Die gesamtschuldnerische Haftung des Kronzeugen: Eine Studie zum Private Enforcement nach europäischem und deutschem Kartellrecht. Dissertationsschrift 9783161564505, 9783161564512, 3161564502

Das kartellrechtliche Private Enforcement hat durch die Schadensersatzrichtlinie, welche mit der 9. GWB-Novelle in das d

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German Pages 275 [298] Year 2019

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Titel
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einführung
A. Problemdarstellung
B. Gang der Untersuchung
1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement
A. Entwicklung neben dem Public Enforcement
B. Richtlinie 2014/104/EU
I. Entstehung der Richtlinie
II. Ziele der Richtlinie
III. 9. GWB-Novelle
IV. Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz
V. Richtlinienkonforme Auslegung
C. Bedeutung von Schadensersatzklagen
I. Wirksames Mittel des Private Enforcement
II. Spezieller kartellrechtlicher Anspruch
III. Kreis der Schadensersatzberechtigten
1. Betroffenheit vom Kartellverstoß
2. Direkte Geschäftspartner
3. Indirekte Geschäftspartner
a. Betroffenheit der weiteren Marktstufen
b. Vermutung der Schadensabwälzung
4. Vertragspartner von Kartellaußenseitern
2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen
A. Bedeutung für Kartellaufdeckung
B. Risiken der Kartellaufdeckung
I. Gewicht finanzieller Risiken
II. Belegung mit einem Bußgeld
1. „Klima der Unsicherheit“
2. Kronzeugenprogramm der EU-Kommission
3. Kronzeugenprogramm des Bundeskartellamts
4. Europäisches Netzwerk der Kartellbehörden (ECN)
III. Erhöhte Gefahr von Schadensersatzklagen
1. Kronzeugen als „Zielscheibe“ von Schadensersatzklagen
2. Frühe Bestandskraft des Bescheids
3. Bindungswirkung der behördlichen Entscheidung
4. Zugang zu Beweismitteln und Informationen
a. Interesse an Geheimhaltung
b. Akteneinsichtsrechte
c. Herausgabe- und Auskunftsanspruch gegen die Kartellanten
C. Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung
I. Gefahr sinkender Kronzeugenzahlen
II. Keine Möglichkeit strafrechtlicher Privilegien
III. Keine Schlechterstellung als Mitkartellanten
IV. Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Geschädigten
V. Zwischenergebnis
3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung
A. Geltung der gesamtschuldnerischen Haftung
B. Außenverhältnis (§ 33d Abs. 1 GWB)
C. Innenverhältnis (§ 33d Abs. 2 GWB)
I. Ablehnung eines Regressausschlusses
II. Ausgleichsansprüche
1. Beibehaltung des zweigliedrigen Regresssystems
2. Anspruch gemäß § 33d Abs. 2 S. 1 GWB
3. Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB i. V. m. § 33a Abs. 1 GWB
III. Bestimmung der Haftungsverteilung
1. Neuregelung in § 33d Abs. 2 GWB
2. Auslegung des § 33d Abs. 2 GWB
a. Heranziehung des Rechtsgedankens von § 254 BGB
b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
c. Maßstab der Haftungsverteilung
aa. Maß der Verursachung
bb. Grad des Verschuldens
cc. Calciumcarbid II-Entscheidung
(1) Anwendung bei innerkonzernlicher Bußgeldhaftung
(2) Wirtschaftlicher Erfolg
(3) Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit
(4) Wirtschaftliche Bedeutung
d. Anknüpfungspunkt der Haftungsverteilung
3. Defizite der gesetzlichen Regelung
a. Fehlende Praktikabilität und Rechtssicherheit
b. Gefahr divergierender Entscheidungen
c. Kein internationaler Entscheidungseinklang
aa. Bedeutung des anwendbaren Sachrechts
bb. Anwendbares Recht im Innenverhältnis
cc. Anwendbares Recht im Außenverhältnis
(1) Regelung des Art. 6 Abs. 3 Rom II-VO
(2) Art. 6 Abs. 3 lit. a Rom II-VO
(3) Art. 6 Abs. 3 lit. b Rom II-VO
(a) Klage gegen einen Kartellteilnehmer
(b) Klage gegen mehrere Kartellteilnehmer
4. Beschränkbarkeit auf einzelne Kriterien
5. Verteilungskriterien
a. Beispiele der Richtlinie
b. Umsatz
aa. Bedeutung im Kartellrecht
bb. Gesamtumsatz
cc. Kartellbefangener Umsatz
c. Marktanteile
aa. Bedeutung im Kartellrecht
bb. Bestimmbarkeit der Marktanteile
cc. Abbild der relativen Verantwortung
d. Rolle im Kartell
aa. Begriff
bb. Bestimmbarkeit der Rollenbilder
(1) Orientierung an § 830 BGB
(2) Täter
(3) Rädelsführer
(4) Anstifter
(5) Gehilfen, Mitläufer
cc. Dauer der Zuwiderhandlung
dd. Praktische Eignung
e. Kartellbedingter Mehrerlös
f. Bußgeldhöhe
g. Lieferbeziehungen
h. Liefer- und Bezugsanteile
6. Eigener Gesetzesvorschlag
7. Vertraglicher Verteilungsmaßstab
IV. Verjährung der Ausgleichsansprüche
1. Anspruch gemäß § 33d Abs. 2 GWB
2. Anspruch gemäß § 426 Abs. 2 BGB i. V. m. § 33a Abs. 1 GWB
4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen
A. Hintergrund der Neuregelung
B. Anwendungsbereich der Privilegierungen
I. Enger Kronzeugenbegriff
1. Abweichung vom bußgeldrechtlichen Kronzeugenbegriff
2. Vollständiger Erlass der Geldbuße
a. Geltung des Alles-oder-Nichts-Prinzips
b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
c. Kein Erlass im strengen Sinne
3. Beteiligung an einem Kartell
4. Teilnahme an einem Kronzeugenprogramm
5. Entscheidende Wettbewerbsbehörde
a. Hinführung zum Problem
b. Parallele Bußgeldverfahren
aa. Koordination der verschiedenen Behörden
bb. Rein nationale Kartelle
cc. Europäische Kartelle
(1) Multinationale Kartelle
(2) Bi- und trinationale Kartelle
dd. Ne bis in idem
c. Kein One-Stop-Shop für Kronzeugen
d. Maßgeblichkeit des Orts der Schadensentstehung
II. Vereinbarkeit mit Art. 20 GRCh
1. Ausschließliche Begünstigung des ersten Kronzeugen
2. Anwendbarkeit des Art. 20 GRCh
3. Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Kronzeugen
C. Haftung im Außenverhältnis
I. Entstehung der Regelung
II. Haftung gegenüber eigenen Abnehmern und Lieferanten
1. Mittelweg zwischen Haftung und Haftungsbefreiung
2. Beachtlichkeit von Vertragsbeziehungen im Deliktsrecht
a. Systemwidrigkeit der Beschränkung
b. Alternative Anknüpfung an Marktanteile
3. Bestimmung der Abnehmer- und Lieferkette
a. Unmittelbare Abnehmer und Lieferanten
aa. Anknüpfungspunkt der Vertragspartnereigenschaft
bb. Teleologische Reduktion
b. Mittelbare Abnehmer und Lieferanten
c. Rechtsnachfolge in die Stellung eines Abnehmers
aa. Differenzierung nach Art der Rechtsnachfolge
bb. Gesamtrechtsnachfolge
cc. Einzelrechtsnachfolge
(1) Differenzierung nach Art der Einzelrechtsnachfolge
(2) Vertragsübernahme
(3) Abtretung des Übereignungsanspruchs
(a) Bestimmung der Abnehmereigenschaft
(b) Gefahr des Missbrauchs (§ 242 BGB)
(4) Abtretung des Schadensersatzanspruchs
dd. Unternehmensübertragung
(1) Asset Deal
(2) Share Deal
4. Volle gesamtschuldnerische Haftung
III. Haftung gegenüber Abnehmern und Lieferanten der Mitkartellanten
1. Subsidiäre Außenhaftung
2. Voraussetzungen der Ausfallhaftung
a. Enge Auslegung
b. Vorliegen eines Ausfalls
aa. Mögliche Ausfallgründe
bb. Bloße Weigerung
cc. Insolvenz
dd. Erfolglose Zwangsvollstreckung
(1) Unzumutbarkeit weiterer Maßnahmen
(2) Erforderlichkeit eines eigenen Vollstreckungsversuchs
(3) Vollstreckung im außereuropäischen Ausland
ee. Schlechte oder defizitäre Finanzlage
ff. Vorliegen anderer Haftungsprivilegierungen
gg. Klageabweisung
(1) Wegen Verjährung
(2) Aufhebung der behördlichen Entscheidungen
(3) Aus anderen Gründen
hh. Zwischenergebnis
c. Kein vollständiger Ersatz
3. Darlegungs- und Beweislast
4. Verjährung der Ausfallhaftung
5. Ausschluss gemäß § 33e Abs. 2 GWB
a. Telos der Regelung
b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
c. Voraussetzungen
6. Praktische Bedeutung der Regelung
IV. Haftung für Preisschirmeffektschäden
V. Vereinbarkeit mit Art. 17 GRCh
1. Belastung der Geschädigten
2. Eingriff in die Eigentumsfreiheit
3. Anhörung der Geschädigten
4. Umgestaltung als Einrede der Vorausklage
D. Haftung im Innenverhältnis
I. Ergänzung der Außenhaftung
II. Haftung für Schäden eigener Abnehmer und Lieferanten
1. Regelung des § 33e Abs. 3 S. 1 GWB
2. Begriff der Verursachung
3. Keine zusätzliche Privilegierung analog § 254 Abs. 2 BGB
III. Haftung für Schäden der Abnehmer und Lieferanten 22
1. Umkehrschluss aus § 33e Abs. 3 S. 1 GWB
2. Problem der Regressbehinderung
3. Keine Innenhaftung des Kronzeugen
IV. Haftung für Preisschirmeffektschäden
1. Regelung des § 33e Abs. 3 S. 2 GWB
2. Unbeschränkte Innenhaftung
3. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
V. Auswirkungen auf die Haftung der Mitkartellanten
1. Regressansprüche des Kronzeugen
a. Differenzierung nach Art der Haftung
b. Schäden eigener Abnehmer und Lieferanten
c. Schäden fremder Abnehmer und Lieferanten
aa. Anwendbarkeit des § 33d Abs. 2 S. 1 GWB
bb. Höhe des Regressanspruchs
2. Ausgleich der Mitkartellanten untereinander
VI. Ausfallhaftung des Kronzeugen
5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten
A. Telos des § 33f GWB
B. Vorteile von Vergleichsschlüssen
C. Wirkungen eines Vergleichs
I. Erledigung des Rechtsstreits
II. Wirkungen auf die Außenhaftung
1. Praktische Bedeutung
2. Haftung des Vergleichschließenden
a. Haftung für den eigenen Anteil
b. Haftung für Anteile der Mitschädiger
c. Ausfallhaftung gemäß § 33f Abs. 1 S. 3 GWB
aa. Voraussetzungen der Ausfallhaftung
bb. Abdingbarkeit der Ausfallhaftung
3. Haftung der Mitschädiger
a. Haftung für eigene Anteile
b. Haftung für die Anteile des Vergleichschließenden
aa. Verteilung des Differenzbetrags
bb. Allgemeine Regelung des § 423 BGB
cc. Modifizierung durch § 33f Abs. 1 S. 2 GWB
dd. Bedeutung des Innenhaftungsanteils
c. Keine Ausfallhaftung
4. Dispositionsfreiheit der Parteien
a. Dispositivität von § 33f Abs. 1 GWB
b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
c. Grenzen der Privatautonomie
III. Wirkungen auf den Innenausgleich
1. Regelung des § 33f Abs. 2 GWB
2. Haftung des Vergleichschließenden
3. Haftung der Mitschädiger
D. Kronzeugen als Vergleichschließende
6. Kapitel: KMU als Kronzeugen
A. Verhältnis zur Kronzeugenprivilegierung
B. Privilegierung von KMU
I. Anwendungsbereich der Privilegierung
1. Detaillierte Vorgaben
2. Anforderungen an das Unternehmen
3. Ausschluss der Privilegierung
a. Regelung des § 33d Abs. 5 GWB
b. Kein Organisieren der Zuwiderhandlung
c. Kein Zwang anderer Unternehmen
d. Kein früherer Wettbewerbsverstoß
4. Zwischenergebnis
II. Haftung im Außenverhältnis
1. Regelung des § 33d Abs. 3 GWB
2. Beschränkte Außenhaftung
a. Parallele Ausgestaltung zur Kronzeugenprivilegierung
b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
3. Ausfallhaftung
a. Regelung des § 33d Abs. 3 S. 2 GWB
b. Voraussetzungen der Ausfallhaftung
c. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
III. Haftung im Innenverhältnis
1. Parallele Ausgestaltung zur Kronzeugenprivilegierung
2. Vereinbarkeit mit der Richtlinie
C. Anreizwirkung für Kronzeugenantrag
I. Keine Beeinträchtigung der Kronzeugenprivilegierung
II. Anreiz durch weitergehende Haftungsprivilegierungen
1. Anreiz bei der Außenhaftung
2. Anreiz bei der Innenhaftung
III. Anreiz durch Rechtssicherheit
7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit bei internationalen Kartellen
A. Problemstellung
B. Unionsweite Kartelle
I. Schadensersatzklagen
1. Anwendung der Brüssel Ia-VO
2. Allgemeiner Gerichtsstand
3. Besondere Gerichtsstände
a. Deliktsgerichtsstand
aa. Ort des schädigenden Ereignisses
bb. Handlungsort
cc. Erfolgsort
b. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft
c. Auswirkungen der Kronzeugenregelung
II. Regressklagen
C. Weltweite Kartelle
I. Schadensersatzklagen
1. Anwendung des autonomen deutschen Zivilprozessrechts
2. Besondere Gerichtsstände
a. Gerichtsstand der Niederlassung
b. Gerichtsstand des Vermögens
c. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung
3. Auswirkungen der Kronzeugenregelung
II. Regressklagen
Ergebnis
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
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Die gesamtschuldnerische Haftung des Kronzeugen: Eine Studie zum Private Enforcement nach europäischem und deutschem Kartellrecht. Dissertationsschrift
 9783161564505, 9783161564512, 3161564502

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Beiträge zum Kartellrecht herausgegeben von

Michael Kling und Stefan Thomas

1

Mareen Katt

Die gesamtschuldnerische Haftung des Kronzeugen Eine Studie zum Private Enforcement nach europäischem und deutschem Kartellrecht

Mohr Siebeck

Mareen Katt, geboren 1992; Studium der Rechtswissenschaften an der Universität zu Kiel; seit 2016 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht und Handelsrecht an der Universität zu Kiel; 2018 Promotion; seit 2018 Rechtsreferendarin im Bezirk des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts.

ISBN 978-3-16-156450-5 / eISBN 978-3-16-156451-2 DOI 10.1628/978-3-16-156451-2 ISSN 2626-773X / eISSN 2626-7748 (Beiträge zum Kartellrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzuläs­sig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung sowie die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times gesetzt und auf alterungsbeständiges Werk­druck­­papier gedruckt. Es wurde von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2017/18 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis einschließlich März 2018 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt zunächst meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Joachim Jickeli für die umfassende Betreuung dieser Arbeit sowie die schöne und lehrreiche Zeit an seinem Lehrstuhl. Herrn Prof. Dr. Haimo Schack, LL.M. (Berkeley) danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie für die interessanten Seminare und Exkursionen, an denen ich teilnehmen durfte. Danken möchte ich ferner Herrn Prof. Dr. Michael Kling und Herrn Prof. Dr. Stefan Thomas für die Aufnahme des Titels in die Reihe „Beiträge zum Kartellrecht“. Für den großzügigen Druckkostenzuschuss danke ich der Studienstiftung ius vivum. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei meinen Kollegen am Lehrstuhl, insbesondere bei Frau Lena-Marie Nath und Frau Jasmin Oschkinat. Für die wertvollen Hinweise und die kritische Durchsicht des Manuskripts danke ich Herrn Dr. Alexander Weinhold, Frau Susanne Hans und Frau Anne Gehrmann. Widmen möchte die Arbeit meinen Eltern, die mich stets uneingeschränkt und liebevoll unterstützt haben. Kiel, im August 2018

Mareen Katt

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement . . . . . . . 5 A. Entwicklung neben dem Public Enforcement . . . . . . . . . . . . 5 B. Richtlinie 2014/104/EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 C. Bedeutung von Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . 13

2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen . . 27 A. Bedeutung für Kartellaufdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Risiken der Kartellaufdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . 43

3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . 51 A. Geltung der gesamtschuldnerischen Haftung . . . . . . . . . . . . 51 B. Außenverhältnis (§  33d Abs.  1 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . 53 C. Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . 54

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen . . . . . . . . . . . 107 A. Hintergrund der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 B. Anwendungsbereich der Privilegierungen . . . . . . . . . . . . . 107 C. Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 D. Haftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170

VIII

Inhaltsverzeichnis

5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten . . . . . . . . . . . . . 189 A. Telos des §  33f GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 B. Vorteile von Vergleichsschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Wirkungen eines Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 D. Kronzeugen als Vergleichschließende . . . . . . . . . . . . . . . . 207

6. Kapitel: KMU als Kronzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 A. Verhältnis zur Kronzeugenprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Privilegierung von KMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 C. Anreizwirkung für Kronzeugenantrag . . . . . . . . . . . . . . . 225

7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit bei internationalen Kartellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 B. Unionsweite Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 C. Weltweite Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX

Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 A. Problemdarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement . . . . . . . 5 A. Entwicklung neben dem Public Enforcement . . . . . . . . . . . . 5 B. I. II. III. IV. V.

Richtlinie 2014/104/EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Entstehung der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Ziele der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 9. GWB-Novelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . 10 Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

C. I. II. III.

Bedeutung von Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . 13 Wirksames Mittel des Private Enforcement . . . . . . . . . . . . . 13 Spezieller kartellrechtlicher Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . 15 Kreis der Schadensersatzberechtigten . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1. Betroffenheit vom Kartellverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . 16 2. Direkte Geschäftspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3. Indirekte Geschäftspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 a. Betroffenheit der weiteren Marktstufen . . . . . . . . . . . . 19 b. Vermutung der Schadensabwälzung . . . . . . . . . . . . . 20 4. Vertragspartner von Kartellaußenseitern . . . . . . . . . . . . . 22

X

Inhaltsverzeichnis

2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen . . 27 A. Bedeutung für Kartellaufdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Risiken der Kartellaufdeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Gewicht finanzieller Risiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Belegung mit einem Bußgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. „Klima der Unsicherheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Kronzeugenprogramm der EU-Kommission . . . . . . . . . . . 30 3. Kronzeugenprogramm des Bundeskartellamts . . . . . . . . . . 32 4. Europäisches Netzwerk der Kartellbehörden (ECN) . . . . . . 34 III. Erhöhte Gefahr von Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . 35 1. Kronzeugen als „Zielscheibe“ von Schadensersatzklagen . . . . 35 2. Frühe Bestandskraft des Bescheids . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Bindungswirkung der behördlichen Entscheidung . . . . . . . . 37 4. Zugang zu Beweismitteln und Informationen . . . . . . . . . . 39 a. Interesse an Geheimhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b. Akteneinsichtsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c. Herausgabe- und Auskunftsanspruch gegen die Kartellanten 42 C. Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . 43 I. Gefahr sinkender Kronzeugenzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Keine Möglichkeit strafrechtlicher Privilegien . . . . . . . . . . . 45 III. Keine Schlechterstellung als Mitkartellanten . . . . . . . . . . . . 47 IV. Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Geschädigten . . . 48 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . 51 A. Geltung der gesamtschuldnerischen Haftung . . . . . . . . . . . . 51 B. Außenverhältnis (§  33d Abs.  1 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . 53 C. Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB) . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Ablehnung eines Regressausschlusses . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Beibehaltung des zweigliedrigen Regresssystems . . . . . . . . 55 2. Anspruch gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB . . . . . . . . . . . . 56 3. Anspruch gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB . 57 III. Bestimmung der Haftungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Neuregelung in §  33d Abs.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 58 2. Auslegung des §  33d Abs.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . 58 a. Heranziehung des Rechtsgedankens von §  254 BGB . . . . . 58

Inhaltsverzeichnis

XI

b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 60 c. Maßstab der Haftungsverteilung . . . . . . . . . . . . . . . 61 aa. Maß der Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 bb. Grad des Verschuldens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 cc. Calciumcarbid II-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . 63 (1) Anwendung bei innerkonzernlicher Bußgeldhaftung . 63 (2) Wirtschaftlicher Erfolg . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (3) Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . 65 (4) Wirtschaftliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . 66 d. Anknüpfungspunkt der Haftungsverteilung . . . . . . . . . . 66 3. Defizite der gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . 67 a. Fehlende Praktikabilität und Rechtssicherheit . . . . . . . . 68 b. Gefahr divergierender Entscheidungen . . . . . . . . . . . . 70 c. Kein internationaler Entscheidungseinklang . . . . . . . . . 74 aa. Bedeutung des anwendbaren Sachrechts . . . . . . . . . 74 bb. Anwendbares Recht im Innenverhältnis . . . . . . . . . 74 cc. Anwendbares Recht im Außenverhältnis . . . . . . . . . 76 (1) Regelung des Art.  6 Abs.  3 Rom II-VO . . . . . . . . 76 (2) Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO . . . . . . . . . . . . 76 (3) Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II-VO . . . . . . . . . . . . 77 (a) Klage gegen einen Kartellteilnehmer . . . . . . . 78 (b) Klage gegen mehrere Kartellteilnehmer . . . . . 79 4. Beschränkbarkeit auf einzelne Kriterien . . . . . . . . . . . . . 79 5. Verteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a. Beispiele der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 b. Umsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa. Bedeutung im Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb. Gesamtumsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 cc. Kartellbefangener Umsatz . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c. Marktanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 aa. Bedeutung im Kartellrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 83 bb. Bestimmbarkeit der Marktanteile . . . . . . . . . . . . . 83 cc. Abbild der relativen Verantwortung . . . . . . . . . . . 84 d. Rolle im Kartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 bb. Bestimmbarkeit der Rollenbilder . . . . . . . . . . . . . 86 (1) Orientierung an §  830 BGB . . . . . . . . . . . . . . 86 (2) Täter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 (3) Rädelsführer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 (4) Anstifter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

XII

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(5) Gehilfen, Mitläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 cc. Dauer der Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . 90 dd. Praktische Eignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 e. Kartellbedingter Mehrerlös . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 f. Bußgeldhöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 g. Lieferbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 h. Liefer- und Bezugsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 6. Eigener Gesetzesvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 7. Vertraglicher Verteilungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . 99 IV. Verjährung der Ausgleichsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Anspruch gemäß §  33d Abs.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 101 2. Anspruch gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB . 103

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen . . . . . . . . . . . 107 A. Hintergrund der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 B. Anwendungsbereich der Privilegierungen . . . . . . . . . . . . . 107 I. Enger Kronzeugenbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Abweichung vom bußgeldrechtlichen Kronzeugenbegriff . . . . 108 2. Vollständiger Erlass der Geldbuße . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a. Geltung des Alles-oder-Nichts-Prinzips . . . . . . . . . . . . 109 b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 109 c. Kein Erlass im strengen Sinne . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Beteiligung an einem Kartell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 4. Teilnahme an einem Kronzeugenprogramm . . . . . . . . . . . 112 5. Entscheidende Wettbewerbsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . 113 a. Hinführung zum Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b. Parallele Bußgeldverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 aa. Koordination der verschiedenen Behörden . . . . . . . . 114 bb. Rein nationale Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc. Europäische Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (1) Multinationale Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . 115 (2) Bi- und trinationale Kartelle . . . . . . . . . . . . . 116 dd. Ne bis in idem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 c. Kein One-Stop-Shop für Kronzeugen . . . . . . . . . . . . . 117 d. Maßgeblichkeit des Orts der Schadensentstehung . . . . . . 119 II. Vereinbarkeit mit Art.  20 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 1. Ausschließliche Begünstigung des ersten Kronzeugen . . . . . 120 2. Anwendbarkeit des Art.  20 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . 121 3. Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Kronzeugen . . . . 122

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XIII

C. Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Entstehung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 II. Haftung gegenüber eigenen Abnehmern und Lieferanten . . . . . 126 1. Mittelweg zwischen Haftung und Haftungsbefreiung . . . . . . 126 2. Beachtlichkeit von Vertragsbeziehungen im Deliktsrecht . . . . 127 a. Systemwidrigkeit der Beschränkung . . . . . . . . . . . . . 127 b. Alternative Anknüpfung an Marktanteile . . . . . . . . . . . 129 3. Bestimmung der Abnehmer- und Lieferkette . . . . . . . . . . 131 a. Unmittelbare Abnehmer und Lieferanten . . . . . . . . . . . 131 aa. Anknüpfungspunkt der Vertragspartnereigenschaft . . . 132 bb. Teleologische Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b. Mittelbare Abnehmer und Lieferanten . . . . . . . . . . . . 135 c. Rechtsnachfolge in die Stellung eines Abnehmers . . . . . . 137 aa. Differenzierung nach Art der Rechtsnachfolge . . . . . . 137 bb. Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 cc. Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Differenzierung nach Art der Einzelrechtsnachfolge . 138 (2) Vertragsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (3) Abtretung des Übereignungsanspruchs . . . . . . . . 141 (a) Bestimmung der Abnehmereigenschaft . . . . . . 141 (b) Gefahr des Missbrauchs (§  242 BGB) . . . . . . 142 (4) Abtretung des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . 143 dd. Unternehmensübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (1) Asset Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 (2) Share Deal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 4. Volle gesamtschuldnerische Haftung . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Haftung gegenüber Abnehmern und Lieferanten der Mitkartellanten 145 1. Subsidiäre Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Voraussetzungen der Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . . . 146 a. Enge Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b. Vorliegen eines Ausfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa. Mögliche Ausfallgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb. Bloße Weigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 cc. Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 dd. Erfolglose Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . 148 (1) Unzumutbarkeit weiterer Maßnahmen . . . . . . . . 148 (2) Erforderlichkeit eines eigenen Vollstreckungsversuchs 149 (3) Vollstreckung im außereuropäischen Ausland . . . . 150 ee. Schlechte oder defizitäre Finanzlage . . . . . . . . . . . 150 ff. Vorliegen anderer Haftungsprivilegierungen . . . . . . . 151

XIV

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gg. Klageabweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (1) Wegen Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 (2) Aufhebung der behördlichen Entscheidungen . . . . 154 (3) Aus anderen Gründen . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 hh. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c. Kein vollständiger Ersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 3. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 4. Verjährung der Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 5. Ausschluss gemäß §  33e Abs.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . . 159 a. Telos der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 160 c. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6. Praktische Bedeutung der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Haftung für Preisschirmeffektschäden . . . . . . . . . . . . . . . 163 V. Vereinbarkeit mit Art.  17 GRCh . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Belastung der Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2. Eingriff in die Eigentumsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 3. Anhörung der Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 4. Umgestaltung als Einrede der Vorausklage . . . . . . . . . . . 169 D. Haftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 I. Ergänzung der Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 II. Haftung für Schäden eigener Abnehmer und Lieferanten . . . . . 171 1. Regelung des §  33e Abs.  3 S.  1 GWB . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Begriff der Verursachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Keine zusätzliche Privilegierung analog §  254 Abs.  2 BGB . . . 174 III. Haftung für Schäden der Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Umkehrschluss aus §  33e Abs.  3 S.  1 GWB . . . . . . . . . . . 177 2. Problem der Regressbehinderung . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Keine Innenhaftung des Kronzeugen . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Haftung für Preisschirmeffektschäden . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Regelung des §  33e Abs.  3 S.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Unbeschränkte Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 3. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 V. Auswirkungen auf die Haftung der Mitkartellanten . . . . . . . . 182 1. Regressansprüche des Kronzeugen . . . . . . . . . . . . . . . 182 a. Differenzierung nach Art der Haftung . . . . . . . . . . . . 182 b. Schäden eigener Abnehmer und Lieferanten . . . . . . . . . 182 c. Schäden fremder Abnehmer und Lieferanten . . . . . . . . . 183

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XV

aa. Anwendbarkeit des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB . . . . . . . 183 bb. Höhe des Regressanspruchs . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Ausgleich der Mitkartellanten untereinander . . . . . . . . . . 184 VI. Ausfallhaftung des Kronzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten . . . . . . . . . . . . . 189 A. Telos des §  33f GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 B. Vorteile von Vergleichsschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 C. Wirkungen eines Vergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Erledigung des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Wirkungen auf die Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 2. Haftung des Vergleichschließenden . . . . . . . . . . . . . . . 192 a. Haftung für den eigenen Anteil . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b. Haftung für Anteile der Mitschädiger . . . . . . . . . . . . . 193 c. Ausfallhaftung gemäß §  33f Abs.  1 S.  3 GWB . . . . . . . . 193 aa. Voraussetzungen der Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . 194 bb. Abdingbarkeit der Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . 195 3. Haftung der Mitschädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a. Haftung für eigene Anteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 b. Haftung für die Anteile des Vergleichschließenden . . . . . . 197 aa. Verteilung des Differenzbetrags . . . . . . . . . . . . . 197 bb. Allgemeine Regelung des §  423 BGB . . . . . . . . . . 197 cc. Modifizierung durch §  33f Abs.  1 S.  2 GWB . . . . . . . 199 dd. Bedeutung des Innenhaftungsanteils . . . . . . . . . . . 199 c. Keine Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 4. Dispositionsfreiheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 a. Dispositivität von §  33f Abs.  1 GWB . . . . . . . . . . . . . 202 b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 203 c. Grenzen der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 III. Wirkungen auf den Innenausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Regelung des §  33f Abs.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Haftung des Vergleichschließenden . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Haftung der Mitschädiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 D. Kronzeugen als Vergleichschließende . . . . . . . . . . . . . . . . 207

XVI

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6. Kapitel: KMU als Kronzeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 A. Verhältnis zur Kronzeugenprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Privilegierung von KMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 I. Anwendungsbereich der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Detaillierte Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 2. Anforderungen an das Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . 210 3. Ausschluss der Privilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 a. Regelung des §  33d Abs.  5 GWB . . . . . . . . . . . . . . . 213 b. Kein Organisieren der Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . 213 c. Kein Zwang anderer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . 214 d. Kein früherer Wettbewerbsverstoß . . . . . . . . . . . . . . 215 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 1. Regelung des §  33d Abs.  3 GWB . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Beschränkte Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 a. Parallele Ausgestaltung zur Kronzeugenprivilegierung . . . . 217 b. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 a. Regelung des §  33d Abs.  3 S.  2 GWB . . . . . . . . . . . . . 219 b. Voraussetzungen der Ausfallhaftung . . . . . . . . . . . . . 219 c. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . 220 III. Haftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 1. Parallele Ausgestaltung zur Kronzeugenprivilegierung . . . . . 221 2. Vereinbarkeit mit der Richtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 C. Anreizwirkung für Kronzeugenantrag . . . . . . . . . . . . . . . . 225 I. Keine Beeinträchtigung der Kronzeugenprivilegierung . . . . . . 225 II. Anreiz durch weitergehende Haftungsprivilegierungen . . . . . . 225 1. Anreiz bei der Außenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Anreiz bei der Innenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 III. Anreiz durch Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226

7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit bei internationalen Kartellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 B. Unionsweite Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 I. Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 1. Anwendung der Brüssel Ia-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

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XVII

2. Allgemeiner Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Besondere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a. Deliktsgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 aa. Ort des schädigenden Ereignisses . . . . . . . . . . . . 231 bb. Handlungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 cc. Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b. Gerichtsstand der Streitgenossenschaft . . . . . . . . . . . . 235 c. Auswirkungen der Kronzeugenregelung . . . . . . . . . . . 238 II. Regressklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 C. Weltweite Kartelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 I. Schadensersatzklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Anwendung des autonomen deutschen Zivilprozessrechts . . . 240 2. Besondere Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a. Gerichtsstand der Niederlassung . . . . . . . . . . . . . . . 240 b. Gerichtsstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c. Gerichtsstand der unerlaubten Handlung . . . . . . . . . . . 241 3. Auswirkungen der Kronzeugenregelung . . . . . . . . . . . . . 242 II. Regressklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

Abkürzungsverzeichnis a. A. anderer Ansicht ABl. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft bzw. Europäischen Union Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union a. E. am Ende ÄndG Änderungsgesetz Anh. Anhang a. F. alte Fassung AG Amtsgericht allgM allgemeine Meinung Anm. Anmerkung Art. Artikel Aufl. Auflage BB Der Betriebsberater Bd.   Band BeckRS Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online Begr. Begründer BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Brüssel Ia-VO Verordnung (EG) Nr.  1215/2015 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl.  L 351/1 v. 20.12.2012 BSG Bundessozialgericht BT-Drs. Bundestagsdrucksache BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise ca. circa CB Compliance Berater CCZ Corporate Compliance Zeitschrift CMLRev Common Market Law Review COMP Competition Case CompLRev Competition Law Review DB Der Betrieb ders. derselbe d. h. das heißt

XX dies. ECJ E.C.L.R. ECN ECN-RLV

Abkürzungsverzeichnis

dieselben European Competition Journal European Competition Law Review European Competition Network Vorschlag vom 22.3.2017 für eine Richtlinie zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, COM(2017) 142 final EG Europäische Gemeinschaft Einl. Einleitung ELRev European Law Review Erw.Gr. Erwägungsgrund etc. et cetera EU Europäische Union EuG Gericht Erster Instanz EuGH Europäischer Gerichtshof EuLF The European Legal Forum EuR Zeitschrift Europarecht EuZPR Europäisches Zivilprozessrecht EuZVR Europäisches Zivilverfahrensrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht EWS Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht f. (ff.) folgend (folgende) FIW Forschungsinstitut für Wirtschaftsverfassung und Wettbewerb e.V. FKVO Fusionskontrollverordnung Fn. Fußnote FrankKomm Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht FS Festschrift Gesamthrsg. Gesamtherausgeber GG Grundgesetz GmbHR GmbH-Rundschau GPR Zeitschrift für das Privatrecht der Europäischen Union GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht GRURInt Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Internationaler Teil GVG Gerichtsverfassungsgesetz GVOBl. Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen GWR Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht HGB Handelsgesetzbuch Hk-BGB Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch h.M. herrschende Meinung Hrsg. (hrsg.) Herausgeber (herausgegeben) Hs. Halbsatz ICN International Competition Network i.e.S. im engeren Sinne InsO Insolvenzordnung

Abkürzungsverzeichnis

XXI

IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts i. S. d. im Sinne des/der i. V. m. in Verbindung mit IWRZ Zeitschrift für Internationales Wirtschaftsrecht i.w.S. im weiteren Sinne IZPR Internationales Zivilprozessrecht IZVR Internationales Zivilverfahrensrecht JBl Juristische Blätter Jura Juristische Ausbildung JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KMU Kleine und mittlere Unternehmen KölnerKomm Kölner Kommentar zum Kartellrecht Kommission Europäische Kommission Lfg. Lieferung LG Landgericht lit. littera Ls. Leitsatz MDR Monatsschrift für deutsches Recht Mio. Millionen MünchKomm Münchener Kommentar Mrd. Milliarden m. w. N. mit weiteren Nachweisen n. F. neue Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nr. Nummer NZBau Neue Zeitschrift für Baurecht und Vergaberecht NZG Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht NZI Neue Zeitschrift für Insolvenz- und Sanierungsrecht NZKart Neue Zeitschrift für Kartellrecht NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht OLG Oberlandesgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz RefE Referentenentwurf RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer Rom II-VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl.  L 199/40 v. 31.7.2007 Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung S. Seite oder Satz

XXII SE-RL

Abkürzungsverzeichnis

Richtlinie 2014/104/EU über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl.  L 349/1 v. 5.12.2014 sog. sogenannte SSRN Social Science Research Network (http://www.ssrn.com/) St. ständige StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung Transparenz- Verordnung (EG) Nr.  1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu   VO Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl.  L 145/43 v. 31.5.2001 Tz. Textzahl u. a. unter anderem UAbs. Unterabsatz UmwG Umwandlungsgesetz u.U. unter Umständen UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. vom verb. verbunden VersR Versicherungsrecht VerwArch Verwaltungsarchiv vgl. vergleiche VO Verordnung VO 1/2003 Verordnung (EG) Nr.  1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.  L 1/1 v. 4.1.2003 VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz Vol. Volume VuR Verbraucher und Recht WC World Competition wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht WM Wertpapiermitteilungen WRP Wettbewerb in Recht und Praxis WuW Wirtschaft und Wettbewerb WuW/E WuW-Entscheidungssammlung zum Kartellrecht z.B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZGR Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ZPO Zivilprozessordnung z.T. zum Teil ZVertriebsR Zeitschrift für Vertriebsrecht ZWeR Zeitschrift für Wettbewerbsrecht ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Einführung A. Problemdarstellung „Die Kartellbehörden – in der EU allen voran die Europäische Kommission – blicken auf eine erfolgreiche Bilanz in den vergangenen Jahren zurück, wenn man ihren Erfolg an der Höhe der verhängten Geldbußen misst. Auslöser und Motor dieses Erfolgs sind die Kronzeugenregelun­ gen, die zu einer wahren Flut an Selbstanzeigen geführt haben.“1

Der Kartellbekämpfung kommt in der Europäischen Union ein hoher Stellenwert zu. Zuwiderhandlungen gegen das Kartellrecht werden von den europäischen und nationalen Wettbewerbsbehörden verfolgt und mit Bußgeldern geahndet. Ef­ fektivstes Mittel der Behörden für die Aufdeckung der Kartelle sind seit gerau­ mer Zeit die Kronzeugenprogramme.2 Durch Inaussichtstellen eines Erlasses oder einer Ermäßigung der Geldbuße erhöhen sie für die Kartellanten den An­ reiz, den über ihrer Absprache liegenden „Mantel der Verschwiegenheit“3 zu lüf­ ten und als „Whistleblower“4 mit den Behörden zu kooperieren. Der Erfolg die­ ses Vorgehens zeigt sich in der Zahl der seit Beginn der Programme offengeleg­ ten Kartelle und der Summe der verhängten Bußgelder.5 Canenbley/Steinvorth FS FIW, S.  143. Meeßen bezeichnet die Kronzeugenregelung als das „mit weitem Abstand effektivste In­ strument zur Aufdeckung von schweren Kartellverstößen“, in: Schadensersatz, S.  552. 3  Vgl. Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Winterstein/Ceyssens/Wessely Art. 101 AEUV Rn. 374. Zum Teil wird stattdessen auch die Bezeichnung „Mauer des Schweigens“ gebraucht, siehe Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 294. 4 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  260; Glöckner WRP 2015, 410, 413. 5  Wenngleich die von der Kommission verhängten Bußgelder auch in den 1980er Jahren regelmäßig die Millionenhöhe erreichten, erhöhten sie sich seit der Einführung des ersten Kronzeugenprogramms im Jahr 1996 merklich; vgl. Flocken Bußgeldbemessung, S.  45 f. Die höchsten Geldbußen (2,93 Mrd.  € für das LKW-Kartell (2016), 1,49 Mrd.  € für das Referenz­ zinssätzekartell (2013), 1,4 Mrd.  € für das Bildröhrenkartell (2012), 1,3 Mrd.  € für das Auto­ glaskartell (2008) etc.) wurden allesamt in den 2000ern verhängt; siehe dazu https://ec.europa. eu/germany/news/eu-kommission-verhängt-rekordgeldbuße-von-293-milliarden-euro-ge gen-lkw-kartell_de; http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-1208_de.htm; http://europa.eu/ rapid/press-release_IP-12-1317_de.htm; http://europa.eu/rapid/press-release_IP-08-1685_de. htm (jeweils abgerufen am 14.3.2018). Auch auf nationaler Ebene sind die Bußgelder seit der 1  2 

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Einführung

Zudem erfolgt die Kartellrechtsdurchsetzung seit einigen Jahren verstärkt auch auf privatem Wege. Immer mehr Kartellgeschädigte machen vor den Zivil­ gerichten Ansprüche wegen Schäden geltend, die ihnen durch das Kartell ent­ standen sind, um die erlittenen Vermögenseinbußen zu kompensieren.6 Gleich­ zeitig sorgen sie damit für eine Stärkung der kartellrechtlichen Durchsetzungs­ kraft. Schließlich müssen die Kartellmitglieder nicht nur die Bußgelder der Behörden, sondern auch die Schadensersatzforderungen der Abnehmer und Lie­ feranten fürchten. Nicht selten liegen die Schadensersatzsummen wie die Buß­ gelder in mehrfacher Millionenhöhe.7 Die Europäische Union hat den doppelten Nutzen des sog. Private Enforce­ ment erkannt und seitdem versucht, die Effektivität der Schadensersatzklagen weiter zu erhöhen. Einen entscheidenden Schritt zur Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung hat sie mit der Schadensersatzrichtlinie8 gemacht. Neben weiteren Maßnahmen soll eine europaweite Anordnung der gesamtschuldneri­ schen Haftung der Kartellbeteiligten dafür sorgen, dass die Geschädigten mög­ lichst einfach und unproblematisch Ersatz ihrer kartellbedingten Schäden erlan­ gen können. Allerdings endet die Förderung der privaten Rechtsdurchsetzung dort, wo sie die behördliche Rechtsdurchsetzung schwächt. Insbesondere potentielle Kron­ zeugen sollen durch die erleichterte Geltendmachung von Schadensersatz nicht abgeschreckt werden. Da sie aber im Zuge ihrer Kooperation mit den Kartellbe­ hörden den Kartellverstoß nicht nur einräumen, sondern auch eine Vielzahl an Informationen und Beweisen offenlegen, leiden sie stärker als die anderen Kar­ tellanten unter der steigenden Bedeutung und Vereinfachung des Private En­

Einführung des ersten Kronzeugenprogramms im Jahr 2000 deutlich angestiegen. Während 1997 die Mitglieder des Starkstromkabelkartells mit 265 Mio. DM noch eine Rekordgeldbuße bezahlen mussten, liegt die aktuell höchste Summe bei 338 Mio.  € für die Mitglieder des Wurstkartells (2014); siehe https://www.welt.de/print-welt/article638086/Kabelindustriemuss-Rekord-Busse-zahlen.html sowie https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Meld ung/DE/Pressemitteilungen/2014/15_07_2014_Wurst.html (jeweils abgerufen am 14.3.2018). 6  Seit Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle im Jahr 2005 ist die Zahl gerichtlicher Klagen wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens erheblich gestiegen, siehe Auer-Reinsdorff/Conrad ITund Datenschutzrecht, §  39 Rn.  266; ferner Schweitzer NZKart 2014, 335. 7  Im Verfahren gegen die Mitglieder des Zementkartells wurde eine Schadensersatzklage in Höhe von mindestens 113 Mio.  € nebst Zinsen geltend gemacht, LG Düsseldorf WuW 2007, 519. 8  Richtlinie 2014/104/EU über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nati­ onalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union, ABl.  L 349/1 v. 5.12.2014; im Folgenden als Schadensersatzrichtlinie, Richtlinie oder SE-RL bezeichnet.

A. Problemdarstellung

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forcement.9 Die Angst vor einer sinkenden Zahl der Kronzeugenanträge hat die Europäische Union daher auch in dieser Hinsicht zum Handeln veranlasst.10 Ne­ ben den Förderungsmaßnahmen für Schadensersatzklagen enthält die Schadens­ ersatzrichtlinie auch eine Beschränkung der Schadensersatzhaftung für Kronzeu­ gen. Sowohl im Verhältnis zu den Geschädigten (Außenverhältnis) als auch im Verhältnis zu den übrigen Kartellbeteiligten (Innenverhältnis) wird ihre gesamt­ schuldnerische Haftung gemäß Art.  11 Abs.  4–6 SE-RL begrenzt. Auf diese Wei­ se soll das „Spannungsverhältnis“11 zwischen der Effektivität der Kronzeugen­ programme und der Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung aufgelöst wer­ den. Die Sonderregelungen sollen für einen angemessenen Ausgleich zwischen den Rechten und Interessen der Kronzeugen und denen der Geschädigten sorgen. Die Kartellanten sollen weiterhin den Antrieb verspüren, ihr geheimes Wissen offenzulegen, und die Geschädigten sollen ihr Recht auf volle Schadenskompen­ sation behalten. Ob dem Richtliniengeber diese Gratwanderung gelungen und ob der deutsche Gesetzgeber mit seiner Umsetzung des Art.  11 Abs.  4–6 SE-RL in §  33e GWB diesen Anforderungen gerecht geworden ist, ist Gegenstand der folgenden Un­ tersuchung. In dogmatischer wie praktischer Hinsicht wird analysiert, wie sich die Neuregelungen in das System der Gesamtschuld einfügen und ob bzw. an welchen Stellen Nachbesserungen auf europäischer oder mitgliedstaatlicher Ebene vorzunehmen sind. Besonderes Augenmerk liegt bei der Untersuchung darauf, wie sich die Sonderregelung in die Dogmatik des nationalen Delikts­ rechts einfügt.12

9  Erw.Gr. 38 SE-RL; Schroeder in: Baudenbacher, 17th St. Gallen Competition Law Forum, S.  435, 441; Mäger/Fort Europäisches Kartellrecht, Kap.  11 Rn.  80. 10 Grünbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  10; Erw.Gr. 26, 38 SE-RL. Aus Angst vor Schadensersatzfor­ derungen in unbekannter Höhe wird das Kronzeugenprogramm nicht immer in Anspruch ge­ nommen, vgl. Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1867. 11  Bach FS Canenbley, S.  15; Drexl FS Canaris, S.  1339, 1346; Heinemann FS Bieber, S.  681, 701 f.; Schroeder FS Bechtold, S.  437, 449; Schroll Kronzeugenprogramme, S.  155; Bechtold DB 2004, 235, 239; Brinker NZKart 2013, 2, 9; Fornasier/Sanner WuW 2011, 1067, 1068; Seitz EuZW 2011, 598, 599; Kersting ZWeR 2008, 252, 263; ders. JZ 2012, 42, 43. Alexander beschreibt das Verhältnis von privaten Schadensersatzklagen und Kronzeugenpro­ grammen als „schwieriges Problemfeld“, in: Schadensersatz, S.  335. 12 Vgl. Steinle EuZW 2014, 481, 482; Rust NZKart 2015, 502, 508. Derartige Privilegierun­ gen des Kronzeugen kannte das deutsche Recht zuvor nicht, Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1031.

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Einführung

B.  Gang der Untersuchung Im 1. Kapitel werden die Grundzüge des Private Enforcement dargelegt. Zuerst wird auf seine Entwicklung in der EU eingegangen und die Entstehung der Scha­ densersatzrichtlinie geschildert. Im Anschluss daran erfolgt eine kurze Darstel­ lung der Ziele der Richtlinie sowie ihrer Umsetzung in das deutsche Recht. Der Schwerpunkt des Kapitels liegt schließlich auf der Analyse der Anforderungen an die Geschädigten bei der Geltendmachung ihrer Schadensersatzansprüche. Gegenstand des 2. Kapitels ist die Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeu­ gen. Untersucht wird, welchen Gefahren sich Unternehmen durch die Teilnah­ me an Kronzeugenprogrammen aussetzen und welche Maßnahmen außerhalb der Haftungsprivilegierungen bei der gesamtschuldnerischen Haftung insbeson­ dere durch die 9. GWB-Novelle geschaffen wurden, um diese Gefahren zu mi­ nimieren. Das 3. Kapitel behandelt die gesamtschuldnerische Haftung von Kartellanten für kartellrechtliche Schadensersatzansprüche. Hierbei ist insbesondere von Inte­ resse, welche Änderungen sich für die gesamtschuldnerische Haftung durch die Umsetzung der Richtlinie ergeben und ob die vom Gesetzgeber gewählte Ausge­ staltung den Anforderungen der Praxis entspricht. Den Kern der Arbeit bildet das 4. Kapitel über die neuen Privilegierungen des Kronzeugen bei der gesamtschuldnerischen Haftung. Nach einer Analyse des Kronzeugenbegriffs werden die Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis herausgearbeitet und die Vereinbarkeit der Regelung mit höher­ rangigem Recht geprüft. Anschließend wird untersucht, in welcher Relation die Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis zur allgemeinen Regelung steht und zu wessen Lasten sich die Privilegierung auswirkt. Im 5. sowie 6. Kapitel werden Spezialprobleme der Privilegierungen erläutert. Da die 9. GWB-Novelle nicht nur zu einer Privilegierung von Kronzeugen, son­ dern auch von Vergleichschließenden sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geführt hat, wird analysiert, wie sich ein Zusammentreffen zweier Privi­ legierungen auf die jeweilige Haftung auswirkt. Zur Komplettierung der Untersuchung wird im 7. Kapitel ein Überblick über die internationalen Aspekte der gesamtschuldnerischen Haftung des Kronzeugen gegeben. Hierbei wird dargestellt, welche Gerichte international bei Schadenser­ satzklagen sowie Ausgleichsansprüchen von Mitkartellanten zuständig sind und welchen Einfluss die Kronzeugenprivilegierung hierauf hat.

1. Kapitel

Grundlagen des Private Enforcement A.  Entwicklung neben dem Public Enforcement Die Durchsetzung des Kartellrechts erfolgt klassischerweise mittels hoheitlicher Maßnahmen als sog. Public Enforcement.1 Im Zentrum dieser Durchsetzung steht das Kartellverwaltungsverfahren, welches im Erfolgsfall mit der Verhän­ gung von Bußgeldern durch die Wettbewerbsbehörden endet.2 Die Bußgelder sollen nicht nur den begangenen Kartellverstoß ahnden, sondern die Kartellmit­ glieder auch spezialpräventiv von weiteren Zuwiderhandlungen abschrecken.3 Ferner soll das behördliche Vorgehen generalpräventiv anderen potentiellen Kar­ tellanten die Risiken eines Kartellverstoßes vor Augen führen.4 Neben dem öffentlichen Recht verhilft die Durchsetzung mit zivilrechtlichen Mitteln, das sog. Private Enforcement, dem Kartellrecht zu einer verstärkten Geltung.5 Hierunter fällt abgesehen von der Rüge der Nichtigkeit einer kartell­ rechtswidrigen Absprache gemäß Art.  101 Abs.  2 AEUV insbesondere die Gel­ tendmachung zivilrechtlicher Ansprüche, die auf Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz gerichtet sind, gegenüber den Kartellmitgliedern.6 Anders als dem Public Enforcement kommt dem Private Enforcement allerdings erst in den Bach FS Canenbley, S.  15, 16. Logemann Schadensersatz, S.  32; Wagner-von Papp in: Möschel/Bien, Kartellrechts­ durchsetzung, S.  267, 268. 3  EuGH v. 29.6.2006, Rs. C-289/04 P, ECLI:EU:C:2006:431, Tz. 16 – Showna Denko; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Kienapfel Art.  23 VO 1/2003 Rn.  3. 4  EuGH v. 29.6.2006, Rs. C-289/04 P, ECLI:EU:C:2006:431, Tz. 16 – Showna Denko; EuG v. 27.9.2006, Rs. T-329/01, ECLI:EU:T:2006:268, Tz. 141 – Archer Daniels Midland; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Kienapfel Art.  23 VO 1/2003 Rn.  3; Bach FS Canenbley, S.  15, 16; Canenbley/Steinvorth FS FIW, S.  143, 144. 5  EuGH v. 20.9.2001, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Tz.  27 – Courage; Schröter/ Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  259; Krüger Kartellregress, S.  22; Nietsch in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  9, 14; Bien NZKart 2013, 481. 6  Während die Nichtigkeitsrüge als passive Durchsetzung bezeichnet wird, wird die Gel­ tendmachung der zivilrechtlichen Ansprüche als aktive Durchsetzung eingeordnet, siehe Mä­ ger/Fort Europäisches Kartellrecht, Kap.  11 Rn.  21; Nietsch in: Nietsch/Weller, Private En­ forcement, S.  9, 12 f.; Krüger Kartellregress, S.  22. 1  2 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

letzten Jahren eine größere Bedeutung im EU-Kartellrecht zu.7 Denn obwohl mit den USA ein Vorbild für die Durchsetzungskraft der privaten Rechtsdurchset­ zung existierte8 und auch das deutsche GWB bereits in seiner ursprünglichen Fassung vom 27. Juli 1957 – wenngleich mit geringer praktischer Bedeutung9 – bei Verstößen gegen das nationale Kartellrecht immerhin die Möglichkeit priva­ ter Rechtsdurchsetzung vorsah,10 spielte das Private Enforcement bei Verstößen gegen europäisches Kartellrecht lange Zeit keine Rolle.11 Erst mit dem Courage-Urteil des EuGH im Jahr 200112 rückte die Durchsetzungsform in den Fokus der EU-Organe. Kern dieser grundlegenden Entscheidung ist die Feststellung, dass bei einer Verletzung des europäischen Kartellrechts keinem Geschädigten von vornherein die Befugnis, Schadensersatz geltend zu machen, verwehrt wer­ den darf.13 Jedermann muss grundsätzlich Ersatz verlangen können, wenn ihm durch eine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oder ein entsprechendes Verhalten von Unternehmen ein Schaden entstanden ist.14 Dies hat der EuGH im Jahr 2006 in der Rechtssache Manfredi näher ausgeführt.15 In der Folge strebte allen voran die Kommission an, die praktische Bedeutung der privaten Rechtsdurchsetzung zu erhöhen.16 In ihrem am 19. Dezember 2005 veröffentlichten Grünbuch „Schadenersatzklagen wegen Verletzung des EUWettbewerbsrechts“ lautete das oberste Ziel, Schadensersatzklagen als Mittel der privaten Durchsetzung des Wettbewerbsrechts zu effektivieren.17 Die erhebli­ chen rechtlichen Hindernisse für die erfolgreiche Durchsetzung von Schadens­ ersatzansprüchen sollten in den Mitgliedstaaten beseitigt werden.18 Fortentwi­ ckelt wurden die Vorschläge für eine Stärkung des Private Enforcement auch im 7  Canenbley/Steinvorth FS FIW, S.  143, 147; Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 619; Keßler WRP 2006, 1061; Ashurst Claims for damages, S.  7. 8  Basedow ZWeR 2006, 294, 295. 9  Logemann Schadensersatz, S.  50 f.; Müller-Laube Privater Rechtsschutz, S.  11. 10  Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte der privaten Kartellrechtsdurchsetzung eine bedeutende Rolle zukommen, siehe Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun­ gen, BT-Drs. 2/1158, S.  25. 11 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  232 m. w. N. 12  EuGH v. 20.9.2001, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465 – Courage. 13  EuGH v. 20.9.2001, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Tz.  25 f. – Courage. 14  EuGH v. 20.9.2001, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Tz.  26 – Courage. 15  EuGH v. 13.7.2006, verb. Rs. C-295/04 bis C-298/04, ECLI:EU:C:2006:461 – Manfredi. Vgl. Hösch Innenausgleich, S.  22. 16 Siehe dazu Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  232; Bien NZKart 2013, 481. 17 Grünbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  3. Siehe Fiedler Class Actions, S.  4 f. 18 Grünbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  4; Arbeitspapier zum Grünbuch, SEC(2005) 1732, S.  12 ff.

B.  Richtlinie 2014/104/EU

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am 2. April 2008 veröffentlichten Weißbuch „Private Schadensersatzklagen we­ gen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts“ der Kommission.19 Allerdings waren die Bestrebungen, die praktische Bedeutung des Private En­ forcement zu stärken, zu keiner Zeit von dem Gedanken getragen, die hoheitliche Rechtsdurchsetzung als klassische Form der Durchsetzung abzulösen.20 Anders als in den USA, wo private Klagen mehr als 90  % der Kartellrechtsstreitigkeiten vor Gericht darstellen und in ihrer Fallzahl die öffentlich-rechtliche Durchset­ zung signifikant übersteigen,21 soll die private Rechtsdurchsetzung in der EU nur eine Ergänzung des behördlichen Systems darstellen.22 Die zivilrechtliche Kom­ ponente soll die Rechtsdurchsetzung optimieren, aber nicht die öffentlich-recht­ liche Komponente schwächen oder gar verdrängen.23

B.  Richtlinie 2014/104/EU I.  Entstehung der Richtlinie Das jüngste Resultat der Kommissionsbestrebungen, das Private Enforcement zu stärken, stellt die Richtlinie 2014/104/EU24 dar, welche die Grundlage der nach­ folgenden Untersuchungen bildet. Der ihr vorangegangene Vorschlag bildet das Zentrum eines im Juni 2013 von der Kommission vorgestellten Maßnahmenpa­ kets.25 Nachdem der Vorschlag bereits seit 2009 inoffiziell im Umlauf war, wur­ den im Juli 2013 die Beratungen über die Richtlinie von Parlament und Rat auf­ genommen.26 Nach der Zustimmung des Parlaments zu einem Kompromissvor­ schlag nahm der Ministerrat den Vorschlag am 10. November 2014 an.27 Am 26. November 2014 wurde die Richtlinie vom Europäischen Parlament und dem 19 Weißbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts“ v. 2.4.2008, KOM(2008) 165 endgültig. Siehe Fiedler Class Actions, S.  5. 20  „Staatliche und private Wettbewerbsrechtsdurchsetzung ergänzen einander, so dass sie optimal koordiniert werden sollten“, siehe Grünbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  10. Vgl. auch Wagner-von Papp EWS 2009, 445, 452. 21  Centre for European Policy Studies (CEPS)/Erasmus Universität Rotterdam (EUR)/Luiss Guido Carli (LUISS) Antitrust damages actions, S.  28; Bundeskartellamt Private Kartellrechts­ durchsetzung, S.  15; Hovenkamp Quantification of Harm, S.  1; Berrisch/Burianski WuW 2005, 878. 22  Böge/Ost E.C.L.R. 2006, 197, 198. 23  Böge/Ost E.C.L.R. 2006, 197, 198; Conde GRURInt 2006, 359. 24  Siehe oben Einführung Fn.  8. 25  Mederer EuZW 2013, 847; Vollrath NZKart 2013, 434. 26  Janssen CB 2015, 35, 36; Mederer EuZW 2013, 847. 27  Makatsch/Mir EuZW 2015, 7.

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

Rat der EU auf der Rechtsgrundlage der Art.  103 und 114 AEUV28 erlassen.29 Nach ihrer Veröffentlichung am 5. Dezember 2014 im EU-Amtsblatt trat die Richtlinie 2014/104/EU gemäß Art.  23 am 25. Dezember 2014 in Kraft. Die Um­ setzungsfrist für die Mitgliedstaaten endete gemäß Art.  21 Abs.  1 am 27. Dezem­ ber 2016. Ihre Einhaltung gelang dem deutschen Gesetzgeber jedoch nicht. Die Umsetzung erfolgte erst mit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle am 9. Juni 2017. Die Kommission hatte daher gegen Deutschland ebenso wie gegen weitere 20 Mitgliedstaaten aufgrund verspäteter Umsetzung zunächst ein Vertragsverlet­ zungsverfahren nach Art.  258 AEUV eingeleitet,30 welches aber am 8. März 2018 eingestellt wurde.31

II.  Ziele der Richtlinie Primäres Ziel der Richtlinie ist es, durch die Vereinfachung und Vereinheitli­ chung der Durchsetzung kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche ein besseres Zusammenspiel von privater und behördlicher Rechtsdurchsetzung in der EU zu erreichen.32 Beide Gebiete sollen aufeinander abgestimmt werden und optimal interagieren, um die Möglichkeiten der Kartellrechtsdurchsetzung voll auszu­ schöpfen.33 Erreicht werden soll dies durch einheitliche Verfahrensvorschriften sowie durch Rechtssicherheit, deren Fehlen im Bereich der privaten Rechts­ durchsetzung aus Sicht der Kommission die Geschädigten bislang maßgeblich davon abgehalten hat, ihre Schadensersatzansprüche gegenüber den Kartellanten geltend zu machen.34 Für Opfer von Kartellverstößen soll in allen EU-Mitglied­ staaten die praktische Möglichkeit gegeben sein, eine volle Kompensation kar­

28  Art.  103 AEUV bildet wegen der Umsetzung der Grundsätze von Art.  101, 102 AEUV die erste Rechtsgrundlage. Art.  114 AEUV stellt die zweite Rechtsgrundlage dar, da die Richtlinie ebenso der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen für die im Binnenmarkt tätigen Unter­ nehmen und den Vereinfachungen für die Verbraucher und Unternehmen für die Ausübung der ihnen aus dem Binnenmarkt erwachsenden Rechte dient, siehe Kommission Richtlinienvor­ schlag, COM(2013) 404 final, S.  9 f. 29  Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 693. 30  Schadensersatzrichtlinie: Schleppende Umsetzung in den Mitgliedstaaten, WuW 2017, 159. 31 https://ec.europa.eu/germany/news/20180308-verkehr-steuern-kommission-verschae rft-vertragsverletzungsverfahren-gegen-deutschland_de (abgerufen am 25.4.2018). 32  Erw.Gr. 6 SE-RL. Siehe auch Haus/Serafimova BB 2014, 2883; Vollrath NZKart 2013, 434, 435. 33  Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2013) 404 final, S.  3. 34  Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2013) 404 final, S.  4; Kling/Thomas Kartell­ recht, §  9 Rn.  40.

B.  Richtlinie 2014/104/EU

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tellbedingter Schäden zu erlangen.35 Dafür sollen die divergierenden Chancen auf Schadensersatz, die auf unterschiedliche nationale Vorschriften zurückzufüh­ ren sind, einander angeglichen werden.36 Durch harmonisierte Mindeststandards soll Kartellgeschädigten europaweit ein wirksames, effektives System zur Scha­ denskompensation zur Verfügung gestellt werden, das zum Funktionieren des Binnenmarktes beiträgt.37 Entsprechend bestimmt Art.  1 Abs.  1 S.  1 SE-RL, dass jedem, der einen Schaden durch eine Zuwiderhandlung eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung gegen das Wettbewerbsrecht erlitten hat, das Recht auf vollständigen Ersatz des Schadens zusteht. Ihre Grenze finden die Schadensersatzansprüche im Verbot der Überkompensation, welches in Art.  3 Abs.  3 SE-RL ausdrücklich geregelt ist. Insoweit entspricht die Richtlinie dem Bereicherungsverbot des deutschen Schadensersatzrechts und lehnt eine Sankti­ onierung der Kartellanten mittels des Zivilrechts ab.38 Erreicht werden soll die erleichterte Durchsetzbarkeit der Schadensersatzan­ sprüche u. a. durch neue Regelungen zur Offenlegung von Beweismitteln (Art.  5–7), zur Wirkung nationaler Entscheidungen (Art.  9), zur Verjährung (Art.  10), zur Abwälzung eines kartellrechtlichen Preisaufschlags (Art.  12–16) sowie zur Ermittlung des Schadensumfangs (Art.  17). Ferner soll die Umsetzung der Art.  18, 19 SE-RL für eine Verbesserung der einvernehmlichen Streitbeile­ gung in den Mitgliedstaaten sorgen. Da die Stärkung des Private Enforcement zugleich keine Schwächung des Pub­lic Enforcement bewirken darf, sieht die Richtlinie einige besondere Abstim­ mungen vor. So wird einerseits die Durchsetzung der Schadensersatzansprüche durch die unionsweite Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung gestärkt: Nach Art.  11 Abs.  1 SE-RL müssen die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass Un­ ternehmen, die durch gemeinschaftliches Handeln gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen haben, gesamtschuldnerisch für den durch diese Zuwiderhandlung ge­ gen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden haften. Diese Anordnung soll dem Gläubiger nicht nur zügig zum Ersatz seiner Schäden verhelfen, sondern ihn auch von den schwierigen Fragen der Haftungsverteilung unter den Schuldnern befreien.39 Andererseits werden Ausnahmen von der gesamtschuldnerischen Haftung dort vorgeschrieben, wo der Richtliniengeber die Schuldner selbst als 35 

847.

Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2013) 404 final, S.  5; Mederer EuZW 2013,

Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2013) 404 final, S.  4 f.; Kling/Thomas Kartell­ recht, §  9 Rn.  40. 37  Vgl. Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2013) 404 final, S.  4 f.; Kling/Thomas Kartellrecht, §  9 Rn.  40; Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 693. 38  Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 694. 39  Vgl. Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2013) 404 final, S.  19. 36 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

schutzwürdig ansieht.40 Folglich enthält die Richtlinie für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in Art.  11 Abs.  2–3 SE-RL und insbesondere für Kronzeu­ gen in Art.  11 Abs.  4–6 SE-RL entlastende Sonderregelungen bezüglich der ge­ samtschuldnerischen Haftung.

III.  9. GWB-Novelle Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte in Deutschland im Rahmen der 9. GWBNovelle, welche am 9. März 2017 verabschiedet wurde und am 9. Juni 2017 in Kraft getreten ist.41 Nachdem das GWB im Zuge der 7. Novelle vom 1. Juli 2005 hinsichtlich der privaten Durchsetzung an das europäische Recht angeglichen wurde,42 erfolgte nun vor allem mit §§  33a ff. GWB eine erneute Anpassung an die europäischen Vorgaben. Insbesondere die vorgegebenen Ausnahmen zur ge­ samtschuldnerischen Haftung wichen erheblich von den allgemeinen Regelun­ gen der §§  421 ff. BGB ab, so dass eine Änderung des Gesetzes unerlässlich war.43 Eine richtlinienkonforme Auslegung der lex lata genügte nicht. Da die Kompetenz der EU auf die Regelung grenzüberschreitender Sachver­ halte beschränkt ist, erforderte die Richtlinie eine Umsetzung in das nationale Recht nur für Konstellationen, in denen Art.  101 und 102 AEUV bzw. nationale Normen, die parallel zu den europäischen Kartellrechtsnormen zur Anwendung gelangen, einschlägig sind.44 Der deutsche Gesetzgeber hat sich im Zuge der 9. GWB-Novelle allerdings dafür entschieden, seine Umsetzung auch auf rein nationale Sachverhalte zu beziehen. Insoweit differenzieren die neuen Regelun­ gen nicht zwischen nationalen und grenzüberschreitenden Sachverhalten, und die Rechtslage ist bei Schadensersatzansprüchen wegen Verstoßes gegen europä­ isches wie deutsches Kartellrecht identisch.

IV.  Effektivitäts- und Äquivalenzgrundsatz Die Vorgaben der Richtlinie belassen dem nationalen Gesetzgeber in bestimmten Bereichen einen nicht geringen Gestaltungspielraum bei der Umsetzung. Jedoch sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Mitgliedstaaten nicht unerschöpflich, sondern werden durch den Effektivitäts- und den Äquivalenzgrundsatz be­ Vgl. Erw.Gr. 38 SE-RL; Vollrath NZKart 2013, 434, 436. BGBl.  I 2017, S.  1416 ff. Siehe auch Kahlenberg/Heim BB 2017, 1155. 42 Siehe Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1866. 43  Siehe auch Janssen CB 2015, 35, 39. 44  Janssen CB 2015, 35, 36. Vgl. auch Erw.Gr. 10 SE-RL sowie Vollrath NZKart 2013, 434, 436. 40  41 

B.  Richtlinie 2014/104/EU

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grenzt.45 Diese grundlegenden Prinzipien des Unionsrechts sind bei der Umset­ zung der Richtlinie gemäß Art.  4 S.  1 und Erwägungsgrund 11 SE-RL stets zu beachten. Dem früher auch als Vereitelungsgrundsatz bezeichneten Effektivitätsgrund­ satz zufolge darf das nationale Recht die Verwirklichung des Unionsrechts „nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren“.46 Im Hinblick auf kartellrechtliche Schadensersatzansprüche bedeutet dies, dass die unionsrecht­ lich vorgegebene Kompensation kartellbedingter Schäden durch die Umsetzung möglichst effektiv verwirklicht werden muss. Dem Geschädigten muss die Durchsetzung seiner Ersatzansprüche auf verhältnismäßigem Wege tatsächlich möglich sein.47 Beschränkungen der zivilrechtlichen Haftung zugunsten von Kronzeugen durch den deutschen Gesetzgeber sind damit auch bei bloßer Min­ destharmonisierung der Kronzeugenprivilegierung dort eine Grenze gesetzt, wo sie die Anspruchsdurchsetzung der Geschädigten übermäßig belasten. Jede Be­ günstigung von Kronzeugen muss folglich dahingehend überprüft werden, ob sie nicht faktisch die erfolgreiche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus­ schließt.48 Bei der Überprüfung der Privilegierung ist ferner der Äquivalenzgrundsatz zu beachten.49 Der auch als Diskriminierungsverbot bezeichnete Grundsatz be­ stimmt, dass Verfahren, die mangels einer einschlägigen Unionsregelung den Gerichten und der Rechtsordnung der Mitgliedstaaten unterfallen, nicht nach strengeren Maßstäben beurteilt werden dürfen als „gleichwertige Klagen, die das nationale Recht betreffen“.50 Die Bestimmung der zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, dürfen folglich nicht weniger güns­ tig gestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht Vollrath NZKart 2013, 434, 437. EuGH v. 14.12.1995, verb. Rs. C-430/93 u. C-431/93, ECLI:EU:C:1995:441, Tz.  17 – van Schijndel; EuGH v. 16.12.1976, Rs. 33/76, ECLI:EU:C:1976:188, Tz.  5 – Rewe/Landwirtschaftskammer Saarland; EuGH v. 16.12.1976, Rs. 45/76, ECLI:EU:C:1976:191, Tz.  11, 18 – Comet; EuGH v. 19.11.1991, verb. Rs. C-6/90 u. C-9/90, ECLI:EU:C:1991:428, Tz.  43 – Francovich; EuGH v. 5.3.1996, verb. Rs. C-46/93 u. C-48/93, ECLI:EU:C:1996:79, Tz.  20 – Brasserie du Pêcheur; EuGH v. 10.7.1997, Rs. C-261/95, ECLI:EU:C:1997:351, Tz.  27 – Palmisani; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Classen 55. Lfg., Art.  197 AEUV Rn.  23. 47 Vgl. Böni EWS 2014, 324, 325; Müller-Graff ZHR 179 (2015) 691, 693. 48  Siehe auch Erw.Gr. 11 SE-RL. 49  Vgl. Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Jaeger Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  61; Logemann Schadensersatz, S.  99 f. 50  EuGH v. 16.12.1976, Rs. 33/76, ECLI:EU:C:1976:188, Tz.  5 – Rewe/Landwirtschaftskammer Saarland; EuGH v. 7.7.1981, Rs. 158/80, ECLI:EU:C:1981:163, Tz.  44 – Rewe/ Hauptzollamt Kiel; EuGH v. 9.11.1983, Rs. 199/82, ECLI:EU:C:1983:318, Tz.  12 – San Giorgio; Grabitz/Hilf/Nettesheim/Classen 55. Lfg., Art.  197 AEUV Rn.  23. 45  46 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

betreffen.51 Als gleichwertig sind zwei Klagen anzusehen, wenn die europäische und die nationale Regelung „vergleichbare Zwecke verfolgen“.52 Für die Gleich­ behandlung von Schadensersatzberechtigten bedeutet dies, dass Geschädigte in rein nationalen Sachverhalten nicht besser gestellt werden dürfen als Geschädig­ te unionsrechtlicher Sachverhalte. Mit der Gleichbehandlung von grenzüber­ schreitenden und nationalen Sachverhalten in §§  33 ff. GWB ist der deutsche Gesetzgeber diesem Erfordernis nachgekommen.53 Die folgende Überprüfung beschränkt sich daher auf die Einhaltung des Effektivitätsgrundsatzes.

V.  Richtlinienkonforme Auslegung Weicht der nationale Gesetzgeber bei seiner Umsetzung, wie es ihm Art.  288 Abs.  3 AEUV gestattet, durch die Wahl der Form und der Mittel vom Wortlaut der Richtlinie ab, ist bei der Auslegung neben den klassischen Auslegungsmetho­ den auch die richtlinienkonforme Auslegung heranzuziehen.54 Schließlich ist der nationale Gesetzgeber gemäß Art.  288 Abs.  3 AEUV verpflichtet, die Richtlinie fristgemäß so umzusetzen, dass ihre praktische Wirksamkeit unter Berücksichti­ gung des mit ihr verfolgten Zwecks bestmöglich gewährleistet wird.55 Bei der Auslegung der nationalen Vorschriften muss daher maßgeblich die zugrundeliegende Richtlinie berücksichtigt werden.56 Sofern durch eine richtli­ nienkonforme Auslegung des nationalen Rechts die Verpflichtung zur Umset­ zung erfüllt werden kann, kommt ihr ein Vorrang gegenüber den klassischen Auslegungsmethoden zu57 bzw. ist derjenigen klassischen Auslegungsmethode der Vorrang einzuräumen, die zu einer richtlinienkonformen Auslegung führt.58 Das nationale Recht ist somit zunächst anhand der klassischen Methoden auszu­ legen, wobei die Richtlinie gegebenenfalls bereits im Wege der historischen oder teleologischen Interpretation mit herangezogen werden muss.59 Anschließend ist EuGH v. 19.5.2011, Rs. C‑452/09, ECLI:EU:C:2011:323, Tz.  16 – Iaia. Logemann Schadensersatz, S.  100 m. w. N. Siehe ferner Mäsch EuR 2003, 825, 838. 53  Die Vorschriften setzen entweder „einen Verstoß gegen eine Vorschrift dieses Teils oder gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union“ vor­ aus oder verweisen auf eine andere Vorschrift, die dies voraussetzt. Mit „eine Vorschrift dieses Teils“ ist dabei eine Vorschrift in Teil 1 des GWB gemeint. 54 Riesenhuber/Roth/Jopen Methodenlehre, §  13 Rn.  3 f. 55  EuGH v. 8.4.1976, Rs. 48/75, ECLI:EU:C:1976:57, Tz.  69/73 – Royer; dazu statt vieler Calliess/Ruffert/Ruffert Art.  288 AEUV Rn.  26. 56  Brechmann Richtlinienkonforme Auslegung, S.  153. 57  Langenbucher/Langenbucher Privat- und Wirtschaftsrecht, §  1 Rn.  93. 58 Riesenhuber/Roth/Jopen Methodenlehre, §  13 Rn.  42; Brechmann Richtlinienkonforme Auslegung, S.  259; Auer NJW 2007, 1106. 59  Canaris FS Bydlinski, S.  47, 80; Brechmann Richtlinienkonforme Auslegung, S.  259. 51  52 

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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das hierbei gefundene Auslegungsergebnis mit den Vorgaben der Richtlinie ab­ zugleichen und zu analysieren, ob diese umgesetzt wurden.60 Dem Mitgliedstaat ist somit stets zu unterstellen, dass er den Verpflichtungen aus der Richtlinie im vollen Umfang nachkommen wollte.61 Davon abweichen­ den Überlegungen des nationalen Gesetzgebers kommt keine besondere Bedeu­ tung zu.62 Ihre Grenze erreicht die richtlinienkonforme Auslegung indes, wenn sie eindeutig gegen nationales Verfassungsrecht verstößt oder zu einer unzulässi­ gen Auslegung contra legem führt.63 So bildet der durch Wortlaut und Telos der Norm zu ermittelnde Wortsinn der Umsetzung die Schranke der richtlinienkon­ formen Auslegung.64 Sie muss sich in diesem Fall in der richtlinienkonformen Rechtsfortbildung fortsetzen.65

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen I.  Wirksames Mittel des Private Enforcement Als besonders wirksames Mittel des Private Enforcement haben sich die Scha­ densersatzklagen erwiesen.66 Denn während Klagen auf Unterlassung und Besei­ tigung ihre Wirkung lediglich in der Zukunft entfalten, können die Geschädigten Canaris FS Bydlinski, S.  47, 80. Schürnbrand JZ 2007, 910, 912. Vgl. dazu EuGH v. 29.4.2004, Rs. C-371/02, ECLI:EU:C:2004:275, Tz.  13 – Björnekulla Fruktindustrier. 62  Schürnbrand JZ 2007, 910, 912. Selbst bewusst richtlinienwidrige Umsetzungen können richtlinienkonform ausgelegt werden, solange dies mit dem Wortsinn vereinbar ist, da Art.  23 Abs.  1 GG keine Möglichkeit zum absichtlichen Abweichen gewährt, siehe Riesenhuber/Roth/ Jopen Methodenlehre, §  13 Rn.  47; Heiderhoff Europäisches Privatrecht, Rn.  123; Herrmann Richtlinienumsetzung, S.  138. 63  Canaris FS Bydlinski, S.  47, 91 ff. 64  BVerfGE 54, 277, 299 f.; Riesenhuber/Roth/Jopen Methodenlehre, §  13 Rn.  46. 65 Siehe Canaris FS Bydlinski, S.  47, 81. Vgl. ferner Langenbucher/Langenbucher Privatund Wirtschaftsrecht, §  1 Rn.  107. 66  In den Jahren 2013 und 2014 verzeichnete das Bundeskartellamt mehr als 322 neue Kar­ tellzivilklagen wegen Verstößen gegen das europäische oder deutsche Kartellrecht, wobei es sich meistens um Schadensersatzklagen handelte. So klagten u. a. Geschädigte des Schienen-, Spanplatten-, Referenzzinssätze-, Zucker-, Betonrohre-, Feuerwehrfahrzeug-, Bauglas-, Hy­ dranten-, Kaffeeröster-, Aufzug-, Mühlen-, Türbeschläge- sowie Kühlkompressorenkartells, siehe Bundeskartellamt Tätigkeitsbericht 2013/2014, BT-Drs. 18/5210, S.  34. Auch in den Fol­ gejahren 2015 und 2016 verringerte sich die Zahl der Schadensersatzklagen nicht. In dieser Zeit wurden mehr als 360 neue Kartellzivilklagen erhoben. Beklagte waren u. a. die Teilnehmer am LKW-, Waschmittel-, Drogerie-, Bildröhren-, Zement-, Matratzen- sowie Leistungstrans­ formatorenkartell, siehe hierzu Bundeskartellamt Tätigkeitsbericht 2015/2016, BT-Drs. 18/12760, S.  41. Zu Recht bezeichnet Fiedler daher die Geltendmachung von Schadensersatz­ 60  61 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

mittels Schadensersatzklagen die ihnen durch das Kartell bereits entstandenen Schäden kompensieren.67 Derartige Ersatzleistungen sprechen die Behörden den Geschädigten nicht zu. Die von den Behörden erhobenen Bußgelder fließen in die öffentlichen Haushalte und sorgen nicht für einen Ausgleich der von den Kartellopfern erlittenen Nachteile.68 Die Möglichkeit einer Schadensersatzklage bedeutet für die Geschädigten damit ein Mittel zur Selbsthilfe.69 Doch die privaten Klagen dienen nicht nur der Wiedergutmachung erlittener Nachteile. Allein die Aussicht, bei Kartellverstößen zusätzlich auf Schadenser­ satz in Anspruch genommen zu werden, wirkt abschreckend auf potentielle Kar­ tellanten.70 Wettbewerbswidrig handelnde Unternehmen müssen bei einem star­ ken Private Enforcement nicht nur mit hohen Bußgeldern, sondern auch mit Schadensersatzklagen sämtlicher Kartellopfer rechnen.71 Dass die Höhe der gel­ tend gemachten Schäden dabei nicht selten die verhängten Geldbußen übersteigt, verstärkt die präventive Wirkung. Beispielsweise betrug der Anteil des Bußgelds beim Unternehmen Roche, welches im Rahmen des Vitaminkartells von der Kommission zu einer Geldbuße verurteilt wurde, nur etwa 2/7 der Gesamtkos­ ten; die verbleibenden 5/7 waren auf zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zurückzuführen.72 Beim 2014 vom Bundeskartellamt mit einem Bußgeld von ca. 280 Mio.  € belegten sog. Zuckerkartell wurden die zivilrechtlichen Schadenser­ satzforderungen auf bis zu 500 Mio.  € geschätzt.73 Derartige Sanktionen dienen damit der Freiheit des Wettbewerbs, denn je höher die drohenden finanziellen Belastungen eines offengelegten Kartellverstoßes sind, desto eher verhalten sich potentielle Kartellanten rechtstreu.74 Darüber hinaus kann die Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung aber auch die zuständigen Kartellbehörden entlasten.75 Ist es den Behörden ressourcenbe­ ansprüchen als „entscheidendes Mittel der privaten Kartellrechtsdurchsetzung“; in: Class Ac­ tions, S.  4. 67  Krüger Kartellregress, S.  23. 68  Bach FS Canenbley, S.  15, 16. 69  Hempel Privater Rechtsschutz, S.  239; Logemann Schadensersatz, S.  34; Linder Privat­ klage, S.  57; Witthuhn Private Klage, S.  100; Mailänder Privatrechtliche Folgen, S.  12; Müller-Laube Privater Rechtsschutz, S.  11; Bien NZKart 2013, 481. 70  Milde Schutz des Kronzeugen, S.  50 f.; Becker in: Augenhofer, Europäisierung, S.  15, 25; Bulst Bucerius Law Journal 2008, 81; Komninos CompLRev (2006) 3(1), 5, 10 f. 71  Denoth Kronzeugenregelung, S.  236; Wagner-von Papp EWS 2009, 445, 452. 72 Siehe Schroll Kronzeugenprogramme, S.  156 Fn.  723; Hetzel Kronzeugenregelung, S.  288. 73  http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/zuckerkartell-schadensersatz-klagewelle/ (abge­ rufen am 14.3.2018). 74  Logemann Schadensersatz, S.  33; Alexander Schadensersatz, S.  301; Linder Privatklage, S.  46 ff. 75  Hempel Privater Rechtsschutz, S.  239; Logemann Schadensersatz, S.  33 f.

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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dingt nicht möglich, jeden einzelnen Fall zu verfolgen, besteht bei einem Neben­ einander von Public und Private Enforcement für sie die Möglichkeit, ihren Fo­ kus auf die Sachverhalte zu richten, die volkswirtschaftlich von größerer Bedeu­ tung sind.76 Bei nicht geahndeten Fällen können die Betroffenen dem Kartellrecht immerhin mittels privatrechtlicher Klage – wenn auch nicht gleichermaßen ef­ fektiv – zur praktischen Wirksamkeit verhelfen.77 Insgesamt hat in Deutschland wie in den anderen Mitgliedstaaten die Zahl der Schadensersatzklagen gegen Kartellanten in den letzten Jahren erheblich zuge­ nommen.78 Regelmäßig werden die Klagen als sog. Follow-on-Klagen, also im Nachgang zur behördlichen Entscheidung und Belegung mit Bußgeldern, erho­ ben, seltener ohne vorangegangene Ermittlungen als sog. Stand-alone-Klagen.79 Da sich die Kronzeugenregelungen in ihrer Anwendbarkeit auf horizontale Ver­ stöße gegen Art.  101 AEUV und dieser Norm entsprechende nationale Vorschrif­ ten beschränken, bezieht sich die folgende Darstellung speziell auf den Kreis der Schadensersatzberechtigten bei derartigen Verstößen.80 Schadensersatzklagen wegen vertikaler Vereinbarungen sind in der Praxis ebenso selten wie Klagen wegen Verstoßes gegen Art.  102 AEUV.81

II.  Spezieller kartellrechtlicher Anspruch Gestützt wurden die Schadensersatzbegehren bislang auf die eigene kartellrecht­ liche Anspruchsgrundlage in §  33 Abs.  3 GWB a. F., die im Zuge der 9. GWBNovelle durch den regelungsgleichen §  33a Abs.  1 GWB ersetzt wurde.82 §  33 Abs.  3 GWB a. F. sah seit der 7. GWB-Novelle von 2005 erstmals einen eigenen kartellrechtlichen Schadensersatzanspruch für Verstöße gegen europäisches Kartellrecht vor.83 Bis dahin konnte deliktischer Schadensersatz aufgrund von Verstößen gegen Art.  101 AEUV lediglich über §  823 Abs.  1 BGB wegen Ein­ Bundeskartellamt Private Kartellrechtsdurchsetzung, S.  3; Hempel Privater Rechts­ schutz, S.  239; Nietsch in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  9, 14; Canenbley/Steinvorth FS FIW, S.  143, 151; Böge/Ost E.C.L.R. 2006, 197. 77  Alexander Schadensersatz, S.  302; Nietsch in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  9, 14; Canenbley/Steinvorth FS FIW, S.  143, 151. Vgl. auch Tilmann GRUR 1979, 825, 829. 78  Siehe dazu oben Einführung Fn.  6 sowie Kap.  1 Fn.  66. 79 Schettgen-Sarcher/Bachmann/Schettgen/Heinichen Compliance Officer, S.  75. Vgl. auch Zimmer/Höft ZGR 2009, 662, 685. Zur Sachaufklärung bei Follow-on-Klagen und Stand-­ alone-Klagen siehe Logemann Schadensersatz, S.  79–87. 80  Zum Kreis der Schadensersatzberechtigten bei Vertikalvereinbarungen siehe Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  61 ff. 81  Schweitzer NZKart 2014, 335, 336. 82  Vgl. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  55. 83  Logemann Schadensersatz, S.  219. 76 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

griffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. der kartellrechtlichen Verbotsnorm erlangt werden, die nun beide durch den lex specialis-Grundsatz verdrängt werden.84 Der eigene kartellrechtli­ che Anspruch des §  33 GWB a. F. wurde insbesondere geschaffen, um den Vor­ gaben der Courage-Entscheidung des EuGH nachzukommen.85 Die Norm schreibt vor, dass Unternehmen, die vorsätzlich oder fahrlässig86 einen Verstoß gegen europäisches oder nationales Kartellrecht begehen, für sämtliche aus der Zuwiderhandlung entstandenen Schäden haften. Angesichts der Geltung von na­ tionalem Recht für die private Rechtsverfolgung sind die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung für Verstöße gegen nationales wie europäisches Kar­ tellrecht identisch.87

III.  Kreis der Schadensersatzberechtigten 1.  Betroffenheit vom Kartellverstoß In Anbetracht der Schadensersatzforderungen ist für die Kartellanten von ent­ scheidender Relevanz, wer ihnen gegenüber jeweils anspruchsberechtigt ist. §  33a Abs.  1 GWB trifft dazu keine ausdrückliche Regelung. Insofern gilt der allgemein anerkannte Grundsatz, dass aktivlegitimiert ist, wer vom Kartell­ rechtsverstoß betroffen ist.88 Betroffen ist nach §  33 Abs.  3 GWB, der trotz seiner systematischen Stellung auch auf den nun in §  33a GWB geregelten Schadenser­ satzanspruch anzuwenden ist, wer als Mitbewerber oder sonstiger Marktbeteilig­ ter durch den Verstoß beeinträchtigt ist. Unternehmer, die mit einem oder mehre­ ren Kartellanten als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen

84 FrankKomm/Roth 49. Lfg., §  33 GWB Rn.  195 f.; Immenga/Mestmäcker/Emmerich §  33 GWB Rn.  113; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33 GWB Rn.  26; Logemann Schadenser­ satz, S.  43 f. Vgl. auch Schmid ZIP 1983, 652, 653; Neef Kartellrecht, Rn.  351. 85  BReg Gesetzentwurf zur 7. GWB-Novelle, BT-Drs. 15/3640, S.  53. Siehe auch Kling/ Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  36. 86  Die Richtlinie trifft keine Vorgaben hinsichtlich des Verschuldens. Laut Erw.Gr. 11 ­SE-RL können die Mitgliedstaaten in ihrem Recht vorgesehene Voraussetzungen für den Scha­ densersatzanspruch „wie etwa Zurechenbarkeit, Adäquanz oder Verschulden“ beibehalten. §  33a Abs.  1 GWB steht folglich im Einklang mit der Richtlinie. 87 Vgl. Wurmnest RIW 2003, 896. Ein eigener europarechtlicher Schadensersatzanspruch bei Kartellverstößen wird von der h.M. zu Recht abgelehnt, siehe Bulst Schadensersatzansprü­ che, S.  199 ff. m. w. N.; ferner Arnull/Chalmers/Jones European Union Law, S.  662. 88 Immenga/Mestmäcker/Emmerich §  33 GWB Rn.  10.

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen,89 zählen damit zum Kreis der Ersatzberechtigten.90 Weniger eindeutig ist, wer sonstiger Marktbeteiligter ist. Klarheit schafft insoweit die Definition des Geschädigtenbegriffs in Art.  2 Nr.  6 SE-RL, die im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung des kartell­ rechtlichen Schadensersatzanspruchs heranzuziehen ist. Der Richtlinie zufolge ist jede Person geschädigt, die einen durch eine Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat. Der Kreis der Schadenser­ satzberechtigten ist demnach aus Sicht der Kartellanten nachteilig weit gefasst und schließt von vornherein keine potentielle Klägergruppe von der Geltendma­ chung aus, so dass Marktteilnehmer auf verschiedenen Marktstufen abstrakt schadensersatzberechtigt sind.91 Dennoch sind nicht „Gott und die Welt“ ak­tiv­ legitimiert,92 vielmehr lassen sich die Berechtigten bei Verstößen gegen Art.  101 AEUV in wenige übergeordnete Klägergruppen zusammenfassen, deren jeweili­ ge Chancen sich hinsichtlich einer erfolgreichen Schadensersatzklage deutlich unterscheiden. 2.  Direkte Geschäftspartner Die Aktivlegitimation direkter Abnehmer und Lieferanten war lange Zeit um­ stritten. Überwiegend wurde angenommen, dass sie nur in den Schutzbereich der Norm fallen, wenn sich die Kartellvereinbarung gezielt gegen sie richtet.93 Nach der Courage-Entscheidung des EuGH war diese enge Auslegung der Aktivlegiti­ mation aber nicht mehr zu halten: Danach ist jedermann betroffen, der durch die wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung einen Schaden erlitten hat und deshalb durch den Kartellverstoß beeinträchtigt ist.94 Zum Kreis der potentiellen Ersatz­ berechtigten zählen damit jedenfalls die Angehörigen der unmittelbaren Markt­

89 

Mangels eigener Definition ist §  2 Abs.  1 Nr.  3 UWG entsprechend heranzuziehen, siehe Immenga/Mestmäcker/Emmerich §  33 GWB Rn.  12; Häfele Kronzeugenregelung, S.  41. A.A. Alexander Schadensersatz, S.  354 f. 90  BGH NJW 1975, 1223, 1225 – Krankenhauszusatzversicherung; BGH NJW 1986, 1877, 1879 – Abwehrblatt II; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33 GWB Rn.  28; Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  48. 91 Vgl. Mestmäcker/Schweitzer Europäisches Wettbewerbsrecht, §  23 Rn.  37; Meeßen Schadensersatz, S.  166. 92 Vgl. http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-konsumgueter/nordzucker-sued zucker-pfeifer-und-langen-bittere-zeiten-fuer-das-zuckerkartell/12230084.html (abgerufen am 14.3.2018). 93  BGH NJW 1984, 2819, Ls. 1 – Familienzeitschrift. Siehe auch Immenga/Mestmäcker/ Emmerich §  33 GWB Rn.  17 m. w. N. sowie Rittner/Dreher Wirtschaftsrecht, §  23 Rn.  142. 94  EuGH v. 20.9.2001, Rs. C-453/99, ECLI:EU:C:2001:465, Tz.  26 – Courage.

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

gegenseite.95 Dies hat der BGH in seiner ORWI-Entscheidung für das deutsche Recht bestätigt.96 Ob die direkten Abnehmer und Lieferanten ihre Schadensersatzansprüche tat­ sächlich durchsetzen können, hängt in erster Linie vom erfolgreichen Nachweis des ihnen entstandenen Schadens ab.97 Dem allgemeinen Grundsatz folgend tra­ gen sie für das Bestehen eines kausalen Schadens die Darlegungs- und Beweis­ last.98 Gemäß §  33a Abs.  2 GWB n. F. wird bei einem Hardcore-Kartell99 aber widerleglich vermutet, dass es einen Schaden verursacht hat.100 Ist kein Schaden entstanden, müssen dies die Kartellanten substantiiert darlegen.101 Die Vermu­ tung bezieht sich indes nur auf das „Ob“ der Schadensentstehung, hinsichtlich der Höhe des entstandenen Schadens entfaltet sie keine Wirkung.102 Insoweit bleibt es bei der allgemeinen Darlegungs- und Beweislast des Geschädigten, die von ihm einen vollen Nachweis der nach der Differenzhypothese eingetretenen unfreiwilligen Vermögenseinbußen erfordert. Weil die hierbei zugrunde gelegte hypothetische Lage im Kartellrecht regelmäßig nicht genau bestimmbar ist, reicht es hierfür jedoch aus, wenn der Geschädigte dem Gericht genügend Tatsa­ chen darlegt und beweist, damit dieses gemäß §  33a Abs.  3 S.  1 GWB i. V. m. §  287 ZPO den Schaden schätzen kann, ohne dass die Schätzung völlig willkür­ lich wäre.103 Nach §  33a Abs.  3 S.  2 GWB kann das Gericht hierbei auch den Gewinn berücksichtigen, den der Kartellbeklagte durch den Verstoß erlangt hat.

Meeßen Schadensersatz, S.  222 f. BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Tz.  11 – ORWI. 97  Vgl. Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  233. 98  Siehe zu §  33 GWB a. F. Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  51. 99  Als Hardcore-Kartelle werden besonders schädliche Kartelle bezeichnet, die allein darauf abzielen, den Wettbewerb zu beschränken, um die Marktmacht der an ihnen beteiligten Unter­ nehmen zu steigern, und daher in jedem Fall unzulässig sind, siehe Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl.  C 298/17 v. 8.12.2006, Rn.  1; Wiedemann/Ewald Kartellrecht, §  7 Rn.  94; Kapp Kartellrecht, S.  62. Zur Schädlichkeit von Hardcore-Kartellen siehe unten S.  27. 100 Vgl. Klumpe/Thiede NZKart 2017, 332, 334. §  33a Abs.  2 GWB setzt Art.  17 Abs.  2 SERL um, RegE BT-Drs. 18/10207, S.  55. 101  Stancke/Weidenbach/Lahme/Dethof/Hartmannsberger Schadensersatzklagen, Rn.  688. 102  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  55; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33a GWB Rn.  24; Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1029; Lettl WM 2016, 1961. Eine weitergehende Vermutung zugunsten konkreter Schadensbeträge würde die Schädiger auch über Gebühr belasten, siehe Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1029. 103  Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1029; Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 699; Makatsch/ Mir EuZW 2015, 7, 8. Siehe auch st. Rspr., BGH NJW 2015, 934, 937. 95  96 

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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3.  Indirekte Geschäftspartner a.  Betroffenheit der weiteren Marktstufen Nicht weniger umstritten als die Aktivlegitimation der Angehörigen erster Markt­ stufe war die Aktivlegitimation der Angehörigen weiter entfernter Marktstufen. Sie wurde teilweise mit der Begründung verneint, dass die Zahl der Klagen an­ sonsten praktisch kaum abschätzbar werde und sich erhebliche Schwierigkeiten bei der Schadensberechnung ergäben.104 Mittelbar Geschädigte sollten daher kei­ nen Schadensersatzanspruch wegen Kartellverstoßes geltend machen können.105 Auf den ersten Blick erscheint dieser Umstand nicht unbillig. Indirekten Ab­ nehmern und Lieferanten entsteht durch die Zuwiderhandlung regelmäßig kein unmittelbarer Schaden.106 Eine Betroffenheit wäre folglich abzulehnen. In etli­ chen Fällen wird der kartellbedingte Schaden eines Angehörigen erster Markt­ stufe aber auf die anderen Marktstufen abgewälzt, sog. Passing-on,107 wodurch auch die Angehörigen nachgelagerter Marktstufen unfreiwillige Vermögensein­ bußen erleiden. Ebenso können die Wirkungen eines Kartells vorgelagerte Marktstufen erfassen.108 Erhöhen sich die Preise der Waren und Dienstleistungen durch die Kartellvereinbarung dermaßen, dass auf den nachgelagerten Märkten die Bezugsmengen zurückgehen, sinkt grundsätzlich die Liefermenge der vorge­ lagerten Lieferanten.109 Geht infolgedessen auch bei den indirekten Lieferanten der Absatz zurück, so erleiden sie einen Schaden in Form von entgangenem Ge­ winn i. S. d. §  252 BGB.110 Nach der Courage-Rechtsprechung des EuGH kann es bei einer bestehenden Beeinträchtigung keinen Unterschied machen, ob der Marktteilnehmer der ersten oder einer weiteren Marktstufe angehört.111 Diesem weiten Verständnis hat sich der BGH im Jahr 2011 in seinem grundlegenden ORWI-Urteil angeschlossen: Es ließe sich nicht mit der Zielsetzung von Art.  101 AEUV vereinbaren, wenn nur die erste Marktstufe bei einem kartellbedingten Schaden ersatzberechtigt wä­ 104  Baur EuR 1988, 257, 266. Vgl. auch LG Mannheim GRUR 2004, 182, 183 f. – Vitaminkartell; LG Mainz WuW/E DE-R 1349, 1350 – Vitaminpreise Mainz. 105 Vgl. Baur EuR 1988, 257, 266. Ebenfalls ablehnend Dittrich GRUR 2009, 123, 128. 106 Vgl. Köhler GRUR 2004, 99, 100. 107  Logemann Schadensersatz, S.  404; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  64; Schweitzer Schadensersatz, S.  18; Drexl FS Canaris, S.  1339, 1354; Kießling GRUR 2009, 733, 735. 108  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  66. 109  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  66. 110  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  66. 111  Zu diesem Ergebnis kommen u. a. Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Jaeger Art.  101 Abs.  2 Rn.  42 f.; Emmerich Kartellrecht, §  7 Rn.  9; Lettl Kartellrecht §  11 Rn.  51; Brinker/Balssen FS Bechtold, S.  69, 80; Basedow ZWeR 2006, 294, 302; Bulst ZEuP 2008, 178, 187 ff.; Keßler WRP 2006, 1061, 1069; Schütt WuW 2004, 1124, 1128 f.

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

re.112 Nur weil es zu Beweisschwerigkeiten kommen kann, dürften indirekte Ver­ tragspartner nicht von vornherein vom Kreis der Anspruchsberechtigten ausge­ nommen werden.113 Diese Linie wird in der Schadensersatzrichtlinie fortgeführt. Art.  12 Abs.  1 SE-RL bestimmt ausdrücklich, dass auch mittelbare Abnehmer eines Rechtsver­ letzers Schadensersatz verlangen können. In Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH und der Judikatur des BGH ist diese Vorgabe in Deutschland als bloße Klarstellung der gefestigten „Jedermann“-Rechtsprechung zu behandeln. b.  Vermutung der Schadensabwälzung Zwischen der Anspruchsberechtigung direkter und indirekter Abnehmer besteht aufgrund der Schadensweitergabe eine Art „Wechselwirkung“.114 Dass die erste Marktstufe ihren Schaden abgewälzt hat, ist für die Angehörigen der nachgela­ gerten Marktstufen jedoch oft schwierig nachzuweisen.115 Der durch die 9. GWB-Novelle zur Umsetzung von Art.  14 Abs.  2 SE-RL eingefügte §  33c Abs.  2 GWB enthält daher eine widerlegbare Vermutung zugunsten eines mittelbaren Abnehmers.116 Diese soll verhindern, dass er bei der Geltendmachung seiner Schäden gegenüber direkten Abnehmern schlechter gestellt ist und u. U. keine ausreichende Kompensation seiner Schäden erlangt. Folglich wird zugunsten ei­ nes mittelbaren Abnehmers vermutet, dass der Preisaufschlag auf ihn abgewälzt wurde, wenn der Rechtsverletzer einen Kartellverstoß im Sinne der Norm began­ gen hat, der Verstoß einen Preisaufschlag zur Folge hatte und der mittelbare Ab­ nehmer die kartellbefangenen Waren oder Dienstleistungen unmittelbar oder mittelbar erworben hat.117 Diese Vermutung nimmt den Geschädigten ebenso wie die Schadensvermutung in §  33a Abs.  2 GWB zunächst ab, die Schadensentste­ hung zu beweisen.118 Den indirekten Abnehmern obliegt damit nur der Beweis der konkreten Schadenshöhe.119

BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Ls. 1, Tz.  16 f. – ORWI. BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Tz.  27 – ORWI. Siehe dazu auch Fritzsche/Klöppner/ Schmidt NZKart 2016, 412, 417. 114  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  65. 115  Schweitzer Schadensersatz, S.  24. 116  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  57; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33c GWB Rn.  49; Berg/Mäsch/Mäsch §  33c GWB Rn.  9. 117 Berg/Mäsch/Mäsch §  33c GWB Rn.  9–13; Fritzsche NZKart 2017, 630, 632. 118  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  57; Fritzsche NZKart 2017, 630, 631; Thomas ZHR 180 (2016), 45, 61. 119 Berg/Mäsch/Mäsch §  33c GWB Rn.  9; Lettl WM 2016, 1961, 1962. 112  113 

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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Indes soll der neue §  33c Abs.  2 GWB nicht den Schädigern, sondern allein der Anspruchsdurchsetzung der Geschädigten dienen.120 Die Kartellanten selbst können sich folglich nicht auf die Vermutung berufen, wenngleich es ihnen frei­ steht, sie gemäß §  33c Abs.  3 GWB zu widerlegen.121 Dafür reicht die Erschütte­ rung der Vermutung, indem der Schädiger Tatsachen glaubhaft macht, welche die Schadensabwälzung zumindest teilweise ausschließen; ein Vollbeweis der Tatsachen wird den Kartellanten entgegen dem Grundsatz des §  292 ZPO gerade nicht abverlangt.122 Damit es durch die private Anspruchsdurchsetzung zwar zu einer vollständi­ gen, nicht aber zu einer Überkompensation der kartellbedingten Schäden kommt, dürfen diese, wie es Art.  12 Abs.  2 SE-RL vorsieht, nur dort kompensiert werden, wo sie letztlich verbleiben.123 Schließlich soll die in §  33c Abs.  2 GWB veranker­ te Vermutung keine ungerechtfertigte Mehrfachbelastung der Kartellanten her­ beiführen. Daher regelt der neu eingefügte §  33c Abs.  1 S.  2 GWB, dass ein An­ gehöriger der Marktgegenseite keinen Ersatz für einen Schaden verlangen kann, den er über einen kartellbedingten Preisaufschlag an seine Abnehmer weiterge­ geben hat. In diesem Fall kann er nur, sofern er einen solchen Schaden erlitten hat, gemäß §  33c Abs.  1 S.  3 GWB seinen entgangenen Gewinn geltend machen. Die gesetzlichen Neuregelungen gehen – den Richtlinienvorgaben entspre­ chend – hinsichtlich des Passing-on einen zur ORWI-Rechtsprechung des BGH konträren Weg.124 Ihr zufolge lag der Fokus der Anspruchsdurchsetzung nicht auf den nachgelagerten, sondern klar auf der ersten Marktstufe.125 Der Schädiger konnte den Einwand der Schadensabwälzung (sog. Passing-on-defence) nur dann geltend machen, wenn er darlegen und beweisen konnte, dass die Weiterga­ be der Preiserhöhung an den Abnehmer ohne Kompensation, etwa durch Nach­ fragerückgang, erfolgt ist.126 Hierauf kommt es seit der Novellierung des GWB 120 

RegE BT-Drs. 18/10207, S.  57. Lettl WM 2016, 1961, 1962 f. 122  RefE des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, abrufbar unter https://www. bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/neunte-gwb-novelle.pdf?__blob=publicationFi le&v=2, S.  57 (abgerufen am 14.3.2018); Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33c GWB Rn.  63; Lettl WM 2016, 1961, 1963; Fritzsche NZKart 2017, 630, 632. Entgegen seinem Wort­ laut wird §  33c Abs.  2 GWB daher z.T. auch als gesetzlich geregelter Anscheinsbeweis angese­ hen, siehe Fritzsche NZKart 2017, 630, 632 und bereits zur Vorgabe in Art.  14 Abs.  2 SE-RL Schweitzer NZKart 2014, 335, 338. 123  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33c GWB Rn.  62; Fuchs FS Bornkamm, S.  159, 162; Haus/Serafimova BB 2014, 2883, 2884. 124  Vgl. Kersting/Podszun/Kersting 9. GWB-Novelle, Kap.  7 Rn.  79; Schweitzer NZKart 2014, 335, 338. 125 Immenga/Mestmäcker/Emmerich §  33 GWB Rn.  67; Makatsch/Mir EuZW 2015, 7, 12; Schweitzer NZKart 2014, 335, 338. 126  BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Tz.  69 – ORWI. 121 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

nicht mehr an: Unter der Prämisse, dass der Schaden regelmäßig weitergegeben wird, wird eine erschwerte Anspruchsdurchsetzung für die unmittelbaren Abneh­ mer in Kauf genommen.127 4.  Vertragspartner von Kartellaußenseitern Ein Kartell besteht nicht zwangsläufig aus allen Unternehmen, die einem rele­ vanten Markt zuzuordnen sind.128 Gerade bei Oligopolen kann es für die Unter­ nehmen gewinnbringend sein, sich nicht an einer Kartellabsprache zu beteili­ gen.129 Die Vereinbarung der Kartellanten kann sich dennoch auf den gesamten Markt auswirken.130 Reduzieren die Kartellanten beispielsweise ihren Absatz oder erhöhen sie die Preise, kann dies zu unterschiedlichen Reaktionen der Wett­ bewerber führen.131 Gelingt es den Wettbewerbern, ihre Produktion dermaßen zu erhöhen, dass der Rückgang der Waren- bzw. Dienstleistungsmenge ausgegli­ chen wird, steigt der Marktpreis nicht.132 Kommt dem Kartell aber ein hoher Marktabdeckungsgrad zu und können die Wettbewerber den Rückgang nicht ausgleichen, wirkt sich die Absprache regelmäßig auf das gesamte Preisniveau am relevanten Markt aus.133 In der Folge werden die Kartellaußenseiter ihre Preise autonom dem Marktni­ veau anpassen, so dass Kunden, die ausschließlich Waren von den Kartellaußen­ seitern beziehen, steigende Ausgaben zu verzeichnen haben.134 Solche Preisän­ derungen außenstehender Unternehmen, die eine Reaktion auf die vom Kartell verursachten Marktbedingungen darstellen, werden als Preisschirmeffekte oder Umbrella Pricing bezeichnet.135 Entstehen durch die Preisanpassung der „Tritt­

127  Schweitzer NZKart 2014, 335, 338; Makatsch/Mir EuZW 2015, 7, 12; auch Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 700. 128  Pauer WuW 2015, 14, 16. 129  Pauer WuW 2015, 14, 16; vgl. Wiedemann/Ewald Kartellrecht, §  7 Rn.  94. 130  Stancke/Weidenbach/Lahme/von Hinten-Reed/Wandschneider Schadensersatzklagen, Rn.  1015. 131  Logemann Schadensersatz, S.  237. 132  Logemann Schadensersatz, S.  237. 133  Stancke/Weidenbach/Lahme/von Hinten-Reed/Wandschneider Schadensersatzklagen, Rn.  1017; Logemann Schadensersatz, S.  237; Blair/Durrance in: Collins, Competition Law, S.  2349 f.; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  306; Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57. 134  Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57; Stöber EuZW 2014, 257; Hartmann-Rüppel/ Schrader ZWeR 2014, 300, 312 f. 135 Grabitz/Hilf/Nettesheim/Deselaers 56. Lfg., Art.  102 AEUV Rn.  401. Vgl. ferner Coppik/Haucap WuW 2016, 50; Spangler NZBau 2015, 149.

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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brettfahrer“136 im „Schatten des Kartells“137 für die Kunden Schäden, handelt es sich folglich um Preisschirmeffektschäden.138 Da die Anpassung der Preise an das kartellbedingte Marktniveau ein wettbe­ werbskonformes Verhalten darstellt, haben sich die Kartellaußenseiter selbst nicht schadensersatzpflichtig gemacht.139 Den Kunden bleibt nur eine Inan­ spruchnahme der kartellbeteiligten Unternehmen. Ob diese auch für Preis­schirm­ effektschäden haften, war lange Zeit umstritten und höchstrichterlich unge­ klärt.140 Dass es sich bei den Abnehmern von Kartellaußenseitern ebenso um Zugehörige zur Marktgegenseite handelt und sie daher auch Marktbeteiligte im Sinne des Gesetzes sind, spricht für eine Bejahung ihrer Anspruchsberechti­ gung.141 Allerdings muss die wettbewerbswidrige Handlung auch kausal für den entstandenen Schaden sein.142 Dass dies bei Preisschirmeffekten der Fall sei, wurde z.T. stark angezweifelt. So war im Schrifttum die Ansicht verbreitet, dass die Preisfestsetzung den Kartellbeteiligten nicht zugerechnet werden könne, da sie letztlich auf einer autonomen Entscheidung des Kartellaußenseiters beru­ he.143 Durch die autonome Preisfestsetzung fehle es an einem adäquat-kausalen Zusammenhang, weshalb die Schäden nicht mehr dem Schutzzweck des verletz­ ten Kartellverbots unterfielen.144 Der BGH bejaht einen adäquat-kausalen Zusammenhang aber auch dann, „wenn das Ereignis im allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen“.145 Die entscheidende Frage hinsichtlich der Haftung für Preisschirmeffektschäden lautet damit, ob der Preisanstieg ein solches „normale[s] und grundsätzlich vor­ hersehbare[s]“ Resultat des Kartellverstoßes darstellt.146

Logemann Schadensersatz, S.  237. Böni EWS 2014, 324, 329. Auch als „Windschatten“ bezeichnet, siehe Meeßen Scha­ densersatz, S.  256; Spangler NZBau 2015, 149. 138  Auch Preisschirmschäden genannt, siehe Logemann Schadensersatz, S.  237. 139  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  319; Logemann Schadensersatz, S.  237. 140 Siehe Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ohlhoff Kartellverfahren, §  26 Rn.  136; Logemann Schadensersatz, S.  237 f.; Stöber EuZW 2014, 257. 141  Logemann Schadensersatz, S.  238. 142  Logemann Schadensersatz, S.  238; Meeßen Schadensersatz, S.  336. 143  Alexander Schadensersatz, S.  388 f.; Bulst Schadensersatzansprüche, S.  255. Siehe auch Meeßen Schadensersatz, S.  257. 144  Alexander Schadensersatz, S.  388 f.; Bulst Schadensersatzansprüche, S.  255. 145  BGH NJW 1995, 126, 127. Siehe auch BGH NJW 1998, 138, 140; BGH NJW 2005, 1420, 1421; in Bezug zum Preisschirmeffekt gebracht von Stöber EuZW 2014, 257, 259. 146  Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57. 136  137 

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1. Kapitel: Grundlagen des Private Enforcement

In einem Preiskartell entsteht durch die erhöhten Preise der Kartellanten zu­ nächst ein Preisgefälle zu den übrigen Wettbewerbern, da diese weiterhin die ursprünglichen günstigeren Marktpreise verlangen.147 Dies reizt die Kunden der Kartellanten, zu den Kartellaußenseitern zu wechseln, weshalb sich die Nachfra­ ge auf die Kartellaußenseiter verlagert.148 Infolge der starken Nachfrage erhöhen die Außenseiter wiederum ihre Preise und ihr Preisniveau gleicht sich an das von den Kartellanten festgesetzte Niveau an.149 Der Effekt ist umso stärker, je gerin­ ger die Marktanteile der Kartellaußenseiter und je homogener die Produkte sind.150 Da die Preiserhöhung aus ökonomischer Sicht als typischer Markteffekt und nicht als willkürliche Entscheidung des Unternehmens einzuordnen ist, kann sie nicht als außergewöhnliche Folge des Kartells angesehen werden.151 Viel­ mehr ist der Preisschirmeffekt bei einer Kartellbildung hinreichend wahrschein­ lich und gewöhnlich.152 Hiergegen spricht auch nicht, dass die Preisfestsetzung in gewisser Weise auf die freie Willensentscheidung des Kartellaußenseiters zu­ rückzuführen ist, da freie Willensentscheidungen den Zurechnungszusammen­ hang nicht ausschließen.153 Die Zurechnung erfolgt auch dann, wenn die Kartel­ lanten durch ihr Handeln ein gesteigertes Risiko für eine entsprechende Preis­ festsetzung der Konkurrenten geschaffen haben.154 Da eine Anpassung der Preise als gewöhnlich anzusehen ist,155 ist ein solches gesteigertes Risiko angesichts der von Preiskartellen ausgehenden Markteffekte zu bejahen. Dass die Anspruchsberechtigung von Preisschirmeffektgeschädigten nicht ka­ tegorisch ausgeschlossen sein kann, hat der EuGH in seiner Kone-Entscheidung klargestellt.156 Abnehmer von Kartellaußenseitern zählen damit grundsätzlich zum Kreis der Schadensersatzberechtigten.157 Allerdings müssen die Geschädig­ ten für eine erfolgreiche Geltendmachung einerseits darlegen und beweisen, dass Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57 Fn.  129. Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57 Fn.  129; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ohlhoff Kar­ tellverfahren, §  26 Rn.  134; Inderst/Maier-Rigaud/Schwalbe WuW 2014, 1043, 1044. 149  Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57 Fn.  129; Blair/Maurer 1982 Utah L.Rev., 763, 770 ff.; Fuchs FS Bornkamm, S.  159, 162 ff. 150 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ohlhoff Kartellverfahren, §  26 Rn.  135; Pauer WuW 2015, 14, 17. 151  Logemann Schadensersatz, S.  238; Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  57; Inderst/ Maier-Rigaud/Schwalbe WuW 2014, 1043, 1045; Stöber EuZW 2014, 257, 259. 152  Beth/Pinter WuW 2013, 228, 231 ff.; Stöber EuZW 2014, 257, 259. 153  Siehe BGH NJW 2011, 2649 Tz.  26; in Bezug auf Preisschirmeffekte Stöber EuZW 2014, 257, 259. 154 Staudinger/Schiemann §  249 BGB Rn.  58 ff. Vgl. Stöber EuZW 2014, 257, 259. 155  Fuchs FS Bornkamm, S.  159, 169. 156  EuGH v. 5.6.2014, Rs. C-557/12, EU:C:2014:1317, Tz.  22 – Kone. 157  Vgl. EuGH v. 5.6.2014, Rs. C-557/12, EU:C:2014:1317, Tz.  22 – Kone. Dieser Ansicht sind auch Dreher EWiR 2014, 499, 500; Hartmann-Rüppel/Schrader ZWeR 2014, 300, 315 f. 147  148 

C.  Bedeutung von Schadensersatzklagen

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die Zuwiderhandlung im konkreten Fall zu Preisschirmeffekten geführt hat, und andererseits, dass die Effekte auch den Kartellmitgliedern nicht verborgen blei­ ben konnten.158

EuGH v. 5.6.2014, Rs. C-557/12, EU:C:2014:1317, Tz.  34 – Kone. Siehe auch Spangler NZBau 2015, 149. Der Ansicht, dass der EuGH im Regelfall von einer Kausalität ausgehen wird, sind jedenfalls Kolb GWR 2014, 395 und Zöttl EuZW 2014, 586, 589. 158 

2. Kapitel

Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen A.  Bedeutung für Kartellaufdeckung Das Ziel des Kartellrechts ist die Schaffung und Erhaltung eines unverfälschten Wettbewerbs.1 Die Erreichung dieses Ziels wird von den Marktteilnehmern aber immer wieder selbst gefährdet.2 Insbesondere horizontale Hardcore-Kartelle stellen eine schwerwiegende Bedrohung für das wettbewerbliche Marktsystem dar, indem sie den Wettbewerb vollständig ausschalten und keine positiven Ef­ fekte erzeugen.3 Europaweite Hardcore-Kartelle verursachen bei ihren Abneh­ mern jährlich Schäden in einer Höhe von 13 bis 37 Mrd.  €; rechnet man rein nationale Kartelle hinzu, steigt die Schadenssumme auf 25 bis 69 Mrd.  €.4 Aus ökonomischer Sicht ist es daher notwendig, die schädlichen Kartelle möglichst ex ante zu verhindern. Dafür müssen bereits erfolgte Zuwiderhandlun­ gen hinreichend geahndet werden. Erster Schritt der Ahndung ist die Identifizie­ rung und Aufdeckung der Kartelle. Da die Kartellopfer ihre Schädigung aber nur in den seltensten Fällen selbst bemerken und sich die Aufdeckung aufgrund blo­ ßer Marktbeobachtungen für die Behörden äußerst schwierig gestaltet, ist bereits dieser Teil der Kartellverfolgung sehr anspruchsvoll.5 Mit der Aufdeckung des Kartells endet die behördliche Arbeit allerdings noch nicht. Im zweiten Schritt muss den Kartellanten der Verstoß nachgewiesen werden.6 Erst dann können sie mit einem abschreckenden Bußgeld belegt werden. Die hierfür erforderlichen Beweismittel erlangen die Behörden ebenfalls nur mühsam. Schließlich sind die Kartellbeteiligten regelmäßig nicht nur daran interessiert, das Ziel ihrer Abspra­

Emmerich Kartellrecht, §  3 Rn.  1 f. Fiedler Class Actions, S.  2. 3  Kling/Thomas Kartellrecht, §  5 Rn.  109; Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  27; OECD Hard Core Cartels, S.  5. 4  Arbeitspapier zum Impact Assessment, SWD(2013) 203 final, S.  22. Siehe auch Fiedler Class Actions, S.  2 f. 5 Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann vor §  81 GWB Rn.  238; Möschel JZ 2000, 61, 63; Ohle/Albrecht WRP 2006, 866. Siehe auch Wiesner Kronzeuge, S.  57. 6 Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann vor §  81 GWB Rn.  291. 1  2 

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

che zu erreichen, sondern auch daran, das Kartell möglichst lange geheim zu halten, um weiter die Vorteile der Wettbewerbsbeschränkung zu genießen.7 Den Wettbewerbsbehörden gelingt eine ergebnisreiche Kartellverfolgung da­ her oft nur mit Hilfe der Kartellmitglieder.8 Diese müssen den über dem Kartell liegenden „Mantel des Schweigens“9 durchbrechen und den Behörden den Kar­ tellverstoß offenbaren. Da eine Kooperation der Unternehmen mit den Behörden aber nur sehr selten aus eigenem Antrieb erfolgt, müssen den Kartellmitgliedern entsprechende Anreize zur Zusammenarbeit mit den Behörden geboten wer­ den.10 Auf europäischer wie nationaler Ebene erfolgt dies durch Kronzeugenpro­ gramme, welche den kooperierenden Unternehmen finanzielle Vorteile im Buß­ geldverfahren versprechen, wenn sie mit den Behörden zusammenarbeiten. Wie erfolgreich diese Programme sind, zeigt sich in der Tatsache, dass in den vergangenen zehn Jahren an den meisten Fällen der Kommission mindestens ein Unternehmen als Kronzeuge beteiligt war und etwa 2/3 der Kartelle auf diese Weise aufgedeckt wurden.11 Die Kronzeugen werden folglich nicht zu Unrecht als das wesentliche und effektivste Mittel der Wettbewerbsbehörden zur Aufde­ ckung von Kartellverstößen angesehen.12 Ihre Aussagen führen seit längerer Zeit nicht bloß am häufigsten zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens der Wettbe­ werbsbehörden; ohne sie wäre eine Offenlegung und Bekämpfung der Kartelle in vielen Fällen überhaupt nicht möglich.13 Bei der Verfolgung von Hardcore-Kar­ tellen spielen die Kronzeugen somit eine „Schlüsselrolle“.14

7 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Winterstein/Ceyssens/Wessely Art.  101 AEUV Rn.  372; Whish/Bailey Competition Law, S.  295; Zingales CompLRev (2008) 5 (1), 5, 7. 8 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Winterstein/Ceyssens/Wessely Art.  101 AEUV Rn.  374; Wegner wistra 2000, 361, 366. 9  Siehe oben Einführung Fn.  3. 10  Böni EWS 2014, 324, 329 f.; Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 293. 11  Von 2007 bis 2010 basierten 19 von 26 Entscheidungen der Kommission auf der Inan­ spruchnahme des Kronzeugenprogramms, Whish/Bailey Competition Law7, S.  280 Fn.  255. Vgl. ferner Niels/Jenkins/Kavanagh Economics for Competition Lawyers, Rn.  5.88; Schwalbe/ Höft FS Möschel, S.  597, 598. 12  Meeßen Schadensersatz, S.  552; Niels/Jenkins/Kavanagh Economics for Competition Lawyers, Rn.  5.89; Soltész WuW 2005, 616. Vgl. auch Momsen/Grützner/Prechtel/Schulz Wirtschaftsstrafrecht, Kap.  7 Teil 1 Rn.  139. 13  Alexander Schadensersatz, S.  419. 14  Erw.Gr. 38 SE-RL.

B.  Risiken der Kartellaufdeckung

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B.  Risiken der Kartellaufdeckung I.  Gewicht finanzieller Risiken Die Kronzeugenprogramme gewährleisten die Funktionsfähigkeit der behördli­ chen Kartellrechtsdurchsetzung. Von großer Wichtigkeit ist daher, dass ihre At­ traktivität erhalten bleibt. Ob ein Unternehmen aber im Rahmen der Kronzeu­ genprogramme mit den Wettbewerbsbehörden zusammenarbeitet, hängt ent­ scheidend davon ab, welche finanziellen Risiken ihm durch die Kooperation entstehen und inwieweit die Programme Schutz vor diesen Risiken bieten.15

II.  Belegung mit einem Bußgeld 1.  „Klima der Unsicherheit“ Deckt die Kommission ein Kartell auf, dann droht seinen Mitgliedern regelmä­ ßig ein hohes Bußgeld. 2013 verhängte die Kommission gegen die Mitglieder des Referenzzinssätzekartells ein Bußgeld in Höhe von 1,7 Mrd.  €.16 2014 muss­ ten die Mitglieder des Wälzlagerkartells insgesamt 953 Mio.  € Bußgeld zahlen.17 Zwei Jahre später verhängte die Kommission mit 2,93 Mrd.  € ihr bisheriges Re­ kordbußgeld gegen die Kartellanten des LKW-Kartells.18 Die hohen Bußgelder machen in der Praxis die Frage, ob ein Kartellbeteiligter mit den Behörden zu­ sammenarbeitet, zu einer rein wirtschaftlichen Angelegenheit.19 Die Unterneh­ men wiegen die finanziellen Gefahren des Verbleibs im Kartell mit denen der Aufdeckung ab. Mit zunehmender Gefahr der Entdeckung steigt indes ihre Aus­ sagebereitschaft. Ursache der Abwägung ist die Belohnung, die aussagebereiten Unternehmen winkt: Die Kronzeugenprogramme der Kommission und der Mitgliedstaaten versprechen Kooperierenden eine Senkung ihrer Geldbuße.20 Je intensiver und frühzeitiger die Zusammenarbeit ausfällt, desto stärker wird das Bußgeld redu­ ziert. Unter bestimmten Umständen ist sogar ein vollständiger Bußgelderlass vorgesehen. Dass die Teilnahme an einem Kronzeugenprogramm durchaus loh­ 15  Schlussfolgerung von Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 623 f. aus International Competition Network Interaction, S.  45; Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  325. 16  http://www.tagesschau.de/wirtschaft/libor-eu100.html (abgerufen am 14.3.2018). 17  http://europa.eu/rapid/press-release_IP-14-280_de.htm (abgerufen am 14.3.2018). 18 https://ec.europa.eu/germany/news/eu-kommission-verhängt-rekordgeldbuße-von-293milliarden-euro-gegen-lkw-kartell_de (abgerufen am 14.3.2018). 19  Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  325; Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  38; Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 293; Wagner-von Papp EWS 2009, 445, 453. 20  Kapp Kartellrecht, S.  238.

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nenswert sein kann, zeigt das Hochspannungsschaltanlagenkartell: Durch Inan­ spruchnahme des europäischen Kronzeugenprogramms entging das kartellbetei­ ligte Unternehmen ABB im Jahr 2007 einer Geldbuße in Höhe von 215 Mio.  €, während die zehn Mitkartellanten insgesamt 750 Mio.  € an die Kommission zah­ len mussten.21 Die Kronzeugenprogramme zielen folglich darauf ab, durch die finanzielle Verlockung die den Kartellen naturgemäß innewohnende Instabilität22 durch das Misstrauen der Kartellmitglieder untereinander derart zu steigern, dass ein „Kli­ ma der Unsicherheit“ entsteht.23 Die Kartellbeteiligten sollen infolgedessen das Kartell selbst aufdecken und bewirken, dass die Verfahren der Wettbewerbsbe­ hörden beschleunigt werden. Durch die Zusammenarbeit mit den Kronzeugen erhoffen sich die Behörden, auf schnellem Wege an die erforderlichen Beweise zu kommen, um zur Schonung ihrer Ressourcen das Verfahren schnell zu been­ den.24 Anstatt mühsam die notwendigen Beweismittel zusammenzutragen, wer­ den ihnen die Beweise durch die Kronzeugen geliefert. Die Kartellbekämpfung der Behörden gewinnt durch die Kronzeugenprogramme daher spürbar an Dyna­ mik, was sich auch im sprunghaften Anstieg der Bußgeldeinnahmen zeigt.25 Die Programme werden somit nicht zu Unrecht als „Erfolgsgeschichte“ der Wettbe­ werbsbehörden bezeichnet.26 2.  Kronzeugenprogramm der EU-Kommission Inspiriert vom großen Erfolg des US-amerikanischen Leniency-Programms schuf die Kommission im Jahr 1996 ihr erstes eigenes Programm.27 200228 sowie 21  Kommission v. 24.1.2007, COMP/F/38.899 – Gasisolierte Schaltanlagen; Niels/Jenkins/ Kavanagh Economics for Competition Lawyers, Rn.  5.88. 22 Siehe Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  332. 23  EuGH v. 23.4.2015, Rs. C-227/14 P, EU:C:2015:258, Tz.  87 – LG Display Taiwan/Kommission; Puffer-Mariette Kronzeugenregelungen, S.  20; Heinemann FS Bieber, S.  681, 701; Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  38. 24  Puffer-Mariette Kronzeugenregelungen, S.  25 f.; Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  38 f.; Pate International Anti-Cartel Enforcement, S.  5 f.; Brinker NZKart 2013, 2, 8. 25  Brinker NZKart 2013, 2, 8. 26  Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  332; http://www.handelsblatt.com/unternehmen/ma nagement/kartelle-kronzeugenprogramm-bitte-hier-einsteigen/2993710.html; http://kartellblo g.de/wordpress/wp-content/uploads/FIW-Ferienkurs-2013-Private-Enforcement.pdf, S.  8 (je­ weils abgerufen am 14.3.2018). 27  Mitteilung der Kommission über die Nichtfestsetzung oder die niedrigere Festsetzung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl.  C 207/4 v. 18.7.1996. Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Schroeder 47. Lfg., Art.  101 AEUV Rn.  821; Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597; Korah EC Competition Law, S.  279. 28  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen im Kar­ tellrecht, ABl.  C 45/3 v. 19.2.2002.

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200629 wurde es revidiert.30 Die aktuelle Kronzeugenmitteilung honoriert die Zu­ sammenarbeit mit der Kommission bei horizontalen Hardcore-Kartellen durch Bußgelderlass und Bußgeldreduzierung. Gemäß Art.  23 Abs.  2 VO 1/200331 kann die Kommission gegen Kartellanten Bußgelder in Höhe von bis zu 10  % des gesamten Umsatzes des vergangenen Geschäftsjahres verhängen. Bei der Festsetzung der Höhe sind nach Art.  23 Abs.  3 VO 1/2003 die Schwere sowie die Dauer der Zuwiderhandlung zu berücksichtigen. Die Würdigung erfolgt dabei nach den von der Kommission 1998 erlassenen und 2006 revidierten „Leitlinien über das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen“.32 Treten die Kartellanten als Kronzeugen auf, sieht die Kommission entweder ganz von der berechneten Geldbuße ab oder setzt eine niedrigere Geldbuße an, als sich aus den Leitlinien ergäbe. Durch das Kronzeugenprogramm schränkt die Kommission selbst ihr Ermessen nach Art.  23 VO 1/2003 ein.33 Einen Bußgelderlass sieht die Kronzeugenmitteilung gemäß Rn.  8 nur für den ersten freiwillig mit der Kommission kooperierenden Kartellanten vor. Die Ur­ sache für diese zeitliche Beschränkung liegt darin, dass dem ersten Kronzeugen bei der behördlichen Kartellverfolgung eine besonders herausragende Rolle zu­ kommt. Schließlich werden meist nur seinetwegen überhaupt Ermittlungen ge­ gen das Kartell angestrengt.34 Um erster Kronzeuge zu werden, muss ein Unter­ nehmen Informationen und Beweismittel vorlegen, die es der Kommission er­ möglichen, gezielte Nachprüfungen im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Kartell durchzuführen oder im Zusammenhang mit ihm eine Zuwiderhandlung gegen Art.  101 AEUV festzustellen. Welche Anforderungen dabei genau an das Unternehmen zu stellen sind, konkretisieren die Rn.  9–12. Für einen Bußgelder­ lass muss dem Unternehmen in jedem Fall eine „Schlüsselrolle“ bei der Aufde­ 29  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kar­ tellsachen, ABl.  C 298/17 v. 8.12.2006. 30  Siehe auch Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597. 31  Verordnung (EG) Nr.  1/2003 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Ver­ trags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl.  L 1/1 v. 4.1.2003. 32  Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr.  17 und gemäß Artikel 65 Absatz 5 des EGKS-Vertrags festgesetzt wer­ den, ABl.  C 9/3 v. 14.1.1998; Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen ge­ mäß Artikel 23 Absatz 2 lit.  a der Verordnung (EG) Nr.  1/2003, ABl.  C 210/2 v. 1.9.2006. Siehe dazu auch Soyez EuZW 2007, 596. 33  Zur Selbstbindung der Kommission bzw. der Selbstbeschränkung ihres Ermessens siehe EuG v. 27.9.2006, Rs. T-322/01, ECLI:EU:T:2006:267, Tz.  223 – Roquette Frères SA; Loe­ wenheim/Meeßen/Riesenkampff/Nowak Art.  23 VerfVO Rn.  37. 34  Um die speziellen Umstände des ersten Kronzeugenantrags berücksichtigen zu können, differenziert das Kronzeugenprogramm des Vereinigten Königreichs zwischen „Type A immu­ nity“, „Type B immunity“ und „Type B leniency“, Whish/Bailey Competition Law, S.  441.

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

ckung des Kartells zukommen.35 Das Unternehmen muss gemäß Rn.  12 sämtli­ che ihm zur Verfügung stehenden Beweise offenlegen; eine Vernichtung, Verfäl­ schung oder Unterdrückung von Informationen oder Beweismitteln darf nicht erfolgen.36 Die Kooperation darf ferner nicht mit der einmaligen Erbringung von Beweismitteln enden, sondern muss das gesamte Verfahren über andauern.37 An­ fragen der Kommission müssen unverzüglich beantwortet werden.38 Ausge­ schlossen ist der Bußgelderlass gemäß Rn.  13, wenn das Unternehmen andere zur Teilnahme an dem Kartell gezwungen hat. Unternehmen, die ihre Kartellbeteiligung zwar offenlegen, aber die Vorausset­ zungen des Abschnitts II der Kronzeugenmitteilung nicht erfüllen, kann nach Rn.  23 immerhin eine Ermäßigung der Geldbuße gewährt werden, welche gemäß Rn.  25, 26 bis zu 50  % der berechneten Geldbuße betragen kann. Für eine Ermä­ ßigung der Geldbuße ist erforderlich, dass die neuen Informationen für die Kom­ mission einen echten Mehrwert gegenüber den bis dahin vorhandenen Beweis­ mitteln darstellen und dass das Unternehmen fortan an der Aufarbeitung des Falles mitarbeitet.39 Da eine bloße Reduzierung für die Unternehmen qualitativ einem Erlass nicht gleich kommt, führt die Abstufung zwischen dem erstem und den weiteren Kronzeugen dazu, dass bei erhöhter Aufdeckungsgefahr des Kar­ tells ein „Wettlauf der Kronzeugen“40 beginnt. Weiter verstärkt wird dies da­ durch, dass auch bei den folgenden Kronzeugen die Höhe der Ermäßigung u. a. vom Zeitpunkt der Beweiserbringung abhängt.41 Je schneller ein Unternehmen dem ersten Kronzeugen mit seinem Antrag folgt, desto wahrscheinlicher ist eine Bußgeldreduzierung. 3.  Kronzeugenprogramm des Bundeskartellamts Auch auf nationaler Ebene besteht mit der Bonusregelung des Bundeskartellamts ein Programm für Kartellanten, die durch ihre Zusammenarbeit mit der deut­ schen Kartellbehörde zur Aufdeckung des Kartells beitragen. Das erste Kronzeu­ 35 

Vgl. Erw.Gr. 38 SE-RL. Häfele Kronzeugenregelung, S.  132. 37  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kar­ tellsachen, ABl.  C 298/17 v. 8.12.2006, Rn.  12. Vgl. Häfele Kronzeugenregelung, S.  131. 38  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kar­ tellsachen, ABl.  C 298/17 v. 8.12.2006, Rn.  12. Vgl. Häfele Kronzeugenregelung, S.  132. 39  Siehe Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder 47. Lfg., Art.  101 AEUV Rn.  824. 40 Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann Art.  23 VO 1/2003 Rn.  247; Böni EWS 2014, 324, 329; Podszun GWR 2010, 491, 493; Seitz EuZW 2008, 525, 528; Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 294. Ebenso ist ein Wettlauf der Kartellanten auch hinsichtlich der Bußgeldreduzierung möglich, vgl. Mestmäcker/Schweitzer Europäisches Wettbewerbsrecht, §  22 Rn.  52. 41 Vgl. Häfele Kronzeugenregelung, S.  134. 36 Vgl.

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genprogramm wurde in Deutschland im Jahr 2000 eingeführt42 und am 7. März 2006 durch die aktuelle Bekanntmachung Nr.  9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen ersetzt.43 Zuvor hatte das Bundeskar­ tellamt bereits seit längerer Zeit bei der Bußgeldfestsetzung Kooperationsbereit­ schaft positiv berücksichtigt.44 Die gesetzliche Verankerung dieses Vorgehens diente dazu, eine größere Transparenz und Rechtssicherheit für die kooperations­ willigen Unternehmen zu schaffen, um den Anreiz zur Zusammenarbeit zu erhö­ hen.45 Die Kartellanten liefern die Informationen über die Zuwiderhandlung schließlich nur, wenn sie sicher eine Bußgeldbefreiung erhalten, da andernfalls die Risiken der Offenlegung zu groß sind. Die Bonusregelung konkretisiert das Ermessen, das dem Bundeskartellamt bei der Festsetzung der Geldbußen gemäß §  81 GWB i. V. m. §  47 OWiG zusteht.46 Nach Rn.  3 wird einem Kartellbeteiligten ein Bußgelderlass zugesichert, wenn er das Kartell als erster aufdeckt, bevor die Behörde über ausreichende Beweismit­ tel verfügt, um einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, und an der weiteren Aufklärung mitwirkt.47 Ferner wird das Bußgeld dem ersten kooperierenden Un­ ternehmen nach Rn.  4 in der Regel auch erlassen, wenn die Behörde zwar bereits in der Lage ist, einen Durchsuchungsbeschluss zu erwirken, aber noch nicht über ausreichende Beweismittel verfügt, um die Tat nachzuweisen, und das Unterneh­ men das Bundeskartellamt erst in die Lage versetzt, die Tat nachweisen zu kön­ nen. Will das Bundeskartellamt vom Regelfall abweichen und das Bußgeld nicht erlassen, muss es überprüfbare Gründe anführen.48 Vom Erlass jeweils ausge­ nommen sind nach Rn.  3, 4 Unternehmen, die das Kartell alleine angeführt oder andere zur Teilnahme am Kartell gezwungen haben.49 Insoweit ist das deutsche

42  Bundeskartellamt Bekanntmachung Nr.  68/2000 über Richtlinien des Bundeskartellamts für die Festsetzung von Geldbußen – Bonusregelung – v. 17.4.2000, BAnz. v. 4.5.2000, Nr.  84, S.  8336. 43  Bundeskartellamt Bekanntmachung Nr.  9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – v. 7.3.2006, abrufbar unter http://www.bundes kartellamt.de/wDeutsch/download/ pdf/Merkblaetter/Merkblaetter_deutsch/06_Bonusregelun g.pdf. Siehe auch Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 598. 44  Böge in: Baudenbacher, Achtes St. Galler Kartellrechtsforum, S.  149, 155; Hetzel Kron­ zeugenregelung, S.  115. 45  Böge in: Baudenbacher, Achtes St. Galler Kartellrechtsforum, S.  149, 158; Hammond Fighting Cartels, S.  1 f.; Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 293. 46  Hetzel Kronzeugenregelung, S.  241; Wiesner WuW 2005, 606, 609; Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 293. 47 Vgl. Engelsing ZWeR 2006, 179, 185. 48  Vgl. insofern zur alten Bonusregelung Ohle/Albrecht WRP 2006, 866 Fn.  22. 49  Siehe dazu Engelsing ZWeR 2006, 179, 186 f.

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Kronzeugenprogramm strenger als das europäische, welches auch alleinigen An­ führern einen vollständigen Erlass ermöglicht.50 Sofern ein Kartellant an der Aufklärung des Kartells mitwirkt, aber ansonsten die Voraussetzungen für den Erlass der Geldbuße nicht erfüllt, kann seine Geld­ buße gemäß Rn.  5 wie im europäischen Kronzeugenprogramm um bis zu 50  % reduziert werden. Wie hoch die Ermäßigung ist, hängt von dem Umfang seiner Beiträge und deren Bedeutung für die Kartellverfolgung sowie vom zeitlichen Rang des Kronzeugenantrags ab.51 Welchen Rang ein Kartellant einnimmt, hängt von dem Zeitpunkt ab, in dem der Kartellbeteiligte dem Bundeskartellamt seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit erklärt und damit einen „Marker“ gesetzt hat.52 4.  Europäisches Netzwerk der Kartellbehörden (ECN) Die vereinzelten Abweichungen der Kronzeugenprogramme von Kommission und Bundeskartellamt zeigen, dass eine Harmonisierung innerhalb der EU bis­ lang noch nicht stattgefunden hat. Ebenso wenig entfaltet die Kronzeugenrege­ lung der Kommission Bindungswirkung für die nationalen Wettbewerbsbehör­ den.53 Allerdings arbeiten die europäischen und mitgliedstaatlichen Wettbe­ werbsbehörden für eine effektive Rechtsdurchsetzung eng zusammen und bilden das gemeinsame „Europäische Netzwerk der Kartellbehörden“.54 Dieses hat mit seinem Kronzeugenregelungsmodell von 2006 einen Mechanismus für die Zu­ sammenarbeit der Kommission mit den nationalen Behörden geschaffen,55 der zwar weder für die nationalen Kartellbehörden noch für die Gerichte der Mit­ gliedstaaten verbindlich ist,56 aber zu einer „weichen Harmonisierung“57 geführt hat. Das Ziel des Musterprogramms, die Kernbausteine der einzelnen Kronzeu­ genprogramme übereinstimmend zu gestalten,58 wurde erreicht. Die Kommis­ sion und die Mitgliedstaaten haben ihre Kronzeugenprogramme an das ECN-Mo­ 50 

Vgl. Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann §  81 GWB Rn.  522. Ohle/Albrecht WRP 2006, 866, 871. 52  Voet van Vormizeele wistra 2006, 292, 293. 53  EuGH v. 5.6.2014, Rs. C-557/12, EU:C:2014:1317, Tz.  36 – Kone. 54  Auch European Competition Network, im Folgenden als ECN abgekürzt. Siehe Münch­ KommKart/Bardong Art.  11 VO 1/2003 Rn.  10 f. 55 Das ECN-Kronzeugenregelungsmodell wurde 2012 ergänzt, siehe http://ec.europa.eu/ competition/ecn/mlp_revised_2012_en.pdf (abgerufen am 14.3.2018). 56  Zu den Behörden siehe EuGH v. 20.1.2016, Rs. C-428/14, ECLI:EU:C:2016:27, Tz.  32 – DHL Italien. Zu den Gerichten siehe EuGH v. 14.6.2011, Rs. C-360/09, ECLI:EU:C:2011:389, Tz.  22 – Pfleiderer. 57 Berg/Mäsch/van der Hout/Wiemer Art.  23 VO 1/2003 Rn.  111. 58  Vgl. ECN-Kronzeugenregelungsmodell, Erläuterungen, Rn.  7; Brömmelmeyer NZKart 2017, 551, 552. 51 

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dell angelehnt und verfahren bei Erlass und Reduzierung der Geldbußen nach vergleichbaren Maßstäben.59 Die Kommission will die Harmonisierung der Kronzeugenprogramme sämtli­ cher Mitgliedstaaten allerdings noch weiter vorantreiben und die Unterschiede zwischen den einzelnen Kronzeugenregelungen abbauen. Zu diesem Zweck hat die Kommission am 22. März 2017 einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Stär­ kung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten vorgelegt.60 Diese soll die Kronzeugenprogramme der Mitgliedstaaten einander angleichen, um die noch bestehende Rechtsunsicherheit über Bußgeldreduzierungen potentieller Kron­ zeugen bei grenzüberschreitenden Kartellen einzudämmen.61 Art.  18 ECN-RLV sieht daher allgemeine Voraussetzungen für den Erlass und die Ermäßigung der Geldbuße vor, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich gelten sollen. So muss das Unternehmen den Kartellverstoß unmittelbar nach der Antragstellung beenden (Art.  18 lit.  a ECN-RLV) und umfassend mit den Wettbewerbsbehörden koope­ rieren (Art.  18 lit.  b ECN-RLV).

III.  Erhöhte Gefahr von Schadensersatzklagen 1.  Kronzeugen als „Zielscheibe“ von Schadensersatzklagen Mit der Teilnahme an den behördlichen Kronzeugenprogrammen geht für die Kartellanten eine erhöhte Gefahr einher, auf Schadensersatz verklagt zu werden. Zwar steigt mit der stetigen Verbesserung und Erleichterung der Rechtsdurchset­ zung für die Geschädigten insgesamt die Gefahr der Inanspruchnahme für alle Kartellanten.62 Darüber hinaus machen sich Unternehmen durch eine Koopera­ tion mit den Behörden aber oft zur „bevorzugten Zielscheibe kartellrechtlicher Schadensersatzklagen“.63 Schließlich sind die meisten Kartellteilnehmer für die Geschädigten bis zur vollständigen Aufarbeitung des Kartells oftmals Unbekannte. Die Kronzeugen 59 

Siehe Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Ost Einf VerfVO Rn.  20. Vorschlag für eine Richtlinie zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten im Hinblick auf eine wirksamere Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften und zur Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts, COM(2017) 142 final. Im Folgenden als ECN-RLV bezeichnet. 61  Kommission Richtlinienvorschlag, COM(2017) 142 final, S.  7. 62  Die Schadensersatzklagen werden in den meisten Fällen nicht nur gegen einen, sondern gegen mehrere Kartellanten erhoben werden, siehe RegE zum 8. GWB-ÄndG BT-Drs. 17/9852, S.  38. 63  Meeßen Schadensersatz, S.  552. Siehe auch Erw.Gr. 38 SE-RL; Kersting ZWeR 2008, 252, 264; Slater/Waelbroeck in: Collins, Competition Law, S.  2229, 2249 f.; Vollrath NZKart 2013, 434, 443; Mederer EuZW 2013, 847, 580; Reichert/Walther GPR 2015, 120, 126. 60  Kommission

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erlangen hingegen durch die mediale Berichterstattung frühzeitig Bekanntheit und sind daher neben den Vertragspartnern für die Geschädigten die erste Adres­ se ihres Schadensersatzbegehrens. Des Weiteren achten die Geschädigten bei der Wahl ihres Klagegegners regelmäßig auf dessen Solvenz. In die Beklagtenaus­ wahl fließt deshalb mit ein, welche Geldbußen gegen die Unternehmen verhängt wurden und ob demnächst Marktaustritte aufgrund von Zahlungsunfähigkeit drohen. Kartellmitglieder, die nach der Aufdeckung des Kartells finanzielle Eng­ pässe erleiden, sind schließlich nicht unüblich.64 Gerade im Zuge der Wirt­ schaftskrise haben sich nicht nur einzelne Unternehmen gegenüber den Wettbe­ werbsbehörden auf ihre Unfähigkeit zur Zahlung der Geldbuße berufen.65 Im Fall des Löschfahrzeugkartells musste das Unternehmen Ziegler sogar Insolvenz anmelden.66 Unternehmen, die die hohe Geldbuße nicht oder nur teilweise be­ zahlen mussten, geht es daher zumindest in der Theorie wirtschaftlich besser als ihren Mitkartellanten.67 Gerade bei Follow-on-Klagen erwecken Kronzeugen gegebenenfalls eher den Anschein, hohen zivilrechtlichen Forderungen nach­ kommen zu können, als ihre angeschlagenen Mitkartellanten.68 Neben diesen praktischen Gründen gibt es auch rechtliche Gründe für die bevorzugte zivil­ rechtliche Inanspruchnahme des Kronzeugen. Ihm wird es kaum möglich sein, seine Beteiligung am Kartellverstoß zu leugnen.69 Einerseits ist das öffentliche Bewusstsein bereits im Hinblick auf den eingestandenen Kartellverstoß zu stark geschärft.70 Andererseits wirken widersprüchliche Behauptungen vor Gericht unglaubhaft. 2.  Frühe Bestandskraft des Bescheids Die erhöhte Gefahr der zivilrechtlichen Inanspruchnahme resultiert in erster Li­ nie daraus, dass die dem Kronzeugen gegenüber ergehende behördliche Ent­ scheidung regelmäßig früher in Bestandskraft erwächst als die Entscheidungen gegenüber den Mitkartellanten.71 Ursache hierfür ist, dass letztere die Entschei­ 64 Vgl. Beschorner/Hüschelrath in: Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung, S.  9, 20; Glöckner WRP 2015, 410, 416. 65  Palzer NZI 2012, 67. 66 http://www.augsburger-allgemeine.de/dillingen/Ziegler-meldet-Insolvenz-an-id1638 3811.html (abgerufen am 14.3.2018). Siehe auch Palzer NZI 2012, 67 ff. 67 Vgl. Cauffmann CompLRev (2011) 7(2), 181, 211. 68 Mäger/Fort Europäisches Kartellrecht, Kap.  11 Rn.  81. 69  Schroeder in: Baudenbacher, 17th St. Gallen Competition Law Forum, S.  435, 441; Jürgens/Seeliger EWS 2006, 337, 341. 70  Wagner-von Papp EWS 2009, 445, 453. 71  Erw.Gr. 38 SE-RL. Siehe auch Bulst Bucerius Law Journal 2008, 81, 88; Kersting ZWeR 2008, 252, 264; Dworschak/Maritzen WuW 2013, 829, 841; Fiedler BB 2013, 2179, 2184; Jürgens/Seeliger EWS 2006, 337, 341.

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dung üblicherweise anfechten, während der Kronzeuge wegen der für ihn positi­ ven Bußgeldminderung auf eine Anfechtung verzichtet.72 Da die Anfechtungen der Mitkartellanten aufschiebende Wirkung gegenüber ihren Bußgeldbescheiden entfalten, werden diese deutlich später bestandskräftig als der Kronzeugenbe­ scheid.73 Während die Kronzeugen auf Unionsebene theoretisch einen Rechtsbe­ helf gegen die Entscheidung einlegen könnten, besteht für viele Kronzeugen des Bundeskartellamts keine Möglichkeit, die Bestandskraft ihrer behördlichen Ent­ scheidung hinauszuzögern.74 Schließlich stellt die deutsche Wettbewerbsbehörde das Verfahren bei einem vollständigen Bußgelderlass ein.75 Ein Bescheid, gegen den ein Rechtsmittel eingelegt werden könnte, existiert daher gar nicht.76 Das „Feuer“ der Geschädigten auf den Kronzeugen ist deshalb prozessual schon er­ öffnet, solange die Mitkartellanten noch ihrem Rechtsstreit mit der Behörde nachgehen.77 Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass ein in Anspruch genommener Kron­ zeuge mit seinem Innenregress regelmäßig warten muss, bis der Kartellverstoß der Mitkartellanten bestandskräftig ist.78 Schließlich werden die Gerichte auch hinsichtlich deren Beteiligung in ihrer zivilgerichtlichen Entscheidung gebun­ den. Für den Kronzeugen dauert es daher u. U. mehrere Jahre, bis er das über seinen Anteil hinaus Geleistete von den restlichen Kartellbeteiligten zurückfor­ dern kann.79 3.  Bindungswirkung der behördlichen Entscheidung Die von der frühen Bestandskraft ausgehende Gefahr gewinnt vor allem durch die gesetzlich vorgesehenen Bindungswirkungen behördlicher Entscheidungen an Brisanz. So bestimmt Art.  16 Abs.  1 S.  1 VO 1/2003, dass mitgliedstaatliche Gerichte bei Entscheidungen über kartellrechtliche Zuwiderhandlungen keine Entscheidungen erlassen dürfen, die einer Entscheidung der Kommission zuwi­ derlaufen. Die Zivilgerichte sind bei Entscheidungen über Verstöße gegen das europäische Kartellrecht, die Gegenstand eines Kommissionsverfahrens waren,

Weidenbach/Saller BB 2008, 1020, 1025; Vollrath NZKart 2013, 434, 443. der Hout Art.  101 AEUV Rn.  260; Bulst Bucerius Law Journal 2008, 81, 88. 74 Vgl. Bechtold DB 2004, 235, 239. 75  Vgl. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59; Lettl WM 2016, 1961, 1964. 76 Vgl. Logemann Schadensersatz, S.  254. 77 Vgl. Geradin/Grelier Cartel Damages Claims, S.  12; Bien EuZW 2011, 889, 890; Wagner-von Papp EWS 2009, 445, 453. 78 Vgl. Schroll Kronzeugenprogramme, S.  169 f. 79  Schroll Kronzeugenprogramme, S.  170. 72 

73 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

an den Tenor und die ihn tragenden Gründe der Kommissionsentscheidung ge­ bunden.80 Mit §  33b GWB81 existiert zudem eine Art.  16 Abs.  1 S.  1 VO 1/2003 im nati­ onalen Recht ergänzende Vorschrift, wonach die mitgliedstaatlichen Gerichte hinsichtlich der Feststellung des Verstoßes nicht nur an bereits ergangene Ent­ scheidungen der Kommission, sondern auch an jene aller mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden und Gerichte gebunden sind. Daneben erstreckt sich die Bindungswirkung des §  33b Abs.  1 GWB auch auf Verstöße gegen §§  1–47l GWB.82 Die angerufenen Zivilgerichte entscheiden folglich bei der Geltendma­ chung von Schadensersatz nicht erneut darüber, ob ein Kartellverstoß stattgefun­ den hat, wenn diese Frage zuvor Gegenstand einer behördlichen oder gerichtli­ chen Entscheidung auf europäischer oder mitgliedstaatlicher Ebene war.83 Für abseits von der Zuwiderhandlung getroffene Feststellungen gelten die Bindungs­ wirkungen dagegen nicht.84 Über die Tatsache der Zuwiderhandlung hinausge­ hende Aspekte wie Verschulden oder Kausalität sind gerade nicht erfasst.85 Ziel der Bindungswirkung ist es einerseits, im System paralleler Zuständigkei­ ten für eine einheitliche Rechtsanwendung und Rechtssicherheit zu sorgen.86 Schließlich können die Kommission und mitgliedstaatliche Gerichte, anders als die Kommission und mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörden, nebeneinander zuständig sein.87 Andererseits wird der Grundsatz der Unabhängigkeit der kar­ tellbehördlichen von privaten Sanktionen durchbrochen, um den Geschädigten die Durchsetzung ihrer Ansprüche zu erleichtern.88 Der Erfolg ihrer Schadenser­ satzbegehren hängt maßgeblich von der Beweisbarkeit der Voraussetzungen des

80  EuGH v. 6.11.2012, Rs. C-199/11, ECLI:EU:C:2012:684, Tz.  65 f. – Otis; Kamann/Ohl­ hoff/Völcker/Schmidt Kartellverfahren, §  15 Rn.  23. Nach a. A. erfasst die Bindungswirkung lediglich den Tenor der Entscheidung und nicht auch die behördlichen Entscheidungsgründe, siehe dazu die Darstellung des Streits bei Dohrn Bindungswirkung, S.  45 f.; Imgrund Bindung der Zivilgerichte, S.  88 ff.; Häfele Kronzeugenregelung, S.  155 ff. 81  Die Regelung entspricht dem bisherigen §  33 Abs.  4 GWB. 82  Auch nach §  33b Abs.  1 GWB sind die Gerichte nur an den Tenor und die tragenden Gründe der Entscheidung gebunden, BGHZ 211, 146 = NJW 2016, 3527, Ls. 1, Tz.  19 – Lottoblock II. 83  Gänswein NZKart 2016, 50, 56. 84  Zu §  33b GWB: Kersting/Podszun/Kersting 9. GWB-Novelle, Kap.  7 Rn.  71; vgl. ferner Logemann Schadensersatz, S.  255. 85  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  120; Scheffler NZKart 2015, 223, 225. 86  Siehe nur Loewenheim/Meessen/Riesenkampff/Zuber Art.  16 VO 1/2003 Rn.  1; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Becker/Vollrath Art.  16 VO 1/2003 Rn.  1. 87 MünchKommKart/Schneider Art.  16 VO 1/2003 Rn.  4. 88 Vgl. Alexander Schadensersatz, S.  424; Nietsch in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  9, 14.

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§  33a Abs.  1 GWB ab, insbesondere des kartellrechtswidrigen Verhaltens und der kausalen Schäden.89 Dieser Nachweis gestaltet sich in der Praxis regelmäßig schwierig. Die not­ wendigen Beweise und Informationen befinden sich in der Sphäre der Kartellan­ ten und sind für die Geschädigten nur schwer zu erhalten.90 Die Bindungswir­ kung soll dieses Beweisgefälle zulasten des Geschädigten zumindest teilweise auffangen, indem sie die bei der Sachaufklärung und Beweisbeschaffung beste­ henden Probleme ausgleicht.91 Schließlich muss der Kläger, wenn die Gerichte an die behördliche Feststellung der Zuwiderhandlung gebunden sind, bei Fol­ low-on-Klagen jedenfalls bezüglich des Kartellverstoßes als solchem der Be­ weislast nicht mehr nachkommen und läuft daher nicht Gefahr, dass das Zivilge­ richt zu einer anderen rechtlichen Würdigung der Tatsachen kommt als die Wett­ bewerbsbehörde.92 Gerade im Zusammenspiel mit der neu eingefügten Schadensvermutung in §  33a Abs.  2 GWB bedeutet die Bindungswirkung im Gegenzug daher eine deutliche Schlechterstellung der Kronzeugen im Prozess.93 4.  Zugang zu Beweismitteln und Informationen a.  Interesse an Geheimhaltung Für die Kronzeugen stellen überdies mögliche Akteneinsichtsrechte und Aus­ kunftsansprüche der Geschädigten ein erhebliches Risiko dar. Nicht grundlos schirmen die Kartellanten die ihnen vorliegenden Beweise und Informationen vor der Öffentlichkeit ab. Zu groß ist die Gefahr, dass die Unterlagen in einem Zivilprozess gegen sie verwendet werden.94 Im Rahmen einer Kooperation mit den Wettbewerbsbehörden müssen die Kartellanten ihre Informationen aber of­ fenlegen, da sie andernfalls nicht den erhofften Bußgeldnachlass erhalten.95 Zwar sichern die Wettbewerbsbehörden den Kronzeugen die Vertraulichkeit ih­ rer Angaben in den Kronzeugenanträgen zu,96 allerdings stehen den Geschädig­ der Hout Art.  101 AEUV Rn.  233. Milde Schutz des Kronzeugen, S.  23; Logemann Schadensersatz, S.  79; Steger BB 2014, 963; Vollrath NZKart 2013, 434, 443 f. 91  Grünberger in: Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung, S.  135, 141 f. 92 MünchKommKart/Keßler §  32 GWB Rn.  18; Logemann Schadensersatz, S.  255. 93 Vgl. Klumpe/Thiede NZKart 2017, 332, 333. 94  Vgl. OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 3662, 3666 – Kaffeeröster. 95  Siehe oben S.  30 ff. 96  Auf europäischer Ebene siehe Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermä­ ßigung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl.  C 298/17 v. 8.12.2006, Rn.  33. Auf nationaler Ebene siehe Bundeskartellamt Bekanntmachung Nr.  9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – v. 7.3.2006, Rn.  22. Vgl. auch Steger BB 2014, 963, 964. 89 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van 90 

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

ten als Ausgleich der „Informationsasymmetrie“97 von Gesetzes wegen vielfälti­ ge Einsichtnahmerechte in die Akten vor und während des Zivilprozesses zu. Hinzu kommen die im Zuge der 9. GWB-Novelle eingefügten Ansprüche auf Herausgabe sowie auf Auskunftserlangung gemäß §  33g GWB, deren Ziel die weitere Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung ist. Der Konflikt zwischen Geschädigtenrechten und Kronzeugenschutz offenbart sich beim Thema Zugang zu den Beweisen und Informationen folglich am stärksten.98 Allerdings haben Gesetzgeber und Rechtsprechung auf europäischer wie na­ tio­naler Ebene dieses Problem erkannt und den Kronzeugenunterlagen einen an­ gemessenen Schutz zugesprochen, den sie angesichts der steigenden Zahl an Einsichtnahmebegehren auch benötigen.99 Zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Kronzeugenprogramme wird eine Offenlegung der Kronzeugenunterlagen grundsätzlich nicht (mehr) gewährt. b. Akteneinsichtsrechte Auf europäischer Ebene steht dem Kartellgeschädigten, wenn es sich bei ihm um einen Unionsbürger handelt, gemäß Art.  2 Abs.  1 Transparenz-VO100 grundsätz­ lich ein Recht auf Einsichtnahme in die Akten der Kommission zu.101 Die sekun­ därrechtliche Ausgestaltung des Art.  15 Abs.  3 UAbs.  2 AEUV gewährt jedem Unionsbürger sowie jeder natürlichen oder juristischen Person mit Wohnsitz oder satzungsmäßigem Sitz in einem Mitgliedstaat das Recht auf Zugang zu Do­ kumenten der Organe, Einrichtungen oder sonstiger Stellen der EU. Jedoch gilt dieses Recht nicht uneingeschränkt, weshalb dem Kartellgeschädigten die Ein­ sichtsnahme regelmäßig zu verwehren ist.102 Gemäß Art.  4 Abs.  2 Transpa­ renz-VO ist das Einsichtsrecht zu verweigern, wenn durch die Verbreitung des Dokuments der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juris­ tischen Person beeinträchtigt würde.103 Dies ist bei einem Antrag auf Zugang zu einer Kartellverfahrensakte selbst „ohne konkrete und individuelle Prüfung jedes einzelnen Dokuments der Akte“ zu vermuten, weil eine „Verbreitung dieser Do­ kumente grundsätzlich den Schutz der geschäftlichen Interessen der […] betei­ ligten Unternehmen und den Schutz des Zwecks der Untersuchungstätigkeiten 97 Weißbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts“ v. 2.4.2008, KOM(2008) 165 endgültig, S.  5. 98  Nowak ZVertriebsR 2013, 376, 377. 99 Vgl. Schweitzer NZKart 2014, 335. 100  Verordnung (EG) Nr.  1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl.  L 145/43 v. 31.5.2001. 101  Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  91 f. Siehe dazu Hempel EuZW 2014, 297. 102  Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  93. 103 Vgl. Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  92.

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[…] beeinträchtigt“.104 Da Art.  27 Abs.  2 VO 1/2003 nur den Parteien ein Recht auf Einsichtnahme gewährt, besteht für die Geschädigten grundsätzlich keine Möglichkeit, an die Kronzeugenanträge der Kommission zu gelangen.105 Auf nationaler Ebene können die Geschädigten im Rahmen des Schadensersatzprozesses einen Antrag gemäß §  89c Abs.  1 GWB auf richterliches Ersuchen der Vorlage der Behördenakte und Auskunft stellen.106 Der gegenüber §  273 ZPO speziellere §  89c Abs.  1 GWB107 setzt voraus, dass der Geschädigte das Bestehen seines Schadensersatzanspruchs glaubhaft macht, d. h. der Anspruch zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheint.108 Ferner muss der Geschädigte ebenso glaubhaft machen, dass die gewünschten Informationen nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder einem Dritten zu erlangen sind. Dabei dürfen an die Bestimmtheit des Antrags weder allzu hohe Anforderungen gestellt werden, die einen Erfolg des Begehrens von vornherein unmöglich machen, noch zu niedrige, die eine Ausforschung ermöglichen.109 Zudem ist zu berück­ sichtigen, dass der Anspruch nach §  89c Abs.  3 S.  1 GWB nur besteht, soweit er verhältnismäßig ist. Hierbei ist gemäß §  89c Abs.  3 S.  2 Nr.  3 GWB auch die Wirksamkeit der öffentlichen Durchsetzung des Kartellrechts in Gestalt der Funktionsfähigkeit der Kronzeugenprogramme zu berücksichtigen, weshalb das Gericht die Vorlage der Kronzeugenunterlagen regelmäßig nicht ersuchen wird.110 Tut es dies doch, erlaubt §  89c Abs.  4 S.  1 Nr.  1 GWB der Behörde, die Vorlegung abzulehnen. Wenn das Gericht gemäß §  89c Abs.  2 GWB erwägt, dem Geschädigten die Information zugänglich zu machen, ist es gemäß §  89c Abs.  2 S.  1 Nr.  3 GWB zu einer weiteren Verhältnismäßigkeitsprüfung verpflichtet. Der Kronzeuge wird dadurch umfassend geschützt. Hinsichtlich eines Akteneinsichtsbegehrens außerhalb eines Schadensersatzprozesses bestimmt §  89c Abs.  5 S.  1 GWB, dass das bislang bedeutende111 Ak­ teneinsichtsrecht des Geschädigten beim Bundeskartellamt gemäß §  406e StPO

104  EuGH v. 27.2.2014, Rs. C-365/12 P, ECLI:EU:C:2014:112, Tz.  92 f. – EnBW. Vgl. auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  359; Kling/Thomas Kartell­ recht, §  23 Rn.  93. 105  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  355; Jüntgen WuW 2007, 128, 130; Lampert/Weidenbach WRP 2007, 152, 153. 106  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  380; Langen/Bunte/ Bornkamm/Tolkmitt §  89c GWB Rn.  1; Seifert NZKart 2017, 512, 513. 107  Mallmann/Lübbig NZKart 2016, 518, 521. 108  Seifert NZKart 2017, 512, 513. 109  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  103; Seifert NZKart 2017, 512, 513 f. 110  Seifert NZKart 2017, 512, 514. 111 Vgl. Steger BB 2014, 963.

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

i. V. m. §  46 Abs.  1, 3 S.  4 OWiG in weiten Teilen ausgeschlossen ist.112 Auf das hierfür erforderliche berechtigte Interesse, das bei der Prüfung des Bestehens oder des Umfangs eines möglichen Schadensersatzanspruchs regelmäßig bejaht wurde und gemäß §  406e Abs.  2 S.  1 StPO seine Grenze allein in einem schutzwürdigeren Interesse des Beschuldigten oder eines Dritten – wie etwa dem Interesse an der Geheimhaltung eines Kronzeugenantrags113 – fand,114 kommt es folglich nicht mehr an. Seit Inkrafttreten des §  89c GWB ist der Anwendungsbe­ reich von §  406e StPO i. V. m. §  46 Abs.  1, 3 S.  4 OWiG nur noch auf den Buß­ geldbescheid beschränkt.115 c.  Herausgabe- und Auskunftsanspruch gegen die Kartellanten Statt Einsicht in die Akten zu begehren, können die Geschädigten die für sie wesentlichen Informationen auch direkt von den Kartellmitgliedern verlangen. Während ein dafür erforderlicher Auskunftsanspruch bislang aus §  242 BGB hergeleitet wurde,116 ist dieser seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle nun spezi­ algesetzlich in §  33g Abs.  10 GWB normiert, ergänzt um einen Herausgabean­ spruch in §  33g Abs.  1, 2 GWB.117 Danach kann der Geschädigte die Erteilung von Auskünften bzw. die Herausgabe von Beweismitteln verlangen, die für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs erforderlich sind. Der Gesetzge­ ber hat über die Vorgaben zur Offenlegung von Beweismitteln in den Art.  5 und 6 SE-RL hinausgehend einen eigenständigen materiell-rechtlichen Anspruch des Geschädigten geschaffen.118 Der Anspruch kann nicht nur gegenüber den Kartellanten, sondern gegenüber jedermann geltend gemacht werden, weshalb potentielle Anspruchsgegner auch

112  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  89c GWB Rn.  4; Wagner/Kleine/Liebach EWS 2008, 305, 312. 113  OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 3662, 3666 – Kaffeeröster; AG Bonn WuW/E DE-R 3499, 3501 – Pfleiderer II. Vgl. dazu auch Klooz Akteneinsicht, S.  86 ff. 114  Milde Schutz des Kronzeugen, S.  201 f., 211. 115  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  89c GWB Rn.  20; Bach/Wolf NZKart 2017, 285, 286; Seifert NZKart 2017, 512, 517; Rosenfeld/Brand WuW 2017, 247, 250. 116  Fritzsche/Klöppner/Schmidt NZKart 2016, 501, 506. 117  §  33g Abs.  10 GWB erklärt die Abs.  1–9, welche die Voraussetzungen des Herausgabe­ anspruchs enthalten, für entsprechend anwendbar auf die Erteilung von Auskünften. Zu den praktischen Folgen siehe Klumpe/Thiede BB 2016, 3011, 3015; Hellmann/Steinbrück NZKart 2017, 164, 168 ff. 118  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  399; Hellmann/Steinbrück NZKart 2017, 164, 169. Österreich hat die Richtlinienvorgaben in §  37j öKartG hinge­ gen rein innerprozessual umgesetzt, siehe Klumpe/Thiede BB 2016, 3011, 3014; Hoffer N ­ ZKart 2016, 466, 469.

C.  Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung

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Geschädigte oder unbeteiligte Dritten sind.119 Ausgenommen hiervon sind ledig­ lich die Wettbewerbsbehörden, die gemäß §  89c Abs.  5 S.  3 GWB ausdrücklich nicht als Dritte i. S. d. §  33g GWB anzusehen sind. Die erfolgreiche Geltendmachung des Anspruchs setzt wie §  89c GWB vor­ aus, dass der Geschädigte seinen Schadensersatzanspruch zumindest glaubhaft macht und die verlangten Beweismittel so genau bezeichnet, wie es ihm auf Grundlage der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen möglich ist.120 Zudem ist gemäß §  33g Abs.  3 S.  1 GWB erforderlich, dass die Interessenabwä­ gung zu Gunsten des Geschädigten ausfällt, d. h. sein berechtigtes Interesse an der Offenlegung das Interesse des Anspruchsgegners an der Geheimhaltung der Beweise überwiegt.121 Welche Aspekte bei der Abwägung zu berücksichtigen sind, konkretisiert §  33g Abs.  3 S.  2 GWB. Allerdings muss zwischen dem Schutz­interesse des Kronzeugen und dem Kompensationsinteresse des Geschä­ digten im Einzelfall keine Abwägung vorgenommen werden. Insoweit gibt der Gesetzgeber in §  33g Abs.  4 S.  1 Nr.  1 GWB vor, dass die Herausgabe einer Kronzeugenerklärung grundsätzlich ausgeschlossen ist.122 Es besteht nach §  33g Abs.  4 S.  3 i. V. m. §  89b Abs.  8 GWB nur dann ein Anspruch auf Herausgabe an das Gericht der Hauptsache, wenn die Reichweite der Erklärung überprüft wer­ den soll.123 Den Kronzeugenerklärungen kommt damit auch auf dieser Ebene ein umfassender Schutz zu.

C.  Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung I.  Gefahr sinkender Kronzeugenzahlen Während für die Kronzeugen durch die Inanspruchnahme der Kronzeugenrege­ lungen das Bußgeldrisiko erheblich bis vollständig sinkt und sie insoweit hinrei­ chend geschützt sind, steigt für sie mit der Kooperation das Risiko der zivilrecht­ lichen Haftung.124 Solange die Schadenshöhe gering, das drohende Bußgeld aber Klumpe/Thiede NZKart 2017, 332, 336. Klumpe/Thiede NZKart 2017, 332, 336. 121  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33g GWB Rn.  32; Weitbrecht NJW 2017, 1574, 1576. 122  §  33g Abs.  4 S.  1 Nr.  1 GWB setzt damit Art.  6 Abs.  6 lit.  a SE-RL um, wonach die Mit­ gliedstaaten gewährleisten müssen, dass die nationalen Gerichte zu keiner Zeit die Offenlegung von Kronzeugenerklärungen anordnen können, siehe RegE BT-Drs. 18/10207, S.  63. 123  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  102; Berg/Mäsch/Seitz §  89b GWB Rn.  8. 124  Die Kronzeugenprogramme schützen die kooperierenden Unternehmen gerade nicht vor den zivilrechtlichen Folgen des Kartellverstoßes, siehe Hellmann EuZW 2000, 741, 744; Hornsby/Hunter E.C.L.R. 1997, 38, 40; Jürgens/Seelinger EWS 2006, 337, 341. 119 

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hoch ist, wird sich das Fehlen eines zivilrechtlichen Schutzes nicht negativ auf die Inanspruchnahme der Kronzeugenprogramme auswirken. Schließlich kämen die Kartellanten in einer solchen Konstellation bei ihrer Abwägung meistens zu dem Schluss, dass sich eine Kooperation dennoch finanziell lohnt. Jedoch kommt es regelmäßig vor, dass die zu befürchtenden Schadensersatzforderungen in ihrer Höhe über den drohenden Bußgeldern liegen.125 Dann ist eine Kooperation der Unternehmen, sofern die Offenlegungsgefahr des Kartells durch andere nicht sig­nifikant erhöht ist, deutlich unwahrscheinlicher. Mit steigender Wahrschein­ lichkeit der zivilrechtlichen Inanspruchnahme durch die Geschädigten sinkt der Reiz der Kronzeugenprogramme.126 Die neuen Regelungen, die es Geschädigten erleichtern sollen, Schadensersatz zu erlangen, stehen folglich mit dem Schutz der Kronzeugenprogramme in ei­ nem „Spannungsverhältnis“.127 Die schnellere Bestandskraft, die Bindungswir­ kung und die Schadensvermutung erleichtern die private Rechtsdurchsetzung, belasten aber die Kronzeugen. Der Schutz vor Offenlegung der Kronzeugenun­ terlagen ist zwar ein wichtiger Schritt, reicht aber allein nicht aus, um die erhöh­ te Gefahr der Schadensersatzklagen für die Kronzeugen zu bannen. Die Geschä­ digten können über die Auskunftsansprüche an andere Kartellunterlagen, die nicht vom Schutz des Kronzeugenantrags erfasst sind, gelangen und diese im Verfahren gegen die Kronzeugen verwenden. Zwar hat sich die Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung noch nicht nega­ tiv in der jährlichen Zahl der von der Kommission mit einem Bußgeld belegten Kartelle niedergeschlagen, denn diese lag 2017 mit sieben Kartellen128 genauso hoch wie 2010.129 Jedoch hat die Kommission in den letzten Jahren auch eine „aggressive Kartellverfolgung“ betrieben,130 welche etwaige Rückgänge ausge­ glichen haben könnte. Ebenso wenig lässt aus den Statistiken der deutschen Kar­ 125  Böge in: Basedow, Private Enforcement, S.  217, 221; Janssen CB 2015, 35; Wecker/ Ohl/Janssen Compliance, S.  185, 194; Kodek in: Gugler/Schuhmacher, Schadensersatz, S.  15, 34. Vgl. ferner Baron/Trebing CB 2016, 453, 455. 126  Schroeder in: Baudenbacher, 17th St. Gallen Competition Law Forum, S.  435, 442; Koch JZ 2013, 390, 391; Ritter WuW 2008, 762, 773. Die Rückgriffansprüche des Kronzeugen ge­ gen die Mitkartellanten können gefährdet sein, siehe Mäger/Fort Europäisches Kartellrecht, Kap.  11 Rn.  81. 127  Siehe oben Einführung Fn.  11. 128  Siehe die Kartellstatistik 1.9 der Kommission, S.  5, http://ec.europa.eu/competition/car tels/statistics/statistics.pdf (abgerufen am 14.3.2018). 129  Siehe zur Zahl der 2010 erlassenen Kartellbeschlüsse den Bericht über die Wettbe­werbs­ politik 2010 der Kommission v. 10.6.2011, KOM(2011) 328 endgültig, S.  19. 130 Siehe http://www.allenovery.com/news/de-de/articles/Pages/Aggressive-Kartellverfol gung-der-EU-sorgt-2016-für-Anstieg-der-weltweit-verhängten-Kartellbußen.aspx (abgerufen am 14.3.2018).

C.  Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung

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tellbehörden eindeutig auf den Bedarf einer Haftungsprivilegierung schließen. So ist zwar beim Bundeskartellamt die Gesamtzahl der Kronzeugenanträge trotz Stärkung des Private Enforcement stetig gestiegen und hat sich zwischen 2011 und 2015 kontinuierlich von 41 auf 76 pro Jahr erhöht.131 Jedoch könnte der 2016 zu verzeichnende niedrigere Wert von 59 Anträgen der Beginn einer unerfreuli­ chen Trendwende sein.132 Daher ist in jedem Fall zu betonen, dass angesichts der Vielzahl an Kartellverstößen auf nationaler wie europäischer Ebene unabhängig von konkreten Zahlen ein starker Bedarf an Kronzeugen besteht.

II.  Keine Möglichkeit strafrechtlicher Privilegien Einen ebenso großen Anreiz wie zivilrechtliche Haftungsprivilegierungen könn­ ten strafrechtliche Privilegien für die Unternehmen und die für sie tatsächlich handelnden natürlichen Personen schaffen. Diese könnten die erhöhte Gefahr zivilrechtlicher Klagen vollständig kompensieren. Allerdings droht den verant­ wortlichen Unternehmen und den für sie handelnden Personen anders als in den USA133 in Deutschland regelmäßig wegen des Kartellverstoßes keine Verfolgung durch die Strafbehörden. Eine Bestrafung der kartellbeteiligten Unternehmen scheidet schon deshalb aus, weil dem deutschen Recht ein Unternehmensstraf­ recht fremd ist.134 Damit kommt nach geltenden Grundsätzen ohnehin nur eine Bestrafung der für die Unternehmen handelnden natürlichen Personen in Betracht.135 Doch auch der Strafverfolgung natürlicher Personen wegen Kartellrechtsverstößen kommt in Deutschland nur geringe Bedeutung zu.136 Strafbar ist gemäß §  298 StGB ledig­ lich die Teilnahme an einem Submissionskartell. Hinsichtlich der Beteiligung an anderen Kartellen kommt allenfalls ein Betrug gemäß §  263 StGB in Betracht.137 131  Insgesamt ist auch die Anzahl der Fälle, in denen Bonusanträge gestellt wurden, seit 2001 gestiegen. Waren im Jahr 2001 lediglich zwei Fälle zu verzeichnen, erhöhte sich die Zahl im Jahr 2006 auf 13 Fälle. Der bisherige Höchstwert wurde in den Jahren 2013 und 2014 mit jeweils 41 Fällen pro Jahr erreicht. Siehe Bundeskartellamt Tätigkeitsbericht 2015/2016, BTDrs. 18/12760, S.  30. 132  Ebenso betrug im Jahr 2015 die Zahl der Fälle, in denen Bonusanträge gestellt wurden, nur 29 und lag damit 12 Fälle unter dem Vorjahreswert. Auch im Jahr 2016 wurden in nur 36 Fällen Kronzeugenanträge gestellt. Siehe Bundeskartellamt Tätigkeitsbericht 2015/2016, BTDrs. 18/12760, S.  30. 133  Gänswein/Hiéramente NZKart 2017, 502. 134 Vgl. Grützner CCZ 2015, 56. 135 Vgl. Nickel wistra 2014, 7. 136  Vgl. Wiedemann/Klusmann Kartellrecht, §  56 Rn.  4; Stockmann in: Schwarze, Instru­ mente zur Durchsetzung, S.  93; Schroll Kronzeugenprogramme, S.  96. 137 Vgl. Hotz JuS 2017, 922.

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

Anders als im anglo-amerikanischen Recht138 sind Kartellrechtsverstöße auch in den EU-Mitgliedstaaten nicht dem Kriminalstrafrecht, sondern allein dem Ordnungswidrigkeitenrecht unterstellt.139 Anstelle von Geld- oder Freiheitsstra­ fen werden gegen die kartellbeteiligten Unternehmen und natürlichen Personen Bußgelder verhängt. In den letzten Jahren wird eine strafrechtliche Sanktionierung von Kartellver­ stößen vereinzelt diskutiert.140 So sieht die Monopolkommission die bisherige ordnungsrechtliche Verfolgung trotz der Bußgelder in mehrfacher Millionenhö­ he als nicht abschreckend genug an und befürwortet jedenfalls die Einführung entsprechender Tatbestände für verantwortliche natürliche Personen in Hardco­ re-Kartellen.141 Gerade die natürlichen Personen seien letztlich für die Verstöße verantwortlich, würden aber nicht mit Geldbußen belegt, da dies für die Kom­ mission rechtlich nicht möglich sei und durch das Bundeskartellamt praktisch nicht geschehe.142 Eine derartige Kriminalisierung des Kartellrechts würde maßgeblich zu einer erhöhten Abschreckungswirkung der Kartellverfolgung beitragen.143 Dass ein­ zelne Kartellanten den US-Markt von ihrer Kartellvereinbarung ausklammern, um der Strafbarkeit dort zu entgehen, spricht für eine größere Abschreckungs­ wirkung.144 Dort muss eine kartellbeteiligte natürliche Person gemäß §  1 Sher­ man Antitrust Act (15 U.S.C.) immerhin eine Geldstrafe bis zu 1 Mio. $ oder eine Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren befürchten. Den Unternehmen selbst droht bei kartellrechtlichen Zuwiderhandlungen eine Geldstrafe bis zu 100 Mio. $. Eine verstärkte strafrechtliche Sanktionierung der Kartellverstöße würde nicht nur abschreckend wirken, sondern könnte auch für die Effektivität der Verfol­ gung bereits begangener Zuwiderhandlungen äußerst förderlich sein. Dafür müsste für die ersten kooperierenden Personen wie beim Leniency-Programm der US-Justizbehörde eine vollständige Strafbefreiung vorgesehen und bei ihnen auf eine Anklage verzichtet werden.145 Den sonstigen Kronzeugen müsste ent­ sprechend die Strafe reduziert werden, wie es auch die „United States Federal 138  Zum Kartellstrafrecht des Vereinigten Königreichs siehe Wagner-von Papp WuW 2009, 1236, 1240 ff. 139  Hetzel Kronzeugenregelung, S.  33. 140  Siehe nur Hombrecher NZKart 2017, 143; Bürger NZKart 2017, 624; Gänswein/Hiéramente NZKart 2017, 502; Hotz JuS 2017, 922; Immenga NZKart 2016, 201. 141  Monopolkommission XX. Hauptgutachten (2012/2013), Tz.  216. 142  Monopolkommission XX. Hauptgutachten (2012/2013), Tz.  151, 156. Kritisch hingegen Federmann Kriminalstrafen, S.  461 ff., 536. 143  Werden ECJ 2009, 19, 23 ff.; Immenga NZKart 2016, 201. 144  Wils Efficiency, Tz.  568 f. Siehe auch Monopolkommission XX. Hauptgutachten (2012/2013), Tz.  155; Wagner-von Papp WuW 2010, 268, 273. 145 Vgl. Hombrecher NZKart 2017, 143, 145.

C.  Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung

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Sentencing Guidelines“ vorsehen.146 Die unmittelbare Betroffenheit des eigenen Schicksals und nicht bloß des Unternehmens würde sicherlich etliche an den Verstößen beteiligte Personen dazu bewegen, ihren Kopf zulasten der übrigen Beteiligten aus der Schlinge zu ziehen.147 Da in absehbarer Zeit eine strafrechtliche Sanktionierung von Kartellverstö­ ßen aber nicht eingeführt wird, besteht ein solcher Anreiz für die Beteiligten derzeit nicht.148 Die fehlenden strafrechtlichen Privilegierungsmöglichkeiten können daher die haftungsrechtlichen Nachteile der Zusammenarbeit mit den Wettbewerbsbehörden nicht aufwiegen. Schließlich besteht anders als in den USA auch kein Anreiz für kartellbeteiligte natürliche Personen, aus Angst vor einer Strafverfolgung mit den Behörden zu kooperieren.

III.  Keine Schlechterstellung als Mitkartellanten Ein weiterer Aspekt, der bei der Frage nach der Erforderlichkeit einer zivilrecht­ lichen Haftungsprivilegierung der Kronzeugen zu berücksichtigen ist, ist, dass der Kronzeuge in tatsächlicher Hinsicht nicht schlechter gestellt sein darf als seine unkooperativen Mitkartellanten.149 Schließlich haben die Kronzeugen Kar­ telle offengelegt und den Wettbewerbsbehörden Beweise für deren öffent­ lich-rechtliche Verfolgung geliefert.150 Zudem haben die Kronzeugen durch ihre Offenlegung mittelbar dazu beigetragen, dass die entstehenden Schäden nicht durch eine fortdauernde Zuwiderhandlung weiter wachsen und dass auch die Geschädigten von den Kartellverstößen Kenntnis erlangen.151 Derart positive Effekte ihres Handelns können die unkooperativen Mitkartel­ lanten dagegen nicht verzeichnen. Sie haben wie die Kronzeugen die entstande­ nen Schäden mitverursacht, jedoch keine Beiträge zur Schadensminderung oder sonstigen Verbesserung der Position der Geschädigten geleistet. Daher sind die Kronzeugen im Vergleich zu ihren Mitkartellanten, was die zivilrechtliche Haf­ tung anbelangt, schutzbedürftiger. Sie dürfen nicht stärker als die übrigen Schä­ diger den Ansprüchen der Geschädigten ausgesetzt sein. Anspruchsgegner kla­ gender Kartellopfer sollen unter Berücksichtigung der unmittelbaren und mittel­ baren Wirkungen des Nachtatverhaltens in erster Linie diejenigen Kartellanten Denoth Kronzeugenregelung, S.  121; Hombrecher NZKart 2017, 143, 145. Vgl. Kamann/Ohlhoff/Völcker/Middelschulte/Hutschneider Kartellverfahren, §  26 Rn. 13. 148 Auf europäischer Ebene fehlt es diesbezüglich schon an der Strafkompetenz, siehe Zagrosek Kronzeugenregelungen, S.  253. 149 Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  260; Fiedler BB 2013, 2179, 2184. 150  Erw.Gr. 38 SE-RL. 151  Erw.Gr. 38 SE-RL. 146 Vgl. 147 

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

sein, die nicht zur Aufklärung und Aufarbeitung des Kartellverstoßes beigetra­ gen haben.

IV.  Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Geschädigten Ein erhöhter zivilrechtlicher Schutz der Kronzeugen bringt zwangsläufig eine Belastung der Geschädigten und Mitkartellanten mit sich. Während die Mitkar­ tellanten – wie soeben aufgezeigt – wenig schutzbedürftig sind, kommt eine Analyse der Schutzbedürftigkeit der Geschädigten zu einem anderen Ergebnis. Sie sind die Leidtragenden einer kartellrechtlichen Zuwiderhandlung, auf die sie keinen Einfluss hatten. Als einziger Beteiligtengruppe ist den Geschädigten ge­ rade kein schädigendes Verhalten vorzuwerfen. Vielmehr haben sie durch die Handlungen der Kartellanten einen Schaden erlitten. Ihre Schutzbedürftigkeit überwiegt daher grundsätzlich diejenige aller Kartellanten, weshalb ihre Rechte und Interessen bei der Abwägung, ob Kronzeugen privilegierungsbedürftig sind, unbedingt miteinzubeziehen sind.152 Allerdings zwingt die ausgeprägte Schutzbedürftigkeit der Geschädigten kei­ nesfalls zur Verneinung der zivilrechtlichen Haftungsprivilegierung von Kron­ zeugen. Schließlich können die Schutzbedürftigkeit der Kronzeugen und deren „kooperatives Nachtatverhalten“153 zumindest punktuell dazu führen, dass die Schutzbedürftigkeit der Geschädigten zurückstehen muss, jedenfalls wenn eine Privilegierung notwendig ist, um das System der Kronzeugen insgesamt auf­ rechtzuerhalten.154 Sieht man bereits das Bestehen der Kronzeugenprogramme kritisch, ist es nur konsequent, eine weitergehende Privilegierung abzulehnen.155 Erkennt man jedoch den ausgesprochen hohen Nutzen der Programme für die Kartellrechtsdurchsetzung, kann man eine Privilegierungsbedürftigkeit nicht ohne weitere Überlegungen ablehnen. Rückt man die Tatsache, dass es sich auch bei einem Kronzeugen um einen Kartellteilnehmer handelt, der u. U. maßgeblich an der Kartellierung beteiligt war, in den Fokus, dann erscheint es mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz sehr fragwürdig, den Täter auch nur geringfügig auf Kosten der Geschädigten zu privilegieren.156 Berücksichtigt man jedoch, dass der erste Kronzeuge durch sei­ Alexander Schadensersatz, S.  421. K. Schmidt FS Roth, S.  521, 526. 154 Vgl. K. Schmidt FS Roth, S.  521, 526. 155  Eine kritische Haltung gegenüber Kronzeugenprogrammen offenbaren jedenfalls Fisch­ ötter/Wrage-Molkenthin FS Lieberknecht, S.  321, 325 f. sowie Sendler NJW 1989, 1761, 1766. 156  Dieser Ansicht sind Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  121; dies. WuW 2016, L1, L7. Siehe auch Dworschak/Maritzen WuW 2013, 829, 841; Kersting WuW 2014, 564, 568. 152  153 

C.  Erforderlichkeit einer Haftungsprivilegierung

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ne Zusammenarbeit mit den Behörden das Kartell aufdeckt und dadurch verhin­ dert, dass den Geschädigten weitere Schäden entstehen,157 relativiert sich diese Einstellung. Ohne den Kronzeugen würde die Zuwiderhandlung auf dem Markt fortdauern und noch größere Schäden erzeugen, deren Kompensation ohne Auf­ deckung des Kartells nicht möglich wäre.158 Dass dies lediglich ein Privilegie­ rungsgrund auf öffentlich-rechtlicher Ebene und zivilrechtlich deswegen nicht zu berücksichtigen sei, weil ausschließlich für entstandene Schäden gehaftet werde,159 lässt sich nicht halten.160 Ansatzpunkt dieses Arguments ist gerade nicht, dass das Handeln des Kronzeugen eine klassische Schadensminderung analog §  254 BGB darstellt,161 sondern dass der Kronzeuge durch seine Koope­ ration zukünftige Schäden von den Geschädigten abwendet und sie durch die Aufdeckung erst in die Lage versetzt, ihre Ansprüche durchzusetzen.162 Zwar ändert die Aufdeckung durch den Kronzeugen weder etwas an der generellen Schutzbedürftigkeit der Geschädigten noch verringert sich dadurch der bereits entstandene Schaden.163 Doch soll eine Haftungsprivilegierung des Kronzeugen auch nicht zu einem vollständigen Ausschluss der Rechte der Geschädigten auf Schadensersatz führen. Die Geschädigten sollen nicht „froh sein, bei der Scha­ densersatzklage überhaupt etwas zu bekommen“,164 sondern lediglich geringfü­ gige und verhältnismäßige Einschränkungen in Kauf nehmen, um eine Stärkung des gesamten Kartellrechts zu ermöglichen. Dass die Motivation eines Unternehmens für die Teilnahme an einem Kron­ zeugenprogramm meist weniger in der „Rückkehr auf den Pfad der Tugendhaf­ tigkeit“ als in der Nutzung der wirtschaftlichen Vorteile liegt,165 spricht nicht gegen eine zivilrechtliche Privilegierung. Zum einen setzt dieser Einwand bereits beim Bestehen von Kronzeugenprogrammen an, zum anderen zählt für die Wett­ bewerbsbehörden und die Geschädigten nur der Ertrag der Aussagen ungeachtet der moralischen Hintergründe. Andernfalls dürften die Behörden durch ihre fi­ nanziellen Anreize auch keinen „Wettlauf der Kartellanten“166 herausfordern.

157 Vgl. Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1868; Kersting ZWeR 2008, 252, 267; Bien EuZW 2011, 889, 890; Vollrath NZKart 2013, 434, 443. 158  Wagner-von Papp EWS 2009, 445, 453. 159  Glöckner WRP 2015, 410, 415. 160 Siehe Kersting ZWeR 2008, 252, 266 f.; Krüger NZKart 2013, 483, 484. 161  Hierauf will Glöckner WRP 2015, 410, 415 abstellen und verneint eine Schadensminde­ rung. 162  Kersting ZWeR 2008, 252, 267; Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1868. 163  So zutreffend Alexander Schadensersatz, S.  421. 164  Alexander Schadensersatz, S.  421. 165  Böni EWS 2014, 324, 329. 166  Siehe oben Kap.  2 Fn.  40.

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2. Kapitel: Privilegierungsbedürftigkeit von Kronzeugen

V. Zwischenergebnis Die entscheidende Rolle der Kronzeugen bei der Kartellrechtsdurchsetzung muss aufrechterhalten bleiben. Ist die Angst vor „übermäßigen Schadenser­satz­ ansprüchen“167 zu groß und verzichten die Unternehmen infolgedessen auf eine Aufdeckung, gelingt es den Behörden nur schwerlich, mit eigenen Mitteln das Kartell auszumachen. Die Geschädigten werden dann aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht oder erst sehr spät vom Kartellverstoß erfahren und nicht oder nur schwer in der Lage sein, Schadensersatz zu erlangen. Kronzeugen kann eine he­ rausragende Stellung im Bereich der Kartellrechtsdurchsetzung daher nicht ab­ gesprochen werden. Sie müssen neben den Bußgeldreduzierungen noch in ande­ rer Weise privilegiert werden, um das Funktionieren der öffentlich-rechtlichen Rechtsdurchsetzung sicherzustellen. Allerdings darf eine zusätzliche Haftungsbeschränkung im Zivilrecht nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der Geschädigtenrechte und -interessen führen. Dies wäre nicht nur grundrechtlich bedenklich, sondern würde in der Praxis wohl auch zu einem nicht erwünschten Rückgang von Schadensersatzkla­ gen führen, was ebenfalls die Durchsetzungskraft des Kartellrechts schwächen würde.168 Die Haftungsprivilegierung muss sich somit in erster Linie zulasten der Mitkartellanten auswirken. Diese sind nur wenig schutzbedürftig und müs­ sen ohnehin auf Schadensersatz haften. Sofern aus der Verlagerung der Haftung auf die Mitkartellanten mittelbar verhältnismäßige Einschränkungen der Ge­ schädigtenrechte resultieren, stehen diese im Einklang mit der Rechtsordnung. Schließlich dienen sie insgesamt und vor allem langfristig betrachtet aufgrund ihrer positiven Wirkungen für die Kartellrechtsdurchsetzung auch dem Schutz der Geschädigten. Denn wenn die Haftungsbeschränkung des Kronzeugen nicht nur den Rückgang von Kronzeugenanträgen verhindern, sondern bei den Unter­ nehmen auch den Reiz verstärken kann, vorzeitig aus dem Kartell auszusteigen, führt dies von Beginn an zu instabileren Kartellen.169 Mit der Courage-Recht­ sprechung des EuGH steht eine derart ausgestaltete Haftungsprivilegierung des Kronzeugen jedenfalls nicht im Widerspruch. Solange die Möglichkeit der Gel­ tendmachung des Anspruchs gegen die Verletzer verbleibt, steht eine Haftungs­ beschränkung im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH.170

167 

Erw.Gr. 38 SE-RL. Alexander Schadensersatz, S.  421. 169 Vgl. Beschorner/Hüschelrath in: Möschel/Bien, Kartellrechtsdurchsetzung, S.  9, 22. 170  So auch Roth ZHR 179 (2015), 669, 686 f. 168 

3. Kapitel

Gesamtschuldnerische Haftung A.  Geltung der gesamtschuldnerischen Haftung Obwohl das Gesetz seit der Streichung des §  37 GWB a. F. im Zuge der 6. GWB-Novelle keine explizite Anordnung mehr vorsah,1 war die gesamtschuld­ nerische Haftung der Kartellanten für kartellbedingte Schäden seit Bestehen der Schadensersatzhaftung in Deutschland allgemein anerkannt.2 Grund der Strei­ chung des §  37 GWB a. F. war schließlich keine abweichende Rechtsüberzeu­ gung, sondern die zutreffende Auffassung, dass sich die gesamtschuldnerische Haftung der Kartellanten schon aus dem allgemeinen Zivilrecht ergibt und es somit keiner speziellen Regelung bedarf.3 Die Schädiger haben „alle dazu beige­ tragen, dass die Marktpartner zu ungünstigeren Bedingungen beziehen muss­ ten“,4 und durch ihr gemeinsames Verhalten an der Entstehung des Schadens beim Geschädigten mitgewirkt.5 Sie haben alle gleichermaßen für eine Ver­ 1 Immenga/Mestmäcker/Emmerich §  33 GWB Rn.  5 f.; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  4; Hösch Innenausgleich, S.  66; Krüger Kartellregress, S.  27. 2  BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Ls. 4, Tz.  80 – ORWI; Bechtold/Bosch §  33 GWB Rn.  27; FrankKomm/Roth 49. Lfg., §  33 GWB Rn.  139; MünchKommBGB/Wagner §  840 BGB Rn.  9; Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  14; Dreher FS Möschel, S.  149; Görner An­ spruchsberechtigung, S.  233; Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  68; Körner Gesamtschuld, S.  267; Krüger Kartellregress, S.  24; Logemann Schadensersatz, S.  75; Meeßen Schadenser­ satz, S.  396; Köhler GRUR 2004, 99, 101; Janssen CB 2015, 35, 38; Lettl ZHR 167 (2003), 473, 491; Rust NZKart 2015, 502, 505. 3  §  37 GWB a. F. bestimmte, dass die Mitglieder eines Kartells, das nicht rechtsfähig ist, als Gesamtschuldner für den Schaden verantwortlich sind, den ein Beauftragter des Kartells durch eine in Ausführung der ihm zustehenden Verrichtungen begangene, auf Grund dieses Gesetzes zum Schadensersatz verpflichtende Handlung einem Dritten zufügt. Der am 1.1.1958 in Kraft getretene §  37 GWB a. F. wurde am 1.1.1999 mit einem entsprechenden Hinweis aufgehoben; RegE zum 6. GWB-ÄndG BT-Drs. 13/9720, S.  42. Siehe dazu auch FrankKomm/Roth 49. Lfg., §  33 GWB Rn.  136; Hösch Innenausgleich, S.  66; Krüger Kartellregress, S.  27. 4  Köhler GRUR 2004, 99, 101. 5  BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Tz.  80 – ORWI; Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  68; Krüger Kartellregress, S.  25; Logemann Schadensersatz, S.  75; Meeßen Schadenser­ satz, S.  396; Dreher FS Möschel, S.  149, 165 f.; Gussone/Schreiber WuW 2013, 1040, 1054; Köhler GRUR 2004, 99, 101.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

schlechterung der Marktbedingungen gesorgt, indem sie auf der Grundlage der Kartellabrede zusammen agiert haben, um eine Wettbewerbsbeschränkung zu bezwecken oder zu bewirken.6 Als Mittäter oder sonstige Beteiligte i. S. d. §  830 Abs.  1 BGB haften sie daher schon gemäß §  840 Abs.  1 i. V. m. §§  421 ff. BGB als Gesamtschuldner.7 Insoweit gilt im Kartelldeliktsrecht nichts anderes als im allgemeinen Deliktsrecht.8 Bei Kartellverstößen ergab sich die gesamtschuldne­ rische Haftung folglich bislang aus §  33 Abs.  3 GWB a. F., Art.  101 AEUV bzw. §§  1 ff. GWB i. V. m. §§  830 Abs.  1 S.  1, 840 Abs.  1, 421 ff. BGB. An diesem Grundsatz hat sich durch das Inkrafttreten des §  33d Abs.  1 GWB im Wesentlichen nichts geändert. Nach der Neuregelung sind die Kartellanten, wenn sie gemeinschaftlich einen Verstoß i. S. d. §  33a Abs.  1 GWB begehen, als Gesamtschuldner zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.9 Im Übrigen sollen §§  830, 840 Abs.  1 BGB weiterhin gelten. §  33d Abs.  1 GWB ist insofern rein klarstellend.10 Über die bisherige Rechtslage hinausgehende Rege­ lungen trifft die Norm nicht.11 Anders sieht es bei der speziellen Regelung des Innenregresses in §  33d Abs.  2 GWB aus. Während über das „Ob“ der gesamtschuldnerischen Haftung in Recht­ sprechung und Literatur seit jeher Einigkeit bestand, war das „Wie“ der Haf­ tungsverteilung stets umstritten. Insbesondere die Verzahnung der allgemeinen Rechtsgrundsätze der Gesamtschuld mit den kartellrechtlichen Besonderheiten bei der Haftungsverteilung sorgte für Diskussionen.12 §  33d Abs.  2 GWB hat den Innenregress nun gesetzlich geregelt. Maßgeblich für die Bestimmung der Haf­ tungsquoten sind gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB fortan die Umstände, insbeson­ dere das Maß der Verursachung. Die Haftung bestimmt sich somit nach mehre­ ren unbestimmten Rechtsbegriffen, was die Frage der Praxistauglichkeit der Regelung aufwirft.

6  Krüger Kartellregress, S.  25; Logemann Schadensersatz, S.  75; Schwalbe/Höft FS Mö­ schel, S.  597, 631 Fn.  110. 7  Teilweise wird die Zitierung von §  830 Abs.  1 BGB als überflüssig erachtet, da an einem Kartellverstoß denknotwendig mehrere beteiligt sind, Alexander Schadensersatz, S.  617. 8  Schließlich erfassen §§  830, 840 Abs.  1 BGB neben Schäden, die durch unerlaubte Hand­ lungen gemäß der §§  823–853 BGB entstanden sind, ebenso Schäden, zu deren Ersatz der Täter durch Normen außerhalb des BGB verpflichtet ist, siehe Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  14; Krüger Kartellregress, S.  25. 9  Zur Definition der Gesamtschuld: MünchKommBGB/Bydlinski §  421 BGB Rn.  3. 10  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  57. 11  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  57. 12 Vgl. Rust NZKart 2015, 502, 502 f.

B.  Außenverhältnis (§  33d Abs.  1 GWB)

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B.  Außenverhältnis (§  33d Abs.  1 GWB) §  33d Abs.  1 S.  2 GWB i. V. m. §§  830, 840 Abs.  1, 421 S.  1 BGB gewährt einem Geschädigten ein eigenes, selbständiges Forderungsrecht gegenüber jedem Schädiger. Er kann aus der Gesamtheit der Schädiger einen oder mehrere An­ spruchsgegner frei wählen. An seine Geschäftspartner ist er nicht gebunden. Die gesamtschuldnerische Haftung im Deliktsrecht ist unabhängig von etwaigen ver­ traglichen Beziehungen.13 Ebenso muss der Geschädigte auch keinen Kausali­ tätsnachweis hinsichtlich des konkreten Tatbeitrages erbringen, erforderlich ist nur eine Kausalität für den Gesamtschaden.14 Die Auswahl des Beklagten richtet sich daher vorwiegend nach Zweckmäßigkeitserwägungen wie seiner Zahlungs­ fähigkeit oder der Durchsetzbarkeit der Ansprüche.15 Die Schädiger sind dem Geschädigten gegenüber als Gesamtschuldner ver­ pflichtet, die ganze Leistung zu bewirken, unabhängig davon, welchen Anteil am Gesamtschaden sie im Innenverhältnis tragen müssen.16 Der Geschädigte kann auf diese Weise seine Forderung bereits dann vollständig durchsetzen, wenn le­ diglich ein einziger Schuldner zur Leistung im Stande ist.17 Selbst wenn sein Schaden vom zuerst in Anspruch genommenen Schuldner nicht vollständig kom­ pensiert wird, kann der Geschädigte sich hinsichtlich des noch verbleibenden Teils weiterhin an die übrigen Schuldner halten. Er erhält durch die Anordnung der Gesamtschuld folglich eine „Paschastellung“.18 Sein Wahlrecht endet nach §  421 S.  2 BGB erst, wenn die Leistung vollständig bewirkt, d. h. der Schaden vollständig kompensiert ist. Insgesamt darf der Geschädigte die Leistung aber nur einmal fordern.19 Ursache für diese starke Rechtsstellung ist, dass er sich im Deliktsrecht seinen Schuldner nicht selbst aussuchen konnte.20 Daher soll wenigstens sein Ersatzan­ spruch interessengerecht befriedigt werden und sich ein Schädiger nicht unter Logemann Schadensersatz, S.  75; Dreher FS Möschel, S.  149, 165 f.; Weitbrecht NJW 2012, 881, 883; Gänswein NZKart 2016, 50. 14 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  5; Erman/Mayen/Wilhelmi §  840 BGB Rn.  1; MünchKommBGB/Wagner §  830 BGB Rn.  4; Staudinger/Eberl-Borges §  830 BGB Rn.  2; Krüger WuW 2012, 6; Lettl WuW 2015, 692, 694. 15 Vgl. Meier Gesamtschulden, S.  6; Gänswein NZKart 2016, 50. 16 Soergel/Gebauer §  421 BGB Rn.  2; Meier Gesamtschulden, S.  6. 17 Palandt/Grüneberg §  421 BGB Rn.  1; Meier Gesamtschulden, S.  6; Rust NZKart 2015, 502. 18  Heck Grundriß des Schuldrechts, S.  235. Siehe auch Palandt/Grüneberg §  421 BGB Rn.  1; Rust NZKart 2015, 502, 506. 19 Soergel/Gebauer §  421 BGB Rn.  7; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  5; Schwedhelm Gesamtschuldverhältnis, S.  25. 20 MünchKommBGB/Wagner §  840 BGB Rn.  1; Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  2. 13 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Hinweis auf andere Mitschädiger (teilweise) entlasten können.21 Die Risiken der Rechtsverfolgung werden den Schädigern auferlegt.22 Diesen bleibt zwar hin­ sichtlich der im Innenverhältnis zu viel geleisteten Schadenssumme der Regress gegenüber den Mitkartellanten, allerdings mit dem Ausfall- und Insolvenzrisi­ ko.23 Anders als bei einer Teilschuld trifft dieses nicht den Gläubiger.24 Gerade bei Kartellen, an denen regelmäßig eine Vielzahl von Unternehmen beteiligt ist,25 welche über lange Zeit hinweg am Markt auftreten, kommt dieser Risikoverteilung eine besondere Bedeutung zu. Bei einer großen Zahl von Kar­ tellmitgliedern und Geschädigten entsteht eine „unübersichtliche Anzahl interak­ tiver Schuldverhältnisse“26, die im Innenverhältnis ein „komplexes Geflecht von Rechtsbeziehungen“27 bilden. Leistet nun ein in Anspruch genommener Mitkar­ tellant im Außenverhältnis in mehreren dieser Verhältnisse eine seinen Anteil am Schaden übersteigende Summe, wird ihm dadurch ein erhebliches Insolvenzrisi­ ko aufgebürdet.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB) I.  Ablehnung eines Regressausschlusses Wie innerhalb der EU durch die Schadensersatzrichtlinie vorgegeben, gilt auch in den USA im Außenverhältnis der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haf­ tung der Kartellanten (joint and several liability).28 Allerdings ist im US-Kartell­ recht der Regress innerhalb der Kartelle ausgeschlossen.29 Es erfolgt kein gesetz­ licher Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis (rule of no-contribution).30 Die Übernahme des Regressausschlusses ins europäische und deutsche Kartell­ 21 Staudinger/Vieweg

§  840 BGB Rn.  2. §  840 BGB Rn.  1; Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  2. 23 Vgl. Schwedhelm Gesamtschuldverhältnis, S.  25; Schroll Kronzeugenprogramme, S.  169; Rust NZKart 2015, 502, 510. 24 Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  2; Schwedhelm Gesamtschuldverhältnis, S.  25. 25  Kartellmitglieder in zweistelliger Höhe sind keine Seltenheit, siehe Rust NZKart 2015, 502, 506. Vgl. auch Berg/Mäsch/Mäsch §  33f GWB Rn.  1. 26  Rust NZKart 2015, 502, 506 mit Verweis auf Krüger WuW 2012, 6. 27  Hösch Innenausgleich, S.  29. 28  Texas Industries, Inc. v. Radcliff Materials, Inc., 451 U.S.  630 ff. (1981); Leslie Duke Law Journal 2009, 747, 753 f. Vgl. dazu auch Krüger WuW 2012, 6, 7. 29 Vgl. Dreher FS Möschel, S.  149, 163; Gänswein NZKart 2016, 50, 51. 30  Texas Industries, Inc. v. Radcliff Materials, Inc., 451 U.S.  630 ff. (1981); Leslie Duke Law Journal 2009, 747, 753 f. Kritik daran übt Baker Loyola Consumer L. Rev. 2004, 378, 388. Vgl. dazu auch Krüger WuW 2012, 6, 7. 22 MünchKommBGB/Wagner

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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recht wurde in der Literatur teilweise befürwortet.31 Schließlich stärkt ein solcher Ausschluss den Präventionszweck des Schadensersatzes, da jeder Kartellant fürchten muss, vom Geschädigten in der vollen Schadenshöhe in Anspruch ge­ nommen zu werden, ohne dass ein Rückgriff auf die restlichen Kartellanten möglich ist.32 Spätestens seit Inkrafttreten des neuen §  33d Abs.  2 GWB ist die Einführung eines Regressausschlusses aber mehr als unwahrscheinlich.33 Der Richtlinienge­ ber hat sich ausdrücklich gegen die US-amerikanische Variante entschieden und gesetzlich festgelegt, dass einem Rechtsverletzer, welcher über seinen Anteil am Schaden hinaus Ersatz geleistet hat, Ausgleichsansprüche gegen die anderen Rechtsverletzer zustehen.34 Der Grundsatz der Gesamtschuld, wonach der in An­ spruch genommene Schuldner die Last im Innenverhältnis nicht alleine tragen muss,35 gilt damit ebenso im Kartellrecht. Anders ließe sich auch die freie Wahl des Gläubgers nicht rechtfertigen, welche die Kartellanten der Willkür des Ge­ schädigten ausliefert.36 Der Innenregress erfolgt aufgrund der Verweisung in §  33d Abs.  2 S.  2 GWB nach den allgemeinen Regeln der §§  421–425 und §  426 Abs.  1 S.  2, Abs.  2 BGB. Insoweit ergeben sich aus der Neuregelung keine Besonderheiten. Von der Ver­ weisung ausgenommen ist jedoch §  426 Abs.  1 S.  1 BGB mit dem darin normier­ ten Kopfteilprinzip. Bezüglich der Haftungsquote, welche die Höhe der Aus­ gleichsansprüche bestimmt, trifft §  33d Abs.  2 S.  1 GWB eine spezielle Rege­ lung.

II. Ausgleichsansprüche 1.  Beibehaltung des zweigliedrigen Regresssystems Bis zum Inkrafttreten des §  33d Abs.  2 GWB fand §  426 BGB mangels spezieller kartellrechtlicher Regelungen direkt Anwendung. Durch die Verweisung in §  33d Abs.  2 S.  2 GWB auf §  426 Abs.  1 S.  2 und Abs.  2 BGB bleibt es trotz einzelner Lettl ZHR 167 (2003), 473, 491. Der Gedanke der Rechtsschutzverweigerung für verbotene Geschäfte aus §  817 S.  2 BGB bestimme für den Innenregress daher etwas anderes i. S. d. §  426 Abs.  1 S.  1 BGB, siehe Lettl ZHR 167 (2003), 473, 491. Aufgrund der willkürlichen Begünstigung der anderen Kartellanten hingegen ablehnend: Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  401 sowie Dreher FS Möschel, S.  149, 153. 33 Auch Lettl erkennt in WRP 2015, 537, 543 den Innenausgleich an. 34  Vgl. Erw.Gr. 37 SE-RL; ferner Gänswein NZKart 2016, 50, 51. 35 Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  1. Vgl. Gänswein NZKart 2016, 50, 51. 36 Vgl. Reinicke/Tiedtke Gesamtschuld, S.  61; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-No­ velle, Kap.  8 Rn.  6; Dreher FS Möschel, S.  149, 151; Gänswein NZKart 2016, 50. 31  32 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Anpassungen an die Richtlinie hinsichtlich der Ausgleichsansprüche beim alten zweigliedrigen Regresssystem.37 Zum einen gewährleistet die Legalzession der Gläubigerforderung gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB dem im Außenverhältnis haftenden Kartellanten den Ausgleich von den Mitkartellanten. Zum anderen gibt ihm das Gesetz einen eigenständigen Ausgleichsanspruch. Neu ist allerdings, dass dieser nicht mehr aus §  426 Abs.  1 S.  1 BGB, sondern aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB folgt.38 2.  Anspruch gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB Der alten Rechtslage entsprechend kann der zahlende Gesamtschuldner hinsicht­ lich des über seinen Anteil hinaus geleisteten Betrags die anderen Gesamtschuld­ ner auf Ausgleich in Anspruch nehmen. Die fehlende Verweisung in §  33d Abs.  2 S.  2 GWB auf den früheren Anspruch aus §  426 Abs.  1 S.  1 BGB stellt insoweit kein gesetzgeberisches Versehen dar. Der selbständige Regressanspruch wird durch die Gesetzesänderung abbedungen und durch den neuen spezielleren Aus­ gleichsanspruch aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB ersetzt.39 Wenngleich der Wortlaut des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB in dieser Hinsicht schwammiger ist als der des allge­ meinen Ausgleichsanspruchs nach §  426 Abs.  1 S.  1 BGB, soll die Neuregelung nicht nur den Maßstab der Haftungsverteilung festlegen. Der Norm kommt viel­ mehr eine Doppelfunktion als Anspruchsgrundlage und Verteilungsmaßstab zu.40 Die fehlende Verweisung auf §  426 Abs.  1 S.  1 BGB bezieht sich folglich nicht nur auf die Haftungsverteilung und den Ausschluss des Kopfteilprinzips.41 Dies macht insbesondere die Verweisung auf §  33d Abs.  2 GWB in §  33h Abs.  7 GWB deutlich. Hinsichtlich des Anspruchsinhalts sind die zu §  426 Abs.  1 BGB entwickelten Grundsätze entsprechend heranzuziehen. Der Anspruch entsteht mit der Begrün­ dung des Gesamtschuldverhältnisses.42 Aufgrund seiner Selbständigkeit können ihm keine Einwendungen aus dem Verhältnis zum Gläubiger entgegengehalten werden.43 Der konkrete Anspruchsinhalt richtet sich nach dem Zeitpunkt seiner Geltendmachung: Vor der Zahlung des Schädigers an den Geschädigten ist er auf die anteilige Freistellung von der Verbindlichkeit gegenüber dem Schuldner ge­ 37 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  7. Siehe auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1239. 39  Krüger WuW 2017, 229, 230. 40  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1239; Krüger WuW 2017, 229, 230. 41  Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6 gehen hingegen wohl nur davon aus, dass die Zwei­ felsregel der Haftung nach Kopfteilen ausgeschlossen ist. 42  St. Rspr., siehe nur BGH NJW 2010, 60, 61; Palandt/Grüneberg §  426 BGB Rn.  4. 43  BGH NJW 2010, 435, Tz.  9; Prütting/Wegen/Weinreich/Müller §  426 BGB Rn.  16. 38 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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richtet und der Schuldner kann von den übrigen Schuldnern Mitwirkung an der Erfüllung der Gläubigerforderung verlangen.44 Nach der Zahlung wandelt sich der Mitwirkungsanspruch hingegen in einen Zahlungsanspruch um.45 Der in An­ spruch genommene Kartellant kann von seinen Mitkartellanten dann Erstattung des Betrages verlangen, welchen er über seinen Anteil hinaus geleistet hat.46 Die Ausgleichsverpflichteten haften dabei allerdings, anders als im Außenver­ hältnis, nicht gesamtschuldnerisch, sondern lediglich als Teilschuldner gemäß §  420 BGB für ihren Haftungsanteil.47 Die Höhe des jeweiligen Zahlungsan­ spruchs bestimmt sich nach der Haftungsverteilung im Innenverhältnis. Zudem kann sich der Haftungsanteil der einzelnen Kartellanten durch den Ausfall eines Gesamtschuldners nach der allgemeinen Regelung des §  426 Abs.  1 S.  2 BGB erhöhen. Der Grund des Ausfalls kann beispielsweise die Zahlungsunfähigkeit eines Schädigers sein.48 Diese ist in Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei Kartellen um „Kinder der Not“49 handelt und es nach der Aufdeckung nicht sel­ ten zu Marktaustritten einer oder mehrerer Kartellanten kommt, praktisch durch­ aus relevant. 3.  Anspruch gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB Wird der Geschädigte durch einen Kartellanten befriedigt, so führt dies nicht zum Erlöschen der Schadensersatzforderung gemäß §  362 BGB.50 Die Forde­ rung bleibt in der Höhe, in welcher der leistende Schädiger Ausgleich von seinen Mitkartellanten verlangen kann, bestehen und geht gemäß §  426 Abs.  2 S.  1 BGB kraft Gesetzes auf den Leistenden über. Dass sich hieran durch die Neuregelun­ gen nichts ändert, ergibt sich aus der Verweisung in §  33d Abs.  2 S.  2 GWB. In welcher Höhe der Schuldner Ausgleich verlangen kann und die Forderung über­ geht, bestimmt sich nach den gleichen Maßstäben wie in §  426 Abs.  1 BGB.51 44  BGH NJW 1986, 978, 979, Ls. 1; BGH NJW 2010, 60, 61; Palandt/Grüneberg §  426 BGB Rn.  5; Gerhardt Befreiungsanspruch, S.  5; Looschelders Schuldrecht AT, Rn.  1287. 45  St. Rspr., siehe nur BGH NJW 2010, 60, 61; Palandt/Grüneberg §  426 BGB Rn.  6. 46  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1215. 47  BGHZ 6, 3, 25 = NJW 1952, 1087, 1089; Soergel/Gebauer §  426 BGB Rn.  36; Palandt/ Grüneberg §  426 BGB Rn.  7; Bamberger/Roth/Gehrlein §  426 BGB Rn.  4; Erman/Böttcher §  426 BGB Rn.  2; Prütting/Wegen/Weinreich/Müller §  426 BGB Rn.  19; Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  38; Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1210; Meier Gesamtschulden, S.  288 f.; Wandt FS Kollhosser, S.  769, 775. A.A. MünchKommBGB/ Bydlinski §  426 BGB Rn.  30. 48 Prütting/Wegen/Weinreich/Müller §  426 BGB Rn.  20. 49  Kleinwächter Kartelle, S.  143 50  BGHZ 103, 72, 76 = NJW 1988, 1375, 1377; BGH NJW 1991, 97, 98; Prütting/Wegen/ Weinreich/Müller §  426 BGB Rn.  21. 51  Vgl. Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  139.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Anders als beim Ausgleichsanspruch gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB können wegen §§  404, 412 BGB die Einwendungen der anderen Schuldner gegenüber dem Gläubiger auch in diesem Verhältnis geltend gemacht werden.52 Auf der anderen Seite gehen aber gemäß §§  401, 412 BGB mit dem Übergang der Gläu­ bigerforderung die diese absichernden akzessorischen Sicherungsmittel mit über.53 Der leistende Kartellant wird in dieser Hinsicht beim Ausgleichsanspruch aus §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB im Vergleich zum Anspruch aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB bessergestellt.

III.  Bestimmung der Haftungsverteilung 1.  Neuregelung in §  33d Abs.  2 GWB Für die Kartellbeteiligten ist die Haftungsverteilung im Innenverhältnis von gro­ ßer Wichtigkeit. Während der Gesamtschaden im Außenverhältnis nur zwischen­ zeitlich zu tragen ist, bestimmt die Haftungsquote im Innenverhältnis, welchen Anteil am Schaden der einzelne Gesamtschuldner endgültig tragen muss. Bei immensen Schadenssummen kann die Haftungsquote durchaus über die Existenz der Unternehmen entscheiden. Der neue §  33d Abs.  2 S.  1 GWB bestimmt, dass das Innenverhältnis der Kar­ tellanten von den Umständen abhängt, insbesondere davon, in welchem Maß sie den Schaden verursacht haben. Welche Umstände für die Auslegung heranzuzie­ hen sind und wonach sich das Maß der Verursachung richtet, regelt die Norm nicht. Im Fokus der Untersuchung des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB steht daher die Frage, wie die unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen sind und ob die derzei­ tige Regelung hinreichend praktikabel und rechtssicher ist. Ansonsten bedürfte es einer neuen gesetzlichen Vorschrift zur Haftungsverteilung. 2.  Auslegung des §  33d Abs.  2 GWB a.  Heranziehung des Rechtsgedankens von §  254 BGB Der neue §  33d Abs.  2 S.  1 GWB beschränkt sich in seinen Vorgaben für die Haftungsverteilung darauf, dass der Innenausgleich der Kartellanten von den Umständen abhängt. Konkrete Kriterien zur näheren Bestimmung hat der Gesetz­ geber nicht genannt. Die Verweisung auf das Maß der Verursachung stellt die einzige Spezifizierung dar. Allerdings spricht sie stark dafür, den Rechtsgedanken von §  254 BGB auch bei der Auslegung des §  33d Abs.  2 GWB heranzuziehen. 52 Prütting/Wegen/Weinreich/Müller 53 MünchKommBGB/Bydlinski

§  426 BGB Rn.  21. §  426 BGB Rn.  45.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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§  33d Abs.  2 S.  1 GWB ähnelt nicht nur auf den ersten Blick dem Wortlaut von §  254 Abs.  1 S.  1 BGB. Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst für eine na­ hezu identische Formulierung entschieden.54 Damit knüpft er an die ganz herr­ schende Meinung zur Haftungsverteilung im allgemeinen Deliktsrecht an. Diese wendet seit Beginn des 20. Jahrhunderts anstelle des Kopfteilprinzips den Rechtsgedanken des §  254 BGB als vorrangigen Verteilungsmaßstab an.55 §  254 Abs.  1 BGB findet keine direkte Anwendung, da er auf einen Verursachungsbei­ trag des Geschädigten abstellt und somit das Verhältnis Gläubiger – Schädiger anspricht.56 Jedoch erfasst der §  254 Abs.  2 BGB immanente Rechtsgedanke ebenfalls das Verhältnis der Schädiger untereinander, weil auch in dieser Kon­ stellation eine Verantwortlichkeit mehrerer Personen für einen Schaden vorliegt, die in Form von Haftungsquoten abgebildet werden muss.57 Anders als die Kopf­ teilregel ermöglicht die Anwendung des Rechtsgedankens von §  254 Abs.  1 BGB, dass die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Beiträge des Einzel­ nen für die Schadensentstehung, in die Verteilungsbestimmung einfließen kön­ nen und so eine flexiblere Haftungsverteilung möglich ist.58 Auf diese Weise können die Schäden nicht nur nach Köpfen, sondern auch unterschiedlich, mit der Möglichkeit einzelne Schädiger voll zu be- oder entlasten, verteilt werden.59 Um zu verhindern, dass das Kopfteilprinzip mangels spezieller Regelung auch im Kartelldeliktsrecht Anwendung findet, befürwortete die herrschende Lehre seit geraumer Zeit eine entsprechende Anwendung von §  254 Abs.  1 BGB auch bei der Haftungsverteilung von Kartellschäden.60 Zwar sei eine Verteilung pro rata einfach und rechtssicher zu handhaben, jedoch eigne sie sich nur für simple

54 

Siehe RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. St. Rspr. seit RGZ 75, 251, 256. Siehe BGHZ 12, 213, 220 = NJW 1954, 875, 876 f.; BGHZ 43, 178, 187 = NJW 1965, 1177, 1179; BGHZ 43, 227, 231 = NJW 1965, 1175, 1176; BGHZ 51, 275, 279 = NJW 1969, 653, 654; BGHZ 59, 97, 103 = NJW 1972, 1802, 1803 f.; BGH NJW 1980, 2348. AllgM, siehe Bamberger/Roth/Gehrlein §  426 BGB Rn.  9; Münch­ KommBGB/Wagner §  840 BGB Rn.  15; Palandt/Grüneberg §  426 BGB Rn.  14; Staudinger/ Vieweg §  840 BGB Rn.  49. Näheres dazu bei Meier Gesamtschulden, S.  593 f. 56 Staudinger/Schiemann §  254 BGB Rn.  137. 57 Soergel/Gebauer §  426 BGB Rn.  30; Larenz Schuldrecht AT, §  37 III. Vgl. auch Hösch Innenausgleich, S.  197 m. w. N. 58  Meier Gesamtschulden, S.  593 f. 59 Vgl. Bamberger/Roth/Gehrlein §  426 BGB Rn.  9; MünchKommBGB/Wagner §  840 BGB Rn.  16. §  254 BGB analog führt zu einem „beweglichen Ausgleichsmaßstab“, Soergel/ Gebauer §  426 BGB Rn.  31. 60  Dreher FS Möschel, S.  149, 156; Hösch Innenausgleich, S.  389; Inderst/Thomas Scha­ densersatz, S.  403; Meeßen Schadensersatz, S.  559; Kersting ZWeR 2008, 252, 266; Legner WRP 2014, 1163, 1167; Rust NZKart 2015, 502. Zur ausführlichen Darstellung der anderen Ansichten siehe Krüger Kartellregress, S.  54 ff. 55 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

und übersichtliche Sachverhalte als gerechte Lösung.61 Gerade im Kartellrecht, das maßgeblich von komplexen Zusammenhängen, vielen Beteiligten und lange andauernden Zuwiderhandlungen gekennzeichnet sei, seien einfache Sachver­ halte aber eine Ausnahmeerscheinung.62 Wenn eine Verteilung pro rata schon im allgemeinen Deliktsrecht abgelehnt werden müsse, müsse dies erst recht im Kar­ tellrecht gelten.63 Während in der Literatur bezüglich der Abkehr vom Kopfteilprinzip Einigkeit bestand, war die Anwendung des Rechtsgedankens von §  254 Abs.  1 BGB vor Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle zwar herrschende, aber anders als im allge­ meinen Deliktsrecht nicht allgemeine Ansicht.64 Kritisiert wurde zu Recht vor allem die mit der Anwendung einhergehende Komplexität der Haftungsbestim­ mung, die gerade bei Kartellsachverhalten kaum handhabbar sei.65 Diesen Bedenken hat sich der deutsche Gesetzgeber allerdings nicht ange­ schlossen und in seiner Begründung ausdrücklich auf die zum Rechtsgedanken des §  254 Abs.  1 BGB entwickelten Grundsätze verwiesen.66 Entscheidend für die Haftungsverteilung sollen danach in erster Linie die einzelnen Verantwor­ tungsbeiträge und in zweiter Linie das Verschulden der Schädiger sein.67 Darüber hinausgehende Billigkeitserwägungen sollen nicht in die Abwägungen einflie­ ßen.68 Doch schon ohne die Berücksichtigung weiterer Billigkeitserwägung sind die weiten Rechtsbegriffe des Verursachungsmaßes und des Verschuldensgrades stark ausfüllungsbedürftig. b.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie §  33d Abs.  2 GWB dient der Umsetzung von Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL, weshalb dessen Vorgaben bei der Auslegung zwingend zu berücksichtigen sind.69 Gemäß Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL ist die Höhe der Ausgleichsansprüche anhand der rela­ tiven Verantwortung der Kartellanten für den durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden zu bestimmen. Wie die relative Ver­ antwortung zu bestimmen ist, geht aus dem Richtlinientext nicht hervor. Erwä­ gungsgrund 37 SE-RL überlässt die nähere Bestimmung der einschlägigen Kri­ terien dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten und nimmt damit erhebliche Krüger Kartellregress, S.  53, 278. Rust NZKart 2015, 502, 506. 63  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  403; Dreher FS Möschel, S.  149, 159 f. 64 Siehe Krüger Kartellregress, S.  106 ff.; Köhler GRUR 2004, 99, 101. 65  Krüger Kartellregress, S.  107, 160. 66  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 67  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 68 Vgl. Hösch Innenausgleich, S.  376. 69  Siehe RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 61 Vgl. 62 Vgl.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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Abweichungen der einzelnen Rechtsordnungen in Kauf. Die Richtlinie gibt inso­ weit nur die Vergleichbarkeit der Ausgestaltung mit den Kriterien Umsatz, Marktanteil und Rolle im Kartell vor. Diese Beispiele führt die Richtlinie in Er­ wägungsgrund 37 an und weist den Mitgliedstaaten damit die Richtung zur Um­ setzung der Richtlinie. Den hieraus folgenden großen Spielraum bei der Gestaltung der Haftungsver­ teilung hat der deutsche Gesetzgeber nur begrenzt genutzt und sich in §  33d Abs.  2 GWB darauf beschränkt, den unbestimmten Rechtsbegriff der relativen Verantwortung durch den nicht minder unbestimmten Rechtsbegriff des Verursa­ chungsmaßes zu ersetzen und bezüglich der näheren Ausgestaltung auf die Rechtsprechung zu verweisen.70 Eine Missachtung des Gestaltungsauftrages kann hierin aber nicht gesehen werden. Vielmehr ist die Bestimmung der Haf­ tungsverteilung nach Erwägungsgrund 37 SE-RL Sache des geltenden nationa­ len Rechts und auch vor Einführung des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB sollte die Haf­ tungsverteilung zumindest nach herrschender Meinung entsprechend dem Rechtsgedanken des §  254 Abs.  1 BGB erfolgen.71 Die Regelung des Gesetzge­ bers, der zufolge sich die Haftungsverteilung nach den Umständen richtet, erfüllt die ebenfalls wenig konkreten Vorgaben der Richtlinie allemal.72 Allerdings muss auch die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs mit den Richtlini­ envorgaben in Einklang stehen. Entscheidend für die Vereinbarkeit mit der Richtlinie ist daher die Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB. c.  Maßstab der Haftungsverteilung aa.  Maß der Verursachung Im Fokus der Bestimmung der Haftungsverteilung steht gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB das Maß der Verursachung eines jeden Kartellbeteiligten. Dieses bestimmt sich danach, wie wahrscheinlich der Verursachungsbeitrag des Einzelnen für die Herbeiführung des Schadens war.73 Maßgebend ist der Anteil des einzelnen Kar­ tellmitglieds an der Schadensentstehung.74 Je stärker sein Verhalten die Wahr­ 70  Siehe RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. Vgl. auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1245. 71  Siehe oben Kap.  3 Fn.  60. 72  So auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1246. 73  BGH NJW 1983, 622, 623; BGH NJW 1994, 379; Palandt/Grüneberg §  254 BGB Rn.  58; MünchKommBGB/Oetker §  254 BGB Rn.  109; Erman/Ebert §  254 BGB Rn.  86; Soergel/Ekkenga/Kuntz §  254 BGB Rn.  148. Siehe auch Gänswein NZKart 2016, 50, 52; Krüger WuW 2012, 6, 9. 74  Kersting ZWeR 2008, 252, 266.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

scheinlichkeit des Schadenseintritts erhöht hat, desto größer ist sein Haftungsan­ teil im Innenverhältnis.75 Die einzelnen Beiträge sind losgelöst von der zeitlichen Komponente allein anhand ihrer Relevanz zu bewerten.76 Um die Bestimmung der Relevanz der einzelnen Verursachungsbeiträge zu erleichtern, sind diese anhand verschiedener Kriterien zu beleuchten. Welche Kriterien im Kartelldeliktsrecht für die Ermittlung heranzuziehen sind, regelt §  33d Abs.  2 GWB nicht. Der Gesetzgeber bevorzugt eine einzelfallspezifische Ermittlung der Kriterien durch die Rechtsprechung. Als mögliche Kriterien kom­ men die Marktanteile, der Umsatz und die Rolle im Kartell in Betracht. Daneben können der kartellbedingte Mehrerlös, die Bußgeldhöhe, die Liefer- oder Be­ zugsanteile und die konkreten Absatzbeziehungen das Maß der Verursachung abbilden.77 bb.  Grad des Verschuldens Nach dem Rechtsgedanken des §  254 BGB ist neben den Verursachungsbeiträ­ gen für die Beurteilung auch der Verschuldensgrad der Kartellanten zu berück­ sichtigen.78 Zwar kommt dem Verschulden in der Regel eine geringere Bedeu­ tung für die Bestimmung der Haftungsverteilung zu als dem Verursachungsmaß, jedoch ist die eigenständige Bedeutung des Verschuldens nicht zu vernachlässi­ gen.79 So ist es nicht erst dann bei der Bemessung heranzuziehen, wenn sich aus dem Verursachungsmaß keine ausreichende Differenzierung ergibt, sondern bei jeder einzelnen Haftungsverteilung.80 Dass dies auch bei der Anwendung von §  33d Abs.  2 S.  1 GWB gilt, zeigt der Wortlaut der Norm, dem zufolge das Ver­ ursachungsmaß nicht ausschließlich, sondern vor allem heranzuziehen ist. Für die Bestimmung der Haftungsquoten ist das Verschulden der Kartellmit­ glieder in Vorsatz, grobe, mittlere oder leichte Fahrlässigkeit einzuordnen.81 An­ schließend ist bei vorsätzlich handelnden Kartellanten nach der Stärke des Vor­ §  254 BGB Rn.  109; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. BGH NJW-RR 1988, 1373, 1374, Ls. 2; Erman/Ebert §  254 BGB Rn.  86; Münch­ KommBGB/Oetker §  254 BGB Rn.  109; Soergel/Ekkenga/Kuntz §  254 BGB Rn.  148; Inderst/ Thomas Schadensersatz, S.  404; Krüger WuW 2012, 6, 9. 77  Zu den einzelnen Verteilungskriterien siehe unten S.  81 ff. 78 MünchKommBGB/Oetker §  254 BGB Rn.  110; Soergel/Ekkenga/Kuntz §  254 BGB Rn.  149. Siehe auch Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 79 MünchKommBGB/Oetker §  254 BGB Rn.  110; Erman/Ebert §  254 BGB Rn.  87; Soer­ gel/Ekkenga/Kuntz §  254 BGB Rn.  149. Eine geringere Bedeutung verneint dagegen Aurnhammer VersR 1974, 1060, 1061. 80  Vgl. MünchKommBGB/Oetker §  254 BGB Rn.  110; Krüger Kartellregress, S.  96. 81 Erman/Ebert §  254 BGB Rn.  87; Soergel/Ekkenga/Kuntz §  254 BGB Rn.  149; Krüger Kartellregress, S.  97. 75 MünchKommBGB/Oetker 76 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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satzes zu differenzieren.82 Da vor allem Hardcore-Kartellmitglieder aller Erfah­ rung nach vorsätzlich handeln und auch andere Kartellverstöße ausgesprochen selten fahrlässig begangen werden, kommt dem ersten Schritt bei §  33d Abs.  2 S.  1 GWB nur eine geringe praktische Bedeutung zu.83 Der Fokus liegt im Kar­ tellrecht daher auf einer Einzelfallanalyse des jeweiligen Vorsatzgrades des be­ treffenden Kartellmitglieds. Besonders stark ist dieser ausgeprägt, wenn es sich bei den Kartellanten um Wiederholungstäter handelt.84 Selbst wenn sie bloß in geringem Umfang am betreffenden Kartell beteiligt sind, steigt durch ihre wie­ derholte Teilnahme an Zusammenschlüssen dieser Art ihr Verschuldensgrad.85 cc.  Calciumcarbid II-Entscheidung (1)  Anwendung bei innerkonzernlicher Bußgeldhaftung Die Gesetzesbegründung zur 9. GWB-Novelle nimmt indes nicht nur Bezug auf die allgemeinen Grundsätze zur Anwendung des Rechtsgedankens von §  254 BGB, sondern verweist auch auf die bisher zu dessen Anwendung im Kartell­ recht ergangene Rechtsprechung des BGH, namentlich dessen Calciumcarbid II-Entscheidung86 vom 18. November 2014.87 Diese Verweisung verwundert, schließlich liegt der Entscheidung die Frage zugrunde, nach welchem Maßstab die Haftungsverteilung für eine Geldbuße im Verhältnis zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft erfolgt. Das ist eine andere Fragestellung als der Innenaus­ gleich bei der gesamtschuldnerischen Haftung auf Schadensersatz. Allerdings erklärt der BGH für die Verteilung einer Geldbuße innerhalb eines Konzerns ebenfalls den Rechtsgedanken des §  254 Abs.  1 BGB für maßgeblich und lehnt eine Verteilung nach Köpfen ab, wie sie §  426 Abs.  1 S.  1 BGB im Zweifel vorsieht.88 Die Verteilung solle sich an allen für den Fall relevanten Um­ ständen, insbesondere an den individuellen Verursachungs- und Verschuldensbe­ trägen sowie an den für die Festsetzung der Geldbuße maßgeblichen Tatsachen bemessen, da hierüber eine Würdigung aller maßgebenden Umstände stattfinden könne.89 Der BGH überträgt seine zur gesamtschuldnerischen Haftung im allge­ meinen Deliktsrecht gewachsene Rechtsprechung folglich auf die innerkonzern­ 82  Hösch Innenausgleich, S.  221 f. Looschelders hält eine Differenzierung zwischen den Vorsatzformen hingegen nicht für angebracht, in: Mitverantwortlichkeit, S.  582. 83  Siehe Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1223; Krüger Kar­ tellregress, S.  99. 84  Krüger Kartellregress, S.  100; Gänswein NZKart 2016, 50, 52 f. 85  Gänswein NZKart 2016, 50, 52 f. 86  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101 – Calciumcarbid II. 87  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 88  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  40 ff. – Calciumcarbid II. 89  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Ls. 2, Tz.  32 – Calciumcarbid II.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

liche Bußgeldhaftung.90 Die ausdrückliche Bezugnahme des Gesetzgebers ist daher wohl so zu verstehen, dass die in der BGH-Entscheidung getroffenen Grundaussagen zur Haftungsverteilung im Kartellrecht nach dem Rechtsgedan­ ken des §  254 BGB entsprechend zur Auslegung des §  33d Abs.  2 GWB heran­ zuziehen, bußgeldspezifische und konzernrechtliche Besonderheiten aber außer Acht zu lassen sind. Demnach sind die in der Entscheidung angeführten Kriteri­ en des wirtschaftlichen Erfolgs, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Be­ deutung der Unternehmen daraufhin zu untersuchen, ob sie für das Verständnis des §  33d Abs.  2 GWB herangezogen werden können. (2)  Wirtschaftlicher Erfolg Nach Ansicht des BGH soll bei der Verteilung Beachtung finden, welchen wirt­ schaftlichen Erfolg die einzelnen Gesamtschuldner mit der Kartellabrede erzielt haben.91 Entsprechend sollen die erlangten Vermögensvorteile durch die Haf­ tungsverteilung im Innenverhältnis abgeschöpft werden und so der Präventions­ wirkung der Geldbuße zu größerem Nachdruck verhelfen.92 Umgekehrt soll ein Unternehmen, das kaum von der Zuwiderhandlung profitiert hat, gerade keine übermäßige Belastung durch die Verteilung im Innenverhältnis erfahren, wes­ halb die Heranziehung des wirtschaftlichen Erfolgs dort begrenzt werden müsse, wo die erlangten Vermögensvorteile als alleiniges Kriterium für die Verteilung herangezogen werden.93 Es handelt sich der BGH-Rechtsprechung zufolge gera­ de nicht um ein Kriterium, das einzig ausschlaggebend sein kann.94 In Anbetracht der Gesetzesvorgaben muss dies auch für die Haftungsvertei­ lung bei Schadensersatzklagen gelten. Allerdings ist zu überlegen, inwiefern der wirtschaftliche Erfolg zumindest in Kombination mit weiteren Kriterien für die Auslegung des Maßes an Verursachung herangezogen werden kann. Der Gedan­ ke, demjenigen Unternehmen im Innenverhältnis die größte Last aufzuerlegen, welches den größten wirtschaftlichen Nutzen aus dem Kartellverstoß gezogen hat, lässt sich in seinen Ansätzen durchaus auf den schadensersatzrechtlichen Regress übertragen.95 Allerdings steht ein solches Vorgehen nicht im Einklang mit den Vorgaben des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB, welcher den Kartellverstoß prä­ ventiv betrachten will und für entscheidend hält, in welchem Maße der Schaden verursacht wurde. Der dagegenstehende wirtschaftliche Erfolg ist als Resultat Körner Gesamtschuld, S.  244. BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  59 – Calciumcarbid II. 92  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  60, 63 – Calciumcarbid II. 93  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  65 – Calciumcarbid II. 94  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  65 – Calciumcarbid II. 95  Siehe unten S.  91 f. 90 Siehe 91 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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der Schadensentstehung mit dem Verteilungsbegriff des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB gerade nicht in Einklang zu bringen, zumal die wertungsmäßig vom BGH bei der Verteilung der Kartellbuße herangezogenen pönalen Aspekte bei der rein zivil­ rechtlichen Haftungsverteilung außer Acht bleiben müssen.96 (3)  Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Für die Heranziehung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führt der BGH an, dass durch die Auflösung der wirtschaftlichen Einheit bei der Verteilung der Geldbuße die z.T. deutlich unterschiedliche Wirtschaftskraft der Unternehmen berücksichtigt werden müsse.97 Selbst wenn ein Gesamtschuldner für den Kar­ tellverstoß überwiegend verantwortlich sei, dürfe er nicht über Gebühr belastet werden.98 Als Belastungsgrenze solle daher die in Art.  23 Abs.  2, 4 VO 1/2003 geregelte 10  %-Grenze entsprechend für jede Gesellschaft herangezogen werden und deren Haftung begrenzen, auch wenn das Unternehmen nach Verantwor­ tungskriterien einen deutlich größeren Anteil tragen müsste.99 Für den Regress bei Schadensersatzansprüchen ist dieses Kriterium allerdings abzulehnen. So kann die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit über §  426 Abs.  1 S.  2 BGB hinaus keine Rolle spielen. Anders als bei der Verteilung eines Buß­ gelds geht es im Kartelldeliktsrecht nicht um einen Konzern, dessen Konzern­ strukturen zu einer stark abweichenden Wirtschaftskraft der einzelnen zugehöri­ gen Gesellschaften führen können. Ein Schädiger darf im Innenverhältnis nicht dadurch entlastet werden, dass seine Mitschädiger deutlich leistungsfähiger sind und höhere Umsätze etc. aufweisen.100 Insoweit sorgt die neue Regelung in §  33d Abs.  3 GWB bereits für einen besonderen Schutz in Härtefällen, indem sie die Haftung von KMU beschränkt, um von Natur aus wirtschaftsschwächere Unter­ nehmen vor der Insolvenz zu bewahren.101

Siehe Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1225; Krüger Kar­ tellregress, S.  73; Barth/Budde WRP 2009, 1357, 1360; Schwenke NZKart 2015, 383, 385 f. 97  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  66 – Calciumcarbid II. Siehe auch Körner Gesamtschuld, S.  246. 98  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  68 – Calciumcarbid II. Siehe auch Körner Gesamtschuld, S.  246. 99  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  67 ff. – Calciumcarbid II; Rust NZKart 2015, 502, 504. 100  Vgl. zur Fremdheit solcher Überlegungen im Deliktsrecht auch Glöckner WRP 2015, 410, 416. 101  Zur Privilegierung von KMU siehe unten S.  209 ff. 96 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

(4)  Wirtschaftliche Bedeutung Des Weiteren will der BGH die wirtschaftliche Bedeutung bei der Bußgeldver­ teilung im Innenverhältnis heranziehen.102 Diese solle sich insbesondere aus dem Verhältnis der kartellbefangenen Umsätze der Unternehmen untereinander erge­ ben.103 Als kartellbefangene Umsätze sind dabei alle im Zusammenhang mit der Zuwiderhandlung stehenden Umsätze zu verstehen.104 Sie sollen nach Auffas­ sung des BGH insoweit berücksichtigt werden, als sie sich „auf die Bemessung der Geldbuße ausgewirkt“ haben.105 Grundsätzlich ist die Quotelung nach kar­ tellbefangenen Umsätzen auch im kartelldeliktsrechtlichen Regress begrüßens­ wert und sollte bei der Bestimmung des Verursachungsmaßes herangezogen wer­ den.106 Allerdings sollte dies losgelöst von anderen Aspekten geschehen und das zusammengefasste Kriterium der wirtschaftlichen Bedeutung in seinen Einzelbe­ standteilen separat untersucht werden. Als Gesamtkriterium ist es kaum zu hand­ haben und hat daher für die Bestimmung der Haftungsquoten keinen Mehrwert. d.  Anknüpfungspunkt der Haftungsverteilung Gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB ist das Maß der Verursachung bezogen auf den kartellbedingten Schaden zu bestimmen. Zwar findet sich in Abs.  2 selbst kein Anhaltspunkt, ob mit Schaden der Gesamtschaden oder nur der Schaden des je­ weiligen Kartellgeschädigten gemeint ist. Jedoch geht dies eindeutig aus dem Kontext hervor. So bezieht sich der Schaden einerseits auf den Schadensbegriff in §  33d Abs.  1 S.  1 GWB, der als Schaden angesichts der Verknüpfung mit dem individuellen Schadensersatzanspruch gemäß §  33a Abs.  1 GWB den Schaden des jeweiligen Kartellopfers ansieht. Andererseits kann die Haftungsverteilung im deutschen Recht für jedes einzelne Ausgleichsverhältnis nur individuell be­ stimmt werden und sich auf den Einzelschaden beziehen.107 Eine an den Gesamt­ schaden anknüpfende Bestimmung der Haftungsverteilung für sämtliche dem Kartell zugehörigen Ausgleichsverhältnisse scheidet daher aus, weshalb der An­ knüpfungspunkt der Haftungsverteilung stets der Schaden des jeweiligen Ge­ schädigten ist.108 Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Struktur der gesamtschuldnerischen Haftung. Zwar haften die Kartellanten aufgrund ihres gemeinschaftlich begange­ BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  71 – Calciumcarbid II. BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  66, 71 – Calciumcarbid II. 104  Dreher FS Möschel, S.  149, 158. 105  BGHZ 203, 193 = NZKart 2015, 101, Tz.  75 – Calciumcarbid II. 106  Siehe unten S.  82, 97 ff. 107  Krüger Kartellregress, S.  123; Hösch Innenausgleich, S.  320. 108 Siehe Krüger Kartellregress, S.  123. 102  103 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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nen Kartellverstoßes gemäß §  33d Abs.  1 GWB i. V. m. §§  830, 840 Abs.  1 BGB im Außenverhältnis gesamtschuldnerisch und sind gemeinsam für den entstande­ nen Schaden verantwortlich, weshalb die Beiträge der einzelnen Beteiligten an der Zuwiderhandlung den Mitkartellanten zugerechnet werden.109 Allerdings be­ steht hinsichtlich des Schadens jedes Geschädigten eine eigene gesamtschuldne­ rische Haftung, nach der sich das einzelne Ausgleichsverhältnis bestimmt.110 Die praktische Erleichterung, die von einer einheitlichen Haftungsverteilung für alle aus dem Kartellverstoß resultierenden Schäden ausgehen würde, ist somit nicht mit den dogmatischen Grundlagen vereinbar. Dies ist auch zu Recht der Fall, denn das Maß der Verursachung der einzelnen Kartellanten kann sich im Laufe der Zeit verändern, und die Schäden von Kar­ tell­opfern, die erst später mit Kartellanten Produkte ausgetauscht haben, und de­ nen, die schon früher aus dem Markt ausgeschieden sind, können unterschiedlich zu beurteilen sein.111 Durchschnittliche Werte für die Haftungsbestimmung anzu­ setzen, wäre angesichts der Individualität der Schäden unangemessen. Ferner gestaltet sich die Festsetzung einer einheitlichen Haftungsquote für sämtliche Kartellschäden auch in prozessualer Hinsicht äußerst schwierig. Eine durch ein Zivilgericht bestimmte Haftungsquote ist aufgrund der relativen Wir­ kung der Rechtskraft gemäß §§  323, 325 ZPO nur für das individuelle Verhältnis bindend.112 Die Gerichte, die über die anderen Ausgleichsansprüche entscheiden, sind nicht an vorangegangene Quotenentscheidungen gebunden und können die Umstände der Zuwiderhandlung unterschiedlich bewerten und das Maß der Ver­ ursachung der einzelnen Kartellbeteiligten abweichend bestimmen.113 Bei der Gewichtung der Kriterien und ihrem Zusammenspiel besteht ein Ermessenspiel­ raum des Gerichts (§  287 ZPO).114 Bei der derart offenen Bestimmung der Haf­ tungsanteile, wie sie §  33d Abs.  2 S.  1 GWB vorsieht, wäre der Grundsatz einer einheitlichen Haftungsquote ohnehin praktisch nicht durchführbar. 3.  Defizite der gesetzlichen Regelung Schon vor Umsetzung der Richtlinie wurde die Anwendung des Rechtsgedan­ kens von §  254 BGB beim Innenregress in der Literatur teilweise stark kriti­ siert.115 Die umfangreiche Abwägung sämtlicher Kriterien führt zu erheblichen Krüger Kartellregress, S.  122; Gänswein NZKart 2016, 50, 53. Krüger Kartellregress, S.  123; Hösch Innenausgleich, S.  320; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6; Kersting VersR 2017, 581, 588. 111  Hösch Innenausgleich, S.  320; Krüger Kartellregress S.  123. 112 Siehe Hösch Innenausgleich, S.  319; Krüger Kartellregress S.  140. 113  Gänswein NZKart 2016, 50, 53. 114  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 115  Siehe insbesondere Krüger Kartellregress, S.  160. 109  110 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Schwierigkeiten im Innenregress und belastet das Gerichtsverfahren mit zahlrei­ chen Abwägungsproblemen.116 Sie galt daher schon vor der Umsetzung der Richtlinie richtigerweise als „praktisch kaum durchführbar“.117 a.  Fehlende Praktikabilität und Rechtssicherheit Es überrascht nicht, dass in Deutschland praktische Erfahrungswerte bei der An­ wendung des Rechtsgedankens von §  254 Abs.  1 BGB im Kartelldeliktsrecht fehlen.118 Anstelle einer gefestigten Anwendungspraxis herrscht Unsicherheit über die genaue Anwendung des Maßstabs.119 Die noch fehlende Fallpraxis wird Kläger auch in Zukunft davon abschrecken, den ihnen zustehenden Ausgleich gerichtlich einzuklagen, und dafür sorgen, dass keine einheitliche und auf­ schlussreiche Rechtsprechung entstehen kann. Anstelle unsicherer Gerichtsver­ fahren werden die Kartellanten weiterhin die außergerichtliche Streitbeilegung bevorzugen. Wenngleich derartige Einigungen grundsätzlich begrüßenswert und förderungswürdig sind, sollte der Antrieb der Parteien zu Vergleichen nicht aus­ schließlich aus einer erheblichen Rechtsunsicherheit resultieren. Diese Rechtsunsicherheit verwundert bei der Vielzahl denkbarer Kriterien für die Bestimmung des Verursachungsmaßes nicht. Auch können dem allgemeinen Deliktsrecht keine Anhaltspunkte für die vorzunehmende Abwägung und die da­ raus hervorgehenden Haftungsquoten entnommen werden. Schließlich trifft §  254 Abs.  1 BGB in seiner direkten Anwendung ausschließlich Regelungen für ein Zweipersonenverhältnis, und auch wenn der Rechtsgedanke der Norm auf gesamtschuldnerische Innenverhältnisse im allgemeinen Deliktsrecht angewandt wird, sind an diesen meist nur wenige Personen beteiligt.120 Zwar ist es zutref­ fend, dass komplexe Abwägungen weder dem materiellen Recht noch den Ge­ richten fremd sind und besonders bei Verkehrsunfällen ähnliche Herausforderun­ gen bei der Bestimmung der Haftungsquoten bestehen, wenn die Haftung von mehreren Schädigern und Geschädigten, Haltern, Fahrern und Versicherungsträ­ gern bestimmt werden muss.121 Allerdings weist das Kartellrecht eine besonders hohe Komplexität auf.122 Schwenke NZKart 2015, 383, 386; Krüger WuW 2012, 6, 10. Krüger in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  103, 107. 118 Vgl. Hösch Innenausgleich, S.  391; Makatsch CCZ 2015, 127. 119  Weitbrecht NJW 2012, 881, 883. Siehe ferner Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWBNovelle, Kap.  8 Rn.  22. 120  Vgl. Staudinger/Schiemann §  254 BGB Rn.  137; Gänswein NZKart 2016, 50, 53. 121  Auf die Bekanntheit komplexer Abwägungen im deutschen Recht weisen zu Recht Dreher FS Möschel, S.  149, 161 und Schwenke NZKart 2015, 383, 386 hin. Die schwierige Haf­ tung bei Verkehrsunfällen betonend Hösch Innenausgleich, S.  390. 122 Vgl. Gänswein NZKart 2016, 50, 53. 116 Vgl. 117 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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Erstens liegt die Zahl der an der unerlaubten Handlung Beteiligten bei einem Kartellverstoß sowohl auf Schädiger- als auch auf Geschädigtenseite regelmäßig weit über der eines Verkehrsunfalls. Zweitens weicht die zeitliche Dauer der un­ erlaubten Handlungen signifikant voneinander ab. Kartellrechtliche Zuwider­ handlungen dauern oftmals Jahre, in Einzelfällen sogar Jahrzehnte an; Verkehrs­ unfälle geschehen dagegen in Sekunden. Und drittens unterscheidet sich nicht nur die Zahl der einzelnen vorgenommenen Handlungen, sondern auch deren Qualität bei einem Kartellverstoß deutlich von einem Verkehrsunfall. Das Ver­ halten der Kartellanten, das zum Schadenseintritt führt, ist äußerst vielschichtig und schwer zu bewerten. Anhaltspunkte hinsichtlich des Beteiligungsausmaßes sind wesentlich schwerer greifbar. Dies ist nicht nur der langen Dauer geschul­ det, sondern auch der Tatsache, dass es sich bei einem Kartellverstoß anders als bei einem Verkehrsunfall um ein geheimes Unterfangen handelt, über welchem der „Mantel des Schweigens“123 liegt. Außenstehende Dritte, die wie bei einem Verkehrsunfall als Zeugen Licht ins Dunkel bringen können, existieren im Kar­ tellrecht nur selten. Freilich muss der klagende Kartellant vor Gericht selbst die Tatsachen beibrin­ gen, die das Verursachungsmaß der Regressschuldner abbilden. Jedoch ist es dem iura novit curia-Grundsatz zufolge Sache des zuständigen Gerichts, alle für die Haftungsverteilung in Betracht kommenden Kriterien auszumachen, um an­ schließend zu überprüfen, ob die entsprechenden Tatsachen feststehen, indem sie unstreitig, zugestanden oder bewiesen sind.124 Da ein näherer Maßstab für die Relevanz der einzelnen Kriterien fehlt, ist im Anschluss daran eine Gewichtung nach eigenem Ermessen gemäß §  287 ZPO vorzunehmen.125 Bis entsprechende Tatsachen feststehen, wird aber angesichts der Vielzahl der Beteiligten und der langen Dauer der Zuwiderhandlung oftmals viel Gerichtskapazität aufgebraucht sein, schließlich werden die Informationen, die die Kartellanten vorbringen, stark voneinander abweichen und nicht selten zu „Gutachterkriegen“ führen, in denen auch die Relevanz bestimmter Kriterien ausgefochten wird.126 Die starke Belastung der Gerichte wirft die Frage auf, ob die Umsetzung des deutschen Gesetzgebers überhaupt noch im Einklang mit dem Effektivitäts­ grundsatz steht.127 Immerhin wird diesem vor allem durch einen zügigen Ab­ 123 

Vgl. oben Einführung Fn.  3. Krüger WuW 2012, 6, 10. Vgl. auch MünchKommBGB/Oetker §  254 BGB Rn.  117. 125  Krüger WuW 2012, 6, 10; ders. WuW 2017, 229, 231. Vgl. auch MünchKommBGB/ Wagner §  840 BGB Rn.  14. 126  Krüger WuW 2012, 6, 10. Siehe auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadenser­ satzklagen, Rn.  1224; Schwenke NZKart 2015, 383, 386. 127  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  20; Schwenke NZKart 2015, 383, 386. 124 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

schluss von Gerichtsverfahren Rechnung getragen, was aber bei einer derart ho­ hen Belastung der Gerichte nicht mehr gewährleistet scheint. Insoweit kann für die Rechtsverfolgung von Kartellanten, auch wenn sie angesichts ihres Vorver­ haltens weniger schutzwürdig sind, in einem Rechtsstaat nichts anderes gelten als für Geschädigte. Der dem Gesetzgeber vom Richtliniengeber eingeräumte Gestaltungsspielraum ist damit wohl überschritten. Obwohl eine flexible Haftungsverteilung, die im Einzelfall Gerechtigkeit her­ beiführen kann, ohne Frage wünschenswert ist, muss sie auch ein gewisses Maß an Praktikabilität und Rechtssicherheit aufweisen.128 Die Einzelfallgerechtigkeit ist gegenüber der Rechtssicherheit nicht generell vorrangig.129 Beide Rechtside­ en halten sich die Waage.130 Eine Abkehr vom Kopfteilprinzip muss schließlich nicht zwangsläufig die Anwendung des Rechtsgedankens von §  254 BGB bedeu­ ten. Die Vorgabe des Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL hätte insofern endlich Anlass gegeben, den zwischen Gerechtigkeit schaffender Offenheit und Rechtssicher­ heit schaffender Konkretisierung bestehenden Spielraum zu nutzen. Dies hat der Gesetzgeber jedoch nicht getan und mit §  33d Abs.  2 S.  1 GWB erhebliche Rechtsunsicherheit in Kauf genommen. b.  Gefahr divergierender Entscheidungen Die von §  33d Abs.  2 GWB ausgehende Flexibilität erhöht auch die Gefahr divergie­render Entscheidungen über die Haftungsanteile der einzelnen Kartel­ lanten. Zwar ist aufgrund der rechtlichen Selbständigkeit der Ausgleichsverhält­ nisse keine einheitliche Haftungsverteilung für alle aus der Gesamtschuld resul­ tierenden Ausgleichsverhältnisse vorzunehmen.131 Jedoch müssen die Haftungs­ quoten innerhalb eines Ausgleichsverhältnisses dazu führen, dass der gesamte Schaden nach dem geltenden Verteilungsmaßstab aufgeteilt wird. Da aber ein Regressgläubiger aufgrund der Selbständigkeit jedes Ausgleichsanspruchs und dem Grundsatz der Teilschuldnerschaft jeden Mitschädiger einzeln auf dessen Anteil verklagen muss, besteht die Gefahr, dass innerhalb eines Austauschver­ hältnisses divergierende Entscheidungen über die zu tragenden Haftungsanteile ergehen.132 Denn legt das zuständige Gericht nach seinem richterlichen Ermes­ sen die Haftungsquoten gemäß §  287 ZPO fest, können die Einschätzung der

Radbruch Rechtsphilosophie, S.  73 ff. Radbruch Vorschule der Rechtsphilosophie, S.  33. 130 Vgl. Richers Rechtslast, S.  20 f. 131  Siehe oben S.  66 f. 132  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  20; Krüger Kartellregress, S.  140; Hösch Innenausgleich, S.  319; Kersting VersR 2017, 581, 588. 128 Vgl. 129 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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Beiträge und Auswahl der entscheidenden Kriterien unter den Gerichten diver­ gieren.133 Abhilfe könnte nur die übereinstimmende Zuständigkeit eines Gerichts für sämtliche Ausgleichsansprüche schaffen.134 Im Hinblick auf die sachliche Zu­ ständigkeit ergibt sich gemäß §  87 GWB immerhin eine ausschließliche Zustän­ digkeit der Landgerichte.135 Demnach sind die Landgerichte unabhängig vom jeweiligen Streitgegenstandswert für zivilrechtliche Streitigkeiten wegen Kar­ tellverstößen wie Schadenersatzansprüche von Kartellopfern und Ausgleichs­ ansprüche der Kartellanten zuständig.136 Wer innerhalb der Landgerichte für die Ausgleichansprüche zuständig ist, geht aus dem Gesetz jedoch nicht eindeutig hervor. So bestimmt §  95 Abs.  2 Nr.  1 GVG zwar, dass es sich bei Rechtsstreitig­ keiten, deren Zuständigkeit des Landgerichts sich nach §  87 GWB richtet, um Handelssachen handelt, weshalb es dem Kläger freisteht, die Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen zu beantragen. Allerdings nimmt §  95 Abs.  2 Nr.  1 GVG hiervon kartellrechtliche Auskunftsund Schadensersatzansprüche ausdrücklich aus. Legt man diese Ausnahme ih­ rem Wortlaut folgend eng aus, wären die Ausgleichsansprüche von ihr nicht er­ fasst und die Kammer für Handelssachen funktionell zuständig. Dafür spricht auch, dass der Zusatz bezüglich der Auskunftsansprüche erst mit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle ergänzt und damit auf den neu eingefügten Auskunftsan­ spruch in §  33g GWB reagiert wurde.137 Die Regressansprüche wurden im Zuge dessen nicht ausdrücklich hinzugefügt. Jedoch war dies auch nicht notwendig, schließlich handelt es sich beim An­ spruch aus §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB um einen Anspruch aus übergegangenem Recht. Da der Schadensersatzanspruch nicht vollständig er­ lischt, sondern auf den zahlenden Gesamtschuldner übergeht,138 muss er zwangs­ läufig von der Ausnahme des §  95 Abs.  2 Nr.  1 GVG erfasst sein. Zwar greift diese Argumentation beim selbständigen Ausgleichanspruch aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB nicht, weil Grundlage dieses Anspruchs keine cessio le­ gis des Schadensersatzanspruchs ist. Allerdings können die beiden zumeist pa­ rallel bestehenden Regressansprüche hinsichtlich der funktionellen Zuständig­ keit nicht unterschiedlich behandelt werden.139 Der Kläger muss in seiner Klage­ 133 

Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1273. Thoma Regress, S.  163; Krüger Kartellregress, S.  141; Hösch Innenausgleich, S.  399. 135 Siehe Krüger Kartellregress, S.  141; Hösch Innenausgleich, S.  399. 136 Bechtold/Bosch §  87 GWB Rn.  4. 137 Siehe Klumpe/Thiede BB 2016, 3011, 3014. 138 MünchKommBGB/Bydlinksi §  426 BGB Rn.  38. 139  Nach allgM kann eine Sache nur einheitlich Handelssache sein, siehe Musielak/Voit/ Wittschier §  95 GVG Rn.  5; MünchKommZPO/Zimmermann §  95 GVG Rn.  3. Vgl. auch Bien 134 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

schrift über den Klagegrund hinaus keine konkrete Anspruchsgrundlage angeben, die ihm seiner Ansicht nach einen Anspruch auf Ausgleich gewährt. Er kann sich ohne eine rechtliche Präzisierung auf den Gesamtschuldnerregress berufen und muss sich nicht auf den selbständigen Regressanspruch oder denjenigen aus übergegangenem Recht beschränken. Zudem kann der Sachverhalt auch den Tat­ bestand beider Anspruchsgrundlagen erfüllen.140 Dass die Ansprüche aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB und §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB gleich behandelt werden müssen, stützt auch der Zweck der Ausnahme, die das Gesetz für Schadensersatzansprüche macht. Für diese sollen anstelle der Kammer für Handelssachen ausschließlich die allgemeinen Zivil­ kammern zuständig sein, weil kartellrechtliche Schadensersatzprozesse erfah­ rungsgemäß durch die Komplexität des Kartellverstoßes und die Vielzahl der beteiligten Parteien einen erheblichen Aufwand bedeuten, der von einer mit drei Berufsrichtern besetzen Kammer besser bewältigt werden kann als von einer mit nur einem Berufsrichter besetzen Kammer für Handelssachen.141 Ehrenamtliche Richter können diese Last allein mit ihrem Fachwissen nicht auffangen.142 Die Fülle des Prozessstoffs und die Zahl der Beteiligten nehmen in den nachgelager­ ten Ausgleichsprozessen aber nicht ab. Daher muss mit demselben Argument auch für die Regressklagen eine mit drei Berufsrichtern besetzte Kammer zu­ ständig und der Begriff der Schadensersatzansprüche in §  95 Abs.  2 Nr.  1 GVG weit zu verstehen sein. Funktionell zuständig sind damit die allgemeinen Zivil­ kammern bzw. diejenige Zivilkammer, der laut Geschäftsverteilungsplan des be­ treffenden Landgerichts eine Sonderzuständigkeit für Kartellsachen, die nicht bei der Kammer für Handelssachen eingereicht worden sind, zukommt.143 Sofern ein Bundesland von seiner Ermächtigung in §  89 Abs.  1 GWB Ge­ brauch gemacht hat, kann überdies einem Landgericht für die Bezirke mehrerer Landgerichte durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit für die von §  87 GWB erfassten Rechtsstreitigkeiten zugewiesen sein.144 Beispielsweise ist in Schles­ wig-Holstein das Landgericht Kiel für sämtliche Kartellsachen innerhalb des Bezirks des Oberlandesgerichts Schleswig ausschließlich zuständig.145 ZWeR 2013, 448, 468. Vgl. zur sachlichen Zuständigkeit auch Krüger Kartellregress, S.  141; Hösch Innenausgleich, S.  315; Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1267. 140 Siehe Krüger Kartellregress, S.  142. 141  RegE BT-Drs. 17/9852, S.  38. Siehe auch Bechtold/Bosch §  87 GWB Rn.  16. 142  Zur ansonsten vom Kläger vorzunehmenden Abwägung zwischen vermeintlich sach­ kundigeren Laienrichtern und Berufsrichtern vgl. Simons NZG 2012, 609, 611. 143  Vgl. zu den Schadensersatzansprüchen Bien ZWeR 2013, 448, 468. 144  Siehe dazu die Übersicht in Bechtold/Bosch §  87 GWB Rn.  2. 145  So bestimmt durch §  1 der Verordnung über die Zuständigkeit der Landgerichte in Kar­ tellsachen v. 11.2.1958, GVOBl.  S.  118.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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In örtlicher Hinsicht gestaltet sich das Auffinden eines einheitlich für alle Aus­ gleichsansprüche zuständigen Gerichts indes schwieriger.146 Ursache dafür ist, dass der allgemeine Gerichtsstand eines Unternehmens gemäß §§  12, 17 ZPO an seinem Sitz liegt, die Sitze der Kartellanten aber nur äußerst selten innerhalb desselben Landgerichtsbezirks bzw. des durch Rechtsverordnung i. S. d. §  89 GWB bestimmten Bezirks liegen. Stattdessen sind sie regelmäßig über verschie­ dene Bundesländer verstreut.147 Zu einem einheitlich zuständigen Gericht ge­ langt der Regresssuchende daher regelmäßig nicht über Klagen an den allgemei­ nen Gerichtsständen der Mitkartellanten. Um divergierende Urteile zu verhindern, verbleibt ihm aber die Möglichkeit, sein Wahlrecht nach §  35 ZPO auszuüben und am deliktischen Gerichtsstand ge­ mäß §  32 ZPO zu klagen.148 Ob dieser allerdings neben den direkten Ansprüchen der Geschädigten gegen die Gesamtschuldner auch die Ansprüche unter den Ge­ samtschuldnern erfasst, ist umstritten. So wird von Teilen der Literatur der Be­ griff der unerlaubten Handlung eng ausgelegt und eine Anwendung auf die Re­ gressansprüche selbst dann verneint, wenn die ihnen zu Grunde liegende Haf­ tung eine unerlaubte Handlung darstellt, wie es bei §  840 BGB der Fall ist.149 An dieser Stelle muss aber erneut berücksichtigt werden, dass es sich bei dem Aus­ gleichsanspruch gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB um einen Anspruch aus übergegangenem Recht handelt, weshalb er konsequenterweise von §  32 ZPO erfasst sein muss.150 Auch hinsichtlich des Anspruchs aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB kann, da beide Anspruchsgrundlagen aufgrund ihres engen Zu­ sammenhangs zivilprozessual nicht unterschiedlich behandelt werden können, wie bei §  95 Abs.  2 Nr.  1 GVG nichts anderes gelten.151 Der Kläger muss seinen Anspruch rechtlich nicht präzisieren.152 In Bezug auf die Anwendbarkeit des §  32 ZPO gilt für den Anspruch aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB, obwohl er nur mittelbar auf einer unerlaubten Handlung basiert, somit nichts anderes als für den überge­ gangenen Schadensersatzanspruch; der deliktische Gerichtsstand erfasst beide Ausgleichsansprüche gleichermaßen.153 Deshalb kann der Kläger seine Mitkartellanten allesamt am Landgericht bzw. am durch Rechtsverordnung bestimmten Kartellgericht des Begehungsorts der Hösch Innenausgleich, S.  315. Zur Überschreitung von Staatsgrenzen siehe unten S.  74 ff. 148  Krüger Kartellregress, S.  142; Hösch Innenausgleich, S.  315. 149 Musielak/Voit/Heinrich §  32 ZPO Rn.  9; MünchKommZPO/Patzina §  32 ZPO Rn.  17. 150  Siehe Zöller/Schultzky §  32 ZPO Rn.  14; Krüger Kartellregress, S.  142; Hösch Innen­ ausgleich, S.  315. 151  Krüger Kartellregress, S.  142. 152 Siehe Krüger Kartellregress, S.  142 m. w. N. 153  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1266; Krüger Kartellre­ gress, S.  142; Hösch Innenausgleich, S.  315. 146 Siehe 147 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

kartellrechtlichen Zuwiderhandlung auf Ausgleich verklagen.154 Wählt er diesen Gerichtsstand, so kann er die Gefahr divergierender Entscheidungen über die Haftungsquoten der Kartellteilnehmer immerhin begrenzen. Klagt er jedoch an den allgemeinen Gerichtsständen der Kartellanten, bleibt er u. U. auf einer grö­ ßeren Schadenssumme sitzen, als er eigentlich tragen müsste. Einen Gerichts­ stand der Streitgenossenschaft kennt das autonome deutsche Recht nicht.155 c.  Kein internationaler Entscheidungseinklang aa.  Bedeutung des anwendbaren Sachrechts Allerdings sitzen die Kartellanten oftmals nicht nur in unterschiedlichen Ge­ richtsbezirken oder Bundesländern, sondern sogar in verschiedenen EU-Mit­ gliedstaaten. Solche unionsweiten Kartelle sind eher die Regel als die Ausnah­ me.156 Verlangt in einem solchen internationalen Kartell nun ein in Anspruch genommener Kartellant von seinen Mitkartellanten Ausgleich, besteht nicht nur die Gefahr, dass unterschiedliche Gerichte das nationale Recht unterschiedlich auslegen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, das anwendbare Sachrecht zu bestim­ men. Findet je nach Regressschuldner ein anderes Sachrecht Anwendung, sind also verschiedene Rechtsordnungen für den Innenausgleich berufen, so ist die Gefahr divergierender Entscheidungen signifikant erhöht. Schließlich hat der weite Umsetzungsspielraum, den die Schadensersatzrichtlinie den Mitgliedstaa­ ten bei der Haftungsverteilung gewährt hat, zu keiner Vollharmonisierung der Haftungsquotenbestimmung innerhalb der EU geführt.157 Das Ziel des internati­ onalen Entscheidungseinklangs kann folglich nur erreicht werden, wenn auf alle Ausgleichsansprüche, die zum Gesamtschuldverhältnis gehören, dasselbe Sach­ recht anzuwenden ist. bb.  Anwendbares Recht im Innenverhältnis Welches Sachrecht anwendbar ist, richtet sich zunächst nach dem Kollisions­ recht des angerufenen Gerichts.158 Befindet sich das Gericht in einem EU-Mit­ gliedstaat (mit Ausnahme von Dänemark), wendet dieses für schadensbegrün­ dende Ereignisse in Kartellsachen nach dem 11. Januar 2009 die Rom II-VO159 154 Zur

allgemeinen Bestimmung des Begehungsorts siehe Musielak/Voit/Heinrich §  32 ZPO Rn.  15. 155  Schack IZVR, Rn.  407. 156 Vgl. Mankowski Schadensersatzklagen, S.  1. 157  Vgl. auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1245 f. 158  Siehe nur von Hoffmann/Thorn IPR, §  1 Rn.  30–31, 32. 159  Verordnung (EG) Nr.  864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzu­ wendende Recht („Rom II“), ABl.  L 199/40 v. 31.7.2007.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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an.160 Nach Art.  1 Abs.  1 S.  1 gilt sie für außervertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handelssachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen, und findet damit auch auf kartellrechtliche Ausgleichsansprüche An­ wendung. Art.  20 Rom II-VO regelt, welches nationale Recht auf den Innenaus­ gleich bei einer gesamtschuldnerischen Haftung anzuwenden ist.161 Maßgeblich ist danach das Recht, welches auf die Verpflichtung des Anspruchsstellers gegen­ über dem Gläubiger aus dem außervertraglichen Schuldverhältnis anzuwenden ist. Das Statut des Innenausgleichs entspricht damit dem Statut des Schadenser­ satzanspruchs.162 Das auf den Schadensersatzanspruch im Außenverhältnis an­ wendbare Recht gilt somit auch für die Rückgriffsmöglichkeiten des Schuldners gegenüber anderen Mitschädigern.163 Nach diesem Recht richtet sich nicht nur, ob Ausgleichsansprüche bestehen, sondern auch, wie diese ausgestaltet sind.164 Von Bedeutung ist dies vor allem für die Frage, ob zum Zweck des Innenregres­ ses neben oder anstelle eines selbständigen Ausgleichsanspruchs ein gesetzlicher Forderungsübergang des Ersatzanspruchs stattfindet.165 Die Anwendung des Art.  20 Rom II-VO setzt eine vollständige oder teilweise Befriedigung einer außervertraglichen Forderung durch einen Schuldner voraus, der für diese Forderung neben anderen haftet, wobei ihre Verpflichtungen gleichrangig und nicht nachrangig zueinander sind.166 Beim Schadensersatzan­ spruch gemäß §  33a Abs.  1 GWB handelt es sich um eine Forderung, für die die Kartellanten gemäß §  33d Abs.  1 GWB grundsätzlich gesamtschuldnerisch und gleichrangig einstehen müssen.167 Damit liegt ein typischer Anwendungsfall des Art.  20 Rom II-VO vor.168 Zwar setzt dessen Wortlaut voraus, dass der Aus­ gleichsgläubiger bereits an den Geschädigten geleistet hat, wohingegen der Aus­ gleichsanspruch gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB auch auf Freistellung gerichtet sein kann.169 Allerdings ist Art.  20 Rom II-VO nicht auf die Konstellation der Regresszahlung zu beschränken, sondern mangels spezieller Regelung der Be­ Wurmnest EuZW 2012, 933, 936. Vgl. MünchKommBGB/Junker Art.  20 Rom II-VO Rn.  9. 162 MünchKommBGB/Junker Art.  20 Rom II-VO Rn.  1; Kersting/Podszun/Wurmnest 9. GWB-Novelle, Kap.  18 Rn.  38. 163 MünchKommBGB/Junker Art.  20 Rom II-VO Rn.  13. 164 BeckOGK/Huber Stand 1.4.2017, Art.  20 Rom II-VO Rn.  39. 165 MünchKommBGB/Junker Art.  20 Rom II-VO Rn.  1; Kersting/Podszun/Wurmnest 9. GWB-Novelle, Kap.  18 Rn.  38. 166 Vgl. Bamberger/Roth/Spickhoff Art.  20 Rom II-VO Rn.  2; Junker NJW 2007, 3675, 3681; ders. JZ 2008, 169, 177; Leible/Lehmann RIW 2007, 721, 734; Wagner IPRax 2008, 1, 16. 167  Zur Ausnahme für den Kronzeugen siehe unten S.  125 ff. 168  Vgl. MünchKommBGB/Junker Art.  20 Rom II-VO Rn.  9. 169  Siehe oben S.  56 f. 160  161 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

freiung von der Verbindlichkeit ebenso auf den zweiten möglichen Inhalt des Ausgleichsanspruchs zu erstrecken.170 Ob die Bestimmung der Haftungsquoten innerhalb eines Ausgleichsverhält­ nisses nach demselben Sachrecht erfolgt, hängt damit vom Forderungsstatut ab, also von dem Recht, das auf das Außenverhältnis anzuwenden ist. cc.  Anwendbares Recht im Außenverhältnis (1)  Regelung des Art.  6 Abs.  3 Rom II-VO Welchem Recht ein kartelldeliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch unterliegt, bestimmt Art.  6 Abs.  3 Rom II-VO.171 Die Kollisionsnorm erfasst unabhängig davon, ob ein Verhalten gegen nationales oder europäisches Kartellrecht ver­ stößt, sämtliche dem Kartellprivatrecht zugehörigen Fälle.172 Eine privatautono­ me Abweichung vom Deliktsstatut ist entgegen dem im Internationalen Privat­ recht weithin geltenden Grundsatz der Rechtswahlfreiheit nicht möglich.173 Art.  6 Abs.  4 Rom II-VO legt für die kartelldeliktsrechtlichen Ansprüche aus­ drücklich ein Rechtswahlverbot fest. Um den internationalen Entscheidungsein­ klang zu fördern, wird der Anwendungsbereich des Deliktsstatuts grundsätzlich weit gefasst.174 Somit bestimmen sich grundsätzlich alle Einzelfragen, die im Zusammenhang mit der unerlaubten Handlung auftreten, nach Art.  6 Abs.  3 Rom II-VO.175 Das danach anzuwendende Recht bestimmt folglich, ob eine gesamt­ schuldnerische Haftung der Kartellanten besteht und wie die Außenhaftung im Detail ausgestaltet ist.176 (2)  Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO Gemäß Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO findet auf kartellrechtliche Verstöße das Recht des Staates Anwendung, dessen Markt tatsächlich oder wahrscheinlich be­ einträchtigt wird. Es gilt somit das Auswirkungsprinzip.177 Entscheidend ist der Ort, an dem der kartellbedingte Schaden eingetreten ist.178 Da bei einem sich über mehrere Mitgliedstaaten erstreckenden Kartell oft auch diverse Märkte be­ 170 MünchKommBGB/Junker

Art.  20 Rom II-VO Rn.  12. Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Dörfelt Schadensersatzklagen, Rn.  339. 172  Erw.Gr. 22 Rom II-VO. Siehe Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  5 Rn.  82. 173 MünchKommBGB/von Hein Einl. IPR Rn.  35 ff. 174  Vgl. MünchKommBGB/Junker Art.  15 Rom II-VO, Rn.  2. 175  Vgl. Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  5 Rn.  82. 176  Plänker Gesamtschuldnerausgleich, S.  56. 177 Staudinger/Fezer/Koos IntWirtschR Rn.  350; Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  5 Rn.  82; Roth FS Kropholler, S.  623, 639; Mankowski RIW 2008, 177, 184 m. w. N. 178  Mankowski RIW 2008, 177, 184 m. w. N. 171 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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troffen sind, ist von besonderer Bedeutung, wie sich die verschiedenen Schäden in unterschiedlichen Jurisdiktionen auf das anwendbare Recht auswirken. Ge­ mäß Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO gilt hierbei das Mosaikprinzip, dem zufolge jeder Teilschaden nach dem Recht des jeweils betroffenen Marktes zu beurteilen ist.179 Eine Beurteilung nach dem Recht des Marktes, der am stärksten betroffen ist, findet nicht statt.180 Für jeden Markt gilt sein eigenes Recht.181 Damit kolli­ dieren zwar für einen einzelnen Schadensteil niemals mehrere Rechte, allerdings muss der Geschädigte für jeden einzeln ermitteln, welches Marktrecht Anwen­ dung findet.182 Er ist also merklich belastet. Durch dieses Mosaikprinzip wird die Bestimmung einheitlicher Haftungsquoten erschwert. So unterliegt der Schaden eines Kartellopfers, wirkt er sich auf die Märkte mehrerer Mitgliedstaaten aus, keinem einheitlichen Deliktsstatut.183 Vielmehr ist er in mehrere Einzelschäden zu unterteilen, die jeweils dem Recht des Staates unterliegen, in dem sie einge­ treten sind.184 Das maßgebliche Recht bestimmt dann gemäß Art.  20 Rom II-VO auch, wie der jeweilige Schaden unter den Gesamtschuldnern zu verteilen ist. Innerhalb eines Gesamtschuldverhältnisses bestehend aus einem Geschädigten und seinen Schädigern können sich daher abhängig vom Schadensort unter­ schiedliche Haftungsverteilungen ergeben. Dem könnte, solange Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO nicht abgeschafft wird, nur dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass das materielle Recht in den Mitgliedstaaten vollständig harmonisiert wird. (3)  Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II-VO Einer Vollharmonisierung des materiellen Rechts bedürfte es dann nicht, wenn auch nach geltendem Recht eine Rechtsordnung für den gesamten Schaden beru­ fen werden kann. Möglich ist dies gemäß Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II-VO. Die er­ gänzende Regelung soll verhindern, dass ein Geschädigter aufgrund des mit dem Mosaikprinzip einhergehenden Aufwands ganz oder teilweise von einer Geltend­ machung seines Schadens absehen könnte,185 und das Private Enforcement damit geschwächt würde.

Siehe Palandt/Thorn Art.  6 Rom II Rn.  21; Mankowski RIW 2008, 177, 188. Mankowski Schadensersatzklagen, S.  39; ders. RIW 2008, 177, 188. A.A. Basedow ZWeR 2006, 294, 299 f. 181  Mankowski RIW 2008, 177, 188. 182  Alférez EuLF 2007, I-77, I-86; Mankowski RIW 2008, 177, 188. 183  Siehe MünchKommBGB/Wurmnest IntWettR/IntKartellR, Rn.  126. 184 MünchKommBGB/Wurmnest IntWettR/IntKartellR, Rn.  126. 185  Ackermann Liber Amicorum Slot, S.  109, 112; Alférez EuLF 2007, I-77, I-86. Vgl. auch Mankowski Schadensersatzklagen, S.  41. 179  180 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

(a)  Klage gegen einen Kartellteilnehmer Will der Kläger die Nachteile des Mosaikprinzips vermeiden, besteht für ihn nach Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs. 1 Rom II-VO die Möglichkeit, seinen Anspruch auf das Recht des angerufenen Mitgliedstaates zu stützen.186 Zum Zweck einer effi­ zienten privaten Rechtsdurchsetzung kann er optional die lex fori zur Anwen­ dung berufen und dadurch erreichen, dass anstelle des Rechts vieler Staaten nur ein einziges Recht zur Anwendung kommt.187 Für das Eingreifen von Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs. 1 Rom II-VO ist erforderlich, dass die Klage im Wohnsitzstaat (Art.  4 i. V. m. Art.  63 Brüssel Ia-VO) des Kartellteilnehmers erhoben wird und es sich bei dem Wohnsitzstaat um einen Mitgliedstaat der EU handelt.188 Ferner muss der Markt des Staates zu den Märkten zählen, die von der wettbewerbs­ rechtlichen Zuwiderhandlung unmittelbar und wesentlich beeinträchtigt sind.189 Welche Anforderungen hieran zu stellen sind, ist umstritten. Zwar muss es sich denknotwendig nicht um den einzigen beeinträchtigten Markt handeln, doch könnte eine qualifizierte Beeinträchtigung erforderlich sein.190 Diese könnte bei­ spielsweise darin bestehen, dass der Markt schwerpunktmäßig oder gar am stärksten betroffen sein muss.191 Gegen derartige Anforderungen spricht aber be­ reits der Wortlaut von Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II-VO.192 Diesem ist zu entneh­ men, dass nur die gemäß Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO geltenden Anforderungen und nicht darüber hinausgehende Voraussetzungen vorliegen müssen. Schließ­ lich ist das Ziel der Regelung gerade, eine Schwächung der privaten Rechts­ durchsetzung infolge des Mosaikprinzips zu verhindern. Erschwert man durch hohe Anforderungen aber die Anwendbarkeit von Art.  6 Abs.  3 lit.  b Rom II-VO, wird dies konterkariert. Der Kläger müsste dann erst herausfinden, welcher Markt hinreichend stark betroffen ist, um dort erfolgreich den gesamten Schaden nach einem Recht geltend machen zu können.

186 

Vgl. Calliess/Augenhofer Rome Regulations, Art.  6 Rome II Rn.  93. Mankowski Schadensersatzklagen, S.  43 f. 188  Ein Drittstaat als Forumstaat reicht nicht aus, siehe Wagner IPRax 2008, 1, 8; Mankowski RIW 2008, 177, 189. 189  Stancke/Weidenbach/Lahme/Dörfelt Schadensersatzklagen, Rn.  343; Mankowski RIW 2008, 177, 189. 190 Vgl. Mankowski Schadensersatzklagen, S.  45. 191 Siehe Basedow ZWeR 2006, 294, 300. 192 MünchKommBGB/Wurmnest IntWettR/IntKartellR, Rn.  168; Stancke/Weidenbach/ Lahme/Dörfelt Schadensersatzklagen, Rn.  345. 187 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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(b)  Klage gegen mehrere Kartellteilnehmer Oft ist es für den Kläger ratsam, nicht nur einen, sondern mehrere Kartellanten in einem Verfahren auf Schadensersatz zu verklagen.193 Daher sieht Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs. 2 Rom II-VO auch für diesen Fall eine Konzentration auf das Recht des angerufenen Gerichts vor, wenn das wettbewerbswidrige Verhalten den Markt im Mitgliedstaat des angerufenen Gerichts unmittelbar und wesentlich beein­ trächtigt und der Anspruch gegen alle Beklagten auf derselben kartellrechtlichen Grundlage beruht.194 Stärker als Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs. 1 Rom II-VO, dem zufol­ ge nur im Ausnahmefall ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Sitzen des Beklagten besteht, schafft Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs. 2 Rom II-VO für den Kläger den Anreiz, mit der Wahl des Gerichtsstands das für ihn günstigste Recht zu wäh­ len.195 Diese Möglichkeit des Forum Shoppings ist logische Folge des Ziels, dem Geschädigten durch die Konzentration der Kartellklagen die Rechtsdurchset­ zung zu erleichtern und dadurch Kosten zu sparen.196 Ansonsten könnte das Ziel, das internationale Kartell möglichst nach einheitlichem Recht zu beurteilen,197 auf kollisionsrechtlichem Wege nur erreicht werden, wenn sich das anwendbare Recht unabhängig vom Forumstaat stets nach dem Recht des am stärksten betrof­ fenen Marktes richten würde. Dann bestünde für den Geschädigten allerdings auch keine Möglichkeit mehr, ungeachtet diverser Nachteile die Anwendung des Mosaikprinzips zu wählen. Dem Zweck der Anwendung einheitlichen Rechts im Außen- wie im Innenverhältnis der Gesamtschuldner dient Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs.  2 Rom II-VO allemal. Stützt sich ein Kläger somit auf Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs.  2 Rom II-VO, so ist die Gefahr, dass verschiedene Gerichte zu unterschied­ lichen Ergebnissen bei der Haftungsverteilung kommen, für den oder die zahlen­ den Gesamtschuldner insgesamt deutlich geringer. 4.  Beschränkbarkeit auf einzelne Kriterien Die zahlreichen Defizite einer Multi-Faktor-Regel wie §  33d Abs.  2 GWB verlei­ ten dazu, die Anwendung von nur wenigen gesetzlich normierten Kriterien zur

193  Zur Möglichkeit, gemäß Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO mehrere Kartellanten in einem Ver­ fahren auf Schadensersatz zu verklagen, siehe unten S.  235 ff. 194 MünchKommBGB/Immenga IntWettbR/IntKartellR Rn.  79. 195  Stancke/Weidenbach/Lahme/Dörfelt Schadensersatzklagen, Rn.  347; Krüger Kartellre­ gress, S.  114; Mankowski Schadensersatzklagen, S.  53; Zimmer Auswirkungsprinzip, S.  404; Heiss/Loacker JBl 2007, 613, 630. 196  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Dörfelt Schadensersatzklagen, Rn.  347; Mankowski RIW 2008, 177, 191. 197  Arbeitspapier zum Grünbuch, SEC(2005) 1732, S.  69 Nr.  245.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Bestimmung der Haftungsquote zu favorisieren.198 Durch eine klare Regelung können Rechtssicherheit und Transparenz bei der Bestimmung der Haftungsan­ teile geschaffen werden.199 Für die Umsetzbarkeit einer solchen Regelung ist aber entscheidend, ob sie im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie steht. Schließlich soll sich der Haftungsanteil des Einzelnen gemäß Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL nach seiner relativen Verantwortung für den Kartellverstoß richten. Ob sich die relative Verantwortung anhand eines oder weniger Kriterien be­ stimmen lässt, hängt maßgeblich von den heranzuziehenden Kriterien ab. Dass eine Begrenzung auf wenige Kriterien aufgrund eines stets immanenten Maßes an Willkür nicht die Gerechtigkeit fördert,200 ist so pauschal nicht richtig. Die Gerechtigkeit wird durch interessengerechte Ergebnisse gefördert. Diese können auch durch die Anwendung eines oder weniger Haftungskriterien herbeigeführt werden, die in besonderem Maße die Verantwortung des Einzelnen an der Scha­ densentstehung abbilden.201 Wie die Mitgliedstaaten die Vorgabe der relativen Verantwortung umsetzen, ist ihnen ausdrücklich freigestellt. Dass sich die Haftungsanteile ausschließlich nach einer richterlichen Würdigung der individuellen Mitwirkungsbeiträge be­ stimmen, ist Erwägungsgrund 37 SE-RL nicht zu entnehmen. Damit kommt auch die Beschränkung auf ein oder mehrere ausgewählte Kriterien in Betracht, solan­ ge sie die relative Verantwortung der Kartellmitglieder abbilden.202 Die Richtli­ nie sieht in Erwägungsgrund 37 dafür zumindest den Umsatz, die Marktanteile und die Rolle im Kartell als geeignet an. Eine Regelung, der zufolge sich die Haftungsverteilung nach einem oder mehrerer dieser drei Kriterien richtet, stün­ de vollends im Einklang mit der Richtlinie.203 Welche weiteren Kriterien geeig­ net sind, die Verantwortung abzubilden, gilt es im Folgenden zu untersuchen. Dabei muss es sich angesichts dessen, dass der Verantwortungsbegriff der Richt­ linie weiter ist als der Begriff der Schadensverursachung in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB, nicht unbedingt um taugliche Verursachungsbeiträge handeln.204

So auch Krüger Kartellregress, S.  279; Baker Loyola Consumer L. Rev. 2004, 378, 388; Schwenke NZKart 2015, 383, 386. Vgl. ferner Kersting ZWeR 2008, 252, 266. 199 Siehe Krüger Kartellregress, S.  279; Gänswein NZKart 2016, 50, 53; Schwenke NZKart 2015, 383, 386. Vgl. ferner Kersting VersR 2017, 581, 588. 200 So Krüger Kartellregress, S.  279; Hösch Innenausgleich, S.  392 f.; Schwenke NZKart 2015, 383, 386. 201  Zur Geeignetheit der einzelnen Kriterien siehe unten S.  81 ff. 202 Ebenso Kersting VersR 2017, 581, 588. 203 Siehe Kersting VersR 2017, 581, 588. 204 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6. A.A. Hösch, die den Begriff der relativen Ver­ antwortung enger versteht als die „Umstände“, in: Innenausgleich, S.  394. 198 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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5.  Verteilungskriterien a.  Beispiele der Richtlinie Die Haftungsverteilung ist anhand von Kriterien zu bestimmen, welche eine Festlegung des Verursachungsmaßes bei der Zuwiderhandlung praktisch ermög­ lichen. Die Richtlinie gibt mit Erwägungsgrund 37 auch die grobe Richtung für mögliche andere Kriterien vor. Obwohl alle drei genannten Größen bereits von der Richtlinie als hinreichend genaues Abbild der relativen Verantwortung ange­ sehen wurden, gilt es mittels einer genauen Analyse herauszufinden, welche Kri­ terien daneben besonders treffsicher sind. Der Rechtssicherheit im Innenverhält­ nis wegen ist bei der Untersuchung auch zu berücksichtigen, wie homogen die einzelnen Kriterien innerhalb des Gesamtschuldverhältnisses wirken.205 b. Umsatz aa.  Bedeutung im Kartellrecht Erwägungsgrund 37 SE-RL hat als maßgebliches Kriterium u. a. den Umsatz der Unternehmen vorgeschlagen. Der Umsatz ist ein Indikator für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens, von dem sich auf dessen Größe schlie­ ßen lässt.206 Für eine Heranziehung dieses Kriteriums spricht vor allem seine einfache Ermittlung.207 Vom Gesamterlös des Unternehmens sind lediglich die Herstellungs- und Betriebskosten abzuziehen.208 Daher stellt der Umsatz auch das maßgebliche Kriterium im Rahmen der Fusionskontrolle (Art.  1 FKVO, §  35 GWB) dar und kommt bei der Bußgeldbemessung zum Tragen.209 Während bei der Fusionskontrolle der Gesamtumsatz heranzuziehen ist, ist bei der Bußgeld­ bemessung nur der tatbezogene Umsatz entscheidend.210 Zwischen diesen beiden Umsatzformen gilt es folglich zu differenzieren, wenn es um die Tauglichkeit als Kriterium für die Haftungsverteilung geht.

Siehe auch Pipoh NZKart 2016, 226, 227. Gänswein NZKart 2016, 50, 52. Siehe auch Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  407. 207  Dreher FS Möschel, S.  149, 158; Gänswein NZKart 2016, 50, 52; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 208  Hempel WuW 2004, 362, 370; Legner WRP 2014, 1163, 1165; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 209  Zur Fusionskontrolle vgl. Immenga/Mestmäcker/Thomas §  35 GWB Rn.  52. Zur Buß­ geldbemessung vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder 47. Lfg., Art.  101 AEUV Rn.  815 f. Siehe auch Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  407; Legner WRP 2014, 1163, 1165. 210 Vgl. Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  407; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 205  206 

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bb. Gesamtumsatz Von einem hohen Gesamtumsatz eines Unternehmens kann nicht zwangsläufig auf eine hohe Verantwortung für den Kartellverstoß geschlossen werden. Der Gesamtumsatz bildet zwar die gesamtwirtschaftliche Bedeutung und Größe ei­ nes Unternehmens ab, ermöglicht aber keinen Rückschluss auf die Beteiligung des Unternehmens am Kartellverstoß.211 Immerhin wird die wirtschaftliche Leis­ tungsfähigkeit nicht allein durch die Zuwiderhandlung beeinflusst, sondern hängt maßgeblich von der unternehmerischen Fertigkeit ab.212 Zudem bezieht sich der Gesamtumsatz auf die gesamte Leistungsfähigkeit des Unternehmens, während der Kartellverstoß oft nur eine Teilsparte des Unternehmens betrifft.213 Der Er­ folg des Unternehmens in den anderen, nicht kartellierten Sparten führt aber ebenfalls zu einem steigenden Gesamtumsatz und würde fälschlicherweise mit in die Haftungsquote einfließen, obwohl die betroffenen Bereiche in keinem Bezug zur Schadensersatzhaftung stehen. Der Gesamtumsatz darf mangels hinreichen­ den Aussagegehalts für die Verantwortung für den Kartellverstoß somit nicht ausschließlich die Haftungsverteilung bestimmen. cc.  Kartellbefangener Umsatz Anderes gilt bezüglich des Umsatzes mit den kartellbefangenen Produkten. Hie­ runter ist der Teil des Gesamtumsatzes zu verstehen, welcher allein mit den Wa­ ren oder Dienstleistungen erwirtschaftet wurde, die von der kartellrechtswidri­ gen Absprache erfasst sind.214 Andere Sparten des Unternehmens fließen nicht in die Haftungsverteilung ein. Damit stellt der kartellbefangene Umsatz das Abbild des aus dem Kartellverstoß gezogenen Nutzens dar. Zwar stellen die Auswir­ kungen der Kartellabrede nicht den einzigen Faktor des kartellbefangenen Um­ satzes dar, da dieser auch hinsichtlich der kartellbefangenen Waren und Dienst­ leistungen durch das unternehmerische Geschick mitbeeinflusst ist, doch stimmt die tatsächliche Verantwortlichkeit für den entstandenen Schaden mit dem kar­ tellbefangenen Umsatz in groben Zügen überein.215 Auch wenn ein höherer Um­ satz eines Unternehmens nach einer Kartellabrede nicht zwangsläufig bedeutet, dass dessen Wirken bei der Abrede hierzu geführt hat, kommt ihm insoweit je­ Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  407. Dreher FS Möschel, S.  149, 158; Legner WRP 2014, 1163, 1165; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 213  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  407; Dreher FS Möschel, S.  149, 158; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 214  Dreher FS Möschel, S.  149, 158. 215  Ein genaues Abbild verneinen auch Dreher FS Möschel, S.  149, 155; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 211 

212 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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denfalls Indizwirkung zu.216 Treffsicherer als der Gesamtumsatz ist das Kriteri­ um allemal.217 c. Marktanteile aa.  Bedeutung im Kartellrecht In Anknüpfung an das Grünbuch der Kommission218 schlägt die Richtlinie als weiteres Kriterium die Marktanteile der Kartellbeteiligten vor und folgt damit der Praxis von US-amerikanischen und deutschen Unternehmen, die bei außer­ gerichtlichen Einigungen als Haftungsquoten die Marktanteile ansetzen.219 Auch im sonstigen europäischen Kartellrecht spielen die Marktanteile der Unterneh­ men eine entscheidende Rolle. Für die Bestimmung der Marktmacht i. S. d. Art.  102 AEUV sind sie der ausschlaggebende Faktor.220 Darüber hinaus wird die Spürbarkeit einer Wettbewerbsbeschränkung anhand der Marktanteile der Unter­ nehmen beurteilt.221 bb.  Bestimmbarkeit der Marktanteile Als Maßstab für die Haftungsverteilung sind die Marktanteile der Kartellanten aufgrund ihrer Praktikabilität und Transparenz auf den ersten Blick gut geeig­ net.222 In der Regel lassen sie sich vergleichsweise einfach bestimmen und nach­ prüfen.223 Die Marktanteile werden entweder nach den Absatzmengen oder dem Absatzwert der betroffenen Produkte im Verhältnis zum Gesamtvolumen des relevanten Marktes ermittelt.224 Die Kartellanten können ungefähr abschätzen, in 216 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  687; Stancke/Weiden­ bach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1222. 217  Dreher FS Möschel, S.  149, 155 bezeichnet ein Abstellen auf den tatbezogenen Umsatz als zumindest „interessengerechter“. Gänswein NZKart 2016, 50, 52 sieht es als „sachgerech­ ter“ an. 218  In Option 30 des Grünbuchs hat die Kommission vorgeschlagen, die gesamtschuldneri­ sche Haftung eines Kronzeugen auf seinen Marktanteil zu beschränken, siehe Grünbuch „Scha­ densersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  11. 219  Krüger Kartellregress, S.  77; Hempel Privater Rechtsschutz, S.  202; Kling/Thomas Kar­ tellrecht, §  23 Rn.  69. 220  Vgl. Grabitz/Hilf/Nettesheim/Jung 56. Lfg., Art.  102 AEUV Rn.  89; Hösch Innenaus­ gleich, S.  286; Legner WRP 2014, 1163, 1164. 221  Siehe Leitlinien zur Anwendbarkeit von Artikel 101 AEUV auf Vereinbarungen über horizontale Zusammenarbeit, ABl.  C 11/1 v. 14.1.2011, Rn.  208. 222  Krüger Kartellregress, S.  78; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 223  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  405; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 224 Immenga/Mestmäcker/Körber Art.  2 FKVO Rn.  225. Siehe auch Hösch Innenausgleich, S.  287; Lettl Kartellrecht §  9 Rn.  13.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

welcher Höhe sie von den Mitkartellanten in Anspruch genommen werden. Inso­ weit bieten die Marktanteile Rechtssicherheit. In Einzelfällen können bei der Bestimmung der Marktanteile jedoch Schwie­ rigkeiten auftreten. Die Bestimmung der Marktanteile hängt von der Bestim­ mung des relevanten Marktes ab. Lässt sich der Markt z.B. bei differenzierten Gütern nur schwer abgrenzen,225 dann ist der Marktanteil eines Unternehmens nur ein bedingt taugliches Kriterium. In dieser Konstellation muss stattdessen auf das Marktverständnis zurückgegriffen werden, auf welchem die Absprache der Kartellanten basiert.226 Ferner bereitet die Marktabgrenzung Probleme, wenn die Kartellanten auf unterschiedlichen Produkt- oder geografischen Märkten tä­ tig sind.227 Auch dann müsste auf das Marktverständnis der Kartellanten abge­ stellt werden. Zu beachten ist auch, dass an einem Kartell marktfremde Unter­ nehmen beteiligt sein können.228 Da ihnen kein Anteil am begutachteten Markt zukommt, muss ihr Verursachungsmaß auf anderem Wege ermittelt werden.229 cc.  Abbild der relativen Verantwortung Die Marktanteile sind ein wichtiger Indikator für die Marktmacht von Unterneh­ men.230 Aus der Marktmacht lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, welcher unabhängige Verhaltensspielraum dem einzelnen Beteiligten am Markt zu­ kommt.231 Ein marktmächtiges Unternehmen kann die Wettbewerbsbedingungen zu seinem Vorteil beeinflussen,232 z.B. durch Anheben der Preise über das Ni­ veau, welches im freien, funktionierenden Wettbewerb erzielt würde.233 Die Marktmacht gibt Aufschluss über die Unabhängigkeit eines Unterneh­ mens von seinen Wettbewerbern.234 Daher liegt bei hohen Marktanteilen auf­ grund ihres engen Zusammenhangs mit der Marktmacht die Schlussfolgerung nahe, dass das Unternehmen mehr Einfluss auf das Kartell hatte und ihm folglich Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  405. Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  405. 227  Gänswein NZKart 2016, 50, 52. Auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  17. 228  Jüchser Beteiligung, S.  189; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 229  Jüchser Beteiligung, S.  189. 230 Vgl. von der Groeben/Schwarze/Hatje/Hirsbrunner/Hacker Art.  2 VO 139/2004 Rn.  157. 231  EuGH v. 9.11.1983, Rs. 322/81, ECLI:EU:C:1983:313, Tz.  37 – Michelin. Dazu auch Schwalbe/Zimmer Kartellrecht und Ökonomie, S.  64 ff. und Hösch Innenausgleich, S.  287 f. 232  Emmerich Kartellrecht, §  9 Rn.  21; Jüchser Beteiligung, S.  188; Legner WRP 2014, 1163, 1164; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 233  Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 234  EuGH v. 13.2.1979, Rs. 85/76, ECLI:EU:C:1979:36, Tz.  41 – Hoffmann LaRoche. 225  226 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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ein größerer Verursachungsbeitrag am Schaden zukommt.235 Allerdings geht von den Marktanteilen nur eine Indizwirkung aus.236 Eine exakte Korrelation zwi­ schen den Marktanteilen eines Unternehmens und seinem Beitrag am Kartell besteht nicht. Überdies bedeutet auch eine große Marktmacht nicht stets eine größere Ver­ antwortung für den entstandenen Schaden. Zwar kann ein marktmächtigeres Un­ ternehmen grundsätzlich unabhängiger von seinen Konkurrenten agieren und ist daher in wirtschaftlicher Hinsicht naturgemäß für Auswirkungen auf den Wettbe­ werb stärker verantwortlich.237 Jedoch ist auch ein marktmächtiges Unternehmen bei der Kartellabrede auf andere Unternehmen angewiesen. Diese können trotz geringerer Marktmacht bei der Planung und Durchführung der Zuwiderhandlung einen erheblichen Einfluss auf den Wettbewerb und die Mitkartellanten genom­ men haben.238 Zudem ist es nicht fernliegend, dass die anderen Unternehmen die Kartellbildung mit größerem Druck vorangetrieben haben und sich das markt­ mächtige Unternehmen gerade wegen seiner hohen Marktanteile erst spät dem Kartell angeschlossen hat.239 Ein solcher nur zögerlicher Beitritt zum Kartell stellt einen deutlich geringeren Verursachungsbeitrag dar als dessen Initiie­ rung.240 Zudem ist das Kartell nicht zwangsläufig stabiler, wenn ein marktmäch­ tiges Unternehmen an ihm beteiligt ist. So können auch Unternehmen mit gerin­ geren Marktanteilen durchaus bei einer Nichtteilnahme für eine Destabilisierung des Kartells sorgen.241 Daher greift die Auffassung, dass marktmächtige Unternehmen mehr Einzel­ verträge abschließen und dadurch in jedem Fall höhere Schäden produzieren, zu kurz.242 Bei der gesamtschuldnerischen Haftung ist nach den Richtlinienvorga­ ben die Verantwortung für die Existenz des Kartells und nicht der konkrete Ver­ tragsabschluss maßgeblich. Allein darauf abzustellen, dass Unternehmen mit großer Marktmacht eine größere Verantwortung für die Erhaltung des Wettbe­ werbs haben und dieser Verantwortung in besonderem Maße zuwiderhandeln, wenn sie einen Kartellverstoß begehen, würde eine unzulässige Sanktionierung großer Unternehmen bedeuten.243 Auch wenn die durch die Marktanteile indi­ Angland in: Collins, Competition Law, S.  2369, 2394; Hösch Innenausgleich, S.  284; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 236  Krüger Kartellregress, S.  79. 237  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  406. 238  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  406. Vgl. auch Hösch Innenausgleich, S.  289. 239  Dreher FS Möschel, S.  149, 157; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  406. 240  Dreher FS Möschel, S.  149, 157; Legner WRP 2014, 1163, 1164; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 241  Krüger Kartellregress, S.  79; Legner WRP 2014, 1163, 1164. 242  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  406. 243  So aber Mäger/Fort Europäisches Kartellrecht, Kap.  11 Rn.  70. 235 

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zierte Marktmacht oft die Verantwortung eines Unternehmens für den Kartell­ verstoß abbildet, berücksichtigt sie doch nicht bestmöglich die Umstände des Einzelfalls und bildet die relative Verantwortung nicht am treffsichersten ab. d.  Rolle im Kartell aa. Begriff Neben dem Umsatz und den Marktanteilen nennt die Richtlinie als weiteren po­ tentiellen Maßstab für die Bestimmung der Haftungsverteilung die Rolle im Kar­ tell. Unter der Rolle im Kartell sind die Beiträge zusammenzufassen, die ein Unternehmen im Rahmen eines Wettbewerbsverstoßes geleistet hat.244 Alle indi­ viduell für den Kartellerfolg geleisteten Beiträge eines Kartellmitglieds für die schädigende Handlung sind zu berücksichtigen und mit den Beiträgen der Mit­ kartellanten zu vergleichen. Je stärker ein Unternehmen in das Kartell eingebun­ den war und je mehr es auf das Kartell Einfluss genommen hat, desto stärker sind seine Rolle im Kartell und seine Verantwortung für den entstandenen Schaden. Das Kriterium korreliert daher am stärksten mit der von der Richtlinie vorgege­ benen relativen Verantwortung des Einzelnen für die Schadensentstehung, indem es die Tatbeiträge eines jeden Kartellmitglieds widerspiegelt.245 bb.  Bestimmbarkeit der Rollenbilder (1)  Orientierung an §  830 BGB Hinsichtlich der Tauglichkeit der Rolle im Kartell als Maßstab für die Haftungs­ verteilung ist neben der Praktikabilität vor allem die Rechtssicherheit entschei­ dend. Die Haftung eines Unternehmens muss für einen Innenregressprozess ob­ jektiv vorhersehbar sein. Anders als bei den bisher untersuchten Kriterien exis­ tieren bei der Rolle im Kartell keine ökonomischen Vorgaben zur Ermittlung. Es handelt sich um keine definierte Größe, weshalb auch einzelne wirtschaftliche Größen nicht zu ihrer Bestimmung herangezogen werden können.246 Die Wirt­ schaftsdaten eines Unternehmens stehen in keinem zwingenden Zusammenhang mit der Rolle, die ein Unternehmen im Kartell einnimmt.247 Auf die Größe eines Unternehmens kommt es gerade nicht an. Vielmehr ist die Rolle eines Unterneh­ mens allein aus seinem Handeln und seiner Einflussnahme bei der Zuwiderhand­ lung zu bestimmen. Gänswein NZKart 2016, 50, 52 bezeichnet diese zutreffend als „Tatbeiträge“. Krüger Kartellregress, S.  80 ff.; Jüchser Beteiligung, S.  189. 246  Vgl. auch Krüger Kartellregress, S.  82. 247 Siehe Schroeder FS Bechtold, S.  437, 442; Krüger Kartellregress, S.  82. 244 

245 Vgl.

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Für die Anwendbarkeit des Kriteriums müssen daher zunächst verschiedene Rollenbilder festgelegt werden, denen die Kartellanten im konkreten Fall zuge­ ordnet werden können. Aufgrund des deliktsrechtlichen Charakters des Scha­ densersatzanspruchs aus §  33a Abs.  1 GWB bietet sich an, die Unterteilung des §  830 Abs.  1 S.  1, Abs.  2 BGB entsprechend heranzuziehen.248 §  830 BGB diffe­ renziert bei den Beteiligten wie das Strafrecht zwischen Tätern, Anstiftern und Gehilfen. Die Verursachungsbeiträge eines Täters oder Anstifters sind danach höher einzuordnen als die eines Gehilfen.249 Diese Unterteilung entspricht im Wesentlichen auch derjenigen der Kartellbehörden, welche bei der Bußgeldfest­ setzung die Kartellanten in Anführer, Anstifter und Mitläufer einteilen.250 (2) Täter Da die Zivilgerichte die Beteiligtenbegriffe entsprechend der Strafrechtsdogma­ tik auslegen,251 sind die strafrechtlichen Definitionen als Leitbild für die Zuord­ nung der Unternehmen zu den einzelnen Rollenbildern heranzuziehen.252 Täter ist danach, wer „die Tat beherrsche, d. h. als Schlüsselfigur […] das Tatgeschehen nach seinem Willen hemmen, lenken oder mitgestalten“ kann.253 Auf das Kartell­ recht übertragen bedeutet dies für eine Täterschaft, dass das Unternehmen die Absprache nach seinen Vorstellungen gestalten konnte und Einfluss auf die Durchführung des Kartells hatte. Eine lediglich passive Stellung reicht nicht aus, vielmehr muss das Unternehmen aktiv an der Zuwiderhandlung teilgenommen und eine hervorgehobene Position im Kartell eingenommen haben. Bei der Zuordnung der Kartellanten zu den verschiedenen Rollenbildern muss aber nicht nur einem Unternehmen eine hervorgehobene Position zugeordnet werden. Die Kartellbeteiligten können sich in verschiedenster Hinsicht beim Kartellverstoß hervorgetan haben. Sie können mannigfaltige Beiträge zum Zu­ sammenhalt des Kartells nach innen sowie zur Stabilisierung und Erweiterung So auch Legner WRP 2014, 1163, 1164; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. Hösch Innenausgleich, S.  281; Legner WRP 2014, 1163, 1164. 250  Legner WRP 2014, 1163, 1164; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. Vgl. auch Loewen­ heim/Meessen/Riesenkampff/Meyer-Lindemann §  81 GWB Rn.  97. 251  BGHZ 63, 124, 126 = NJW 1975, 49, 50; BGHZ 89, 383, 389 = NJW 1984, 1226, 1228; BGHZ 137, 89, 102 = NJW 1998, 377, 382; BGHZ 164, 50, 57 = NJW 2005, 3137, 3139; BGH NJW 2004, 3423, 3425; vgl. auch MünchKommBGB/Wagner §  830 BGB Rn.  7. 252  Siehe auch Legner WRP 2014, 1163, 1164. 253  B. Heinrich Strafrecht AT, Rn.  1206 m. w. N. Die Zivilgerichte folgen insoweit der neu­ eren Rechtsprechung der Strafsenate des BGH, die anstelle der subjektiven Theorie stärkere Anzeichen der Tatherrschaftslehre aufweist, siehe MünchKommBGB/Wagner §  830 BGB Rn.  16 sowie MünchKommStGB/Joecks §  25 StGB Rn.  31. Vgl. auch Legner WRP 2014, 1163, 1164. 248  249 

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

des Kartells nach außen geleistet haben.254 Diese Beiträge sind dabei nicht sepa­ rat von der Eigenschaft als Täter zu betrachten, sondern bei der Zuordnung der Rollenbilder miteinzubeziehen.255 Die außerordentliche Bedeutung solcher Maß­ nahmen nach innen für die Schadensentstehung liegt darin begründet, dass einem Kartell stets die latente Gefahr der Instabilität innewohnt256. Mit einem Ausbruch aus der Kartellabsprache durch abweichendes Verhalten können die Kartellanten kurzfristig Gewinne generieren.257 Für das Kartell be­ deutet dies eine erhebliche Destabilisierung. Treffen einzelne Unternehmen Maßnahmen, die Kartellmitglieder von solchen Alleingängen abhalten und die Kartelldisziplin erhalten,258 dann sorgen sie gleichzeitig dafür, dass die Zuwider­ handlung fortgesetzt wird und weitere Schäden entstehen. Gleiches gilt für die Maßnahmen nach außen.259 Klassischerweise sind darunter Handlungen der Kar­ tellanten zu verstehen, die unbeteiligte Unternehmen in die Teilnahme am Kar­ tell einbinden und dadurch das Kartell weiter stärken.260 Jede Erweiterung eines Kartells soll die Absprache schützen und aufrechterhalten und dient daher der Stabilisierung. (3) Rädelsführer Besonders stark ausgeprägt ist die Täterrolle eines Unternehmens, wenn sein Beitrag über eine aktive, gestalterische Teilnahme sogar hinausgeht. Eine solche verschärfte Täterschaft ist bei der Haftungsverteilung daher in besonderem Maße zu berücksichtigen. Entsprechend ist dem sog. Rädelsführer eine wesentliche Rolle zuzuschreiben.261 Als Rädelsführer werden Unternehmen bezeichnet, de­ nen im Kartell eine besonders herausragende Rolle zukommt, aufgrund der sie aus der Masse der Kartellanten hervorstechen.262 Sie sind diejenigen, die die Gruppe der Unternehmen zur gesetzeswidrigen Tat anstiften und sie anführen.263 Krüger Kartellregress, S.  83 f.; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. Hösch Innenausgleich, S.  284. A.A. wohl Krüger Kartellregress, S.  82, 85. 256 Vgl. Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Winterstein/Ceyssens/Wessely Art. 101 AEUV Rn.  374; Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  332. 257  Krüger Kartellregress, S.  83. 258  Erfasst sind alle Maßnahmen zwischen den Kartellmitgliedern, welche die Einhaltung der Vereinbarungen gewährleisten, siehe Schmidt/Haucap Wettbewerbspolitik, S.  154. Zu den denkbaren Maßnahmen zum Zusammenhalt des Kartells nach innen siehe Krüger Kartellre­ gress, S.  82 ff. 259 Vgl. Krüger Kartellregress, S.  86; Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 260  Krüger Kartellregress, S.  86; Schmidt/Haucap Wettbewerbspolitik, S.  155. 261  Hösch Innenausgleich, S.  281; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. Vgl. Kommission v. 21.11.2001, COMP/E-1/37.512, Tz.  712 ff. – Vitamine. 262 Vgl. Schroeder FS Bechtold, S.  437, 441; Hösch Innenausgleich, S.  281. 263  Siehe http://www.duden.de/rechtschreibung/Raedelsfuehrer (abgerufen am 14.3.2018). 254 

255 Siehe

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Wegen ihrer alleinigen Anführerstellung gewährt ihnen das deutsche Kronzeu­ genprogramm auch keinen Bußgelderlass.264 Der Grund dafür ist ihre erhöhte Schuld am Kartellverstoß. Da Rädelsführern folglich ein höheres Maß an der Schadensverursachung beizumessen ist, muss sich ihre Stellung in der Haftungs­ quote niederschlagen. Herausgehobene Beiträge zur Initiierung und Organisati­ on des Kartells erhöhen die relative Verantwortung für den entstandenen Scha­ den. Als Rädelsführer des Kartells sollte aber immer nur ein Unternehmen einge­ ordnet werden. Kommt im Einzelfall mehreren Unternehmen eine entscheidende Rolle an der Zuwiderhandlung zu, ist darin eine einfache Täterschaft zu sehen. (4) Anstifter Ist der Anstifter des Kartells nicht gleichzeitig der Rädelsführer, dann ist das Unternehmen als einfacher Anstifter einzuordnen. Seine Rolle im Kartell ist dennoch von besonderer Bedeutung, denn ohne den Initiator des Kartells hätte die Zuwiderhandlung nicht stattgefunden.265 Als Ideengeber hat er mit der Grün­ dung des Kartells einen erheblichen Verursachungsbeitrag geleistet, der den Ur­ sprung der gesamten Schadensentstehung bildet.266 Anstifter i. S. d. §  830 Abs.  2 BGB ist, wer einen anderen vorsätzlich bestimmt, eine vorsätzliche unerlaubte Handlung zu begehen.267 Wodurch das Unternehmen andere zur Teilnahme an der Absprache gebracht hat, fließt mit in die Einzelfallbetrachtung ein. Ob der Beitrag unter die Anstiftung fällt, hängt jedenfalls davon ab, ob das Unterneh­ men als Initiator des Kartells den entscheidenden Impuls zur Kartellgründung gegeben hat. (5)  Gehilfen, Mitläufer Die verbleibenden Kartellanten, die sich weder als Initiator oder Rädelsführer noch in sonstiger Weise im Kartell besonders hervorgetan haben, sind schließlich als Gehilfen oder bloße Mitläufer einzuordnen.268 Ausschlaggebend für diese Kategorisierung ist, dass sie nur passiv am Kartell teilgenommen und die Zuwi­ derhandlung nicht aktiv mitgestaltet haben.269 Passivität bedeutet, dass sie den anderen Unternehmen lediglich gefolgt sind und nicht selbst Vorschläge zur Krüger Kartellregress, S.  81; Hösch Innenausgleich, S.  282. Krüger Kartellregress, S.  80 f.; Hösch Innenausgleich, S.  280. 266 Vgl. Krüger Kartellregress, S.  80 f. 267  BGHZ 75, 96, 107 = NJW 1979, 1823, 1826 – Herstattbank; MünchKommBGB/Wagner §  830 BGB Rn.  22. 268 Vgl. Krüger Kartellregress, S.  81; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 269  Vgl. Kommission v. 3.5.2006, COMP/F/C.38.620, Tz.  475 – Wasserstoffperoxid und Perborat; auch Krüger Kartellregress, S.  81. 264 Vgl. 265 

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Durchführung des Verstoßes unterbreitet haben. Sofern ihre Mitwirkungsbeiträ­ ge über das zur Teilnahme notwendige Maß hinausgehen und zu einer hervorge­ hobenen Stellung führen, sind sie nicht mehr bloße Gehilfen, sondern als Täter des Verstoßes anzusehen. cc.  Dauer der Zuwiderhandlung Bei der Bestimmung der Rolle im Kartell ist neben der Intensität auch die Dauer der Kartellbeteiligung entscheidend.270 Je länger ein Unternehmen am Kartell­ verstoß teilgenommen hat, desto mehr hat es zur Stabilisierung des Kartells bei­ getragen, wobei die Zeitpunkte des Beginns und der Beendigung von geringerer Bedeutung sind als die Dauer der Mitwirkung.271 Schließlich bedeutet die Teil­ nahme jedes einzelnen Unternehmens stets eine Stabilisierung des Kartells, selbst wenn es kurz nach Begründung des Kartells ausscheidet.272 Die Dauer fließt schon deshalb in die Haftungsbestimmung ein, weil sich ge­ rade bei Kartellierungen, die über mehrere Jahre stattgefunden haben, die Rollen im Kartell nicht einheitlich für die gesamte Dauer festlegen lassen.273 Nicht sel­ ten finden in der Zeit mehrfache Rollenwechsel statt, weil die Unternehmen je nach Zeitspanne in unterschiedlichem Maß an dem Kartell mitwirken.274 Inso­ fern sind für die endgültige Rollenbestimmung die einzelnen Stellungen im Kar­ tell in Bezug auf die Dauer ihrer Ausübung heranzuziehen. dd.  Praktische Eignung Bereits die Problematik der Rollenwechsel innerhalb eines Kartells und die ihm generell anhaftende Komplexität gestalten die Anwendung des Kriteriums in der Praxis schwierig. Nicht immer lassen sich die Unternehmen mühelos den oben genannten Kategorien zuordnen.275 Je nach Einzelfall bedarf es daher einer wei­ teren Untergliederung der Rollenbilder.276 Für eine praktische Eignung spricht aber, dass auch die Kartellbehörden bei der Festsetzung des Bußgelds u. a. auf die Rolle der Unternehmen im Kartell abstellen.277 Diese erlassen das Bußgeld schließlich nicht vollständig, wenn dem Cavanagh Vanderbilt L. Rev. 1987, 1277, 1318; Hösch Innenausgleich, S.  280. Hösch Innenausgleich, S.  280 f. 272  Hösch Innenausgleich, S.  281. 273  Jüchser Beteiligung, S.  189. 274 Siehe Jüchser Beteiligung, S.  189. 275 Vgk. Gänswein NZKart 2016, 50, 52. 276  Jüchser Beteiligung, S.  189. 277 Siehe Bundeskartellamt Leitlinien für die Bußgeldzumessung in Kartellordnungswidrig­ keitenverfahren, S.  5, abrufbar unter https://www.bundeskartellamt.de/SharedDocs/Publikati 270  271 

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Täter eine entscheidende Rolle im Kartell zukommt.278 Allerdings stellt es sich deutlich schwieriger dar, jedem einzelnen Kartellbeteiligten eine Rolle im Kar­ tell zuzuordnen, als bloß den Kartellanten ausfindig zu machen, der die Füh­ rungsrolle im Kartell übernommen hat. Für die praktische Anwendbarkeit be­ dürfte es deshalb einer Tabelle, die den einzelnen Beteiligtenformen bestimmte Prozentsätze an der Haftung zuordnet und die von den Richtern bei ihrer Ent­ scheidung gemäß §  287 ZPO herangezogenen werden kann. Allerdings lassen sich entsprechende Prozentsätze in einer Tabelle nur grob angeben. Besondere Konstellationen müssten im Einzelfall gesondert berück­ sichtigt werden. Daher könnte eine derartige Vorgabe nur pauschal lauten, dass Gehilfen für einen einfachen Anteil der Schadenssumme haften, während Anstif­ ter und Täter den zweifachen Anteil tragen müssten. Da ein Rädelsführer einen ausgesprochen hohen Anteil am Schaden trägt, müsste er folglich den dreifachen Anteil tragen. Ob diese Lösung jedoch gerechter ist als eine Bestimmung nach dem kartellbedingten Umsatz oder den Marktanteilen, ist zu bezweifeln. In prak­ tischer Hinsicht bleibt zu bedenken, dass eine alleinige Heranziehung der Rolle im Kartell nicht selten an ihrer Nachweisbarkeit scheitern wird. Ex post lässt sich mitunter nur schwer nachvollziehen, welchem Kartellanten welche Rolle beim Wettbewerbsverstoß zuzuschreiben ist. e.  Kartellbedingter Mehrerlös Als Abbild der relativen Verantwortung könnte sich auch der durch die Abspra­ che erlangte Mehrerlös der Kartellanten eignen. Darunter ist die Differenz zwi­ schen den tatsächlichen Einnahmen der Kartellanten, die aufgrund der Zuwider­ handlung erzielt wurden, und den Einnahmen zu verstehen, die sie jeweils ohne den Verstoß erzielt hätten.279 Diese Abweichung zwischen tatsächlichem und hypothetischem Erlös bildet den Nutzen ab, den ein Unternehmen aus dem Kar­ tellverstoß gezogen hat.280 Damit stellt der kartellbedingte Mehrerlös wie der kartellbefangene Umsatz nicht unmittelbar die Verursachungsbeiträge dar, son­ dern bildet deren wirtschaftliches Resultat ab.281 Der Mehrerlös zeigt auf Schä­ digerseite an, wie sich die Schäden aller Kartellopfer wirtschaftlich auf die Schä­ diger verteilen. Er offenbart die Vorteile, die der einzelne Kartellant aus der Ab­ rede erlangt hat, und belegt, wer in welcher Höhe Nutzen aus der Zuwiderhandlung on/DE/Leitlinien/Bekanntmachung%20-%20Bußgeldleitlinien-Juni%202013.pdf?__blob=pu blicationFile&v=5 (abgerufen am 14.3.2018). 278 Vgl. Krüger Kartellregress, S.  81; Hösch Innenausgleich, S.  282. 279  BGH WuW/E DE-R 1487, 1488 – Steuerfreier Mehrerlös; BGH NJW 2007, 3792, 3793 – Papiergroßhandel. 280 Vgl. Legner WRP 2014, 1163, 1165; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 281  Vgl. oben S.  82.

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gezogen hat.282 Mittels des Mehrerlöses lässt sich somit die Kehrseite des Ge­ samtschadens analysieren. Für die Heranziehung des Mehrerlöses spricht, dass das Ziel der Prävention, also der Abschreckung vor weiteren Kartellverstößen, durch diese Haftungsver­ teilung am ehesten erreicht wird.283 Für die Kartellanten ist von Anbeginn der Zuwiderhandlung entscheidend, wie hoch ihre finanziellen Vorteile in Form der sog. Kartellrendite sein werden.284 Werden die Vorteile im Rahmen des Innen­ ausgleichs vollständig abgeschöpft, besteht kaum ein Anreiz zur Kartellbildung. Je effektiver die Abschöpfung in der Praxis erfolgt, desto abschreckender wird dies auf künftige Kartellbildungen wirken.285 Allerdings ist zu beachten, dass die primäre Aufgabe des Schadensersatzrechts darin liegt, die entstandenen Schäden auszugleichen.286 Die klassische Vorteils­ abschöpfung ist hingegen in §  34 GWB den Kartellbehörden zugeordnet. Die in §  34 Abs.  2 S.  1 Nr.  1 GWB getroffene Regelung, wonach die Vorteilsabschöp­ fung nur insoweit erfolgen darf, wie die Vorteile noch nicht durch Schadenser­ satzleistungen abgeschöpft sind, bedeutet nicht, dass die Haftungsverteilung an­ hand der erlangten Vorteile erfolgen soll. Gemeint ist damit nur, dass durch jede Schadensersatzzahlung Vorteile abgeschöpft werden, für welche die Kartellanten nicht durch eine anschließende Vorteilsabschöpfung gemäß §  34 GWB doppelt einstehen sollen. Anders als der Gesamtumsatz bildet der kartellbedingte Mehrerlös nicht den unternehmerischen Erfolg im Ganzen ab, sondern zeigt die individuellen Vortei­ le bei den kartellbetroffenen Geschäften.287 Er verdeutlicht, welche Rechtsge­ schäfte des Unternehmens im Zusammenhang mit dem Kartellverstoß stehen. Anders als der kartellbefangene Umsatz lässt der Mehrerlös zudem die sonstigen Faktoren außer Betracht, die für den unternehmerischen Erfolg gesorgt haben. Dargestellt wird nur, inwieweit ein Unternehmen von der Kartellabrede profitiert hat. Das unternehmerische Geschick wird auch im hypothetischen Erlös mit ein­ berechnet und ist daher nicht in der Differenz enthalten. Entscheidend für die Heranziehung des Kriteriums ist aber letztlich, wie treff­ sicher es die Verantwortung eines Kartellmitglieds für die Zuwiderhandlung wi­ 282  Krüger Kartellregress, S.  89; Schwenke NZKart 2015, 383, 385; Inderst/Thomas Scha­ densersatz, S.  406, die auch darauf hinweisen, dass es im Deliktsrecht anerkannt ist, zu berück­ sichtigen, wer „Nutznießer“ der Verletzungshandlung war. 283 Vgl. Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 284  Zum Begriff der Kartellrendite siehe Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Rehbinder §  34 GWB Rn.  1. 285 Vgl. Alexander Schadensersatz, S.  581. 286  Siehe MünchKommBGB/Wagner vor §  823 BGB Rn.  43. 287  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  406.

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derspiegelt. Diese ist jedenfalls dann besonders hoch, wenn das Kartellmitglied in besonderem Maße zur Gründung und Stabilisierung des Kartells beigetragen hat. In der Regel wird derjenige am meisten dazu beigetragen haben, der den größten Nutzen aus der kartellbedingten Preiserhöhung zieht.288 Dessen Profit wird am besten durch seinen kartellbedingten Mehrerlös abgebildet. Allerdings handelt es sich hierbei wie bei den Marktanteilen um keinen zwingenden Zusam­ menhang, weshalb auch der Mehrerlös kein exaktes Abbild der Verantwortlich­ keit im klassischen Sinne darstellt.289 Ebenso wie der kartellbefangene Umsatz ist ein hoher Mehrerlös nur ein Indiz für einen großen Verursachungsbeitrag.290 Anders als der kartellbefangene Umsatz lässt sich das Kriterium des kartellbe­ dingten Mehrerlöses durch seine hypothetische Komponente praktisch aber nur mit erheblichen Schwierigkeiten anwenden.291 Die hypothetische Entwicklung des Wettbewerbs ist äußerst komplex. Der kartellbedingte Mehrerlös muss daher letztlich gemäß §  287 ZPO vom Richter geschätzt werden.292 Damit bildet er im Vergleich zum kartellbefangenen Umsatz eine weniger rechtssichere Grundlage für die Haftungsverteilung. f. Bußgeldhöhe Als weiteres Kriterium zur Bestimmung der relativen Verantwortung kommt die Bußgeldhöhe in Betracht. Diese bemisst sich in der Regel nach der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung, den schuldmindernden und schulderschwerenden Umständen, der Art der Tatbeiträge, dem wirtschaftlichen Erfolg aus der Zuwi­ derhandlung, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sowie den Umsätzen auf­ grund der Zuwiderhandlung293 und vereint damit viele der bereits untersuchten Kriterien.294 Es könnte daher eine rechtskonforme Erleichterung für die Zivilge­ richte darstellen, die Abwägungs- und Bewertungsergebnisse der Kartellbehör­ den zu übernehmen und anhand dieser Ergebnisse auch die Haftungsverteilung im Innenverhältnis zu bestimmen. Allerdings gelten bei der Bußgeldfestsetzung spezielle Mechanismen, die einer pauschalen Übertragung auf das Zivilrecht ent­ gegenstehen. Hösch Innenausgleich, S.  204 ff. So auch Hösch Innenausgleich, S.  206; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  407. 290 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  687. 291 Siehe Legner WRP 2014, 1163, 1165; Dreher FS Möschel, S.  149, 157. 292  Legner WRP 2014, 1163, 1165; Dreher FS Möschel, S.  149, 157. 293  Zur Bußgeldfestsetzung durch die Kommission siehe Mestmäcker/Schweitzer Europäi­ sches Wettbewerbsrecht, §  22 Rn.  40. Zur deutschen Bußgeldfestsetzung siehe Loewenheim/ Meeßen/Riesenkampff/Meyer-Lindemann §  81 GWB Rn.  95. 294  Hösch Innenausgleich, S.  306; Dreher FS Möschel, S.  149, 158; Legner WRP 2014, 1163, 1165; Schwenke NZKart 2015, 383, 385. 288 Vgl. 289 

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So enthält Art.  23 VO 1/2003 für die Bußgeldfestsetzung durch die Kommis­ sion eine Kappungsgrenze, d. h. die Kommission darf zunächst anhand der ver­ schiedenen Kriterien das Bußgeld festsetzen, muss dieses dann aber auf maximal 10  % des Gesamtumsatzes des vergangenen Geschäftsjahres deckeln.295 Die Kappungsgrenze sorgt dafür, dass das Bußgeld bei stärker verantwortlichen Un­ ternehmen im Verhältnis zu weniger verantwortlichen Unternehmen niedriger ausfällt, weshalb mehrere und nicht nur die am stärksten verantwortlichen Unter­ nehmen mit Bußgeldern an der 10  %-Grenze belegt werden können.296 Da eine solche wirtschaftliche Belastungsgrenze im Zivilrecht nicht vorgesehen ist, ist das Bußgeld nur dann als Kriterium geeignet, wenn man es ohne die Kappung heranzieht.297 Bei Bußgeldern, die vom Bundeskartellamt verhängt wurden, muss dieses Mittel nicht angewendet werden, um sie zu einem tauglichen Maßstab zu ma­ chen.298 Die in §  81 Abs.  4 GWB vorgesehene 10  %-Grenze stellt nicht wie im EU-Recht eine Kappungsgrenze dar, sondern eine Obergrenze für die Berech­ nung des Bußgelds, die dafür sorgt, dass zunächst die Bußgeldobergrenze be­ stimmt wird, bevor innerhalb des vorgegebenen Rahmens die konkrete Bußgeld­ zumessung erfolgt.299 Dieses Vorgehen führt dazu, dass ausschließlich schwer­ wiegende Zuwiderhandlungen mit einem Bußgeld von 10  % des Gesamtumsatzes belegt werden.300 Überdies ist bei der Heranziehung der Bußgeldhöhe zu beachten, dass die Kar­ tellbehörden bei der Bußgeldbestimmung andere Ziele verfolgen als diejenigen, die für die Schadensersatzbestimmung maßgeblich sind.301 So spielt im Ord­ nungswidrigkeitenrecht nicht nur der Präventionsgedanke, sondern auch der Sanktionsgedanke eine Rolle.302 Ebenso fließt der Gesamtumsatz eines Unter­

295  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408; von der Groeben/Schwarze/Hatje/Kienapfel Art.  23 VO 1/2003 Rn.  131. 296  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408; Wiedemann/Hellmann Kartellrecht, §  46 Rn.  32. 297  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408. 298  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408. 299  BGHSt 58, 158 = NJW 2013, 1972, Ls. 2 – Grauzementkartell; siehe auch Loewenheim/ Meessen/Riesenkampff/Kühnen §  80 GWB Rn.  5; Barth/Budde NZKart 2013, 311, 316. Vgl. auch Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408. 300 MünchKommKart/Vollmer §  81 GWB Rn.  98, 109; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408. 301  Hösch Innenausgleich, S.  307. 302  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1225; Hösch Innenaus­ gleich, S.  307; Krüger Kartellregress, S.  73; Barth/Budde WRP 2009, 1357, 1360; Schwenke NZKart 2015, 383, 385 f.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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nehmens mit in die Bußgeldberechnung ein, obwohl er – wie oben dargestellt – für die Bestimmung der relativen Verantwortung nicht geeignet ist.303 Zudem kann im Bußgeldverfahren anders als im Private Enforcement mehr als ein Unternehmen Kronzeuge sein.304 Haben weitere Unternehmen ermäßigte Bußgelder erhalten, sind diese für die Bestimmung der Haftungsquote nicht aus­ sagekräftig.305 Zöge man sie trotzdem heran, würde auf diese Weise das System der Haftungsprivilegierungen des Kronzeugen unterlaufen. Sobald mehrere Be­ teiligte an einem Kartell den Kronzeugenstatus erlangen, kann für die Haftungs­ verteilung nicht mehr auf die Geldbußen abgestellt werden. Wäre die Heranzie­ hung der Bußgeldverteilung von der Richtlinie gewollt gewesen, hätte es der Sonderregelung für den Kronzeugen in Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL nicht bedurft. Zu beachten bleibt, dass entsprechende Bußgeldfestsetzungen der Kartellbe­ hörde nur bei Follow-on-Klagen existieren.306 Auch wenn diese die Mehrzahl darstellen, muss ein taugliches Kriterium für die Haftungsverteilung auch Stand-alone-Klagen und den sich dort anschließenden Innenregress abdecken. Schließlich lautet das Ziel der Schadensersatzrichtlinie, die Zahl der Schadenser­ satzklagen insgesamt und nicht nur der Follow-on-Klagen zu erhöhen.307 g. Lieferbeziehungen Die relative Verantwortung eines Unternehmens für den entstandenen Schaden könnte am einfachsten mittels Heranziehung der konkreten Lieferbeziehungen bestimmt werden.308 Im Innenverhältnis käme dann jeder Kartellant für die Schä­ den seiner eigenen Abnehmer und Lieferanten auf.309 Die Haftungsverteilung zwischen den Unternehmen würde widerspiegeln, wer der eigentliche Nutznie­ ßer der Schädigung war, und wäre in dieser Hinsicht sogar noch genauer als der kartellbedingte Mehrerlös.310 Der abnehmende oder liefernde Kartellant hat mit dem Waren- oder Dienstleistungsaustausch schließlich die letzte Handlung getä­ tigt und war damit unmittelbar an der Schädigung beteiligt. Folglich steht er dem verursachten Schaden eigentlich am nächsten.

303  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  408. Zur Untersuchung des Gesamtumsatzes als maßgebliches Kriterium siehe oben S.  82. 304  Siehe oben S.  29 ff. 305  Krüger Kartellregress, S.  72; Legner WRP 2014, 1163, 1165. 306  Hösch Innenausgleich, S.  307. 307  Vgl. Erw.Gr. 5, 6 SE-RL. Siehe auch Hösch Innenausgleich, S.  307; Bien NZKart 2013, 481. 308  Logemann Schadensersatz, S.  75; Köhler GRUR 2004, 99, 101. 309  Hösch Innenausgleich, S.  299. 310 Vgl. Köhler GRUR 2004, 99, 101.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Allerdings knüpft die Haftung im Deliktsrecht weder an den Abschluss des Vertrags noch an den Waren- oder Dienstleistungsaustausch an.311 Ursache der gesamtschuldnerischen Haftung ist die gemeinsam getroffene Abrede zum Nach­ teil des Wettbewerbs und deren Durchführung.312 Die Abnahme oder Belieferung ist daher nicht geeignet, die Verantwortung für den Schaden abzubilden.313 Sie stellt nur den letzten Schritt des Gesamtprozesses dar.314 Stellte man auf die Lie­ ferbeziehungen ab, würde dadurch nicht nur der Vorteil der gesamtschuldneri­ schen Haftung unterlaufen, dass alle Kartellanten den Schaden letztlich gemein­ sam tragen,315 sondern auch gegen die Vorgaben der Richtlinie verstoßen.316 Denn Art.  11 Abs.  5 SE-RL sieht eine Begrenzung der Haftung auf die Schäden der eigenen unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten nur für die Kronzeugen vor. Würde sich die allgemeine Haftungsverteilung aber bereits nach den Lieferbeziehungen richten, bedürfte es dieser Haftungsbeschränkung nicht und es fände keine Privilegierung des Kronzeugen im Innenverhältnis statt.317 Zudem wäre die Anwendbarkeit des Kriteriums auf diejenigen Schäden be­ schränkt, die Abnehmern und Lieferanten der Kartellmitglieder entstanden sind.318 Für Schäden von Dritten, die in keinen Geschäftsbeziehungen zu den Kartellanten standen, könnte mangels Vertragsbeziehungen nach diesem Kriteri­ um kein Ausgleich erfolgen.319 Da ein Ausgleich aber von Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL durch die Richtlinie vorgeschrieben ist und das von einem Preisschirm­ effekt­geschädigten in Anspruch genommene Unternehmen den gesamten Scha­ den nicht alleine tragen darf, müssten für diese Konstellation andere Kriterien zur Bestimmung der Haftungsquote herangezogen werden. Diese unterschiedli­ che Verteilung der Schäden im Innenverhältnis kann rechtlich indes nicht ge­ wollt sein. h.  Liefer- und Bezugsanteile Die Defizite der Heranziehung der Lieferbeziehungen könnten durch eine Heran­ ziehung der Liefer- und Bezugsanteile als Verteilungsmaßstab ausgeglichen wer­ den.320 Da den Geschädigten bekannt ist, welcher Kartellant sie zu welchen An­ Meeßen Schadensersatz, S.  601. Hösch Innenausgleich, S.  298 f. Siehe dazu oben S.  51 f. 313 Vgl. Cavanagh Vanderbilt L. Rev. 1987, 1277, 1317; Hösch Innenausgleich, S.  299. 314  Schwenke NZKart 2015, 383, 387. 315  Hösch Innenausgleich, S.  299. 316  Schwenke NZKart 2015, 383, 387. 317  Schwenke NZKart 2015, 383, 387. 318  Hösch Innenausgleich, S.  298. 319  Cavanagh Vanderbilt L. Rev. 1987, 1277, 1317; Hösch Innenausgleich, S.  298. 320  Siehe dazu auch Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6. 311 Vgl. 312 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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teilen beliefert hat, würde dies auch zur Förderung der einvernehmlichen Streit­ beilegung beitragen.321 Allerdings greift dieser Vorteil nur, wenn für jeden einzelnen Geschädigten seine Liefer- oder Bezugsanteile herangezogen werden. Bei diesem Vorgehen gilt aber hinsichtlich der Preisschirmeffektschäden das Gleiche wie bei einer Heranziehung der Lieferbeziehungen. Mangels Geschäfts­ beziehungen mit den Kartellanten können die Schäden Dritter nicht unter den Kartellanten nach den Liefer- und Bezugsanteilen verteilt werden.322 Vielmehr müssten die Liefer- und Bezugsanteile von allen Geschädigten offengelegt und einmalig für das gesamte Kartell bestimmt werden, so dass sie sich in jedem Ausgleichsverhältnis und daher auch bei Preisschirmeffektschäden in gleicher Weise auswirken. Hierfür müssten aber zu Beginn der ersten Haftungsverteilung alle Geschädigten feststehen und alle Liefer- und Bezugsanteile offengelegt sein, was praktisch kaum denkbar ist. Die hierbei auftretenden enormen tatsächlichen Schwierigkeiten stehen somit einer Heranziehung einheitlicher Liefer- und Be­ zugsanteile entgegen, zumal auch diese wie die Lieferbeziehungen nur an den Vertragsschluss und nicht an die Bildung und Durchführung des Kartells an­ knüpfen. 6.  Eigener Gesetzesvorschlag Um die Defizite der bestehenden Regelung zu beheben, zugleich aber weiterhin eine flexible Haftungsverteilung zu ermöglichen, sollte eine Haftungsverteilung anhand von zwei konkreten, gesetzlich normierten Kriterien eingeführt werden. Hierdurch wird einerseits eine praktikable Bestimmung der Haftungsquoten er­ möglicht und Rechtssicherheit geschaffen, andererseits den Gerichten aber genü­ gend Flexibilität eingeräumt, um eine einzelfallgerechte Entscheidung zu treffen. Der Einwand, dass Nachteile und Mängel eines Kriteriums nicht hinreichend ausgeglichen werden können, kann einer Zwei-Kriterien-Regelung anders als einer Ein-Kriterium-Regelung keinesfalls pauschal entgegengehalten werden. Die Normierung von zwei Kriterien eröffnet den Gerichten gerade so viel Spiel­ raum, dass die Gerechtigkeit gewahrt wird, ohne die Praktikabilität und die Rechtssicherheit zu vernachlässigen. Für eine optimale Interaktion müssen beide Kriterien die Defizite des jeweils anderen ausgleichen. Damit die Haftungsverteilung ein möglichst genaues Ab­ bild der relativen Verantwortung der Kartellanten darstellt, sollte daher eines der Kriterien auf den Wirtschaftsdaten der Unternehmen basieren und leicht zu 321  Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  116 f.; Schwenke NZKart 2015, 383, 387; Pipoh NZKart 2016, 226, 227. Zur einvernehmlichen Streitbeilegung durch Vergleich siehe unten S.  189 ff. 322 Vgl. Cavanagh Vanderbilt L. Rev. 1987, 1277, 1317; Hösch Innenausgleich, S.  298.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

handhaben sein. In Betracht dafür kommen insbesondere die Kriterien des tatbe­ zogenen Umsatzes und der Marktanteile. Sie zeigen, welches Unternehmen wirt­ schaftlich am stärksten von der Kartellabrede profitiert hat bzw. welches den größten Einfluss auf die Marktbedingungen entfalten konnte.323 Ihre Tauglichkeit für die Heranziehung bei der Haftungsverteilung bejaht auch die Richtlinie und schlägt sie ausdrücklich für eine Bestimmung der relativen Verantwortung vor.324 Eine Heranziehung der Marktanteile ist aber nur dann problemlos möglich, wenn alle Kartellanten demselben Markt zugehören und die Marktanteile auch bei lang andauernden Kartellen hinreichend konstant sind.325 Diese Schwierigkeiten erge­ ben sich bei einem Abstellen auf den kartellbefangenen Umsatz indes nicht. Auch bietet der kartellbefangene Umsatz den Vorteil, dass diejenigen Unterneh­ men den größten Schadensteil tragen müssen, die von der Kartellabrede am meisten profitiert haben. Die Gewinne der Kartellabrede werden somit noch ef­ fektiver abgeschöpft und die von der zivilrechtlichen Haftung ausgehende Ab­ schreckungswirkung zugleich erhöht. Erstes maßgebliches Kriterium für die Haftungsverteilung sollte daher der kartellbefangene Umsatz sein. Da dieser aber – wie die übrigen wirtschaftlichen Kriterien auch – nur In­ dizwirkung hinsichtlich des Verursachungsbeitrags eines Unternehmens für die Schadensentstehung entfaltet,326 ist als Korrektiv das ebenfalls von Erwägungs­ grund 37 SE-RL vorgeschlagene Kriterium der Rolle im Kartell heranzuziehen. Dieses drückt am genauesten aus, welches Unternehmen welchen Anteil an der Zuwiderhandlung und dem daraus entstandenen Schaden hatte. Die Position, die ein Unternehmen während der Zuwiderhandlung innehatte, und die Handlungen, die es zur Aufrechterhaltung und Stabilisierung des Kartells vorgenommen hat, werden abgebildet. Allerdings lässt sich die Rolle im Kartell trotz ihrer inhaltli­ chen Geeignetheit nicht isoliert zur Bestimmung der Haftungsquoten heranzie­ hen. Schließlich gestaltet sich die Zuweisung der einzelnen Rollen als äußerst schwierig und würde als alleiniger Maßstab zu große Rechtsunsicherheit hervor­ rufen, weshalb es durch ein wirtschaftliches Kriterium wie das der kartellbefan­ genen Umsätze zu ergänzen ist. Nur in Kombination stellen beide Kriterien die bestmögliche Lösung der Haftungsverteilung dar. §  33d Abs.  2 S.  1 GWB sollte daher wie folgt neu gefasst werden: „Das Verhältnis, in dem die Gesamtschuldner untereinander für die Verpflichtung zum Ersatz und den Umfang des zu leistenden Ersatzes haften, hängt von ihrer relativen Verantwortung für den durch die Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden ab. Das Ausmaß der Verantwortung bestimmt sich gleichermaßen durch den von ihnen erzielten kar­ 323 

Siehe oben S.  82 f. Erw.Gr. 37 SE-RL. 325  Siehe oben S.  83 ff. 326  Siehe oben S.  82 f. 324 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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tellbefangenen Umsatz und die Rolle, die sie im Kartell gespielt haben, es sei denn, die relative Verantwortung kann nur durch die Anwendung eines anderen Maßstabs abgebildet werden.“

Beide Kriterien wären dieser Regelung zufolge gleichrangig. Nur so wird eine effektive Ausbesserung der Schwachstellen jedes einzelnen Kriteriums ermög­ licht. Lassen sich den Unternehmen keine Rollen zuordnen, sind alle Kartellan­ ten in demselben Maße als Täter des Kartellverstoßes anzusehen. Ihre Haftungs­ verteilung bestimmt sich dann ausschließlich nach ihrem jeweiligen kartellbe­ fangenen Umsatz. Offenbaren sich dagegen im Laufe des Gerichtsverfahrens verschiedene Rollen der Unternehmen, verändert dies ihre Haftungsquoten in nicht geringem Maße. Auf welche Weise die Rolle im Kartell Einfluss nimmt, kann unterschiedlich festgelegt werden. So können den unterschiedlichen Rollen – wie bereits oben vorgeschlagen327 – Faktoren zugewiesen werden, die das Er­ gebnis, welches nach Heranziehung des kartellbefangenen Umsatzes hinsichtlich der Haftung besteht, korrigieren. Ebenso könnte die Rechtsprechung eine pro­ zentuale Haftungsverteilung auf die einzelnen Teilnehmer wie bei Verkehrsun­ fällen entwickeln, die anschließend mit den kartellbefangenen Umsätzen ver­ rechnet wird. Zwar verbleibt auch bei dieser Lösung ein Teil der Haftungsfestle­ gung bei der Rechtsprechung. Allerdings betrifft diese anders als bei der derzeitigen Regelung nur die nähere Ausgestaltung eines vorgegebenen Kriteri­ ums und nicht schon die vorgelagerte Auswahl der Kriterien. Um zu verhindern, dass im Einzelfall die aus beiden Kriterien ermittelten Haf­ tungsquoten der Kartellanten in einem krassen Missverhältnis zu ihrer relativen Verantwortung für die Schäden stehen, sieht die Regelung die Möglichkeit für das zuständige Gericht vor, ausnahmsweise von dem allgemeinen Verteilungs­ maßstab abzuweichen. Statt die Haftungsverteilung anhand des kartellbefange­ nen Umsatzes und der Rolle der Unternehmen im Kartell zu bestimmen, kann das Gericht diejenigen Kriterien heranziehen, die eine hinreichend genaue Abbil­ dung der relativen Verantwortung ermöglichen. Zur Wahrung der Rechtssicher­ heit ist diese Ausnahme allerdings restriktiv anzuwenden und sollte nur herange­ zogen werden, wenn eine Haftungsverteilung nach den Regelkriterien zu einem nicht tragbaren Ergebnis führt. 7.  Vertraglicher Verteilungsmaßstab Wegen der Unsicherheiten des bestehenden Regresssystems könnte eine vertrag­ liche Regressvereinbarung für die Kartellanten eine willkommene Alternative darstellen. Ihnen stünde frei, im Rahmen eines Vergleichs die Haftungsvertei­ lung oder die dafür heranzuziehenden Kriterien selbst festzulegen.328 Auf diese 327  328 

Siehe oben S.  90 f. Krüger Kartellregress, S.  149 f.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

Weise könnten sie entweder eine Verteilung zu gleichen Teilen im Sinne des Kopfteilprinzips vereinbaren329 oder eine Regelung treffen, wonach jedes Unter­ nehmen für die Ansprüche seiner Vertragspartner einzustehen hat.330 Bis zum Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle fand §  426 Abs.  1 S.  1 BGB für die Haftungsverteilung im Kartelldeliktsrecht Anwendung, dem zufolge vertragliche Vereinbarungen Vorrang sowohl vor dem Kopfteilprinzip als auch vor sonstigen gesetzlichen Festsetzungen haben.331 Seither verdrängt aber §  33d Abs.  2 GWB als speziellere Vorschrift den §  426 Abs.  1 BGB und erklärt in S.  2 zwar §  426 Abs.  1 S.  2, nicht aber §  426 Abs.  1 S.  1 BGB für anwendbar. Dies wirft zumin­ dest Zweifel an der Disponibilität der gesetzlichen Haftungsverteilung auf. Allerdings wollten weder der Richtliniengeber noch der deutsche Gesetzgeber die neue Haftungsverteilung zwingend ausgestalten. Es bestand zu keiner Zeit Anlass, die Privatautonomie zum Schutz einzelner Kartellmitglieder einzu­ schränken.332 Vielmehr soll die außergerichtliche Streitbeilegung explizit geför­ dert und dadurch dem Kartellrecht zu einer besseren Durchschlagskraft verhol­ fen werden.333 Auch wenn dies, wie Art.  19 SE-RL bzw. dessen Umsetzung in §  33f GWB zeigen, primär auf der Ebene zwischen Geschädigtem und Kartellan­ ten stattfinden soll, ist die Ebene der endgültigen Haftungsverteilung davon nicht ausgeschlossen. Von §  33d Abs.  2 GWB abweichende Vereinbarungen im Rah­ men von außergerichtlichen Streitbeilegungen zwischen Kartellanten sind daher grundsätzlich möglich.334 Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Vereinbarung ist zunächst der Zeit­ punkt, in dem die Vereinbarung geschlossen wurde.335 Vereinbaren die Kartellan­ ten noch während des Kartellverstoßes Haftungsquoten, so handelt es sich bei einer solchen Abrede nicht selten um eine sog. Stabilisierungsabrede, die im Zu­ sammenhang mit dem Wettbewerbsverstoß steht und daher wie alle in diesem Rahmen getroffenen Vereinbarungen gemäß Art.  101 Abs.  2 AEUV bzw. §  134 BGB nichtig ist.336 Entscheidend für die Nichtigkeit ist aber weniger der Zeit­ punkt des Abschlusses als vielmehr der konkrete Zweck.337 Dient die Abrede al­ lein der Beendigung und Auflösung des Kartells, so wohnt ihr kein Stabilisie­ So wohl auch Krüger WuW 2017, 229, 231. Weidenbach/Saller BB 2008, 1020, 1026. 331  Vgl. MünchKommBGB/Bydlinski §  426 BGB Rn.  14. 332  Vgl. dazu auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1259. 333  Vgl. Erw.Gr. 50, 51 SE-RL. Siehe dazu S.  189 ff. 334  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1258. 335  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  402. 336  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1232; Langen/Bunte/ Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  21; Dreher FS Möschel, S.  149, 155 f.; Gänswein NZKart 2016, 50, 51. 337  Krüger Kartellregress, S.  153 ff. 329  330 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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rungsgedanke inne.338 Vereinbarungen, die in Anbetracht des baldigen Endes ei­ nes Kartells geschlossen wurden und allein der erleichterten Auseinandersetzung der Kartellanten dienen, sind deshalb grundsätzlich wirksam.339 Erst recht gilt dies für Vereinbarungen nach Beendigung des Kartells.340 Hier ist eine Aufrecht­ erhaltung des wettbewerbswidrigen Verhaltens höchst unwahrscheinlich, da al­ leiniges Ziel die Abwicklung der schadensersatzrechtlichen Folgen unter den Kartellanten ist.341 Spätestens wenn der erste Geschädigte Schadensersatz ver­ langt, liegt der Zweck der Vereinbarung schwerpunktmäßig auf einer wirtschaft­ lich sinnvollen und kostengünstigen Auseinandersetzung.342 Wollen die Kartel­ lanten also von der gesetzlichen Haftungsverteilung abweichen, besteht das ge­ ringste Risiko in Bezug auf die Wirksamkeit ihrer Vereinbarung, wenn diese erst nach Beendigung des Kartells geschlossen wird. Gerade bei vor oder während der Durchführung des Kartellverstoßes getroffenen Vereinbarungen ist beson­ ders auf deren Zwecksetzung zu achten. Ihr Zweck darf nicht in der Aufrechter­ haltung der Kartellabrede liegen, sondern muss allein die Abwicklung der Scha­ densersatzansprüche sein.

IV.  Verjährung der Ausgleichsansprüche Die Ausgleichsansprüche im Innenverhältnis sind für die in Anspruch genomme­ nen Kartellanten praktisch wertlos, wenn sie nicht mehr gerichtlich durchgesetzt werden können. Ein klassisches Durchsetzungshindernis stellt – wenn sich die Schuldner darauf berufen (§  214 Abs.  1 BGB) – die Verjährung der Regress­ ansprüche dar. Schließlich dauern kartellrechtliche Verfahren im Public wie im Private Enforcement nicht selten mehrere Jahre.343 Hinsichtlich der Verjährung ist zwischen den einzelnen Regressansprüchen zu differenzieren. 1.  Anspruch gemäß §  33d Abs.  2 GWB Die Verjährung des Ausgleichsanspruchs gemäß §  33d Abs.  2 GWB richtet sich grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften.344 Gemäß §§  195, 199 Abs.  1 BGB verjährt der Anspruch folglich nach drei Jahren, beginnend mit dem Schluss 338  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  402; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novel­ le, Kap.  8 Rn.  11. 339  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  402; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novel­ le, Kap.  8 Rn.  11. 340  Dreher FS Möschel, S.  149, 156; Jüchser Beteiligung, S.  187. 341  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  402. 342  Leslie Duke Law Journal 2009, 747, 816; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  402. 343  Vgl. Schettgen-Sarcher/Bachmann/Schettgen/Heinichen Compliance Officer, S.  72. 344  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  26.

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des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der leistende Gesamtschuld­ ner von den Umständen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hät­ te erlangen müssen, welche den Anspruch gemäß §  33d Abs.  2 GWB gegenüber den zum Ausgleich verpflichteten Gesamtschuldnern begründen. Entsprechend müsste die Anspruchsentstehung wie bei §  426 Abs.  1 BGB ebenfalls nach den allgemeinen Regelungen bemessen werden: Als Entstehungs­ moment des Freistellungsanspruchs wäre die Begründung des Gesamtschuldver­ hältnisses anzusehen, was dazu führen würde, dass der Freistellungsanspruch – sofern Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Anspruchsinhabers besteht – bereits mit Schluss des dritten Jahres nach dem Schadenseintritt aufgrund der kartellrechtlichen Zuwiderhandlung verjährt.345 Schwieriger fiele hingegen die Festlegung des Entstehungszeitpunkts beim Zahlungsanspruch. Hier läge es zwar nahe, als solchen den neuen Phaseneintritt anzusehen und auf die Leistung des in Anspruch genommenen Schädigers abzustellen.346 Sachnäher wäre es aber, den Entstehungszeitpunkt in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB einheitlich zu betrach­ ten und wiederum auf die Entstehung der Gesamtschuld abzustellen.347 Schließ­ lich muss §  33d Abs.  2 S.  1 GWB wie auch §  426 Abs.  1 BGB als einheitlicher Anspruch verstanden werden, weshalb es nur konsequent wäre, dass seine Ver­ jährung unabhängig davon wäre, worauf der Anspruch in seiner konkreten Form gerichtet ist.348 Da die einheitliche Verjährung in der Praxis für die zahlenden Gesamtschuld­ ner aber erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringt und der Zahlungsanspruch in der Regel bereits verjährt ist, bevor der in Anspruch Genommene um seine Re­ gressmöglichkeiten weiß,349 hat sich der Gesetzgeber für eine abweichende ge­ setzliche Lösung entschieden. Anstatt erhöhte Anforderungen an die Kenntnis zu normieren und damit die verjährungsbegründenden Umstände für den Aus­ gleichsanspruch hinauszuschieben, hat er mit §  33h Abs.  7 GWB eine eigene Re­ gelung zum Verjährungsbeginn des Zahlungsanspruchs getroffen.350 Während es für den Freistellungsanspruch beim allgemeinen Verjährungsbeginn bleibt, be­ ginnt die Verjährung des Zahlungsanspruchs gemäß §  33h Abs.  7 GWB erst mit der Befriedigung des Schadensersatzanspruchs nach §  33a Abs.  1 GWB zu lau­ 345  Vgl. zu §  426 Abs.  1 BGB OLG Bremen NJW 2016, 1248, Ls. 3, Tz.  12; Prütting/We­ gen/Weinreich/Müller §  426 BGB Rn.  16. 346  Vgl. zu §  426 Abs.  1 BGB Klutinius/Karwatzki VersR 2008, 617, 618. 347  Vgl. zu §  426 Abs.  1 BGB BGHZ 181, 310, 313 = NJW 2010, 60, Tz.  12; Palandt/Grüneberg §  426 BGB Rn.  4; Prütting/Wegen/Weinreich/Müller §  426 BGB Rn.  16. 348 Vgl. Gänswein NZKart 2016, 50, 54. 349  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  67; Stancke/Weidenbach/Lahme/Schuler/Stübinger Scha­ densersatzklagen, Rn.  885; Gänswein NZKart 2016, 50, 54; Soyez WuW 2017, 240, 243. 350  Kersting VersR 2017, 581, 588; Soyez WuW 2017, 240, 243.

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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fen. Sie ist somit unabhängig von der Entstehung des Gesamtschuldverhältnisses und sämtlichen kognitiven Elementen.351 Ab Zahlung an den Geschädigten hat der in Anspruch genommene Kartellant demnach genügend Zeit, um von seinen Mitkartellanten Ausgleich zu verlangen, bevor sich diese auf die Einrede der Verjährung berufen können. Dass der Ausgleichsanspruch nach §  33d Abs.  2 S.  1 GWB nicht mehr verjäh­ ren kann, bevor dessen Gläubiger selbst erfolgreich in Anspruch genommen wur­ de, senkt die mit der Schadensersatzzahlung einhergehenden Risiken für die Kar­ tellanten merklich. Es bleibt daher zu hoffen, dass in der Folge auch die Bereit­ schaft der Kartellanten zur Zahlung gegenüber den Geschädigten steigen wird.352 Der Gesetzgeber hat mit seiner über die Vorgabe in Art.  11 Abs.  4 S.  2 SE-RL hinausgehenden Neuregelung des Verjährungsbeginns eine gute Ausgangssitua­ tion geschaffen.353 2.  Anspruch gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB Neben §  33d Abs.  2 S.  1 GWB gewährt §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. dem überge­ henden Anspruch des Gläubigers aus §  33a Abs.  1 GWB eine Ausgleichsmög­ lichkeit für den in Anspruch genommenen Gesamtschuldner. Für die Verjährung dieses Anspruchs ist die Verjährung des ursprünglichen Schadensersatzanspruchs maßgeblich.354 Seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle richtet sich diese nicht mehr nach den allgemeinen Regeln in §§  195, 199 BGB, sondern nach den neuen Bestimmun­ gen des §  33h Abs.  1, 2 GWB.355 Gemäß §  33h Abs.  1 GWB verjährt ein Scha­ densersatzanspruch nach fünf und nicht mehr nach drei Jahren. Die Verjährungs­ frist beginnt zwar weiterhin mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Anspruchsberechtigte Kenntnis von den anspruchsbegrün­ denden Umständen sowie von der Identität des Rechtsverletzers erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (§  33h Abs.  2 GWB).356 Aller­ dings muss sich die Kenntnis gemäß §  33h Abs.  2 Nr.  2 lit.  a  GWB nun zusätz­ lich auf die rechtliche Einordnung der Umstände beziehen.357 Außerdem beginnt

351 

Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  26. Soyez WuW 2017, 240, 243. 353 Vgl. Soyez WuW 2017, 240, 243. 354 KölnerKomm/Krohs §  33 GWB Rn.  314. 355  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  6. 356  Zur Frage, wann Kenntnis von den Umständen vorliegt, siehe näher Gänswein NZKart 2016, 50, 56 f. 357  Kersting/Preuß WuW 2016, L 1, L11 f.; Petrasincu WuW 2016, 330, 334; Soyez WuW 2017, 240, 241; Bach/Wolf NZKart 2017, 285, 291 f. 352 Vgl.

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3. Kapitel: Gesamtschuldnerische Haftung

die Verjährung gemäß §  33h Abs.  2 Nr.  3 GWB nicht, bevor der Kartellverstoß nicht beendet ist. Die erhöhten Anforderungen an den Verjährungsbeginn sollen die Vorgaben des Art.  11 Abs.  4 S.  2 SE-RL umsetzen und der besseren Durchsetzbarkeit der Geschädigtenansprüche dienen. Für den in Anspruch genommenen Kartellanten bedeuten sie infolgedessen mehr Nach- als Vorteile. Zwar bleibt den Kartellanten mehr Zeit für die Durchsetzung ihrer Ausgleichsansprüche, jedoch können sie sich wegen §  33h Abs.  1, 2 GWB erst nach deutlich längerer Zeit selbst auf die Verjährung berufen. Denn zum einen wurde die Verjährungsfrist deutlich verlän­ gert und zum anderen ist für ihren Beginn erforderlich, dass der Geschädigte weiß oder hätte wissen müssen, dass die Umstände einen Verstoß gegen die kar­ tellrechtlichen Verbotsgesetze darstellen.358 Wann der Geschädigte Kenntnis hin­ sichtlich der rechtlichen Einordnung hatte, wird für die Kartellanten schwer zu beweisen sein.359 Gewiss ist die Kenntnis immerhin, wenn der Geschädigte ex­ plizit einen Kartellverstoß der Schädiger behauptet.360 Dennoch wird ein bloßes Aussitzen und Abwarten der Kartellanten weniger erfolgversprechend sein als früher. Rechtssicherheit erlangen die Kartellanten durch die kenntnisunabhängige Verjährung des §  33h Abs.  3 Nr.  1 GWB.361 Ohne Rücksicht auf die Kenntnis verjähren die Schadensersatzansprüche demgemäß zehn Jahre nach der An­ spruchsentstehung. Allerdings erfordert §  33h Abs.  3 Nr.  1 GWB ebenso wie des­ sen Abs.  2 zusätzlich eine Beendigung des Kartellverstoßes.362 Ohne eine Been­ digung müssen die beteiligten Unternehmen immerhin 30 Jahre warten, bis sie die Einrede der Verjährung erheben können. Erst nach dieser Zeit lässt §  33h Abs.  4 GWB zwischen sog. ewigen Kartellsündern und Geschädigten endgülti­ gen Rechtsfrieden eintreten.363 Tritt hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs gegenüber einem Kartellmit­ glied die Verjährung ein, hat dies keine Auswirkungen auf die restlichen Gesamt­ schuldner. Gemäß §  425 Abs.  2 BGB wirkt die Tatsache der Verjährung nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintritt. Aufgrund dieser Einzelwirkung wird die Verjährung also für jeden Gesamtschuldner separat be­ trachtet.364 Da allerdings die §§  412, 404 BGB bestimmen, dass ein Gesamt­ schuldner gegenüber dem leistenden Gesamtschuldner sämtliche Einreden erhe­ 358 

Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  12. Bach/Wolf NZKart 2017, 285, 292. 360  Bach/Wolf NZKart 2017, 285, 292. 361  Stancke/Weidenbach/Lahme/Schuler/Stübinger Schadensersatzklagen, Rn.  879. 362  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  19. 363  Stancke/Weidenbach/Lahme/Schuler/Stübinger Schadensersatzklagen, Rn.  884. 364  Vgl. BGH NJW 2001, 964. 359 

C.  Innenverhältnis (§  33d Abs.  2 GWB)

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ben kann, die er einer Inanspruchnahme durch den Geschädigten hätte entgegen halten können, braucht ein Kartellant, der sich gegenüber dem Geschädigten bereits auf Verjährung berufen kann, nicht zu befürchten, von einem Mitkartel­ lanten aus dem übergegangenen Schadensersatzanspruch in Regress genommen zu werden.365 Will ein leistender Kartellant verhindern, dass sich seine Mitkartellanten alle­ samt gegenüber dem Rückgriffsanspruch auf die Einrede der Verjährung beru­ fen, kann er diesen den Streit verkünden und so gemäß §  204 Abs.  1 Nr.  6 BGB eine Verjährungshemmung bewirken.366 Dieses Mittel ist allerdings nur dann ef­ fektiv, wenn zuvor noch keine Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen­ über den restlichen Gesamtschuldnern eingetreten ist.367

365  Vgl. MünchKommBGB/Bydlinski §  426 BGB Rn.  25a; KölnerKomm/Krohs §  33 GWB Rn.  315. 366 Vgl. Gänswein NZKart 2016, 50, 57. 367  Gänswein NZKart 2016, 50, 57.

4. Kapitel

Privilegierung von Kronzeugen A.  Hintergrund der Neuregelung Die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung bedeutet für die Kartellmit­ glieder eine große Belastung.1 Werden sie von einem Geschädigten im Außen­ verhältnis in Anspruch genommen, müssen sie für dessen gesamten kartellbe­ dingten Schaden einstehen und erhalten die über ihren Anteil hinaus geleistete Summe erst im Wege des Regresses von den Mitkartellanten zurück. Damit müs­ sen sie nicht nur den Aufwand des Ausgleichs betreiben, sondern auch das Aus­ fall- und Insolvenzrisiko der Mitschädiger tragen.2 Während diese Belastung bei gewöhnlichen Kartellmitgliedern angesichts ihres vorangegangenen rechtswidri­ gen Verhaltens nicht in Zweifel gezogen wurde, wurde sie bei Kartellmitglie­ dern, die mit den Wettbewerbsbehörden als Kronzeugen kooperiert haben, schon längere Zeit kritisiert.3 Die Schadensersatzrichtlinie hat diese Kritik aufgenom­ men und den Mitgliedstaaten in Art.  11 Abs.  4–6 SE-RL vorgegeben, bestimmte Kronzeugen teilweise von der gesamtschuldnerischen Haftung auszunehmen. Dieser Vorgabe hat der deutsche Gesetzgeber mit der Einfügung des §  33e GWB Folge geleistet. Seit dem 9. Juni 2017 gelten für Kronzeugen für neu entstehende Gesamtschulden gesetzliche Privilegierungen in der Außen- und Innenhaftung.4

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen Die Haftungsprivilegierungen in §  33e GWB kommen einem Kartellmitglied nur unter engen Voraussetzungen zugute. Hierdurch soll verhindert werden, dass die Begünstigungen des Kronzeugen den Geschädigten die Geltendmachung ihrer Schäden übermäßig erschweren. Das Kronzeugenprivileg und das Recht der Glöckner WRP 2015, 410, 415. Glöckner WRP 2015, 410, 415; Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  260; Schroll Kronzeugenprogramme, S.  169; Bulst Bucerius Law Journal 2008, 81, 88. 3  Vgl. nur Bulst Bucerius Law Journal 2008, 81, 88. 4  Scherzinger NZKart 2016, 513, 517. 1  2 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

vollständigen Kompensation sollen schließlich in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden und gemeinsam für eine Stärkung der Kartellrechtsdurchset­ zung sorgen.

I.  Enger Kronzeugenbegriff 1.  Abweichung vom bußgeldrechtlichen Kronzeugenbegriff Mit der Haftungsprivilegierung in §  33e GWB und dem Schutz der Kronzeugen­ erklärungen in §  33g Abs.  4 S.  1 Nr.  1 GWB wurden erstmals positivrechtliche Regelungen für kartellrechtliche Kronzeugen geschaffen.5 Bislang existierten mit den Bekanntmachungen der Kartellbehörden zu den Kronzeugenprogram­ men auf diesem Gebiet nur Verwaltungsmitteilungen.6 Allerdings haben die neu­ en gesetzlichen Regelungen nicht nur dafür gesorgt, dass überhaupt erstmals gesetzliche Vorschriften über Kronzeugen Einzug in das Kartellrecht gehalten haben, sondern auch dazu geführt, dass von nun an ein zweites, engeres Ver­ ständnis des Kronzeugenbegriffs existiert.7 So haben bis zum Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle die Kronzeugenprogram­ me, auch wenn sie wie die Bonusregelung des Bundeskartellamts nicht immer selbst den Ausdruck „Kronzeuge“ verwenden, alleine den Begriff des Kronzeu­ gen geprägt.8 Ihnen zufolge ist ein Kronzeuge ein Kartellteilnehmer, der durch seine Kooperation mit den Behörden dazu beigetragen hat, ein Kartell aufzude­ cken oder nachzuweisen, weshalb ihm die drohende Geldbuße erlassen oder re­ duziert wird.9 Dagegen fasst die zivilrechtliche Neuregelung den Begriff deutlich enger und sieht nach der Legaldefinition in §  33e Abs.  1 GWB als Kronzeugen nur ein an einem Kartell beteiligtes Unternehmen oder natürliche Person an, dem bzw. der im Rahmen eines Kronzeugenprogramms der vollständige Erlass der Geldbuße gewährt wurde. Kartellanten, die lediglich eine Bußgeldermäßigung erfahren haben, sind damit keine Kronzeugen i. S. d. §  33e GWB.10 Diese neue Begriffsbestimmung bedeutet zwar keine Veränderung des weiten Kronzeugen­ begriffs im Bußgeldverfahren, wo weiterhin beide Gruppen kooperierender Un­ ternehmen als Kronzeugen bezeichnet werden. Jedoch bedarf es in Zukunft stets der Angabe, ob mit einem Kronzeugen einer im weiten oder im engen Sinne ge­ meint ist. Bischke/Brack NZG 2016, 99, 100. Bischke/Brack NZG 2016, 99, 100; Kahlenberg/Heim BB 2017, 1155, 1159; Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  410. 7 Vgl. Krüger NZKart 2013, 483, 486. 8  Zur Abweichung im Bußgeldrecht vgl. Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  3. 9  Siehe oben S.  30 ff. 10  Vgl. Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  3; Krüger NZKart 2013, 483, 486. 5  6 

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

109

Für den Anwendungsbereich der Haftungsprivilegierung stellt dieser enge Kronzeugenbegriff indes nicht die einzige Beschränkung dar. Es ist deshalb ge­ nau zu untersuchen, welche weiteren Voraussetzungen für das Eingreifen des §  33e GWB vorliegen müssen. 2.  Vollständiger Erlass der Geldbuße a.  Geltung des Alles-oder-Nichts-Prinzips Dreh- und Angelpunkt der Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung ist die Höhe der Bußgeldreduzierung, die der Kronzeuge erfahren hat. Anders als von der Literatur vorgeschlagen, orientiert sich die Haftungsbeschränkung in §  33e GWB nicht an der ihm gewährten Reduktion des Bußgelds,11 sondern folgt dem Alles-oder-Nichts-Prinzip. Privilegiert wird nur, wer von einer Wettbewerbsbe­ hörde einen vollständigen Bußgelderlass erhalten hat.12 Das ist nach dem europä­ ischen und dem deutschen Kronzeugenprogramm derjenige Kronzeuge, der als erster mit der Behörde zusammengearbeitet und ihr genügend Informationen und Beweise vorgelegt hat.13 Bei der privaten Rechtsdurchsetzung wird folglich al­ lein derjenige belohnt, der einer Behörde durch seine Kartellaufdeckung den schwersten Teil der Kartellverfolgung abgenommen hat. Damit gleicht das neue System der US-amerikanischen Kronzeugenregelung, die ausschließlich dem ersten Antragsteller Straffreiheit gewährt und bereits den zweiten geständigen Kartellteilnehmer leer ausgehen lässt.14 Anders als das europäische Programm kennt das US-amerikanische Programm schließlich nur die amnesty bzw. immunity und nicht den leniency-Grundsatz.15 b.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Ein Vergleich der Formulierungen von §  33e Abs.  1 S.  1 GWB und Art.  2 Nr.  19 SE-RL wirft die Frage auf, ob die deutsche Umsetzung in Bezug auf den Kron­ zeugenstatus strengere Anforderungen an den Erlass der Geldbuße stellt als die Richtlinie. Während sich letztere mit dem Wort Erlass begnügt, fordert §  33e Abs.  1 S.  1 GWB einen vollständigen Erlass.16 Folgte aus dieser Wortlautdiskre­ panz tatsächlich ein engerer Anwendungsbereich der Kronzeugenprivilegierung im deutschen Recht, so hätte dies zur Konsequenz, dass Kronzeugen, die einen So vorgeschlagen von Koch JZ 2013, 390, 393; Kersting JZ 2012, 42, 45. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  3. 13 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Miersch/Israel Kartellverfahren, §  7 Rn.  30. Siehe oben S.  30 ff. 14  Vgl. MünchKommKart/Stoll EU-Wettbewerbsrecht, Einl. Rn.  1859. 15 MünchKommKart/Stoll EU-Wettbewerbsrecht, Einl. Rn.  1859. 16  Vgl. auch RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59 („vollständigen Erlass“). 11 

12 

110

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

teilweisen Erlass der Geldbuße erhalten, bei der Anwendung deutschen Zivil­ rechts europarechtswidrig keine Haftungsbeschränkung erfahren würden. Allerdings lässt sich die Europarechtswidrigkeit mit einem näheren Blick auf das Richtlinienverständnis des Erlassbegriffs verneinen. Ein Erlass i. S. d. Richt­ linie meint stets einen vollständigen Erlass.17 Den Terminus des „teilweisen Er­ lasses“18 kennt die Richtlinie nicht. Dies zeigt sich in einem Vergleich des Art.  2 Nr.  19 SE-RL mit den weiteren Regelungen der Richtlinie.19 Während in Art.  2 Nr.  19 und Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL ausschließlich von einem „Erlass“ die Rede ist, differenziert Art.  2 Nr.  15 SE-RL zwischen „Erlass“ und „Ermäßigung“ der Geldbuße („zu verhängende Geldbuße erlassen oder ermäßigt wird“).20 Letzteres erfolgt ebenfalls in Art.  2 Nr.  16 SE-RL bei der Definition der Kronzeugenerklä­ rung. Nach dem unionsrechtlichen Verständnis wird ein teilweiser Erlass stets als Ermäßigung bezeichnet. Der Zusatz „vollständig“ in der deutschen Umsetzung ist lediglich klarstellend und führt zu keiner unzulässigen Abweichung von der Richtlinienvorgabe. Einer Nachbesserung der Neuregelung bedarf es an dieser Stelle folglich nicht. c.  Kein Erlass im strengen Sinne Die Geldbuße muss dem Kronzeugen von der Wettbewerbsbehörde erlassen worden sein. Im Gegensatz zum europäischen Kronzeugenprogramm, an dessen Ende für den ersten Kronzeugen eine formelle Erlassentscheidung steht, kennt das deutsche Kronzeugenprogramm ein derart formelles Vorgehen nicht.21 Er­ füllt ein Unternehmen die Voraussetzungen von Rn.  3 oder 4 der Bonusregelung, erlegt ihm das Bundeskartellamt bei Abschluss des Verfahrens schlicht kein Buß­ geld auf.22 Der Erlass erfolgt im Wege einer Verfahrenseinstellung.23 Diese Praxis könnte sich für Kronzeugen des Bundeskartellamts nun im Hin­ blick auf die zivilrechtliche Haftungsprivilegierung als nachteilig erweisen. For­ derte §  33e Abs.  1 S.  1 GWB einen Erlass im strengen Sinne und damit eine formelle Erlassentscheidung, so könnten sich Kronzeugen des Bundeskartell­ amts im Schadensersatzprozess nicht auf die Haftungsbeschränkungen berufen. Verhindert werden könnte dies nur durch eine entsprechende Anpassung der Bo­ 17  Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  124; Calisti/Haasbeek/Kubik NZKart 2014, 466, 472; Rust NZKart 2014, 502, 509. 18 Siehe Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1031. 19  Reichert/Walther GPR 2015, 120, 124. 20  Reichert/Walther GPR 2015, 120, 124. 21  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59; Lettl WM 2016, 1961, 1964; Kahlenberg/Heim BB 2017, 1155, 1159. 22  Lettl WM 2016, 1961, 1964. 23  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59; Kahlenberg/Heim BB 2017, 1155, 1159.

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

111

nusregelung. Allerdings knüpft die Haftungsprivilegierung weniger an den Er­ lass selbst als vielmehr an die dahinterstehende Leistung gegenüber der Wettbe­ werbsbehörde an.24 Grund der Besserstellung des ersten Kronzeugen ist, dass er maßgeblich an der Aufdeckung bzw. Verfolgung des Kartells mitgewirkt und dem Kartellrecht dadurch zu einer stärkeren Durchsetzungskraft verholfen hat.25 Ob dieser Beitrag durch einen formellen Erlass oder eine Verfahrenseinstellung ausgedrückt wird, ist im Ergebnis bedeutungslos.26 Die Anknüpfung des Geset­ zes an den Erlass stellt lediglich eine sprachliche Abgrenzung zu den späteren Kronzeugen dar, die sich an der Terminologie der Bonusregelung orientiert.27 Ob ein Erlass i. S. d. §  33e GWB vorliegt, ist daher den Umständen der Verfahrens­ beendigung zu entnehmen. Wurde gegen ein Unternehmen kein Bußgeld festge­ setzt, ist hierin ein solcher Erlass zu sehen.28 3.  Beteiligung an einem Kartell Die Kronzeugenprivilegierung kann gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB nur Unter­ nehmen oder natürlichen Personen zugute kommen, die an einem Kartell betei­ ligt sind. Auf den ersten Blick weicht die deutsche Umsetzung damit von der Definition des Kronzeugenbegriffs in Art.  2 Nr.  19 SE-RL ab, die als Kronzeugen schlicht jedes Unternehmen ansieht, dem im Rahmen eines Kronzeugenpro­ gramms ein Erlass der Geldbuße einer Wettbewerbsbehörde gewährt wurde.29 Jedoch steht auch diese Abweichung im Einklang mit den Richtlinienvorga­ ben. Schließlich wird Art.  2 Nr.  19 SE-RL durch die Definition des Kronzeugen­ programms in Art.  2 Nr.  15 SE-RL ergänzt, der den Kronzeugenbegriff indirekt an eine Kartellbeteiligung anknüpft.30 Kronzeuge kann danach nur werden, wer an einem geheimen Kartell beteiligt ist. Das deutsche Kartellrecht stellt folglich 24  Vgl. die Begründung des Richtliniengebers für die Gewährung der Haftungsprivilegie­ rung in Erw.Gr. 38 SE-RL: „Unternehmen, die im Rahmen eines Kronzeugenprogramms mit den Wettbewerbsbehörden zusammenarbeiten, spielen eine Schlüsselrolle bei der Aufdeckung von Zuwiderhandlungen […]. Es ist daher angebracht vorzusehen, dass Unternehmen, denen von einer Wettbewerbsbehörde im Rahmen eines Kronzeugenprogramms die Geldbuße erlas­ sen wurde, vor übermäßigen Schadensersatzansprüchen geschützt werden […].“ 25  Siehe Erw.Gr. 38 SE-RL. 26  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  3; Stancke/Weidenbach/Lahme/ Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1254. 27  Diese differenziert Abschnitt „B. Erlass der Geldbuße“ und Abschnitt „C. Reduktion der Geldbuße“, siehe Bundeskartellamt Bekanntmachung Nr.  9/2006 über den Erlass und die Re­ duktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – v. 7.3.2006. 28  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59; Lettl WM 2016, 1961, 1964. 29 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7. 30  Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  27.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

auch insoweit keine höheren Anforderungen an den Kronzeugenstatus als vom Richtliniengeber vorgesehen, zumal sich aus der Richtlinie bereits ohne den Zu­ satz in Art.  2 Nr.  15 SE-RL das Erfordernis der Kartellbeteiligung ergibt. So ist in der Praxis eine Kronzeugenstellung ohne Kartellbeteiligung schlicht unmög­ lich. Mangels Bußgeldfestsetzung könnte es gar nicht zu einem Bußgelderlass kommen – geschweige denn zu zivilrechtlichen Ansprüchen von Abnehmern und Lieferanten der Kartellteilnehmer, die den Genuss einer zivilrechtlichen Privile­ gierung erforderlich machten. Es bedarf naturgemäß einer Kartellbeteiligung, um überhaupt Kronzeuge sein zu können. 4.  Teilnahme an einem Kronzeugenprogramm Des Weiteren fordert die Definition, dass der Kronzeuge an einem Kronzeugen­ programm teilgenommen haben muss. Wie das Programm ausgestaltet sein muss und welche Anforderungen daran zu stellen sind, regelt §  33e Abs.  1 S.  1 GWB nicht. Zur Auslegung des Begriffs ist daher abermals die Legaldefinition in Art.  2 Nr.  15 SE-RL heranzuziehen. Danach ist unter einem Kronzeugenprogramm ein Programm für die Anwendung des Art.  101 AEUV oder einer entsprechenden Bestimmung des nationalen Rechts zu verstehen, „in dessen Rahmen ein an einem geheimen Kartell Beteiligter unabhängig von den übrigen Kartellbeteiligten an einer Untersuchung der Wettbewerbsbehörde mitwirkt, indem der Betei­ ligte freiwillig seine Kenntnis von dem Kartell und seine Beteiligung daran darlegt und ihm dafür im Gegenzug durch Beschluss oder Einstellung des Verfahrens die wegen seiner Beteili­ gung am Kartell zu verhängende Geldbuße erlassen oder ermäßigt wird.“

Auf den ersten Blick muss jede potentielle Kronzeugenregelung genau an den Vorgaben der Definition gemessen werden, um zu überprüfen, ob der Kronzeuge überhaupt eine haftungsrechtliche Besserstellung erfahren kann. Trotz detaillier­ ter Definition sind an die einzelnen Voraussetzungen aber keine besonders hohen Anforderungen zu stellen. Immerhin ist Ziel der Richtlinie, durch die Privilegie­ rung die Teilnahme an den Kronzeugenprogrammen attraktiver zu machen und so die öffentlich-rechtliche Kartellrechtsdurchsetzung zu fördern.31 Würden auf­ grund strenger Anforderungen mehrere mitgliedstaatliche Programme oder gar das Programm der Kommission nicht mehr unter die Begriffsbestimmung fallen, bestünde nur noch eine geringe Anreizwirkung der Haftungsprivilegierung. Die Definition soll vielmehr alle auf dem Gebiet der EU bestehenden Kronzeugen­ programme erfassen und ist dementsprechend weit auszulegen.32 Hierfür spricht auch, dass die Definition des Begriffs „Wettbewerbsbehörde“ in Art.  2 Nr.  8 SERL als Behörde in diesem Sinne die Kommission oder eine nationale Wettbe­ 31 

Erw.Gr. 6, 26 SE-RL. Reichert/Walther GPR 2015, 120, 123.

32 Siehe

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

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werbsbehörde ansieht. Besondere Einschränkungen bezüglich einzelner Mit­ gliedstaaten werden nicht gemacht. Tatbestandsmerkmale wie die Geheimheit des Kartells sind folglich nicht im engen Wortsinn, sondern im Sinne eines bislang fehlenden Nachweises durch die jeweilige Wettbewerbsbehörde zu verstehen.33 Schließlich knüpfen sowohl das Kommissionsprogramm als auch die deutsche Bonusregelung für den Erlass und die Ermäßigung der Geldbuße an die ausreichenden Beweismittel für eine Nach­ prüfung des Kartells bzw. für einen Durchsuchungsbeschluss an.34 Ob das Kar­ tell überhaupt noch nicht bekannt ist oder die Wettbewerbsbehörde zuvor schon auf anderem Wege davon erfahren hat, ist hingegen nicht ausschlaggebend. 5.  Entscheidende Wettbewerbsbehörde a.  Hinführung zum Problem Für die Verfolgung eines Verstoßes gegen das deutsche Kartellrecht sind aus­ schließlich die deutschen Wettbewerbsbehörden zuständig.35 Entscheidendes Kronzeugenprogramm für die Anwendbarkeit der Kronzeugenprivilegierung bei Schadensersatzklagen wegen Verstoßes gegen §§  1 ff. GWB ist daher ausschließ­ lich die Bonusregelung des Bundeskartellamts. Sie allein bestimmt, wer Kron­ zeuge i.e.S. ist. Weniger eindeutig ist die Bestimmung der entscheidenden Wettbewerbsbehör­ de bei einem Verstoß gegen das europäische Kartellrecht. Hier kann es zu einer parallelen Zuständigkeit mehrerer Wettbewerbsbehörden kommen.36 Solange die verschiedenen Wettbewerbsbehörden demselben Unternehmen den Kronzeugen­ status erteilen, wirkt sich die parallele Zuständigkeit nicht auf die zivilrechtliche Haftungsprivilegierung aus. Weichen die Kronzeugen der verschiedenen Wettbe­ werbsbehörden aber voneinander ab, so ist fraglich, welche Wettbewerbsbehörde bzw. welches Kronzeugenprogramm entscheidend für den Kronzeugenstatus ist. Da grundsätzlich sämtliche Programme der Mitgliedstaaten sowie das Programm der Kommission ein taugliches Kronzeugenprogramm i. S. d. §  33e GWB dar­ stellen, können ebenso alle Unternehmen, die auf dieser Grundlage den Kron­ 33  Dass Erw.Gr. 38 SE-RL die Schlüsselrolle des Kronzeugen auf die Aufdeckung geheimer Kartelle bezieht, ist insoweit nicht vorrangig vor dem Erlass. A.A. wohl Kersting/Preuß L1, L7. 34  Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kar­ tellsachen, ABl.  C 298/17 v. 8.12.2006, Rn.  10; Bundeskartellamt Bekanntmachung Nr.  9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – v. 7.3.2006, Rn.  3 f. 35  Kling/Thomas Kartellrecht, §  24 Rn.  1 ff. 36  Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Zuber Art.  5 VerfVO Rn.  8; Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  6 Rn.  11.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

zeugenstatus erlangt haben, auch in ihrer zivilrechtlichen Haftung beschränkt sein. Weder §  33e Abs.  1 S.  1 GWB noch die Richtlinienvorgabe zum Kronzeu­ genbegriff in Art.  2 Nr.  19 SE-RL enthalten hierzu einschlägige Regelungen. Sie beschränken sich in ihren Vorgaben darauf, dass der Kronzeuge an einem Kron­ zeugenprogramm von einer Wettbewerbsbehörde teilgenommen haben muss. b.  Parallele Bußgeldverfahren aa.  Koordination der verschiedenen Behörden Gemäß Art.  5 und 6 VO 1/2003 sind für die Sanktionierung von Verstößen gegen das europäische Kartellrecht neben der Kommission auch die nationalen Wettbe­ werbsbehörden zuständig.37 Das System paralleler Zuständigkeiten soll jedoch nicht zu einer Verschwendung der Ressourcen führen, weshalb jeder Fall mög­ lichst nur von einer Behörde bearbeitet werden soll.38 Zur Erreichung dieses Ziels bestimmt Art.  11 Abs.  6 VO 1/2003, dass die Zuständigkeit der Mitglied­ staaten endet, wenn die Kommission ein Verfahren einleitet. Eine parallele Bear­ beitung desselben Falles durch Kommission und nationale Wettbewerbsbehör­ den ist daher nicht möglich.39 Ein anderes Ergebnis ergibt sich für parallele Bußgeldverfahren verschiedener nationaler Wettbewerbsbehörden.40 Da eine Art.  11 Abs.  6 VO 1/2003 entspre­ chende Regelung in der Verfahrensordnung fehlt, sind u. U. mehrere Mitglied­ staaten für die Kartellverfolgung zuständig.41 Eine Koordination der verschiede­ nen Behörden erfolgt nur über das ECN.42 In seiner Bekanntmachung „über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden“43 hält das Netzwerk allgemeine Grundsätze fest, nach denen die Arbeitsteilung der ver­ schiedenen Wettbewerbsbehörden erfolgen soll.44 Maßgebend für die Aufteilung ist gemäß Rn.  6 der ECN-Bekanntmachung insbesondere, ob eine Behörde be­ 37 

Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Zuber Art.  5 VerfVO Rn.  8. Immenga/Mestmäcker/Ritter Art.  7 VO 1/2003 Rn.  11; Langen/Bunte/Sura vor Art.  11 VO 1/2003 Rn.  1; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Topel Kartellverfahren, §  16 Rn.  37. Das Ziel des sog. One-Stop-Shop nennt Erw.Gr. 18 der VO 1/2003. 39  Vgl. Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  6 Rn.  11. 40 Grabitz/Hilf/Feddersen 26. Lfg., Art.  23 VO 1/2003 Rn.  299; Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  6 Rn.  11. 41  Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Kallfaß Art.  11 VerfVO Rn.  12. 42  Bechtold/Bosch/Brinker EU-Kartellrecht, vor Art.  11 VO 1/2003 Rn.  4. Zum ECN siehe oben S.  34 f. 43  Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, ABl.  C 101/43 v. 27.4.2004. Im Folgenden als „ECN-Bekanntma­ chung“ bezeichnet. 44  Siehe Rn.  3 ECN-Bekanntmachung. 38 Vgl.

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

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reits ein Verfahren eingeleitet hat und ob eine Behörde geeignet ist, sich des Falles anzunehmen.45 Die Geeignetheit ist allerdings nicht nur ausschlaggebend für die Koordination der nationalen Wettbewerbsbehörden, sondern entscheidet auch, ob die Kommission einen Fall übernehmen und dadurch gemäß Art.  11 Abs.  6 VO 1/2003 die Zuständigkeit der nationalen Wettbewerbsbehörden been­ den sollte.46 Ergebnis der Fallverteilung kann nach Rn.  5 der ECN-Bekanntma­ chung die Bearbeitung eines Falles durch eine einzelne nationale Behörde, durch mehrere parallel handelnde nationale Behörden oder durch die Kommission sein. Abhängig ist dies davon, ob ein rein nationales, bi- bzw. trinationales oder mul­ tinationales Kartell vorliegt.47 bb.  Rein nationale Kartelle Wenn sich die Auswirkungen des wettbewerbswidrigen Verhaltens vorrangig auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates beschränken, tritt das Problem der paral­ lelen Verfolgung durch mehrere Kartellbehörden im Regelfall nicht auf.48 Zu­ ständig sind gemäß Rn.  10 der ECN-Bekanntmachung in der Regel die Wettbe­ werbsbehörden des betroffenen Staates, da sie am besten geeignet sind, die Zu­ widerhandlung zu verfolgen. Von diesem Grundsatz ist nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn die Kommission aufgrund besonderer Einzelfallumstände als besser geeignet erscheint.49 Bei rein nationalen Kartellen treten somit regelmäßig nicht mehrere Kronzeugen i.e.S. in Erscheinung. cc.  Europäische Kartelle (1)  Multinationale Kartelle Schwieriger ist die Geeignetheit zu beurteilen, wenn sich ein Kartell in mehreren Mitgliedstaaten ausgewirkt hat. Ist die Zahl der betroffenen Mitgliedstaaten grö­ ßer als drei, dann ist gemäß Rn.  14 der ECN-Bekanntmachung regelmäßig die Kommission besonders geeignet, ein Verfahren gegen die Kartellanten einzulei­ ten.50 Dass die Kommission besonders geeignet ist, bedeutet allerdings nicht, dass sie den Fall auch tatsächlich an sich ziehen muss.51 Sie kann die Verfolgung auch den Mitgliedstaaten überlassen. Wenngleich die praktische Bedeutung zu Bechtold/Bosch/Brinker EU-Kartellrecht, vor Art.  11 VO 1/2003 Rn.  5. Kartellverfahren, §  15 Rn.  40. 47 Vgl. Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  132 ff. 48  Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  132. 49  Siehe Rn.  15 ECN-Bekanntmachung. 50  Vgl. Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Kallfaß Art.  11 VerfVO Rn.  8. 51  Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Kallfaß Art.  11 VerfVO Rn.  9. 45 

46 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Schmidt

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

vernachlässigen ist, besteht zumindest theoretisch die Möglichkeit, dass mehr als drei Wettbewerbsbehörden mit einem Fall beschäftigt sind.52 (2)  Bi- und trinationale Kartelle Bei Kartellen, die in zwei oder drei Mitgliedstaaten Wirkungen entfalten, kann auch das Vorgehen der jeweiligen nationalen Kartellbehörden für angemessen erachtet werden.53 Rn.  12 der ECN-Bekanntmachung verlangt hierfür, dass eine Vereinbarung oder Verhaltensweise sich hauptsächlich in deren jeweiligen Ho­ heitsgebieten wesentlich auf den Wettbewerb ausgewirkt hat und das Vorgehen lediglich einer nationalen Wettbewerbsbehörde nicht ausreichen würde, die ge­ samte Zuwiderhandlung zu beenden bzw. sie angemessen zu ahnden. Während bei multinationalen, meist europaweit agierenden Kartellen in der Regel ein Bußgeldverfahren durch die Kommission angestrengt wird, gehen bei bi- oder trinationalen Kartellen nicht selten mehrere nationale Wettbewerbsbehörden ge­ gen den Verstoß vor.54 Um abweichende Untersuchungsergebnisse zu verhin­ dern, sollen die Behörden gemäß Rn.  13 der ECN-Bekanntmachung zwar nach Möglichkeit ihr Handeln untereinander abstimmen und eine Behörde als feder­ führende Behörde für die Koordinierung der Ermittlungsmaßnahmen bestim­ men. Eine Beteiligung mehrerer Behörden und damit die Gefahr mehrerer Kron­ zeugen besteht aber dennoch. dd.  Ne bis in idem Dass mehrere nationale Wettbewerbsbehörden den Kartellanten für denselben Kartellverstoß ein Bußgeld auferlegen, ist auch mit dem Verbot der Doppelbe­ strafung (ne bis in idem) vereinbar. Dieses in Art.  50 GRCh geregelte Verbot besagt, dass niemand wegen desselben rechtswidrigen Verhaltens mehrmals ver­ folgt bzw. bestraft werden darf. Dasselbe rechtswidrige Verhalten liegt aber nur vor, wenn eine Identität zwischen den Verfahren hinsichtlich des Sachverhalts, des Zuwiderhandelnden und des geschützten Rechtsguts besteht.55 Beim Tätig­ werden mehrerer nationaler Behörden aufgrund eines Verstoßes gegen europäi­ Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  134. Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Kallfaß Art.  11 VerfVO Rn.  7; Langen/Bunte/Sura vor Art.  11 VO 1/2003 Rn.  11; Bechtold/Bosch/Brinker EU-Kartellrecht, vor Art.  11 VO 1/2003 Rn.  5. 54  Langen/Bunte/Sura vor Art.  11 VO 1/2003 Rn.  11; Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  132 ff. 55  EuGH v. 7.1.2004, verb. Rs. C-204/00 P, C-205/00 P, C-211/00 P, C-213/00 P, C-217/00 P u. C-219/00 P, ECLI:EU:C:2004:6, Tz.  338 – Aalborg Portland; von der Groeben/Schwarze/ Hatje/Knieapfel Art.  23 VO 1/2003 Rn.  15; Langen/Bunte/Sura Art.  23 VO 1/2003 Rn.  71. 52  53 

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

117

sches Recht ist die Identität der Rechtsgüter zu verneinen, wenn sich die ver­ hängten Sanktionen nur auf die Auswirkungen im jeweiligen Hoheitsgebiet be­ schränken.56 Mangels Einschlägigkeit des ne bis in idem-Grundsatzes können daher auch mehrere Behörden in demselben Fall Bußgelder verhängen.57 Aller­ dings gilt dies nur für verschiedene mitgliedstaatliche Behörden. Verfolgen Kommission und mitgliedstaatliche Behörde nebeneinander Verstöße gegen eu­ ropäisches Kartellrecht, ist eine Identität des geschützten Rechtsguts gegeben.58 Eine derartige parallele Verfolgung soll nicht nur aus Effizienzgründen gemäß Art.  11 Abs.  6 VO 1/2003 nicht stattfinden, sondern sie wird auch durch das Ver­ bot der Doppelbestrafung verhindert. c.  Kein One-Stop-Shop für Kronzeugen Das Kriterium der Geeignetheit für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Kom­ mission und mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden sorgt zwar für eine ge­ wisse Flexibilität, führt aber auch dazu, dass die Kartellanten nicht sicher wissen, welche Behörde ihren Verstoß letztlich untersuchen wird.59 Dass eine Behörde ein Verfahren eingeleitet hat, bedeutet im Umkehrschluss zu Rn.  6 der ECN-Be­ kanntmachung nicht, dass sie sich auch weiterhin mit dem Fall befasst.60 Prakti­ sche Auswirkungen hat diese Ungewissheit insbesondere auf Unternehmen, die einen Kronzeugenantrag stellen wollen.61 Da die verschiedenen Kronzeugenpro­ gramme innerhalb der EU eigenständig und nicht harmonisiert sind, erkennen die Wettbewerbsbehörden Kronzeugenanträge bei anderen Behörden nicht an.62 Ein bei einer Behörde gestellter Kronzeugenantrag wirkt daher nicht für die an­ deren Behörden.63 Weder die nationalen Wettbewerbsbehörden noch die Kom­ mission sind verpflichtet, bei anderen Behörden Auskunft über dort gestellte An­

56 

Langen/Bunte/Sura Art.  23 VO 1/2003 Rn.  71; MünchKommKart/Bardong Art.  11 VO 1/2003 Rn.  113; vgl. auch Schwarze/Weitbrecht Kartellverfahrensrecht, §  7 Rn.  29. A.A. Klees WuW 2006, 1222, 1230. 57 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Schmidt Kartellverfahren, §  15 Rn.  87; Hetzel Kronzeugenre­ gelung, S.  290. 58  EuG v. 13.7.2011, verb. Rs. T-144/07, T-147/07-150/07, T-154/07, ECLI:EU:T:2011:364, Tz. 162 – ThyssenKrupp Aufzüge; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Schmidt Kartellverfahren, §  15 Rn.  85. 59  Klees EuZW 2005, 449. 60  Vgl. Immenga/Mestmäcker/Ritter Art.  11 VO 1/2003 Rn.  21. 61 Siehe Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  131 ff.; Klees EuZW 2005, 449. 62  Rn.  38 der ECN-Bekanntmachung. 63 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Miersch/Israel Kartellverfahren, §  7 Rn.  93; Krohs/Uphoff BB 2016, 643, 644; Klees EuZW 2005, 449.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

träge einzuholen.64 Dies wird mit dem fehlenden rechtlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen Anträgen begründet.65 Trotz langjähriger Forderungen aus der Literatur66 existiert bislang kein ein­ heitliches, zentralisiertes Kronzeugenverfahren innerhalb der EU nach dem OneStop-Shop-Prinzip.67 Vielmehr hat die Kommission in Kenntnis der Kritik in Rn.  38 der ECN-Bekanntmachung den Multi-Stop-Shop bestärkt68 und auch in ihrem Richtlinienvorschlag zur Stärkung der Wettbewerbsbehörden der Mit­ gliedstaaten69 keinen One-Stop-Shop vorgesehen.70 Reicht ein Unternehmen bei der Kommission einen Kronzeugenantrag ein und kommt die Kommission zu dem Schluss, dass eine oder mehrere mitgliedstaatliche Behörden besser geeig­ net sind, den Fall zu verfolgen, gilt dieser Antrag nicht für die nun entscheiden­ den mitgliedstaatlichen Kronzeugenprogramme.71 Das Unternehmen muss daher schnellstmöglich tätig werden und in den Mitgliedstaaten entsprechende Anträge einreichen. Waren andere Kartellanten in der Zwischenzeit schneller, muss das Unternehmen nicht nur ein hohes Bußgeld befürchten, sondern hat sich mit sei­ nem eigenen Antrag auch zur Zielscheibe der anderen Behörde gemacht.72 Ein potentieller Kronzeuge muss sich vor diesem Risiko entsprechend absi­ chern. Für ihn ist es ratsam, seinen Antrag auf Teilnahme am Kronzeugenpro­ gramm nicht nur bei der Kommission, sondern auch bei den Behörden aller Mit­ gliedstaaten zu stellen, die möglicherweise für die Verfolgung des Verstoßes zu­ ständig sind.73 Angesichts der Vielzahl an Behörden bedeutet dies unter dem bestehenden Zeitdruck ein logistisch anspruchsvolles Vorgehen.74 Schließlich EuGH v. 20.1.2016, Rs. C-428/14, ECLI:EU:C:2016:27, Tz.  63 – DHL Italien. EuGH v. 20.1.2016, Rs. C-428/14, ECLI:EU:C:2016:27, Tz.  61 – DHL Italien. 66 Einem Kronzeugenantrag auf europäischer Ebene sollte Bindungswirkung gegenüber mitgliedstaatlichen Wettbewerbsbehörden zukommen, siehe Grabitz/Hilf/Feddersen 26. Lfg., Art.  23 VO 1/2003 Rn.  303. Er folgt damit dem Vorschlag von Temple Lang ELRev 2003, 430 ff. Ebenso für einen One-Stop-Shop sind Kling/Thomas Kartellrecht, §  9 Rn.  99. 67 Momsen/Grützner/Prechtel/Schulz Wirtschaftsstrafrecht, Kap.  7 Teil 1 Rn.  155; Hemler EuZW 2016, 270, 275. 68  Dieser wird auch als „schwerwiegender logischer Bruch“ im Netzwerk der Wettbewerbs­ behörden bezeichnet, siehe Kling/Thomas Kartellrecht, §  10 Rn.  24. Ebenfalls kritisch Schwarze/Weitbrecht Kartellverfahrensrecht, §  9 Rn.  48. 69  Auch als ECN-Richtlinienvorschlag bezeichnet. Siehe dazu oben S.  34 f. 70 Siehe Brömmelmeyer NZKart 2017, 551, 557 f. 71  Krohs/Uphoff BB 2016, 643, 644. 72  Temple Lang ELRev 2003, 430, 432. 73  EuGH v. 20.1.2016, Rs. C-428/14, ECLI:EU:C:2016:27, Tz.  59 – DHL Italien; Grabitz/ Hilf/Feddersen 26. Lfg., Art.  23 VO 1/2003 Rn.  302; Immenga/Mestmäcker/Dannecker/Biermann Art.  23 VO 1/2003 Rn.  283; Hetzel Kronzeugenregelung, S.  295 ff.; Hemler EuZW 2016, 270, 276; Klees EuZW 2005, 449. 74 Vgl. Schwarze/Weitbrecht Kartellverfahrensrecht, §  9 Rn.  49. 64  65 

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

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unterscheiden sich die Kronzeugenprogramme nicht nur in ihren Voraussetzun­ gen, sondern auch in ihren Modalitäten.75 Für die zivilrechtliche Haftungsprivilegierung in §  33e GWB bedeutet das Fehlen eines One-Stop-Shops die reale Möglichkeit mehrerer Kronzeugen. Hat es das unionsweit betrachtet schnellste Unternehmen versäumt, auch in den an­ deren Mitgliedstaaten, deren Wettbewerbsbehörden wegen des Verstoßes gegen europäisches Kartellrecht tätig werden, Kronzeugenanträge zu stellen, erlangen die dort am schnellsten agierenden Unternehmen den Kronzeugenstatus. d.  Maßgeblichkeit des Orts der Schadensentstehung Das abgestimmte Vorgehen der Behörden bei der Kartellverfolgung sorgt dafür, dass es im Regelfall nur zu einem parallelen Vorgehen verschiedener nationaler Behörden wegen eines Verstoßes gegen europäisches Kartellrecht kommt, wenn sie sich bei ihrer Bußgeldfestsetzung auf die Auswirkungen im jeweils eigenen Hoheitsgebiet beschränken. Andernfalls würde ihr Vorgehen eine Verletzung des Verbots der Doppelbestrafung darstellen. In der Folge ist auch der Kronzeugen­ status bei einer Wettbewerbsbehörde nur für die Auswirkungen auf diesem Ho­ heitsgebiet maßgeblich. Er entfaltet keine Bindungswirkung für die öffent­ lich-rechtlichen Verfahren in anderen Mitgliedstaaten.76 Diese Begrenzung der Wirkungen des Kronzeugenstatus muss allerdings auch für die zivilrechtliche Geltendmachung von Schäden durch die Kartellopfer gel­ ten. Ob ein Kartellant als Kronzeuge i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  1 GWB anzusehen ist, muss von dem Ort des entstandenen Schadens abhängen. Hat die Wettbewerbs­ behörde am Schadensort dem Kartellteilnehmer den Kronzeugenstatus zuer­ kannt, haftet dieser dem Kartellopfer gegenüber nur nach den Maßgaben des §  33e Abs.  1 GWB. Verteilt sich der Schaden des Kartellopfers auf mehrere Ho­ heitsgebiete, ist der Kronzeugenstatus für die jeweiligen Schadensteile separat zu bestimmen. Der Ort der Klageerhebung ist für das Eingreifen der Privilegie­ rungen irrelevant. Gegen diese Aufspaltung des Schadens könnte sprechen, dass der Kronzeuge gemäß Erwägungsgrund 38 SE-RL grundsätzlich von der gesamtschuldneri­ schen Haftung für den gesamten Schaden ausgenommen werden soll. Allerdings meint der gesamte Schaden an dieser Stelle keineswegs den auf sämtlichen Märkten entstandenen Schaden, sondern bezeichnet den gesamten in diesem Hoheitsgebiet entstandenen Schaden. Hierfür spricht auch der Geschädigtenschutz. Die Anknüpfung des Kronzeugenstatus an den Ort der Schadensentstehung ver­ hindert, dass für einen Schadensteil mehrere Kartellanten gemäß §  33e Abs.  1 75  76 

Klees EuZW 2005, 449. Siehe oben S.  117 f.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

GWB haftungsprivilegiert sind und dadurch die Rechtsverfolgung des Geschä­ digten übermäßig erschwert ist. Sähe man den ersten Kronzeugen jeder mit dem Verstoß betrauten Wettbewerbsbehörde als Kronzeugen i. S. d. §  33e Abs.  1 GWB an, wären all diese Kronzeugen in ihrer Haftung gegenüber den Geschädigten beschränkt. Die Geschädigten sollen aber so wenig wie möglich durch die Haf­ tungsprivilegierungen beeinträchtigt werden.77 Des Weiteren könnte ein Kartell­ teilnehmer wegen der noch nicht vorgenommenen Harmonisierung der Kronzeu­ genprogramme in Erwägung ziehen, einen Kronzeugenantrag in demjenigen Mitgliedstaat zu stellen, der die für ihn günstigsten Voraussetzungen an die Kronzeugeneigenschaft stellt, um auf diesem Wege leichter der Schadensersatz­ pflicht zu entgehen. Er könnte durch den dort gestellten Antrag beispielsweise auch eine Haftungserleichterung für die auf dem deutschen Markt entstandenen Schäden erlangen. Um ein solches kalkuliertes Vorgehen zulasten der Geschä­ digten zu verhindern, muss daher zwischen den verschiedenen Schadensteilen differenziert werden. Auch wenn grundsätzlich alle Kronzeugenprogramme taugliche Programme für die Erlangung des Kronzeugenstatus i. S. d. §  33e GWB sind, ist für das Eingreifen der Privilegierung im jeweiligen Fall nur maßgeblich, ob ein Kronzeugenstatus nach dem Programm der Behörde vorliegt, die für die Freiheit des Marktes, auf dem der Schaden entstanden ist, zuständig ist.

II.  Vereinbarkeit mit Art.  20 GRCh 1.  Ausschließliche Begünstigung des ersten Kronzeugen Einen vollständigen Bußgelderlass durch eine Wettbewerbsbehörde erhält ein Unternehmen in der Regel nur, wenn es als erster Kartellteilnehmer mit der Be­ hörde zusammengearbeitet hat.78 Während der frühe Kronzeuge alle Vorteile des Kronzeugenprogramms genießt, müssen sich die späteren Kronzeugen mit blo­ ßen Bußgeldreduzierungen begnügen. Gerade bei erhöhter Aufdeckungswahr­ scheinlichkeit durch die Behörden löst das first come first serve-System79 eine Art Windhundrennen zwischen den Kartellanten aus.80 Jeder möchte der erste sein, der den Kronzeugenantrag stellt oder den Marker setzt, um in den Genuss der finanziellen Begünstigungen zu kommen. Mitunter können Minuten für den Eingang bei der Behörde entscheidend sein, was insbesondere dann gilt, wenn ein Marker telefonisch gesetzt wird.81 Diese Minuten können das zweitschnellste 77 

Siehe oben S.  11 sowie S.  48 f.

78 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Miersch/Israel

Kartellverfahren, §  7 Rn.  30. Schmidt/Simon EuZW 2013, 213. 80 Wecker/Ohl/Janssen Compliance, S.  185, 204; Janssen CCZ 2016, 270. 81  Hösch Innenausgleich, S.  416. 79 

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

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Unternehmen Millionen kosten – seit Inkrafttreten des §  33e GWB nicht nur in bußgeldrechtlicher Hinsicht.82 Ob dieses Quäntchen Glück des ersten Kronzeugen auch auf das Zivilrecht durchschlagen darf, wird in der Literatur bezweifelt.83 Die ausschließliche Be­ vorzugung des ersten Kronzeugen steht in einem Spannungsverhältnis zum Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.  20 GRCh.84 Das könnte anstelle des Allesoder-Nichts-Prinzips eine an der Bußgeldreduzierung orientierte, abgestufte Haftungsbeschränkung für alle Kronzeugen erforderlich machen.85 2.  Anwendbarkeit des Art.  20 GRCh Der enge Kronzeugenbegriff in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB ist das Ergebnis der Um­ setzung von Art.  2 Nr.  19 SE-RL. Die nationale Vorschrift findet ihren inhaltli­ chen Ursprung damit im Unionsrecht. Das wirft die Frage auf, ob der nationale Gleichheitssatz des Art.  3 Abs.  1 GG oder der europarechtliche Gleichheitssatz des Art.  20 GRCh Anwendung findet. Zwar kommt dem Unionsrecht auch bei verfassungsrechtlichen Vorschriften wie den Grundrechten grundsätzlich ein An­ wendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht zu, was auch durch Art.  51 Abs.  1 GRCh deutlich wird, dem zufolge neben den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU auch die Mitgliedstaaten an die EU-Grundrechtecharta gebunden sind.86 Allerdings greift der Vorrang nur bei der Durchführung von Unionsrecht und gerade nicht, wenn die Mitgliedstaaten nationales Recht an­ wenden,87 da eine generelle Verdrängung der nationalen Grundrechte durch die Grundrechtecharta nicht stattfinden soll.88 Für die Anwendbarkeit des Art.  20 GRCh auf den Kronzeugenbegriff ist folg­ lich entscheidend, ob es sich hierbei um nationales Recht oder um die Durchfüh­ rung von Unionsrecht handelt. Als Resultat einer Richtlinie hängt dies davon ab, ob die enge Definition auf zwingenden Vorgaben oder auf einem Gestaltungs­ spielraum basiert.89 Denn gewähren die Richtlinienvorgaben den Mitgliedstaaten Hösch Innenausgleich, S.  416. So wird die Stellung des ersten Antrags als Lotteriegewinn bezeichnet, Hösch Innenaus­ gleich, S.  416. 84 Vgl. Dreher FS Möschel, S.  149, 164; Dose VuR 2017, 297, 301. 85  Kersting Weißbuch, S.  3; ders. ZWeR 2008, 252, 265. Sich anschließend Schroll Kron­ zeugenprogramme, S.  170; Koch JZ 2013, 390, 393; Reichert/Walther GPR 2015, 120, 124. 86  Ausdrücklich hinsichtlich der Grundrechte EuGH v. 17.12.1970, Rs. 11/70, ECLI:EU: C:1970:114, Tz.  3 – Internationale Handelsgesellschaft. 87  BSG BeckRS 2011, 77077, Tz.  34; Jarass Art.  51 GRCh Rn.  11; Goldsmith CMLRev 2001, 1201, 1205. 88  BVerfGE 123, 267, 398; Kirchhof NVwZ 2014, 1537; Ludwigs/Sikora JuS 2017, 385, 387. 89 Vgl. Ziegenhorn NVwZ 2010, 803, 806 f. 82 Vgl. 83 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

einen Umsetzungsspielraum, ist immer noch umstritten, welche Grundrechte Anwendung finden. So hebt das Bundesverfassungsgericht hervor, dass nationa­ le Grundrechte insoweit anzuwenden sind, als die zu prüfende Regelung auf einen Gestaltungsspielraum zurückzuführen ist, den das Unionsrecht gewährt hat.90 Der Europäische Gerichtshof widerspricht dem.91 Er hält die Unionsgrund­ rechte auch bei der Ausgestaltung von Spielräumen durch den nationalen Gesetz­ geber für einschlägig,92 solange zwischen dem nationalen Umsetzungsgesetz und den Vorgaben ein „hinreichende[r] Zusammenhang von einem gewissen Grad“ besteht.93 Einigkeit besteht somit nur bei zwingenden Richtlinienvorgaben. Werden die­ se in nationales Recht umgesetzt, so handelt es sich um eine Anwendung von Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten, die nach Art.  51 Abs.  1 GRCh die Beach­ tung der Grundrechtecharta fordert.94 Solange das Unionsrecht einen mit dem Grundgesetz vergleichbaren Schutz bietet, setzt das Bundesverfassungsgericht seine Prüfkompetenz für die nationalen Umsetzungsakte aus und akzeptiert die Anwendung der EU-Grundrechte.95 Schließlich stellt die Regelung dann in ih­ rem Kern Unionsrecht dar, welches lediglich von einer nationalen Hülle um­ schlossen wird.96 Da die Vorgaben hinsichtlich des Kronzeugenbegriffs zwingend sind, hat die Überprüfung der Regelung allein am Maßstab der EU-Grundrechte zu erfolgen. Eindeutiger als in Art.  2 Nr.  19 SE-RL kann der Richtliniengeber seine Anforde­ rungen an den Kronzeugenbegriff kaum formulieren. Insbesondere im Hinblick auf die Anforderungen an die Bußgeldreduzierung ist dem nationalen Gesetzge­ ber kein Gestaltungsspielraum überlassen. 3.  Ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Kronzeugen Dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art.  20 GRCh zufolge sind alle Personen vor dem Gesetz gleich. Natürliche wie juristische Personen werden umfassend

BVerfGE 125, 260, 306 f. Siehe auch Kingreen JZ 2013, 801, 803. Siehe EuGH v. 6.3.2014, C-206/13, ECLI:EU:C:2014:126, Tz.  25 f. – Siragusa; EuGH v. 26.2.2013, C-617/10, ECLI:EU:C:2013:105, Tz.  21 – Åkerberg; EuGH v. 27.6.2006, C-540/03, ECLI:EU:C:2006:429, Tz.  104 – Parlament/Rat. 92  EuGH v. 27.6.2006, C-540/03, ECLI:EU:C:2006:429, Tz.  104 – Parlament/Rat. 93  EuGH v. 6.3.2014, C-206/13, ECLI:EU:C:2014:126, Tz.  24 – Siragusa. Vgl. dazu auch Ludwigs/Sikora JuS 2017, 385, 390. 94  BVerfGE 118, 79, 95; BVerfGE 125, 260, 306. 95  BVerfGE 73, 339, Ls. 2; BVerfGE 118, 79, 95; BVerfGE 121, 1, 15; BVerfGE 142, 74, 113. 96 Vgl. Ludwigs/Sikora JuS 2017, 385, 390. 90  91 

B.  Anwendungsbereich der Privilegierungen

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vor Ungleichbehandlungen geschützt.97 Eine solche Ungleichbehandlung liegt bei den Kronzeugen eindeutig vor. Auch die Kartellanten, die nur eine Buß­geld­ reduzierung erhalten haben, werden in den Verwaltungsmitteilungen, der Litera­ tur und der Rechtsprechung der Gruppe der Kronzeugen zugeordnet.98 Anders als Kartellanten, die einen Bußgelderlass erhalten haben, erfahren sie aber keine zivilrechtlichen Vorteile und werden damit signifikant anders behandelt. Allerdings ist eine Erweiterung des Kronzeugenbegriffs wegen Verstoßes ge­ gen den Gleichbehandlungsgrundsatz nur dann vorzunehmen, wenn die Un­ gleichbehandlung auch rechtswidrig ist.99 Die Rechtswidrigkeit ist hier aber auf­ grund ausreichender Differenzierungsgründe zu verneinen.100 So fordern die beson­dere Rolle des ersten Kronzeugen und die Schutzbedürftigkeit der Geschä­ digten eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Kronzeugentypen. Eine haftungsrechtliche Begünstigung kann nur dem ersten Kronzeugen gewährt wer­ den, was der Richtliniengeber auch in Erwägungsgrund Nr.  38 SE-RL unter Be­ zugnahme auf die besondere Rolle bei der Zusammenarbeit hinreichend darge­ legt hat.101 Schließlich soll die Privilegierung mittelbar für eine Steigerung der Durchsetzungskraft des Public Enforcement sorgen.102 Erreicht werden soll dies durch eine frühere und intensivere Kooperation der Kartellanten mit den Wettbe­ werbsbehörden. Hierbei ist für die Behörden von besonderer Relevanz, dass durch die Zusammenarbeit bislang verdeckte Kartelle offengelegt werden.103 Dies bewirkt allein das Handeln des ersten Kronzeugen.104 Zwar begrüßen die Behörden auch den Entschluss weiterer Kartellanten, mit ihnen zusammenzuar­ beiten, und honorieren den durch sie erlangten Mehrwert für die Kartellverfol­ gung mit einer Bußgeldermäßigung.105 Allerdings stellen diese Beiträge für die 97 Calliess/Ruffert/Rossi

Art.  20 GRCh Rn.  4 f. Zu den Verwaltungsmitteilungen siehe oben S.  30 ff. 99  Vgl. EuGH v. 12.12.2002, Rs. C-442/00, ECLI:EU:C:2002:752, Tz.  34 – Caballero. 100 Ausreichende Differenzierungsgründe führen zu einer objektiven Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, siehe EuGH v. 16.12.2004, Rs. C-520/03, ECLI:EU:C:2004:826, Tz.  34, 36 – Valero; EuGH v. 30.3.2006, verb. Rs. C-87/03 u. C-100/03, ECLI:EU:C:2006:207, Tz.  48 – Spanien/Kommission; EuGH v. 7.9.2006, Rs. C-81/05, ECLI:EU:C:2006:529, Tz.  37 – Alonso; Jarass Art.  20 GRCh Rn.  12; Calliess/Ruffert/Rossi Art.  20 GRCh Rn.  19; Streinz/Streinz Art.  20 GRCh Rn.  9. 101  Eine Darlegung objektiver Unterschiede von einigem Gewicht wird allgemein als aus­ reichend betrachtet, EuGH v. 15.1.1985, Rs. 250/83, ECLI:EU:C:1985:7, Tz.  8 – Finsider; EuGH v. 26.9.2002, Rs. C-351/98, ECLI:EU:C:2002:530, Tz.  57 – Spanien/Kommission; EuGH v. 22.5.2003, Rs. C- 462/99, ECLI:EU:C:2003:297, Tz.  115 – Connect Austria. 102  Vgl. Erw.Gr. 26, 38 SE-RL. 103  Siehe dazu Hölzel Kronzeugenregelungen, S.  40. 104  Vgl. Erw.Gr. 38 SE-RL. Ebenso Kersting VersR 2017, 581, 590. 105  Bundeskartellamt Bekanntmachung Nr.  9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung – v. 7.3.2006, Rn.  5. Vgl. hierzu auch Krüger 98 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Wettbewerbsbehörden nur eine Arbeitserleichterung dar und sind nicht wie die Kartellaufdeckung „unerlässlich“.106 Allein dem ersten Kronzeugen kommt bei der Kartellverfolgung eine Kernfunktion zu. Er beendet das Kartell und trägt dadurch auch zur Minderung des entstehenden Schadens bei.107 Dieser Bedeutungsunterschied der verschiede­ nen Beiträge führt dazu, dass – wenngleich sich durch ihre Zusammenarbeit alle Kronzeugen zur Zielscheibe der Schadensersatzprozesse machen108 – nur der erste Kooperationswillige hinreichend schutzwürdig ist, um die Geschädigten­ rechte teilweise zu beeinträchtigen. Insbesondere ist zu berücksichtigen, dass eine Ausweitung der Haftungsprivilegierung auf die restlichen Kronzeugen zu­ gleich nicht nur eine generelle Verkomplizierung des Private Enforcement, son­ dern auch eine weitere Belastung der Geschädigten bedeutet.109 Mit steigender Anzahl an Kronzeugen in einem Kartell sinkt die Anzahl möglicher Schuldner, auf die die Geschädigten ohne Einschränkungen zugreifen können. Dies beein­ trächtigt und erschwert ihren Rechtsschutz.110 Beschränkt man die Anwendbarkeit der Privilegierung dagegen auf den ersten Kronzeugen, wird ein angemessener Ausgleich zwischen effektivem Rechts­ schutz der Kartellopfer und der Attraktivitätssteigerung der Kronzeugenpro­ gramme geschaffen. Die Privilegierungsbedürftigkeit der Kronzeugen besteht eben nur insoweit, wie es der effektive Ablauf des Kronzeugensystems erfordert. Da zur Förderung der Ermittlungsarbeit der Behörden gerade nur die Privilegie­ rung des aufdeckenden Kronzeugen erforderlich ist, darf über diese Erforderlich­ keit hinaus nicht in die Rechte der Geschädigten eingegriffen werden,111 zumal die weiteren Kronzeugen regelmäßig nicht mehr dazu beitragen, dass die Ge­ schädigten überhaupt ihre Rechte durchsetzen können. Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine Ausweitung des Kronzeugenbegriffs die Missbrauchsgefahr des Kronzeugenantrags erhöhen würde.112 Zwar wird ein Kronzeugenantrag in aller Regel sowieso nicht aus Reue Kartellregress, S.  316; Milde Schutz des Kronzeugen, S.  252; Kersting Weißbuch, S.  2 f.; ders. ZWeR 2008, 252, 265. 106  Krüger NZKart 2013, 483, 486. Auch KölnerKomm/Krohs §  33 GWB Rn.  298. 107  Erw.Gr. 38 SE-RL. 108  Milde Schutz des Kronzeugen, S.  253. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit der Anfech­ tung des Bußgeldbeschlusses beim zweiten Kronzeugen höher, wenn dieser auf einen Buß-­ geld­erlass hofft. 109  Reichert/Walther GPR 2015, 120, 124. 110  Calisti/Haasbeek/Kubik NZKart 2014, 466, 472. Vgl. auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  28. 111 Siehe Dworschak/Maritzen WuW 2013, 829, 842 f.; Krüger NZKart 2013, 483, 486. 112 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  28; Krüger NZKart 2013, 483, 486. Siehe auch KölnerKomm/Krohs §  33 GWB Rn.  298.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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oder Nächstenliebe gestellt,113 allerdings wird dem zweiten und dritten Kronzeu­ gen die einer Kartellaufdeckung immanente Risikoabwägung erspart. Während der erste Kronzeuge genau abwägen muss, ob sich eine Aufdeckung des Kartells lohnt, muss bereits der zweite Kronzeuge, sollten nicht nur wenige Minuten zwi­ schen den Anträgen liegen, diese Überlegungen nicht mehr anstellen. Würde auch der zweite Antrag zivilrechtlich privilegiert, dann würde es sich verstärkt lohnen, ersteinmal abzuwarten, da das Risiko, das ein schnellerer Mitkartellant mit sich bringt, geringer wäre.

C.  Haftung im Außenverhältnis I.  Entstehung der Regelung Um den Kronzeugen vor übermäßigen Schadensersatzansprüchen der Geschä­ digten zu schützen, hat die Kommission bereits in ihrem Grünbuch eine Be­ schränkung der Kronzeugenhaftung angedacht. Der damalige Vorschlag lautete, den Kronzeugen im Außenverhältnis von der gesamtschuldnerischen Haftung zu entbinden und dadurch sein Schadensersatzrisiko stark zu begrenzen.114 Die teil­ weise ablehnende Haltung der Literatur115 ließ die Kommission zwar nicht von diesem Vorschlag abrücken. Allerdings schlug sie im Weißbuch vor, den Kron­ zeugen immerhin für die Schadensersatzansprüche seiner direkten und indirek­ ten Vertragspartner gesamtschuldnerisch haften zu lassen.116 Dieser Kompromiss hat unter Hinzufügung einer Ausfallhaftung auch Einzug in die Richtlinie gefun­ den.117 Entsprechend haftet der Kronzeuge im Außenverhältnis gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB grundsätzlich nur gegenüber den Mitgliedern seiner eigenen Abnehmer- und Lieferkette. Anderen Geschädigten ist er gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB lediglich im Falle des Ausfalls seiner Mitkartellanten schadensersatz­ pflichtig.

Böni EWS 2014, 324, 329 f.; Krüger NZKart 2013, 483, 486; Voet van Vormizeele wist­ ra 2006, 292, 293. 114  Option 30: „Entbindung des Kronzeugen von der gesamtschuldnerischen Haftung, und somit Begrenzung seines Schadensersatzrisikos“, Grünbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  11. 115  Böge in: Basedow, Private Enforcement, S.  217, 223. 116 Weißbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EG-Wettbewerbsrechts“ v. 2.4.2008, KOM(2008) 165 endgültig, S.  12. 117 Vgl. Dawirs Kronzeugenerklärungen, S.  327; Krüger NZKart 2013, 483, 486. Als Reak­ tion auf die Kritik sieht auch Fiedler die Einführung der Ausfallhaftung an, in: BB 2013, 2179, 2185. 113 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

II.  Haftung gegenüber eigenen Abnehmern und Lieferanten 1.  Mittelweg zwischen Haftung und Haftungsbefreiung Seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle ist die gesamtschuldnerische Haftung des Kronzeugen im Außenverhältnis gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB teilweise ausge­ schlossen. Entsprechend der Vorgabe in Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  a SE-RL haftet der Kronzeuge in Angebots- wie Nachfragekartellen gesamtschuldnerisch grund­ sätzlich nur noch gegenüber direkten oder indirekten Geschäftspartnern. Aus der Sicht eines Geschädigten, der direkter oder indirekter Geschäftspartner des Kronzeugen ist, tritt durch die Neuregelung keine Änderung ein.118 Es bleibt bei der alten Rechtslage. Er kann sich weiterhin an alle Kartellanten halten, der Kronzeuge ist ihm gegenüber weiterhin passivlegitimiert.119 Aus der Sicht eines Geschädigten, der in keinen Geschäftsbeziehung mit dem Kronzeugen steht, fällt hingegen grundsätzlich ein Schuldner weg.120 Die Privilegierung beschreitet einen Mittelweg zwischen der uneingeschränk­ ten Haftung und der vollständigen Haftungsbefreiung des Kronzeugen. Beides wurde in der Literatur für das Außenverhältnis gefordert.121 Während die Befür­ worter der Haftungsbefreiung dem Kronzeugenschutz einen besonders hohen Stellenwert zuweisen, verlangen die Befürworter der vollen Haftung einen star­ ken Schutz der Geschädigten.122 Der Richtliniengeber hat mit seiner Vorgabe versucht, einen Ausgleich zwischen dem Interesse des Staates an einer wirksa­ men Kartellrechtsdurchsetzung und dem Interesse der Geschädigten an einer vollen Schadenskompensation zu finden, und dabei mit §  33e Abs.  1 GWB als Ausnahme von der gesamtschuldnerischen Haftung ein kartellrechtliches No­ vum geschaffen.123

Lettl WM 2016, 1961, 1964. Lettl WM 2016, 1961, 1964. Vgl. ferner zur Passivlegitimation Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  7. 120  Vgl. zum Weißbuchvorschlag Krüger Kartellregress, S.  314. 121  Für eine vollständige Haftung: Alexander Schadensersatz, S.  727; Dreher FS Möschel, S.  149, 167; Wils WC (32) 2009, 3, 25. Für einen vollständigen Haftungsausschluss: Weidenbach/Saller BB 2008, 1020, 1025. 122  Auch nach dem Erlass der Richtlinie wird eine Privilegierung des Kronzeugen im Au­ ßenverhältnis z.T. noch als „rechtspolitisch verfehlt“ angesehen, siehe Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7, die ihre Auffassung damit begründen, dass der „Täter auf Kosten der Opfer be­ günstigt“ werde. Ebenso Dose VuR 2017, 297, 301. 123  Klumpe/Thiede NZKart 2017, 332, 335. 118  119 

C.  Haftung im Außenverhältnis

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2.  Beachtlichkeit von Vertragsbeziehungen im Deliktsrecht a.  Systemwidrigkeit der Beschränkung Mit der Unterscheidung zwischen Vertragspartnern und Nichtvertragspartnern stellt die Neuregelung einen „Fremdkörper“ im deliktischen Haftungssystem dar.124 Die Vertragsbeziehungen allein sind ausschlaggebend dafür, ob die ge­ samtschuldnerische Haftung gemäß §  33d Abs.  1 GWB i. V. m. §§  830, 840 Abs.  1 BGB eingreift. Sie nehmen damit unmittelbar Einfluss auf das Deliktsrecht. Diese Einflussnahme des Vertragsrechts auf die deliktische Haftung wird in der Literatur äußert kritisch betrachtet. Schließlich ist Ausgangspunkt der ge­ samtschuldnerischen Haftung die Bildung des Kartells.125 Die Kartellanten haf­ ten, weil sie eine kartellrechtswidrige Vereinbarung geschlossen haben.126 Ur­ sächlich ist damit ausschließlich die deliktische Handlung und nicht der spätere Abschluss der konkreten Verträge über die kartellbefangene Ware oder Dienst­ leistung,127 auf die es bei der vertraglichen Schadensersatzhaftung der Kartellan­ ten ankommt. Die grundsätzliche Trennung der beiden Bereiche wird nun durch die Begrenzung der gesamtschuldnerischen Haftung des Kronzeugen auf seine Abnehmer und Lieferanten aufgeweicht.128 Allerdings kann die Differenzierung nach Geschädigtengruppen nicht als eine Aufteilung der Verantwortlichkeit der Kartellanten auf verschiedene Stufen ver­ standen werden.129 Dies würde außer Acht lassen, dass die Haftungsbegrenzung auf die Abnehmer und Lieferanten des Kronzeugen nicht den allgemeinen An­ knüpfungspunkt der gesamtschuldnerischen Haftung im Kartelldeliktsrecht ver­ ändert. Die Gründe für die gesamtschuldnerische Haftung in §  33d Abs.  1 GWB i. V. m. §§  830, 840 Abs.  1 BGB bleiben unberührt. Die Vertragsbeziehungen werden erst auf der zweiten Ebene bei der Reichweite des Haftungsausschlusses des Kronzeugen maßgeblich. Der Haftungsausschluss selbst findet seine Begrün­ dung gerade nicht im Verhalten des Kronzeugen bei der Bildung des Kartells. 124  Steinle EuZW 2014, 481, 482. Sowohl Deutschland als auch den weiteren EU-Mitglied­ staaten war ein derartiges materiell-rechtliches Haftungsprivileg des Kronzeugen bislang fremd, siehe Krüger NZKart 2013, 483, 484. Kersting sieht die Vermischung von Elementen des Delikts- und Vertragsrechts schon im Weißbuchvorschlag der Kommission als dogmatisch bedenklich an, in: Weißbuch, S.  2 sowie ZWeR 2008, 252, 265. 125  Krüger Kartellregress, S.  315; Meeßen Schadensersatz, S.  554 f., 602; Milde Schutz des Kronzeugen, S.  251. 126  Siehe oben S.  51 f. 127  Diesen Anknüpfungspunkt hat auch der BGH verdeutlicht, siehe BGHZ 190, 145 = NJW 2012, 928, Tz.  80 – ORWI. Ebenso Meeßen Schadensersatz, S.  554. 128  Hösch Innenausgleich, S.  378; Krüger Kartellregress, S.  315; Dreher FS Möschel, S.  149, 165; Kersting ZWeR 2008, 252, 265. 129  So aber Meeßen Schadensersatz, S.  555.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Sein Anknüpfungspunkt ist vielmehr das Verhalten, das zur Beendigung des Kar­ tells geführt hat. Allein aufgrund der dabei stattfindenden Kooperation mit den Wettbewerbsbehörden soll der Kronzeuge privilegiert werden. Zudem begrenzt die gesetzliche Lösung in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB seine Privi­ legierung genau da, wo sie sich nicht mehr vorrangig zugunsten des Kronzeugen auswirkt, sondern die Geschädigten übermäßig belastet: Eine übermäßige Belas­ tung wäre dann gegeben, wenn den Geschädigten ihr eigener Vertragspartner als potentieller Beklagter genommen wird.130 Eine bloß subsidiäre Haftung des Kronzeugen gegenüber allen Geschädigten trifft seine Abnehmer und Lieferan­ ten besonders stark.131 Grund hierfür ist einerseits, dass es sich beim Vertrags­ partner um den ersten Ansprechpartner der Geschädigten handelt.132 Wird ein Kartellverstoß aufgedeckt, wenden sich die Geschädigten in der Regel zuerst an ihren Geschäftspartner. Dieser ist ihnen im Gegensatz zu den meisten Mitschädi­ gern bekannt, weshalb sich Nachforschungen über die Identität weiterer Kartell­ mitglieder erübrigen.133 Andererseits verfügen die Geschädigten gegenüber ihren Vertragspartnern – gerade in Bezug auf deren Finanzkraft und das vorangegan­ gene Kartellgeschehen – grundsätzlich über deutlich mehr Informationen und Beweise als gegenüber den restlichen Schädigern.134 Dies ist für sie insbesonde­ re dann wichtig, wenn es um die gerichtliche Durchsetzung ihrer Ansprüche geht. So hängt der Erfolg eines Schadensersatzbegehrens in erster Linie von der Beweislage ab. Damit ein Kartellopfer gegenüber einem fremden Beklagten die notwendigen Beweise vorbringen kann, muss es wegen des stärkeren Informati­ onsgefälles deutlich größere Anstrengungen unternehmen als beim eigenen Ge­ schäftspartner.135 Da eine Schwächung der Geschädigtenstellung aber weder mit dem Effektivi­ tätsgrundsatz zu vereinbaren ist noch im Einklang mit dem Ziel steht, durch er­ folgreiche Schadensersatzklagen eine Stärkung der kartellrechtlichen Durchset­ zungskraft herbeizuführen, muss die gesamtschuldnerische Haftung des Kron­ zeugen gegenüber seinen Abnehmern und Lieferanten weiterbestehen. Die Differenzierung hinsichtlich der Vertragspartnereigenschaft soll also nicht das System der deliktischen Haftung verändern, sondern verhindern, dass die Ge­ schädigten den Beklagten verlieren, mit dem sie rechnen und planen.136 Keiner Fiedler BB 2013, 2179, 2185. wohl auch der Grundgedanke bei Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  31. 132  Rust NZKart 2015, 502, 506. 133 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  31. 134  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  31. 135 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  31. 136 Vgl. umgekehrt zur Planungssicherheit der Unternehmen Krüger NZKart 2013, 483, 130 Vgl. 131  So

C.  Haftung im Außenverhältnis

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der Geschädigten soll sich mit einem Beklagten begnügen müssen, gegen den die Rechtsdurchsetzung aller Wahrscheinlichkeit nach weniger aussichtsreich ist. b.  Alternative Anknüpfung an Marktanteile Anstelle einer Anknüpfung an die Vertragsbeziehungen könnte eine Beschrän­ kung der Außenhaftung nach dem Marktanteil des Kronzeugen vorgenommen werden.137 Dies führt indes nicht – wie teilweise angenommen138 – haftungs­ rechtlich zum gleichen Ergebnis wie eine Haftung nur gegenüber den Vertrags­ partnern. Denn wie noch aufzuzeigen ist, haftet der Kronzeuge gegenüber seinen Vertragspartnern für deren gesamten aus dem Kartellverstoß entstandenen Scha­ den und nicht nur anteilig in Bezug auf die einzelnen von ihm bezogenen kartell­ befangenen Waren und Dienstleistungen.139 Damit kann der Schaden, für den der Kronzeuge gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB im Außenverhältnis einzustehen hat, den Schadensteil, den er prozentual anhand seiner Marktanteile tragen müsste, deutlich übersteigen. Schließlich ist denkbar, dass nahezu alle Kartellgeschädig­ ten nur wenige Produkte mit dem Kronzeugen ausgetauscht haben und der Kron­ zeuge gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB für all ihre Schäden gesamtschuldnerisch haftet. Insofern könnte eine gesetzliche Neuregelung, welche die Haftungsbe­ schränkung des Kronzeugen an seine Marktanteile anknüpft, für ihn sogar zu einer weitergehenden Privilegierung führen und eine Ungleichbehandlung von Kronzeugen mit wenigen und vielen Geschäftspartnern verhindern. Des Weiteren könnte auf diese Weise erreicht werden, dass auch eine Gleich­ behandlung der einzelnen Geschädigtengruppen erfolgt, da keine per se von ei­ nem direkten zivilrechtlichen Vorgehen gegen den Kronzeugen ausgeschlossen wird. Immerhin würde der Kronzeuge dann – wenn auch nur in Höhe seiner Marktanteile – wenigstens teilweise gegenüber jeder Geschädigtengruppe haf­ ten, wodurch die vielfach kritisierte Verknüpfung zwischen Vertrags- und De­ liktsrecht beseitigt würde.

485; Krüger Kartellregress, S.  320. A.A. Dose VuR 2017, 297, 301, der darauf abstellen will, dass der Geschädigte beim Vertragsschluss nicht erahnt, ob der Vertragspartner ein Kartellteil­ nehmer ist, und dabei verkennt, dass dem Geschädigten auch dann mehr Informationen über seinen Geschäftspartner vorliegen, wenn er von dessen Kartellteilnahme erst im Nachhinein erfährt. 137  So der Vorschlag der Kommission in Option 30 des Grünbuchs „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  11. 138  Kersting Weißbuch, S.  2, geht davon aus, dass eine Beschränkung der Haftung auf die Vertragspartner im „Grunde […] eine Beschränkung der Haftung des Kronzeugen in Relation zu dessen Marktanteil“ ist. 139  Siehe unten S.  131 ff.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Unabhängig davon, welche konkrete Ausgestaltung man hinsichtlich einer solchen Haftungsbeschränkung wählt, führt eine Anknüpfung an die Marktantei­ le allerdings insgesamt nicht zu einem sachgerechteren Ergebnis: Begrenzt man die Außenhaftung des Kronzeugen gegenüber jedem einzelnen Geschädigten prozentual anhand seiner Marktanteile, dann könnte jeder Geschädigte – gleich welcher Geschädigtengruppe – nur in Höhe dieses Prozentsatzes den Ausgleich seines Kartellschadens vom Kronzeugen verlangen.140 Jeder Geschädigte müsste dann, im Falle einer Klage gegen den Kronzeugen, mindestens ein weiteres Kar­ tellmitglied in Anspruch nehmen, um seinen Schaden vollständig zu kompensie­ ren. Dies stellt eine deutliche Mehrbelastung dar und könnte in der Praxis dazu führen, dass die Geschädigten, da sie ohnehin ein zweites Verfahren anstrengen müssten, von einer Klage gegen den Kronzeugen absehen.141 Die Kronzeugen würden dadurch zulasten der Geschädigten faktisch stärker privilegiert als von §  33e GWB vorgesehen. Wenngleich die bloße Möglichkeit der direkten Klage gegen den Kronzeugen für dessen Nichtabnehmer und -lieferanten zwar als Besserstellung im Vergleich zur derzeitigen Regelung in §  33e Abs.  1 GWB gesehen werden kann, bedeutet der erhöhte Aufwand bei der Geltendmachung des vollen Schadensersatzes für dessen Abnehmer und Lieferanten eine deutliche Schlechterstellung. Durch eine Anküpfung an die Marktanteile würde ihnen zumindest teilweise der bessere Beklagte genommen, denn im Hinblick auf den unkompensierten Schadensrest müssen sie u. U. gegen einen fremden Kartellanten vorgehen.142 Eine derartige Erschwerung der Schadenskompensation für eine Geschädigtengruppe soll durch die Kronzeugenprivilegierung jedoch gerade nicht eintreten. Des Weiteren würde auch eine Begrenzung der Gesamthaftungssumme des Kronzeugen in der Form, dass er solange im Außenverhältnis für die eingefor­ derten Schäden haften müsste, bis seine Haftungssumme den prozentualen An­ teil seiner Marktanteile am gesamten Kartellschaden erreicht hätte,143 nicht zu einer angemesseneren Abstimmung zwischen Geschädigten- und Kronzeugenin­ teressen führen. So spricht gegen diese Variante der Ausgestaltung nicht nur, dass sie einen Wettlauf der Geschädigten provoziert und bereits im ersten Gerichts­ verfahren der oft kaum absehbare Gesamtschaden des Kartells ermittelt werden muss,144 sondern auch, dass sie ebenfalls eine übermäßige Schlechterstellung der Geschäftspartner des Kronzeugen durch die Haftungsprivilegierung nicht ver­ Meeßen Schadensersatz, S.  556. Krüger Kartellregress, S.  309. 142  Siehe oben S.  128 f. 143  Meeßen Schadensersatz, S.  556. 144  Alexander Schadensersatz, S.  422; Meeßen Schadensersatz, S.  556 f. („Windhundrennen der Kartellopfer“). 140 

141 Vgl.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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hindert. Gelingt es diesen nicht, frühzeitig erfolgreich Schadensersatz vom Kronzeugen einzufordern, ist dessen Haftungskontingent erreicht und ihre besse­ re Informations- und Beweislage wertlos. Zudem führt eine Anknüpfung an die Marktanteile im Gegensatz zur Anküp­ fung an die Vertragspartnereigenschaft für alle Geschädigtengruppen zu Rechts­ unsicherheit und einem erhöhten Prozessrisiko.145 Bei einer gesetzlichen Rege­ lung wie §  33e Abs.  1 GWB ist es einem Geschädigten – z.B. durch eigene Re­ cherche oder Nachfrage bei den eigenen unmittelbaren Abnehmern und Lieferanten – möglich, festzustellen, ob eine direkte oder indirekte Vetragsbezie­ hung zum Kronzeugen besteht. Bei einer Anküpfung an die Marktanteile gestaltet sich die Ermittlung, ob und wenn ja, in welcher Höhe Ersatzansprüche gegen den Kronzeugen bestehen, hingegen deutlich schwieriger. Zwar lassen sich die Marktanteile, legt man den Berechnungszeitraum fest, einigermaßen leicht ermit­ teln.146 Den Geschädigten wird es vor einem Verfahren aber regelmäßig nur ge­ lingen, einen Prozentbereich und keinen konkreten Wert vorauszusagen. Zudem können sie zu Beginn eines Schadensersatzprozesses kaum abschätzen, wie viel Haftungssumme des Kronzeugen bei Prozessbeendigung noch verblieben ist. Der Effektivitätsgrundsatz und der Bedarf an Rechtssicherheit stehen einer Anknüpfung der Außenhaftung des Kronzeugen an seine Marktanteile somit ent­ gegen. Gleiches gilt für eine Anküpfung der Außenhaftung an andere Wirt­ schaftsgrößen wie den Umsatz oder den kartellbedingten Mehrerlös: Auch ihre Ermittlung gestaltet sich für die Geschädigten deutlich schwieriger als die ihrer Lieferbeziehungen und sorgt für Unsicherheit, ob ihre Klage gegen den Kron­ zeugen erfolgreich wäre. Zudem müssen auch bei einer Außenhaftung anhand der Umsatzwerte oder Mehrerlöse der Kartellanten diejenigen Geschädigten zu­ mindest teilweise auf ihre Anspruchsdurchsetzung gegenüber dem Kronzeugen verzichten, die mit ihm in Geschäftsbeziehungen stehen. Den Kartellopfern wür­ de hierdurch in jedem Fall die Rechtsdurchsetzung übermäßig erschwert. 3.  Bestimmung der Abnehmer- und Lieferkette a.  Unmittelbare Abnehmer und Lieferanten Die Feststellung, wer unmittelbarer Abnehmer oder Lieferant des Kronzeugen ist, ist auf den ersten Blick unproblematisch. Abnehmer oder Lieferant ist grund­ sätzlich, wer als Vertragspartner mit dem Kronzeugen Waren oder Dienstleistun­ gen austauscht.

Krüger Kartellregress, S.  311. Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  405.

145 Vgl. 146 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

aa.  Anknüpfungspunkt der Vertragspartnereigenschaft Allerdings fehlt in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB wie in Art.  11 Abs.  4 S.  1 SE-RL ein Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Vertragspartnereigenschaft. Ob ein Geschädigter direkter Vertragspartner des Kronzeugen ist, hängt davon ab, in welchem Verhältnis die Eigenschaft als Vertragspartner bestimmt wird. Einerseits kann die Einordnung als Vertragspartner bezogen auf sämtliche ­ausgetauschte, von diesem Kartell befangene147 Waren oder Dienstleistungen er­ folgen.148 Bei dieser absoluten Begriffsbestimmung werden sämtliche Geschäfts­ beziehungen des Kronzeugen bezüglich dieser Produkte mit in die Analyse ein­ bezogen und daraufhin überprüft, ob der betreffende Geschädigte als Geschäfts­ partner dazugehört. Die Vertragspartnereigenschaft gilt dann einheitlich für alle den Kartellverstoß betreffenden Austauschverhältnisse.149 Andererseits kann die Einordnung als Vertragspartner auch relativ, bezogen auf jede einzelne angebotene oder nachgefragte kartellbefangene Ware oder Dienstleistung, bestimmt werden.150 Die einzelne Ware oder Dienstleistung wird dann hinsichtlich ihrer Austauschbeziehungen isoliert betrachtet und für diese konkrete Geschäftsbeziehung der Vertragspartnerstatus ermittelt.151 Der Status als Abnehmer oder Lieferant wechselt folglich je nach infrage stehendem Pro­ dukt, weshalb die Haftung des Kronzeugen gegenüber seinen unmittelbaren Ab­ nehmern und Lieferanten auf diejenigen Produkte beschränkt wäre, die tatsäch­ lich aus ihrer Geschäftsbeziehung mit dem Kronzeugen stammen.152 Je nach Anknüpfungspunkt wäre die Haftungsprivilegierung des Kronzeugen stärker oder schwächer ausgeprägt. Zum gleichen Ergebnis kommen beide An­ knüpfungen nur, wenn das Kartellopfer ausschließlich mit dem Kronzeugen kar­ tellbefangene Waren oder Dienstleistungen ausgetauscht hat. Stand es dagegen auch mit anderen Kartellanten in Austauschbeziehungen bezüglich der Kartell­ produkte, hat die Auslegungsfrage großen Einfluss auf die Reichweite der Au­ ßenhaftung des Kronzeugen.153 Schließlich entscheidet das Ergebnis darüber, ob 147  Lieferbeziehungen hinsichtlich Waren oder Dienstleistungen des Kronzeugen, die nicht der Kartellabrede unterfallen, führen hingegen zu keiner Abnehmer- bzw. Lieferantenstellung i. S. d. §  33e GWB, siehe Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  7. 148  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  7; Hösch Innenausgleich, S.  377; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8; Kersting VersR 2017, 581, 590. 149 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  38; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 150  Krüger NZKart 2013, 483, 484 f. Vgl. ferner Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8; dies. Kartellschadensersatzrichtlinie, S.  83; Kersting VersR 2017, 581, 590. 151 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 152 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  39. 153  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  416.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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Kronzeugen auch für Schäden haften sollen, die durch anderweitig erworbene Produkte entstanden sind.154 Zwar enthält §  33e GWB selbst keine Definition des Abnehmer- bzw. Liefe­ rantenbegriffs, jedoch kann für seine Auslegung Art.  2 Nr.  23 SE-RL herangezo­ gen werden. Diesem zufolge ist unmittelbarer Abnehmer eine natürliche oder juristische Person, die Waren oder Dienstleistungen, die Gegenstand einer Zuwi­ derhandlung gegen das Wettbewerbsrecht waren, unmittelbar von einem Rechts­ verletzer erworben hat. Die Schadensersatzrichtlinie verbindet den Abnehmerbe­ griff folglich nicht mit der konkreten Ware.155 Andernfalls hätte die Definition lauten müssen, dass unmittelbarer Abnehmer eine natürliche oder juristische Person ist, die die betreffende Ware oder Dienstleistung, die Gegenstand der Zu­ widerhandlung gegen das Wettbewerbsrecht war, unmittelbar von einem Rechts­ verletzer erworben hat. Auch aus der englischen Version von Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  a SE-RL ergibt sich nichts anderes: „By way of derogation from paragraph 1, Member States shall ensure that an immunity reci­ pient is jointly and severally liable as follows: (a) to its direct or indirect purchasers or providers; […].“

Nach dieser weiten Formulierung wird die Einordnung als Vertragspartner ein­ malig für die gesamten, das Kartellprodukt betreffenden Lieferbeziehungen vor­ genommen.156 Für dieses Auslegungsergebnis spricht auch der Zweck der Regelung: §  33e Abs.  1 GWB soll in seiner Gesamtschau einen angemessenen Ausgleich zwi­ schen dem Geschädigtenschutz und der Kronzeugenfreistellung bewirken. Eige­ ne Abnehmer und Lieferanten des Kronzeugen hat der Richtliniengeber dabei zu Recht als besonders schutzwürdig angesehen. Diese Schutzbedürftigkeit hängt gerade nicht von der konkreten Zahl der ausgetauschten Waren oder Dienstleis­ tungen ab, sondern findet ihren Ursprung in den Vorteilen, die sich für den Ge­ schädigten aus den Vertragsbeziehungen für die Rechtsverfolgung ergeben.157 Dass Geschädigte neben dem Kronzeugen weitere Vertragspartner haben, denen gegenüber die Durchsetzung ihres Schadensersatzbegehrens ebenfalls erleichtert wird, kann ersteren nicht zum Nachteil reichen. Der Geschädigtenschutz über­ wiegt insofern die Förderungsbedürftigkeit der Kronzeugenprogramme mit der Folge, dass die Geschäftspartnerschaft einheitlich und nicht für die einzelne Ware oder Dienstleistung bestimmt wird.

154 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  38. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 156  So auch Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8; Kersting VersR 2017, 581, 590. 157  Siehe oben S.  128 f. 155 Vgl.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

bb.  Teleologische Reduktion Allerdings könnte das Argument des Geschädigtenschutzes dann an Gewicht verlieren, wenn der Geschädigte nur eine der vielen kartellbefangenen Waren oder Dienstleistungen vom Kronzeugen bezogen hat und die Rechtsdurchset­ zung gegenüber dem Kronzeugen aufgrund dieser Lieferbeziehung nur unwe­ sentlich erleichtert ist.158 Zwar ergeben sich aus dem Wortlaut der Norm keine dahingehenden Einschränkungen, so dass die Begriffe ihrem Wortsinn entspre­ chend weit zu verstehen sind und bereits ein einmalig abgeschlossener Vertrag für eine Vertragsbeziehung ausreicht.159 Jedoch könnte bei einer zweckorientier­ ten Auslegung der Norm eine dahingehende Korrektur des Wortlauts erforderlich sein, dass die einmalige Abnahme oder Lieferung für die Vertragspartnereigen­ schaft nicht ausreicht.160 Der Wortlaut würde dann bis auf seinen tragenden Zweck reduziert.161 Zweck des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB ist es, den Kronzeugen soweit von seiner Außenhaftung zu befreien, wie die Geschädigten im Erfolg ihrer Schadenskom­ pensation dadurch nicht merklich beeinträchtigt sind. In der Tat haben Abnehmer und Lieferanten einer einzigen Ware oder Dienstleistung regelmäßig nicht so viele Informationen über ihren Vertragspartner gesammelt wie Abnehmer und Lieferanten vieler Waren und Dienstleistungen. Jedoch ist auch ein kleiner Infor­ mations- oder Beweispool durchaus hilfreich oder gar entscheidend für die er­ folgreiche Durchsetzung der Ansprüche. Zudem gilt für einen einmaligen Ab­ nehmer oder Lieferanten ebenso, dass ihm der Vertragspartner bekannt ist und er mit ihm als potentiellem Beklagten rechnet. Es lässt sich daher keine an der Zahl der Verträge orientierte Grenze ziehen, ab welcher der Geschädigte bei einer Rechtsdurchsetzung gegen seinen Vertragspartner besser stünde als gegen die restlichen Kartellanten. Vielmehr ist grundsätzlich bei jedem eine gewisse Bes­ serstellung durch die bestehende(n) Lieferbeziehung(en) anzunehmen, wobei das Ausmaß der Besserstellung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Die Begrenzung einer Vertragspartnereigenschaft durch eine bestimmte Zahl an ge­ schlossenen Verträgen wäre daher willkürlich. Nach dem Normzweck kann auch ein einzelner Vertrag eine besondere Schutzbedürftigkeit begründen, weshalb eine teleologische Reduktion des Wortlauts abzulehnen ist.

insofern die Bedenken von Krüger NZKart 2013, 483, 484 sowie Kersting/Pod­ szun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  39. 159  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  7; Krüger NZKart 2013, 483, 484; ders. WuW 2017, 229, 231; Schwenke NZKart 2015, 383; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 160  Schwenke NZKart 2015, 383. 161  Brandenburg Teleologische Reduktion, S.  75. 158  Vgl.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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b.  Mittelbare Abnehmer und Lieferanten Die Schwierigkeiten der Bestimmung der Abnehmer und Lieferanten zeigen sich vor allem bei der Ermittlung der indirekten Vertragspartner. Oft lässt sich nicht nachweisen, ob ein Geschädigter hinsichtlich einer konkreten Ware mittelbarer Abnehmer oder Lieferant des Kronzeugen ist.162 Denn es kommt in der Praxis durchaus vor, dass ein Zwischenhändler von mehreren Kartellanten Waren bezo­ gen und diese an verschiedene Kunden weiterveräußert hat.163 Ob der Endkunde nun hinsichtlich dieser Waren mittelbarer Abnehmer des Kronzeugen oder eines anderen Kartellanten ist, lässt sich nicht ermitteln.164 Insofern wird auch die Be­ stimmung der mittelbaren Vertragspartnerschaft dadurch erleichtert, dass es für diese Eigenschaft nicht auf die konkrete Ware oder Dienstleistung ankommt. Wie bei der unmittelbaren Vertragspartnerschaft ist §  33e Abs.  1 S.  1 GWB richtlini­ enkonform dahingehend auszulegen, dass die Gesamtschau der Lieferungen ent­ scheidend ist. So bestimmt Art.  2 Nr.  24 SE-RL, dass ein mittelbarer Abnehmer eine natürliche oder juristische Person ist, die Waren oder Dienstleistungen nicht unmittelbar von einem Rechtsverletzer, sondern von einem unmittelbaren Ab­ nehmer oder einem nachfolgenden Abnehmer erworben hat. Maßgeblich ist da­ mit, ob der Geschädigte mit einem unmittelbaren Abnehmer oder Lieferanten des Kronzeugen in Geschäftsbeziehungen stand. Schließlich fordert die Richtlinie nur den grundsätzlichen Erwerb kartellbefangener Waren oder Dienstleistungen von einem Kronzeugenabnehmer. Da bei Kartellen mit stark verzweigten Abnehmer- und Lieferketten der Kron­ zeuge gegenüber den Abnehmern auf den nachgelagerten Stufen stets als deren Lieferant anzusehen ist, ist eine teleologische Beschränkung der Haftung auf dieser Ebene in Erwägung zu ziehen. Weil eine Beschränkung der Haftung auf die konkreten Lieferanteile aus denselben Gründen aber wie bei den unmittelba­ ren Abnehmern und Lieferanten abgelehnt werden muss, verbleibt nur eine Be­ schränkung der Haftung auf die Angehörigen der ersten und zweiten Stufe. Im­ merhin wird die Ermittlung der Geschäftspartnereigenschaft vor allem dann schwierig, wenn der Schaden auf die dritte oder vierte Stufe weitergereicht wur­ de. Jede weitere Verschränkung der Lieferbeziehungen erschwert die Nachver­ folgung der Geschäftsbeziehungen. Daher könnte es aus Vereinfachungsgründen angebracht sein, den Begriff des mittelbaren Abnehmers oder Lieferanten dahin­ Krüger Kartellregress, S.  315; Milde Schutz des Kronzeugen, S.  251; Kersting Weiß­ buch, S.  2; ders. ZWeR 2008, 252, 265; Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 632. 163  Kersting Weißbuch, S.  2; ders. ZWeR 2008, 252, 265; Milde Schutz des Kronzeugen, S.  251; Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 632. 164  Krüger Kartellregress, S.  315; Kersting Weißbuch, S.  2; ders. ZWeR 2008, 252, 265; Milde Schutz des Kronzeugen, S.  251. 162 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

gehend einzuschränken, dass nur Angehörige bis zur zweiten Stufe des Vertriebs erfasst sein sollten.165 Diese Vorgehensweise knüpft an die früher vertretene Auf­ fassung an, die Aktivlegitimation beim Schadensersatzanspruch derart einzu­ schränken, dass der Begriff der betroffenen Marktbeteiligten auf die nächste Ab­ satzstufe beschränkt ist.166 Jedoch ist ein derart enges Verständnis mit der Richtlinie unvereinbar. Nach der zwingenden Vorgabe in Art.  2 Nr.  24 SE-RL fallen unter den Begriff des mit­ telbaren Abnehmers auch deren Abnehmer. Damit sind die Angehörigen aller nachfolgenden Marktstufen als Abnehmer des Kronzeugen anzusehen – mit der Konsequenz, dass dieser ihnen voll gesamtschuldnerisch haftet.167 Dieses Er­ gebnis steht auch im Einklang mit den Richtlinienvorgaben zur Passing-ondefence.168 Nach Art.  13 SE-RL müssen die Mitgliedstaaten den Kartellanten die Möglichkeit geben, gegenüber dem Kläger einzuwenden, dass dieser den Scha­ den zumindest teilweise an seine Abnehmer weitergegeben hat und daher nicht mehr (in vollem Maße) geschädigt ist. Auf diese Weise soll der Schaden bei demjenigen kompensiert werden, der ihn letzten Endes erlitten hat.169 Könnte der Kronzeuge aber nun mithilfe des Einwands der Schadensabwälzung dafür sor­ gen, dass nur noch ein Geschädigter den Kartellschaden geltend machen kann, der aufgrund der restriktiven Anwendung nicht mehr unter den Begriff des mit­ telbaren Abnehmers fällt, würde der Zweck des Einwands in sein Gegenteil ver­ kehrt. Der Kronzeuge könnte mithilfe der Passing-on-defence die Schadens­ ersatz­ansprüche seiner Abnehmer i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  1 GWB abwehren und von denen, auf die der Schaden abgewälzt wurde, nicht in Anspruch genommen werden. Der Einwand würde dann nicht mehr der Verhinderung einer Überkom­ pensation von Geschädigten dienen,170 sondern böte dem Kronzeugen eine Gele­ genheit, seine Haftungsbefreiung weiter auszudehnen.

165 Vor Richtlinienerlass plädiert Schröter/Jakob/Klotz/Mederer/Schröter/van der Hout Art.  101 AEUV Rn.  261 für solch ein enges Verständnis des Begriffs. 166  Vgl. die Darstellung bei Dittrich GRUR 2009, 123, 126 ff. 167 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  703. Gleiches muss ent­ sprechend bei Nachfragekartellen für die vorgelagerten Marktstufen gelten. 168  Siehe dazu oben S.  20 ff. 169  Vgl. Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Jaeger Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  63; Wiede­ mann/Ollerdißen Kartellrecht, §  61 Rn.  80. 170  Siehe Loewenheim/Meeßen/Riesenkampff/Jaeger Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  63.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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c.  Rechtsnachfolge in die Stellung eines Abnehmers aa.  Differenzierung nach Art der Rechtsnachfolge Besondere Schwierigkeiten ergeben sich bei der Bestimmung der Abnehmer­ eigenschaft eines Geschädigten, wenn dieser seine Position nicht originär, son­ dern durch Rechtsnachfolge erlangt hat. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob nur der vormalige Rechtsinhaber, nur der Rechtsnachfolger oder gar beide als Abnehmer des Kronzeugen anzusehen sind. Zu differenzieren ist dabei nach der Art der Rechtsnachfolge. So kann der Geschädigte entweder mittels Universal­ suk­zes­sion in alle Rechte und Pflichten seines Rechtsvorgängers eingetreten sein oder im Wege der Einzelrechtsnachfolge nur die einzelne kartellbefangene Ware erworben haben. Ob die Rechtsnachfolge in die Stellung eines unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmers erfolgt, ist dabei angesichts der Gleichbehandlung beider Gruppen durch Gesetz und Richtlinie im Ergebnis unerheblich.171 bb. Gesamtrechtsnachfolge Bei einer Gesamtrechtsnachfolge tritt der übernehmende Rechtsträger in das ge­ samte Vermögen des übertragenden Rechtsträgers ein.172 Dieses geht bei Vorlie­ gen der jeweiligen Voraussetzungen in einem Akt auf den Rechtsnachfolger über.173 Für die Kronzeugenhaftung ist insbesondere die umwandlungsrechtliche Universalsukzession bei der Verschmelzung nach §  20 Abs.  1 Nr.  1 UmwG von praktischer Bedeutung.174 Werden gemäß §§  2 ff. UmwG zwei oder mehr Rechtsträger vereinigt, wird entweder das Vermögen der Rechtsträger auf einen bestehenden (§  2 Nr.  1 UmwG) oder auf einen neu gegründeten Rechtsträger (§  2 Nr.  2 UmwG) übertragen.175 War mindestens einer der erlöschenden Rechtsträ­ ger unmittelbarer oder mittelbarer Abnehmer des Kronzeugen, ist zu untersu­ chen, ob dieser Status auf den aufnehmenden bzw. neu gegründeten Rechtsträger übergeht und, wenn ja, ob dies dazu führt, dass der neue Rechtsträger sämtliche in ihm vereinte Kartellschäden direkt gegenüber dem Kronzeugen geltend ma­ chen kann. Da bei der Gesamtrechtsnachfolge die einzelnen übergehenden Rechte und Pflichten in ihrer Gestalt und in ihrem Charakter nicht verändert werden und der Rechtsnachfolger die gleiche Rechtsstellung wie sein Vorgänger erlangt,176 ist 171 

Siehe S.  125. Lieder Sukzession, S.  36; Schröcker Datenschutz, S.  39. 173  Claussen Gesamtnachfolge, S.  27 ff.; Lieder Sukzession, S.  36. 174 Siehe zur Gesamtrechtsnachfolge bei der Verschmelzung Henssler/Strohn/Heidinger Gesellschaftsrecht, §  2 UmwG Rn.  7 sowie Rieble ZIP 1997, 301. 175  Siehe nur Hahn Gesamtrechtsnachfolge, S.  21. 176  Lieder Sukzession, S.  755. 172 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

der Übergang des Abnehmerstatus zu bejahen. Allerdings könnte es zum Schutz des Kronzeugen angebracht sein, innerhalb des aufnehmenden bzw. neu gegrün­ deten Rechtsträgers eine Trennung der jeweiligen Vermögen zu fingieren und dadurch zu verhindern, dass der neue Rechtsträger als Abnehmer sämtliche Schadensersatzansprüche der verschmolzenen Unternehmen gegenüber dem pri­ vilegierten Kartellmitglied geltend machen kann. Schließlich kann eine Ver­ schmelzung mehrerer Kartellgeschädigter das Schadensersatzrisiko des Kron­ zeugen u. U. spürbar vergrößern. Gegen eine solche Fiktion spricht aber, dass bei einer Gesamtrechtsnachfolge grundsätzlich eine vollständige Zusammenführung der Vermögen stattfindet.177 Zudem fasst Art.  2 Nr.  24 SE-RL den Begriff des mittelbaren Abnehmers sehr weit und begrenzt ihn nicht auf einzelne Abnehmerstufen.178 Auf welche Weise der Erwerb der kartellbefangenen Ware erfolgt ist, ist danach unerheblich. Die Schadensersatzrichtlinie differenziert nicht nach Erwerbsart und -umständen. Ob Unternehmen A die kartellbefangene Ware an das Unternehmen B auf klassi­ schem Wege veräußert hat oder ob der Erwerb im Wege der Verschmelzung des Unternehmens A auf das Unternehmen B erfolgt ist, kann nicht zu unterschiedli­ chen Ergebnissen hinsichtlich der Abnehmerstellung des Unternehmens B füh­ ren. Das aus einer Verschmelzung hervorgehende Unternehmen ist daher wie sein Rechtsvorgänger insgesamt als unmittelbarer oder mittelbarer Abnehmer des Kronzeugen anzusehen. cc. Einzelrechtsnachfolge (1)  Differenzierung nach Art der Einzelrechtsnachfolge Im Gegensatz zur Gesamtrechtsnachfolge geht bei der Einzelrechtsnachfolge nur ein konkreter Vermögensgegenstand, etwa eine Sache oder Forderung, auf einen anderen über.179 Während bei einem rechtsgeschäftlichen Erwerb einer kartellbe­ fangenen Ware von einem Abnehmer des Kronzeugen gemäß §§  929 ff. BGB der Erwerber zweifelsfrei selbst als dessen mittelbarer Abnehmer angesehen werden kann, gestaltet sich die Zuordnung der Abnehmereigenschaft in anderen Fällen der Singularsukzession schwieriger. Insbesondere die Rechtsnachfolge in die Stellung eines Vertragspartners durch eine Vertragsübernahme und diejenige in die Stellung des Gläubigers durch Abtretung des Anspruchs auf Übergabe und Übereignung der kartellbefangenen Ware sind daher näher zu analysieren.180 Priester NJW 1983, 1459, 1465; Heckschen GmbHR 2017, 953, 954. Siehe oben S.  135 f. 179  Lieder Sukzession, S.  33. 180  Die folgenden Ausführungen gelten entsprechend für den Anspruch auf eine (kartellbe­ fangene) Dienstleistung. 177 Vgl. 178 

C.  Haftung im Außenverhältnis

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(2) Vertragsübernahme Gehen die Rechte und Pflichten eines direkten oder indirekten Vertragspartners des Kronzeugen im Wege der Vertragsübernahme auf eine andere Person über, so tritt diese in das Schuldverhältnis als Ganzes ein.181 Durch die Vertragsüber­ nahme wird eine Vertragspartei vollständig ausgewechselt.182 Fortan ist der Übernehmende der Vertragspartner des Kronzeugen, weshalb er auch als dessen Abnehmer i. S. d. §  33e Abs.  1 GWB anzusehen sein müsste. Doch kann die Ver­ tragspartnereigenschaft nicht ohne weiteres mit dem Abnehmerbegriff gleichge­ setzt werden, wenn eine Auswechslung der Vertragsparteien stattgefunden hat. Ist eine Übertragung der Rechts- und Pflichtenstellung erfolgt, muss genau untersucht werden, welcher der Beteiligten tatsächlich ein Abnehmer i. S. d. §  33e Abs.  1 GWB ist. Dies bestimmt sich nach den Vorgaben des hinter der Norm stehenden Art.  2 SE-RL. Die dortige Definition der Abnehmerbegriffe in Nr.  23 und 24 stellt allein darauf ab, wer die kartellbefangene Ware vom betref­ fenden Rechtsverletzer direkt bzw. indirekt erworben hat. Maßgeblich für die Einordnung der Beteiligten als Abnehmer ist demnach, welcher der Beteiligten als Erwerber der Sache anzusehen ist. Die Möglichkeit der direkten Inanspruchnahme des Kronzeugen gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB hängt für die Beteiligten bei der Vertragsübernahme folglich in erster Linie von deren Zeitpunkt ab. Erfolgt die Vertragsübernahme vor der Übergabe und Übereignung der kartellbefangenen Ware und erfüllt der Kron­ zeuge den Übereignungsanspruch gegenüber dem neuen Vertragspartner, ist die­ ser als dessen Erwerber und damit als unmittelbarer Abnehmer i. S. d. §  33e Abs.  1 GWB einzuordnen. Unschädlich ist dabei, ob der Kronzeuge direkt an den Rechtsnachfolger oder analog §  407 Abs.  1 BGB183 wirksam an den alten Vertragspartner leistet und der Übernehmende im Anschluss daran erfolgreich seinen Anspruch aus §  816 Abs.  2 BGB geltend macht. In beiden Fällen tritt ge­ genüber dem neuen Vertragspartner Erfüllungswirkung gemäß §  362 Abs.  1 BGB ein.184 Erfolgt die Vertragsübernahme hingegen, nachdem die kartellbefangene Ware an den alten Vertragspartner übereignet wurde, und wird diese im Zuge der Ver­ tragsübernahme vom alten an den neuen Vertragspartner weiterübereignet, dann ist der neue Vertragspartner – wie bei einem sonstigen Erwerb nach §§  929 ff. 181  Klimke Vertragsübernahme, S.  3; Schaffland Vertragsübernahme, S.  19, 59; Casper Op­ tionsvertrag, S.  183 f. 182  Klimke Vertragsübernahme, S.  3. 183 Sofern der verbleibende Vertragspartner nicht ohnehin aufgrund seiner Zustimmung Kenntnis von der Vertragsübernahme hat, wird eine analoge Anwendung von §  407 BGB in der Literatur allgemein befürwortet, siehe Klimke Vertragsübernahme, S.  313. 184  Larenz Schuldrecht AT, §  34 IV.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

BGB – als indirekter Erwerber einzuordnen.185 Er erlangt die kartellbefangene Ware erst vom alten Vertragspartner und ist somit nach der Definition in Art.  2 Nr.  24 SE-RL mittelbarer Abnehmer des Kronzeugen. Während die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Ab­ nehmer für den neuen Vertragspartner angesichts der identischen Rechtsfolgen unerheblich ist,186 hat sie grundlegenden Einfluss auf die Möglichkeit des alten Vertragspartners, vom Kronzeugen Schadensersatz begehren zu können. Wird der neue Vertragspartner aufgrund der direkten Übereignung an ihn als unmittel­ barer Abnehmer eingeordnet, bedeutet das im Umkehrschluss für den alten Ver­ tragspartner eine Verneinung der Abnehmerstellung. Hat der alte Vertragspartner aufgrund des Kartellverstoßes selbst einen Schaden erlitten, den er nicht an den neuen Vertragspartner weitergegeben hat, so kann er sich – wenn er nicht andere kartellbefangene Waren mit dem Kronzeugen ausgetauscht hat – gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB nur im Wege der Ausfallhaftung an diesen halten. Dies erscheint angesichts des ansonsten weiten Abnehmerbegriffs unbillig.187 Zwar hat der alte Vertragspartner einen Übernahmevertrag geschlossen und da­ mit bewusst seine Stellung als Vertragspartner aufgegeben.188 Jedoch bleibt der Kronzeuge auch nach Vertragsübernahme bei einer Kartellaufdeckung regelmä­ ßig die erste Kontaktperson und ein besonders günstiger Beklagter.189 Dass allein die näheren Umstände der Vertragsübernahme dafür ausschlaggebend sein sol­ len, ob auch er sich direkt an den Kronzeugen wenden kann, widerspricht der hinter Art.  2 Nr.  24 SE-RL stehenden Abwägung von Geschädigten- und Kron­ zeugeninteresse. Nur weil der alte Vertragspartner die Kartellware nicht zumin­ dest für eine logische Sekunde tatsächlich erlangt hat, ist er nicht weniger schutz­ bedürftig. Vielmehr ist zu bedenken, dass die Kronzeugenprivilegierung den Geschädigten die Geltendmachung ihrer Ersatzansprüche nicht übermäßig er­ schweren soll.190 Dies könnte aber drohen, wenn im Fall einer direkten Übereig­ nung der kartellbefangenen Ware an den neuen Vertragspartner neben diesem nicht auch der alte Vertragspartner als unmittelbarer Abnehmer des Kronzeugen anzusehen wäre. Insofern muss der Schutz des Kronzeugen zugunsten desjeni­ gen beider Vertragspartner zurücktreten, was in Anbetracht seiner Zustimmung

185 

Ohne eine Weiterübereignung der kartellbefangenen Ware fehlt es dagegen an dem für die Abnehmerstellung entscheidenden Erwerb. Der neue Vertragspartner wäre dann nicht als Abnehmer des Kronzeugen anzusehen. 186  Siehe unten S.  144 f. 187  Zur Auslegung des Abnehmerbegriffs siehe oben S.  131 ff. sowie S.  135 f. 188 Vgl. Klimke Vertragsübernahme, S.  95 ff.; Schaffland Vertragsübernahme, S.  22 f. 189  Siehe oben S.  128 f. 190  Siehe oben S.  48 ff.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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zur Vertragsübernahme191 auch angemessen ist. Der Erwerberbegriff in Art.  2 Nr.  23, 24 SE-RL ist daher untechnisch zu verstehen und erfasst bei einer Ver­ tragsübernahme neben dem Erwerber i.e.S. auch dessen Rechtsvorgänger, wenn dieser aufgrund eines Vertragsschlusses mit dem Kronzeugen den Auswirkungen des Kartells in vergleichbarer Weise wie ein Erwerber i.e.S. ausgesetzt war und deshalb ebenso schutzwürdig ist. (3)  Abtretung des Übereignungsanspruchs Im Gegensatz zur Vertragsübernahme wird bei einer Zession des Übereignungs­ anspruchs lediglich der Inhaber der Forderung auswechselt; die Parteien des Schuldverhältnisses bleiben unverändert.192 Der Zessionar wird nicht zum Ver­ tragspartner des Kronzeugen. Allerdings hindert dies nicht die Einordnung als Abnehmer des Kronzeugen, weil es auch bei einer Abtretung darauf ankommt, ob der Zessionar als Erwerber einzuordnen ist. (a)  Bestimmung der Abnehmereigenschaft Da eine Zession des Übereignungsanspruchs nach seiner Erfüllung wegen des Erlöschens der Forderung gemäß §  362 Abs.  1 BGB ausscheidet, ist in Bezug auf die Abnehmerstellung bei der Rechtsnachfolge nur die Abtretung des Übereig­ nungsanspruchs vor dessen Erfüllung zu untersuchen. Macht der Zessionar seine neu erworbene Forderung erfolgreich geltend und übereignet der Kronzeuge die kartellbefangene Ware direkt an ihn, ist der Zessionar als dessen unmittelbarer Abnehmer anzusehen. Gleiches gilt, wenn der Kronzeuge die Abtretung nicht kannte und gemäß §  407 Abs.  1 BGB wirksam an den Zedenten leistet. Auch in diesem Fall ist der Zessionar, weil ihm gegenüber Erfüllungswirkung eintritt, als direkter Erwerber des Kronzeugen anzusehen. Jedoch kann auch der Zedent bei etwaigen kartellbedingten Schäden nicht schlechter gestellt sein als der Zessionar. Im Gegensatz zur Vertragsübernahme, bei welcher der alte Vertragspartner immerhin seine Stellung als Vertragspartner vollständig aufgibt, behält der Zedent diese Position bei.193 Er verfügt lediglich über seinen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der kartellbefangenen Ware. Erst recht muss er daher für schutzbedürftig erachtet und als Abnehmer des Kronzeugen angesehen werden. Andernfalls brächte man auch ihn in aller Regel um seinen günstigsten Beklagten, was die Ausnahme von der Kronzeugen­ Klimke Vertragsübernahme, S.  95; Schaffland Vertragsübernahme, S.  97. Brügmann Abtretung, S.  35; Baath Gegenseitiges Schuldverhältnis, S.  50; Hoffmann Zession und Rechtszuweisung, S.  8. 193 Vgl. Brügmann Abtretung, S.  35; Baath Gegenseitiges Schuldverhältnis, S.  50; Hoffmann Zession und Rechtszuweisung, S.  8. 191  192 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

privilegierung in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB bzw. Art.  11 Abs.  4 lit.  a SE-RL gerade verhindern will.194 Folglich ist neben dem Zessionar ebenso der Zedent bei einer Abtretung als unmittelbarer Abnehmer des Kronzeugen anzusehen. (b)  Gefahr des Missbrauchs (§  242 BGB) Als dessen Abnehmer kann der Zessionar sein Schadensersatzbegehren direkt gegen den Kronzeugen richten. Im Vergleich zu den Abnehmern der Mitkartel­ lanten oder der Kartellaußenseiter wird er folglich von Gesetzes wegen deutlich bessergestellt.195 Dies könnte ebenso wie die Tatsache, dass die Abtretung anders als die Vertragsübernahme nicht der Zustimmung des Kronzeugen bedarf,196 Kartellgeschädigte dazu verleiten, sich mittels Forderungskaufs von Abnehmern des Kronzeugen nach der Aufdeckung des Kartells in eine günstige Position für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen zu bringen. Haben die Geschädigten bis zum Bekanntwerden des Kartellverstoßes ausschließlich kartellbefangene Waren von Mitkartellanten des Kronzeugen bezogen, bliebe es ihnen gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB zunächst verwehrt, sich mit ihrem Schadensersatzbegeh­ ren an den Kronzeugen zu wenden. Die Zession einer noch nicht erfüllten Wa­ renforderung gegen diesen könnte ihnen hingegen die direkte Inanspruchnahme ermöglichen. Ein solches Erschleichen der Abnehmerstellung wäre mit dem Zweck des §  33e Abs.  1 S.  1 GWB unvereinbar. Daher stellt die Geltenmachung eines Scha­ densersatzanspruchs, dessen Abtretung ausschließlich dazu diente, einem bereits durch das Kartell Geschädigten direkte Schadensersatzansprüche gegen den Kronzeugen zu sichern, einen Verstoß gegen Treu und Glauben gemäß §  242 BGB dar. Dem Anspruch steht die rechtsvernichtende Einwendung197 des Rechts­ missbrauchs entgegen. Der Zessionar verdient aufgrund seines missbräuchlichen Handelns ohne schutzwürdiges Eigeninteresse grundsätzlich keinen Rechts­ schutz.198 Allerdings bleibt der Geschädigte insofern schutzbedürftig, als er Schadensersatzansprüche bezüglich der einzelnen, vom Kronzeugen erworbenen Ware geltend macht. Daher kann der Geschädigte zwar Schadensersatz vom Kronzeugen verlangen, dieser ist aber beschränkt auf den Schaden, der aus dieser konkreten kartellbefangenen Ware resultiert. Etwaige Schadensersatzforderungen des Zedenten bleiben vom Rechtsmiss­ brauch des Zessionars indes unberührt. Er kann sich als unmittelbarer Abnehmer 194 

Siehe oben S.  128 f. sowie S.  139 ff. Siehe unten S.  144 f. sowie S.  146. 196 MünchKommBGB/Roth/Kieninger §  398 BGB Rn.  3; Lieder Sukzession, S.  113. 197 Palandt/Grüneberg §  242 BGB Rn.  41; Schellhammer Schuldrecht, Rn.  1189. 198  Vgl. Jauernig/Mansel §  242 BGB Rn.  37; Schellhammer Schuldrecht, Rn.  1189. 195 

C.  Haftung im Außenverhältnis

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des Kronzeugen – wie oben festgestellt – ohnehin hinsichtlich seines gesamten Schadens an den Kronzeugen wenden. (4)  Abtretung des Schadensersatzanspruchs Anders als die Abtretung des Übereignungsanspruchs führt die Abtretung eines bereits entstandenen Schadensersatzanspruchs eines Abnehmers des Kronzeugen nicht dazu, dass auch der Zessionar hinsichtlich sämtlicher kartellbefangener Waren oder Dienstleistungen als Abnehmer des Kronzeugen anzusehen ist.199 Durch die Abtretung eines Schadensersatzanspruchs kann ein Nichtabnehmer des Kronzeugen folglich keinen Abnehmerstatus erlangen. Vielmehr bleibt der abgetretene Schadensersatzanspruch im Vermögen des neuen Gläubigers von dessen originären Schadensersatzansprüchen, die er lediglich im Wege der Aus­ fallhaftung geltend machen kann, getrennt. Ein Missbrauch der Abtretung vor oder gar nach Kartellbeendigung in der Form, dass diese dem Zedenten aus­ schließlich ermöglichen soll, den Kronzeugen auf den gesamten ihm durch das Kartell entstandenen Schaden zu verklagen, ist daher nicht zielführend. dd. Unternehmensübertragung Von besonderer praktischer Relevanz ist neben der Verschmelzung200 auch die Übertragung von Unternehmen. Ob und inwiefern hierbei eine die Abnehmerei­ genschaft begründende Rechtsnachfolge stattfindet, hängt davon ab, ob die Un­ ternehmensübertragung in Form eines Asset Deals oder eines Share Deals vorge­ nommen wird. (1)  Asset Deal Bei einem Asset Deal werden sämtliche Vermögensgegenstände im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den Erwerber des Unternehmens übertragen.201 Wer hinsichtlich einer kartellbefangenen Ware als deren Abnehmer anzusehen ist, be­ stimmt sich deshalb nach der jeweiligen Form der Einzelrechtsnachfolge.202

199 

Dasselbe gilt für die Abtretung etwaiger Gewährleistungsansprüche etc. Siehe oben S.  137 f. 201  K. Schmidt Handelsrecht, §  5 Rn.  17; Römermann/Picot GmbH-Recht, §  21 Rn.  69 ff.; Rotthege/Westermann/Rotthege Unternehmenskauf, Kap.  1 Rn.  39. 202  Siehe oben S.  138 ff. 200 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

(2)  Share Deal Bei einem Share Deal hingegen werden die Anteile an dem Unternehmen über­ tragen.203 Der Rechtsträger, das Unternehmen, bleibt hierbei bestehen, so dass bei einem Share Deal keine Rechtsnachfolge bezüglich der aktiven und passiven Vermögenswerte stattfindet.204 Auf den Abnehmerstatus hat ein Share Deal damit keinen Einfluss. War das geschädigte Unternehmen vor der Unternehmensüber­ tragung als unmittelbarer oder mittelbarer Abnehmer anzusehen, bleibt es das auch danach. Den jeweiligen Anteilsinhabern kann dieser Status wegen der rechtlichen Selbständigkeit der Gesellschaft ohnehin nicht zugerechnet werden. 4.  Volle gesamtschuldnerische Haftung Gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB ist der Kronzeuge zum Ersatz des Schadens ver­ pflichtet, der seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten aus dem Verstoß entsteht. Für die Haftung des Kronzeugen ist daher zentral, was unter dem Schaden zu verstehen ist. Hierunter könnte entweder der gesamte durch den Kartellverstoß entstandene Schaden zu verstehen sein und §  33e Abs.  1 S.  1 GWB für den Kronzeugen insoweit eine gesamtschuldnerische Haftung an­ ordnen, oder es könnte nur eine teilschuldnerische Haftung für den auf den Kron­ zeugen entfallenden Schadensteil gemeint sein.205 Mit der oben getroffenen Fest­ stellung, dass hinsichtlich der Stellung eines Geschädigten als Geschäftspartner nicht zwischen den einzelnen erworbenen Produkten differenziert wird, steht keineswegs schon das Ergebnis fest. Denn während sich der Haftungsanteil bei ersterer Begrenzung nach den konkreten Liefer- und Bezugsanteilen bestimmen würde,206 würde er sich bei einer teilschuldnerischen Haftung nach dem Maßstab des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB richten. Die Annahme einer bloß teilschuldnerischen Haftung des Kronzeugen stünde damit nicht im Widerspruch zu einem absoluten Abnehmerbegriff. Der Wortlaut von §  33e Abs.  1 S.  1 GWB spricht indes für eine gesamtschuld­ nerische Haftung: Der Kronzeuge soll für den aus dem Verstoß entstandenen Schaden haften. Im Innenverhältnis soll er gemäß §  33e Abs.  3 GWB hingegen nur den Schaden tragen, den er verursacht hat. Dass diese Wahl des Wortlauts nicht zufällig ist, zeigt der Blick in die Gesetzesbegründung.207 Sie führt aus, 203  K. Schmidt Handelsrecht, §  5 Rn.  17; Römermann/Picot GmbH-Recht, §  21 Rn.  69 ff.; Beisel/Klumpp/Beisel Unternehmenskauf, §  1 Rn.  30. 204 Rotthege/Westermann/Rotthege Unternehmenskauf, Kap.  1 Rn.  41. 205 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  35. 206 Vgl. Krüger NZKart 2013, 483, 485. 207 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  34; Kersting VersR 2017, 581, 590.

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dass der Kronzeuge gegenüber seinen direkten und indirekten Abnehmern und Lieferanten für deren „gesamten durch den Verstoß verursachten“ Schaden haf­ ten soll.208 Dieses Ergebnis wird auch vom Telos der Norm gestützt: Zweck der verblei­ benden Haftung gegenüber den eigenen Geschäftspartnern ist, dass diese ihren Ansprechpartner und vorzugswürdigen Beklagten nicht verlieren.209 Von ihrem Vertragspartner hätten sie ohne dessen Kronzeugenstatus Ersatz ihres gesamten Schadens begehrt und dies sollen sie auch nach der Einführung der Privilegie­ rung können. Der Vertragspartner stellt insoweit nicht nur den Wunschbeklagten für seinen eigenen Haftungsanteil, sondern für den gesamten Schaden dar. Schließlich müssen die Kartellanten dank der gesamtschuldnerischen Haftung für die Anteile, die letztlich auf die Mitschädiger entfallen, ebenso einstehen wie für den eigenen Anteil.210 Die Regelung in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB will somit nur den Kreis der Schadensersatzberechtigten auf die Angehörigen der eigenen Ab­ nehmer- und Lieferkette verringern und nicht die gesamtschuldnerische Haftung generell aufheben.211 Die grundsätzliche Beibehaltung der gesamtschuldnerischen Haftung ent­ spricht auch den Vorgaben der Richtlinie.212 Deren Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  a gibt ausdrücklich vor, dass der Kronzeuge gegenüber seinen unmittelbaren oder mit­ telbaren Abnehmern oder Lieferanten gesamtschuldnerisch haftet.213 Eine bloß teilschuldnerische Haftung des Kronzeugen würde ihn folglich übermäßig be­ freien und klar gegen die Richtlinie verstoßen. Gegenüber den Mitgliedern seiner eigenen Abnehmer- und Lieferkette wird der Kronzeuge in keiner Weise privile­ giert. Hier bleibt es bei dem allgemeinen Haftungsregime.

III.  Haftung gegenüber Abnehmern und Lieferanten der Mitkartellanten Während die eigenen Abnehmer und Lieferanten auch nach Inkrafttreten der Neuregelungen den Kronzeugen ohne Einschränkungen auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können, ist er gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB gegenüber den Abnehmern und Lieferanten seiner Mitkartellanten nur zum Schadensersatz ver­ pflichtet, wenn diese von den übrigen Rechtsverletzern keinen Ersatz erlangen

208 

RegE BT-Drs. 18/10207, S.  57. Siehe oben S.  128 f. 210  Vgl. MünchKommBGB/Bydlinksi §  421 BGB Rn.  5. 211 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  32, 35. 212 Siehe Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  35; Janssen CB 2015, 35, 38. 213 Vgl. Janssen CB 2015, 35, 38. 209 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

konnten. Der deutsche Gesetzgeber hat damit fast wortlautgetreu Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b SE-RL umgesetzt.214 1.  Subsidiäre Außenhaftung Für die Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten folgt im Umkehrschluss aus §  33e Abs.  1 S.  1 GWB ein vollständiger Ausschluss der Haftung des Kron­ zeugen. Mangels einer gesamtschuldnerischen Haftung können sie auch ihr Gläubigerwahlrecht nicht mehr zugunsten des Kronzeugen ausüben.215 Der Kronzeuge fällt für sie zunächst als Schuldner weg. §  33e Abs.  1 S.  1 GWB stellt damit eine echte Ausnahme vom Grundsatz des §  840 Abs.  1 BGB i. V. m. §  33d Abs.  1 S.  2 GWB dar.216 Damit dem Geschädigten durch die Kronzeugenprivile­ gierung aber nicht der letzte Schuldner genommen wird und er infolgedessen auf seinem Schaden sitzen bleibt, macht §  33e Abs.  1 S.  2 GWB eine Gegenausnah­ me.217 Die gesamtschuldnerische Haftung des Kronzeugen lebt wieder auf, wenn der Geschädigte von sämtlichen übrigen Schädigern keinen vollständigen Ersatz erlangen kann. Schließlich soll sich die Privilegierung des Kronzeugen vor allem zulasten der restlichen Kartellmitglieder auswirken und nicht die Geschädigten übermäßig belasten.218 Im Wege einer Ausfallhaftung muss der Kronzeuge daher wenigstens subsidiär für die kartellbedingten Schäden einstehen. Dadurch wer­ den die effektive private Rechtsdurchsetzung und der Schutz der Kronzeugen­ programme ausbalanciert.219 2.  Voraussetzungen der Ausfallhaftung a.  Enge Auslegung Als Ausnahmetatbestand sind die Voraussetzungen der Ausfallhaftung eng aus­ zulegen. Die Wirksamkeit der Haftungsprivilegierung aus §  33e Abs.  1 S.  1 GWB darf nicht unterlaufen werden. Vielmehr soll der Kronzeuge nur, wenn es der Geschädigtenschutz unbedingt erfordert, auch den direkten und indirekten

214 

Vgl. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59. Krüger NZKart 2013, 483, 486. 216  Krüger NZKart 2013, 483, 484. 217  Calisti/Haasebeek/Kubik NZKart 2014, 466, 472. Siehe auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  46. 218  Siehe oben S.  50. Vgl. Janssen CB 2015, 35, 38; Vollrath NZKart 2013, 434, 443. 219  Nach Erw.Gr. 6 SE-RL müssen „zur Sicherstellung wirksamer privater zivilrechtlicher Durchsetzungsmaßnahmen und einer wirksamen öffentlichen Rechtsdurchsetzung durch die Wettbewerbsbehörden […] beide Instrumente zusammenwirken, damit die Wettbewerbsvor­ schriften höchstmögliche Wirkung entfalten“. 215 Vgl.

C.  Haftung im Außenverhältnis

147

Geschäftspartnern seiner Mitschädiger haften. Vorrangig müssen sich diese Gläubiger aber an die übrigen Kartellanten wenden. b.  Vorliegen eines Ausfalls aa.  Mögliche Ausfallgründe Die Geschädigten können sich auf die nachrangige Ausfallhaftung220 nur beru­ fen, wenn sie von allen anderen Kartellanten keinen vollständigen Schadenser­ satz erlangen konnten.221 Jeder einzelne Kartellant mit Ausnahme des Kronzeu­ gen muss somit hinsichtlich der vollen Schadenszahlung ausfallen. Welche An­ forderungen an den Versuch eines Geschädigten zu stellen sind, seinen Schaden vollständig zu kompensieren, regelt die Norm jedoch nicht. Dabei ist die Band­ breite möglicher Ausfallgründe eines Kartellmitglieds groß. Sie reicht von der bloßen Weigerung bis zur Insolvenz.222 Dazwischen liegen eine schlechte oder defizitäre Finanzlage und erfolglose Vollstreckungsversuche gegen einen oder alle Kartellanten.223 Auch Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b SE-RL schweigt zu den Anfor­ derungen an den Ausfall.224 Die Richtlinie überlässt es dem nationalen Gesetzge­ ber zu bestimmen, wo der Schutz des Kronzeugen endet.225 Er genießt Gestal­ tungsspielraum, solange nicht die Privilegierung des Kronzeugen durch eine allzu großzügige Annahme des Ausfalls unterlaufen oder die Rechtsdurchset­ zung des Geschädigten durch zu strenge Anforderungen völlig verhindert wird. bb.  Bloße Weigerung Angesichts der Zielsetzung der Richtlinie, den Kronzeugen bei der Schadenser­ satzhaftung im Außenverhältnis zu privilegieren, kann die bloße Zahlungsver­ weigerung nicht zur Ausfallhaftung führen.226 Nach Art.  11 Abs.  4 S.  1 SE-RL soll der Kronzeuge im Regelfall nur gegenüber seinen eigenen Abnehmern oder Lieferanten haften. Die Ausfallhaftung macht hiervon lediglich eine Ausnahme. Ließe man den Hinweis der anderen Kartellbeteiligten, nicht freiwillig Scha­ 220 

Siehe RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60. §  33e GWB Rn.  4. 222  Janssen CB 2015, 35, 38; Truli Journal of European Competition Law & Practice 2016, 299, 308. 223  Janssen CB 2015, 35, 38; Truli Journal of European Competition Law & Practice 2016, 299, 308. 224 Siehe Krüger NZKart 2013, 483, 484; Janssen CB 2015, 35, 38. 225  Sowohl Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b SE-RL als auch Erw.Gr. 38 SE-RL lassen den Ausfallbe­ griff offen. Damit obliegt dessen nähere Bestimmung dem nationalen Gesetzgeber. Vgl. Janssen CB 2015, 35, 38. 226  Offen gelassen hingegen von Janssen CB 2015, 35, 38. 221 Berg/Mäsch/Mäsch

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

densersatz zahlen zu wollen, ausreichen, so würde dies den Ausnahmecharakter der Vorschrift ins Gegenteil verkehren. cc. Insolvenz Ebenso eindeutig, wie die bloße Weigerung als Ausfall verneint werden kann, kann umgekehrt die Insolvenz als Ausfall bejaht werden.227 Die Insolvenz eines Unternehmens ist durch dessen (drohende) Zahlungsunfähigkeit oder Überschul­ dung gekennzeichnet.228 Die Ausfallhaftung will gerade verhindern, dass der Ge­ schädigte aufgrund fehlender Zahlungsfähigkeit der Kartellanten keinen Ersatz für seine Schäden bekommt. Eine höhere Hürde für das Vorliegen eines Ausfalls ließe sich nur schwer finden, so dass – soll die Ausfallhaftung nicht nur auf dem Papier bestehen – die Insolvenz der Mitkartellanten in jedem Fall einen Ausfall i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  2 GWB darstellen muss. Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Insolvenzgläubiger in den meisten Fällen nach Abschluss des Insolvenzverfahrens anteilig aus der In­ solvenzmasse befriedigt werden. Dem Geschädigten ist nicht zuzumuten, zu­ nächst die Verteilung der Insolvenzmasse abzuwarten und erst im Anschluss da­ ran hinsichtlich des verbleibenden Schadens gegen den Kronzeugen vorzugehen. Da die Schadensersatzforderung mit der Befriedigung durch den Kronzeugen gemäß §  426 Abs.  2 BGB kraft Gesetzes auf diesen übergeht und er somit zum Insolvenzgläubiger wird, droht durch die Annahme eines Ausfalls bei Insolvenz auch keine Überkompensation des Geschädigten. Vielmehr ist es der leistende Kronzeuge, der nach Abschluss des Insolvenzverfahrens den entsprechenden Anteil aus der Insolvenzmasse auf seine Ausgleichsforderung erlangt. dd.  Erfolglose Zwangsvollstreckung (1)  Unzumutbarkeit weiterer Maßnahmen Ein Ausfall ist neben einer Insolvenz der restlichen Schädiger auch bei einer er­ folglosen Zwangsvollstreckung gegen sie anzunehmen.229 Ist nicht genügend Vermögen bei den Kartellanten vorhanden, um die Schadensersatzforderung zu 227 Ebenfalls bejahend Kirst/Van den Bergh Journal of Competition Law & Economics 2015, 1, 11; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  8; KölnerKomm/Krohs §  33 GWB Rn.  299; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  700; Kersting/ Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  47; Krüger NZKart 2013, 483, 484; Legner WRP 2014, 1163, 1166. 228 Uhlenbruck/Mock §  16 InsO Rn.  1. 229  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  8; Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  4; Kersting VersR 2017, 581, 590. Insoweit kritisch Ker­ sting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  47.

C.  Haftung im Außenverhältnis

149

begleichen, können dem Geschädigten keine darüber hinausgehenden Maßnah­ men zugemutet werden. Der Versuch, Schadensersatz zu erlangen, ist folglich als gescheitert zu betrachten, wenn die Mitkartellanten zu wenig pfändbares Vermö­ gen besitzen.230 (2)  Erforderlichkeit eines eigenen Vollstreckungsversuchs Fraglich ist allerdings, ob die Zwangsvollstreckung zwingend vom Geschädigten selbst ausgegangen sein muss oder ob es ausreicht, wenn sie von einem anderen Kartellgeschädigten vergeblich angestrengt worden ist. Der deutsche Gesetzge­ ber vertritt diesbezüglich die Ansicht, dass es jedem Geschädigten zumutbar sei, zumindest einmal eine Zwangsvollstreckung wegen der Schadensersatzforde­ rung gegen jeden der übrigen Schädiger zu versuchen.231 Die erfolglose Zwangs­ vollstreckung eines Mitgeschädigten reicht danach nicht aus, um selbst im Wege der Ausfallhaftung gegen den Kronzeugen vorzugehen. Dieser Ansatz ist wenig praxisnah. In Anbetracht der oft hohen Geschädigtenund Kartellantenzahlen bedeutet eine zeitgleich oder zeitnah erfolgende Zwangs­ vollstreckung mehrerer Kartellopfer eine unnötige Belastung der Vollstreckungs­ organe.232 Zu Recht werden die Anforderungen des Gesetzgebers daher als „imprakti­ kabel und lebensfremd“233 angesehen. Wenn die Zwangsvollstre­ ckungsversuche in geringem Abstand erfolgen, muss bereits die Erfolglosigkeit eines Geschädigten für das Bestehen der Ausfallhaftung genügen. Schließlich verspricht eine Zwangsvollstreckung dann „offensichtlich keinen Erfolg“234. An­ gesichts der hohen Kosten und der späteren Schadenskompensation,235 ist das Betreiben eines weiteren Versuchs für die Geschädigten daher nur dann zumut­ bar, wenn die Kartellanten in der Zwischenzeit wieder genügend Vermögen er­ langen konnten, um den Schaden zu kompensieren.236 Dann bedürfte es eines Rückgriffs auf den schutzwürdigen Kronzeugen gerade nicht.

230 

Vgl. MünchKommHGB/K.Schmidt §  135 HGB Rn.  19. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60. Siehe auch Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartell­ verfahren, §  26 Rn.  700; Lettl WM 2016, 1961, 1964. 232  Glöckner WRP 2015, 410, 415. 233  Krüger NZKart 2013, 483, 486. Vgl. auch Glöckner WRP 2015, 410, 415. 234  So der Maßstab von Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  8. 235  Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  112; Ebers Rechte, S.  597; Krüger NZKart 2013, 483, 486. 236  Kersting will bei nicht zahlungsfähigen Rechtsverletzern sogar auf einen Prozess ver­ zichten, in: VersR 2017, 581, 590. 231 

150

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

(3)  Vollstreckung im außereuropäischen Ausland Besonders schwierig kann sich der Versuch gestalten, Ersatz von den übrigen Kartellanten zu erlangen, wenn diese ausschließlich über Vermögen im außereu­ ropäischen Ausland verfügen. Dann muss der Geschädigte mit dem in Deutsch­ land oder einem anderen Mitgliedstaat erwirkten Titel im Ausland die Zwangs­ vollstreckung betreiben. Da Urteile als hoheitliche Akte in ihrer Wirkung aber grundsätzlich auf das Inland beschränkt sind,237 ist Voraussetzung für die Wir­ kung in einem anderen Staat, dass der Titel nach dessen Recht anerkannt und für vollstreckbar erklärt wird.238 Dieses Prozedere kann je nach nationaler Ausge­ staltung dazu führen, dass die Zwangsvollstreckung zumindest zeitlich erheblich verzögert wird.239 Einem Ausfall wegen erfolgloser Zwangsvollstreckung steht es daher gleich, wenn die Zwangsvollstreckung aufgrund ihrer besonderen Umstände unzumut­ bar ist.240 Dies ist anzunehmen, wenn die zu erwartende Dauer der Zwangsvoll­ streckung im ausländischen Staat die Dauer eines durchschnittlichen Zwangs­ vollstreckungsverfahrens innerhalb der EU erheblich übersteigt. Denn von dem Geschädigten kann nicht zugunsten des Kronzeugen verlangt werden, anstelle eines innereuropäischen Zwangsvollstreckungsverfahrens ein erheblich er­ schwertes Verfahren vollständig durchzuführen. Durch die Ausfallhaftung soll dem Geschädigten schließlich die Durchsetzung seines Anspruchs auf Schadens­ ersatz weder rechtlich noch tatsächlich übermäßig erschwert werden.241 Er muss nur geringe Einschränkungen in Kauf nehmen. Dies bedeutet für eine Zwangs­ vollstreckung im außereuropäischen Ausland auch, dass der Geschädigte von ihr dann absehen kann, wenn der jeweilige Vollstreckungsstaat von vornherein die Anerkennung und Vollstreckung von Titeln aus dem Urteilsstaat ablehnt – etwa weil es an der Gegenseitigkeit mangelt.242 ee.  Schlechte oder defizitäre Finanzlage Obgleich bereits eine schlechte oder defizitäre Finanzlage der Kartellanten die erfolgreiche Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs gefährdet, reicht dies wegen des Kronzeugenschutzes noch nicht, um die Ausfallhaftung auszulösen. 237 Nagel/Gottwald

S.  5.

IZPR, §  16 Rn.  2; Riezler IZPR, S.  509; Bitter Vollstreckbarerklärung,

Schack IZVR, Rn.  1070; Bitter Vollstreckbarerklärung, S.  5. Riezler IZPR, S.  512. 240  Auch dann verspricht sie „offensichtlich keinen Erfolg“, worauf Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  8 zu Recht abstellen wollen. 241  Siehe oben S.  10 f. 242  Vgl. zur mangelnden Gegenseitigkeit Nagel/Gottwald IZPR, §  16 Rn.  5. 238 

239 Vgl.

C.  Haftung im Außenverhältnis

151

Die unzureichende Finanzlage muss sich vielmehr in Form der erfolglosen Zwangsvollstreckung oder der Insolvenz äußern. Allein die im Vergleich zum Kronzeugen geringere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Mitkartellanten kann ihre Haftung nicht ausschließen. Derartige Erwägungen sind dem deut­ schen Deliktsrecht fremd.243 ff.  Vorliegen anderer Haftungsprivilegierungen Ein Ausfall kann nicht nur finanzielle Gründe haben, sondern auch darauf beru­ hen, dass neben dem Kronzeugen noch weitere Schuldner haftungsprivilegiert sind und als potentielle Beklagte wegfallen. Da, wie bereits festgestellt, für jede kartellrechtliche Zuwiderhandlung grundsätzlich nur ein Unternehmen als Kron­ zeuge privilegiert ist,244 könnte der Ausfall der Mitschädiger nur auf die ebenfalls neu ins Gesetz eingefügte Privilegierung für KMU (§  33d Abs.  3–4 GWB) zu­ rückzuführen sein. Gemäß §  33d Abs.  3 S.  1 GWB haften KMU unter bestimmten Voraussetzun­ gen ebenso wie Kronzeugen im Außenverhältnis nur gegenüber ihren eigenen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten.245 Handelt es sich bei den Kartellgeschädigten folglich nicht ausschließlich um die Geschäftspart­ ner der Kartellteilnehmer, sondern befinden sich darunter auch Preisschirmef­ fektgeschädigte, bliebe für diese in einem Kartell, das allein aus Kronzeugen und privilegierten KMU besteht, kein potentieller Beklagter mehr übrig. Gleiches würde für die Geschäftspartner von Kartellanten gelten, die bereits aus finanziel­ len Gründen ausgefallen sind. Mangels anderer Möglichkeiten, Schadensersatz zu erlangen, könnten diese Geschädigten im Wege der Ausfallhaftung gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB gegen den Kronzeugen vorgehen. Allerdings sieht die Neuregelung nicht nur für Kronzeugen, sondern gemäß §  33d Abs.  3 S.  2 GWB auch für KMU eine Ausfallhaftung vor. Maßgeblich da­ für, ob die KMU-Privilegierung eine Ausfallhaftung des Kronzeugen auslösen kann, ist damit das Rangverhältnis beider Ausfallhaftungen.246 Der deutsche Ge­ setzgeber hat dies erkannt und der in §  33d Abs.  3 S.  2 GWB normierten Ausfall­ haftung der KMU den Vorrang eingeräumt.247 Die KMU sind danach anderen Geschädigten zum Schadensersatz verpflichtet, wenn diese von den übrigen Rechtsverletzern mit Ausnahme des Kronzeugen keinen vollständigen Ersatz er­ langen konnten. Geschädigte müssen bei einem Ausfall der übrigen Rechtsver­ Glöckner WRP 2015, 410, 416. Siehe oben S.  119 f. 245  Siehe dazu Kapitel 6. 246 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  108 ff. 247  Siehe auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzklagen, Rn.  639. 243 Vgl. 244 

152

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

letzer also zunächst die KMU vergeblich in Anspruch nehmen, bevor sie sich an den Kronzeugen wenden können.248 Die Haftungsprivilegierung der KMU kann aufgrund der ausdrücklich festgelegten Rangfolge der Haftung damit keine Aus­ fallhaftung des Kronzeugen auslösen. gg. Klageabweisung Die erfolgreiche Geltendmachung des Schadensersatzbegehrens gegenüber den restlichen Kartellteilnehmern kann nicht nur im Zwangsvollstreckungs-, sondern bereits im Erkenntnisverfahren scheitern. Ob dies einen Ausfall i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  2 GWB darstellt, hängt maßgeblich von den Gründen der Klageabwei­ sung ab. (1)  Wegen Verjährung Von besonderer Relevanz ist die Klageabweisung wegen Verjährung der Scha­ densersatzansprüche. Als einzelwirkende Tatsache kommt die Verjährung gemäß §  425 BGB nur gegenüber demjenigen Gesamtschuldner zum Tragen, gegenüber dem sie eingetreten ist.249 Sie beginnt für jeden Gesamtschuldner gesondert zu laufen.250 Daher ist von Bedeutung, ob die Verjährung gegenüber einem Kartell­ mitglied ausreicht, um einen Ausfall seinerseits zu bejahen.251 Aus dem noch genauer zu untersuchenden §  33e Abs.  2 GWB geht hervor, dass eine Verjährung der Schadensersatzansprüche gegenüber allen Mitkartel­ lanten des Kronzeugen gerade keine Ausfallhaftung i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  2 GWB auslöst, sondern eine solche ausschließt.252 Fest steht damit allerdings nur, dass ein Ausfall aller übrigen Schädiger aufgrund einer Klageabweisung wegen Verjährung nicht zur Haftung des Kronzeugen führt. Im Umkehrschluss könnte die Regelung somit bedeuten, dass eine Verjährung generell keinen Ausfall eines Kartellmitglieds i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  2 GWB darstellt. Sie könnte aber auch so zu verstehen sein, dass die Ausfallhaftung lediglich dann nicht greift, wenn der Sonderfall der Verjährung gegenüber allen Kartellmitgliedern vorliegt.253 248  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  59; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  109; Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  4; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  10; Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 284. 249  Statt aller Staudinger/Looschelders §  425 BGB Rn.  56. 250  Pfeiffer NJW 2010, 23, 24. 251 Vgl. Krüger NZKart 2013, 483, 484; Hösch Innenausgleich, S.  377; Kersting VersR 2017, 581, 590. 252  Siehe unten S.  159 f. 253 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9, die ebenfalls betonen, dass die Norm dahinge­ hend uneindeutig ist, ob bereits die Verjährung des Anspruchs gegenüber einem Kartellmitglied

C.  Haftung im Außenverhältnis

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Zweck des §  33e Abs.  2 GWB ist es, Benachteiligungen des Kronzeugen auf­ grund des späten Verjährungsbeginns gemäß §  33h Abs.  8 GWB zu verhindern, die z.B. daraus resultieren können, dass die Geschädigten bewusst abwarten, bis sie endlich gegen den privilegierten Kronzeugen vorgehen können.254 Dieser Ge­ fahr des Verjährenlassens der Schadensersatzforderung könnte schon dadurch entgegengewirkt werden, wenn der Geschädigte dafür Sorge tragen muss, dass die Forderung wenigstens gegen ein Kartellmitglied nicht verjährt. Solange der Ausfall mindestens eines Schädigers nicht auf das Verjährenlassen der Forde­ rung zurückzuführen ist, könnte der Geschädigte als schutzbedürftig anzusehen sein. Allerdings bestünde für den Geschädigten in diesem Fall dennoch die Mög­ lichkeit, nach dem ersten Ausfall eines Kartellanten wegen Insolvenz oder er­ folgloser Zwangsvollstreckung die Durchsetzung der Ansprüche zu unterlassen und abzuwarten, bis die Voraussetzungen der Ausfallhaftung vorliegen. Da auch auf diese Weise der Ausnahmecharakter der Aufallhaftung ins Gegenteil verkehrt würde, kann eine Klageabweisung wegen Verjährung folglich keineswegs als Ausfall eingeordnet werden.255 Dass dem Geschädigten damit die Inanspruchnahme des Kronzeugen endgül­ tig versperrt ist, wenn die Schadensersatzforderung gegen den ersten Kartellteil­ nehmer verjährt ist und hinsichtlich dieses Teilnehmers kein weiterer Ausfall­ grund vorliegt,256 steht nicht im Widerspruch zu §  33e Abs.  2 GWB, welcher nur bei einer Verjährung gegenüber allen übrigen Kartellanten greift. Vielmehr ist die dort getroffene Regelung noch strenger und schließt sogar einen bereits entstandenen Anspruch nach §  33e Abs.  1 S.  2 GWB aus, wenn eine Verjährung vorliegt. Für ihr Eingreifen kommt es damit nicht darauf an, ob eine Verjährung einen Ausfall darstellt, da ein Ausfall aller Kartellanten bereits aus anderen Gründen vorliegen muss. Sofern in Bezug auf die Kartellanten, gegenüber denen der Schadensersatzanspruch verjährt ist, noch ein anderer Ausfallgrund eingreift und wenigstens gegenüber einem Kartellmitglied (mit Ausnahme des Kronzeu­ gen) keine Verjährung vorliegt, besteht für den Geschädigten weiterhin die Mög­ lichkeit der Ausfallhaftung.

dafür ausreicht, „dass der Anspruch gegen den Kronzeugen nicht mehr zur Entstehung gelan­ gen kann“. 254 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  51; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9; Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 284. Vgl. auch RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60. 255  Vgl. auch Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9 sowie die Ausführungen in Langen/Bunte/ Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  10. 256 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9, die die hohen Anforderungen an die Ausfall­ haftung des Kronzeugen betonen.

154

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Dennoch ist festzuhalten, dass das Gesetz vom Geschädigten bei seiner An­ spruchsdurchsetzung ein besonders umsichtiges Vorgehen verlangt, da er sich, wenn er die Möglichkeit der Ausfallhaftung erhalten will, nicht ausschließlich auf die Inanspruchnahme eines Kartellmitglieds konzentrieren darf, sondern die Ansprüche gegen alle Kartellanten im Blick behalten muss. Eine Umgestaltung des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB dahingehend, dass die Ausfallhaftung bereits bei ei­ nem erfolglosen Vorgehen gegen einen oder mehrere Kartellanten eingreift, stün­ de nicht im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie.257 Sie würde die Kronzeu­ genprivilegierung im Außenverhältnis zu sehr schwächen und damit das Ziel verfehlen, Kronzeugenprogramme durch Haftungsbeschränkungen attraktiver zu machen. Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Geschädigte es selbst in der Hand hat, die Kartellmitglieder rechtzeitig in Anspruch zu nehmen. Eine Klageabweisung wegen Verjährung kann deshalb als Ausfall nicht genügen. (2)  Aufhebung der behördlichen Entscheidungen Daneben kann die Klage gegen die Mitschädiger auch mangels Nachweis des Kartellverstoßes abgewiesen werden. Bei den praktisch häufig vorkommenden Follow-on-Klagen soll dies durch die Bindungswirkung der behördlichen Ent­ scheidungen verhindert werden.258 Allerdings kann es vorkommen, dass die Mit­ kartellanten diese Entscheidungen mit Rechtsmitteln erfolgreich angreifen und es einem Geschädigten daher (verständlicherweise) nicht gelingt, einen Kartell­ verstoß nachzuweisen. Da Kronzeugen in der Regel keine Rechtsmittel gegen ihre Erlassentscheidung einlegen (können),259 könnten sie als einzige Kartellan­ ten verbleiben.260 In der Literatur wird eine solche Konstellation teilweise als unerwünschtes Schlupfloch angesehen und kritisiert, dass die Neuregelungen dem Kronzeugen keinen Schutz hiervor bieten.261 Dieser müsse dem Geschädigten trotzdem auf Schadensersatz haften.262 Hat das Gericht die behördlichen Entscheidungen zu Unrecht aufgehoben und bestand tatsächlich ein Kartell, so ist der Kronzeuge aber nicht schutzbedürftig. Der Anspruch des Geschädigten auf Schadensersatz soll durch die Kronzeugenprivilegierung gerade nicht beschnitten werden. Kann er ohne die Bindungswirkung sein Schadensersatzbegehren gegen die restlichen Kartellanten nicht durchsetzen, so tritt der Schutz des Kronzeugen hinter den Rust NZKart 2015, 502, 509. Siehe oben S.  37 f. 259  Siehe oben S.  37 f. 260 Vgl. Geradin/Grelier Cartel Damages Claims, S.  11 f. 261  Geradin/Grelier Cartel Damages Claims, S.  11. 262  Geradin/Grelier Cartel Damages Claims, S.  11. 257 Vgl. 258 

C.  Haftung im Außenverhältnis

155

Schutz des Geschädigten zurück, da diesem ansonsten überhaupt kein Schuldner zur Verfügung stünde. Hinreichenden Schutz erfährt der Kronzeuge in dieser Konstellation dadurch, dass der Geschädigte ohnehin zunächst mittels Stand-­ alone-Klage gegen die restlichen Kartellanten vorgehen muss. Hat das Gericht bei der Aufhebung der behördlichen Entscheidungen richtig entschieden und bestand tatsächlich kein Kartell, wird die Schadensersatzklage des vermeintlich Geschädigten gegen den Kronzeugen höchstwahrscheinlich oh­ nehin abgewiesen, so dass der Kronzeuge in der Praxis nicht schlechter gestellt ist als die vermeintlichen Mitkartellanten. (3)  Aus anderen Gründen Eine Klage kann aber auch aus anderen Gründen als unbegründet abgewiesen werden. So kann ein findiger Geschädigter, der unbedingt den Kronzeugen in Anspruch nehmen möchte, aber in keiner Geschäftsbeziehung mit ihm steht, nicht nur auf die Idee kommen, sein Ziel durch das Verjährenlassen der anderen Ansprüche zu erreichen.263 Ebenso kann er seiner Darlegungs- und Beweislast in den Verfahren gegen die übrigen Rechtsverletzer bewusst nicht nachkommen und so die Klageabweisung provozieren. Da dieses Vorgehen aber missbräuch­ lich wäre und nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB steht, muss der Ausfall nach Treu und Glauben (§  242 BGB) eng verstan­ den werden. Eine bewusste Umgehung der gesetzgeberisch gewollten Haftungs­ beschränkung aus §  33e Abs.  1 S.  1 GWB kann nicht die Ausfallhaftung des Kronzeugen auslösen. Dies muss sich in einer teleologischen Reduktion des Wortlauts von §  33e Abs.  1 S.  2 GWB niederschlagen. Zudem kann von dem Geschädigten bei weltweiten Kartellen, bei denen nur der Kronzeuge in der EU sitzt, verlangt werden, dass er als Jurisdiktion einen Staat auswählt, in dem zumindest die Möglichkeit eines kartellrechtlichen Pri­ vate Enforcement besteht. Er darf unter mehreren international zuständigen Ge­ richten eines davon folglich nicht ausschließlich deshalb auswählen, weil dieses Gericht bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts mit hoher Wahrscheinlich­ keit zu einem Recht kommt, das kartellrechtliche Schadensersatzansprüche ab­ lehnt oder unverhältnismäßig hohe Anforderungen an deren Bestehen stellt. Wenn es für den Geschädigten daher keine außerordentliche Erschwernis dar­ stellt, gegen den außereuropäischen Kartellanten in einer anderen Jurisdiktion einen Titel zu erwirken, muss er diese Möglichkeit auch ausschöpfen, bevor er sich an den Kronzeugen wenden kann.

263 Siehe

Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9.

156

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

hh. Zwischenergebnis Der Ausfall eines Kartellteilnehmers ist folglich anzunehmen, wenn dieser insol­ vent oder die Zwangsvollstreckung gegen ihn erfolglos oder unzumutbar ist. Nicht ausreichend sind hingegen dessen bloße Weigerung oder dessen schlechte oder defizitäre Finanzlage, solange sie sich nicht in den soeben genannten Aus­ fallgründen äußert. Auch die gesetzliche Haftungsprivilegierung für KMU stellt aufgrund ihrer Subsidiarität gemäß §  33d Abs.  3 S.  2 GWB keinen Ausfallgrund gegenüber einem Kronzeugen dar. Konnte der Geschädigte wegen der Abweisung seiner Klage gegen einen an­ deren Kartellanten keinen Ersatz von diesem erlangen, ist bezüglich der Taug­ lichkeit für den Ausfall i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  2 GWB auf den Grund der Klage­ abweisung abzustellen. Die Verjährung gegenüber den restlichen Kartellanten reicht für eine Inanspruchnahme des Kronzeugen nicht aus. Gleiches gilt, wenn der Geschädigte die Klageabweisung auf andere Weise provoziert. Wird die Kla­ ge dagegen abgewiesen, weil ein Kartellverstoß des Beklagten nicht nachgewie­ sen werden kann, liegt schon kein übriger Rechtsverletzer i. S. d. §  33e Abs.  1 S.  2 GWB vor. c.  Kein vollständiger Ersatz Infolge des Ausfalls der nicht privilegierten Schädiger darf der Geschädigte kei­ nen vollständigen Ersatz erlangt haben. Eine teilweise Schadenskompensation hindert die Ausfallhaftung des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB, begrenzt auf den noch ausstehenden Schadensteil, nicht.264 Die Regelung des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB soll den Geschädigten ermöglichen, den Kronzeugen soweit auf Ersatz in Anspruch zu nehmen, wie der Schaden bei den restlichen Kartellanten uneinbringlich ist. Anders als die Formulierung „wenn“ indiziert, kann der Geschädigte den Kronzeugen nicht noch einmal auf die volle Schadenssumme in Anspruch nehmen, nachdem er bereits einen Teilbe­ trag von den anderen Schädigern erlangt hat.265 Andernfalls wäre die Ausfallhaf­ 264 

Im RefE zum 9. GWB-ÄndG fehlte in §  33e Abs.  1 S.  2 das Wort „vollständig“, siehe RefE des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, abrufbar unter https://www.bmwi. de/Redaktion/DE/Downloads/M-O/neunte-gwb-novelle.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (abgerufen am 14.3.2018). Als Reaktion auf die Anmerkung, dass es sich dadurch um eine Beschränkung der Voraussetzungen im Vergleich zur Richtlinie und einen Widerspruch zum Prinzip der vollen Kompensation handelt, fügte der Gesetzgeber zur Klarstellung das Wort „vollständig“ hinzu. Ein Ausschluss der Ausfallhaftung bei bereits teilweise erlangtem Ersatz ließe sich nicht mit ihrem Telos vereinbaren, siehe RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60. Zum RefE siehe Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 265  Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  416; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novel­ le, Kap.  8 Rn.  49; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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tung nicht mit dem in Art.  3 Abs.  3 SE-RL normierten Verbot der Überkompen­ sation des Geschädigten zu vereinbaren. Der Geschädigte soll durch die Haf­ tungsvorschriften nicht mehr erlangen, als ihm ohne den Kartellverstoß zugestanden hätte. Die ungenaue Formulierung des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB stellt das Ergebnis einer unveränderten Übernahme des Wortlauts von Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b ­SE-RL dar.266 Auch diese Norm schreibt die Ausfallhaftung vor, wenn der Ge­ schädigte von den anderen Unternehmen keinen vollständigen Schadensersatz erlangen kann. Dass ein Verstoß gegen das Verbot der Überkompensation nicht gewollt ist, zeigt ein Blick auf den Wortlaut von §  33e Abs.  2 GWB. Dieser schließt die Ausfallhaftung des Kronzeugen nur aus, soweit die Ersatzansprüche des Geschädigten gegen die übrigen Rechtsverletzer bereits verjährt sind. Dem­ zufolge soll die Ausfallhaftung sehr wohl auch teilweise zum Tragen kommen und nicht nach dem Alles-oder-Nichts-Prinzip funktionieren. Der Wortlaut des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB muss daher im Wege einer teleologischen Auslegung entsprechend angepasst werden.267 3.  Darlegungs- und Beweislast Für die Darlegungs- und Beweislast in §  33e Abs.  1 S.  2 GWB gilt der allgemei­ ne Grundsatz: Jede Partei muss diejenigen Tatsachen beweisen, aus denen sie ihr Recht herleitet.268 Der Geschädigte muss folglich nachweisen, dass er von den übrigen Kartellanten keinen Ersatz erlangen konnte.269 In Anbetracht der hohen Anforderungen, die an das Vorliegen des Ausfalls gestellt werden, ist nicht auszuschließen, dass diese Beweislastverteilung eher abschreckend auf die Geschädigten wirkt und die gewünschte Stärkung der pri­ vaten Rechtsdurchsetzung ausbremst.270 Schließlich werden ihnen durch die all­ gemeine Beweislastregel erhebliche Beweisobliegenheiten auferlegt.271 Die er­ forderlichen Klagen und Vollstreckungsversuche gegen alle Kartellanten können mehrere Jahre dauern und die Justiz erheblich belasten.272 Um im Einklang mit Kersting VersR 2017, 581, 591. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7 sprechen sich für eine Wortlautkorrektur aus. Hin­ sichtlich einer korrigierenden Auslegung des Gesetzes hingegen ablehnend Kersting VersR 2017, 581, 591. 268  Statt aller Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann Anh. §  286 ZPO Rn.  10. 269  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  14; Loewenheim/Meeßen/Riesen­ kampff/Jaeger Art.  101 Abs.  2 AEUV Rn.  68; Kersting WuW 2014, 564, 568; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 270  Kersting WuW 2014, 564, 568; Krüger NZKart 2013, 483, 486. 271  Krüger NZKart 2013, 483, 486; Keßler VuR 2015, 83, 89. 272  Glöckner WRP 2015, 410, 415; Krüger WuW 2017, 229, 231. 266 Vgl. 267 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

dem Effektivitätsgrundsatz den Geschädigten ihre Rechtsdurchsetzung nicht un­ nötig zu erschweren, wäre die nachträgliche gesetzliche Normierung einer Be­ weislastumkehr erwägenswert.273 Diese Freiheit steht dem deutschen Gesetzgeber aber nur zu, wenn dem keine zwingenden Vorgaben der Richtlinie entgegenstehen. Zwar regelt Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b, anders als Art.  13 oder Art.  14 Abs.  1 SE-RL, die Beweislast nicht aus­ drücklich,274 setzt aber für die Anspruchsentstehung positiv voraus, dass kein Schadensersatz erlangt werden konnte.275 Daher kann der Verzicht in Art.  11 SERL auf eine Beweislastregelung wohl nicht so gedeutet werden, dass sie Sache der nationalen Gesetzgeber ist.276 Vielmehr hat der Richtliniengeber die Beweis­ last bewusst nur dann ausdrücklich normiert, wenn sie vom allgemeinen Grund­ satz abweichen soll. Die allgemeine Beweislastverteilung steht auch im Einklang mit dem Ausnah­ mecharakter der Vorschrift. Der Kronzeuge soll grundsätzlich nur gegenüber sei­ nen eigenen Abnehmern und Lieferanten gesamtschuldnerisch haften. Müsste der Kronzeuge aber in einem Prozess mit einem Nichtvertragspartner den Nichtausfall seiner Mitkartellanten beweisen und gelänge ihm dieser Nachweis nicht, würde dieser Grundsatz ins Gegenteil verkehrt. Angesichts der praktischen Schwierigkeiten für ein Kartellmitglied, die Zahlungsfähigkeit seiner Mitkartel­ lanten nachzuweisen, ist diese Konsequenz nicht ungewöhnlich.277 Insoweit müssten die Anforderungen an den Kronzeugen wenigstens auf einen Nachweis beschränkt werden, dass die Geschädigten mit hoher Wahrscheinlichkeit von den Mitkartellanten vollständigen Ersatz erlangen könnten.278 Allerdings würde auch diese Modifizierung vom Kronzeugen verlangen, die ausreichende Liquidität fremder Unternehmen nachzuweisen. Ließe man dafür den Nachweis genügen, dass die Mitkartellanten nicht insolvent oder offensicht­ lich in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten sind, bliebe es faktisch bei der aktu­ ellen gesetzlichen Ausgangslage. Die Geschädigten sähen sich dann in der Posi­ tion, beweisen zu müssen, dass sie aus anderen, verdeckten Gründen keinen vollständigen Ersatz erlangen können. Folglich würde auch hier die eigentliche Beweislast bei den Kartellopfern liegen und eine Verbesserung ihrer Lage hätte So jedenfalls Kersting WuW 2014, 564, 568; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. Legner WRP 2014, 1163, 1167. 275 Vgl. Kersting WuW 2014, 564, 568. 276 Vgl. Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 702. A.A. Kersting/Preuß Kartellschadenser­ satzrichtlinie, Kap. C Rn.  127; dies. WuW 2016, L1, L8. 277  Die Schwierigkeit der Beweisbarkeit für den Kronzeugen wird auch von Kersting/Preuß gesehen, wenngleich sie betonen, dass der Beweis nicht unmöglich ist, in: Kartellschadenser­ satzrichtlinie, S.  82. 278  So der Vorschlag von Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  128. 273 

274 Vgl.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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nicht stattgefunden. Der von der Richtlinie vorgesehene Schutz des Kronzeugen steht damit einer praktisch effektiven Beweislastumkehr zur Verbesserung der Geschädigtenposition entgegen. 4.  Verjährung der Ausfallhaftung Die Ausfallhaftung schützt den Geschädigten vor einer unvollständigen Kom­ pensation seines Schadens. Damit dieser Schutz in der Praxis nicht ins Leere läuft, hat der Gesetzgeber mit §  33h Abs.  8 GWB eine Sonderregelung für den Verjährungsbeginn bei der Ausfallhaftung eingeführt.279 Während sich der Ver­ jährungsbeginn bei den Schadensersatzansprüchen gegen die restlichen Kartell­ teilnehmer nach §  33h Abs.  2 GWB richtet, beginnt die Verjährung der Ausfall­ haftung gemäß §  33h Abs.  8 S.  1 Nr.  1 GWB erst mit dem Schluss des Jahres, in dem alle Voraussetzungen des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB vorliegen.280 In der Literatur ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass der Schadenser­ satzanspruch gegenüber dem Kronzeugen bereits mit dem Eintritt des Schadens durch die Lieferung oder Abnahme des kartellbefangenen Produkts bzw. der kar­ tellbefangenen Dienstleistung entsteht und, da zu diesem Zeitpunkt der Betref­ fende noch kein Kronzeuge ist, bereits dem Verjährungsbeginn nach §  33h Abs.  2 GWB unterliegt.281 Jedoch handelt es sich bei diesem Schadensersatzanspruch um den Anspruch aus §  33a Abs.  1 GWB, welcher mit erfolgreicher Teilnahme an dem Kronzeugenprogramm gegenüber dem Kronzeugen nach §  33e Abs.  1 S.  1 GWB erlischt. Der Ausfallanspruch aus §  33e Abs.  1 S.  2 GWB stellt einen eigenen, vom ursprünglichen losgelösten Anspruch dar, welcher einer eigenen Verjährung und damit auch einem eigenen Verjährungsbeginn unterliegt.282 Inso­ weit ist die Neuregelung §  33h Abs.  8 GWB konsequent. 5.  Ausschluss gemäß §  33e Abs.  2 GWB a.  Telos der Regelung Während §  33h Abs.  8 GWB für den Geschädigten eine begrüßenswerte Ergän­ zung der Ausfallhaftung darstellt, bedeutet die Norm für den Kronzeugen eine erhebliche Belastung. Er muss u. U. noch Jahre, nachdem sich seine Mitkartel­ lanten auf die Einrede der Verjährung berufen können, mit einer Inanspruchnah­

279  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  27; Berg/Mäsch/Mäsch §  33h GWB Rn.  11; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9; Kersting VersR 2017, 581, 591. 280  Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9; Kersting VersR 2017, 581, 591. 281 Siehe Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9. 282 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

me durch den Geschädigten rechnen.283 Um die Rechte und Interessen des Kron­ zeugen durch §  33h Abs.  8 GWB nicht übermäßig zu beeinträchtigen, hat der Gesetzgeber daher §  33e Abs.  2 GWB eingefügt, dem zufolge eine Ausfallhaf­ tung des Kronzeugen ausgeschlossen ist, soweit die Schadensersatzansprüche gegen die übrigen Rechtsverletzer bereits verjährt sind. Der Kronzeuge haftet folglich nicht für solche Schäden, deren Kompensation bei den anderen Schädi­ gern an der Verjährung der Ansprüche scheitert oder scheitern würde.284 b.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Anders als §  33e Abs.  1 S.  2 kann §  33e Abs.  2 GWB nicht zuvörderst als Ergeb­ nis der Richtlinienumsetzung angesehen werden, da die Richtlinie selbst keinen expliziten Ausschluss der Ausfallhaftung bei Verjährung vorsieht.285 Damit stellt sich zunächst die Frage nach der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Richtlinie: So könnte es sich bei §  33e Abs.  2 GWB um eine konsequente Fort­ führung der Richtliniengedanken handeln, die Ergänzung des deutschen Gesetz­ gebers könnte aber auch eine übermäßige Begünstigung des Kronzeugen darstel­ len und dem der Richtlinie immanenten Ausgleich zwischen Kronzeugen- und Geschädigteninteressen zuwiderlaufen.286 Hinsichtlich der Verjährung der Ausfallhaftung bestimmt die Richtlinie in Art.  11 Abs.  4 S.  2, dass die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die u. a. auf den Anspruch gemäß Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b SE-RL anwendbare Verjährungsfrist angemessen und ausreichend ist, damit die Geschädigten entsprechende Klagen erheben können. Sie gibt den Mitgliedstaaten somit keine konkrete Umsetzung vor, sondern gewährt ihnen einen weiten Spielraum. Dieser besteht indes nicht, wie der Wortlaut nahelegen könnte, nur für die Festlegung der Frist als solcher, da hinsichtlich des Schadensersatzanspruchs gemäß Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  a, der ebenfalls von Art.  11 Abs.  4 S.  2 SE-RL erfasst ist, schon in Art.  10 Abs.  3 SE-RL eine Frist vorgegeben ist. Vielmehr steht es den Mitgliedstaaten frei, die Verjäh­ rung in ihrer Gesamtheit, also auch im Hinblick auf Beginn und Hemmung, der­ art auszugestalten, dass den Geschädigten für ihre Anspruchsdurchsetzung eine angemessene und ausreichende Zeit zur Verfügung steht. Zwar lässt sich anzweifeln, dass sich die Regelung des §  33e Abs.  2 GWB noch innerhalb des Gestaltungsrahmens bewegt, den Art.  11 Abs.  4 S.  2 SE-RL vorgibt. Schließlich stellt sie nicht mehr nur die nähere Ausgestaltung der Einrede der Verjährung, sondern eine eigene Einwendung dar, die unabhängig davon Krüger NZKart 2013, 483, 484 Fn.  12. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  10; Lettl WM 2016, 1961, 1964. 285 Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  4; Kersting VersR 2017, 581, 591. 286 Vgl. Kersting VersR 2017, 581, 591. 283 Vgl. 284 

C.  Haftung im Außenverhältnis

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eingreift, ob sich der Kronzeuge auf sie beruft. Allerdings trifft die Richtlinie in dogmatischer Hinsicht keine Vorgaben, weshalb auch solche gesetzlichen Aus­ gestaltungen im Einklang mit der Richtlinie stehen, sofern die Geschädigteninte­ ressen durch die übrigen Regelungen zur Verjährung bereits angemessen und ausreichend geschützt sind.287 Angesichts der fünfjährigen Verjährungsfrist des §  33h Abs.  1 GWB, des kenntnisabhängigen Verjährungsbeginns gemäß §  33h Abs.  2 GWB mit dem zu­ sätzlichen Erfordernis der Beendigung des Kartellverstoßes sowie der Sonderre­ gelung für die Ausfallhaftung in §  33h Abs.  8 GWB muss ein verhältnismäßiger Geschädigtenschutz für die deutsche Richtlinienumsetzung bejaht werden. Setzt ein Geschädigter in dieser Zeit seine Ansprüche nicht durch, dann ist er auch unter Berücksichtigung der Regelungen zur Verjährungshemmung in §  33h Abs.  6 GWB kaum schutzbedürftig. Selbst wenn die Herbeiführung der Verjäh­ rung nicht vorsätzlich erfolgte, ist das Interesse des Kronzeugen an Rechtsfrie­ den nach dieser Zeit vorrangig. Schließlich soll ein Geschädigter nicht insofern vom Kronzeugenstatus eines Kartellanten profitieren, dass sich die ohnehin „großzügige Verjährungsfrist“288 durch die gesetzliche Privilegierung eines Kar­ tellmitglieds noch weiter verlängert. Die Ergänzung des §  33e Abs.  2 GWB ist insofern richtlinienkonform.289 c. Voraussetzungen Hinsichtlich seiner genauen Voraussetzungen ist §  33e Abs.  2 GWB wenig kon­ turiert. Unmissverständlich müssen, damit es auf den Ausschluss überhaupt an­ kommt, jedenfalls die Voraussetzungen des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB vorliegen, d. h. der Geschädigte muss beispielsweise aufgrund von Insolvenz oder erfolglo­ ser bzw. unzumutbarer Zwangsvollstreckung zumindest teilweise keinen Ersatz von allen übrigen Gesamtschuldnern erlangt haben. Ebenfalls eindeutig ist, dass eine Verjährung der Ersatzansprüche gegenüber den anderen Kartellmitgliedern eingetreten sein muss. Unklar ist der Gesetzeswortlaut aber im Hinblick darauf, ob die eingetretene Verjährung gegenüber einem oder mehreren Kartellmitgliedern für den Aus­ schluss bereits ausreicht oder ob §  33e Abs.  2 GWB stets eine Verjährung gegen­ über allen Kartellanten verlangt. Je nach Betonung des Wortlauts spricht die grammatische Auslegung für das eine oder das andere Ergebnis: Hebt man die Konjunktion „soweit“ hervor, müsste bereits die Verjährung gegenüber einem Gesamtschuldner dazu führen, dass der Ersatzanspruch gegenüber dem Kron­ Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  112. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33h GWB Rn.  1. 289  So auch Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  112. 287 Vgl. 288 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

zeugen in Höhe des Anteils, der im Innenverhältnis auf den betreffenden Ge­ samtschuldner entfällt, zu kürzen ist. Hebt man hingegen den Terminus „die Schadensersatzansprüche gegen die übrigen Rechtsverletzer“ hervor, spricht dies eher für die Annahme, dass erst eine Verjährung gegenüber sämtlichen Kar­ tellanten die Inanspruchnahme des Kronzeugen ausschließt.290 Ziel dieser Regelung ist, dass der Kronzeuge nicht „für bereits verjährte For­ derungen gegen die übrigen Gesamtschuldner zum Schadensersatz herangezo­ gen wird“.291 Entscheidend ist damit, inwieweit der Kronzeuge vor diesem Zu­ sammentreffen von Umständen geschützt werden muss. Der Kronzeuge soll durch §  33e Abs.  2 GWB vor Nachteilen geschützt werden, die allein aufgrund des späten Verjährungsbeginns der Ausfallhaftung entstehen. Solange sich auch noch andere Kartellanten, die dem Geschädigten vorrangig auf Schadensersatz haften, nicht auf die Verjährung der Ersatzansprüche berufen können, ist der Kronzeuge ihnen gegenüber nicht schlechter gestellt. Folglich kann es für einen den Geschädigten massiv in seinen Rechten beschneidenden Anspruchsaus­ schluss nicht – auch nicht teilweise – ausreichen, dass nur gegenüber einem oder mehreren Kartellanten Verjährung eingetreten ist.292 Der Geschädigtenschutz er­ fordert es daher, dass eine Verjährung gegenüber sämtlichen Mitkartellanten des Kronzeugen vorliegen muss. Die Verwendung des Wortes „soweit“ ist somit allein darin begründet, dass der Gesetzgeber zwischen einzelnen Schadensteilen, die einer unterschiedlichen Verjährung unterliegen, differenziert. Jedoch ist diese Unterscheidung wohl nur von untergeordneter Bedeutung, da §  33h Abs.  2 Nr.  3 GWB den Verjährungsbe­ ginn auch für ältere Schadensteile an die Beendigung des Kartellverstoßes knüpft. Voraussetzung von §  33e Abs.  2 GWB ist folglich neben dem Bestehen einer Ausfallhaftung lediglich, dass die Ansprüche gemäß §  33a Abs.  1 GWB gegen­ über allen Kartellanten – mit Ausnahme des Kronzeugen – verjährt sind. Welche Gründe die Ausfallhaftung abgesehen von der Verjährung beeinträchtigt hätten und welche Gründe überhaupt zum Eingreifen der Ausfallhaftung geführt haben, ist unerheblich.293

290  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  10 sehen den Wortlaut als dahinge­ hend eindeutig an. 291  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60. 292  So im Ergebnis auch Krüger WuW 2017, 229, 231. 293  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  10.

C.  Haftung im Außenverhältnis

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6.  Praktische Bedeutung der Regelung Im Gegensatz zum Umfang von §  33e Abs.  2 GWB für die Auflösung des Span­ nungsverhältnisses zwischen effektiver privater Rechtsdurchsetzung und Förde­ rung der Attraktivität der Kronzeugenprogramme ist die praktische Bedeutung der Ausfallregelung gering. Ein Ausfall aller Kartellanten wegen Zahlungsunfä­ higkeit sowie ein Ausfall aller Kartellanten wegen gesetzlicher Privilegierungen ist in der Praxis wenig wahrscheinlich.294 Während Liquiditätsprobleme der Kar­ tellanten durch die hohen Bußgelder der Kartellbehörden und den langen Zeitab­ lauf zwischen Kartellaufdeckung und Beendigung des Schadensersatzprozesses grundsätzlich denkbar und keineswegs ungewöhnlich sind,295 erscheint ein Aus­ fall aller Mitkartellanten wegen akuter Zahlungsschwierigkeiten jedoch kaum wahrscheinlich.296 Gleiches dürfte angesichts der teilweise hohen Schwellen der Privilegierungen297 für den Ausfall sämtlicher Kartellbeteiligter wegen gesetzli­ cher Privilegierungen gelten. Praktisch bedeutsam wird die Ausfallhaftung daher wohl am ehesten in Konstellationen, in denen die verschiedenen Ausfallgründe zusammentreffen. Allerdings ist auch hierfür die Wahrscheinlichkeit eher gering.

IV.  Haftung für Preisschirmeffektschäden Die Entstehung kartellbedingter Schäden ist nicht auf die unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten der Kartellmitglieder beschränkt. Kar­ tellbedingte Schäden können – wie bereits aufgezeigt – auch bei Geschäftspart­ nern von Kartellaußenseitern, typischerweise als sog. Preisschirmeffektschäden, entstehen.298 Wie die Kronzeugen für solche Schäden haften sollen, wurde bei den Neuregelungen ebenfalls bedacht. Hinsichtlich der Außenhaftung gilt das für die Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten Gesagte.299 Da es sich bei den Angehörigen beider Geschädigtengruppen nicht um Vertragspartner des Kron­ zeugen handelt, haftet dieser ihnen gegenüber gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB nur, soweit sie von den restlichen Schädigern keinen vollständigen Ersatz erlangen konnten. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Telos der Regelung, wonach 294  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  8, die ebenfalls auf die hohen Anforderungen der Ausfallhaftung hinweisen. 295  Siehe dazu auch Kap.  2 Fn.  66. 296  Vgl. insoweit auch Kersting ZWeR 2008, 252, 268 f., der die Gefahr eines insolvenzbe­ dingten Marktaustritts von Unternehmen wegen Kartellbußgeldern für „weitgehend gebannt“ hält. 297  Zur KMU-Privilegierung siehe unten S.  210 ff. 298  Siehe oben S.  22 ff. 299  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  41; Lettl WM 2016, 1961, 1965.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Kronzeugen in erster Linie nur von denjenigen Kartellopfern in Anspruch ge­ nommen werden sollen, die bei einer bloß subsidiären Haftung des Kronzeugen schlechter gestellt wären als ihre Mitschädiger.300 Dass die Mitkartellanten in dieser Konstellation wegen des Haftungsausschlusses vollständig für den kom­ pletten Schaden eines Drittabnehmers einstehen müssen, ist jedenfalls in Anbe­ tracht ihres vorangegangenen Handelns nicht unbillig.

V.  Vereinbarkeit mit Art.  17 GRCh 1.  Belastung der Geschädigten Die Neuregelung in §  33e Abs.  1 GWB modifiziert das System der kartellrechtli­ chen Schadensersatzhaftung beträchtlich. Da der Kronzeuge gegenüber mehre­ ren Geschädigten von seiner gesamtschuldnerischen Haftung nach §  33d Abs.  1 GWB i. V. m. §§  830, 840 Abs.  1 BGB befreit wird, müssen sich diese bei ihrer Beklagtenauswahl auf die weiteren Kartellanten beschränken.301 Erst wenn der Kronzeuge der einzig verbliebene (solvente) Schuldner ist, können die Nichtver­ tragspartner über die Ausfallhaftung gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB auf ihn zu­ greifen. Auch wenn der Schutz des Kronzeugen vor übermäßigen Schadens­ ersatz­ansprüchen vor allem zulasten der Mitschädiger gehen soll, bringt er doch auch eine gewisse Belastung der Geschädigten mit sich.302 2.  Eingriff in die Eigentumsfreiheit Die Belastung der Geschädigten durch die neuen Haftungsprivilegierungen ist soweit angemessen, wie sie mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Als Umset­ zung der zwingenden Vorgaben von Art.  11 Abs.  4 SE-RL ist §  33e Abs.  1 GWB im Hinblick auf die bloß subsidiäre Haftung des Kronzeugen an den Unions­ grundrechten zu messen.303 Von besonderer Relevanz ist hier die in Art.  17 GRCh geschützte Eigentumsfreiheit. Sie schützt nicht nur das Eigentum im zivilrechtli­ chen Sinn, sondern erfasst auch alle obligatorischen Rechte, auf deren Durchset­ zung der Anspruchsinhaber berechtigterweise vertrauen durfte.304 Die Schadens­

300 

Siehe oben S.  128 f. Janssen CB 2015, 35, 38. 302 A.A. Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1867, die wegen der Möglichkeit der Ausfall­ haftung die Rechte der Geschädigten durch die Privilegierung nicht berührt sehen. 303  Zur Anwendung der Unionsgrundrechte siehe oben S.  121 f. 304 Tettinger/Stern/Blanke Art.  17 GRCh Rn.  26; Jarass Art.  17 GRCh Rn.  6; Streinz/ Streinz Art.  17 GRCh Rn.  8. Zu Art.  14 GG siehe auch Glöckner WRP 2007, 490, 499 sowie Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 632. 301 Vgl.

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ersatzforderungen der Kartellgeschädigten unterliegen daher ab dem Zeitpunkt ihrer Entstehung dem Grundrechtsschutz.305 Art.  17 GRCh bewahrt die Geschädigten insbesondere vor unverhältnismäßi­ gen Enteignungen und Nutzungsregelungen. Zu untersuchen ist daher, ob §  33e Abs.  1 GWB einen solchen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Eigentums­ freiheit darstellt.306 Ein Eingriff in Form der Enteignung des Schadensersatzgläu­ bigers wäre anzunehmen, wenn der Schadensersatzanspruch durch die Erhebung eines Kartellmitglieds zum Kronzeugen vollständig gegen diesen ausgeschlos­ sen wird.307 Der Geschädigte müsste dann das Ausfall- und Insolvenzrisiko der übrigen Schädiger tragen.308 Einen solchen generellen Anspruchsausschluss sieht §  33e Abs.  1 GWB aber nicht vor. Während die gesamtschuldnerische Haf­ tung des Kronzeugen gegenüber seinen Vertragspartnern von vornherein voll bestehen bleibt, können die anderen Kartellopfer gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB wenigstens beim Ausfall der Mitschädiger vom Kronzeugen die Kompensation ihrer kartellbedingten Schäden fordern. Dessen Haftung wird in eine subsidiäre Haftung umgewandelt.309 An der Höhe und Kompensationsfähigkeit des Scha­ dens ändert §  33e Abs.  1 GWB nichts.310 Eine klassische Enteignung liegt damit nicht vor, denn das Gesetz entzieht dem Geschädigten seine Forderung nicht, sondern beschränkt lediglich seine Wahlmöglichkeit bei der Durchsetzung der Forderung.311 Gänzlich ausgeschlossen ist die Wahlmöglichkeit aufgrund der Kronzeugenprivilegierung nur, wenn das Kartell von Anfang an lediglich aus zwei Beteiligten bestand oder sich aufgrund von Insolvenzen die Zahl der noch existenten Kartellmitglieder auf zwei reduziert hat. Für einen Verstoß gegen Art.  17 GRCh ist diese Modifizierung der Durchset­ zung aber erst dann relevant, wenn sie die Qualität einer der Enteignung gleich­ gestellten Nutzungsregelung oder eines vergleichbaren Eigentumseingriffs be­ sitzt.312 Dafür müsste §  33e Abs.  1 GWB eine bestimmte Ausübung der Forde­ rungsinhaberschaft gebieten oder untersagen, sei es in zeitlicher, räumlicher oder

Glöckner WRP 2007, 490, 499. Vgl. zu Art.  14 GG: Dreher FS Möschel, S.  149, 165; Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 632; Bien EuZW 2011, 889, 890; Koch JZ 2013, 390, 393; Glöckner WRP 2015, 410, 417 f. 307 Vgl. Schwalbe/Höft FS Möschel, S.  597, 632; Krüger NZKart 2013, 483, 486; Glöckner WRP 2007, 490, 499; ders. WRP 2015, 410, 418; Zimmer/Höft ZGR 2009, 662, 716. 308  Milde Schutz des Kronzeugen, S.  253. 309  Schweitzer Schadensersatz, S.  13. 310  Vgl. zum Weißbuchvorschlag Milde Schutz des Kronzeugen, S.  251. 311 Vgl. Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  114; Janssen CB 2015, 35, 38; ferner Weidenbach/Saller BB 2008, 1020, 1025. 312  Jarass Art.  17 GRCh Rn.  20. 305 Vgl. 306 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

sachlicher Hinsicht.313 Das „Wie“ des Eigentumsgebrauchs müsste gesetzlich vorgegeben sein.314 §  33e Abs.  1 GWB gibt dem Geschädigten die Reihenfolge vor, in welcher er die Schädiger in Anspruch nehmen muss. Danach kann der Geschädigte gegen den Kronzeugen erst vorgehen, wenn die Rechtsdurchsetzung gegenüber allen anderen Schädigern erfolglos verläuft. Die Regelung bedeutet damit zwar keine Verhinderung, aber immerhin eine Erschwerung der Rechtsdurchsetzung.315 Das Gesetz gibt in gewisser Hinsicht die Nutzung der Forderung vor und stellt den Geschädigten damit haftungsrechtlich schlechter. Diese Art der Nutzungsregelung ist allerdings angesichts der großen Bedeu­ tung der Kronzeugen für die behördliche Kartellverfolgung und der Tatsache, dass es sich bloß um einen mittelbaren Eingriff handelt, zu rechtfertigen.316 Ge­ mäß Art.  17 Abs.  1 S.  3 GRCh ist eine gesetzliche Regelung der Nutzung grund­ rechtskonform, wenn sie für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.317 Die große Bedeutung der Kronzeugen für die öffentlich-rechtliche Kartellverfolgung ist ein gewichtiger Grund, um in die Geschädigtenrechte einzugreifen. Immerhin versetzen die Kronzeugen die Geschädigten durch die Aufdeckung des Kartell­ verstoßes überhaupt erst in die Lage, ihre Schadensersatzansprüche durchzuset­ zen.318 Hinzu tritt der Aspekt, dass auch ein öffentliches Interesse an einer Haf­ tungsprivilegierung des Kronzeugen besteht. Ohne eine derartige Regelung wür­ de der Anreiz, das eigene Kartell offenzulegen, sinken.319 Somit erfordert die effektive Kartellrechtsdurchsetzung als Teil des Gemeinwohls eine entsprechen­ de Privilegierung. Die Rechtfertigung reicht aber nur so weit, wie durch die bloß subsidiäre Haf­ tung des Kronzeugen keine übermäßige wirtschaftliche Belastung für den Ge­ schädigten entsteht.320 Eine solche könnte vor allem in erhöhten Rechtsverfol­ gungskosten wegen des erforderlichen Vorgehens gegen alle anderen Gesamt­ schuldner liegen.321 Entscheidend für die Verfassungsmäßigkeit des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB ist daher, ob die durch die Ausfallhaftung entstehenden Vermögens­ 313 Siehe Jarass Art.  17 GRCh Rn.  20; Stern/Sachs/Vosgerau Art.  17 GRCh Rn.  70; Cal­ liess/Ruffert/Calliess Art.  17 GRCh Rn.  13; Shirvani VerwArch 2013, 83, 94. 314  Vgl. EuGH v. 15.1.2013, Rs. C-416/10, ECLI:EU:C:2013:8, Tz.  113 f. – Krizan; EuGH v. 13.2.2014, Rs. C-530/11, ECLI:EU:C:2014:67, Tz.  70 – Kommission/Grobritannien. 315  Kersting WuW 2014, 564, 568; Makatsch/Mir EuZW 2015, 7, 11. 316  So auch Glöckner WRP 2015, 410, 418. 317  Vgl. auch Glöckner WRP 2015, 410, 419. 318  Siehe Erw.Gr. 38 SE-RL; Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  114; Kersting ZWeR 2008, 252, 267. 319 Vgl. Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1867. 320  Glöckner WRP 2015, 410, 418. 321 Vgl. Glöckner WRP 2015, 410, 418.

C.  Haftung im Außenverhältnis

167

nachteile des Geschädigten kompensiert werden.322 Da dieser gegenüber dem Kronzeugen sämtliche Kosten, die zur Wahrung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren, als Schaden geltend machen kann, besteht im Ergebnis kei­ ne erhöhte wirtschaftliche Belastung.323 Der Geschädigte bleibt nicht auf den Kosten der erschwerten Rechtsdurchsetzung sitzen. Die Haftungsprivilegierung von Kronzeugen bedeutet für ihn also keinen übermäßigen Eingriff in seine Eigentumsfreiheit. Durch die Ausfallhaftung wird ihm kein Schuldner dauerhaft entzogen. Vielmehr kann der Geschädigte nach­ rangig auch den Kronzeugen in Anspruch nehmen. Dass auch dieser ausfallen könnte, ist ein allgemeines Lebensrisiko, das seinen Ursprung nicht in den Neu­ regelungen zur gesamtschuldnerischen Haftung findet. 3.  Anhörung der Geschädigten Im Zusammenhang mit dem Eingriff in Art.  17 GRCh steht auch die Frage, ob die neuen Regelungen notwendig zu einer Anhörung der Geschädigten im be­ hördlichen Verfahren führen. Anzuhören sind alle vom Verwaltungsakt Betroffe­ nen.324 Betroffen durch die Erhebung eines Kartellmitglieds zum Kronzeugen sind im öffentlichen Recht allein die Mitkartellanten. Im Gegensatz zum Kron­ zeugen erhalten sie keinen vollständigen Bußgelderlass. Allerdings wirkt sich die Einräumung des Kronzeugenstatus seit Inkrafttreten des §  33e GWB nicht im öffentlichen Recht, sondern auch privatrechtsgestaltend aus.325 Neben den Mit­ kartellanten sind folglich alle sonstigen durch das Schadensersatzverfahren Be­ lasteten und damit auch die Geschädigten Betroffene.326 Sie können erst im Wege der Ausfallhaftung gegen den Kronzeugen vorgehen, was ihre erfolgreiche Rechtsdurchsetzung bei fehlender Solvenz der restlichen Kartellanten spürbar verzögert. In gewisser Weise sind sie somit haftungsrechtlich schlechter ge­ stellt.327 Schließlich ist die Inanspruchnahme des Kronzeugen für sie nur unter speziellen Voraussetzungen möglich.

Glöckner WRP 2015, 410, 421. MünchKommBGB/Ernst §  286 BGB Rn.  157. Aus Klarstellungsgründen könnte der Gesetzgeber überdies eine Vorschrift nach dem Vorbild des §  767 Abs.  2 BGB normieren. 324  Siehe dazu Guckelberger JuS 2011, 577, 577 f. 325  Schweitzer NZKart 2014, 335, 344; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9; Kersting VersR 2017, 581, 592; Krüger WuW 2017, 229, 231; Keßler VuR 2015, 83, 90. 326  Schweitzer NZKart 2014, 335, 344; Hösch Innenausgleich, S.  379. A.A. Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  114, die keine materielle Schlechterstellung der Ge­ schädigten sieht. 327 Siehe Kersting WuW 2014, 564, 568. 322 

323  Vgl.

168

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Als Betroffene stehen ihnen neben Akteneinsichtsrechten auch Anhörungs­ rechte zu.328 Auf europäischer Ebene bestimmt Art.  27 Abs.  1 S.  1 VO 1/2003, wer von der Kommission vor dem Erlass eines Bußgeldbescheids anzuhören ist. Insbesondere müssen danach diejenigen Unternehmen angehört werden, gegen die sich das Verfahren richtet. Soweit es die Kommission für erforderlich hält, kann sie nach Art.  27 Abs.  3 VO 1/2003 auch andere natürliche oder juristische Personen anhören. Keine Regelung trifft die Norm allerdings hinsichtlich der Anhörung vor Erlass eines Kronzeugenbescheids. Gleiches gilt auf nationaler Ebene. Der dort anzuwendende §  56 Abs.  1 GWB ordnet lediglich die Anhörung der vom Kartellverwaltungsverfahren Betroffenen an. Anhörungsrechte für die Geschädigten sind dagegen nicht vorgesehen. Als Konsequenz dieser fehlenden Anhörungsmöglichkeiten könnte die Haf­ tungsprivilegierung gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen.329 Da dies aber weder für die Stärkung der privaten Rechtsdurchsetzung im Allgemeinen noch für die Rechte der Geschädigten im Besonderen zielführend ist, muss stattdessen eine Nachbesserung der bestehenden Regelungen auf europäischer und nationa­ ler Ebene vorgenommen werden.330 Da eine Anhörung sämtlicher Geschädigter aber aufgrund der hohen Zahl an Unbekannten praktisch kaum durchführbar ist, wäre ein gesetzlich normiertes Anhörungsrecht aller Geschädigten kaum sinn­ voll.331 Die Bedürfnisse der Praxis befriedigt eine gesetzliche Regelung, die die Anhörungsrechte der Geschädigten unter Berücksichtigung des Verhältnismä­ ßigkeitsgrundsatzes einschränkt, viel besser.332 Die große Zahl der vom Verwaltungsakt Betroffenen erfordert eine Regelung, wie sie §  28 Abs.  2 Nr.  4 VwVfG für Allgemeinverfügungen vorsieht. Danach kann von einer Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn die Behörde eine Allgemeinver­ fügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will. Die Erhebung zum Kron­ zeugen betrifft gerade eine unbestimmte Anzahl von Personen, die sich nur nach allgemeinen Merkmalen, nämlich der Schädigung durch die Kartellabrede, be­ stimmen lassen. Die deutsche Regelung in §  56 GWB müsste in ihrem Abs.  4

Schwab Entwurf, S.  42; Schweitzer Schadensersatz, S.  13; dies. NZKart 2014, 335, 344; Keßler VuR 2015, 83, 90. 329 So Böni EWS 2014, 324, 329. 330  Hösch Innenausgleich, S.  379; Kersting WuW 2014, 564, 568; Schweitzer NZKart 2014, 335, 344. 331  Böni EWS 2014, 324, 329; Kersting WuW 2014, 564, 568; ders. VersR 2017, 581, 592; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L9; Keßler VuR 2015, 83, 90. 332  Schweitzer Schadensersatz, S.  13. 328 

C.  Haftung im Außenverhältnis

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daher um eine Verweisung auf §  28 VwVfG ergänzt und auf europäischer Ebene müsste eine vergleichbare Norm eingefügt werden. 4.  Umgestaltung als Einrede der Vorausklage Einen deutlich schwächeren Eingriff in die Geschädigtenrechte könnte indes die Umgestaltung der Ausfallhaftung in eine Einrede der Vorausklage darstellen.333 Anstelle einer subsidiären Haftung könnte die gesetzliche Privilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis in der Weise stattfinden, dass ihm gegenüber den Geschädigten, mit denen er sich weder unmittelbar noch mittelbar in Ge­ schäftsbeziehungen befindet, das Recht zusteht, die Befriedigung des Geschä­ digten solange zu verweigern, bis dieser gegen alle Mitkartellanten die Zwangs­ vollstreckung erfolglos betrieben hat. Die Regelung des §  771 BGB könnte hier­ für als Vorbild dienen.334 Für den Geschädigten brächte eine solche Einrede den Vorteil, dass der Kron­ zeuge ihm gegenüber trotz fehlender Geschäftsbeziehung weiterhin passivlegiti­ miert bliebe.335 Im Gegenzug stünde diesem aber eine Einrede zu, wonach er den Geschädigten zunächst auf die Mitkartellanten verweisen könnte. Erst wenn der Geschädigte von ihnen nicht vollständig befriedigt würde, müsste der Kronzeuge den verbleibenden Schaden kompensieren.336 Die Rechtsdurchsetzung des Ge­ schädigten wäre insofern erleichtert, als er den Kronzeugen, erhebt dieser die Einrede nicht, auch als Erstes in Anspruch nehmen könnte. In grundrechtlicher Hinsicht stellt die Gewährung einer Einrede für den An­ spruchsgegner zwar in gewisser Weise ebenfalls eine Schlechterstellung zur voll­ ständigen, einredefreien Haftung dar. Jedoch liegt diese Art des Eingriffs in ihrer Intensität unter derer einer Umwandlung der vollständigen Haftung in eine sub­ sidiäre Haftung, wie sie die Ausfallhaftung bewirkt. Der Kronzeugen hätte die Möglichkeit, bei offensichtlichem Ausfall der Mitkartellanten auf die Erhebung der Einrede zu verzichten. Auf diese Weise könnte er nicht nur die Dauer der Rechtsverfolgung deutlich verkürzen, sondern auch deren Kosten senken. Letz­ teres kommt auch ihm zugute, schließlich müsste der Kronzeuge diese bei voll­ ständigem Unterliegen entsprechend §  767 Abs.  2 BGB in voller Höhe tragen.337 Gleichzeitig entlastet er hierdurch den Geschädigten. Diesem würde ein einziger 333  Art.  88/D

des ungarischen Kartellgesetzes aus 2009 sieht eine Art Einrede der Voraus­ klage für den Kronzeugen vor, siehe dazu Krüger Kartellregress, S.  320; Dreher FS Möschel, S.  149, 163 f. sowie Nagy WuW 2010, 902, 908 ff. 334 Vgl. Kersting ZWeR 2008, 252, 268; Koch JZ 2013, 390, 394; auch Kamann/Ohlhoff/ Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  698; Schroll Kronzeugenprogramme, S.  171. 335 Vgl. Koch JZ 2013, 390, 394. 336  Vgl. Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  698. 337  Vgl. dazu MünchKommBGB/Habersack §  767 BGB Rn.  8.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

Prozess ausreichen, um sein Recht durchzusetzen. Ein zweiter Prozess wäre, an­ ders als bei der Ausfallhaftung, nur dann erforderlich, wenn der Kronzeuge die Einrede erhebt. Allerdings bedeutet eine Umsetzung der Richtlinienvorgaben als Einrede für den Kronzeugen eine deutliche Mehrbelastung im Vergleich zur Ausfallhaftung des §  33e Abs.  1 S.  2 GWB. Er muss die Einrede der Vorausklage erst erheben.338 Anders als die derzeitige gesetzliche Ausgestaltung wird sie nicht von Gesetzes wegen berücksichtigt. Erhebt der Kronzeuge die Einrede nicht, so haftet er im Außenverhältnis voll. Dies steht aber nicht im Einklang mit Art.  11 Abs.  4 S.  1 SE-RL. Danach soll der Kronzeuge unabhängig von irgendwelchen Handlungen vor einer übermäßigen Belastung durch die Schadensersatzansprüche geschützt werden. Auf diese Weise wird die Kronzeugenstellung so gestärkt, dass sie den Anreiz erhöhen kann, an Kronzeugenprogrammen teilzunehmen.339 Eine bloße Abwehrmöglichkeit des Kronzeugen in Form einer Einrede genügt diesen Anfor­ derungen nicht. Einer Umgestaltung der Ausfallhaftung in eine Einrede der Vor­ ausklage stehen daher die Richtlinienvorgaben entgegen.

D.  Haftung im Innenverhältnis I.  Ergänzung der Außenhaftung Die Privilegierung im Außenverhältnis ist für einen Kronzeugen nur von be­ grenztem Nutzen, wenn er über den Innenregress letztlich doch die Schäden der Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten sowie der Kartellaußenseiter tra­ gen muss. Zwar bietet ihm eine isolierte Privilegierung im Außenverhältnis im­ merhin Schutz vor der hohen Gesamtforderung und verhindert, dass er von An­ fang an das Ausfall- und Insolvenzrisiko seiner Mitschädiger übernehmen muss. Allerdings schützt ihn die Regelung der Außenhaftung nicht davor, dass er letzt­ endlich für seinen Anteil am Schaden einstehen muss. In wirtschaftlicher Hin­ sicht wäre eine isolierte Privilegierung im Außenverhältnis daher wertlos, viel zu schnell würde sie durch die Haftung im Innenverhältnis ausgehöhlt.340 Die Überlegungen der Kommission zur Einführung einer Privilegierung des Kronzeugen im Innenverhältnis sind in der Literatur jedoch nicht nur deshalb auf Zustimmung gestoßen, weil sie die Außenhaftung sinnvoll ergänzen.341 Vielfach 338 

Vgl. Palandt/Sprau §  771 BGB Rn.  1. Koch JZ 2013, 390, 394. 340 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  55; Lettl WM 2016, 1961, 1964. 341  Fiedler BB 2013, 2179, 2184. Vgl. auch die Kritiklosigkeit bei Kersting/Podszun/ 339 Vgl.

D.  Haftung im Innenverhältnis

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wurde eine isolierte Haftungsprivilegierung im Innenverhältnis als einzige Mög­ lichkeit angesehen, den Kronzeugen im Einklang mit höherrangigem Recht haf­ tungsrechtlich besser zu stellen.342 Schließlich wirkt sich eine Beschränkung der Innenhaftung allein zulasten der Mitkartellanten und nicht zulasten der Geschä­ digten aus.343 Dass eine Privilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis trotzdem mit den Geschädigtenrechten vereinbar sein kann, haben die Neurege­ lungen gezeigt.344 Um deren Nutzen für die begünstigten Kronzeugen abzusi­ chern, normiert §  33e Abs.  3 GWB, wie von Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL vorgege­ ben, eine zweite Privilegierung.

II.  Haftung für Schäden eigener Abnehmer und Lieferanten 1.  Regelung des §  33e Abs.  3 S.  1 GWB Seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle enthält §  33e Abs.  3 GWB eine spezielle Regelung zur Innenhaftung des Kronzeugen. Kern der Spezialvorschrift ist ihr S.  1, dem zufolge ein Kronzeuge gegenüber seinen Mitschädigern nur bis zur Höhe des Schadens einzustehen hat, den er seinen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern und Lieferanten durch den Kartellverstoß verursacht hat. Der Kron­ zeuge muss folglich nur für die Schäden seiner Vertragspartner und nicht auch für die Schäden anderer einstehen.345 Er ist damit weder einer vollständigen Haf­ tung im Innenverhältnis ausgesetzt noch vollständig von einer solchen Haftung befreit. 2.  Begriff der Verursachung Aus §  33e Abs.  3 GWB geht nicht eindeutig hervor, wonach sich bemisst, inwie­ weit der Kronzeuge einen Schaden seiner Abnehmer und Lieferanten verursacht hat. Die Norm enthält keine näheren Bestimmungen zum Verständnis des Verur­ sachungsbegriffs. Aufschluss darüber könnte allerdings ein Blick auf die allge­ meine Haftungsverteilung in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB bringen, welche ebenfalls an die Verursachung des Schadens anknüpft. Versteht man den Begriff der Verur­ Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  54 ff.; Gänswein NZKart 2016, 50, 53 f.; Schwenke NZKart 2015, 383, 387; Weitbrecht NJW 2017, 1574, 1576. Deutlich zurückhaltender Keßler VuR 2015, 83, 89. A.A. Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  130. 342  Meeßen Schadensersatz, S.  558; Alexander Schadensersatz, S.  423; Ebers Rechte, S.  596; Kersting Weißbuch, S.  4; ders. ZWeR 2008, 252, 266 f.; Dworschack/Maritzen WuW 2013, 829, 841; Keßler VuR 2015, 83, 89. 343  Kersting ZWeR 2008, 252, 267. 344  Siehe oben S.  164 ff. Immer noch kritisch hingegen Kersting VersR 2017, 581, 592. 345 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  60; Krüger WuW 2017, 229, 231.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

sachung in beiden Fällen gleich, bedeutet §  33e Abs.  3 GWB hinsichtlich der Verursachung die Anwendung der allgemeinen Regelung. Für die Schäden der eigenen Geschäftspartner bliebe es bei der Haftungsverteilung gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB. Der Kronzeuge würde insoweit wie jeder andere Gesamt­ schuldner haften. Eine Privilegierung fände in Bezug auf diese Schäden nicht statt. Für ein derartiges Verständnis des §  33e Abs.  3 GWB spricht, dass es einen Gleichlauf zwischen Innen- und Außenverhältnis erzeugt.346 Auch im Außenver­ hältnis muss der Kronzeuge für die Schäden seiner Vertragspartner voll einste­ hen.347 Insoweit bedarf es daher auch keiner Regelung im Innenverhältnis, die eine Privilegierung im Außenverhältnis wirtschaftlich aufrechterhält. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei §  33e Abs.  3 S.  1 GWB nicht um eine rein nationale Regelung handelt. Hinter ihr steht Art.  11 Abs.  5 S.  2 SERL,348 dessen Verständnis des Verursachungsbegriffs bei der Auslegung zu be­ rücksichtigen ist. Zuvörderst stützt die Vorgabe der Richtlinie den Gleichlauf zwischen Innen- und Außenverhältnis, da auch sie für die Innenhaftung den Schaden, den der Kronzeuge seinen Abnehmern und Lieferanten verursacht hat, für maßgeblich erachtet. Im Gegensatz zur deutschen Umsetzung verwendet die Richtlinie den Begriff der Verursachung jedoch gerade nicht bei den Vorgaben zum allgemeinen Innenregress in Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL, sondern stellt dort auf die relative Verantwortung für den kartellbedingten Schaden ab.349 Es er­ scheint daher möglich, dass bei der Innenhaftung des Kronzeugen für Schäden, die in seiner Abnehmer- und Lieferkette entstanden sind, nach der Intention der Richtlinie nicht bloß eine Rückkehr zur allgemeinen Haftungslage erfolgen soll. Die Differenzierung im Richtlinientext zwischen Verursachung und Verantwor­ tung deutet vielmehr darauf hin, dass der Kronzeuge bei der Innenhaftung anders behandelt werden soll. Anstelle einer Anknüpfung an die generelle Verantwortung bei der kartell­ rechtlichen Zuwiderhandlung, wie sie beim Verursachungsbegriff i. S. d. §  33d Abs.  2 S.  1 GWB vorzunehmen ist,350 könnte der Verursachungsbegriff der Richtlinie an einen anderen Moment anknüpfen. Statt auf die Vornahme der Ab­ sprache könnte er deliktsrechtsuntypisch auf die Setzung der konkreten Ursache, also den Vertragsschluss über die kartellbefangene Ware oder Dienstleistung, abstellen. Ausschlaggebend wäre für die Haftungsverteilung dann, wie viele der kartellbefangenen Waren und Dienstleistungen der Geschädigte von dem Kron­ 346 

Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  60. Siehe oben S.  144. 348  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60. 349  Ebenso Erw.Gr. 38 SE-RL. 350  Siehe oben S.  60. 347 

D.  Haftung im Innenverhältnis

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zeugen bezogen hat.351 Dies drückt sich in den Liefer- und Bezugsanteilen des Kronzeugen gegenüber seinem Geschäftspartner aus.352 Nach diesem Verständnis des Verantwortungsbegriffs würde der Haftungsan­ teil des Kronzeugen im Innenverhältnis zunächst nach seiner relativen Verant­ wortung für den Schaden bestimmt.353 Läge die sich daraus ergebende Haftungs­ quote aber über der Haftungsquote, die sich aus den prozentualen Liefer- und Bezugsanteilen des Kronzeugen an den Geschädigten ergäbe, wäre sein Haf­ tungsanteil auf letztere begrenzt.354 Nimmt ein Mitkartellant den Kronzeugen in Regress, so müsste für jede einzelne Ausgleichsforderung überprüft werden, ob ihre Höhe durch die konkreten Liefer- und Bezugsanteile des Kronzeugen gede­ ckelt wäre. Läge der Lieferanteil in einzelnen Fällen über dem Haftungsanteil nach der allgemeinen Haftungsverteilung, dann käme der Begrenzung hingegen keine Relevanz zu und die allgemeine Haftungsverteilung wäre allein maß­ geblich. Wirtschaftlich betrachtet stellt dieses Verständnis von Art.  11 Abs.  5 S.  2 SERL für den Kronzeugen eine Art „Günstigerprüfung“ dar.355 Er haftet entweder nach der normalen Haftungsverteilung oder entsprechend seiner Liefer- und Be­ zugsanteile, abhängig davon, welcher Maßstab die niedrigere Haftungsquote er­ gibt. Die exklusive Belieferung eines Geschädigten durch einen Kronzeugen, der ansonsten eine geringere relative Verantwortung aufweist, würde folglich nicht zu einer Innenhaftung von 100  % führen.356 In diesem Fall bliebe es bei der nied­ rigen Haftungsquote nach allgemeinen Maßstäben. Umgekehrt würde durch die­ se Auslegung von Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL aber relativiert, dass eine einmalige Abnahme oder Belieferung für die Vertragspartnereigenschaft und damit für den Entfall der Privilegierung im Außenverhältnis ausreicht.357 Während der Kron­ zeuge bei einem Gleichlauf seiner Innen- und Außenhaftung bezüglich der Schä­ den seiner Vertragspartner auch für die Schäden eines einmal Abnehmenden oder Belieferten nach der allgemeinen Haftungsverteilung voll einstehen müsste, wäre die Haftung bei einer Anknüpfung der Verantwortung an den Vertrags­ Schwenke NZKart 2015, 383, 388. Siehe Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1255 Fn.  129; Gänswein NZKart 2016, 50, 53; Rust NZKart 2015, 502, 509; Schwenke NZKart 2015, 383, 388. Vgl. auch Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  115. 353  Schwenke NZKart 2015, 383, 388. 354  Schwenke NZKart 2015, 383, 388. 355  Gänswein NZKart 2016, 50, 53. Vgl. auch Schwenke NZKart 2015, 383, 388. 356  Wegen der bereits im Richtlinientext enthaltenen Begrenzung kann es nicht zu den von Schwenke NZKart 2015, 383, 384 gefürchteten Ergebnissen kommen, die eine gesetzliche An­ passung erforderlich machten. 357  Siehe dazu oben S.  134. 351 Vgl. 352 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

schluss wegen des nur einmaligen Waren- oder Dienstleistungsaustausches stark begrenzt. Eine Anknüpfung an die Lieferanteile hatte die Kommission bereits im Ar­ beitspapier zum Weißbuch überlegt.358 Dort wurde vorgeschlagen, dass Kron­ zeugen weder für Schäden haften sollen, die ein Geschädigter erlitten hat, der weder direkt noch indirekt kartellierte Produkte von ihm erlangt hat, noch für Schäden, die durch Produkte oder Dienstleistungen entstanden sind, die von ei­ nem anderen Kartellanten gekauft wurden.359 Allerdings fehlt dieser Waren- oder Dienstleistungsbezug in der Schadensersatzrichtlinie völlig.360 Diese stellt nur generell auf die Abnehmer- bzw. Lieferanteneigenschaft ab.361 Die Zahl der aus­ getauschten Produkte ist unerheblich. Auch ist die Richtlinie grundsätzlich so konzipiert, dass der Kronzeuge lediglich vor einer übermäßigen Inanspruchnah­ me geschützt werden soll.362 Eine weitergehende Haftungsbefreiung soll ihm nicht zugutekommen. Der Schutz vor übermäßigen Schadensersatzforderungen wird aber schon durch die Beschränkung der Innenhaftung auf die Schäden der Vertragspartner erreicht. Einer darüber hinausgehenden weiteren Beschränkung der Haftung auch für diese Schäden bedarf es somit nicht. Die Vorgaben der Richtlinie sind damit so zu verstehen, dass es hinsichtlich der Innenhaftung für die Schäden der Geschäftspartner beim allgemeinen Verur­ sachungsbegriff bleiben soll. Zwar verwendet die Richtlinie zwei unterschiedli­ che Begriffe, meint aber jeweils die generelle Verantwortung des Kronzeugen für die kartellrechtliche Zuwiderhandlung. Dem Gesamtkonzept der Richtlinie lässt sich nicht entnehmen, dass Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL ausnahmsweise delikts­ rechtsuntypisch auf den Vertragsschluss abstellen will. Vielmehr soll die Bildung des Kartells durch die Vornahme einer Abrede Anknüpfungspunkt der Haftungs­ verteilung bleiben. Der Regelungsgehalt des Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL und sei­ ner Umsetzung in §  33e Abs.  3 S.  1 GWB liegt in der Begrenzung der Haftung auf die Schäden, die den unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern und Liefe­ ranten des Kronzeugen entstanden sind. 3.  Keine zusätzliche Privilegierung analog §  254 Abs.  2 BGB Im Anschluss an die Erwägungen der Kommission in ihrem Grünbuch, den Haf­ tungsanteil des Kronzeugen im Innenverhältnis zu begrenzen,363 wurde in 358  Arbeitspapier

zum Weißbuch, SEC(2008) 404. zum Weißbuch, SEC(2008) 404, S.  88. 360  Siehe S.  132 f. 361 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L8. 362  Erw.Gr. 38 SE-RL. 363  Siehe Grünbuch „Schadensersatzklagen wegen Verletzung des EU-Wettbewerbsrechts“ v. 19.12.2005, KOM(2005) 672, S.  11. 359  Arbeitspapier

D.  Haftung im Innenverhältnis

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Deutschland schon lange vor dem Richtlinienerlass diskutiert, ob und wie sich eine Kronzeugenprivilegierung im Innenverhältnis de lege lata herleiten ließe. Ansatzpunkt der Überlegungen war insbesondere die allgemeine Haftungsvertei­ lung gemäß §  426 Abs.  1 S.  1 i. V. m. §  254 BGB analog. Zwar ließ sich der Kron­ zeugenbeitrag mangels nachträglicher Reduzierung des Verursachungsbeitrags „auf null“ nicht analog §  254 Abs.  1 BGB berücksichtigen.364 Allerdings verstand ein beträchtlicher Teil der Literatur diesen als Schadensminderung i.w.S., die über den neben Abs.  1 anzuwendenden Abs.  2 des §  254 BGB einzubeziehen sei.365 Auch nach Inkrafttreten der Neuregelung zum kartellrechtlichen Innenregress in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB könnte diese Überlegung Bestand haben. Schließlich findet der Rechtsgedanke des §  254 Abs.  1 BGB nach dem Willen des Gesetzge­ bers weiterhin bei der Bestimmung der Haftungsanteile Anwendung.366 §  33d Abs.  2 S.  1 GWB stellt nur eine Spiegelung der Norm im Kartelldeliktsrecht dar. Folglich könnte auch der Rechtsgedanke des §  254 Abs.  2 BGB die Bestimmung der allgemeinen Haftungsverteilung beeinflussen, indem der Aufdeckungsbei­ trag bei der Quotenfestsetzung entsprechend zu würdigen ist. Für den Kronzeu­ gen würde dies eine doppelte Privilegierung bei der Innenhaftung bedeuten. Ei­ nerseits wäre seine relative Verantwortung wegen der Kooperation mit den Wett­ bewerbsbehörden nach dem Rechtsgedanken des §  254 Abs.  2 BGB reduziert. Andererseits wäre seine Haftung zusätzlich gemäß §  33e Abs.  3 S.  1 GWB auf die Schäden beschränkt, die seinen Vertragspartnern entstanden sind. Die Richtlinie sieht in Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL hingegen nur eine einfache Privilegierung vor. Die von der Kooperation ausgehenden positiven Effekte sol­ len durch eine Beschränkung der Haftung auf die Schäden der Vertragspartner honoriert werden. Ob diese Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis abschlie­ ßend ist, lässt sich dem Richtlinientext nicht eindeutig entnehmen. Zwar macht die Richtlinie hinsichtlich der Privilegierung im Innenverhältnis keine weiteren Vorgaben, jedoch handelt es sich bei ihr grundsätzlich auch nur um eine mindest­ harmonisierende Richtlinie.367 Ziel der Vorgaben ist es, den Kronzeugen vor übermäßigen Schadensersatzansprüchen zu bewahren.368 Ein Wille der Richtli­ nie, weitere Entlastungen des Kronzeugen nicht zuzulassen, lässt sich daraus

Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  409; Hösch Innenausgleich, S.  369. Krüger Kartellregress, S.  87; Schroll Kronzeugenprogramme, S.  170; Dworschack/ Maritzen WuW 2013, 829, 842; Kersting ZWeR 2008, 252, 267; Koch JZ 2013, 390, 393 f.; ferner Vollrath NZKart 2013, 434, 443. 366  Siehe oben S.  59 f. 367  Zur Mindest- oder Vollharmonisierung einiger Regelungen der Richtlinie siehe auch Vollrath NZKart 2013, 434, 437. 368  Erw.Gr. 38 SE-RL. 364 Siehe 365 Vgl.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

nicht entnehmen.369 Folglich steht es dem nationalen Gesetzgeber – soweit sich dies mit den Geschädigtenrechten vereinbaren lässt – grundsätzlich frei, den Kronzeugen auch auf anderem Wege zu privilegieren. Allerdings ist ernsthaft in Zweifel zu ziehen, dass der deutsche Gesetzgeber die Kooperation des Kronzeugen bereits in die Bestimmung des Haftungsanteils gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB einfließen lassen will. Die Norm setzt an den Umständen und dem Maß der Verursachung der Zuwiderhandlung an. Maßstab der Haftungsverteilung ist damit die Begehung und nicht die Beendigung des Kartellverstoßes.370 Dies macht auch die Gesetzesbegründung deutlich, die le­ diglich Bezug auf den Rechtsgedanken des §  254 Abs.  1 BGB nimmt, dessen Abs.  2 dagegen nicht erwähnt.371 Entsprechend fällt die Formulierung des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB aus, die ausschließlich dem Wortlaut des §  254 Abs.  1 BGB angepasst ist.372 Überdies kann ein Beitrag nach Entstehung des Schadens nur schwerlich über­ haupt eine Schadensminderung i. S. d. §  254 Abs.  2 BGB darstellen.373 Hierfür reicht ein bloßes Aufhören mit der Schädigung nicht aus, da der Schädiger dazu schon kraft Gesetzes verpflichtet ist. Vielmehr muss der Schaden bereits bei seiner Entstehung in Grenzen gehalten werden.374 Der Beitrag des Kronzeugen be­ schränkt sich aber darauf, seiner Pflicht entsprechend nicht weiter gegen das Kartell­recht zu verstoßen und die Kartellbehörden auf den Kartellverstoß hinzu­ weisen.375 Als bloßes Nachtatverhalten kann es aber nicht als Beitrag zur Verrin­ gerung des bereits zuvor entstandenen Schadens angesehen werden.376 Die Scha­ densentstehung ist im Zeitpunkt der Antragstellung regelmäßig abgeschlossen.377 Dass mit der Kartellaufdeckung auch eine Erleichterung der Anspruchsdurchset­ zung für die Geschädigten einhergeht, ist zwar begrüßenswert, stellt aber keinen Beitrag dar, der den Wertungen des §  254 Abs.  2 BGB entspricht.378 Im Gegenteil wurde zur Honorierung dieser positiven Folgen gerade die Haftungsbegrenzung gemäß §  33e Abs.  3 S.  1 GWB geschaffen. Neben dieser ist nach geltendem Recht somit keine weitere Privilegierung der Innenhaftung des Kronzeugen vorgesehen. 369 

So auch Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  130. Siehe S.  61 ff. 371  Vgl. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 372  Vgl. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 373  So auch Kersting ZWeR 2008, 252, 267, der betont, dass rein technisch §  254 Abs.  2 BGB nicht eingreift. 374 Jauernig/Teichmann §  254 BGB Rn.  10. 375  Bien EuZW 2011, 889, 890. Vgl. auch Glöckner WRP 2015, 410, 415. 376  Hösch Innenausgleich, S.  369 f. Vgl. auch Bien EuZW 2011, 889, 890. 377 Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  130; Kersting ZWeR 2008, 252, 267. 378 Vgl. Jüchser Beteiligung, S.  191; Glöckner WRP 2015, 410, 415. A.A. Schroll Kronzeu­ genprogramme, S.  170 f.; Koch JZ 2013, 390, 394. 370 

D.  Haftung im Innenverhältnis

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III.  Haftung für Schäden der Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten 1.  Umkehrschluss aus §  33e Abs.  3 S.  1 GWB Die Beschränkung der Innenhaftung des Kronzeugen in §  33e Abs.  3 S.  1 GWB in Höhe der Schäden, die in seiner Abnehmer- und Lieferkette angefallen sind, bedeutet im Umkehrschluss einen Ausschluss seiner Innenhaftung hinsichtlich sämtlicher Schäden, die den direkten oder indirekten Geschäftspartnern der Mit­ kartellanten entstanden sind.379 Hinsichtlich der Verteilung dieser Schäden unter den Kartellanten ist der Kronzeuge deshalb nicht zu berücksichtigen. Seine Mit­ kartellanten müssen diese Schäden alleine tragen. 2.  Problem der Regressbehinderung Der teilweise Ausschluss der Innenhaftung des Kronzeugen führt zum Problem der Regressbehinderung, welches auch als gestörte Gesamtschuld bezeichnet wird.380 Es tritt auf, wenn mehrere für einen Schaden gesamtschuldnerisch haften würden, mindestens einer von ihnen aber aufgrund von vertraglichen oder gesetz­ lichen Haftungsfreistellungen gegenüber dem Geschädigten nicht verantwortlich ist und insoweit von vornherein keine Gesamtschuld entsteht.381 Die Privilegie­ rung des Kronzeugen in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB bewirkt eine solche gestörte Gesamtschuld. Aufgrund seiner bloß subsidiären Haftung entsteht zwischen dem Kronzeugen und seinen Mitschädigern keine Gesamtschuld.382 Die Mitkartellan­ ten können daher vom Kronzeugen gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB oder §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33d Abs.  2 S.  2 GWB keinen Ausgleich verlangen. Durch die Privilegierung sind sie folglich teilweise in ihrem Regress behindert. Im allgemeinen deutschen Zivilrecht wird eine solche Behinderung des Re­ gresses eines Schädigers oft als unbillig erachtet.383 Ist sie auf eine vertragliche Haftungsprivilegierung zurückzuführen, so wäre dies ein unzulässiger Vertrag

379 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  65. Monopolkommission XXI. Hauptgutachten (2016), Tz.  112; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  2; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  704; Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  122; Dreher FS Möschel, S.  149, 166; Haus/ Serafimova BB 2014, 2883, 2889; Gänswein NZKart 2016, 50, 54. Zur Bezeichnung des Pro­ blems siehe Erman/Böttcher §  426 BGB Rn.  28; Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  52. 381 MünchKommBGB/Bydlinski §  426 BGB Rn.  7; Erman/Böttcher §  426 BGB Rn.  28. 382 MünchKommBGB/Bydlinski §  426 BGB Rn.  12; Looschelders Schuldrecht AT, Rn.  1281. 383  Siehe nur Fikentscher/Heinemann Schuldrecht, Rn.  780; Medicus JZ 1967, 398. Vgl. ferner Darstellung in Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  123. 380 Vgl.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

zulasten Dritter.384 Mangels gesetzlicher Regelungen zur Lösung des Problems wird deshalb abhängig vom Einzelfall und dem Zweck der Haftungsprivilegie­ rung die Belastung entweder auf den Geschädigten oder den privilegierten Ge­ samtschuldner verteilt.385 Doch auch wenn der Haftungsausschluss auf eine ge­ setzliche Privilegierung zurückzuführen ist, wird teilweise versucht, die Belas­ tung für die nichtprivilegierten Gesamtschuldner abzumildern.386 Dafür wird ihnen entweder ein zusätzlicher Regressanspruch gegen den Geschädigten zuge­ billigt, der Schadensersatzanspruch des Geschädigten von vornherein gekürzt oder durch die Fiktion eines Gesamtschuldverhältnisses ein Ausgleichsanspruch des zahlenden Schädigers gegenüber dem privilegierten Gesamtschuldner ge­ schaffen.387 Letzteres bedeutet für den Betroffenen aber eine wirtschaftliche Ent­ wertung seiner Privilegierung. Er muss trotzdem entsprechend der allgemeinen Haftungsverteilung für den Schaden einstehen. Bei der gesamtschuldnerischen Haftung im Kartelldeliktsrecht sind für eine interessengerechte Lösung des Problems insbesondere die Vorgaben der Richtli­ nie und die in ihr enthaltenen Wertungen des europäischen Kartellrechts zu be­ achten. So kommt der Privilegierung des Kronzeugen, welche Ursache des ge­ störten Gesamtschuldverhältnisses ist, ein hoher Stellenwert zu, der verhindert, dass die Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis durch die Lösung der Re­ gressbehinderung konterkariert wird.388 Von gleichem Gewicht ist aber auch das Prinzip der vollen Kompensation, das eine Regelung zulasten der Geschädigten unmöglich macht.389 Als spezielle Ausprägung des Effektivitätsgrundsatzes soll BGHZ 12, 213, 218 f. = NJW 1954, 875, 876; Reinicke/Tiedtke Gesamtschuld, S.  77 f. Für einen Rückgriffsanspruch des Geschädigten gegen den privilegierten Gesamtschuld­ ner: BGHZ 12, 213 = NJW 1954, 875, Ls. a; Soergel/Gebauer §  426 BGB Rn.  43. Für eine direkte Anspruchskürzung des Geschädigten: Bamberger/Roth/Gehrlein §  426 BGB Rn.  12; Reinicke/Tiedtke Gesamtschuld, S.  77 f.; Koch Haftungsausschluß, S.  124; Heidel Haftungsbe­ schränkungen, S.  88; Ludewig Gestörter Gesamtschuldnerausgleich, S.  197; Keuk AcP 168 (1968), 175, 181 f.; Hager NJW 1989, 1640, 1644; Schmieder JZ 2009, 189, 194; Medicus JZ 1967, 398, 401. 386  Siehe die Darstellung bei Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  158 ff. sowie Bam­ berger/Roth/Gehrlein §  426 BGB Rn.  13 f.; Reinicke/Tiedtke Gesamtschuld, S.  79. A.A. sind dagegen zumindest bei familienrechtlichen Haftungsbeschränkungen Weimar MDR 1959, 177, 178 und Christensen MDR 1989, 948, 952. 387  Abhängig von dem Sinn und Zweck der Haftungsfreistellung, siehe dazu die Darstellung bei Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  158 ff. sowie bei Bamberger/Roth/Gehrlein §  426 BGB Rn.  13 f. 388 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kartellverfahren, §  26 Rn.  704; Dreher FS Möschel, S.  149, 167. Vgl. auch Gänswein NZKart 2016, 50, 54. 389 Wiedemann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  123; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Ulshöfer Kar­ tellverfahren, §  26 Rn.  704; Dreher FS Möschel, S.  149, 166 f.; Haus/Serafimova BB 2014, 2883, 2889. Vgl. auch Gänswein NZKart 2016, 50, 54. 384  385 

D.  Haftung im Innenverhältnis

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es dem Geschädigten schließlich den vollständigen Ersatz seines Schadens er­ möglichen.390 Müsste er aber den Haftungsanteil des Kronzeugen tragen, so kann diese volle Kompensation nicht erreicht werden. Die Privilegierung des Kron­ zeugen kann daher nur zulasten der Mitkartellanten gehen, die angesichts ihres pflichtwidrigen Verhaltens und ihrer geringen Kooperationsbereitschaft wenig schutzwürdig sind.391 3.  Keine Innenhaftung des Kronzeugen Entsprechend sieht §  33e Abs.  3 S.  1 GWB eine allein die Mitkartellanten belas­ tende Lösung vor. Im Innenverhältnis wird keine Gesamtschuld fingiert, und ein Regress der nicht privilegierten Gesamtschuldner gegen den Kronzeugen ist aus­ geschlossen. Es bleibt bei einer ausschließlichen Innenhaftung der Mitschädi­ ger.392 Angesichts der geringen Schutzbedürftigkeit und der kartellrechtstypi­ schen Vielzahl an Mitschädigern ist diese Lösung billig und gerecht. Eine Kor­ rektur aus Wertungsgesichtspunkten muss, anders als im allgemeinen Zivilrecht, nicht vorgenommen werden, zumal auch Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL eine Verlage­ rung der Zahlungslast auf die Mitkartellanten ausdrücklich vorschreibt. Der Aus­ gleich im Innenverhältnis erfolgt daher richtigerweise unter Ausschluss des Kronzeugen. Die Mitkartellanten müssen den Schaden ausschließlich unterein­ ander verteilen.

IV.  Haftung für Preisschirmeffektschäden 1.  Regelung des §  33e Abs.  3 S.  2 GWB Nach der in §  33e Abs.  3 S.  1 GWB normierten Haftungsbeschränkung muss der Kronzeuge im Innenverhältnis grundsätzlich nur für Schäden haften, die inner­ halb seiner eigenen Abnehmer- und Lieferkette entstanden sind. Im Umkehr­ schluss wäre demnach seine Innenhaftung für Preisschirmeffektschäden eben­ falls ausgeschlossen. Allerdings existiert für die Schäden der Abnehmer und Lieferanten von Kartellaußenseitern mit §  33e Abs.  3 S.  2 GWB eine Ausnahme, die in dieser Hinsicht für eine Rückkehr zur allgemeinen Haftungslage nach §  33d Abs.  2 S.  1 GWB sorgt.393

Kartellrecht, §  50 Rn.  123; Haus/Serafimova BB 2014, 2883, 2889. Alexander Schadensersatz, S.  423. Vgl. Gänswein NZKart 2016, 50, 54. 392 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  66. 393  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  12. 390 Wiedemann/Topel 391 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

2.  Unbeschränkte Innenhaftung Gemäß §  33e Abs.  3 S.  2 GWB gilt die in S.  1 getroffene Beschränkung der In­ nenhaftung für Schäden von Geschäftspartnern der Kartellaußenseiter nicht. Beim Regress privilegiert sind Kronzeugen daher nur, soweit es um den Aus­ gleich von Schäden geht, die den unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmern oder Lieferanten der Mitkartellanten entstanden sind. Für Schäden Dritter, die weder mit dem Kronzeugen noch mit anderen Kartellbeteiligten in einer direkten oder indirekten Geschäftsbeziehung standen, müssen die Kronzeugen beim In­ nenregress hingegen voll einstehen.394 Da durch den Haftungsausschluss nach §  33e Abs.  1 S.  1 GWB im Außenver­ hältnis hinsichtlich dieses Schadens zwischen dem Kronzeugen und seinen Mit­ schädigern grundsätzlich keine Gesamtschuld entsteht, bedeutet die Anordnung in §  33e Abs.  3 S.  2 GWB strenggenommen keine bloße Rückkehr zur allgemei­ nen Haftungslage, sondern eine Fiktion der gesamtschuldnerischen Haftung im Innenverhältnis. Ebenso wie §  33e Abs.  3 S.  1 GWB stellt auch S.  2 eine gesetz­ liche Lösung einer gestörten Gesamtschuld dar, wenngleich der Gesetzgeber im Fall der Preisschirmeffektschäden die Kronzeugeninteressen weniger stark ge­ wichtet und sich für eine Lösung zulasten des privilegierten Gesamtschuldners entschieden hat. Obwohl es sich bei der Innenhaftung für die Schäden von Geschäftspartnern der Kartellaußenseiter nicht um einen echten, sondern nur um einen fingierten Gesamtschuldausgleich handelt, finden die für die Gesamtschuld geltenden all­ gemeinen Regelungen Anwendung. Die Höhe der Haftungsanteile aller Gesamt­ schuldner richtet sich daher gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB nach der relativen Verantwortung für den Kartellverstoß.395 Zwischen privilegierten und nichtprivi­ legierten Mitschädigern ist insoweit keine Unterscheidung vorzunehmen. 3.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Das Auseinanderfallen der Außen- und Innenhaftung des Kronzeugen für Preis­ schirmeffektschäden steht mit den Richtlinienvorgaben in Einklang. Art.  11 Abs.  6 SE-RL schreibt vor, dass der Ausgleichsbetrag des Kronzeugen gegenüber den Mitkartellanten bezüglich Schäden, die Abnehmern und Lieferanten von Nichtkartellmitgliedern entstanden sind, anhand seiner relativen Verantwortung für diesen Schaden bestimmt wird. Die Innenhaftung des Kronzeugen soll folg­ lich bei Preisschirmeffektschäden nach den allgemeinen Regeln stattfinden.396 394  Siehe Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  5; Lettl WM 2016, 1961, 1964; Krüger WuW 2017, 223, 231. 395  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33e GWB Rn.  12; Lettl WM 2016, 1961, 1964. 396  Stauber/Schaper NZKart 2014, 346, 351; Haus/Serafimova BB 2014, 2883, 2889.

D.  Haftung im Innenverhältnis

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Deutlich wird die Ausnahme von der Haftungsprivilegierung durch einen Ver­ gleich der jeweils vom Richtliniengeber gewählten Formulierungen. Bei den Vorgaben zum allgemeinen Innenregress in Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL wie bei denen zur Innenhaftung bei Preisschirmeffektschäden stellt die Richtlinie zur Bestimmung des Ausgleichsbetrags auf die relative Verantwortung für den verur­ sachten Schaden ab, wobei unter dem Schaden der konkrete Schaden des jewei­ ligen Geschädigten zu verstehen ist. Anders als bei den Geschäftspartnern der Mitschädiger soll es nach der Intention der Richtlinie bei Preisschirmeffektschä­ den beim Grundsatz des Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL bleiben. Die teilweise in der Literatur vertretene Ansicht, es handele sich um eine weitere Privilegierung im Innenverhältnis,397 ist daher unzutreffend. Art.  11 Abs.  6 SE-RL ist als Ausnahme der Haftungsprivilegierung in Abs.  5 S.  2 zu verstehen,398 auch wenn eine Veror­ tung der Regelung in Art.  11 Abs.  5 S.  3 SE-RL insoweit mehr Klarheit gebracht hätte. Eine dortige Normierung hätte auch die unzutreffende Überlegung, es könnte sich um zwei verschiedene relative Verantwortungen handeln,399 nicht aufkommen lassen. Vielmehr wäre aus der systematischen Stellung der Regelung klar geworden, dass es sich lediglich um eine umständliche Anordnung der allge­ meinen Haftungsverteilung handelt. Ziel der Sonderregelung ist es, ausnahmsweise eine übermäßige Belastung der Mitkartellanten zu verhindern. Schließlich müssten diese andernfalls nicht nur für die gesamten Schäden ihrer Abnehmer und Lieferanten, sondern auch der Drittabnehmer und –lieferanten alleine haften.400 Eine derart weitgehende Haf­ tungsfreistellung würde den Kronzeugen übermäßig begünstigen. Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass auch er Mitglied des Kartells war und die Schäden mitverursacht hat. Die Einfügung dieses Ausgleichsanspruchs der zahlenden Schädiger gegenüber dem privilegierten Gesamtschuldner stellt folglich das Ergebnis der Abwägung der Schutzbedürftigkeit und Interessen bei­ der Gruppen dar. Als echte Ausnahme von der Haftungsbeschränkung in Art.  11 Abs.  5 S.  1 SERL bedeutet die Regelung für den Kronzeugen somit keine „Besserstellung“ sei­ ner Position im Innenverhältnis.401 Vielmehr bleibt es bei der bisherigen Haf­ tung. Für Schäden, die Dritten, welche keine Abnehmer oder Lieferanten der Rust NZKart 2015, 502, 509; Müller-Graff ZHR 179 (2015), 691, 702 f. Stauber/Schaper NZKart 2014, 346, 351. 399  Keinen Unterschied zwischen den Verantwortungsbegriffen erkennen auch Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  416. 400 Vgl. Böni EWS 2014, 324, 329. Allerdings übersieht Böni die Regelung des Art.  11 Abs.  6 SE-RL bei seiner Analyse der Haftungsprivilegierungen und ordnet Art.  11 Abs.  5 S.  2 daher als echte Haftungsprivilegierung ein. 401  Krüger NZKart 2013, 483, 485. A.A. Rust NZKart 2015, 502, 509. 397 Siehe 398 Vgl.

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

beteiligten Kartellanten sind, entstanden sind, muss der Kronzeuge weiterhin haften. Eine Privilegierung kann in der Vorgabe nicht entdeckt werden. Es sollen lediglich die allgemeinen Grundsätze fortgelten.402

V.  Auswirkungen auf die Haftung der Mitkartellanten 1.  Regressansprüche des Kronzeugen a.  Differenzierung nach Art der Haftung Für die Kronzeugen ist nicht nur interessant, was die Neuregelungen für Aus­ gleichsansprüche gegen sie bedeuten, sondern auch, wie sich die umgesetzten Richtlinienbestimmungen auf ihre eigenen Regressansprüche gegenüber den Mitkartellanten auswirken. Schließlich besteht gemäß §  33e Abs.  1 GWB auch die Möglichkeit, dass ein Kronzeuge von einem oder mehreren Geschädigten erfolgreich auf eine über seinen Haftungsanteil hinausgehende Schadensersatz­ summe in Anspruch genommen wird. Dies kann in zwei verschiedenen Konstellationen der Fall sein, die beide auf eine fehlende Privilegierung des Kronzeugen im Außenverhältnis zurückzufüh­ ren sind: Einerseits kann der Kronzeuge gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB von sei­ nen direkten und indirekten Vertragspartnern auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.403 Seine Haftung ist dabei nicht auf den von ihm verursach­ ten Schadensanteil begrenzt.404 Andererseits haftet der Kronzeuge unter den en­ gen Voraussetzungen der Ausfallhaftung in §  33e Abs.  1 S.  2 GWB allen weite­ ren Geschädigten für deren gesamten Schaden.405 b.  Schäden eigener Abnehmer und Lieferanten Im Innenverhältnis muss auch der Kronzeuge nur für seinen Haftungsanteil, der gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB vom jeweiligen Verursachungsmaß abhängt, ein­ stehen. Hinsichtlich der Schäden seiner eigenen Abnehmer und Lieferanten brin­ gen die Neuregelungen keine Veränderungen für die Haftung,406 weshalb auch

402  Die Auffassung von Gänswein NZKart 2016, 50, 53 f., derzufolge speziell die individu­ elle Verantwortung des Kronzeugen für die Schäden der Dritten berücksichtigt wird, ist abzu­ lehnen. Die relative Verantwortung für den Gesamtschaden und die Einzelschäden unterschei­ det sich, wenn man nicht auf die Lieferbeziehungen oder Liefer- und Bezugsanteile abstellt, nicht, vielmehr wird sie einheitlich für den Kartellverstoß bestimmt. 403  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  74. 404  Siehe oben S.  144 f. 405 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  75. 406  Siehe oben S.  144 f.

D.  Haftung im Innenverhältnis

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der Innenregress nach den allgemeinen Regelungen stattfindet.407 Die abwei­ chende Bestimmung des §  33e Abs.  3 GWB hat hierauf keinen Einfluss. c.  Schäden fremder Abnehmer und Lieferanten Anders verhält es sich dagegen, wenn der Kronzeuge im Wege der Ausfallhaf­ tung gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB von einem Nichtvertragspartner in Anspruch genommen wird. Auch hier trägt der Kronzeuge zunächst den vollen Schaden selbst. Das Gesetz sieht für den Regress in dieser Konstellation keine Sonderre­ gelung vor. In Betracht kommt daher ein Ausgleich nach Maßgabe des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB. aa.  Anwendbarkeit des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB Die Erstreckung von §  33d Abs.  2 S.  1 GWB auf die Ausfallhaftung lässt sich nicht – wie teilweise in der Literatur angenommen408 – ohne weiteres bejahen. Wie die allgemeine Regelung in §  426 BGB regelt §  33d Abs.  2 S.  1 GWB den Innenausgleich einer Gesamtschuld.409 Ob eine Gesamtschuld auch vorliegt, wenn wie im Rahmen der Ausfallhaftung die Schuldner nicht (mehr) gleichstufig haften, ist hoch umstritten.410 Abgelehnt wird das Vorliegen einer Gesamtschuld vor allem dann, wenn einer der Schuldner bloß subsidiär haftet, da der Gläubiger in dieser Konstellation nicht, wie von §  421 BGB vorausgesetzt, nach seinem Belieben zwischen den Schuldnern wählen kann.411 Mangels fortbestehender ge­ samtschuldnerischer Haftung stünde dem Kronzeugen gerade kein Rückgriffsan­ spruch zu.412 Als Sekundärschuldner bliebe er auf dem über seinen Anteil hinaus Geleisteten sitzen. Da dieses Ergebnis aber nicht mit dem Zweck der Kronzeugenprivilegierung im Einklang steht, muss §  33e Abs.  1 S.  2 GWB so verstanden werden, dass die Ausnahme von der Außenhaftungsprivilegierung zugleich eine Ausnahme von der Innenhaftungsprivilegierung bedeutet und deshalb sämtliche allgemeinen Regeln zur Gesamtschuld greifen sollen. Durch die Inanspruchnahme der Aus­ 407 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  74. So jedenfalls Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  75; Rust NZ­ Kart 2015, 502, 509 f. 409  Zur generellen Regelung siehe Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  1. 410  Siehe Darstellung in Staudinger/Looschelders §  421 BGB Rn.  20 ff. Für ein Erfordernis der Gleichrangigkeit: Soergel/Gebauer §  421 BGB Rn.  15; Erman/Böttcher §  421 BGB Rn.  12; Palandt/Grüneberg §  421 BGB Rn.  7. Gegen ein Erfordernis: BeckOGK/Kreße Stand 1.11.2017, §  421 BGB Rn.  41 ff., 52; Boecken/von Sonntag Jura 1997, 1. 411 MünchKommBGB/Bydlinski §  421 BGB Rn.  12; Staudinger/Vieweg §  840 BGB Rn.  22. 412  Vgl. Bamberger/Roth/Gehrlein §  421 BGB Rn.  8; MünchKommBGB/Bydlinski §  421 BGB Rn.  13. 408 

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4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

fallhaftung findet somit ein „return of the joint and several liability status through this ‚back door‘“ statt.413 Damit müssen die Mitkartellanten auch in dieser Kon­ stellation gegenüber dem Kronzeugen haften. Allerdings wird die praktische Be­ deutung des Innenregresses bei der Ausfallhaftung wohl nur gering sein. Schließ­ lich greift §  33e Abs.  1 S.  2 GWB erst, wenn es dem Geschädigten nicht möglich ist, von den anderen Kartellanten Ersatz seiner Schäden zu erlangen – also insbe­ sondere wenn die Zwangsvollstreckung gegen sämtliche Kartellanten mit Aus­ nahme des Kronzeugen erfolglos war. Auch dem Kronzeugen wird es daher schwer fallen, von diesen zahlungsunfähigen Kartellanten Ersatz zu erlangen.414 bb.  Höhe des Regressanspruchs Die Regelung des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB ist jedoch nicht nur für den Ausgleich an sich entscheidend. Auch die Höhe des Regressanspruchs bestimmt sich nach den allgemeinen Vorgaben.415 Der Kronzeuge kann demnach vom jeweiligen Mitschädiger dessen anhand des Verursachungsmaßes bestimmten Haftungsan­ teil ersetzt verlangen. Weniger eindeutig ist allerdings, ob neben §  33d Abs.  2 S.  1 auch §  33e Abs.  3 S.  1 GWB bei dem auf eine Ausfallhaftung folgenden Regress Anwendung findet und der Kronzeuge darüber hinaus auch für seinen eigenen Haftungsanteil In­ nenausgleich verlangen kann. Teilweise wird dies mit der Begründung abge­ lehnt, dass ein solches Vorgehen eine zu starke Privilegierung des Kronzeugen darstelle.416 Verdeutlicht man sich aber, dass die Existenz der Ausfallhaftung nur dem Geschädigtenschutz dient und der Kronzeuge bei einer Außenhaftung der Mitschädiger ihnen gegenüber auch nicht für die Schäden ihrer Abnehmer und Lieferanten einstehen muss, kann die Regelung nicht als weitergehende Privile­ gierung angesehen werden. Wendet man die gesetzlichen Regelungen des Innen­ regresses einer gesamtschuldnerischen Haftung auch auf die Sonderkonstellation der Ausfallhaftung an, so muss dies konsequenterweise für sämtliche Regelun­ gen gelten. Einzelne Regelungen wie die Kronzeugenprivilegierung in §  33e Abs.  3 S.  1 GWB dürfen davon nicht ausgenommen werden.417 2.  Ausgleich der Mitkartellanten untereinander Beim Innenausgleich der restlichen, nicht privilegierten Gesamtschuldner tritt hinsichtlich ihrer eigenen Haftungsanteile keine Veränderung zur allgemeinen Truli Journal of European Competition Law & Practice 2016, 299, 308. Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  75. 415  So auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  76. 416 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  76. 417  So auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1256. 413  414 

D.  Haftung im Innenverhältnis

185

Abwicklung ein.418 Allerdings ist eine Verteilung des Haftungsanteils des Kron­ zeugen erforderlich.419 Dessen Privilegierung wirkt sich insoweit unmittelbar auf die Innenhaftung der Mitkartellanten aus. Maßgebend für die Verteilung ist §  426 Abs.  1 S.  2 BGB, der gemäß §  33d Abs.  2 S.  2 GWB ausdrücklich auf die gesamtschuldnerische Haftung im Kar­ tellrecht Anwendung findet.420 Hiernach ist der Ausfall eines Gesamtschuldners im Innenverhältnis von den übrigen zum Ausgleich verpflichteten Schuldnern einschließlich des Regressberechtigten zu tragen. Bei einem Ausfall des Kron­ zeugen wegen Eingreifens der Privilegierung des §  33e Abs.  3 S.  1 GWB ist sein Haftungsanteil damit auf alle Mitschädiger zu verteilen. Zu ihrem Haftungsanteil tritt ein weiterer Anteil hinzu.421 Im allgemeinen Zivilrecht erfolgt die Anwachsung der Haftung nach dem Maßstab, der generell für die Verteilung im Innenverhältnis anzuwenden ist.422 Demnach wachsen die Haftungsanteile der Mitschädiger bei der kartellrechtli­ chen Gesamtschuld nach ihrem Verursachungsmaß an. Die in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB umgesetzte relative Verantwortung bleibt folglich auch bei der Aufteilung des Kronzeugenanteils auf seine Mitkartellanten gewahrt.423 Hat der zahlende Gesamtschuldner bislang noch keinen Mitschuldner erfolg­ reich in Regress genommen, dann wird sein Regressanspruch in der Höhe ange­ passt.424 Hat er dagegen bereits von einem oder mehreren Mitkartellanten einen Ausgleich erhalten, so erlangt er gegen jeden dieser Schuldner eine weitere For­ derung in Höhe des zusätzlichen Haftungsanteils.425 Da es sich anders als beim Hauptanwendungsfall des §  426 Abs.  1 S.  2 BGB, dem Ausfall infolge von Zah­ lungsunfähigkeit, bei dem Ausfall aufgrund einer gesetzlichen Haftungsprivile­ gierung um einen dauerhaften Zustand handelt, bestehen keine Ansprüche der Mitschädiger hinsichtlich ihrer Anteilserhöhung gegen den Kronzeugen fort.426 418 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  67. 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  67. 420  Vgl. auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  68; Stancke/Wei­ denbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1255. 421  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60; Krüger WuW 2017, 229, 231; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  68. Zur Richtlinie siehe auch Schwenke NZKart 2015, 383, 384. Zum Weißbuch-Vorschlag der Kommission siehe Krüger Kartellregress, S.  313. 422  RGZ 92, 143, 146; Soergel/Gebauer §  426 BGB Rn.  34; Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  129. 423  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  60; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  68; Berg/Mäsch/Mäsch §  33e GWB Rn.  5; Lettl WM 2016, 1941, 1946; Schwenke NZKart 2015, 383, 384. 424  Vgl. Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  129. 425 Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  129. 426  Vgl. Staudinger/Looschelders §  426 BGB Rn.  132. 419 Kersting/Podszun/Mackenrodt

186

4. Kapitel: Privilegierung von Kronzeugen

VI.  Ausfallhaftung des Kronzeugen Ein Ausfall im Innenverhältnis ist aber nicht nur beim Kronzeugen denkbar. Nimmt ein Geschädigter einen Mitschädiger des Kronzeugen erfolgreich über seinen Anteil hinaus in Anspruch und schlägt der Innenregress gegen einen nicht privilegierten Mitkartellanten wegen Zahlungsunfähigkeit fehl, stellt sich eben­ falls die Frage, wie der verbleibende Haftungsanteil auf die restlichen Gesamt­ schuldner zu verteilen ist.427 Während die Anwendbarkeit des §  426 Abs.  1 S.  2 BGB bei den Mitschädi­ gern unschwer zu bejahen ist, ist dies bei dem Kronzeugen aufgrund seiner vor­ gegebenen Privilegierungen nur bedingt der Fall. Eindeutig ist insoweit nur, dass weder die Richtlinie noch deren deutsche Umsetzung ausdrücklich eine Ausfall­ haftung wie im Außenverhältnis enthalten.428 Entscheidend ist damit, ob die spe­ ziellen Regelungen zum Innenregress in §  33e Abs.  3 GWB auch die Verweisung in §  33d Abs.  2 S.  2 GWB auf §  426 Abs.  1 S.  2 BGB modifizieren wollen. Für Schäden der Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten ergibt sich dabei ein anderes Bild als für Schäden der Geschäftspartner des Kronzeugen sowie für Preisschirmeffektschäden. Hinsichtlich ersterer ist das Gesetz eindeu­ tig: Die Kronzeugen haften für sie im Innenverhältnis nicht. Dieser Haftungsaus­ schluss muss neben dem regulären Haftungsanteil des Kronzeugen auch einen möglichen zusätzlichen Anteil aus dem Ausfall eines Mitschädigers erfassen, denn es handelt sich hierbei nur um eine Aufstockung des eigentlichen Anteils. Die Ausfallhaftung nach §  426 Abs.  1 S.  2 BGB ist hinsichtlich dieser Schäden somit durch §  33e Abs.  3 S.  1 GWB ausgeschlossen.429 Bezüglich der verbleibenden Schäden haftet der Kronzeuge hingegen voll.430 Auch wenn §  33e Abs.  3 S.  1, 2 GWB keine explizite Verweisung enthält, findet hierfür die allgemeine Haftungsverteilung aus §  33d Abs.  2 S.  1 GWB Anwen­ dung. Folglich müsste die Ausfallhaftung mangels Haftungsprivilegierung auch beim Kronzeugen zu einem erhöhten Anteil führen.431 Dem steht aber der – mit Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL übereinstimmende – Wortlaut des §  33e Abs.  3 S.  1 GWB entgegen, wonach der Regressanspruch eines Mitkartellanten auf die Höhe des Schadens gedeckelt ist, den der Kronzeuge seinen unmittelbaren und mittel­ baren Abnehmern und Lieferanten verursacht hat. Er selbst hat seinen Geschäfts­ partnern nur den Haftungsanteil aus der regulären Innenhaftung verursacht; der Haftungsanteil aus der außerordentlichen Ausfallhaftung ist hingegen auf den 427 

Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  77 f. Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  77, 82. 429 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  81. 430  Siehe Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  80. 431  So Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  80. 428 

D.  Haftung im Innenverhältnis

187

zahlungsunfähigen Mitschädiger zurückzuführen. Fällt ein nicht privilegierter Mitkartellant daher beim Regress bezüglich des Schadens eines Geschäftspart­ ners des Kronzeugen aus, so kann dessen Anteil nur auf die verbleibenden nicht privilegierten Mitschädiger verteilt werden. Der Anteil des Kronzeugen wird von diesem Ausfall dagegen nicht beeinflusst.432 Anders ist das Eingreifen der Ausfallhaftung schließlich bei der dritten Scha­ densgruppe, den Preisschirmeffektschäden, zu beurteilen. Wenngleich die regu­ läre Innenhaftung des Kronzeugen bei dieser Gruppe wie bei den Schäden seiner eigenen Abnehmer und Lieferanten nach den allgemeinen Regelungen abläuft, gilt dies bei Preisschirmeffektschäden auch für die Ausfallhaftung.433 Dieser Un­ terschied beim Innenregress wird durch die abweichende Formulierung des §  33e Abs.  3 S.  2 GWB sowie durch die Vorgabe in Art.  11 Abs.  6 SE-RL deutlich. Während §  33e Abs.  3 S.  1 GWB die Innenhaftung bezüglich Schäden innerhalb der eigenen Abnehmer- und Lieferkette ausdrücklich in der Höhe auf den eige­ nen Anteil des Kronzeugen begrenzt, ist §  33e Abs.  3 S.  2 GWB parallel zur all­ gemeinen Haftungsverteilung in §  33d Abs.  2 S.  1 GWB formuliert, bei der nach S.  2 auch die Ausfallhaftung eintritt. In Bezug auf Preisschirmeffektschäden trifft den Kronzeugen daher in jeder Hinsicht eine volle Innenhaftung. Er muss nicht nur für seinen eigenen Haftungs­ anteil, sondern beim Ausfall einer oder mehrerer nicht privilegierter Mitkartel­ lanten auch teilweise für deren Anteil einstehen.434 Dass die Ausfallhaftung den Kronzeugen nur in begrenztem Maße belastet, steht auch mit dem Kernziel der Richtlinie im Einklang, den Kronzeugen vor übermäßigen Schadensersatzan­ sprüchen zu schützen.435 Ihre Grenze findet ist die Privilegierung nur, wenn sie die Geschädigten übermäßig beeinträchtigt. Da sich der Ausfall im Innenverhält­ nis aber ausschließlich zulasten der Mitkartellanten auswirkt und die Geschädig­ tenrechte nicht tangiert, bedarf es keiner umfassenden Anwendung des §  426 Abs.  1 S.  2 BGB auch auf den Kronzeugen. Damit besteht zwar hinsichtlich der Ausfallhaftung keine Parallelität zwischen Außen- und Innenverhältnis, der end­ gültige Ausfall eines Gesamtschuldners wirkt sich aber beim Innenregress auch nur beschränkt negativ auf die Haftung des Kronzeugen aus.436

432  A.A.

Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  80. 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  80. 434  Ebenso Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  80. 435  Erw.Gr. 38 SE-RL. 436 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  82. 433 Kersting/Podszun/Mackenrodt

5. Kapitel

Vergleiche mit Geschädigten A.  Telos des §  33f GWB Dass Kartellschadensersatzfälle mit einem Vergleich zwischen Geschädigtem und Kartellant enden, ist nicht unüblich.1 Allerdings war ein solcher Vergleich für die Kartellteilnehmer in der Vergangenheit mitunter wirtschaftlich weniger günstig als für die Geschädigten.2 So wurde der Kartellant nach der bisherigen Rechtslage nur im Verhältnis zum Geschädigten und nicht auch gegenüber den Mitkartellanten in Höhe der Vergleichssumme von seiner Haftung befreit.3 Er musste daher trotz Vergleichsschlusses Ausgleichsforderungen seiner Mitkartel­ lanten befürchten.4 Der Richtliniengeber hat dieses Problem erkannt und in Art.  19 SE-RL vorgeschrieben, welche Wirkungen einem Vergleich hinsichtlich anschließender Schadensersatzklagen zukommen müssen. Damit soll die prakti­ sche Bedeutung der einvernehmlichen Streitbeilegung weiter gesteigert werden.5 Der deutsche Gesetzgeber hat die Vorgaben im Zuge der 9. GWB-Novelle in §  33f GWB umgesetzt. Als Sonderregelungen zu §§  421 ff. BGB bieten sie ver­ gleichsbereiten Kartellanten gegenüber der alten Rechtslage eine Haftungser­ leichterung. Für die bereits privilegierten Kronzeugen wirft das vor allem die Frage auf, ob und inwieweit sich für sie der Abschluss eines Vergleichs mit ei­ nem Geschädigten lohnt. Im Folgenden sind daher zunächst die neuen Haftungs­ vorschriften für Vergleichschließende zu untersuchen, bevor im zweiten Schritt gefragt wird, wie die Haftungserleichterungen des §  33f GWB mit der Kronzeu­ genprivilegierung zusammenwirken.

1  Stancke/Weidenbach/Lahme/Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1407; Steinle EuZW 2014, 481, 482; Beninca WuW 2015, 580. Vgl. auch Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  411; Bien NZKart 2013, 481, 482. 2 Vgl. Beninca WuW 2015, 580. 3  Beninca WuW 2015, 580. 4  Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10; Krüger WuW 2017, 229, 232. 5  Erw.Gr. 48, 51 SE-RL.

190

5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

B.  Vorteile von Vergleichsschlüssen Grundsätzlich ist der Abschluss eines Vergleichs für beide Seiten gleichermaßen vorteilhaft. Die Parteien vermeiden damit ein zeitaufwändiges, öffentlichkeits­ wirksames und kostenintensives Gerichtsverfahren, das regelmäßig mit komple­ xen Rechtsfragen belastet ist.6 Zwar erleichtert die gesamtschuldnerische Haf­ tung die Rechtsdurchsetzung für den Geschädigten schon insoweit, als er sich mit der Frage der Haftungsverteilung unter den Schädigern nicht auseinanderset­ zen muss.7 Gleichwohl muss er in einem Prozess den Nachweis der jeweiligen Kartellbeteiligung und des konkret entstandenen Kartellschadens erbringen.8 Werden sich die Parteien über diese Fragen einig und legen ihren Streit außerge­ richtlich einvernehmlich bei, so sparen sie zunächst die Gerichtsgebühren, wel­ che je nach Streitwert mitunter in erheblicher Höhe anfallen können.9 Sogar bei einem Vergleichsschluss nach Anhängigkeit der Klage reduzieren sich die Ge­ richtskosten deutlich, wenn daraufhin die Klage zurückgenommen oder überein­ stimmend für erledigt erklärt wird.10 Regelmäßig stellen allerdings nicht die Ge­ richtsgebühren, sondern die Gutachterkosten die größte finanzielle Belastung in einem kartellrechtlichen Schadensersatzprozess dar. Gerade für die Schadensbe­ rechnung sind solche ökonomischen Gutachten unerlässlich.11 Einigen sich die Parteien über den entstandenen Schaden, dann bedarf es derartiger Gutachten regelmäßig nicht. Generell ist ein Vergleich für die Parteien nicht nur wegen der Kosten- und Zeitersparnis, sondern auch wegen ihrer Gestaltungsmöglichkeiten attraktiv. Sie tragen kein Prozessrisiko und können die Lösung ihres Streits selbst aktiv gestal­ ten, ohne von einem Gericht abhängig zu sein.12 Das bietet einem Kartellanten und seinem geschädigten Abnehmer oder Lieferanten auch die Möglichkeit, das gestörte Vertrauensverhältnis einvernehmlich wiederherzustellen und so die Grundlage für eine Fortdauer der Geschäftsbeziehung zu schaffen.13 Aufgrund der gemeinsamen Geschäftsbeziehungen können sich Geschäftspartner schneller auf für die Schadensfeststellung relevante Daten wie die Liefermenge und Ge­ Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1410, 1417; Beninca WuW 2015, 580; Makatsch CCZ 2015, 127. 7 Siehe Heck Grundriß des Schuldrechts, S.  234. 8  Stancke/Weidenbach/Lahme/Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1410. 9  Makatsch CCZ 2015, 127, 128. 10  Makatsch CCZ 2015, 127, 128. 11  Makatsch CCZ 2015, 127, 128. 12  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1409; Makatsch CCZ 2015, 127, 129. 13  Rust NZKart 2015, 502, 506; Makatsch CCZ 2015, 127, 128. Vgl. Kersting/Podszun/ Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  21. 6 

C.  Wirkungen eines Vergleichs

191

genleistung verständigen als andere.14 Aus diesem Grund wendet sich ein Ge­ schädigter mit seinem Schadensersatzbegehren trotz gesamtschuldnerischer Haf­ tung aller Kartellmitglieder in der Regel zunächst an seinen Vertragspartner.15

C.  Wirkungen eines Vergleichs I.  Erledigung des Rechtsstreits Mit einem Vergleich wollen die Kartellanten die Schadensersatzansprüche des Geschädigten einmalig abgelten und verhindern, über einen längeren Zeitraum immer wieder auf Schadensersatz oder diesbezügliche Regresszahlungen in An­ spruch genommen zu werden.16 Die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haf­ tung in §  33d Abs.  1 GWB verhindert aber, dass sie die Sache endgültig erledigen können.17 Schließlich erfasst der Vergleich eines Kartellteilnehmers mit einem Geschädigten weder dessen Ansprüche gegen die restlichen Schädiger noch de­ ren Ausgleichsansprüche gegen den vergleichsbereiten Kartellteilnehmer. Erst die mit §  33f GWB einhergehenden gesetzlichen Modifizierungen der Ver­ gleichswirkungen haben für die Kartellanten die grundsätzliche Möglichkeit ge­ schaffen, mit einem Vergleich die Sache abschließen zu können.

II.  Wirkungen auf die Außenhaftung 1.  Praktische Bedeutung Bei einem Vergleich rückt jeder Beteiligte teilweise von seiner Ausgangsposition ab, um eine Einigung zu erzielen.18 Dieses gegenseitige Nachgeben führt fak­ tisch dazu, dass dem Geschädigten regelmäßig ein nicht kompensierter Rest­ schaden verbleibt. Haftet nur ein Schuldner auf Ersatz dieses Schadens, muss der Geschädigte den Restbetrag alleine tragen. Haften wie bei einer gesamtschuldne­ rischen Haftung mehrere für denselben Schaden, so stellt sich die Frage, ob der Geschädigte diesen Schaden weiterhin gegenüber den Mitschädigern geltend machen kann. Es ist daher von besonderer Bedeutung, welche Wirkungen der Rust NZKart 2015, 502, 506. Siehe oben S.  128. 16  Krüger in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  103, 104; Makatsch CCZ 2015, 127, 131. 17  Krüger in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  103, 104. Vgl. auch Danwerth NJW 2017, 2869. 18 Vgl. MünchKommBGB/Habersack §  779 BGB Rn.  26; Stancke/Weidenbach/Lahme/ Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1420. 14  15 

192

5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

Vergleich eines Kartellmitglieds auf die Außenhaftung sämtlicher Kartellmit­ glieder hat. 2.  Haftung des Vergleichschließenden Hinsichtlich der Haftung des sich vergleichenden Kartellteilnehmers differen­ ziert die Neuregelung in §  33f GWB zwischen der Haftung für seinen eigenen Schadensanteil und für die Anteile seiner Mitkartellanten.19 a.  Haftung für den eigenen Anteil Gemäß §  33f Abs.  1 S.  1 GWB wird der vergleichschließende Gesamtschuldner, sofern die Parteien nicht etwas anderes verabredet haben, durch den Vergleich gegenüber dem sich vergleichenden Geschädigten von seinem Anteil am Ge­ samtschaden befreit. Der Gesamtschuldner haftet über die Vergleichssumme hi­ naus gegenüber diesem Geschädigten für seinen Schadensanteil folglich nicht mehr. Anknüpfungspunkt der Haftungsbefreiung ist aber nicht der vereinbarte Vergleichsbetrag, sondern der Anteil des Vergleichschließenden am Gesamtscha­ den, welcher sich gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB anhand der relativen Verant­ wortung des jeweiligen Kartellanten für den Kartellverstoß bestimmt.20 Die all­ gemeine Haftungsverteilung im Innenverhältnis hat damit auch einen erhebli­ chen Einfluss auf die Schadensersatzsumme, die von den verbleibenden Gesamtschuldnern bei ihrer Außenhaftung zu zahlen ist.21 Hinsichtlich der konkreten Befreiungswirkung des §  33f Abs.  1 S.  1 GWB ist indes nach dem Verhältnis zwischen Vergleichssumme und Haftungsanteil zu unterscheiden. Ist die Vergleichssumme höher oder gleich hoch wie die Scha­ densersatzforderung, sorgt allein die Erfüllungswirkung gemäß §  362 Abs.  1 BGB dafür, dass der betreffende Schädiger in Höhe seines Haftungsanteils voll­ ständig von der Haftung frei wird.22 Im praktisch weitaus häufigeren Fall, dass die Vergleichssumme niedriger als der Anteil des Schuldners an der Schadens­ summe ist, kommt dem Vergleich in Höhe der Vergleichssumme Erfüllungswir­ kung und in Höhe der restlichen Summe eine Erlasswirkung zu.23 Der Geschä­ 19 

Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  55. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  61; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  56. Vgl. auch Inderst/Thomas Schadensersatz, S.  417. 21 Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  56; Kersting VersR 2017, 581, 592; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10. 22  Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  145; Makatsch CCZ 2015, 127, 131. 23  Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  145; Makatsch CCZ 2015, 127, 131. 20 

C.  Wirkungen eines Vergleichs

193

digte erlässt dem Vergleichsschuldner dabei die Differenz zwischen Schadens­ summe und Vergleichssumme und kann ihn im Außenverhältnis hinsichtlich seines gesamten Haftungsanteils nicht weiter in Anspruch nehmen. b.  Haftung für Anteile der Mitschädiger Gemäß §  33f Abs.  1 S.  1 GWB wird der vergleichschließende Kartellant gegen­ über dem Geschädigten nur in Höhe seines Anteils am Schaden befreit. Hinsicht­ lich des restlichen Schadens, der im Innenverhältnis auf seine Mitkartellanten entfällt, müsste er folglich als Gesamtschuldner gemäß §  33d Abs.  2 S.  2 GWB i. V. m. §  421 BGB grundsätzlich weiterhin einstehen.24 Allerdings ergibt sich, zieht man zusätzlich §  33f Abs.  1 S.  3 GWB heran, dass der Kartellteilnehmer aufgrund des Vergleichsschlusses hinsichtlich der verbleibenden Anteile allen­ falls subsidiär haftet.25 Gemäß §  33f Abs.  1 S.  3 GWB kann der Geschädigte über die Vergleichszahlung hinaus nur Ersatz von dem sich vergleichenden Gesamt­ schuldner verlangen, wenn er von den übrigen Gesamtschuldnern keinen voll­ ständigen Ersatz erlangen kann. Die Neuregelung bewirkt folglich, dass ein sich vergleichender Kartellteilnehmer eine weitere Inanspruchnahme durch seinen Vergleichspartner im Regelfall nicht mehr zu befürchten hat. Wenn die Voraus­ setzungen der Ausfallhaftung nicht eintreten oder diese vertraglich ausgeschlos­ sen ist, tritt durch den Vergleich auch hinsichtlich dieser Schadensteile Befrei­ ungswirkung ein.26 c.  Ausfallhaftung gemäß §  33f Abs.  1 S.  3 GWB Jedoch bewahrt der Vergleich das durch ihn begünstigte Kartellmitglied nicht vollständig und ausnahmslos vor einer weiteren Inanspruchnahme durch den Ge­ schädigten. Kann Letzterer den restlichen Schadensersatz von den übrigen Kar­ tellanten nicht erlangen, ermöglicht ihm die Ausfallhaftung in §  33f Abs.  1 S.  3 GWB, doch noch gegen seinen Vergleichspartner vorzugehen. Der Vergleich­ schließende muss den Geschädigten dann über den Vergleichsbetrag hinaus in Höhe der offenen Restforderung befriedigen.27

24 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  57. RegE BT-Drs. 18/10207, S.  61; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  58; Berg/Mäsch/Mäsch §  33f GWB Rn.  3. 26  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  59. Dass bei einer mög­ lichen Ausfallhaftung keine echte Befreiung stattfindet, betonen Stancke/Weidenbach/Lahme/ Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1426 sowie Kersting VersR 2017, 581, 592. 27 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  61. 25 

194

5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

aa.  Voraussetzungen der Ausfallhaftung Die Ausfallhaftung gemäß §  33f Abs.  1 S.  3 GWB greift ein, wenn der Geschä­ digte von den Mitschädigern keinen vollständigen Ersatz des verbleibenden Schadens erlangen kann. Geht der Geschädigte gegen alle weiteren Kartellteil­ nehmer vor und ist er dabei (teilweise) erfolglos, so kann er den ihm verbleiben­ den Schaden doch noch gegenüber seinem Vergleichspartner geltend machen.28 Als verbleibender Schaden ist dabei jedoch nicht nur der Gesamtschaden abzüg­ lich des von den Mitkartellanten erlangten Ersatzes, sondern auch abzüglich des Haftungsanteils des Vergleichspartners anzusehen.29 Die Restforderung erfasst folglich nicht den Schadensanteil, der schon gemäß §  33f Abs.  1 S.  1 GWB ­entfallen ist, da dieser aufgrund der Abgeltung durch den Vergleich ohnehin von der verbliebenen Haftungssumme ausgenommen ist.30 Wann eine Uneinbringlichkeit des Restschadens vorliegt, bestimmt sich nach demselben Maßstab wie bei der Kronzeugenprivilegierung.31 Die parallele Ge­ staltung von §  33e Abs.  1 S.  2 und §  33f Abs.  1 S.  3 GWB fordert eine kongruente Auslegung beider Normen. Entsprechend ist ein Ausfall anzunehmen, wenn der Geschädigte von allen übrigen Schädigern keinen vollständigen Ersatz erlangen kann, weil sie insolvent sind, die Erwirkung eines Titels gegen sie un­ zumutbar war oder eine Zwangsvollstreckung gegen sie erfolglos oder unzumut­ bar war.32 Dass nur einer der restlichen Schädiger nicht mehr leistungsfähig ist, führt dagegen noch nicht zur Uneinbringlichkeit. Ein anteiliges Einstehen für den Ausfall eines einzelnen Gesamtschuldners sieht das Gesetz auch bei einem vergleichschließenden Kartellmitglied nicht vor.33 Zu schnell könnte der Ver­ gleichschließende in Anspruch genommen werden und durch die hieraus entste­ henden Unsicherheiten die Vergleichsbereitschaft der Kartellanten sinken. Gene­ rell muss bei der Ausfallhaftung eines Vergleichschließenden berücksichtigt wer­ den, dass es in der Hand des Geschädigten und nicht des Gesetzgebers lag, den Gesamtschuldner aus der (weiteren) Außenhaftung zu entlassen. Der Geschädig­ te hat mit dem Abschluss des Vergleichs somit die hohen Anforderungen einer Ausfallhaftung bewusst in Kauf genommen. 28 

Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33f GWB Rn.  3. Erw.Gr. 51 SE-RL. Siehe auch Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33f GWB Rn.  4; Beninca WuW 2016, 521. 30  Erw.Gr. 51 SE-RL. Siehe auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  62 mit Verweis auf §  33f Abs.  1 S.  2 GWB, der eine Haftung der Mitkartellanten für den Anteil des Vergleichschließenden ohnehin ausschließt. 31  So auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  65. Vgl. ebenfalls Berg/Mäsch/Mäsch §  33f GWB Rn.  3. 32  Siehe oben S.  147 ff. 33  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  66. 29 

C.  Wirkungen eines Vergleichs

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Zwar stellt §  33f im Gegensatz zu §  33e Abs.  2 GWB nicht ausdrücklich klar, dass die Ausfallhaftung bei einer Verjährung der Ansprüche gegen die restlichen Schädiger ausgeschlossen ist,34 und enthält – anders als die KMU-Privilegierung in §  33d Abs.  3 S.  3 GWB – auch keine Verweisung darauf. Jedoch ist angesichts des gesetzgeberischen Willens, die Vergleichschließenden möglichst umfassend vor weiteren Forderungen abzusichern und damit die Attraktivität von Ver­ gleichsschlüssen zu erhöhen, anzunehmen, dass auch bei der einvernehmlichen Streitbeilegung nach einem Verjährenlassen der anderen Ansprüche der Geschä­ digte seinen Vergleichspartner über die verabredete Summe hinaus nicht weiter in Anspruch nehmen darf. Gerade in dieser Konstellation war es dem Geschädig­ ten möglich, Faktoren wie die drohende Verjährung der Ansprüche zu seinen Gunsten mit in die vereinbarte Vergleichssumme einfließen zu lassen. Ein Ausfall ist zudem nicht darin zu sehen, dass die Kartellanten aufgrund der Privilegierungen gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 und §  33d Abs.  3 S.  1 GWB haftungs­ befreit sind. Andernfalls würde der Vergleich einen Vertrag zulasten Dritter dar­ stellen, da er zu einer vorrangigen Haftung der von Gesetzes wegen privilegier­ ten Kronzeugen und KMU führen würde. bb.  Abdingbarkeit der Ausfallhaftung Das Risiko, trotz eines Vergleichs gegenüber dem Geschädigten haften zu müs­ sen, senkt den Anreiz für Kartellanten, den Streit mit den Kartellopfern außerge­ richtlich beizulegen.35 Insbesondere die Ausfallhaftung steht der Förderung einer friedlichen Streitbeilegung daher entgegen. Auch wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Ausfalls verhältnismäßig hoch sind und der Ausfallhaftung praktisch wohl nur geringe Bedeutung zukommen wird,36 verbleibt für die ver­ gleichschließenden Kartellanten aufgrund von §  33f Abs.  1 S.  3 GWB ein Restri­ siko der Haftung. Beeinträchtigt dieses Risiko den erfolgreichen Vergleichs­ schluss zwischen einem Kartellteilnehmer und einem Geschädigten, können beide Parteien daher gemäß §  33f Abs.  1 S.  4 GWB die Ausfallhaftung einver­ nehmlich abbedingen. Anders als noch der Richtlinienvorschlag sieht die End­ fassung des Art.  19 Abs.  3 S.  2 SE-RL eine Ausschlussmöglichkeit vor, die der deutsche Gesetzgeber übernommen hat.37 Die Regelung in §  33f Abs.  1 S.  3

34 

Zur Regelung des §  33e Abs.  2 GWB siehe oben S.  159 ff. Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1444; Krüger WuW 2017, 229, 232; ders. NZKart 2013, 483, 487. 36  Siehe oben S.  163. 37  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  70 m. w. N. 35 

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5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

GWB ist folglich dispositiv und kann durch eine abweichende Bestimmung der Parteien ersetzt werden.38 Anders als die Richtlinie stellt §  33f Abs.  1 S.  4 GWB keine konkreten Anfor­ derungen an die Gestaltung des Ausschlusses. Dem Wortlaut nach reicht ein kon­ kludenter Ausschluss. Daran ändert auch eine Auslegung i. S. d. Art.  19 Abs.  3 S.  2 SE-RL nichts.39 Zwar ist dort ein ausdrücklicher Ausschluss gefordert, je­ doch nur ein unzweifelhaft aus der Vergleichsvereinbarung hervorgehender Aus­ schluss gemeint.40 Wie die sonstigen Wirkungen des Vergleichs können die Par­ teien die Ausfallhaftung abweichend von §  33f GWB ausgestalten.41 Ein Bedarf dafür, dass der Ausschluss des §  33f Abs.  1 S.  3 GWB ausdrücklich erfolgen muss, besteht nicht. Schließlich greift §  33f Abs.  1 S.  1 GWB je nach vereinbar­ ter Vergleichssumme u. U. viel weitgehender in die Rechte des Geschädigten ein, so dass eine besondere Schutzbedürftigkeit speziell bei der Ausfallhaftung nicht angenommen werden kann. Das Erfordernis der Ausdrücklichkeit in Art.  19 Abs.  3 S.  2 SE-RL ist damit so zu verstehen, dass der Ausschluss hinreichend deutlich erfolgen muss und es im Zweifelsfall bei der Ausfallhaftung bleibt.42 In der Praxis dürfte der Ausschluss der Ausfallhaftung aufgrund des geringen Inte­ resses der vergleichsbereiten Kartellanten an einer weiteren Haftung wohl zum Regelfall werden.43 3.  Haftung der Mitschädiger Auch für die Außenhaftung der Mitschädiger bedeutet der neue §  33f GWB eine Veränderung. Von Gesetzes wegen haften die Mitschädiger gegenüber dem Ge­ schädigten nur noch hinsichtlich ihrer Anteile am Gesamtschaden. In Höhe des Anteils des vergleichschließenden Gesamtschuldners können sie gemäß §  33f Abs.  1 S.  2 GWB vom Geschädigten nicht mehr in Anspruch genommen wer­ den.44

38 

Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33f GWB Rn.  3. So von Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10 sowie Kersting VersR 2017, 581, 592 ange­ dacht. 40  Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  154; dies. WuW 2016, L1, L10. 41 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  72. 42  Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10. Vgl. Berg/Mäsch/Mäsch §  33f GWB Rn.  7. 43  Siehe Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzklagen, Rn.  644; Hösch Innen­ ausgleich, S.  380; Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  154; Wiede­ mann/Topel Kartellrecht, §  50 Rn.  124; K. Schmidt FS Roth, S.  521, 530; Kersting WuW 2014, 564, 572; Krüger WuW 2017, 229, 232; Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 284. 44 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  85. 39 

C.  Wirkungen eines Vergleichs

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a.  Haftung für eigene Anteile Der Vergleichsschluss eines Gesamtschuldners mit dem Geschädigten berührt im Außenverhältnis gemäß §  33f Abs.  1 S.  1, 2 GWB nur seinen Haftungsanteil. Die Anteile der Mitschädiger werden hiervon nicht erfasst. Damit bleibt die Außen­ haftung der Mitschädiger gegenüber dem Geschädigten bezüglich ihrer Anteile am Gesamtschaden trotz Vergleichsschlusses bestehen.45 Von der gesamtschuld­ nerischen Außenhaftung wird nur der Vergleichsschuldner mit seinem Anteil am Schaden ausgenommen. b.  Haftung für die Anteile des Vergleichschließenden aa.  Verteilung des Differenzbetrags In Höhe der gezahlten Vergleichssumme wird dagegen nicht nur der vergleich­ schließende Gesamtschuldner gemäß §  362 Abs.  1 BGB von der gesamtschuld­ nerischen Haftung frei, sondern gemäß §  422 Abs.  1 S.  1 BGB i. V. m. §  33d Abs.  2 S.  2 GWB auch dessen Mitkartellanten. Probleme wirft diese Befreiungs­ wirkung allerdings auf, wenn die Vergleichssumme wie regelmäßig unterhalb des Haftungsanteils des Vergleichschließenden liegt. Dann ist von besonderer Relevanz, ob der Geschädigte hinsichtlich des Differenzbetrags weiterhin gegen die restlichen Kartellanten vorgehen kann. Die Antwort hängt davon ab, ob der Erlass im Wege der Einzelwirkung ausschließlich den Vergleichschließenden oder im Wege der Gesamtwirkung alle Kartellteilnehmer erfasst. bb.  Allgemeine Regelung des §  423 BGB Gemäß §  423 BGB i. V. m. §  33d Abs.  2 S.  2 GWB bestimmt sich die Reichweite der Erlasswirkung allein nach dem Willen der Vergleichsparteien. Maßgeblich ist, ob sie das ganze Schuldverhältnis aufheben wollten. Der Umfang des Erlas­ ses ist durch Auslegung der von ihnen abgegebenen Willenserklärungen gemäß §§  133, 157 BGB zu bestimmen.46 Wollten die Parteien die Wirkung des Vergleichs ausschließlich auf sich be­ schränken und nur den vergleichschließenden Gesamtschuldner von seiner Au­ ßenhaftung befreien, ist eine Einzelwirkung anzunehmen.47 Weil die Mitkartel­ 45 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  83; Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1032. 46  BGH NJW 2000, 1942, 1943; BGHZ 155, 265, 272 = NJW 2003, 2980, 2981; Staudin­ ger/Looschelders §  423 BGB Rn.  25; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  32; Danwerth NJW 2017, 2869. 47  BGH WM 1978, 348, 349; Erman/Böttcher §  423 BGB Rn.  4; MünchKommBGB/Habersack §  779 BGB Rn.  51; Staudinger/Looschelders §  423 BGB Rn.  19.

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5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

lanten von der Erlasswirkung nicht erfasst werden, bleibt der Anspruch des Ge­ schädigten ihnen gegenüber bestehen und kann weiterhin bezüglich der Differenz zwischen Haftungsanteil des Vergleichschließenden und Vergleichssumme nach den allgemeinen Regeln der Gesamtschuld geltend gemacht werden.48 Für den vergleichschließenden Kartellanten hat dies zur Folge, dass er von seinen Mit­ schädigern bezüglich der von ihnen geleisteten Zahlungen nach wie vor auf Aus­ gleich in Anspruch genommen werden kann, was seinen Erlass im Innenverhält­ nis unterläuft.49 Will der vergleichsbereite Kartellant seine Innenhaftung für den Erlassbetrag verhindern, so kann er mit dem Geschädigten eine unbeschränkte Gesamtwir­ kung des Vergleichs vereinbaren.50 In diesem Fall führt die Einigung der Parteien zu einer Gesamtaufhebung der Schadensersatzforderung gegenüber allen Ge­ samtschuldnern.51 Neben dem Vergleichschließenden können dann auch dessen Mitkartellanten wegen des gesamten Schadens nicht mehr in Anspruch genom­ men werden.52 Geht dies dem Geschädigten zu weit, dann kann er mit dem Kartellteilnehmer die dritte Variante, eine sog. beschränkte Gesamtwirkung, vereinbaren. Bei ihr werden alle Kartellanten von der Außenhaftung in Höhe des Haftungsanteils des Vergleichschließenden und der Vergleichschließende zusätzlich in Höhe der rest­ lichen Anteile befreit.53 Es erfolgt somit im Hinblick auf den ersten Teil der For­ derung ein Gesamterlass und im Hinblick auf den zweiten Teil ein Teilerlass.54 Dadurch wird der Ausgleich zwischen dem Interesse des Geschädigten, einen Teil seiner Forderung gegenüber den restlichen Schädigern weiterhin geltend machen zu können, und dem Interesse seines Vergleichspartners, hinsichtlich sei­ nes Haftungsanteils keinen Regressforderungen ausgesetzt zu sein, geschaffen.55 Die Mitschädiger müssen nämlich selbst nicht mehr im Außenverhältnis für den Anteil des Vergleichschließenden haften und können ihn daher auch nicht in Re­ gress nehmen. Eine beschränkte oder gar volle Gesamtwirkung kommt dem Erlass aber nur dann zu, wenn die Parteien ihren Vergleich dahingehend gestalten wollten. Denn trotz fehlender expliziter Regelung in §  423 BGB ist im Zweifelsfall eine Einzel­ 48 

Vgl. Staudinger/Looschelders §  423 BGB Rn.  19; Danwerth NJW 2017, 2869. 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  39 f.; Danwerth NJW 2017,

49 Kersting/Podszun/Mackenrodt

2869. 50  Rust NZKart 2015, 502, 507. 51 Erman/Böttcher §  423 BGB Rn.  3; Danwerth NJW 2017, 2869, 2870. 52 Staudinger/Looschelders §  423 BGB Rn.  18; Danwerth NJW 2017, 2869, 2870. 53 MünchKommBGB/Habersack §  779 BGB Rn.  52; Danwerth NJW 2017, 2869, 2870. 54  BGHZ 58, 216, 220 = NJW 1972, 942, 943; Staudinger/Looschelders §  423 BGB Rn.  20; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  45. 55 Hk-BGB/Schulze §  423 BGB Rn.  4.

C.  Wirkungen eines Vergleichs

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wirkung anzunehmen.56 Nur diese vermeidet, dass der Vergleich durch die Erfas­ sung der Mitschuldner zu einem echten Vertrag zugunsten Dritter wird, und be­ einträchtigt nicht über Gebühr die Möglichkeiten des Geschädigten, seine Forde­ rung durchzusetzen, ohne dass er eine solche Beeinträchtigung mit Rechtsfolgewillen vereinbart hat.57 cc.  Modifizierung durch §  33f Abs.  1 S.  2 GWB Allerdings hat die Umsetzung von Art.  19 Abs.  1 SE-RL in §  33f Abs.  1 S.  2 GWB zu einer Modifizierung der allgemeinen Regelung des §  423 Abs.  1 BGB geführt. Gemäß §  33f Abs.  1 S.  2 GWB sind die Mitkartellanten nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der nach Abzug des Anteils des sich vergleichenden Gesamtschuldners verbleibt. Damit kommt dem Erlass im Zweifelsfall nicht nur Einzelwirkung, sondern eine beschränkte Gesamtwirkung zu.58 Auch die Haf­ tungssumme der Mitschädiger wird in Höhe des Haftungsanteils des vergleich­ schließenden Kartellmitglieds verringert.59 Durch den Vergleich werden folglich auch die Mitkartellanten zumindest mittelbar begünstigt.60 dd.  Bedeutung des Innenhaftungsanteils Wegen der weitreichenden Wirkungen des §  33f Abs.  1 S.  2 GWB ist für den sich vergleichenden Geschädigten der tatsächlich im Innenverhältnis auf seinen Ver­ tragspartner entfallende Haftungsanteil ausgesprochen wichtig. Zwar liegt es auch im Interesse des vergleichschließenden Kartellteilnehmers, dass die allge­ meine Haftungsverteilung transparent ist und hinsichtlich der Höhe des vorzu­ nehmenden Abzugs Rechtssicherheit besteht,61 da er es selbst in der Hand hat, 56  BGH NJW 2000, 1942, 1943; BGH NJW-RR 2005, 34, 36; Bamberger/Roth/Gehrlein §  423 BGB Rn.  1; Erman/Böttcher §  423 BGB Rn.  8; Staudinger/Looschelders §  423 BGB Rn.  26; Palandt/Sprau §  779 BGB Rn.  11a; MünchKommBGB/Habersack §  779 BGB Rn.  52; Ehmann AcP 211 (2011), 491, 509; Götz GRUR 2001, 295, 301. Ebenso Bentele Gesamtschuld und Erlass, S.  54. 57  Vgl. BGHZ 192, 182 = NJW 2012, 1071, Tz.  21; BGH NJW 2000, 1942, 1943; BGHZ 58, 216, 220 = NJW 1972, 942, 943; BGH NJW-RR 1986, 22; MünchKommBGB/Habersack §  779 BGB Rn.  52. 58  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33f GWB Rn.  6; Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzklagen, Rn.  641; Hösch Innenausgleich, S.  380; Krüger in: Nietsch/Weller, Pri­ vate Enforcement, S.  103, 104; Rust NZKart 2015, 502, 511; K. Schmidt FS Roth S.  521, 529; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10; Kersting VersR 2017, 581, 593. 59  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  61; Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzkla­ gen, Rn.  641; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10. 60 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  85. 61  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1243.

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5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

eine ihn zufriedenstellende Vergleichssumme auszuhandeln und zu verhindern, dass diese über seinem Haftungsanteil im Innenverhältnis liegt. Jedoch bedeutet die Anknüpfung an die relative Verantwortung und die damit verbundene intransparente Haftungsverteilung in §  33f GWB für den Geschädig­ ten ein noch größeres Risiko.62 Bewertet er den Anteil seines Vergleichspartners zu gering und setzt er die Vergleichssumme infolgedessen zu niedrig an, dann verzichtet er nicht nur gegenüber einem, sondern gegenüber sämtlichen Kartell­ mitgliedern auf einen Teil des Schadens.63 Ihm verbleibt dann keine Möglichkeit mehr, seinen Gesamtschaden vollständig zu kompensieren. Bewertet er den An­ teil umgekehrt zu hoch und klagt die in seinen Augen noch offene Schadenser­ satzforderung ein, wird seine Klage teilweise abgewiesen und er trägt insoweit die Kosten des Rechtsstreits.64 Die Korrelation von Außen- und Innenhaftung ist daher nicht nur untypisch für die gesamtschuldnerische Haftung, sondern bedeutet aufgrund des derzeit rechtsunsicheren Haftungsmaßstabs für beide Seiten ein Risiko bei Vergleichs­ verhandlungen.65 Förderlich für die Erreichung des Ziels, eine größere Zahl an Vergleichsschlüssen zu erreichen, ist dies nicht.66 Solange das Gesetz diesbezüg­ lich nicht geändert wird, kann dem Geschädigten nur geraten werden, mit mög­ lichst vielen Kartellanten einen Vergleich zu schließen, um der Gefahr einer ab­ weichenden gerichtlichen Bewertung der Haftungsquoten zu entgehen.67 Auch darf er einen Vergleich nicht unbedacht abschließen, da eine niedrige Vergleichs­ quote bei einem frühen Vergleich nicht mehr durch eine hohe Vergleichsquote mit anderen Kartellanten ausgeglichen werden kann.68 Der Geschädigte muss vor Abschluss eines Vergleichs somit sorgfältig prüfen, in welcher Reihenfolge er sich mit den Kartellanten einigen sollte, um durch entsprechende Vergleichs­ quoten einen möglichst großen Teil des Schadens ersetzt zu bekommen.69 Am sichersten wäre ein gleichzeitiger Vergleich mit möglichst vielen Kartellanten.

62  Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzklagen, Rn.  641; Hösch Innenaus­ gleich, S.  362. Vgl. auch Kersting VersR 2017, 581, 592. 63  Krüger in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  103, 105; ders. WuW 2017, 223, 232. Vgl. auch Kersting VersR 2017, 581, 593. 64  Krüger in: Nietsch/Weller, Private Enforcement, S.  103, 105; ders. WuW 2017, 223, 232. 65 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10; Steinle EuZW 2014, 481, 482. 66 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6, L10; Krüger WuW 2017, 229, 232. 67 Vgl. Kersting WuW 2014, 564, 572. 68  Rust NZKart 2015, 502, 511. 69  Rust NZKart 2015, 502, 511.

C.  Wirkungen eines Vergleichs

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c.  Keine Ausfallhaftung §  33f Abs.  1 S.  2 GWB schließt die Haftung der Mitschädiger für die Anteile des Vergleichschließenden ausnahmslos aus. Eine Ausfallhaftung wie in §  33f Abs.  1 S.  3 GWB kennt weder das Gesetz noch die Schadensersatzrichtlinie.70 Die ­einmal ausgeschlossene Haftung lebt nicht wieder auf, wenn die vereinbarte Vergleichs­ summe uneinbringlich ist.71 Kommt der vergleichschließende Ge­ samtschuldner seiner Zahlungsverpflichtung nicht nach, dann könnte der Ge­ schädigte, sofern er nicht gemäß §  323 Abs.  1 BGB wirksam vom Vergleich zu­ rückgetreten ist, seinen Gesamtschaden einschließlich des Haftungsanteils des Vergleichschließenden allenfalls dann gegenüber den Mitschuldnern geltend machen, wenn die Erlasswirkung gemäß §  33f Abs.  1 S.  2 GWB nicht an den Vergleichsschluss, sondern an die Erfüllung anknüpfen würde.72 In diesem Fall wäre der Schadensersatzanspruch mangels Vorliegen der Voraussetzungen von §  33f Abs.  1 S.  1 GWB noch nicht um den Anteil des Vergleichschließenden ge­ kürzt. Allerdings bestimmt §  33f Abs.  1 S.  2 GWB, dass die übrigen Gesamt­ schuldner nur zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, der nach Abzug des Anteils des sich vergleichenden Gesamtschuldners verbleibt.73 §  33f Abs.  1 S.  1 GWB ist noch deutlicher und spricht von der Befreiung des sich vergleichenden Gesamtschuldners im Falle einer durch einvernehmliche Streitbeilegung erziel­ ten Einigung. Die deutsche Umsetzung sieht als Zeitpunkt der Befreiungswir­ kung somit eindeutig den Vergleichsschluss an. Diese Anknüpfung steht im Einklang mit Art.  19 Abs.  1 SE-RL: Danach ge­ währleisten die Mitgliedstaaten, dass sich bei einem Vergleich der Anspruch des sich vergleichenden Geschädigten um den Anteil des sich vergleichenden Rechtsverletzers an dem Schaden verringert, der dem Geschädigten durch die Zuwiderhandlung entstanden ist.74 Noch klarer ist diesbezüglich die englische Fassung der Richtlinie: „Member States shall ensure that, following a consensual settlement, the claim of the settling injured party is reduced by the settling co-infringer’s share of the harm that the infringement of competition law inflicted upon the injured party.“

70  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  87; Berg/Mäsch/Mäsch §  33f GWB Rn.  4. 71 Vgl. Beninca WuW 2016, 521. 72 Vgl. Beninca WuW 2016, 521; Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  87. 73  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  87. 74 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  87. Allerdings lässt laut Beninca WuW 2015, 580, 581 die deutsche Fassung der Richtlinie keinen eindeutigen Schluss zu.

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5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

Für ein gegenteiliges Auslegungsergebnis könnte somit allenfalls der Wortlaut des Erwägungsgrundes 51 SE-RL sprechen, welcher auf einen Rechtsverletzer abstellt, der aufgrund einer einvernehmlichen Streitbeilegung „Schadensersatz leistet“.75 Im Punkt der Haftung erklärt der Richtliniengeber jedoch auch an die­ ser Stelle für maßgeblich, dass sich der Rechtsverletzer „vorher verglichen“ hat.76 Für die Erlasswirkung ist es demnach unerheblich, ob der vergleichschlie­ ßende Kartellant schon gezahlt hat. Ist der Vergleich geschlossen, kann der Ge­ schädigte in Höhe des Haftungsanteils seines Vergleichspartners erst nach einem wirksamen Rücktritt vom Vergleich wieder gegen die Mitschuldner vorgehen. 4.  Dispositionsfreiheit der Parteien Die Vergleichsparteien können aus verschiedenen Gründen von der gesetzlichen Anordnung der beschränkten Gesamtwirkung des Erlasses abweichen wollen. War ihnen dies vor Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle aufgrund der Anwendbar­ keit des §  423 BGB problemlos möglich, könnten die gesetzlichen Neuregelun­ gen diesem Vorhaben nunmehr entgegenstehen. Schließlich ist eine abweichende privatautonome Regelung nur zulässig, wenn es sich bei §  33f Abs.  1 GWB um dispositives Gesetzesrecht handelt. a.  Dispositivität von §  33f Abs.  1 GWB Hinsichtlich der Wirkungen, die der Vergleich auf den sich vergleichenden Gesamtschuldner entfaltet, kann unzweifelhaft vom gesetzlichen Leitbild des §  33f Abs.  1 S.  1 GWB abgewichen werden.77 Die Norm bestimmt ausdrücklich, dass der Vergleichschließende nur dann in Höhe seines Anteils an dem Schaden von seiner Haftung gegenüber dem Geschädigten befreit wird, wenn die Parteien nicht etwas anderes vereinbart haben. Fraglich ist, ob dies trotz fehlender entsprechender Formulierung oder eines Verweises auch für den folgenden S.  2 gilt.78 Hierfür spricht, dass die Wirkun­ gen, die §  33f Abs.  1 S.  2 GWB für die Mitschuldner bestimmt, nur dann ihren beabsichtigten Zweck voll erreichen, wenn auch §  33f Abs.  1 S.  1 GWB gilt.79 Vgl. auch K.Schmidt FS Roth, S.  521, 529. Erw.Gr. 51 SE-RL. Siehe auch Beninca WuW 2015, 580, 582. 77  Siehe nur Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzklagen, Rn.  643; Kersting/ Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  88. 78 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  89; Kersting VersR 2017, 581, 593. 79 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  92. Dass beide Sätze im Zu­ sammenhang gelesen werden müssen, zeigt auch der Regierungsentwurf, wonach „Satz  1 und Satz  2 […] den besonderen Fall des Erlasses mit beschränkter Gesamtwirkung [regeln]“, RegE BT-Drs. 18/10207, S.  61. 75  76 

C.  Wirkungen eines Vergleichs

203

Eine von der gesetzlichen Vorgabe in S.  1 abweichende Wirkung für den Ver­ gleichsschuldner führt regelmäßig auch dazu, dass die Wirkung auf die Mitkar­ tellanten (wenn auch nur geringfügig) angepasst werden muss.80 Die Privatauto­ nomie der Vergleichsparteien wäre merklich eingeschränkt, wenn sie bezüglich der Wirkung auf den vergleichschließenden Kartellanten eine in Einklang mit S.  2 stehende Regelung treffen müssten. Gegen die Annahme, dass nach der Gestaltung des §  33f Abs.  1 GWB sämtli­ che Neuregelungen zur Außenhaftung der Beteiligten dispositiv sind und es den Vergleichsparteien jederzeit frei steht, Abweichendes zu vereinbaren, spricht al­ lerdings die Existenz von S.  4.81 So lässt sich einwenden, eine solche Regelung wäre überflüssig, wenn §  33f Abs.  1 GWB ohnehin dispositiv ist.82 Allerdings ist zu beachten, dass die Anordnung einer Ausfallhaftung, wie sie §  33f Abs.  1 S.  3 GWB trifft, bei einem Vergleich derart unüblich ist, dass es einer gesetzlichen Klarstellung, wie sie der Gesetzgeber in S.  4 getroffen hat, bedurfte, um Zweifel an der Dispositivität der Ausfallhaftung zu beseitigen. Die Wirkung des für den gesamten Abs.  1 geltenden Passus „wenn nicht anders vereinbart“ sollte hier­ durch keineswegs geschmälert, sondern unterstützt werden. b.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Die vom Gesetzgeber gewählte Art der Umsetzung steht auch im Einklang mit den Vorgaben von Art.  19 SE-RL. Zwar enthält die Richtlinie weder eine entspre­ chende Formulierung, der zufolge die Parteien die Wirkungen des Vergleichs ausdrücklich abweichend vereinbaren können, noch schafft ihr Wortlaut durch weiche Formulierungen Abweichungsmöglichkeiten. Vielmehr lässt ihre un­ missverständliche Anordnung der beschränkten Gesamtwirkung eher auf einen zwingenden Charakter schließen.83 Allerdings will auch die Richtlinie die Privatautonomie der Parteien in diesem Punkt nicht einschränken, sondern nur eine Regelung für den Zweifelsfall vorge­ ben.84 Deutlich wird dies, wenn man zur Auslegung der Richtlinie Erwägungs­ grund 51 heranzieht: Danach sollen die Gesamtschuldner von ihren Verpflichtun­ gen nach den Grundsätzen der beschränkten Gesamtwirkung befreit werden.85 80  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  92, der von einem „in­ neren Zusammenhang“ beider Sätze spricht. 81  Kersting VersR 2017, 581, 593. 82 Siehe Kersting VersR 2017, 581, 593. 83  Zu diesem Ergebnis kommen Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  95; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L10; Beninca WuW 2016, 521, 522; wohl auch Lan­ gen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33f GWB Rn.  7. 84 Vgl. K. Schmidt FS Roth, S.  521, 530; Kersting VersR 2017, 581, 593. 85  Auch in der englischen Fassung der Richtlinie heißt es an dieser Stelle „should“.

204

5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

Von „müssen“ ist hingegen nicht die Rede. Die Richtlinie sieht die Anordnung der beschränkten Gesamtwirkung damit lediglich als günstigste Lösung an, die vom nationalen Gesetzgeber entsprechend als gesetzliches Leitbild zu normieren ist. Hierdurch soll aber gerade nicht die Möglichkeit der Parteien ausgeschlossen werden, im Einzelfall eine andere Lösung als die bessere anzusehen und von den gesetzlichen Vorgaben durch Vertrag abzuweichen, zumal die Anordnung der be­ schränkten Gesamtwirkung gerade nicht auf die Schutzbedürftigkeit des Geschä­ digten zurückzuführen ist.86 Die Dispositivität des §  33f Abs.  1 GWB steht folg­ lich im Einklang mit der Richtlinie. c.  Grenzen der Privatautonomie Der Privatautonomie der Parteien ist jedoch dort eine Grenze gesetzt, wo sie Dritte ohne deren Zutun unmittelbar vertraglich verpflichtet.87 Führt eine abwei­ chende Regelung der Vergleichschließenden dazu, dass die Mitkartellanten ent­ gegen der Regelung in §  33f Abs.  1 S.  2 GWB auch in Höhe der Haftungsanteile des vergleichsbereiten Gesamtschuldners für die Schadensersatzforderung des sich vergleichenden Geschädigten einstehen müssen, so handelt es sich um einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter.88 Dem Geschädigten ist es daher trotz dis­ positiver Ausgestaltung des §  33f Abs.  1 GWB verwehrt, mit einem Kartellmit­ glied einen Vergleich mit Einzelwirkung zu schließen. Er kann sich allerdings aufgrund der Dispositivität des §  33f Abs.  1 GWB weiterhin dazu entschließen, einen Erlass mit unbeschränkter Gesamtwirkung zu wählen.89 Schließlich be­ wahrt eine Gesamtwirkung die restlichen Kartellanten noch weitgehender als §  33f Abs.  1 S.  2 GWB vor Schadensersatzforderungen des Geschädigten und stellt damit einen Vertrag zu ihren Gunsten dar.90

III.  Wirkungen auf den Innenausgleich 1.  Regelung des §  33f Abs.  2 GWB Die Auswirkungen des Vergleichs beschränken sich nicht nur auf das Außenver­ hältnis. Gemäß §  33f Abs.  2 GWB wird auch der Innenregress durch die einver­ Beninca, der die Schutzbedürftigkeit des sich vergleichenden Kartellanten betont, in: WuW 2016, 521, 522. 87 MünchKommBGB/Gottwald §  328 BGB Rn.  258 m. w. N. 88  Stancke/Weidenbach/Lahme/Hainz Schadensersatzklagen, Rn.  1439. 89  So auch das Beispiel im RegE BT-Drs. 18/10207, S.  61. Hierauf stellt auch Kersting/ Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  93 ab. 90 Vgl. Staudinger/Looschelders §  423 BGB Rn.  18; Erman/Böttcher §  423 BGB Rn.  1; Danwerth NJW 2017, 2869, 2870. 86 A.A.

C.  Wirkungen eines Vergleichs

205

nehmliche Streitbeilegung beeinflusst. Danach können Gesamtschuldner, die nicht am Vergleich beteiligt sind, von dem sich vergleichenden Gesamtschuldner keinen Ausgleich nach §  33d Abs.  2 GWB für den Ersatz des Schadens des sich vergleichenden Geschädigten verlangen, der nach Abzug des Anteils des sich vergleichenden Gesamtschuldners verblieben ist. 2.  Haftung des Vergleichschließenden Hinsichtlich der Haftung des Vergleichschließenden hat §  33f Abs.  2 GWB wei­ testgehend nur eine klarstellende Wirkung. Die Norm will sicherstellen, dass der sich vergleichende Gesamtschuldner über seine Vergleichszahlung hinaus nicht weiteren Zahlungsansprüchen seiner Mitkartellanten ausgesetzt ist. Schließlich können diese gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB sowie gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB auch von einem sich vergleichenden Gesamtschuldner grundsätzlich Ausgleich in Höhe des Schadens verlangen, der im Außenverhält­ nis von ihnen getragen wurde, aber im Innenverhältnis auf den Vergleichschlie­ ßenden entfällt.91 Haben die Vergleichsparteien aber keine von §  33f Abs.  1 S.  1, 2 GWB abweichende Vereinbarung getroffen, zahlen die Mitkartellanten, wenn sie nach einem Vergleich vom Geschädigten in Anspruch genommen werden, nur auf ihre noch verbliebenen Haftungsanteile.92 Da sie hinsichtlich dieser An­ teile ohnehin keine Ausgleichsansprüche gegen den Vergleichschließenden gel­ tend machen können,93 trifft der spezielle §  33f Abs.  2 GWB regelmäßig keine über die allgemeinen Grundsätze hinausgehenden Regelungen.94 Allerdings kommt §  33f Abs.  2 GWB dann eine eigenständige Bedeutung zu, wenn mindestens ein Mitschädiger beim Innenregress wegen Zahlungsunfähig­ keit ausfällt und sein Anteil im Innenverhältnis aufgeteilt werden muss.95 Nach den allgemeinen Regelungen findet in einem solchen Fall §  426 Abs.  1 S.  2 BGB i. V. m. §  33d Abs.  2 S.  2 GWB Anwendung, wonach der Haftungsanteil aller weiteren Gesamtschuldner anteilig um den Haftungsanteil des Ausfallenden an­ wächst. Eine solche Anwachsung schließt §  33f Abs.  2 GWB jedoch bezüglich des Vergleichschließenden aus.96 Da der Haftungsteil des ausfallenden Gesamt­ schuldners aufgrund der nachträglichen Anwachsung nach §  426 Abs.  1 S.  2 BGB nicht dem originären Haftungsanteil des Vergleichschließenden entspricht und für ihn einen fremden Anteil darstellt, können ihn die Mitschädiger nicht 91 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  100. §  33f GWB Rn.  5. 93 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  101. 94 Vgl. Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L11; Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 284. 95 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  112 f.; Kersting VersR 2017, 581, 593. 96  Kersting VersR 2017, 581, 593. 92 Berg/Mäsch/Mäsch

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5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

bezüglich der erhöhten Summe in Anspruch nehmen. Gemäß der Vorgabe von Art.  19 Abs.  2 SE-RL soll der sich vergleichende Rechtsverletzer keinen weite­ ren Ansprüchen im Innenverhältnis ausgesetzt sein. Dies betrifft auch Ansprüche wegen Ausfalls eines Mitschädigers. §  33f Abs.  2 GWB ist insofern lex specialis zu §  426 Abs.  1 S.  2 BGB i. V. m. §  33d Abs.  2 S.  2 GWB und trägt dazu bei, das Risiko, trotz Vergleichs durch den Innenregress weiterhin einer Haftung ausge­ setzt zu sein, zu beseitigen.97 3.  Haftung der Mitschädiger An der Innenhaftung der Mitschädiger ändert sich durch §  33f Abs.  2 GWB nichts. Werden sie von einem nichtprivilegierten Mitkartellanten auf Ausgleich in Anspruch genommen, so richtet sich ihre Haftung nach den allgemeinen Be­ stimmungen.98 Gleiches gilt für ihre Innenhaftung gegenüber dem vergleichschließenden Kartellteilnehmer, auch wenn dessen Innenregress praktisch nur von geringer Relevanz ist.99 So führt die Haftungsbegrenzung in §  33f Abs.  1 S.  1 GWB dazu, dass der Vergleichschließende seine Mitkartellanten nur dann in Regress nehmen kann, wenn die von ihm gezahlte Summe seinen Haftungsanteil übersteigt. Dies ist einerseits bei Eingreifen der Ausfallhaftung des §  33f Abs.  1 S.  3 GWB der Fall.100 Schließlich soll sie nur die vollständige Kompensation des Geschädigten absichern und nicht den vergleichschließenden Kartellanten zugunsten seiner Mitkartellanten benachteiligen, wenn diese (zeitweise) nicht in der Lage sind, der Schadensersatzforderung des Geschädigten nachzukommen. Andererseits können Regressansprüche des vergleichschließenden Gesamt­ schuldners dann entstehen, wenn er bei der einvernehmlichen Streitbeilegung eine für ihn nachteilige Summe ausgehandelt und daher im Außenverhältnis eine über seinen Haftungsanteil im Innenverhältnis hinausgehende Summe gezahlt hat.101 Auch wenn in dieser Situation eine Regressmöglichkeit des sich verglei­ chenden Gesamtschuldners teilweise mit der Feststellung abgelehnt wird, dass ein Regressanspruch dieses Gesamtschuldners nur bei Eintreten der Ausfallhaf­ tung nach §  33f Abs.  1 S.  3 GWB besteht,102 droht den Mitkartellanten auch hier 97 Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  114; Berg/Mäsch/ Mäsch §  33f GWB Rn.  5. Zum Risiko nach alter Rechtslage siehe Kling/Thomas Kartellrecht, §  23 Rn.  70. 98 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  123. 99  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  124. 100 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  126. 101  So auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  9 Rn.  27, wohingegen diese Konstellation des Regresses in Rn.  124–126 nicht mehr erwähnt wird. 102 Berg/Mäsch/Mäsch §  33f GWB Rn.  4, 5.

D.  Kronzeugen als Vergleichschließende

207

eine Ausgleichsforderung des sich vergleichenden Gesamtschuldners. Denn zahlt er eine über seinen Haftungsanteil hinausgehende Summe an den Geschä­ digten, wird dessen Schadensersatzanspruch gemäß §  422 BGB in dieser Höhe mit Wirkung für alle Kartellanten erfüllt. Wegen des in Art.  3 Abs.  3 SE-RL ver­ ankerten Verbots der Überkompensation kann der Geschädigte folglich nur noch den verbliebenden Schadensteil gegenüber den verbliebenen Schuldnern geltend machen. Damit diese aber nicht von dem ungünstigen Vergleich profitieren und im Innenverhältnis weniger als ihren Anteil tragen müssen, muss für den ver­ gleichschließenden Gesamtschuldner die Möglichkeit bestehen, den über seinen Haftungsanteil hinausgehenden Betrag von denjenigen Mitschädigern zurückzu­ verlangen, um deren Haftungsanteil es sich handelt.

D.  Kronzeugen als Vergleichschließende Die neuen Haftungsbestimmungen sollen genügend Anreize für beide Seiten bie­ ten, die Zahl der Vergleiche in der Praxis weiter zu steigern.103 Hiervon sollen trotz Privilegierung in §  33e GWB die Kronzeugen nicht ausgenommen werden. Schließlich stehen die Ziele der verstärkten Teilnahme der Kartellanten an Kron­ zeugenprogrammen und der Stärkung der einvernehmlichen Streitbeilegung pa­ rallel nebeneinander. Beide sollen sich gegenseitig nicht beeinträchtigen. Die Kronzeugen, die bereits mittelbar durch ihren Beitrag bei der Kartellaufdeckung dafür gesorgt haben, dass die Geschädigten überhaupt Schadensersatz fordern können, sollen ferner die Möglichkeit haben, durch einen Vergleichsschluss un­ mittelbar die Schadenskompensation zu fördern. Die Haftungsprivilegierung in §  33e GWB führt für die Kronzeugen indes nicht zu einem Anreizverlust bezüglich der außergerichtlichen Streitbeilegung. Vielmehr können die Kronzeugen ihre Haftung durch Vergleiche mit den Ge­ schädigten weiter optimieren. Da sie nach §  33e Abs.  1 S.  1 GWB trotz Privile­ gierung weiterhin für die Schäden ihrer eigenen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmer und Lieferanten haften, lohnt sich für sie ein Vergleichsschluss mit einem geschädigten Geschäftspartner ebenso wie für jeden anderen Kartellteil­ nehmer. Durch einen günstigen Vergleich können sie ihre Haftungssumme noch stärker reduzieren. Anders sieht es dagegen in Bezug auf die geschädigten Abnehmer und Liefe­ ranten der Mitkartellanten sowie die Preisschirmeffektgeschädigten aus. Ihnen gegenüber haftet ein Kronzeuge im Umkehrschluss zu §  33e Abs.  1 S.  1 GWB 103  Gute Aussichten dafür sehen Beninca WuW 2015, 580, 592 und Calisti/Haasbeck/Kubik NZKart 2014, 466, 469.

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5. Kapitel: Vergleiche mit Geschädigten

grundsätzlich nicht. Daher kommt es auch zu keinem Vergleich mit diesen Ge­ schädigten. Etwas anderes gilt nur, wenn eine Ausfallhaftung nach §  33e Abs.  1 S.  2 GWB droht. Diese führt zum Aufleben der gesamtschuldnerischen Haftung des Kronzeugen für den verbliebenen Schaden. Er muss daher wie für die Schä­ den seiner Vertragspartner voll einstehen, weshalb sich für ihn ein Vergleichs­ schluss bei drohender Ausfallhaftung ebenfalls lohnen kann. Allerdings kommt der beschränkten Gesamtwirkung des Erlasses in diesem Fall nur geringe Bedeu­ tung zu. Immerhin konnte der Geschädigte von den Mitkartellanten im Fall der subsidiären Haftung gemäß §  33e Abs.  1 S.  2 GWB ohnehin keinen Ersatz erlan­ gen. Ob der Erlass auch die Mitschuldner erfasst, wird daher nur relevant, wenn sie nach erfolgreicher Ausfallhaftung wieder zahlungskräftig werden sollten.

6. Kapitel

KMU als Kronzeugen A.  Verhältnis zur Kronzeugenprivilegierung Seit Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle sieht das deutsche Recht nicht nur eine Beschränkung der gesamtschuldnerischen Haftung der Kronzeugen vor, sondern in §  33d Abs.  3–5 GWB auch besondere Regelungen für die Außen- und Innen­ haftung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) in Anbieter- und Nachfrage­ kartellen.1 Trotz vieler Parallelen fallen beide Privilegierungen unterschiedlich stark aus.2 Die Kronzeugen werden weitreichender von ihrer Haftung befreit als die KMU. Zurückzuführen ist dies auf den unterschiedlichen Zweck der Haf­ tungsbeschränkungen und die unterschiedliche Schutzbedürftigkeit beider Grup­ pen.3 Während die Kronzeugenprivilegierung eine Stärkung der behördlichen Kartellrechtsdurchsetzung und damit den Schutz der Rechtsordnung bezweckt, soll die KMU-Privilegierung vereinzelte, finanziell bedingte Untergänge mittel­ ständischer Unternehmen verhindern.4 Aufgrund dieser verschiedenen Schutzrichtungen sollte die Ausgestaltung von §  33d Abs.  3–5 GWB nicht dazu führen, dass kartellbeteiligte KMU jeglichen Anreiz verlieren, als Kronzeugen mit den Wettbewerbsbehörden zusammenzuar­ beiten.5 Vielmehr muss ihnen der Kronzeugenstatus i. S. d. §  33e Abs.  1 GWB über die KMU-Privilegierung hinausgehende Haftungsbeschränkungen bieten. Denn die KMU-Privilegierung darf das Ziel der Richtlinie nicht konterkarieren, möglichst viele Unternehmen zur frühzeitigen Aufdeckung eines Kartellversto­ ßes zu bewegen. Es ist daher zu analysieren, welche weiteren Vorteile ein Zu­ sammentreffen der beiden Privilegierungen in Bezug auf die gesamtschuldneri­

1 

§  33d Abs.  3, 4 GWB geht insoweit z.T. weit über die Vorgaben von Art.  11 Abs.  2, 3 SERL hinaus. 2 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  110. 3 Vgl. Pipoh NZKart 2016, 226, 227; Rust NZKart 2015, 502, 510. 4  Kersing VersR 2017, 581, 589; Rust NZKart 2015, 502, 510; Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1032. 5 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  110. Vgl. auch Pipoh ­NZKart 2016, 226, 227.

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6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

sche Haftung eines KMU mit sich bringt und wie stark der verbleibende Anreiz für ein solches Unternehmen ist, mit den Wettbewerbsbehörden zu kooperieren.

B.  Privilegierung von KMU Im Vorfeld der Frage, wie die beiden neuen Haftungsbeschränkungen zusam­ menwirken, muss zunächst festgestellt werden, welche Haftungsprivilegierung ein KMU gemäß §  33d Abs.  3–5 GWB erfährt. Die Neuregelungen modifizieren die gesamtschuldnerische Haftung der KMU im Außen- wie im Innenverhältnis.

I.  Anwendungsbereich der Privilegierung 1.  Detaillierte Vorgaben Wie die Kronzeugenprivilegierung soll auch die KMU-Privilegierung wegen des Effektivitätsgrundsatzes nicht übermäßig in die Geschädigtenrechte eingreifen. Um eine übermäßige Begünstigung der Unternehmen zu verhindern, enthält §  33d GWB in Abs.  3–4 detaillierte Anforderungen an die Anwendbarkeit der Privilegierung. Zusätzlich sieht §  33d Abs.  5 GWB drei Gründe für deren Aus­ schluss vor. Die Anforderungen an die Eröffnung des Anwendungsbereichs wie an dessen Ausschluss hat der deutsche Gesetzgeber nahezu wortgleich von Art.  11 Abs.  2–3 SE-RL übernommen.6 2.  Anforderungen an das Unternehmen Um in den Genuss der Haftungsprivilegierungen zu kommen, muss es sich bei einem Unternehmen um ein kleines oder mittleres Unternehmen i. S. d. Empfeh­ lung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 20037 handeln. Dafür hat es gemäß den Vorgaben in Art.  2 des Anhangs der Empfehlung bestimmte Schwel­ lenwerte hinsichtlich der Mitarbeiterzahlen und der Jahresbilanz bzw. des Jah­ resumsatzes einzuhalten. Insgesamt muss das Unternehmen gemäß Art.  2 Abs.  1 des Anhangs weniger als 250 Personen beschäftigen und entweder einen Jah­ resumsatz von höchstens 50 Mio.  € erzielen oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio.  € aufweisen. Allerdings greift die Privilegierung nicht für je­ des kartellrechtswidrig handelnde Unternehmen, das diesen Schwellenwerten unterfällt. Vielmehr muss sein Anteil am Markt während des Zeitraums, in dem 6 

Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  5. Empfehlung der Kommission betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen, ABl.  L 124/37 v. 6.5.2003. 7 

B.  Privilegierung von KMU

211

der Verstoß begangen wurde, stets weniger als 5  % betragen haben. Außerdem müsste die gesamtschuldnerische Haftung nach §  33d Abs.  1 GWB seine wirt­ schaftliche Lebensfähigkeit unwiederbringlich gefährden sowie seine Aktiva je­ des Werts berauben. Diese zusätzlichen Anforderungen in §  33d Abs.  3 GWB sollen die Privilegierungsbedürftigkeit des Unternehmens sicherstellen. Bei dem Unternehmen soll es sich somit nicht nur um ein „typisches Mittelstandsunter­ nehmen“ handeln, vielmehr muss eine Durchbrechung seiner gesamtschuldneri­ schen Haftung aus wirtschaftlichen Gründen wirklich erforderlich sein.8 Bereits der Normtext („stets“) offenbart, dass es für ein KMU nicht ausreicht, dass sein Marktanteil größtenteils unter 5  % gelegen hat.9 Bereits ein einmaliges Erreichen oder Übersteigen der 5  %-Schwelle während der gesamten Dauer des Kartellverstoßes schließt die Anwendbarkeit der Privilegierung aus.10 Für einen Schadensersatzprozess gegen ein KMU bedeutet diese Einschränkung einen er­ heblichen zeitlichen sowie monetären Ermittlungsaufwand. So wird die Höhe des Marktanteils zwar nach den allgemeinen Regeln bezogen auf den Markt mit dem kartellbefangenen Produkt oder der kartellbefangenen Dienstleistung be­ stimmt.11 Allerdings ist dieses Vorgehen bei einer über mehrere Jahre andauern­ den Zuwiderhandlung äußerst mühsam und bringt nicht selten erhebliche prakti­ sche Beweisschwierigkeiten mit sich.12 Das kartellbeteiligte Unternehmen, wel­ ches sich auf die Haftungsprivilegierung beruft, muss daher einige Anstrengungen unternehmen, um das Eingreifen dieser Privilegierung nach den allgemeinen Regeln darzulegen und zu beweisen.13 Auch wenn ihm der Nachweis eines unter 5  % liegenden Marktanteils gelingt, reicht dies für die Anwendbarkeit der Haftungsprivilegierung noch nicht aus. Hinzutreten muss das Moment der negativen Auswirkungen einer gesamtschuld­ nerischen Haftung auf das KMU. Das Unternehmen muss zusätzlich in seiner wirtschaftlichen Lebensfähigkeit unwiederbringlich gefährdet sein. Konkrete Anforderungen hieran gehen aus dem Wortlaut des §  33d GWB wie aus dem ihm zugrunde liegenden Art.  11 SE-RL nur insoweit hervor, als eine Gefährdung ausreicht und das tatsächliche Eintreten der Leistungsunfähigkeit nicht erforderlich ist.14 Allerdings darf es sich bei der Gefährdung nicht bloß um einen vorübergehenden Zustand handeln. Vielmehr muss sie einen endgültigen Haus/Serafimova BB 2014, 2883, 2889; Kersting VersR 2017, 581, 589. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  7. 10  Lettl WuW 2015, 692, 696. 11  Lettl WuW 2015, 692, 696; Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 283. 12 Vgl. Keßler VuR 2015, 83, 90; Schweitzer NZKart 2014, 335, 344. 13  Eine Beweislastumkehr enthält §  33d Abs.  3–4 GWB nicht. Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  26. 14  Lettl WuW 2015, 692, 696. 8 Vgl. 9 

212

6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

Zustand darstellen, da sonst die von der Norm geforderte Unwiederbringlichkeit nicht bestünde.15 Es muss somit eine dauerhafte Gefährdung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, d. h. der Fähigkeit des Unternehmens, eigenständig im Wett­ bewerb zu bestehen, vorliegen.16 Ein Verschwinden des Unternehmens vom Markt aufgrund seiner gesamtschuldnerischen Haftung müsste äußerst wahr­ scheinlich sein.17 Die bloße Gefahr einer Insolvenz reicht jedoch nicht aus, denn ein insolventes Unternehmen muss nicht zwangsläufig auch den Markt verlas­ sen.18 Zusätzlich fordert §  33d Abs.  3 GWB, dass die wirtschaftliche Existenz auch dadurch bedroht wird, dass die Aktiva des KMU nach der gesamtschuldneri­ schen Haftung jeden Werts beraubt wären.19 Im Anschluss an die Schadenser­ satzzahlung dürfte kein Eigenkapital des Unternehmens mehr vorhanden sein.20 Die Schulden des Unternehmens müssten größer sein als sein Vermögen und die Aktiva in der bilanziellen Darstellung des Unternehmens mit dem Wert null oder einem negativen Wert angegeben werden.21 Erst wenn diese Voraussetzungen kumulativ zu einem Verstoß des KMU gegen die §§  1, 19 GWB oder Art.  101, 102 AEUV gegeben sind, kommt eine Privilegierung des KMU überhaupt in Betracht.22 Ob es in einer solchen Konstellation allerdings noch einer zivilrecht­ lichen Haftungsprivilegierung bedarf, ist mehr als fragwürdig.23

Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  8; Lettl WuW 2015, 692, 696. Lettl WuW 2015, 692, 696. 17  EuG v. 14.5.2014, Rs. T-406/09, ECLI:EU:T:2014:254, Tz.  289 – Donau Chemie; Berg/ Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  7; Lettl WuW 2015, 692, 696. 18  RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58 f. Siehe auch EuG v. 14.5.2014, Rs. T-406/09, ECLI:EU:T:2014:254, Tz.  288 – Donau Chemie; Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  7; Köln­ erKomm/Krohs §  33 GWB Rn.  295. 19 Vgl. Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1031. Zur Nichterfüllbarkeit dieser Voraussetzung sie­ he Kersting VersR 2017, 581, 589, der die gesetzliche Vorgabe als „bilanzieller Unsinn“ an­ sieht; vgl. auch ders. WuW 2014, 564, 568. 20  Kersting WuW 2014, 564, 568. 21  Lettl WuW 2015, 692, 697. Die genaue Bestimmung der Voraussetzungen obliegt der Rechtsprechung, siehe Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1031. Diese dürfen allerdings nicht der­ maßen hoch angesetzt werden, dass die Privilegierung ohne praktischen Anwendungsbereich bleibt, Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 283. 22  Eine Haftungsprivilegierung ist bei Verstößen gegen §§  20 f. GWB somit ausgeschlossen, Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7. Vgl. auch RegE BT-Drs. 18/10207, S.  58. 23  Kersting VersR 2017, 581, 589. 15  16 

B.  Privilegierung von KMU

213

3.  Ausschluss der Privilegierung a.  Regelung des §  33d Abs.  5 GWB Neben den strengen Anforderungen des §  33d Abs.  3 GWB engen die Aus­ schlussgründe des Abs.  5 den Anwendungsbereich der Privilegierung zusätzlich ein.24 Sämtliche Haftungsbeschränkungen des KMU scheiden aus, wenn es den Kartellverstoß organisiert (Nr.  1), die anderen Rechtsverletzer zur Teilnahme an dem Verstoß gezwungen hat (Nr.  2) oder bereits in der Vergangenheit an einem von der Privilegierung erfassten Verstoß beteiligt war und dies behördlich oder gerichtlich festgestellt wurde (Nr.  3). Hintergrund dieser Ausschlussgründe ist, dass die Privilegierung in §  33d Abs.  3 GWB eine Begünstigung des Täters zu­ lasten des Opfers allein aus Marktschutzgründen darstellt und sie nicht wie bei Kronzeugen wenigstens teilweise auch aus Opferschutzgründen erfolgt.25 Hat ein Unternehmen durch eine verstärkte Mitwirkung am Kartellverstoß einen gro­ ßen Anteil an der Beeinträchtigung der Geschädigten, lässt sich eine Privilegie­ rung aus Marktschutzgründen nicht mehr rechtfertigen. Da §  33d Abs.  5 GWB allerdings als Haftungsausschluss ausgestaltet ist, trägt nicht das kartellbeteiligte KMU, sondern der klagende Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Ausschlussgründe.26 b.  Kein Organisieren der Zuwiderhandlung Das KMU darf den Kartellverstoß nicht organisiert haben. Die Anforderungen an die Organisation sind im Einklang mit der Bestimmung der Rolle im Kartell auszulegen.27 Wem aufgrund seiner Handlungen im Rahmen der Zuwiderhand­ lung bei der allgemeinen Haftungsbestimmung eine herausragende Rolle zuzu­ schreiben ist, muss auch als Organisator i. S. d. §  33d Abs.  5 GWB angesehen werden. Hier darf es nicht zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen. In jedem Fall ist daher nach der Nr.  1 eine Privilegierung des Rädelsführers ausgeschlos­ sen. Dieser hat sich durch seine leitende Position im Kartell besonders hervorge­ tan und in großem Maße für die Planung und Durchführung des Kartellverstoßes gesorgt.28 Als wichtige Antriebskraft für das Kartell hat er besondere Verantwor­ tung für dessen Erfolg übernommen sowie Beiträge geleistet, die über das durch­

Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1032. Kersting WuW 2014, 564, 567. 26  Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  26; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6. 27  Siehe dazu oben S.  86 ff. 28  Siehe oben S.  88 f. 24 

25 Vgl.

214

6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

schnittliche Maß der Kartellbeteiligung hinausgehen und daher nicht mehr der bloßen Begehung des Verstoßes, sondern dessen Organisation entsprechen.29 Angesichts der restriktiven Anwendung der Privilegierung30 sind allerdings nicht nur Rädelsführer als Organisatoren anzusehen. Aus Geschädigtenschutz­ gründen müssen all diejenigen Kartellanten, die sich bei der Initiierung oder Durchführung des Kartells in sonstiger, ebenfalls das durchschnittliche Maß übersteigender Weise besonders hervorgetan haben, ebenso vom Begriff des Or­ ganisators erfasst sein. Folglich sind die einzelnen Handlungen und Förderungs­ maßnahmen der bei der Bestimmung der Rolle im Kartell als Täter oder Anstifter eingestuften Unternehmen ebenso einzelfallspezifisch hinsichtlich ihrer Qualität als Organisationsbeitrag zu untersuchen und die Unternehmen gegebenenfalls als Organisatoren einzustufen. Die Geltung des §  33d Abs.  5 Nr.  1 GWB ist indes nicht ausgeschlossen, wenn neben dem KMU ein weiteres Unternehmen als Organisator einzuordnen ist.31 Der Wortlaut des Ausschlussgrundes sieht insoweit keine Begrenzung auf eine alleinige Organisation vor, sondern erfasst auch die Mitorganisation des Kartell­ verstoßes.32 Ein Kartellteilnehmer soll nicht davon profitieren, dass sich neben ihm ein weiteres Unternehmen in einem mitgliederstarken Kartell besonders her­ vorgetan hat. Der Beitrag des Unternehmens muss jedenfalls deutlich über die „bloße Begehung“ des Kartellverstoßes hinausgehen.33 c.  Kein Zwang anderer Unternehmen Gemäß §  33d Abs.  5 Nr.  2 GWB ist die Anwendung der Haftungsbeschränkung ebenfalls ausgeschlossen, wenn das Unternehmen andere Rechtsverletzer zur Teilnahme am Kartell gezwungen hat. Das Gesetz verneint somit eine Haftungs­ privilegierung, wenn sich ein KMU dadurch besonders wettbewerbsschädigend verhalten hat, dass es durch die Erzeugung von Druck für eine höhere Zahl an Kartellmitgliedern und eine stärkere Beeinträchtigung des Wettbewerbs gesorgt hat.34

29  Vgl. EuG v. 14.7.2016, T-146/09, EU:T:2016:411, Tz.  100 – Parker Hannifin Manufacturing sowie Lettl WuW 2015, 692, 697. 30 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  87 ff.; Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  5. 31  Schließlich kann auch „zwei und sogar mehr Unternehmen gleichzeitig die Eigenschaft des Anführers zugeschrieben werden“, siehe EuG v. 14.7.2016, T-146/09, EU:T:2016:411, Tz.  102 – Parker Hannifin Manufacturing. 32  Lettl WuW 2015, 692, 697. Zweifelnd dagegen Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  12. 33  Lettl WuW 2015, 692, 697. 34 Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  12; Lettl WuW 2015, 692, 698.

B.  Privilegierung von KMU

215

Eine Milderung der Haftung erfährt ein KMU daher dann nicht, wenn es die Willensentschließungsfreiheit mindestens eines anderen Unternehmens derma­ ßen beeinflusst hat, dass dieses bei seiner Entscheidung, dem Kartell beizutreten, nicht oder nicht mehr völlig frei war.35 Durch welche Art von Druck das KMU dies erreicht hat, ist unerheblich.36 Entscheidend ist, dass die Teilnahme des an­ deren Unternehmens am Kartell nicht nur auf einen bloßen Vorschlag des KMU zurückgeht, sondern auf eine irgendwie geartete Bedrängung durch das KMU. Der Zwang anderer Unternehmen zur Kartellmitgliedschaft schließt indes nicht nur die Milderung der Haftung nach §  33d GWB aus, sondern regelmäßig auch diejenige nach §  33e GWB. So gewähren Rn.  3 der Bonusregelung des Bundeskartellamts wie Rn.  13 des Kronzeugenprogramms der Kommission sol­ chen Kartellmitgliedern den für die Privilegierung erforderlichen Erlass der Geldbuße nicht, die andere zur Teilnahme am Kartellverstoß gezwungen haben.37 §  33d Abs.  5 Nr.  2 GWB verhindert folglich in dieser Hinsicht eine haftungs­ rechtliche Besserstellung der KMU gegenüber den Kronzeugen. d.  Kein früherer Wettbewerbsverstoß Ebenso wie eine intensive Teilnahme am Kartellverstoß wird auch die Wiederho­ lungstäterschaft vom Gesetzgeber als besonders verwerflich erachtet und führt gemäß §  33d Abs.  5 Nr.  3 GWB zum Ausschluss der Haftungsprivilegierung. Ein früherer, behördlich oder gerichtlich festgestellter Kartellverstoß verhindert da­ her eine mildere Haftung.38 Wann der frühere Kartellverstoß begonnen oder be­ endet wurde, ist gemäß §  33d Abs.  5 Nr.  3 GWB unerheblich.39 Die Norm stellt nur darauf ab, ob der Verstoß in der Vergangenheit festgestellt wurde. Zwar könnte die Vorgabe des Art.  11 Abs.  3 lit.  b SE-RL darauf hindeuten, dass der Kartellverstoß zumindest früher begonnen haben muss als der aktuell relevante Verstoß.40 Allerdings ist das Unternehmen in beiden Konstellationen ein wenig schutzwürdiger Wiederholungstäter. Bei welchem Kartellverstoß von den Ge­ schädigten zuerst Schadensersatz geltend gemacht wird, wenn jedenfalls einer der Verstöße rechtskräftig festgestellt ist, kann nicht ausschlaggebend sein. Der zeitliche Rahmen des früher festgestellten Kartellverstoßes ist daher ebenso un­ erheblich wie die Tatsache, dass ein gerichtliches oder behördliches Kartellver­ Lettl WuW 2015, 692, 698. Lettl WuW 2015, 692, 698 unterscheidet insoweit die „rechtliche, wirtschaftliche und soziale Überlegenheit“. 37  Dazu oben S.  30 ff. 38  Janssen CB 2015, 35, 38; Lettl WuW 2015, 692, 698. 39  Lettl WuW 2015, 692, 698. 40 So Lettl WuW 2015, 692, 698. 35  36 

216

6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

fahren bereits anhängig ist.41 Ausschlaggebend ist vielmehr, dass die Entschei­ dung des Gerichts oder der Behörde vor einer Entscheidung über die gesamt­ schuldnerische Haftung wegen des aktuellen Kartellverstoßes rechtskräftig ist.42 An die Feststellung des Kartellverstoßes selbst sind keine besonderen Anforde­ rungen zu stellen. Es reicht aus, wenn den Gründen der Entscheidung zu entneh­ men ist, dass das betreffende Unternehmen dem Kartellrecht zuwider gehandelt hat.43 Das Erfordernis einer Entscheidung soll insoweit nur einen unrechtmäßi­ gen Privilegierungsausschluss bei vermeintlichen Kartelltätern verhindern, bei denen sich im Nachhinein herausstellt, dass sie nicht gegen das Kartellrecht ver­ stoßen haben. Liegt aber eine rechtskräftige behördliche oder gerichtliche Ent­ scheidung vor, bestehen hieran keine Zweifel mehr. 4. Zwischenergebnis Auch wenn die Voraussetzungen für das Eingreifen der Haftungsprivilegierung sehr hoch sind und die primäre Darlegungs- und Beweislast beim kartellbeteilig­ ten Unternehmen liegt, ist nicht ausgeschlossen, dass die bloße Existenz einer gesetzlichen Privilegierung dazu führt, dass Geschädigte von einer Schadenser­ satzklage gegen ein KMU Abstand nehmen. Selbst wenn das Eingreifen der Pri­ vilegierung wenig wahrscheinlich ist, verbleibt für sie ein Risiko, welches bei einer Klage gegen einen größeren Kartellanten nicht besteht. Schließlich müssen in dem Schadensersatzprozess gegen das KMU sowohl sein Marktanteil und sei­ ne wirtschaftliche Situation als auch sein Kartellverhalten festgestellt werden. Dies kann den Prozess erheblich verlängern und die Kosten in die Höhe trei­ ben.44 Die KMU werden daher faktisch besser vor hohen Schadensersatzforde­ rungen geschützt, als es das Gesetz ohnehin vorsieht.

II.  Haftung im Außenverhältnis 1.  Regelung des §  33d Abs.  3 GWB Der deutsche Gesetzgeber hat die Außenhaftung von Kronzeugen und KMU größtenteils parallel ausgestaltet.45 Privilegierte KMU haften deshalb grundsätz­ lich nur gegenüber den Mitgliedern ihrer eigenen Abnehmer- und Lieferkette gesamtschuldnerisch.46 Gegenüber allen anderen Geschädigten sind sie nicht Zur Anhängigkeit siehe Lettl WuW 2015, 692, 698. §  33d GWB Rn.  12; Lettl WuW 2015, 692, 698. 43  Lettl WuW 2015, 692, 698. Vgl. auch Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  12. 44  Janssen CB 2015, 35, 38. Vgl. auch Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  9. 45 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  87. 46  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  10. 41 

42 Berg/Mäsch/Mäsch

B.  Privilegierung von KMU

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passivlegitimiert. Eine Ausnahme macht das Gesetz nur, wenn die Geschädigten von den übrigen Rechtsverletzern keinen vollständigen Ersatz erlangen können. In diesem Fall haften die KMU gemäß §  33d Abs.  3 S.  2 GWB subsidiär. 2.  Beschränkte Außenhaftung a.  Parallele Ausgestaltung zur Kronzeugenprivilegierung Gemäß §  33d Abs.  3 S.  1 GWB haftet ein KMU im Außenverhältnis wie ein Kronzeuge nur gegenüber seinen eigenen unmittelbaren und mittelbaren Abneh­ mern oder Lieferanten. Im Umkehrschluss hat es anderen Geschädigten gegen­ über nicht für kartellbedingte Schäden einzustehen.47 Diese Neuregelung be­ grenzt die gesamtschuldnerische Haftung in personeller Hinsicht. Während sich die Haftung gegenüber den eigenen unmittelbaren wie mittelbaren Vertragspart­ nern gegenüber der alten Rechtslage nicht verändert und auch das KMU für de­ ren gesamte Schäden über den eigenen Anteil hinaus einzustehen hat, ist die Haftung gegenüber den restlichen Geschädigten ganz ausgeschlossen. Diese können sich mit ihrem Schadensersatzbegehren grundsätzlich nur noch an die nichtprivilegierten Mitschädiger wenden. Dass die parallele Gestaltung der Haftungsprivilegierungen vom Willen des deutschen Gesetzgebers getragen war und nicht zufällig ist, zeigt die beinahe identische Formulierung beider Tatbestände. Die Umsetzung von Art.  11 Abs.  2–3 SE-RL lehnt sich an die Vorgaben von Art.  11 Abs.  4–5 SE-RL an. Folglich sind auch die Begriffe des Abnehmers und des Lieferanten in §  33e Abs.  3 ebenso auszulegen wie in §  33e Abs.  1 S.  1 GWB. Bei der Anwendung von §  33d Abs.  3 GWB sind demnach die Geschäftsbeziehungen hinsichtlich des kartellbefangenen Produkts in ihrer Gesamtheit zu betrachten und nicht hinsicht­ lich jedes Waren- oder Dienstleistungsaustauschs einzeln zu bestimmen, ob es sich bei dem Geschädigten um einen Abnehmer oder Lieferanten handelt.48 Dass an dieser Stelle auch ein einmaliger Produktaustausch zu einer vollen Außenhaf­ tung des Privilegierten führen muss, folgt zudem daraus, dass ansonsten die KMU-Privilegierung zu einer stärkeren Privilegierung als §  33e Abs.  1 GWB führen würde. Ein derartiges Ergebnis widerspräche aber der beträchtlichen Be­ deutung der Kronzeugenprivilegierung für die Freiheit des Wettbewerbs.49 Aus demselben Grund ist §  33d Abs.  3 GWB auch so zu verstehen, dass es gegenüber den Vertragspartnern bei einer vollen gesamtschuldnerischen Haftung 47 Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  5; Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadenser­ satzklagen, Rn.  1250. 48  Siehe oben S.  131 ff. 49 Vgl. Pipoh NZKart 2016, 226, 227.

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6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

der KMU bleiben soll.50 Eine auf seinen Haftungsanteil beschränkte Haftung ist nicht vorgesehen. Wenn schon wegen eines Kronzeugen einem Geschädigten nicht mehrere Prozesse gegen verschiedene Beklagte zugemutet werden sollen, darf dies erst recht nicht wegen eines KMU geschehen. Schließlich soll der Ef­ fektivitätsgrundsatz in jedem Fall eine übermäßige Erschwerung der Rechts­ durchsetzung für einen Geschädigten verhindern.51 b.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Anders als die deutsche Umsetzung sieht Art.  11 Abs.  2 SE-RL keine parallele Ausgestaltung beider Privilegierungen vor. Zwar soll das KMU ebenso wie der Kronzeuge grundsätzlich nur gegenüber ausgewählten Geschädigten gesamt­ schuldnerisch haften, doch bestimmt die Schadensersatzrichtlinie den Kreis der aktivlegitimierten Personen anders. Nach dem Wortlaut des Art.  11 Abs.  2 SE-RL haften KMU nur gegenüber ihren unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern. Die Haftung von KMU wäre demzufolge auch gegenüber den eigenen Lieferan­ ten vollständig ausgeschlossen.52 In sämtlichen Nachfragekartellen wären die KMU grundsätzlich von jeglicher Haftung befreit.53 Die Lieferanten könnten da­ her nur von den übrigen Kartellanten oder im Wege der Ausfallhaftung gemäß §  33d Abs.  3 S.  2 GWB Ersatz ihrer Schäden verlangen. Ihnen würde der güns­ tigste Beklagte genommen und die Erlangung von Schadensersatz erschwert. Doch findet die fortbestehende Haftung gegenüber den Vertragspartnern ihren Ursprung nicht in der Tatsache, dass das KMU durch den Waren- oder Dienst­ leistungsaustausch den letzten Schritt für die Schädigung gemacht hat, sondern darin, dass ein Entzug des Schädigers, gegen den üblicherweise die meisten Be­ weise und sonstigen Informationen vorliegen, eine übermäßige Erschwerung der Rechtsdurchsetzung und somit einen Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz darstellt.54 Die Möglichkeit, gegen die nicht privilegierten Mitkartellanten vor­ gehen zu können, kann diese Chancenverringerung bei der effektiven Rechts­ durchsetzung naturgemäß nicht ausgleichen. In Anbetracht der Betonung des Schadensersatzanspruchs und der Hervorhe­ bung des Effektivitätsgrundsatzes in Art.  4 SE-RL kann die Nichtnennung der Lieferanten in Art.  11 Abs.  2 SE-RL nur als Redaktionsversehen eingestuft wer­ 50 

Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  98 ff. Siehe oben S.  10 f. 52  Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1032; Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  123; dies. WuW 2016, L1, L6. 53  Kersting VersR 2017, 581, 589. 54  Siehe oben S.  128 f. Einen solchen Verstoß bejahen auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  100; Kersting/Preuß Kartellschadensersatzrichtlinie, Kap. C Rn.  122. 51 

B.  Privilegierung von KMU

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den.55 Es ist nicht ersichtlich, dass die Richtlinie den in Art.  101 AEUV primär­ rechtlich verankerten effektiven Rechtsschutz der Lieferanten tatsächlich ein­ schränken56 und diese gegenüber geschädigten Abnehmern schlechter stellen will, weshalb das Wort „Lieferanten“ gedanklich in den Normtext einzufügen ist und der deutsche Gesetzgeber die Richtlinie im Sinne ihres Ziels umgesetzt hat.57 Dadurch steht die Haftungsbeschränkung im Außenverhältnis nicht nur im Ein­ klang mit den Geschädigtenrechten, sondern auch mit der Kronzeugenprivilegie­ rung. Denn auch Kronzeugen müssen ihren Lieferanten gegenüber voll haften, und eine Besserstellung der KMU gegenüber den Kronzeugen ist vom Richtlini­ engeber ebenso wenig gewollt wie eine zu starke Beschneidung der Geschädig­ tenrechte.58 3. Ausfallhaftung a.  Regelung des §  33d Abs.  3 S.  2 GWB Jedoch schließt §  33d Abs.  3 GWB die Haftung der KMU gegenüber anderen Geschädigten als ihren Abnehmern und Lieferanten nicht ausnahmslos aus. Abs.  3 S.  2 sieht eine mit dem Wortlaut der Ausfallhaftung des Kronzeugen in §  33e Abs.  1 S.  2 GWB fast identische, subsidiäre Haftung des KMU vor. Ein KMU haftet danach anderen Geschädigten als seinen Abnehmern und Lieferan­ ten auf Schadensersatz, wenn diese von den übrigen Rechtsverletzern – mit Aus­ nahme der Kronzeugen – keinen vollständigen Ersatz erlangen konnten. b.  Voraussetzungen der Ausfallhaftung Hinsichtlich der Voraussetzungen für das Eingreifen der Ausfallhaftung gelten dieselben Anforderungen wie bei der Kronzeugenprivilegierung. Die Geschä­ digten können sich mit ihrem Schadensersatzbegehren an das KMU wenden, wenn sämtliche Mitschädiger insolvent sind, ein gerichtliches Vorgehen gegen sie unzumutbar war oder die gegen sie betriebene Zwangsvollstreckung erfolg­ los oder unzumutbar war.59 Ergänzend stellt §  33d Abs.  3 S.  3 klar, dass §  33e Abs.  2 GWB entsprechend auf die KMU-Privilegierung anzuwenden ist und eine Verjährung der Ansprüche gegen die Mitschädiger auch einen Zugriff auf Kersting VersR 2017, 581, 589. Vgl. auch Kühne/Woitz DB 2015, 1028, 1032, die einen redaktionellen Fehler ebenfalls nicht ausschließen. 56  Siehe dazu auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  100; Rust NZKart 2015, 502, 510. 57  Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  102. 58  Vgl. auch Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  11; Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  5. 59  Siehe oben S.  156. 55 

220

6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

das KMU ausschließt. Wie beim Kronzeugen soll verhindert werden, dass das privilegierte Unternehmen durch die Verjährungsregelung in §  33h Abs.  8 GWB benachteiligt wird. Zusätzlich liegt bei §  33d Abs.  3 S.  2 GWB ein Ausfall vor, wenn einer der Mitschädiger den Kronzeugenstatus i. S. d. §  33e Abs.  1 GWB erlangt hat. So ist der subsidiären Haftung der KMU beim Terminus „der übrigen Rechtsverletzer“ noch der Zusatz „mit Ausnahme des Kronzeugen“ hinzugefügt. Im Vergleich zu den Kronzeugen sind die KMU daher bei einem Ausfall aller weiteren Mitkartel­ lanten vorrangig in Anspruch zu nehmen. Fallen die Mitkartellanten aus, dann müssen sich deren direkte und indirekte Geschäftspartner sowie die Preis­schirm­ effektgeschädigten erst an die KMU wenden, bevor sie im Wege der Ausfallhaf­ tung gegen die Kronzeugen vorgehen können.60 Der deutsche Gesetzgeber ver­ deutlicht damit die rechtspolitische Notwendigkeit, die Kronzeugen gegenüber den KMU besserzustellen.61 c.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Die Einführung einer subsidiären Haftung der KMU gegenüber Geschädigten, die nicht ihrer Abnehmer- und Lieferkette angehören, ist nicht ausdrücklich von der Schadensersatzrichtlinie vorgesehen. Ein der Kronzeugenregelung in Art.  11 Abs.  4 S.  1 lit.  b entsprechender Zusatz fehlt in Art.  11 Abs.  2 SE-RL.62 Dies spricht für den Willen des Richtliniengebers, die KMU bei ihrer Haftung umfas­ send zu privilegieren, was durch die Ausfallhaftung zumindest teilweise konter­ kariert würde. Allerdings enthält Art.  11 Abs.  2 SE-RL auch die Vorgabe, dass die Privilegierung nur so weit reichen soll, wie das Recht des Geschädigten auf voll­ ständigen Schadensersatz nach Art.  3 SE-RL nicht beeinträchtigt wird. Kann ein Geschädigter von den Mitschädigern aber keinen (vollständigen) Schadensersatz erlangen und mangels Vertragsbeziehungen nicht gegen das KMU vorgehen, wird sein Recht auf vollständigen Schadensersatz beeinträchtigt. Dass der deut­ sche Gesetzgeber nach dem Vorbild der Kronzeugenprivilegierung eine Ausfall­ haftung hinzugefügt hat, entspricht damit den Vorstellungen des Richtlinienge­ bers hinsichtlich der Ausgestaltung der KMU-Privilegierung und steht somit im Einklang mit der Richtlinie.63 Das Fehlen einer expliziten Ausfallhaftung ermög­ 60 Kersting/Podszun/Mackenrodt

9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  109. Siehe auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  110; Pipoh NZ­ Kart 2016, 226, 227. 62 Vgl. Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  114; Langen/Bunte/ Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  11; Kersting VersR 2017, 581, 589. 63  Keine Rückausnahme von der Ausnahme in der Schadensersatzrichtlinie erkennen hinge­ gen Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 284; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7; Kersting/ Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  111. 61 

B.  Privilegierung von KMU

221

licht den nationalen Gesetzgebern nur, eine auf das jeweilige mitgliedstaatliche Recht abgestimmte Möglichkeit der Umsetzung zu finden. Da die Ausfallhaftung eine volle Schadenskompensation sichert, hat der deutsche Gesetzgeber den ihm eingeräumten Umsetzungsspielraum in zulässiger Weise ausgenutzt.64

III.  Haftung im Innenverhältnis Die Privilegierung der KMU beschränkt sich in §  33d GWB nicht auf das Außen­ verhältnis. Vielmehr hat der deutsche Gesetzgeber mit §  33d Abs.  4 GWB auch eine Sonderregelung zur allgemeinen Haftungsverteilung im Innenverhältnis nach §  33d Abs.  2 GWB geschaffen. Wie bereits bei der Außenhaftung ist er da­ bei allerdings deutlich von den Richtlinienvorgaben abgewichen. 1.  Parallele Ausgestaltung zur Kronzeugenprivilegierung Wie die Privilegierung im Außenverhältnis ist auch die Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis parallel zur Kronzeugenregelung in §  33e GWB ausgestal­ tet.65 Gemäß §  33d Abs.  4 S.  1 GWB können die KMU nur hinsichtlich der Schä­ den ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Abnehmer oder Lieferanten von den Mitschädigern in Regress genommen werden. Zahlen die Mitkartellanten dage­ gen im Außenverhältnis Schadensersatz an ihre Geschäftspartner, so können sie hierfür vom KMU keinen anteiligen Ausgleich verlangen. Zweck dieser Rege­ lung ist, dass die Privilegierung im Außenverhältnis nicht ausgehöhlt wird.66 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz sieht §  33e Abs.  4 S.  2 GWB – eben­ falls übereinstimmend mit der Kronzeugenregelung – für Preisschirmeffektge­ schädigte vor. Für Vermögenseinbußen von Geschädigten, die in keiner Abneh­ mer- und Lieferkette mit einem Kartellbeteiligten stehen, gilt die Haftungsbefrei­ ung nicht.67 Die Mitkartellanten können vom KMU hinsichtlich derartiger Schäden ebenso wie hinsichtlich der Schäden seiner Abnehmer und Lieferanten in Höhe seines Haftungsanteils Ausgleich verlangen.

64 

Zweifel an der Unionsrechtskonformität haben hingegen Langen/Bunte/Bornkamm/ Tolkmitt §  33d GWB Rn.  11. 65 Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  117. 66  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1249; Kahlenberg/Heim BB 2016, 1863, 1868; Kersting VersR 2017, 581, 588. 67  Siehe auch Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1251.

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6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

2.  Vereinbarkeit mit der Richtlinie Eine derartige Ausweitung der Privilegierung auf das Innenverhältnis sieht die Schadensersatzrichtlinie für KMU nicht vor.68 Sie begnügt sich mit einer Be­ schränkung der Außenhaftung. In Art.  11 SE-RL finden sich keinen Sonderrege­ lungen zum Innenregress der KMU. Dass die Richtlinie Abweichungen von den allgemeinen Vorgaben zum Innenregress ansonsten aber normiert, zeigen Art.  11 Abs.  5 S.  2 und Art.  19 Abs.  2 SE-RL.69 Dennoch wird in der Literatur aus dem Fehlen einer abweichenden Regelung teilweise gefolgert, dass es nicht bei der allgemeinen Regelung des Art.  11 Abs.  2 SE-RL bleiben soll, sondern zahlende Mitschuldner gegenüber KMU keine Regressansprüche haben.70 Als Begrün­ dung dafür, dass KMU nicht am Innenregress teilnehmen, wird angeführt, dass sie durch die Begrenzung ihrer Außenhaftung auf ihre unmittelbaren und mittel­ baren Vertragspartner71 in Art.  11 Abs.  3 SE-RL hinsichtlich der Schäden anderer von der gesamtschuldnerischen Haftung ausgenommen sind.72 Dieser Ausschluss ziehe die Konsequenz nach sich, dass auch keine Innenregressansprüche gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB oder §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB gel­ tend gemacht werden könnten.73 Vervollständigt man diesen Gedanken, so ver­ bleibt angesichts der noch bestehenden gesamtschuldnerischen Haftung für die Schäden der eigenen Vertragspartner allein die Innenhaftung für deren Schäden, welche vom deutschen Gesetzgeber in §  33d Abs.  4 GWB entsprechend normiert wurde. Eine derartige Auslegung wäre in dogmatischer Hinsicht fundiert. Allerdings ist sie das Ergebnis einer Betrachtung der Richtlinienvorgaben allein „durch die nationale Brille“. Geht man gerade nicht von einem deutschen Verständnis der (gestörten) Gesamtschuld aus und legt man die Richtlinienvorgaben – wie erfor­ derlich – autonom aus,74 kommt man zum umgekehrten Ergebnis, dass die KMU im Innenverhältnis voll haften sollen.75 Wie bereits ausgeführt, regelt die Richt­ linie die Beschränkung der Innenhaftung für die Kronzeugen ausdrücklich. Wie 68  Vgl. Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  22; Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  10; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7. 69  Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7. 70  Lettl WuW 2015, 692, 700. Vgl. dazu auch Berg/Mäsch/Mäsch §  33d GWB Rn.  10; Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L7. 71  Zwar spricht die Richtlinie insoweit nur von Abnehmern, allerdings ist in den Wortlaut zusätzlich „Lieferanten“ hineinzulesen, siehe oben S.  217 ff. 72  Lettl WuW 2015, 692, 700. 73  Lettl WuW 2015, 692, 700. 74  Vgl. zur autonomen Auslegung im Allgemeinen BVerfG NJW 2001, 1267, 1268; Cal­ liess/Ruffert/Wegener Art.  19 EUV Rn.  13. 75  Zweifel an der Lösung des deutschen Gesetzgebers haben auch Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  23.

B.  Privilegierung von KMU

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die KMU sollen auch die Kronzeugen gemäß Art.  11 Abs.  4 lit.  a SE-RL im Au­ ßenverhältnis grundsätzlich nur gegenüber ihren eigenen unmittelbaren und mit­ telbaren Vertragspartnern haften. Dennoch trifft Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL eine explizite Bestimmung, wonach die Kronzeugen im Innenverhältnis nur für deren Schäden haften sollen. Wäre das Begriffsverständnis der Richtlinie wie von der angeführten Literaturmeinung mit dem nationalen Verständnis identisch, dann hätte es dieser Regelung nicht bedurft. Indem die gesamtschuldnerische Haftung des Kronzeugen gegenüber seinen Vertragspartnern bestehen bleibt, haben seine Mitkartellanten für diese Schäden ihm gegenüber die allgemeinen Regress­ ansprüche. Aus der Existenz von Art.  11 Abs.  5 S.  2 SE-RL lässt sich daher schließen, dass der Richtliniengeber jede einzelne Abweichung von den Grundsätzen der gesamtschuldnerischen Haftung ausdrücklich regeln wollte. Fehlt eine solche Regelung, dann soll es im Umkehrschluss bei den allgemeinen Regelungen blei­ ben. Für die KMU ist somit nur eine Privilegierung im Außenverhältnis vorgese­ hen. Ihre Innenhaftung soll vollständig bestehen bleiben. Gestützt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch die vom Richtlinienge­ ber verwendeten Formulierungen der einzelnen Ausnahmetatbestände in Art.  11 SE-RL: Sowohl dessen Abs.  2 als auch Abs.  4 nehmen Bezug auf den Haftungs­ grundsatz in Abs.  1 und regeln davon „Abweichendes“. Ähnlich verhält es sich mit der Ausnahme in Art.  11 Abs.  5 S.  2 zur Grundregel in Art.  11 Abs.  5 S.  1 SE-RL. Die nicht genannten Schädiger sollen nach der Grundregel haften und sind gerade nicht mangels spezieller Regelung von der Innenhaftung ausge­ schlossen.76 Nach der Systematik der Richtlinie soll es somit beim Grundsatz der Innenhaftung bleiben.77 Dass es sich beim Weglassen einer gesetzlichen Regelung nicht etwa wie beim Weglassen der Lieferanten um ein Versehen des Richtliniengebers handelt, zeigt auch eine Analyse des Telos der Privilegierung. Die als „offensichtlich mittel­ standspolitisch motivierte Einschränkung“78 abgestempelte Regelung soll kleine und mittlere Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung bewahren, die den Bestand des Unternehmens bedroht. KMU sollen durch die hohen Schadens­ ersatzforderungen nicht in die Insolvenz gedrängt werden oder ihre Wettbe­ werbsfähigkeit verlieren, denn sie sind wichtig für die Aufrechterhaltung eines wirksamen Wettbewerbs.79 Dieser droht gerade durch die Haftung im Außenver­ hältnis beeinträchtigt zu werden.80 Dort machen die Geschädigten regelmäßig 76 

Vgl. BeckOGK/Kreße Stand 1.11.2017, §  426 BGB Rn.  68. Kersting VersR 2017, 581, 589. 78  Haus/Serafimova BB 2014, 2883, 2889. 79  Lettl WuW 2015, 692, 701. 80 BeckOGK/Kreße Stand 1.11.2017, §  426 BGB Rn.  68. 77 Vgl.

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6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

ihren gesamten Schaden und nicht nur den auf den Beklagten entfallenden Anteil geltend, was in der Tat das wirtschaftliche Überleben gerade kleiner und mittle­ rer Unternehmen schnell gefährden kann. Die Privilegierung soll die KMU nur vor von ihnen zeitweise zu tragenden hohen Summen schützen und sie gerade nicht von einem dauerhaft zu tragenden Haftungsanteil befreien.81 Die Regelung will verhindern, dass Unternehmen durch Klagen von Geschädigten auf Ersatz der gesamten Schäden und Rechts­ verfolgungskosten über ihre Schmerzgrenze hinaus belastet werden und ihre wirtschaftliche Überlebensfähigkeit verlieren.82 Nicht geschützt werden sollen die KMU hingegen vor einem Ausscheiden aus dem Wettbewerb, weil sie auf­ grund ihrer hohen relativen Verantwortung für die Schadensentstehung einen über ihre finanzielle und wirtschaftliche Belastbarkeit hinausgehenden Haf­ tungsanteil im Innenverhältnis tragen müssen. Schließlich darf die in der Litera­ tur als „rechtspolitisch […] grundlegend verfehlt“83 angesehene Privilegierung zum Schutz der anderen Beteiligten nur so wenig wie möglich in deren Rechte eingreifen.84 Die Nichtregelung einer Innenhaftungsbeschränkung ist damit eine bewusste Entscheidung des Richtliniengebers.85 Die Ausweitung der Haftungsbeschrän­ kung durch den deutschen Gesetzgeber stellt damit gerade keine konsequente Fortführung der Außenhaftungsprivilegierung dar, um dem KMU die effektive Entlastung zukommen zu lassen.86 Vielmehr müsste den Richtlinienvorgaben entsprechend §  33d Abs.  4 GWB gestrichen und durch eine gesetzliche Anord­ nung der allgemeinen Regel des §  33d Abs.  2 S.  1 GWB ersetzt werden.87

81 BeckOGK/Kreße

Stand 1.11.2017, §  426 BGB Rn.  68. Rust NZKart 2015, 502, 510. 83  Schweitzer NZKart 2014, 335, 344. Ebenfalls ablehnend Kersting/Preuß WuW 2016, L1, L6 f.; Kersting WuW 2014, 564, 567 f. 84  Wenn schon stark an einem triftigen rechtlichen Grund für die Außenhaftungsbeschrän­ kung gezweifelt wird, vgl. Keßler VuR 2015, 83, 90 sowie Makatsch/Mir EuZW 2011, 7, 11, dann muss dies erst recht für eine endgültige Haftungsbefreiung gelten. 85 Vgl. auch Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  118; Kersting/ Preuß WuW 2016, L1, L7. 86  Siehe auch BeckOGK/Kreße Stand 1.11.2017, §  426 BGB Rn.  68. A.A. Schaper/Stauber NZKart 2017, 279, 284. 87  Vgl. dazu auch Weitbrecht NJW 2017, 1574, 1576, der einen Umsetzungsspielraum des nationalen Gesetzgebers verneint. 82 Siehe

C.  Anreizwirkung für Kronzeugenantrag

225

C.  Anreizwirkung für Kronzeugenantrag I.  Keine Beeinträchtigung der Kronzeugenprivilegierung Die Privilegierung in §  33d Abs.  3–5 GWB soll unter engen Voraussetzungen KMU davor bewahren, wegen der Anordnung der gesamtschuldnerischen ­Haftung vorschnell endgültig aus dem Wettbewerb ausscheiden zu müssen. Kei­ neswegs soll sie den Anreiz für die Unternehmen beseitigen, selbst den Kartell­ verstoß aufzudecken und im Rahmen eines Kronzeugenprogramms mit den Be­ hörden zu kooperieren.88 Vielmehr bezweckt §  33e GWB durch die haftungs­ rechtliche Besserstellung, so viele Kartellteilnehmer wie möglich zur Stellung eines Kronzeugenantrags zu motivieren. Für das Zusammenspiel von §  33d Abs.  3–5 und §  33e GWB ist es daher von höchstem Interesse, wie sich die KMU-Privilegierung auf die Bereitschaft kleiner und mittlerer Unternehmen auswirkt, zusätzlich einen Kronzeugenantrag zu stellen.

II.  Anreiz durch weitergehende Haftungsprivilegierungen Eine Anreizwirkung für die Stellung eines Kronzeugenantrags besteht, wenn das bereits haftungsprivilegierte Unternehmen hierdurch weitere Haftungsbeschrän­ kungen erfährt. Da die bisherige Analyse bereits aufgezeigt hat, dass beide Haf­ tungsbeschränkungen weitgehend parallel ausgestaltet sind, ist auf die wenigen noch bestehenden Differenzen besonderes Augenmerk zu legen. 1.  Anreiz bei der Außenhaftung Grundsätzlich haften die Kronzeugen und KMU im Außenverhältnis jeweils nur gegenüber ihren eigenen unmittelbaren und mittelbaren Vertragspartnern. Stär­ keren Schutz vor Geschädigtenforderungen erlangen die KMU mit dem Kron­ zeugenantrag folglich nicht. Darüber hinaus droht bei beiden Gruppen zur Wah­ rung der Geschädigtenrechte die subsidiäre Haftung. Auch vor ihr bietet eine Vereinigung des KMU-Status mit der Kronzeugeneigenschaft keinen Schutz. Lediglich im Hinblick auf das Eingreifen der Ausfallhaftung ergibt sich zwi­ schen beiden Privilegierungen ein Unterschied: Der Geschädigte muss ein nach §  33d Abs.  3 GWB privilegiertes KMU vorrangig in Anspruch nehmen. Befürch­ tet ein Kronzeugen-KMU, von einem Nichtvertragspartner im Wege der subsidi­ ären Haftung in Anspruch genommen zu werden und existiert neben ihm ein weiteres privilegiertes KMU, kann es sich als Kronzeuge darauf berufen, dass 88  Siehe bereits die einleitende Darstellung der unterschiedlichen Ziele der Privilegierungen oben S.  209. Vgl. ferner Kersting/Podszun/Mackenrodt 9. GWB-Novelle, Kap.  8 Rn.  110.

226

6. Kapitel: KMU als Kronzeugen

das andere KMU vorrangig haftet. Schließlich darf das Zusammentreffen von mehreren Privilegierungsgründen für ein Unternehmen keine Schlechterstellung gegenüber Unternehmen bedeuten, bei denen bloß ein einzelner Privilegierungs­ grund zutrifft. Es darf sich daher in jeder Haftungssituation auf die jeweils güns­ tigere Privilegierung berufen. Aufgrund des unterschiedlichen Rangverhältnisses der Ausfallhaftung von Kronzeugen und KMU wäre dies im Außenverhältnis die Kronzeugeneigenschaft. Da jedoch die praktische Bedeutung der Ausfallhaftung insgesamt als gering einzuschätzen ist,89 ist die Wahrscheinlichkeit, dass die soeben angeführte Kon­ stellation in der Praxis eintritt, äußerst gering. Im Hinblick auf weitergehende Haftungsprivilegierungen ergibt sich daher bei einer isolierten Betrachtung der Außenhaftung für ein KMU kein Anreiz, zusätzlich als Kronzeuge aufzutreten. 2.  Anreiz bei der Innenhaftung Bei diesem Ergebnis bleibt es auch, wenn man die Innenhaftungsprivilegierung der KMU einbezieht, wie sie der deutsche Gesetzgeber verfehlt90 in §  33d Abs.  4 GWB vorgesehen hat. Aufgrund des vollständigen Gleichlaufs von Kronzeugenund KMU-Privilegierung würden die Unternehmen trotz erfolgreichen Kronzeu­ genantrags haftungsrechtlich nicht besser stehen. Der einzige diesbezügliche Vorteil bestünde in der verbesserten Stellung bei der Ausfallhaftung. Allerdings steht die Innenhaftungsbeschränkung, die der Gesetzgeber vorgesehen hat, als übermäßige Privilegierung gerade nicht im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie91 und ist deshalb durch eine Anordnung des allgemeinen Haftungsaus­ gleichs nach §  33d Abs.  2 S.  1 GWB zu ersetzen. Ein solches Vorgehen würde indes nicht nur die Richtlinienkonformität des §  33d GWB sicherstellen, sondern auch für die Differenzierung gegenüber dem Kronzeugenprivileg in §  33e GWB sorgen. Denn um die volle Innenhaftung und damit einhergehende Regress­ ansprüche der Mitkartellanten zu vermeiden, müsste das KMU den Kronzeugen­ status erlangen. Dann würde mangels weiterer Sondervorschriften nur ein Kron­ zeuge gemäß §  33e Abs.  3 GWB im Innenverhältnis beschränkt haften und so von der Privilegierung dauerhaft profitieren.

III.  Anreiz durch Rechtssicherheit Jedoch stellt die umfassendere Haftungsprivilegierung des Kronzeugen in §  33e GWB für ein kleines oder mittleres Unternehmen in der Praxis nicht den einzi­ 89 

Zur praktischen Bedeutung der Ausfallhaftung des Kronzeugen siehe oben S.  163. Siehe oben S.  222 ff. 91  Siehe oben S.  222 ff. 90 

C.  Anreizwirkung für Kronzeugenantrag

227

gen Anreiz dar, neben der gesetzlichen KMU-Privilegierung bei den Wettbe­ werbsbehörden als Kronzeuge aufzutreten. Wie bereits aufgezeigt, gewährt §  33d Abs.  3 GWB einem KMU die gesetzliche Haftungsbeschränkung nur, wenn es den hohen Anforderungen genügt.92 Ob diese tatsächlich erfüllt sind und ob das Unternehmen deren Vorliegen vor Gericht beweisen kann,93 ist ex ante oft unge­ wiss. Ebenso wenig lässt sich für das Unternehmen mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass es dem Geschädigten gelingt, ein etwaiges unter §  33d Abs.  5 GWB fallendes Verhalten zu beweisen.94 Daher bleibt es für das KMU attraktiv, diese Unsicherheiten durch einen Kronzeugenantrag auszuschließen. Schließlich verschafft der Kronzeugenstatus ihm die gewünschte Sicherheit bezüglich seiner zu erwartenden zivilrechtlichen Haftung.

92 

Zu den Anforderungen siehe oben S.  210 ff. Zur Beweislast siehe oben S.  210 ff. Vgl. auch Langen/Bunte/Bornkamm/Tolkmitt §  33d GWB Rn.  26. 94  Siehe oben S.  213 ff. 93 

7. Kapitel

Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit bei internationalen Kartellen A. Problemstellung Viele Kartelle beschränken sich in ihrer räumlichen Ausdehnung nicht auf das deutsche Staatsgebiet, sondern erstrecken sich über etliche weitere Staaten.1 Nicht selten befindet sich der Sitz mehrerer Kartellanten im europäischen oder außereuropäischen Ausland. Für die Kläger eröffnen solche grenzüberschreiten­ den Kartelle prozessual oft günstige Perspektiven. Denn sind für die Anspruchs­ durchsetzung unterschiedliche internationale Zuständigkeiten eröffnet, können die Kläger zwischen den Gerichtsständen wählen (§  35 ZPO). Das ermöglicht ihnen, ihre Rechtsdurchsetzung durch die Wahl des für sie günstigsten Verfah­ rens- und mittelbar auch des anwendbaren materiellen Rechts deutlich zu er­ leichtern (sog. Forum Shopping).2 Die Haftungsprivilegierungen in §  33e GWB führen indes für einen erhebli­ chen Teil der Geschädigten und oftmals auch für Kartellanten dazu, dass sie den Kronzeugen nicht auf Zahlung in Anspruch nehmen können. Ihnen gegenüber ist er nicht mehr passivlegitimiert. Besonders hart trifft einen Kläger die Privilegie­ rung, wenn der Kronzeuge für ihn aus internationaler Sicht ein besonders güns­ tiger Beklagter wäre und seine Wahlmöglichkeiten durch die Neuregelung des­ halb merklich verschlechtert sind.3 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kronzeuge als einziger Kartellant seinen Sitz im selben Staat wie der Kläger hat oder sein Sitz als Forumstaat für die Rechtsdurchsetzung besonders geeignet wä­ re.4 Fraglich ist, wie sich die Privilegierungen des Kronzeugen auf die internati­ onale Zuständigkeit der Gerichte bei unionsweiten oder weltweiten Kartellen auswirken und ob die Kläger mögliche Beeinträchtigungen durch andere eröff­ Mankowski Schadensersatz, S.  1. Herdegen Internationales Wirtschaftsrecht, §  9 Rn.  29; Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  21. 3  Milde betont den Aufwand mit dem Schadensersatzprozesse mit Auslandsbezug verbun­ den sind, in: Schutz des Kronzeugen, S.  252. Vgl. auch Krüger Kartellregress, S.  314. 4  Der „Heimvorteil“ und das anwendbare Verfahrensrecht sind schließlich die Hauptgründe für die Wahl eines Forums, Mäsch IPRax 2005, 509, 510. 1 Vgl. 2 

230

7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

nete Gerichtsstände kompensieren können. Gerade die Kartellgeschädigten sol­ len bei der Wahl des für sie rechtlich oder tatsächlich günstigsten Gerichtsstands nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

B.  Unionsweite Kartelle I. Schadensersatzklagen 1.  Anwendung der Brüssel Ia-VO Wenn der Beklagte seinen Sitz innerhalb der EU hat oder das Gericht eines Mit­ gliedstaates aufgrund einer Gerichtsstandsvereinbarung zuständig ist, bestimmt sich die internationale Zuständigkeit der Gerichte bei kartellrechtlichen Scha­ densersatzforderungen nach der Brüssel Ia-VO.5 Die Herkunft des Klägers ist dabei unerheblich.6 Gemäß Art.  1 Abs.  1 findet die Brüssel Ia-VO in Zivil- und Handelssachen Anwendung, dazu gehören auch Schadensersatzbegehren wegen Kartellverstößen.7 Streitigkeiten, die die behördliche Durchsetzung des Kartell­ rechts betreffen, sind hingegen wegen ihres öffentlich-rechtlichen Charakters nicht erfasst.8 Kartellgeschädigte haben in der Praxis regelmäßig die Wahl zwischen dem allgemeinen Gerichtsstand am Sitz des beklagten Kartellmitglieds, dem Delikts­ gerichtsstand sowie dem Gerichtsstand der Streitgenossenschaft. 2.  Allgemeiner Gerichtsstand Gemäß Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO ist der allgemeine Gerichtsstand für Perso­ nen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsstaat eines Mitgliedstaates haben, der Wohn­ sitz des Beklagten. Handelt es sich bei ihm um ein Unternehmen, bestimmt 5  Verordnung (EG) Nr.  1215/2015 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, ABl.  L 351/1 v. 20.12.2012. In Dänemark gilt die Brüssel Ia-VO lediglich kraft des Abkommens zwischen Dänemark und der EU zur Erstreckung der Regelungen der Brüssel I-VO auf Dänemark (ABl.  L 299/61 v. 16.11.2005). Siehe auch Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfah­ ren, §  31 Rn.  12. 6 Der Kläger kann auch aus einem Drittstaat stammen, siehe EuGH v. 13.7.2000, Rs. C-412/98, ECLI:EU:C:2000:399, Tz.  42 – Group Josi. 7  Siehe nur Grabitz/Hilf/Nettesheim/Schroeder 62. Lfg., Art.  101 AEUV Rn.  836; Wiede­ mann/Wiedemann Kartellrecht, §  5 Rn.  68; Kodek in: Gugler/Schuhmacher, Schadensersatz, S.  15, 37. 8 Palandt/Thorn Art.  6 Rom II Rn.  7; Immenga FS Kühne, S.  725, 727; Tzakas Kartell­ rechtsverstöße, S.  323.

B.  Unionsweite Kartelle

231

Art.  63 Brüssel Ia-VO ergänzend, dass als Wohnsitz alternativ der satzungsge­ mäße Sitz, der effektive Hauptverwaltungssitz oder die Hauptniederlassung an­ zusehen sind. Fallen diese auseinander und liegen sie in verschiedenen Mitglied­ staaten, kann der Kläger zwischen all diesen Orten als allgemeiner Gerichtsstand wählen.9 Für den Geschädigten bringt eine Wahl des allgemeinen Gerichtsstands den Vorteil, dass den Gerichten am Beklagtenwohnsitz eine unbeschränkte Kogniti­ onsbefugnis zusteht, weshalb Geschädigte ihren gesamten Schaden an diesem Gerichtsstand einklagen können und sich nicht auf denjenigen Schaden be­ schränken müssen, der im Gerichtsstaat entstanden ist.10 Für Schäden aufgrund von Kartellverstößen gelten insoweit keine Besonderheiten.11 Für Ansprüche von Geschädigten, die in keinen Geschäftsbeziehungen mit ihm standen, ist der Kronzeuge regelmäßig nicht passivlegitimiert. Eine Klage auf Ersatz des Schadens gegen den Kronzeugen an seinem Sitz wird mangels Schlüssigkeit abgewiesen. Die Wahlmöglichkeit des allgemeinen Gerichtsstands des Kronzeugen entfällt daher faktisch. 3.  Besondere Gerichtsstände Die neben dem allgemeinen Gerichtsstand in Betracht kommenden besonderen Gerichtsstände sind zum Schutz des Beklagten vor einer übermäßigen Gerichts­ pflichtigkeit grundsätzlich eng auszulegen, da der Grundsatz des Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO nicht unterlaufen werden darf.12 a. Deliktsgerichtsstand aa.  Ort des schädigenden Ereignisses Gemäß Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO kann eine Person mit Wohnsitz in einem Mit­ gliedstaat wegen einer unerlaubten Handlung in einem Mitgliedstaat verklagt werden, wenn dort das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Bei Kartellverstößen kann somit auch am Ort des schädigenden Ereignis­

9 Stein/Jonas/Wagner Art.  2 EuGVVO Rn.  9, 11; Mankowski Schadensersatzklagen, S.  60. Siehe auch Schack IZVR, Rn.  283. 10 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  19. Vgl. auch EuGH v. 7.3.1995, Rs. C-68/93, ECLI:EU:C:1995:61, Tz.  32 – Shevill. 11  Roth FS Kropholler, S.  623, 645 f.; Ackermann Liber Amicorum Slot, S.  109, 110; Mankowski Schadensersatzklagen, S.  60. 12 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  21. Siehe auch EuGH v. 23.4.2009, Rs. C-533/07, ECLI:EU:C:2009:257, Tz.  37 – Falco Privatstiftung; Stein/Jonas/ Wagner Art.  5 EuGVVO Rn.  1.

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7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

ses geklagt werden.13 Dieser befindet sich nach dem Ubiquitätsgrundsatz sowohl am Handlungsort als Ort des ursächlichen Geschehens als auch am Erfolgsort als Ort der Schadensentstehung.14 Befinden sich die Orte in verschiedenen Staaten, kann der Kläger zusätzlich zwischen diesen beiden Forumstaaten wählen.15 bb. Handlungsort Als Handlungsort ist der Ort anzusehen, an dem der Beklagte „das schädigende Ereignis […] verursacht hat“.16 Im Fall einer kartellrechtlichen Zuwiderhand­ lung kommen dafür der Ort der Kartellabsprache, der Ort der Kartelldurchfüh­ rung und der Sitz der Kartellanten in Betracht.17 Nach Ansicht des EuGH ist für die Einordnung eines Orts als Handlungsort entscheidend, dass er eine kenn­ zeichnende Verknüpfung zum Verstoß begründet und sich für die Zuständigkeit als besonders sachgerecht erweist.18 Ein Geschädigter kann seinen Schaden folg­ lich nur bei dem Gericht desjenigen Orts einklagen, „an dem das betreffende Kartell definitiv gegründet wurde oder gegebenenfalls eine spezifische Abspra­ che getroffen wurde, die für sich allein als das ursächliche Geschehen für den behaupteten Schaden bestimmt werden kann“.19 Für die Bestimmung des Hand­ lungsorts ist daher auf den Gründungs- bzw. Abspracheort des Kartells abzustel­ len.20 Andere Nebenschauplätze der Zuwiderhandlung sind ohne Belang für die internationale Zuständigkeit.21 Bei einfach strukturierten Kartellen ist die Be­ stimmung des Gründungs- bzw. Abspracheorts nicht sonderlich problematisch, da sich der Ort finden lässt, an dem sich alle Kartellmitglieder entweder einmalig zur Kartellabsprache getroffen oder in regelmäßigen Zeitabständen versammelt haben, um ihr Vorgehen und Verhalten aufeinander abzustimmen.22 Schwieriger gestaltet sich die Bestimmung eines Gründungsorts, wenn die Kartellvereinba­ rungen vielschichtig und aus diversen Treffen an unterschiedlichen Orten her­ EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  38 – CDC. St. Rspr. seit EuGH v. 30.11.1976, Rs. 21/76, ECLI:EU:C:1976:166, Tz.  25 – Bier; Mün­ chKommZPO/Gottwald Art.  7 VO (EU) 1215/2012 Rn.  54 m. w. N. Siehe auch Schack IZVR, Rn.  334 f. 15  EuGH v. 30.11.1976, Rs. 21/76, ECLI:EU:C:1976:166, Tz.  25 – Bier; Geimer/Schütze/ Geimer EuZVR, Art.  5 VO (EG) Nr.  44/2001 Rn.  241. 16  Langen/Bunte/Stadler §  185 GWB Rn.  236. 17  Langen/Bunte/Stadler §  185 GWB Rn.  236; Wurmnest EuZW 2012, 933, 934 ff.; Mankowski WuW 2012, 797, 801 f.; Wäschle Schadensersatzklagen, S.  82. 18  EuGH v. 7.3.1995, Rs. C-68/93, ECLI:EU:C:1995:61, Tz.  21 – Shevill. 19  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  56 – CDC. 20  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  44 – CDC. 21  A.A. wohl Mankowski Schadensersatzklagen, S.  63. 22  Wurmnest NZKart 2017, 2, 4; ders. EuZW 2012, 933, 934; Basedow FS FIW, S.  129, 139; Roth IPRax 2016, 318, 323 f. 13  14 

B.  Unionsweite Kartelle

233

vorgegangen sind.23 Dann muss, sofern dies praktisch möglich ist, jede einzelne Absprache der Kartellmitglieder herausgearbeitet und getrennt betrachtet wer­ den, um einen separaten Handlungsort zu bestimmen, an dem der auf diese Ab­ sprache zurückzuführende Schaden geltend gemacht werden kann.24 Da diese Zersplitterung aber zu einem Bedeutungsverlust des Handlungsorts­ gerichtsstands für komplexe Kartelle führt, ist als Handlungsort der Ort vorzu­ ziehen, an dem die Kartellabrede umgesetzt wurde.25 Abzustellen ist danach auf den Ort, an dem die Kartellmitglieder ihre Absprache durchgeführt haben, indem sie z.B. die Preise erhöht haben.26 Die Befürchtung, dass ein solches Verständnis zu einem Zusammenfall von Handlungs- und Erfolgsort führt,27 bewahrheitet sich nicht, solange man bei der Bestimmung des Erfolgsorts der Ansicht des EuGH folgt.28 Der Auffassung, dass sich der Handlungsort am Sitz der Kartellan­ ten befindet, weil dort im Regelfall die wichtigen Entscheidungen gefällt wur­ den,29 ist jedenfalls nicht zu folgen. Denn am Sitz der Kartellanten befindet sich bereits ihr allgemeiner Gerichtsstand, weshalb es einer Lokalisierung des Hand­ lungsorts dort nicht mehr bedarf.30 Die Möglichkeiten des Forum Shopping durch Geschädigte, die nicht mit dem Kronzeugen in Geschäftsbeziehungen stehen, sind durch die Kronzeugenprivile­ gierung nicht beeinträchtigt. Bei einfach strukturierten Kartellen, bei denen sich ein Handlungsort einheitlich für das gesamte Kartell bestimmen lässt, kann der Geschädigte seinen gesamten Schaden weiterhin am Gründungsort des Kartells geltend machen. Bei Kartellen, denen kein einheitlicher Gründungsort zuzu­ schreiben ist, kann der Geschädigte ohnehin nur den jeweiligen Schadensteil am Ort der Einzelabsprache geltend machen. Da zur Einzelabsprache neben dem Kronzeugen mindestens ein weiterer Kartellant gehört, kann er zumindest ihn an diesem Ort in Anspruch nehmen. 23  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  45 – CDC; Wurmnest NZ­ Kart 2017, 2, 4; Roth IPRax 2016, 318, 324. 24  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  45 f. – CDC; Wiedemann/ Wiedemann Kartellrecht, §  5 Rn.  75; Roth IPRax 2016, 318, 324. 25 Vgl. Mankowski WuW 2012, 797, 801 f. Der EuGH hat ein Abstellen auf den Durchfüh­ rungsort wohl nicht ausgeschlossen, siehe Roth IPRax 2016, 318, 324. 26  Mankowski WuW 2012, 797, 802. Vgl. auch EuGH v. 27.9.1988, verb. Rs. C-89/85, C-104/85, C-114/85, C-116/85, C-117/85, C-125/85-129/85, ECLI:EU:C:1988:447, Tz.  16 f. – Ahlström; Tzakas Kartellrechtsverstöße, S.  112. 27  So Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  55. 28  Siehe dazu unten S.  234 f. 29  Bulst EWS 2004, 403, 405; Mäsch IPRax 2005, 509, 514; Maier Marktortanknüpfung, S.  138 ff.; Mankowski WuW 2012, 797, 802. 30 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  55; Mankowski Scha­ densersatzklagen, S.  60; ders. WuW 2012, 797, 802 f.

234

7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

cc. Erfolgsort Als Erfolgsort wird der Ort angesehen, „an dem das […] geschützte Rechtsgut verletzt wird“.31 Maßgeblich ist somit, wo sich der Schaden „konkret zeigt“ und nicht, wo sich der Schaden letztlich im Vermögen auswirkt.32 Das geschützte Rechtsgut eines kartellrechtlichen Schadensersatzanspruchs ist primär der Markt bzw. die Freiheit des Wettbewerbs.33 Bei Kartellverstößen handelt es sich daher nicht um klassische Vermögensdelikte.34 Folglich wäre auf Grundlage einer marktbezogenen Bestimmung bei kartellrechtlichen Schadensersatzklagen – im Einklang mit Art.  6 Abs.  3 lit.  a Rom II-VO – als Erfolgsort der Markt anzusehen, auf dem der Wettbewerb durch die Absprache verfälscht wurde und die kartell­ deliktische Handlung ihre schädigende Wirkung entfaltet.35 Allerdings ist der EuGH in seiner CDC-Entscheidung von der klassischen Be­ stimmungsweise des Erfolgsorts abgewichen und hat als Ort des Eintritts des schädigenden Ereignisses bei Follow-on-Klagen den Sitz des betreffenden Ge­ schädigten angesehen.36 Sofern es sich beim Schaden um die Mehrkosten für die kartellbefangene Ware oder Dienstleistung handelt, träten die schädigenden Aus­ wirkungen grundsätzlich am Sitz des einzelnen Geschädigten ein.37 Wo der Ge­ schädigte die kartellbefangenen Waren oder Dienstleistungen bezogen hat, ist demnach ohne Belang.38 Sein Vorgehen begründet der EuGH damit, dass die Gerichte am Sitz des Geschädigten „offensichtlich am besten“ über die Klage entscheiden könnten, da sie den Prozess durch ihre Nähe zum beklagten Kartell­ mitglied sachgerecht gestalten könnten.39 Zwar befinden sich die Informationen bezüglich der Bezugs- oder Liefermenge und der Preise in der Tat beim Geschä­ digten, während die beklagten Kartellanten nur über sie verfügen, wenn sie den Mankowski Schadensersatzklagen, S.  60 m. w. N. EuGH v. 16.7.2009, Rs. C-189/08, ECLI:EU:C:2009:475, Tz.  27 – Zuid-Chemie; EuGH v. 19.9.1995, Rs. C-364/93, ECLI:EU:C:1995:289, Tz.  14 – Marinari. Siehe auch EuGH v. 7.3.1995, Rs. C-68/93, ECLI:EU:C:1995:61, Tz.  20 – Shevill; Schack IZVR, Rn.  344; Kamann/ Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  59. 33  Wurmnest EuZW 2012, 933, 935; Schnyder Wirtschaftskollisionsrecht, S.  17 ff. 34  Wurmnest EuZW 2012, 933, 935; Schnyder Wirtschaftskollisionsrecht, S.  17 ff.; Mankowski WuW 2012, 797, 804. 35 Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  60; ders. EuZW 2012, 933, 935; ders. NZKart 2017, 2, 5; von Hein IPRax 2005, 17, 22. 36  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  52 – CDC. Für die von der Entscheidung nicht erfassten Stand-alone-Klagen kann nichts Abweichendes gelten, siehe Mankowski EWiR 2015, 687, 688. 37  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  52 – CDC. 38  Harms/Sanner/Schmidt EuZW 2015, 584, 590. 39  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  53 – CDC. Siehe auch Wurmnest NZKart 2017, 2, 5: der betonte die „besondere Beweisnähe“ dieser Gerichte. 31  32 

B.  Unionsweite Kartelle

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Geschädigten auch beliefert haben.40 Allerdings sind für die Schadensbestim­ mung insbesondere allgemeine Marktdaten relevant, hinsichtlich derer eine be­ sondere Beweisnähe am Geschädigtensitz gerade nicht besteht.41 Immerhin vollzieht der EuGH in seinem CDC-Urteil für den Erfolgsort eine Abkehr vom Mosaikprinzip.42 Diesem zufolge musste sich der Kläger bei der Geltendmachung seines Schadens am Gerichtsstand des Erfolgsorts auf denjeni­ gen Schaden beschränken, welcher im Forumstaat tatsächlich eingetreten ist, er konnte dort nicht den gesamten Schaden geltend machen.43 Den Gerichten am Erfolgsort stand folglich nur eine beschränkte Kognitionsbefugnis zu, die eine zu starke Begünstigung des Klägers verhindern sollte.44 Der neuen EuGH-Recht­ sprechung zufolge gilt dies jedoch nicht, wenn sich der Erfolgsort mit dem Sitz des Geschädigten deckt.45 Das Kartellopfer kann bei Follow-on-Klagen am Er­ folgsort auch diejenigen Schadensteile einklagen, die auf anderen Märkten ent­ standen sind.46 Angesichts der Förderungsbedürftigkeit kartellrechtlicher Schadensersatzkla­ gen ist diese Entwicklung sehr zu begrüßen. Für Geschädigte hat sie überdies den Vorteil, dass diese auch dann in ihrem Wohnsitzstaat ihren vollen Schaden ein­ klagen können, wenn der einzige in diesem Mitgliedstaat sitzende Kartellant ein Kronzeuge ist, dessen Inanspruchnahme ihnen wegen §  33e Abs.  1 S.  1 GWB verwehrt ist. Die Auswirkungen seiner zivilrechtlichen Haftungsbeschränkung auf das Forum Shopping des Geschädigten werden damit teilweise abgemildert. b.  Gerichtsstand der Streitgenossenschaft Nicht selten wird der Geschädigte nicht nur ein Kartellmitglied, sondern mehrere gemeinsam auf Schadensersatz verklagen, um seine Rechtsdurchsetzung zu er­ leichtern und Kosten zu sparen.47 In diesem Fall kann der Geschädigte seine 40 

Vgl. Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  64. zutreffend Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  64; Heinze FS Ahrens, S.  521, 527 f. 42 Vgl. Wurmnest NZKart 2017, 2, 5. 43  EuGH v. 7.3.1995, C-68/93, ECLI:EU:C:1995:61, Tz.  33 – Shevill; Mankowski Scha­ densersatzklagen, S.  61. 44 Stein/Jonas/Wagner Art.  5 EuGVVO Rn.  169; Wurmnest EuZW 2012, 933, 934; Mankowski FS Heldrich, S.  867, 884. 45  Vgl. EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  54 – CDC. 46  Der EuGH betont, dass das so bestimmte Gericht für die Entscheidung „über den gesam­ ten Schaden zuständig“ ist, EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  54 – CDC. Gleiches muss für Stand-alone-Klagen gelten, siehe Mankowski EWiR 2015, 687, 688. 47  Danov Jurisdiction, S.  53; Wäschle Schadensersatzklagen, S.  38; Mankowski WuW 2012, 947, 949. Zur daraus entstehenden Möglichkeit, gemäß Art.  6 Abs.  3 lit.  b Hs. 2 Rom II-VO die lex fori als geltendes Recht für sämtliche Ansprüche zu wählen, siehe oben S.  79. 41  Insoweit

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7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

Klagen gemäß Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO am Gerichtsstand der Streitgenossen­ schaft bündeln.48 Gemäß Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, auch vor dem Gericht des Orts verklagt werden, an dem ein anderer Mitbeklagter seinen Wohnsitz hat. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen den Klagen eine so enge Beziehung besteht, dass eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung geboten erscheint, um zu vermei­ den, dass in getrennten Verfahren einander widersprechende Entscheidungen er­ gehen. Ferner müssen alle Beklagten ihren Sitz in der EU haben.49 Damit ermöglicht Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO dem Kartellgeschädigten, alle Kartellanten am selben Ort auf Schadensersatz zu verklagen. Hierfür muss der Kläger einen der Beklagten als sog. Ankerbeklagten auswählen und ihn am all­ gemeinen Gerichtsstand verklagen.50 Wen er als Ankerbeklagten wählt, steht dem Kläger frei.51 Ein besonderer Zusammenhang zum Streitgegenstand oder Forum­ staat muss nicht bestehen.52 Dass mehrere der Beklagten ihren Sitz im gewählten Forumstaat haben, ist für die Anwendbarkeit des Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO auf die übrigen Beklagten unschädlich; der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft greift lediglich dann nicht, wenn alle beklagten Kartellmitglieder ihren Sitz in demselben Mitgliedstaat haben.53 In diesem Fall ergibt sich die internationale Zuständigkeit für jeden einzelnen bereits aus Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO.54 Um einen Missbrauch des Gerichtsstands zu verhindern, muss zwischen der Ankerklage und den weiteren Klagen eine hinreichend enge Beziehung vorlie­ gen.55 Diese Konnexität ist gegeben, wenn eine Gefahr widersprechender Ent­ scheidungen bei derselben Sach- und Rechtslage besteht.56 Ferner muss für alle Beklagten vorhersehbar gewesen sein, dass sie am Sitz eines Ankerbeklagten 48 

Zur praktischen Bedeutung siehe Stancke/Weidenbach/Lahme/Kruis Schadensersatzkla­ gen, Rn.  634; Tzakas Kartellrechtsverstöße, S.  126 f.; Wäschle Schadensersatzklagen, S.  37; Coester-Waltjen FS Kropholler, S.  747, 748 f.; Mankowski WuW 2012, 947, 949. 49  EuGH v. 11.4.2013, Rs. C-645/11, ECLI:EU:C:2013:228, Tz.  39 – Sapir; Rauscher/Leible EuZPR Art.  8 Brüssel Ia-VO Rn.  9; Stein/Jonas/Wagner Art.  6 EuGVVO Rn.  21. A.A. Schack IZVR, Rn.  411. 50  Vgl. Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  74. 51 Geimer/Schütze/Geimer EuZVR, Art.  6 VO (EG) Nr.  44/2001 Rn.  31; Mankowski WuW 2012, 947. 52 Vgl. Mankowski WuW 2012, 947. 53 Kropholler/von Hein EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  2; Rauscher/Leible EuZPR Art.  8 Brüs­ sel Ia-VO Rn.  4. 54 Kropholler/von Hein EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  2; Rauscher/Leible EuZPR Art.  8 Brüs­ sel Ia-VO Rn.  4. 55 Kropholler/von Hein EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  8; Albicker Streitgenossenschaft, S.  130; Thoma Regress, S.  270. 56  St. Rspr., EuGH v. 13.7.2006, Rs. C-539/03, ECLI:EU:C:2006:458, Tz.  26 – Roche.

B.  Unionsweite Kartelle

237

verklagt werden.57 Der EuGH bejaht dieselbe Sach- und Rechtslage bei einer Follow-on-Klage gegen Unternehmen, die an einem einheitlichen und fortge­ setzten Verstoß gegen Art.  101 AEUV beteiligt waren.58 Die gleiche Sachlage ergäbe sich aus der Kommissionsentscheidung, die eine gemeinsame Zuwider­ handlung ausdrücklich festgestellt hat.59 Die gleiche Rechtslage bestehe, da aus dem Verstoß zugleich die zivilrechtliche Haftung aller Kartellbeteiligten folge.60 Geringfügige Abweichungen der nationalen Rechte hinsichtlich der Vorausset­ zungen der Schadensersatzansprüche seien insoweit unschädlich.61 Ferner müss­ ten die Kartellanten auch mit einer Klage am Sitz des Streitgenossen rechnen, da bei einer Follow-on-Klage die Beteiligung des Streitgenossen schon behördlich festgestellt worden sei.62 Auch wenn der EuGH die Konnexität im Ergebnis zu Recht bejaht, ist sie nicht nur auf Follow-on-Klagen zu beschränken, sondern muss gleichermaßen bei Stand-alone-Klagen bejaht werden, jedenfalls wenn die beklagten Kartell­ mitglieder alle unmittelbar am Kartell beteiligt waren und eine Vorhersehbarkeit daher angenommen werden kann.63 Denn entgegen dem EuGH ist für die Vorher­ sehbarkeit einer Klage am Sitz des Ankerbeklagten nicht auf die Zeit nach der behördlichen Entscheidung,64 sondern auf die Zeit der Zuwiderhandlung abzu­ stellen, und bei der Begehung des Kartellverstoßes bestehen zwischen Fol­ low-on- und Stand-alone-Klagen noch keine Unterschiede.65 Für die Eröffnung des Gerichtsstands kann nicht entscheidend sein, ob dem Zivilverfahren eine behördliche Entscheidung vorangegangen ist.66 Schließlich gilt es die Gefahr von Parallelverfahren und einander widersprechenden Entscheidungen wegen der großen Anzahl an Beteiligten in beiden Formen von Kartellstreitigkeiten gleichermaßen zu verhindern.67

EuGH v. 1.12.2011, Rs. C-145/10, ECLI:EU:C:2011:798, Tz.  81 – Painer; vgl. auch Wurmnest NZKart 2017, 2, 6. 58  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  21 – CDC. 59  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  21 – CDC. 60  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  21 – CDC. 61  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  22 – CDC. 62  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  24 – CDC. 63  Wurmnest NZKart 2017, 2, 6; Mankowski EWiR 2015, 687, 688; Wiegandt EWS 2015, 157, 158 f. 64  EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  24 – CDC. 65 Vgl. Mankowski WuW 2012, 947, 949. 66  So auch Wiegandt EWS 2015, 157, 158 f.; Wurmnest NZKart 2017, 2, 6. 67  Vgl. EuGH v. 21.5.2015, Rs. C-352/13, ECLI:EU:C:2015:335, Tz.  19 – CDC; Krophol­ ler/von Hein EuZPR, Art.  6 EuGVO Rn.  1. 57 

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7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO bietet den Kartellgeschädigten folglich einen gro­ ßen Spielraum für die Wahl des Forumstaates.68 Mit dem Wegfall der Haftung des Kronzeugen bei fehlenden Geschäftsbeziehungen entfällt aber zugleich die Möglichkeit, alle Mitkartellanten in dessen Wohnsitzstaat zu verklagen. Eine Auswahl des Kronzeugen als Ankerbeklagten trotz mangelnder Passiv­legiti­ma­ tion ist nicht möglich. Zwar begründet auch eine unschlüssige Ankerklage den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft.69 Allerdings findet Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO dann keine Anwendung, wenn der Kläger rechtsmissbräuchlich handelt, weil er weiß, dass ihm gegen den Ankerbeklagten offensichtlich kein Anspruch zusteht.70 c.  Auswirkungen der Kronzeugenregelung Stellt der allgemeine Gerichtsstand des Kronzeugen für den Geschädigten den günstigsten Forumstaat dar, wird sein Wegfall infolge der Kronzeugenprivilegie­ rung nur dann ausgeglichen, wenn sich dort zugleich der für das gesamte Kartell feststellbare Gründungsort befindet oder dieser Staat auch Sitzstaat des Geschä­ digten ist. Nicht kompensiert werden kann dagegen der mit dem Wegfall des allgemeinen Gerichtsstands einhergehende Verlust der Möglichkeit, gemäß Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO an diesem Ort alle Kartellanten zu verklagen. Der dort geregelte Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, der dem Kläger die meisten Vorteile bietet, befindet sich schließlich nur am Sitz des Ankerbeklagten. Fällt der Kronzeuge als potentieller Ankerbeklagter weg, ist ein Ausgleich über den De­ liktsgerichtsstand nicht möglich. Die Kronzeugenprivilegierung schränkt damit die Möglichkeiten des Forum Shopping der Abnehmer und Lieferanten von Mit­ kartellanten oder Kartellaußenseitern merklich ein, wenn kein Mitkartellant sei­ nen Sitz in demselben Mitgliedstaat hat wie der Kronzeuge.

II. Regressklagen Bei Regressklagen der Kartellanten untereinander handelt es sich ebenfalls um Zivil- und Handelssachen, die der Brüssel Ia-Verordnung unterfallen.71 Vom Ge­ schädigten erfolgreich in Anspruch genommene Kartellanten können ihre Mit­ 68  Hinsichtlich der Einschränkungen siehe Lund Streitgenossenschaft, S.  279 ff.; Stadler JZ 2015, 1138, 1142 f. 69  Schack IZVR, Rn.  409. A.A. Musielak/Voit/Stadler Art.  8 EuGVVO Rn.  5. 70 Rauscher/Leible EuZPR Art.  8 Brüssel Ia-VO Rn.  22. Vgl. auch Geier Streitgenossen­ schaft, S.  90 sowie die allgemeinen Ausführungen in MünchKommZPO/Gottwald Art.  8 Brüs­ sel Ia-VO Rn.  17 und Kamann/Ohlhoff/Völcker/Wurmnest Kartellverfahren, §  31 Rn.  96 71  Vgl. Wiedemann/Wiedemann Kartellrecht, §  50 Rn.  68.

B.  Unionsweite Kartelle

239

kartellanten folglich an deren allgemeinem Gerichtsstand gemäß Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO verklagen. Angesichts der von einer isolierten Regressklage ausgehenden Gefahr einer unterschiedlichen Bestimmung der Haftungsquoten72 ist dem Regresssuchenden zu raten, gestützt auf Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO sämtliche Kartellmitglieder am Sitz eines der Kartellanten zu verklagen.73 Auf diese Weise verhindert der Klä­ ger, dass in getrennten Verfahren hinsichtlich der Verteilung desselben Schadens widersprechende Entscheidungen ergehen und er letztlich auf einem größeren Anteil sitzen bleibt, als er im Innenverhältnis eigentlich zu tragen hätte.74 Auch wenn es sich bei der Innenhaftung nur noch um eine Teilschuld und nicht erneut um eine Gesamtschuld handelt, besteht nach wie vor dieselbe Sach- und Rechts­ lage.75 Des Weiteren kann der Regressgläubiger ebenso wie der Geschädigte den De­ liktsgerichtsstand gemäß Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO wählen.76 Zwar unterfallen nicht sämtliche aus einer unerlaubten Handlung resultierenden Ausgleichs­ ansprüche zwangsläufig Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO. Bei Gesamtschulden, die wie die Haftung der Kartellanten aber auf die Anordnung in §  840 Abs.  1 BGB zurückzuführen sind, bestehen daran aber keine Zweifel.77 Der selbständige An­ spruch gemäß §  33d Abs.  2 S.  1 GWB wie der gemäß §  426 Abs.  2 BGB i. V. m. §  33a Abs.  1 GWB übergegangene Außenhaftungsanspruch beruhen unmittelbar auf dem Kartellverstoß, für den alle Beteiligten nach außen gleichartig haften.78 Der selbständige Ausgleichsanspruch ist insoweit nicht anders zu behandeln, da auch er durch den Außenhaftungsanspruch geformt wird.79 Der Regressgläubiger kann damit ebenso den Handlungs- wie den Erfolgsort wählen, wobei er alle Mitkartellanten dort nur dann gemeinsam verklagen kann, wenn die Orte für alle als Deliktsgerichtsstand zu qualifizieren sind. Handelt es sich bei der auszugleichenden Summe um den Schaden eines Nichtvertragspartners des Kronzeugen, sind die Möglichkeiten des Forum Shop­ ping für den betreffenden Kartellanten ebenso begrenzt wie für den Geschädig­ ten. Er kann den Sitzstaat des Kronzeugen nur dann als Forumstaat wählen, wenn 72 

Siehe oben S.  70 ff. Vgl. OLG Hamm NZKart 2017, 79; Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatz­ klagen, Rn.  1265; Horn IWRZ 2017, 87, 88. 74  Krüger Kartellregress, S.  143. Vgl. auch Schmidt-Salzer/Wandt EG-Produkthaftung, S.  23–31/32; Thoma Regress, S.  272. 75  Vgl. Geimer/Schütze/Geimer EuZVR, Art.  6 VO (EG) Nr.  44/2001 Rn.  20; Schmidt-Sal­ zer/Wandt EG-Produkthaftung, S.  23–31/32. 76  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1264. 77  Thoma Regress, S.  252. 78 Vgl. Thoma Regress, S.  252. 79  Thoma Regress, S.  253. 73 

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7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

dort auch der Sitz eines anderen Kartellmitglieds ist oder sich an diesem Ort der Deliktsgerichtsstand befindet.

C.  Weltweite Kartelle I. Schadensersatzklagen 1.  Anwendung des autonomen deutschen Zivilprozessrechts Hat der Beklagte keinen Sitz innerhalb der EU, sondern nur in Drittstaaten, und ist kein Gerichtsstand innerhalb der EU vereinbart, so bestimmt sich die interna­ tionale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei kartellrechtlichen Schadensersatz­ forderungen nach dem autonomen deutschen Zivilprozessrecht.80 Dieses regelt zwar nicht ausdrücklich, wann deutsche Gerichte international zuständig sind, doch sind die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit in §§  13 ff. ZPO doppel­ funktional und indizieren die internationale Zuständigkeit.81 2.  Besondere Gerichtsstände Die internationale Zuständigkeit kann sich vor allem aus den besonderen Ge­ richtsständen der Niederlassung (§  21 ZPO), des Vermögens (§  23 ZPO) sowie der unerlaubten Handlung (§  32 ZPO) ergeben. a.  Gerichtsstand der Niederlassung Gemäß §  21 ZPO kann ein ausländischer Kartellant ohne Sitz im Inland vor deut­ schen Gerichten verklagt werden, wenn er zumindest über eine Niederlassung in Deutschland verfügt und diese einen Bezug zur Klage aufweist. Als Niederlas­ sung ist dabei jede für eine gewisse Dauer eingerichtete Geschäftsstelle anzuse­ hen, die über eine hinreichende Organisation zur Aufrechterhaltung des Gewer­ bes verfügt und berechtigt ist, nach eigenständiger Entscheidung Geschäfte ab­ zuschließen.82 Ein Bezug der Niederlassung zur Klage ist bei einem Kartelldelikt wie bei jeder anderen unerlaubten Handlung dann zu bejahen, wenn sich auch die

Siehe nur Tzakas Kartellrechtsverstöße, S.  153. BGHZ 94, 156, 157 = NJW 1985, 2090 m. w. N.; BGHZ 115, 90, 91 f. = NJW 1991, 3092, 3093. Siehe auch Schack IZVR, Rn.  266. 82  Vgl. BGH NJW 1987, 3081, 3082; OLG Düsseldorf BeckRS 1996, 04259; OLG Mün­ chen RIW 1983, 127, 128; Musielak/Voit/Heinrich §  21 ZPO Rn.  2; MünchKommZPO/Patzina §  21 ZPO Rn.  2. 80 

81  AllgM,

C.  Weltweite Kartelle

241

Geschäftstätigkeit der Niederlassung im Kartellverstoß entfaltet.83 Maßgeblich ist damit, ob auch die inländische Niederlassung sich an der Zuwiderhandlung beteiligt hat oder vom Kartell profitiert hat.84 Ist dies der Fall, besteht ein die Niederlassungszuständigkeit begründender hinreichender Bezug der Klage zu Deutschland. b.  Gerichtsstand des Vermögens Des Weiteren kann der Geschädigte einen Beklagten, der keinen Sitz im Inland hat,85 gemäß §  23 ZPO am Gerichtsstand des Vermögens verklagen. Erforderlich ist hierfür allein, dass der Beklagte über Vermögenswerte in Deutschland ver­ fügt. Diese müssen weder die Höhe des geltend gemachten Schadens erreichen noch in sonstiger Weise einen Bezug zum Streitwert haben.86 Vielmehr reichen auch Gegenstände mit geringem Geldwert zur Eröffnung des Gerichtsstands aus.87 Einen darüber hinausgehenden Inlandsbezug fordert der Wortlaut des §  23 ZPO nicht.88 Bei Kartelldelikten besteht ein solcher aber ohnehin, soweit sich das Kartell zumindest auch in Deutschland ausgewirkt hat.89 c.  Gerichtsstand der unerlaubten Handlung Eine Schlüsselrolle bei der internationalen Zuständigkeit im kartellrechtlichen Private Enforcement nimmt auch im autonomen deutschen Zivilprozessrecht der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§  32 ZPO) ein.90 Eine unerlaubte Handlung in diesem Sinne liegt nicht nur bei einem Verstoß gegen §§  823 ff. BGB vor, sondern auch bei einem Verstoß gegen vergleichbare deliktsrechtliche 83 Immenga/Mestmäcker/Rehbinder

§  130 GWB Rn.  318; Wiedemann/Wiedemann Kartell­ recht, §  5 Rn.  79; Tzakas Kartellrechtsverstöße, S.  158. 84  Langen/Bunte/Stadler §  185 GWB Rn.  232 m. w. N. 85  Hat der ausländische Beklagte seinen Sitz in einem EU-Mitgliedstaat oder einem Ver­ tragsstaat des Lugano-Übereinkommens, ist die Anwendung von §  23 ZPO ausdrücklich aus­ geschlossen, siehe Art.  5 Abs.  2 Brüssel Ia-VO sowie Art.  3 Abs.  2 i. V. m. Anh. I LugÜ. Vgl. MünchKommZPO/Patzina §  23 ZPO Rn.  24. 86  BGH NJW 1997, 325, 326; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 1998, 12621, Tz.  35; Stein/Jo­ nas/Roth §  23 ZPO Rn.  21; Schack ZZP 97 (1984), 49, 56, ders. IZVR, Rn.  370 f. 87 MünchKommZPO/Patzina §  23 ZPO Rn.  16; Stein/Jonas/Roth §  23 ZPO Rn.  16. 88 Musielak/Voit/Heinrich §  23 ZPO Rn.  2 f. Zum Streit, ob dennoch ein Inlandsbezug er­ forderlich ist, siehe Bittighofer Gerichtsstand des Vermögens, S.  168 ff. sowie Schack IZVR, Rn.  370 ff. 89 Vgl. Tzakas Kartellrechtsverstöße, S.  161; Rehbinder Extraterritoriale Wirkungen, S.  320. 90  Stancke/Weidenbach/Lahme/Lahme/Bloch Schadensersatzklagen, Rn.  190; Tzakas Kar­ tell­rechtsverstöße, S.  161.

242

7. Kapitel: Auswirkungen auf die internationale Zuständigkeit

Regelungen wie die kartellrechtlichen Verbotsnormen.91 Maßgeblich für die Er­ öffnung des Gerichtsstandes ist, dass der Begehungsort der deliktischen Hand­ lung in Deutschland liegt. Als solcher ist jeder Ort anzusehen, an dem mindes­ tens ein wesentliches Tatbestandsmerkmal der unerlaubten Handlung verwirk­ licht worden ist.92 Die Handlung ist folglich sowohl am Handlungs- als auch am Erfolgsort der Zuwiderhandlung begangen.93 Wo diese Orte liegen, ist nach den gleichen Kriterien wie bei Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO zu bestimmen.94 Nur auf diese Weise können Unstimmigkeiten bei Kartellen mit europäischen und außer­ europäischen Kartellmitgliedern verhindert und den Geschädigten eine reibungs­ lose Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche ermöglicht werden.95 In ­jedem Fall kann der Geschädigte wie bei Art.  7 Nr.  2 Brüssel Ia-VO am Begehungsort seinen gesamten kartellbedingten Schaden einklagen, denn die Gerichte des Er­ folgsorts sind in ihrer Kognitionsbefugnis im deutschen autonomen Recht nicht auf den Schadensteil beschränkt, der im Forumstaat eingetreten ist.96 3.  Auswirkungen der Kronzeugenregelung Handelt es sich bei dem Kronzeugen um das einzige Kartellmitglied mit Sitz in Deutschland und fällt dieser aufgrund der Kronzeugenregelung für einen Ge­ schädigten als potentieller Beklagter weg, dann beeinträchtigt dies seine Mög­ lichkeiten, Deutschland als Forumstaat zu wählen, nicht in gleichem Maße wie bei unionsweiten Kartellen. Zwar kann er aufgrund des Haftungsausschlusses grundsätzlich nicht mehr erfolgreich gemäß §§  12, 17 ZPO an dessen satzungs­ mäßigem Sitz gegen den Kronzeugen klagen. Allerdings kennt das autonome deutsche Zivilprozessrecht keinen Art.  8 Nr.  1 Brüssel Ia-VO entsprechenden allgemeinen Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, der es dem Geschädigten ermöglicht, den Kronzeugen als Ankerbeklagten auszuwählen und an dessen Sitz die weiteren Schädiger mit zu verklagen.97 Hinsichtlich der gegen die außereuro­ 91 

Vgl. BGH NJW 1964, 1369; MünchKommZPO/Patzina §  32 ZPO Rn.  2; Musielak/Voit/ Heinrich §  32 ZPO Rn.  3. 92  St. Rspr. seit RGZ 72, 41, 44; siehe BGHZ 40, 391, 395 = NJW 1964, 969, 970. Ebenso Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann/Hartmann §  32 ZPO Rn.  17; Zöller/Schultzky §  32 ZPO Rn.  19; Schack IZVR, Rn.  334; Kubis Internationale Zuständigkeit, S.  119; Ost Doppelre­ levante Tatsachen, S.  19; Schröder Internationale Zuständigkeit, S.  271 ff. 93  Schack IZVR, Rn.  334. 94  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Lahme/Bloch Schadensersatzklagen, Rn.  193. Siehe dazu oben S.  232 ff. 95  Stancke/Weidenbach/Lahme/Lahme/Bloch Schadensersatzklagen, Rn.  193, allerdings sprechen sich diese für eine Bestimmung nach den Grundsätzen der CDC-Rechtsprechung aus. 96  Wäschle Schadensersatzklagen, S.  139. 97  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Lahme/Bloch Schadensersatzklagen, Rn.  194; Mankowski Schadensersatzklagen, S.  76. Zur Möglichkeit der gerichtlichen Bestimmung des Ge­

C.  Weltweite Kartelle

243

päischen Kartellanten eröffneten Gerichtsstände tritt durch die gesetzliche Be­ schränkung der Kronzeugenhaftung demnach keine Veränderung ein.

II. Regressklagen Wurde ein Kartellant erfolgreich auf Schadensersatz in Anspruch genommen und möchte er nun von einem außereuropäischen Kartellmitglied in Deutschland Ausgleich verlangen, müssen dafür grundsätzlich dieselben Voraussetzungen wie bei Schadensersatzklagen vorliegen.98 Für die Eröffnung des Gerichtsstands der Niederlassung (§  21 ZPO) bedeutet dies, dass der Beklagte über eine Nieder­ lassung in Deutschland verfügen muss, die in einem Bezug zum Kartelldelikt und damit auch zur Regressklage steht. Für die Eröffnung des Gerichtsstands des Vermögens (§  23 ZPO) reicht es aus, dass der Regressschuldner über irgendwel­ che Vermögenswerte in Deutschland verfügt. Ferner ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§  32 ZPO) bei Regressklagen unabhängig davon gege­ ben, ob es sich beim geltend gemachten Ausgleichsanspruch um einen originären oder einen abgeleiteten Regressanspruch handelt, wenn das Gesamtschuldver­ hältnis wie bei einem Kartellregress auf einer unerlaubten Handlung beruht.99 Folglich sind auch der Handlungs- und Erfolgsort bei einem originären wie bei einem abgeleiteten Regressanspruch nach denselben Grundsätzen wie bei der Schadensersatzklage zu bestimmen.100 Ob deutsche Gerichte für die Regressansprüche eines Kartellanten gegenüber seinen Mitkartellanten international zuständig sind, richtet sich somit ausschließ­ lich danach, ob der jeweilige beklagte ausländische Kartellant eine Niederlas­ sung oder Vermögen in Deutschland hat bzw. ob der Handlungs- oder Erfolgsort in Deutschland liegt. Dass der einzige Kartellant, der seinen Sitz in Deutschland hat, wegen seines Kronzeugenstatus vom Regresskläger nicht in Anspruch ge­ nommen werden kann, hat hierauf keine Auswirkungen.

richtsstands der Streitgenossenschaft nach §  36 Abs.  1 Nr.  3 ZPO siehe Stancke/Weidenbach/ Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1266 sowie Thoma Regress, S.  324 ff. 98  Vgl. Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1266. 99  Stancke/Weidenbach/Lahme/Ruster Schadensersatzklagen, Rn.  1266; Thoma Regress, S.  322 f. 100  Thoma Regress, S.  324.

Ergebnis I. Die Kronzeugen sind einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, auf Schadensersatz verklagt zu werden. Sie haben vor den Wettbewerbsbehörden den Kartellverstoß „gestanden“. Ihre Teilnahme an der Zuwiderhandlung können sie daher vor Ge­ richt nur schwer leugnen. Die frühe Bestandskraft ihres Bescheids und die Bin­ dungswirkung der behördlichen Entscheidungen für den Zivilprozess tragen ebenfalls dazu bei. Die erhöhte Gefahr kann allein durch eine Beschränkung des Zugangs der Geschädigten zu Beweismitteln und Informationen, die die Kron­ zeugen geliefert haben, nicht ausgeglichen werden. Zwar stellt der umfassende Schutz der Kronzeugenunterlagen eine begrüßenswerte Maßnahme zum Abbau des Spannungsverhältnisses dar. Doch können die Geschädigten auch auf ande­ rem Wege an belastende Beweise und Informationen gelangen, weshalb eine Einschränkung des Aktenzugangs allein die erhöhte Gefahr nicht kompensiert. Daher ist ein weitergehender Schutz der Kronzeugen erforderlich. Eine zivil­ rechtliche Entlastung der Kronzeugen darf aber nur soweit reichen, wie sie die Geschädigten nicht übermäßig belastet. Nach dem Effektivitätsgrundsatz darf deren Recht auf vollen Schadensausgleich praktisch weder unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert werden. Die Haftungsbeschränkung der Kronzeugen muss sich somit in erster Linie zulasten der Mitkartellanten auswirken und darf die Geschädigtenrechte nur leicht tangieren. II. Die Neuregelungen des §  33d Abs.  1–2 GWB zur gesamtschuldnerischen Haftung der Kartellanten haben weithin nur Klarstellungsfunktion. §  33d Abs.  2 S.  1 GWB normiert den von der h.M. schon vor Inkrafttreten der Richtlinie zur Haftungsverteilung herangezogenen Rechtsgedanken von §  254 BGB als Maß­ stab für die Bestimmung der Haftungsquoten. Da dieser Maßstab allerdings we­ nig praktikabel ist und anstelle von Rechtssicherheit die Gefahr divergierender Entscheidungen erzeugt, besteht insoweit ein erheblicher Nachbesserungsbedarf. Der Gesetzgeber sollte die derzeitige Regelung durch einen Verteilungsmaßstab mit konkreten Kriterien ersetzen. Als besonders geeignet erweist sich dabei eine Bestimmung der relativen Verantwortung jeweils hälftig anhand des kartellbe­ fangenen Umsatzes und der Rolle im Kartell.

246

Ergebnis

III. Die gesamtschuldnerische Haftung ist gemäß §  33e GWB für solche Kron­ zeugen beschränkt, die von der zuständigen Wettbewerbsbehörde einen vollstän­ digen Bußgelderlass erfahren haben. Diese Unternehmen haben in der Regel nicht nur einen großen Beitrag zur behördlichen Verfolgung des Kartells geleis­ tet, sondern den Kartellverstoß erst aufgedeckt. Ihre Art der Kooperation ist da­ her für die Kartellrechtsdurchsetzung von besonders herausragender Bedeutung und rechtfertigt deshalb auch eine Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Unternehmen, die von der Behörde lediglich mit einer Bußgeldreduzierung be­ lohnt wurden. IV. Die Kronzeugen i.e.S. haften gemäß §  33e Abs.  1 S.  1 GWB im Außenver­ hältnis grundsätzlich nur gegenüber ihren eigenen unmittelbaren und mittelbaren Abnehmern und Lieferanten gesamtschuldnerisch. Die Maßgeblichkeit der Ver­ tragsbeziehungen für die deliktische Haftung ist nicht systemwidrig, da sie nicht an den Grund der gesamtschuldnerischen Haftung, sondern an den Grad der Be­ einträchtigung der Geschädigten anknüpft. Geschäftspartner der Kronzeugen sind durch einen Ausschluss der Außenhaftung deutlich stärker beeinträchtigt als andere Geschädigte. Der Ausschluss der gesamtschuldnerischen Haftung stellt keinen Verstoß gegen Art.  17 GRCh dar. Aufgrund der Ausfallhaftung in §  33e Abs.  1 S.  2 GWB wird nur in geringem Maße in die Eigentumsfreiheit eingegrif­ fen. Dieser Eingriff ist durch den Kronzeugenschutz und dessen Bedeutung für die Kartellrechtsdurchsetzung gerechtfertigt. Die Privilegierung der Kronzeugen belastet die Geschädigten somit nicht übermäßig. V. Die Haftungsbeschränkung der Kronzeugen im Außenverhältnis führt §  33e Abs.  3 GWB durch die Haftungsprivilegierung im Innenverhältnis fort. Danach sind Schäden der Abnehmer und Lieferanten der Mitkartellanten ausschließlich von den übrigen Schädigern zu tragen. Die Schäden von Geschäftspartnern und Preisschirmeffektgeschädigten müssen die Kronzeugen hingegen mittragen. Auch insoweit bewirkt die gesetzliche Lösung eine ausgewogene Schadensver­ teilung zwischen den schutzbedürftigen Kronzeugen und ihren wenig schutzbe­ dürftigen Mitkartellanten. VI. Die Kronzeugenprivilegierung steht dem Ziel der Förderung von Ver­gleichs­ abschlüssen nicht entgegen. Für die Kronzeugen lohnt es sich aufgrund ihrer fortbestehenden Außenhaftung gegenüber eigenen Abnehmern und Lieferanten auch weiterhin, sich mit ihnen hinsichtlich des Schadensersatzes außergericht­ lich oder gerichtlich zu einigen. Damit die von §  33f Abs.  1 GWB vorgesehene beschränkte Gesamtwirkung eines Vergleichs aber ihre volle Anreizwirkung ent­ falten kann, bedarf es eines verlässlichen und rechtssicheren Maßstabs für die Haftungsverteilung im Innenverhältnis.

Ergebnis

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VII. Der Anreiz, einen Kronzeugenantrag zu stellen, ist auch für ein gemäß §  33d Abs.  3–5 GWB privilegiertes KMU nicht gemindert. De lege lata bedeutet die Erlangung des Kronzeugenstatus im Außenverhältnis haftungsrechtlich lediglich eine verbesserte Position bei der praktisch kaum relevanten Ausfallhaftung. Al­ lerdings ist die vom Gesetzgeber in §  33d Abs.  4 GWB eingefügte Privilegierung der KMU im Innenverhältnis unionsrechtswidrig und daher zu streichen. Zudem besteht für ein KMU wegen der hohen Anforderungen des §  33d Abs.  3 GWB ohnehin der Anreiz, die mit der gesetzlichen KMU-Privilegierung einhergehen­ den Unsicherheiten durch die Sicherheit des Kronzeugenstatus zu ersetzen. VIII. Die Beschränkung der Außenhaftung des Kronzeugen bedeutet für die Ge­ schädigten, die mit ihm in keiner Geschäftsbeziehung stehen, nicht nur in mate­ riell-rechtlicher Hinsicht eine Veränderung gegenüber der alten Rechtslage. Bei internationalen Kartellen ist für die Geschädigten von besonderem Interesse, in welchen Staaten sie ihre Ansprüche geltend machen können. Durch die bloß sub­ sidiäre Haftung des Kronzeugen wird den Geschädigten eines unionsweiten Kar­ tells die Möglichkeit genommen, nicht nur den Kronzeugen gemäß Art.  4 Abs.  1 Brüssel Ia-VO, sondern auch dessen Mitkartellanten gemäß Art.  8 Abs.  1 Brüssel Ia-VO an dessen Sitz zu verklagen. Ausgeglichen wird diese Einschränkung nur, wenn ein weiterer Kartellant seinen Sitz ebenfalls in diesem Staat hat oder sich dort auch der Ort des schädigenden Ereignisses befindet. IX. Insgesamt gelingt es sowohl den europarechtlichen Vorgaben als auch der deutschen Umsetzung weitgehend, einen wirksamen Anreiz zur Teilnahme an einem Kronzeugenprogramm durch haftungsrechtliche Entlastung zu bieten, ohne die Geschädigten übermäßig zu belasten. Zwar wäre die Frage nach der Vereinbarkeit der Haftungsprivilegierungen mit den Geschädigtenrechten gar nicht aufgekommen, wenn sich diese – wie in der Literatur teilweise gefordert – nur auf das Innenverhältnis beschränkt hätten. Allerdings wäre eine derartige Regelung hinsichtlich der Anreizwirkung wohl nicht gleich effektiv. In ihrer Ge­ samtschau bewirken die Haftungsbeschränkungen daher eine vernünftige Stär­ kung der Attraktivität der Kronzeugenprogramme.1

1 Zu diesem Ergebnis kommt auch Howard Journal of European Competition Law & Practice 2013, 455, 458.

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Stichwortverzeichnis 6. GWB-Novelle  51 7. GWB-Novelle  15 9. GWB-Novelle   10 Abnehmer − direkte/unmittelbare  17 f., 131 ff. − indirekte/mittelbare  19 f., 135 f. Abschreckung(swirkung)  46, 92, 98 Abtretung  138, 141 ff., 143 − des Schadensersatzanspruchs 143 − des Übereignungsanspruchs  141 ff. Akteneinsichtsrechte  40 ff., 168 Aktiva  211 f. Aktivlegitimation  16, 17, 19, 136, 218 Alles-oder-Nichts-Prinzip  109, 157 Allgemeinverfügung 168 Anfechtung  37, 124 Anhängigkeit  190, 216 Anhörung  167 ff. Ankerbeklagter  236 ff., 242 Anspruchsgrundlage  15, 56, 72 f. Anstifter 89 anwendbares Recht − im Außenverhältnis  76 ff. − im Innenverhältnis  74 ff. Anwendungsvorrang 121 Äquivalenzgrundsatz  10 ff. Asset deal  143 f. Ausfallhaftung − der KMU 219 ff. − der Kronzeugen 146 ff., 186 f. − bei Vergleichsschlüssen 193 ff. Ausfallrisiko 54, 107, 165, 170 Ausforschung 41 Auskunftsanspruch  42 f., 71 Auslegungsmethoden  12 f. Austauschverhältnis  70, 132 Auswirkungsprinzip 76

Befreiungswirkung  192, 193, 197, 201 Beibringung 69 Bereicherungsverbot 9 Beseitigung  5, 13 Bestandskraft  36 f. Betroffenheit  16 f., 19 f. Beweisbeschaffung 39 Beweisgefälle 39 Beweislast  18, 39, 155, 157 ff., 213 Beweislastumkehr  158 f., 211 Beweisobliegenheit 157 Bindungswirkung  34, 37 ff., 44, 119, 154 Binnenmarkt  8 f. Bonusregelung  32 ff., 108, 110 f., 113, 215 Brüssel Ia-VO  78, 230 ff. Bußgeldhöhe  93 ff. Calciumcarbid II-Entscheidung  63 ff. CDC-Entscheidung  234 f., 242 contra legem  13 Courage-Entscheidung  6, 16, 17, 19, 50 Dänemark  74, 230 Darlegungslast  18, 155, 157 ff., 213, 216 Deliktsstatut 76 Destabilisierung  85, 88 Differenzhypothese 18 Differenzierungsgründe 123 Diskriminierungsverbot  11 f. Dispositionsfreiheit 202 Durchsetzungskraft  2, 6, 50, 111, 123, 128 Durchsuchungsbeschluss  33, 113 ECN  34 f., 114 ff., 117 f. Effektivitätsgrundsatz  10 f., 48, 69, 128 ff., 158, 178, 210, 218 Eigenkapital 212 Eigentumsfreiheit  164 ff.

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Stichwortverzeichnis

eingerichteter und ausgeübter Gewerbe­ betrieb 16 Einrede − der Verjährung  103, 104 f., 159, 160 − der Vorausklage 169 f. Einwendung  56, 58, 142, 160 Einzelwirkung  104, 197, 199, 204 Enteignung 165 entgangener Gewinn  19, 21 Entscheidung ‒ behördliche  36, 37 f., 154 f., 237, 245 ‒ zivilgerichtliche  37 Entscheidungsgründe 38 Erfolgsort  232 ff., 234 f., 239, 242, 243 Erfüllung(swirkung)  57, 139, 141, 192, 201 Erlasswirkung  192, 197 f., 201 f. Ermessen(sspielraum)  31, 33, 67, 69, 70 Fahrlässigkeit  16, 62 f., 102, 103 Feststellung des Kartellverstoßes  38 f., 216 Fiktion  138, 178, 180 first come first serve-System  120 Follow-on-Klagen  15, 36, 39, 95, 154, 234 f., 237 Forderungsstatut 76 Forum Shopping  79, 229, 233, 235, 238, 239 Forumstaat  79, 229, 232, 235, 236, 238, 239, 242 Freiheitsstrafe 46 Freistellungsanspruch  56, 75, 102 Geheimhaltung  39 f., 42, 43 Gehilfe  87, 89 f., 91 Geldstrafe 46 generalpräventiv 5 Gerichtsgebühren 190 Gerichtsstand − allgemeiner  73 f., 230 − deliktischer  73, 231 ff., 241 − Niederlassung  240 − Streitgenossenschaft  74, 235 ff. − Vermögen  241 Gerichtsstandsvereinbarung 230 Gesamterlass 198 Gesamtwirkung  197 ff.

− beschränkte  198 f., 202, 203, 204, 208, 246 − unbeschränkte  198, 204 Gestaltungsspielraum  70, 121 f., 147 gestörte Gesamtschuld siehe Problem der Regressbehinderung Gewinn  18, 88, 98 Gleichbehandlungsgrundsatz  121, 123 Grünbuch  6, 83, 125, 174 Grundrechte  121 f., 164 ff., 169 Gründungsort  232 f., 238 Günstigerprüfung 173 Gutachter  69, 190 Haftungsausschluss  126, 127, 164, 178, 180, 186, 213, 242 Haftungsfreistellung  177 f., 181 Haftungsverteilung  58 ff. Handlungsort  232 f., 242 Hardcore-Kartell  18, 27 f., 31, 46, 63 Herausgabeanspruch  42 f. Informationsasymmetrie 40 Informationsgefälle 128 Initiierung  85, 89, 214 Insolvenz  36, 65, 148, 151, 153, 161, 165, 212, 223 Insolvenzrisiko  54, 107, 165, 170 Instabilität  30, 50, 88 Interessenabwägung 43 Internationaler Entscheidungseinklang  74, 76 iura novit curia  69 Jahresbilanz 210 Jedermann-Rechtsprechung  6, 17, 20 joint and several liability  54, 184 Kammer für Handelssachen  71 f. Kappungsgrenze 94 Kartellaußenseiter  22 ff., 142, 163, 170, 179, 180, 238 Kartellrendite 92 Kartellverbot 23 Kausalität  18, 23 f., 38 f., 53 Kausalitätsnachweis 53 Klageabweisung  152 ff.

Stichwortverzeichnis KMU-Privilegierung  209 ff. − Anwendungsbereich  210 ff. − Ausfallhaftung  219 ff. − Ausschluss  213 ff. − Außenverhältnis  216 ff. − Innenverhältnis  221 ff. Kognitionsbefugnis  231, 235, 242 Kompetenz  10, 47, 122 Kone-Entscheidung  24 Konkurrenten  24, 85 Konnexität  236 f. Konzern  63 f., 65 Kopfteilprinzip  55, 56, 59 f., 70, 100 Kronzeugenbegriff  108 ff. Kronzeugenprivilegierung − Anwendungsbereich  107 ff. − Außenverhältnis  125 ff. − Innenverhältnis  170 ff. Kronzeugenprogramm − Bundeskartellamt  29, 32 ff., 34 f., 89, 109, 110, 215 − EU-Kommission  29, 30 ff., 34 f., 109, 110, 215 Legaldefinition  108, 112 Legalzession  56 lex fori  78, 235 Liefer- und Bezugsanteile  96 f., 144, 173 Lieferanten − direkte/unmittelbare  17 f., 131 ff. − indirekte/mittelbare  19 f., 135 f. Lieferbeziehungen 95 f., 131 ff. Manfredi-Entscheidung  6 Marktabdeckungsgrad 22 Marktabgrenzung 84 Marktanteile  24, 62, 80, 83 ff., 91, 93, 98, 129 ff. Marktaustritt  36, 57, 163 Marktbedingungen  22, 52, 98 Marktbeteiligte  16 f., 23, 136 Marktgegenseite  21, 23 Marktmacht  18, 83, 84 ff. Marktstufe  17, 19, 20 f., 136 Mehrerlös 62, 91 ff., 95, 131 Mindestharmonisierung  11, 175 Mitarbeiterzahl 210 Mitbewerber 16

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Mitläufer  siehe Gehilfe Mitwirkungsanspruch 57 Mosaikprinzip  76 ff., 235 Multi-Faktor-Regel 79 Musterprogramm 34 Nachtatverhalten  48, 176 ne bis in idem  116 f. Obergrenze 94 Oligopol 22 One-Stop-Shop  117 ff. Opferschutz 213 Ordnungswidrigkeit  46, 94 Organisation  89, 213 f., 240 Organisator  213 f. ORWI-Entscheidung  18, 19, 21 Passing-on  19, 21 Passing-on-defence  21, 136 Passivlegitimation 238 Praktikabilität  68 ff., 83, 86, 97 Prävention  55, 64, 92, 94 Preisanpassung 22 Preisaufschlag  9, 20 f. Preiserhöhung  19, 21, 22, 24, 84, 93, 233 Preisfestsetzung  23 f. Preiskartell 24 Preisniveau  22, 24 Preisschirmeffekt  22 ff., 96, 97, 151, 163 ff., 179 ff., 186 f., 207, 220, 221 Prinzip der vollen Kompensation  3, 8, 108. 126, 156, 178 f., 206, 221 Privatautonomie  100, 203, 204 Problem der Regressbehinderung  177 ff. Prozessbeendigung 131 Prozessrisiko  131, 190 Prüfkompetenz 122 Public Enforcement  5, 123 Rädelsführer  88 f., 91, 213 f. Rechtsfortbildung 13 Rechtskraft  67, 215 f. Rechtsmissbrauch  142 f., 238 Rechtsnachfolge  137 ff. − Einzelrechtsnachfolge 138 ff. − Gesamtrechtsnachfolge 137 f.

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Stichwortverzeichnis

Rechtssicherheit  33, 38, 68 ff., 80, 81, 84, 86, 97 ff., 104, 131, 199, 226 f. Rechtsverfolgung  16, 54, 70, 120, 133, 169 Rechtsverfolgungskosten  166, 224 Rechtswahlfreiheit 76 Regressanspruch  56, 71 ff., 101, 178, 182 ff., 185, 186, 206, 222 f., 226, 243 Regressausschluss  54 f. Regressklage  72, 238 ff., 243 Regresssystem  55 f., 99 relative Verantwortung  60, 80, 86, 89, 95, 99, 172 f., 175, 181, 182, 185, 200 Richtlinie 2014/104/EU  7 ff. − Entstehung  8 f. − Ziele  8 ff. richtlinienkonforme Auslegung  12 f. Rolle im Kartell  61, 62, 80, 86 ff., 98 f., 213 f., 245 Rollenwechsel 90 Rom II-VO  74 ff., 234 Rüge der Nichtigkeit  5 rule of no-contribution  54 Sanktionierung  9, 46 f., 85, 114 Sanktionsgedanke 94 Schadensabwälzung  20 ff., 136 Schadensersatzrichtlinie  siehe Richtlinie 2014/104/EU Schadensfeststellung 190 Schadenskompensation  3, 9, 126, 130, 134, 149, 156, 207, 221 Schadensminderung  47, 49, 175 f. Schadensschätzung  18, 70, 93 Schadensvermutung  20, 39, 44 Schlechterstellung  39, 47, 130, 167, 169, 226 Schlüsselrolle  28, 31, 111, 113, 241 Schwellenwert 210 Selbsthilfe 14 Share deal  143, 144 Sherman Act  46 Sicherungsmittel 58 spezialpräventiv 5 Spürbarkeit 83 Stabilisierung  87 f., 90, 93, 98 Stabilisierungsabrede 100 Stand-alone-Klagen  15, 95, 234, 235 ff.

Statut − des Innenausgleichs  75 − des Schadensersatzanspruchs  75 Streitbeilegung  190, 195 Streitverkündung 105 Streitwert  71, 190, 241 subsidiäre Haftung  128, 146, 164, 165 f., 169, 177, 183, 193, 208, 217, 219, 220, 225, 247 Subsidiarität 156 System paralleler Zuständigkeiten   38, 113, 114 f. Täter  48, 87 f., 88 f., 90, 91, 99, 213 f. Teilerlass 198 Teilschuld  54, 57, 70, 144 f., 239 Transparenz  33, 80, 83, 199 f. Treu und Glauben  142, 155 Überkompensation  siehe Verbot der Überkompensation Umbrella Pricing  siehe Preisschirmeffekt Umsatz  31, 61, 62, 65, 81 ff., 86, 91, 98, 131 ‒ Gesamtumsatz  81, 82, 83, 92, 94, 95 ‒ Jahresumsatz  210 ‒ kartellbefangener Umsatz  66, 82 f., 91 ff., 98 ff., 245 unbestimmter Rechtsbegriff  52, 58, 61 Ungarn 169 Ungleichbehandlung  122 f., 129 Unterlassung  5, 13 Unternehmensübertragung  143 f. Unwiederbringlichkeit 212 USA  6 f., 30, 45 ff., 54 f., 83, 103 Verbot der Doppelbestrafung  siehe ne bis in idem Verbot der Überkompensation  9, 21, 136, 157, 207 Verbotsgesetz 104 Vereinheitlichung 8 Vereinigtes Königreich  31, 46 Vereitelungsgrundsatz 11 Verfahrenseinstellung  110 f. Vergleichsschluss  189 ff. Verhältnismäßigkeit  41, 168

Stichwortverzeichnis Verjährung − der Ausfallhaftung  159 − der Ausgleichsansprüche  101 ff. Verjährungsbeginn  102 f., 104, 153, 159, 161, 162 Verjährungsfrist  103 f., 160 f. Verjährungshemmung  105, 160 f. Vermögenseinbuße  2, 18, 19, 221 Vermögensvorteile 64 Vermögenswerte  144, 241, 243 Vermutung  18, 20 ff., 39, 40, 44 Verschulden  16, 38, 60, 62 Verschuldensbeitrag 63 Verschuldensgrad  60, 62 f. Vertrag zugunsten Dritter  178, 195, 204 Vertragsübernahme  138, 139 ff., 141, 142 Vertragsverletzungsverfahren 8 Verursachungsmaß 61 f. Verwaltungsmitteilung  108, 123 Verweisung  12, 55, 56, 57, 58, 61, 63, 169, 186, 194 f., 202 Vollbeweis 21 Vollharmonisierung  74, 77, 175 Vorsatz  16, 62 f., 89, 161 Vorteilsabschöpfung 92 Wahlrecht  53, 73, 79, 146 Wechselwirkung 20 Weigerung  147 f.

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Weißbuch  7, 125, 174 Wettbewerbsbeschränkung  6, 17, 28, 52, 83 Wettlauf − Kartellanten  49 − Kronzeugen  32 − Geschädigte  130 Wiederholungstäter  63, 215 f. wirtschaftliche Bedeutung  66, 82 wirtschaftliche Belastung  166 f. wirtschaftliche Einheit  65 wirtschaftlicher Erfolg  64 f., 93 wirtschaftliche Leistungsfähigkeit  64, 65, 81, 82, 93, 151, 212 Zahlungsanspruch  57, 102, 205 Zahlungsfähigkeit  53, 148, 149, 158 Zahlungsunfähigkeit  57, 148, 163, 184, 185, 186 f., 205 Zivilkammer 72 Zurechnung 24 Zuständigkeit − funktionelle  71 f. − internationale  155, 229 ff. − örtliche  73, 240 − sachliche  71 f. Zwang  214 f. Zwangsvollstreckung  148 ff., 161, 169, 184, 194, 219