung fehl. Es ist nicht der Wortlaut, der den Sinn der Vorschrift verdunkelt, sondern das mangelnde Verständnis des der Vorschrift zugrundeliegenden Gedankens. Hat man einmal das relativdingliche Besitzrecht in allen seinen Auswirkungen erfaßt, so muß man sagen, daß der Wortlaut des § 1007 sogar sehr klar gefaßt ist und alle Tatbestandsvoraussetzungen sehr exakt darstellt. Es ist nur erforderlich, das relativ-dingliche Besitzrecht richtig zu verstehen und in scharfen Gegensatz zu den absolut-dinglichen und den obligatorischen Besitzrechten zu bringen. Zusammenfassung Es gibt Fälle, in denen entweder rei vindicatio oder nur Besitzrechtsklage allein zur Anwendung kommen. In anderen Fällen sind beide Klagearten nebeneinander denkbar. Was die Beweisprobleme betrifft, so haben beide Klagearten Vor- und Nachteile. Keineswegs ist die Besitzrechtsklage beweismäßig immer günstiger. Weshalb die Besitzrechtsklage in der Schweiz angeblich bevorzugt wird, läßt sich nicht mit ihren Beweisvorteilen begründen. Außerdem läßt sich statistisch eine Bevorzugung gar nicht feststellen. Vom System des ZGB her wird in der Schweiz die Besitzrechtsklage allerdings bevorzugt, ohne daß sich dieses begründen läßt. 21s Vgl. Heck, a. a. 0 ., S. 131.
Sechster Abschnitt
Rechtspolitischer Ausblick Es empfiehlt sich nicht, die Besitzrechtsklage abzuschaffen. Sie hat gegenüber der rei vindicatio Vor- und Nachteile. Allein sie gibt einem lediglich obligatorisch Berechtigten einen Herausgabeanspruch. Wenn auch bisher obligatorische Besitzrechte an beweglichen Sachen kaum vorkamen, läßt sich die weitere Entwicklung nicht absehen. In letzter Zeit mehren sich obligatorische Besitzrechte an beweglichen Sachen durch das neugeschaffene Rechtsinstitut "Leasing". Man denke an die Autovermietung an Selbstfahrer, die Vermietung von elektronischen Rechenanlagen, die Vermietung von Fernsehgeräten und von Büromaschinen. Es ist zu erwarten, daß sich diese Entwicklung fortsetzt. Bei der anhaltenden fortschreitenden Technisierung ist es im Wirtschaftsleben oft unumgänglich, mit den neuesten Errungenschaften der Technik Schritt zu halten. Ein Erwerb zu Eigentum ist hier oft unrentabel. Den hohen Investitionskosten entspricht nicht die häufig sehr kurze Nutzungsdauer. Das Leasing kann in solchen Fällen für einen Unternehmer vorteilhafter sein. Es ist also möglich, daß im Laufe der Zeit die Besitzrechtsklage auch in der Praxis häufiger Anwendung finden wird. Auch die der Besitzrechtsklage zugrundeliegenden Wertungen sind nicht zu beanstanden. Ob nach den Vorschriften über die Besitzrechtsklage ein relativ-dingliches Besitzrecht gegeben wird, hängt vom guten oder bösen Glauben einer Partei oder vom Abhandenkommen ab. Diese Gesichtspunkte sind nicht allein im Rahmen der Besitzrechtsklage maßgebend, sondern auch anderswo in der Rechtsordnung, nämlich beim Eigentumserwerb vom Nichtberechtigten. Diese Kriterien auf ihre innere Berechtigung zu untersuchen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Ihr Ziel war es, die dogmatische Grundlage der Vorschriften über die Besitzrechtsklage herauszufinden, das relativ-dingliche Recht zum Besitz.
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