127 79 24MB
German Pages 284 Year 1999
MARTIN GRÜNENDlECK
Die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs
Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts herausgegeben von
Heinz Grossekettler, Münster · Bernhard Großfeld, Münster Klaus J. Hopt, Harnburg · Christian Kirchner, Berlin Dieter Rückle, Trier · Reinhard H. Schmidt, Frankfurt/Main
Band 36
Die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs Eine betriebswirtschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften
Von Martin Grünendieck
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Grünendieck, Martin: Die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs : eine betriebswirtschaftliche Analyse unter besonderer Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften I von Martin Grünendieck. - Berlin : Duncker und Humblot, 1999 (Schriften zur wirtschaftswissenschaftlichen Analyse des Rechts ; Bd. 36) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08700-3
Alle Rechte vorbehalten
© 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-5065 ISBN 3-428-08700-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Vorwort Diese Arbeit entstand als Dissertation an der Universität Trier in den Jahren 1990 bis 1994. Sie bildet einen Versuch, die Rechtsvorschriften des OPNV einer ökonomischen Analyse zu unterziehen. Dabei habe ich mich insbesondere auf den Bereich der Finanzierung des OPNV konzentriert. Gerade in Zeiten, in denen die Leistungen von Verkehrsbetrieben sehr stark unter rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werden, ist zu prüfen, inwieweit die gesetzlichen Rahmenbedingungen dies überhaupt zulassen. Diese Arbeit leistet dazu einen Beitrag. Ich danke allen, die mir das Erstellen dieser Arbeit ermöglicht haben. Insbesondere gilt dies filr Herrn Professor Dr. Dieter Rückle, der es mir nicht nur ermöglichte, auf diesem etwas außerhalb des Lehrstuhls liegenden Feld zu forschen, sondern mich dabei auch förderte und unterstützte. Viele Anregungen verdanke ich Frau Professor Dr. Färber, die auch das Zweitgutachten :filr diese Arbeit erstellte. Zudem gilt mein Dank allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Lehrstuhls Wirtschaftsprüfung und Rechnungswesen der Universität Trier, die mich bei der Arbeit kollegial unterstützten. Die Erstellung dieser Arbeit wäre nicht möglich gewesen, ohne die immerwährende Unterstützung durch meine Frau und meine Eltern. Vielen Dank.
Bochum, November 1998
Martin Grünendieck
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll. Begriffsabgrenzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Bestimmung des Begriffs "Verkehr" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Raumstrukturelle Bedeutung des Verkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgrenzung des Öffentlichen Personennahverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zugänglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Räumliche Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abgrenzung des Beförderungsobjektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Abgrenzung des ÖPNV in dieser Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . lll. Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
15 15 18 18 21 23 24 26 29 29 29
B. Theoretische Gnindlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33 33 33 37 37 39 40 42 42 47
I.
ll.
lll.
IV.
Verkehr als ein marktgesteuertes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Probleme der Verkehrsmittelwahl .. . . . . ... . . . . .... .. . . ..... . . . . . 2. Verkehrspolitische Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Private Vereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatliche Intervention als Imitation des Marktes . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatliche Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Monopolstellung des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Theorie des natürlichen Monopols . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. ÖPNV als ein natürliches Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliche Sicherung des Monopols im ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Genehmigungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Betriebs- und Beförderungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tarifpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Grundlagen der Tarifpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorschriften zur Tarif-Kalkulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Probleme der Substanzerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verantwortlichkeiten im ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Politische Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzielle Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unternehmerische Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abgrenzung des Aufgabenträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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51 52 53 54 54 55 56 60 60 63 65 66
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Inhaltsverzeichnis 5. Kooperationen im Verkehrsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Formen der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisationsformen von Verkehrsverbünden . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68 68 70
C. Die Finanzströme des ÖPNV I. Modellbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll. Ausgewählte Gliederungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Folgekostenberichte der Bundesregierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterteilung nach betrieblichen Ansatzpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zweckbezogene Untergliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ill. Grundlagen einer betriebswirtschaftliehen Untergliederung . . . . . . . . . . . . . IV. Unterteilung der Einnahmeströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zahlungsströme im Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Kosten des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Güterwirtschaftlich bedingte Einzahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Trägerfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schema der Einzahlungsströme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesamtmodell der ÖPNV-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Modell einer Kooperation von Verkehrsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . .
73 73 74 74 78 80 82 86 87 87 89 91 92 92 94 95
D. Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll. Das Zielsystem der Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Allgemeine Bestandteile eines Zielsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ansatzpunkte ftlr ein Zielsystem der Preispolitik im ÖPNV . . . . . . . . . . 3. Entwicklung eines operationalen preispolitischen Zielsystems . . . . . . . . Ill. Preissetzuns bei einheitlichem Markt und Preis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einheitlicher Preis mit dem Ziel der Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . 2 . Einheitlicher Preis bei Kostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Preissetzuns bei einheitlichem Preis, aber verschiedenen Märkten 1. Preissetzuns mit dem Ziel der Gewinnmaximierung . . . . . . . . . 2. Preispolitik mit dem Ziel der Kostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . V. Preispolitik bei verschiedenen Preisen und verschiedenen Märkten 1. Preisdifferenzierung bei Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Preisdifferenzierung bei Kostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Bestimmung des Preisverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Preisbestimmung bei linearer Preis-Absatz-Funktion . . . . . . . . . . . . . VI. Analyse ausgewählter Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l. Fall I: Nur fixe Kosten ......... . ........ , . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fall ll: Fixe und variable Kosten ... ... . . . ... . . . . . .. ....... . . .. . . Vll. Preisdifferenzierung in der Tarifpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansatzpunkte zur Differenzierung von Marktteilnehmern . . . . . . . . . . . .
97 97 99 99 102 106 108 108 110 113 113 115 116 116 117 117 123 130 134 135 136 136
Inhaltsverzeichnis 2. 3. 4. 5.
9
Räumliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierung nach der Benutzerhäufigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeitliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierung nach der Benutzergruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
139 140 142 143
Eo Wirkungen spezieUer Preisvorschriften auf Preise und Nachfrage . . . . . . . . . . 146 I. Ausgleichsleistungen ftir den Schülerverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Rechtliche Grundlagen ............... . .... . . . ... 2. Preisbestimmung mit Schülerfahrkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auswirkung in typischen Situationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fall I: Schülerpreis unter Normalpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Veränderungen gegenüber einer nachfrageorientierten Preispolitik .... bb) Isolierte Analyse der Wirkungen der Ausgleichszahlungen . cc) Isolierte Analyse der Auswirkungen des festen Preisverhältnisses b) Fall II: Schülerpreis über Normalpreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Veränderung gegenüber einer nachfrageorientierten Preispolitik bb) Isolierte Analyse der Wirkungen der Ausgleichszahlungen . . . . . 4. Verminderung der Kostentragfahigkeit durch Schülerfahrkarten . . . . . . 5. Zusammenfassende Beurteilung und Kritik von Schülerkarten . . . . . . . . Beförderung von Schwerbehinderten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Grundlagen der Sonderregelungen ftir Schwerbehinderte . . 2. Vorschriften fllr die Erstattung bei Schwerbehindertenfreifahrten . . . . . 3 . Veränderungen in der Preissetzung durch die Sonderregelungen fur Schwerbehinderte . . ... .. .. . .. . . .... ... . .. ..... . .. . ..... , . . . . a) Fall I: ohne Berücksichtigung von Schülerkarten . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fall II: mit Berücksichtigung von Schülerkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beurteilung der Schwerbehindertenregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beurteilung des "Vomhundertsatzes" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beurteilung der "nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen"..... . . .... 0
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Fo Subventionen und ihre Wirkungen im ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. II.
III.
Begriffsabgrenzung ............................. Untergliederung der ÖPNV-Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ansätze zur Untergliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gliederung der Subventionen aus betrieblicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung der Subventionen fllr den ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subventionen, die an der Kostenseite anknüpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Investitionszuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz . . . bb) Ergänzende Investitionsförderprogramme der Länder b) Subventionierung der Betriebskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer . .. ..... . . bb) Gasölbetriebsbeihilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 . Subventionen, die an den Leistungen des ÖPNV ansetzen .. .... . . .. . a) Umsatzsteuerermäßigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Förderung von Verkehrsleistungen im Verbund . . . . . . . . . . . . . . . . . 0
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189 191 191 192 194 194 194 195 198 200 200 20 1 201 201 202
Inhaltsverzeichnis
10
N.
Wirkung von Subventionen auf die Preise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subventionswirkungen bei gewinnmaximierender Preispolitik . . . . . . a) Verringerung der Fixkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verringerung der variablen Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Subventionswirkungen bei Kostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Subventionierung der fixen Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subventionierung der variablen Stückkosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung der Subventionen . . . . . . . . ...................... 1. Allgemeine Bemerkungen zu den Wirkungen von Subventionen . . . . . . 2. Beurteilung der Investitionszuschüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurteilung der Kfz-Steuer-Befreiung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beurteilung der Gasölbetriebsbeihilfe (Mineralölsteuerbefreiung) ...... 5. Umsatzsteuerermäßigung .............. . ... . ............ .. .... 6. Formen der Verbundforderung .......... . ... . ........... . ..... .
203 204 204 205 205 206 206 209 209 212 214 215 216 216
G. Trägerfmanzierung ........ . . .. ........ . . . ...... . ....... . ...... . .. .. I. Träger der ÖPNV-Unternehmen . . . . .. ..... .. . . . . . ... . . . . .. . ... . . . Il. Umfang der Trägerfinanzierung .... . ..... .. .. .. . . .... . .. . . . . . . . .. . IIl. Die besondere Bedeutung des Querverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. Auswirkungen der Trägerfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Die Trägerfinanzierung nach dem Regionalisierungsgesetz . . . . . . . . . . . . .
218 218 222 225 229 230
H. Maßnahmen zur Verbesserung der ÖPNV-Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Maßnahmen im Bereich des Institutionellen Rahmens . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regionalisierung der Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konzentrierung im Genehmigungsverfahren . . . . .. . .. . .. . ...... . . . 11. Maßnahmen zur Steigerung der Leistungseinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nachfrageorientierte Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ertragsneutraler Ausgleich fllr Preisermäßigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anreizwirksame Verträge zwischen Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen . . ........ . ....... .. ...... . .... . . ...... . . ...... .. . . 4 . Erhöhung der Einnahmen aus Nebenleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ill. Maßnahmen im Bereich der Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auslaufen der Investitionssubventionen fllr Verkehrsunternehmen . . . . 2. Entwicklung bei den sonstigen Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . N. Maßnahmen bei der Trägerfinanzierung ...................... . .. .. .
233 233 233 235 237 238 239
V.
241 245 247 247 249 250
L Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 RechtsqueUen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257
Index ...... .. .. . ................................ ... . .. . . . . . . . . . . .. ... 281
Verzeichnis der Abbildungen und Übersichten Abbildungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Kostenfunktion mit Stockkostenminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostenfunktion ohne Stückkostenminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationsformen bei Verkehrsverbünden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung kumulierter Abschreibungen bei Reinvestition . . . . . . . . . . . . . . . Schnittpunkte zwischen Kosten- und Erlöskurve . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alternative Verläufe von Kostenkurven . . . . ... .. .. .. ..... ... . ... . Nachfragefunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung der Fahrausweisarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verteilung der Finanzmittel nach GVFG filr 1995 (in Mio. DM) . . . . . . . . . . . Anteile an den Fahrgastzahlen im ÖPNV der alten Bundesländer....... . . .. Entwicklung des Kostendeckungsgrades der VDV-Unternehmen in den alten Bundesländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beispiel zur steuerlichen Wirkung des Querverbundes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trägerfinanzierung im ÖPNV ab 1996 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43 45 71 84 109 111 133 142 197 219 224 227 231
Übersiebten
2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18
Aufteilung der Wege auf Verkehrsmittel (Modal-split) in Köln 1976 und 1982 in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufteilung der Wege auf Verkehrsmittel (Modal-split) in Westdeutschland 1989 in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkehrsarten nach Zugänglichkeit und Transportform . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verantwortung im ÖPNV . .. . . .. .......... ... ... ... . ......... ...... Aufteilung finanzieller Lasten aus dem ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Finanzleistungen der öffentlichen Hand für den ÖPNV Finanzflüsse nach betrieblichen Ansatzpunkten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweckbezogene Unterteilung der ÖPNV-Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einnahmeströme des ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Marktformenschema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestandteile eines Zielsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zielgrößen fllr den ÖPNV nach § 39 Abs. 2 PBeiD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optimale Preise bei verschiedenen Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Optimale Preise bei fixen Kosten . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkaufte Fahrausweise bei unterschiedlichen Preisstrategien . . . . . . . . . . . . . Optimale Preise bei fixen und variablen Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verkaufte Fahrausweise bei fixen und variablen Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lebensphasen-Modell im ÖPNV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20 21 25 61 75 77 79 81 93 98 10 1 104 131 134 134 135 135 138
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Verzeichnis der Abbildungen und Übersichten
19 20 21 22 23 24 25
Unternehmergruppeneinteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kostensätze beim Ausgleich nach § 45a PBefG .......... ... .. .. .. Grundannoahmen zur Preisbildung mit Schülerkarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Preisberechnung im Fall I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse im Fall I bei Zahlung eines allgemeinen Zuschusses . . . . . . . . . . . . Ergebnisse bei Variation der Bemessungsgrundlage für Fall I . . . . . . . . . . Ergebnisse im Fall I bei ausschließlicher Berücksichtigung eines festen Preisverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Preisberechnung im Fall ll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse im Fall ll bei Zahlung eines allgemeinen Zuschusses Ergebnisse bei Variation der Bemessungsgrundlage für Fall li . . . . . . . . . . . . . Maximale Erlöse und Fahrgastzahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse bei nachfrageorientierter Preisdifferenzierung und Ausgleich für Schwerbehindertenfreifahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse bei unterschiedlichen Annahmen über die Erstartungen für Schwerbehinderte und gleichzeitigen Ausgleichszahlungen fllr den Schülerverkehr . . Einnahmen des ÖPNV und Bevölkerung in ausgewählten Bundesländern . . . Unterteilung von Subventionen aus betrieblicher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . Untergliederung der behandelten Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkung ausgewählter Subventionen aufPreis, Menge und Qualität . . Rechtsformen der VDV-Unternehmen 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eigentümer der VDV-Unternehmen 1993 . . . ............... Einflußmöglichkeiten von Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger . . . . . .
26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38
149 151 156 157 159 159 160 162 163 164 167 178 182 185 193 194 212 220 221 243
Abkürzungsverzeichnis Abs. Art.
Aufl. Bd. BFHE bspw. BTDr BVerwGE DB DIFU Diss. DPf EG EneuOG EU EWG FAG FVV ggf. GHV
GVFG hrsg. Hrsg. ldW i.e.S. i.S.v. i.w.S.
Kfz
KGSt km
KONTIV Lkw Mio. Mrd. MVV Obus ÖPNV PBefAusgV PBefG
Absatz Artikel Auflage Band Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofes beispielsweise Bundestags-Drucksache Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Deutsche Bundesbahn Deutsches Institut flir Urbanistik Dissertation Deutsche Pfennig Europäische Gemeinschaften Eisenbahnneuordnungsgesetz Europäische Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Finanzausgleichsgesetz Frankfurter Verkehrs- und Tarifverbund gegebenenfalls Großraum-Verkehr Hannover Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz herausgegeben Herausgeber Institut der Wirtschaftsprüfer im engeren Sinn im Sinne von im weiteren Sinn Kraftfahrzeug Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung Kilometer Kontinuierliche Erhebung zum Verkehrsverhalten Lastkraftwagen Millionen Milliarden Münchner Verkehrs- und Tarifverbund Oberleitungs-Bus Öffentlicher Personennahverkehr Verordnung über den Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Leistungen im Straßenpersonenverkehr Personenbeförderungsgesetz in der Fassung gültig ab dem 1.1.94
14 PBefG (93/96) Pkw RegG RVV S. SchwbG Sp. SPNV Tab. u.a. V.
VDV vgl.
vo
VÖV
VRN VRR VRS
vv vvs
WISU WiSt z.B. ZögU
Abkürzungsverzeichnis Personenbeförderungsgesetz in der Fassung gültig ab dem 1.1.96 Personenkraftwagen Regionalisierungsgesetz Regensburger Verkehrsverbund Seite Schwerbehindertengesetz Spalte Schienenpersonennahverkehr Tabelle und andere von Verband Deutscher Verkehrsunternehmen vergleiche Verordnung Verband öffentlicher Verkehrsunternehmen Verkehrsverbund Rhein-Neckar Verkehrsverbund Rhein-Ruhr Verkehrsverbund Rhein-Sieg Verwaltungsvorschrift Verkehrs- und Tarifverbund Stuttgart Das Wirtschaftsstudium Wirtschaftswissenschaftliches Studium zum Beispiel Zeitschrift filr öffentliche und gemeinnützige Unternehmen
A. Einführung I. ProblemsteUung Der Verkehr, insbesondere der Verkehr in Städten und Ballungsräumen, wird von vielen Menschen als ein Hauptproblern der heutigen Zeit gesehen1. Die Ansichten über den eigentlichen Kern des Problems gehen jedoch auseinander. Für einige Gruppen ist er der zu geringe und überteuerte Parkraum in den lnnenstädten, für andere die vom Kraftfahrzeug ausgehende Umweltverschmutzung und die fehlende Attraktivität der Alternativangebote zum Pkw. Für alle diese Meinungen lassen sich entsprechende Belege fmden. So ist in den alten Bundesländern allein der Bestand an Pkw von 15, I Mio. im Jahre 1971 auf 31,3 Mio. im Jahre 1993 gestiegen2 . Dieser Entwicklung konnte die innerstädtische Verkehrsinfrastruktur nicht folgen. Damit stellt gerade der Kraftfahrzeugverkehr, insbesondere durch Staus und den Raumverbrauch durch parkende Fahrzeuge, einen Teil des Verkehrsproblems dar. Ein weiterer Aspekt, der gerade in den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat, ist die Umweltbelastung durch die Abgase der Kraftfahrzeuge. Auch hier sind insbesondere wieder die dichtbesiedelten Ballungsräume betroffen. Es gibt inzwischen mehrere Versuche, diese durch den Verkehr verursachten Umweltschäden und sonstigen Belastungen zu quantifizieren. Dabei wird insbesondere versucht, die externen Kosten des Verkehrs zu ermitteln. Die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen weichenjedoch.stark voneinander ab, so daß kein Konsens über die tatsächlichen Kosten des Verkehrs besteht. Als ein Mittel zur Verbesserung der Verkehrssituation wird seit langem eine verstärkte Nutzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) gesehen3 . Von einer Umleitung der Verkehrsteilnehmer auf "Busse und Bahnen" verspricht man sich eine Verminderung des Kraftverkehrs und eine damit verbundene Entlastung der Umwelt und der Verkehrssituation. 1
2 3
Vgl. Brög (1990), S. 90 . DeutscheShell AG (1 99 1), S. 29. Vgl. Deutschland, Bundesminister flir Verkehr (1964), BTDr. IV/2661 , S. 92 - 112.
A. Einflihrung
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Die immer weiter zunehmende Bedeutung des ÖPNV scheint dabei generell unumstritten zu sein, während die vorgeschlagenen Wege zu einer stärkeren Nutzung, insbesondere aber deren Finanzierung, stark divergieren. Teilweise wird gleichzeitig eine Verbesserung der Angebotsqualität und eine Beseitigung der "ökonomischen Ineffizienz" des ÖPNV gefordere, ohne daß zwischen diesen Faktoren ein Zusanunenhang gesehen wird. Besonders fällt auf, daß der ÖPNV dabei häufig losgelöst von den übrigen Verkehrsmitteln betrachtet wird. So fmden sich in einer Beilage des Handelsblattes vom 6.6.1994 Beiträge zu verschiedenen Aspekten des ÖPNV, jedoch keiner, der auf den Zusanunenhang zwischen der Situation der ÖPNV-Betreiber und der allgemeinen Verkehrssituation, insbesondere den Bedingungen und Kosten des Individualverkehrs, aufmerksam macht. Auch der ebenfalls wichtige Zusanunenhang zwischen ÖPNV und Raumplanung wird nicht erwähnt. Insgesamt wird der ÖPNV als ein Bereich gesehen, der sich nicht aus den Zahlungen der Nutzer fmanzieren kann. Statt dessen wird davon ausgegangen, daß der ÖPNV auf Zuschüsse Dritter angewiesen ist. Diese Sichtweise ist verständlich, wenn man bedenkt, daß der Kostendeckungsgrad in den alten Bundesländern seit Jahren bei ca. 67% liegt5. Dies führte 1991 allein bei den ÖPNV-Unternehmen in West-Deutschland zu einem Fehlbetrag von mehr als 3,7 Mrd. DM6, wobei staatliche Subventionen, die die Kosten senken, noch nicht einmal berücksichtigt sind. Diese Defizite im ÖPNV sind schon seit geraumer Zeit Gegenstand der wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion7 Im Mittelpunkt steht dabei häufig die Belastung der öffentlichen Haushalte durch Zahlungen an den ÖPNV-Bereich, wobei vor allem die Zahlungen des Bundes untersucht werden8 . Diese Zahlungen stellen jedoch nur eine von mehreren Finanzquellen des ÖPNV dar. Gänzlich vernachlässigt werden häufig die Zahlungen der Benutzer sowie der meist kommunalen Träger und Eigentümer der ÖPNV-Unternehmen. Gerade vor dem Hintergrund knapper Haushaltsmittel und insbesondere der geplanten Regionalisierung des ÖPNV ab 1996, erscheint die Diskussion über die ÖPNV-Finanzierung sehr aktuell. Erstaunlicherweise beschränkt sich das Schrifttwn größtenteils darauf, das System der ÖPNV-Finanzierung, zum Teil sogar nur teilVgl. Hili (1994), S. BI. VDV(l993),S. 19. 6 Vgl. VDV (1993), S. I; Werte für die alten Bundesländer ohne West-Berlin. 7 So erstellt die Bundesregierung seit 1976 Foigekostenberichte für ÖPNV-Investitionen, vgl. Deutschland, Bundesregierung (1976): BTDr. 7/4556. 8 Vgl. dazu insbesondere die Arbeiten von Ratzenherger u.a. (1989) und Wiechers (1988). 4
5
I. Problemstellung
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wetse, zu beschreiben und die vermeintlichen Mißstände aufzuführen. Daraus werden dann Folgerungen meist organisatorischer Natur gezogen, wie etwa die inzwischen fast erfüllte Forderungfunach Regionalisierung des ÖPNV oder die Forderung nach mehr "Markt". Es dominiert dabei die Betrachtung der öffentlichen Haushalte und deren Belastungen. Die Struktur des Finanzierungssystems mit ihren gesetzlichen Rahmenbedingungen und ihre Auswirkungen auf die fmanzielle Situation der Unternehmen wird jedoch nicht untersucht. Da sowohl das Verhältnis von ÖPNV zu anderen Verkehrsarten wie auch die Bedeutung der Raumplanung für die Verkehrsprobleme zur Zeit kaum mehr diskutiert werden, kann für die nächsten Jahre von in dieser Hinsicht konstanten Rahmenbedingungen für den ÖPNV ausgegangen werden. Änderungen werden sich jedoch, bedingt durch die Regionalisierung der ÖPNV-Verantwortung, in den fmanziellen Rahmenbedingungen ergeben. Da ab 1996 allein die regionalen Gebietskörperschaften für den ÖPNV sowohl auf der Straße wie auch auf der Schiene zuständig sind, werden sich auch einige der fmanziellen Grundlagen ändern. In dieser Arbeit soll nun versucht werden, Probleme der aktuellen ÖPNV-Finanzierung herauszuarbeiten und daraus Folgerungen für eine Umgestaltung zu ziehen. Ausgangspunkt sind dabei.die bestehenden Rahmenbedingungen sowohl organisatorischer wie auch besonders rechtlicher Natur. Diese werden aus der Perspektive desjenigen untersucht, der die Aufgabe der Versorgung mit Leistungen des ÖPNV übernommen hat. Ein solcher "Aufgabenträger" wird durch das Regionalisierungsgesetz ab 1996 eingeführt, besteht aber faktisch in vielen Fällen schon heute. Kommunen übernehmen in Zusammenarbeit mit meist kommunalen Verkehrsunternehmen die Verantwortung für den ÖPNV. Da dabei eine Trermung zwischen der politischen Ebene und der unternehmefischen Ebene schwer möglich ist, bilden beide zusammen die betrachtete Einheit. Je nach Ausgestaltung der Iandesrechtlichen Vorschriften wird eine solche Trermung ab 1996 jedoch möglich. Die Aufgaben, die zur Zeit von Kommunen und Verkehrsunternehmen gemeinsam wahrgenommen werden, gehen dann auf den Aufgabenträger über. Für die Beurteilung der Finanzsituation ändert sich dadurch jedoch wenig, da nicht die "Aufgabe" geändert wird, sondern nur eine eigene Institution für ihre Durchführung entsteht. Da der Umfang und damit die Ausgaben des ÖPNV auf einer politischen Ebene bestimmt werden, muß der Aufgabenträger die Finanzierung dieser Ausgaben sicherstellen. Die Struktur der Finanzierung wird von einer Reihe von Zielen beeinflußt, wobei hier insbesondere das verkehrspolitische Ziel einer Fahrgastmaximierung betrachtet wird. Andere Ziele beeinflussen dabei jedoch schon die Rahmenbe2 Grtlnendieck
18
A. Einfilhrung
dingungen. So haben sozialpolitische Ziele einen Einfluß auf die Vorgabe des Leistungsangebotes. Die Preispolitik beeinflussen sie durch vorgegebene Ennäßigungen für Schüler und Freifahrten für Schwerbehinderte. Die Arbeit analysiert im folgenden die Auswirkung von bestehenden gesetzlichen Regelungen auf die Finanzierung des ÖPNV. Dabei wird ein Vorschlag für eine optimale Preisbildung vorgestellt, der den Ausgangspunkt für die weiteren Beurteilungen bildet. Bevor der Aufbau der Arbeit dargestellt wird, soll zunächst eine Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes vorgenommen werden. Dazu werden insbesondere die Begriffe "Verkehr" und "Öffentlicher Personennahverkehr" erläutert und auf einen für den Untersuchungszweck sinnvollen Bedeutungsinhalt eingeschränkt.
ll. Begrift'sabgrenzungen 1. Bestimmung des Begriffs "Verkehr"
Der Begriff "Verkehr" wird in einer Reihe von unterschiedlichen inhaltlichen Ausprägungen benutzt. Er kann sowohl Ortsveränderung, interlokalen Verkehr, wie auch alle wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Lebewesen, interpersonalen Verkehr, bezeichnen9 . Der interpersonale Verkehr, die Beziehung zwischen Lebewesen sowohl im wirtschaftlichen wie auch im privaten Bereich, wird hier nicht betrachtet werden. Wenn in dieser Arbeit von Verkehr die Rede ist, ist interlokaler Verkehr gemeint, also Verkehr zwischen verschiedenen Orten10 und im Konkreten die Ortsveränderung von Personen 11 . Da im folgenden nur der Personenverkehr betrachtet wird, ist auch eine weitere Abgrenzung der Begriffe "Verkehr" (für Personen) und "Transport" (für Güter) nicht notwendig. Allgemein läßt sich Verkehr durch die drei Elemente - ursprünglicher Aufenthaltsort, - neuer Aufenthaltsort und - Transportobjekt defmieren 12 . Das Transportobjekt können dabei Personen, Güter oder auch Nachrichten sein, wobei sich diese Arbeit allerdings auf Personen als Transportobjekt beschränkt. 9
10 11 12
Vgl.llletschko (1959), S. 23. Vgl. llletschko (1959), S. 23 . Vgl.llletschko (1959), S. 23; Thomson (1978), S. 23. Vgl. Diederich (1977), S. 30.
II. Begriffsabgrenzungen
19
Die Ortsveränderung eines Objektes ist i.d.R. kein Selbstzweck, sondern dient der Erreichung eines anderen Zieles13 . Die Aufenthaltsorte unterscheiden sich dabei durch die Aktivitäten, die dort ausgeführt werden können. Sind beispielsweise die Aktivitäten "Wohnen" und "Arbeiten" nicht an einem Ort durchführbar, so benötigt eine Person, die beide Aktivitäten wahrnehmen will, eine Transportleistung. Auf der Grundlage dieser aktivitätsbezogenen Sichtweise bildet der einzelne Weg eines Transportobjektes von einer AktivitätAzur nächsten Aktivität B die kleinste Einheit. Verkehr wird in dieser Perspektive, die hauptsächlich zur Schätzung des Verkehrsaufkommens benutzt wird,bestimmt durch die Anzahl und räumliche Lage der Aktivitäten 14.
In der Bundesrepublik hat die Zahl der Aktivitäten pro Person in den letzten Jahren kaum zugenommen. Damit ist auch die Zahl der zurückgelegten Wege in etwa gleich geblieben15 . Stark zugenommen hat jedoch die Länge der Wege im Personenverkehr. So stiegen die in Westdeutschland zurückgelegten Personenkilometer von 598,6 Mrd. km im Jahre 1980 auf 724,3 Mrd. km im Jahre 1990 an16. Wenn von einer Zunahme des Verkehrs gesprochen wird, so kann sich dies hauptsächlich auf die zurückgelegten Entfernungen, nicht aber auf die Anzahl der zugrundeliegenden Wege und Aktivitäten beziehen 17 Ebenfalls geändert hat sich die Aufteilung der einzelnen Wege auf die verschiedenen Verkehrsmittel. Diese Größe, die als Modal-split bezeichnet wird, gibt den Anteil der verschiedenen Verkehrsmittel an der Gesamtzahl aller zurückgelegten Wege wieder. Dabei wurden lange Zeit nur die Verkehrsanteile des motorisierten Individualverkehrs und des ÖPNV betrachtet. Erst seit den siebziger Jahren wird auch berücksichtigt, daß ein beachtlicher Teil der Wege vom sog. nichtmotorisierten Individualverkehr, bestehend aus den Radfahrern und Fußgängern, zurückgelegt wird. Welche Änderungen in der Verkehrsmittelwahl in relativ kurzer Zeit eintreten können, zeigt Übersicht 1 (S. 20). Dort ist der Modal-split für die Stadt Köln in den Jahren 1976 und 1982 dargestellt. Innerhalb dieser sechs Jahre hat sich der Anteil des Pkw-Verkehrs (Fahrer und Beifahrer) um ca. ll% erhöht, und der Anteil des
13
14 15 16 17
Vgl. Thomson (1978), S. 23. Dort auch Gründe für den Verkehr, S. 23 ff. Vgl. Brög/Erl (1983), S. 350; Jones (1983): S. 56-78, bes. S. 59 ff. Vgl. Seifried (1991), S. 19; Brög (1992), S. 6. Institut der deutschen Wirtschaft (1994), Tab. 105. Vgl. Brög (1992), S. 6.
20
A. Einführung
Radverkehrs hat sich sogar verdoppelt. Der ÖPNV-Anteil blieb in den Jahren konstant bei 15 %. Übersicht] Aufteilung der Wege auf VerkehrsmiHel (Modal-split) in Köln 1976 und 1982 in Prozent Jahr Verkehrsmittel Zu Fuß Fahrrad Motorisiertes Zweirad Pkw als Fahrer Pkw als Beifahrer ÖPNV Gesamt
1976 41 6 2
1982 32 12 1
25 11 15
28 12 15
100
100
Quelle: Brög ( 1992), S. 6.
Die letzte große Erhebung der Verkehrsentwickhmg fand 1989 im Rahmen der KONTIV 1989 statt18• Damals ergaben sich für die alten Bundesländer die in Übersicht 2 dargestellten Anteile der VerkehrsmitteP 9 Insgesamt mehr als die Hälfte der Wege wurde danach mit dem Pkw als Fahrer oder Beifahrer zurtickgelegt Der Anteil des Öffentlichen Verkehrs enthält die Bestandteile "Bus" und "sonstige öffentliche Verkehrsmittel", umfaßt damit also auch Teile des Fernverkehrs. Zudem dürften die "Kombinationen" zum Teil auch ÖPNV-Anteile enthalten. "Verkehr" ist ein Bereich, der nicht für sich allein betrachtet werden kann, sondern der mit vielen anderen gesellschaftlichen Phänomenen in Verbindung steht. Insbesondere besteht ein Zusammenhang zwischen der Anzahl und Länge der Wege, der Verkehrsmittelwahl und der Struktur des Raumes. Raumstruktur und Verkehrsmittel beeinflussen sich dabei gegenseitig.
Emnid-Institut (o.J.a); Emnid-Institut (o.J.b). Diese Werte sind nicht mit den Werten der Stadt Köln vergleichbar, da hier der Gesamtverkehr in Westdeutschland erfaßt wurde. Die Anteile der einzelnen Verkehrsmittel hängen stark von der jeweiligen Raumstruktur ab, so daß die Zahlen eines Ballungsgebietes wie Köln nicht mit den Gesamtzahlen verglichen werden können. 18
19
21
II. Begriffsabgrenzungen
Übersicht 2 Aufteilung der Wege auf Verkehrsmittel (Modal-split) in Westdeutschland 1989 in Prozent Verkehrsmittel Zu Fuß Fahrrad Motorisiertes Zweirad Pkw als Fahrer Pkw als Beifahrer Öffentlicher Verkehr Kombinationen Gesamt
Jahr 1989
26 11 1
40
11 7 4 100
Quelle: Emnid (o.J.a), S. 80.
2. Raumstrukturelle Bedeutung des Verkehrs
Die theoretische Grundlage der rawnstrukturellen Bedeutung des Verkehrs kann in Anlelmung an das Modell von Tiebout2° erläutert werden. Dieser geht in seiner normativen Betrachtung davon aus, daß ein optimales Angebot an öffentlichen Leistungen dadurch erreicht wird, daß es viele abgeschlossene Gebiete gibt, die jeweils unterschiedliche Angebote an öffentlichen Leistungen, aber auch unterschiedliche Abgabenhöhen haben. Die Bewolmer können sich dann durch freie Wahl zwischen den Gebieten ihr optimales Küsten-Leistungsverhältnis suchen. Das Modell ist wegen seiner unrealistischen Grundannahmen stark kritisiert worden21 , doch enthält es drei für die Analyse der Verkehrsentstehung wichtige Elemente: das Angebot an öffentlichen Leistungen, die Kosten der Einwohner für diese Leistungen und die Möglichkeit der räwnlichen Mobilität. Geht man von einem Oberzentrwn mit Umland aus, so ist das Angebot an öffentlichen aber auch privaten Leistungen im Zentrwn größer als im Umland. Dies ist bedingt durch eine höhere Bevölkerungsdichte, die gleichzeitig für höhere Grundstückskosten im Oberzentrwn verantwortlich ist. Neben den höheren Kosten für die Wohnung kommen noch weitere ballungsbedingte Kosten hinzu, etwa Lärm oder schlechte Luftqualität Dafür sind die spezifischen Leistungen des Oberzentrwns allerdings schnell und damit mit geringeren Kosten zu erreichen. 20 21
Vgl. Kirsch (1980), S. 175. Vgl. Kirsch (1980), S. 176 ff.
22
A. Einführung
Für Bewohner des Umlandes sind die Kosten des Wohnens meist- bei vergleichbarer Qualität - niedriger als in der Stadt. Durch die geringere Bevölkenmgsdichte sind auch die typischen Ballungskosten wie etwa Lärm gering. Der Nachteil des "Lebens auf dem Lande" ist das relativ kleinere Angebot an öffentlichen Leistungen. Diese Leistungen können jedoch fast alle auch im Oberzentrum bezogen werden, was allerdings mit Fahrtkosten i.w.S. verbunden ist. Eine preisliche Diskriminierung zwischen den Bewohnern des Oberzentrums und des Umlandes bei der Inanspruchnahme der öffentlichen Leistungen wird dagegen selten vorgenommen. Rechtliche Bedenken dürften dabei vor allem wegen der häufigen Mitfinanzierung der öffentlichen Einrichtungen durch Bundes- und Landesmittel bestehen. Vorteile haben die Bewohner des Oberzentrums allenfalls dann, wenn im Rahmen kommunaler Sozialleistungen bestimmten Gruppen Vergünstigungen gewährt werden, z.B. durch Gutscheine für freie oder ermäßigte Nutzung kommunaler Einrichtungen. Die Höhe der Abgaben, die die Bewohner quasi als Gegenleistung für das öffentliche Angebot entrichten, hängt innerhalb der Bundesrepublik nicht vom Wohnort ab. Die beiden größten Abgabenblöcke privater Haushalte, die Einkommensteuer und die Umsatzsteuer, sind vom Wohnort unabhängig. Für Unternehmen spielen dagegen kommunale Steuern in Form der Gewerbesteuer eine Rolle. Da jedoch ländliche Gerneinden i.d.R. weniger für öffentliche Leistungen ausgeben als Städte22 , sind auch die Gewerbesteuersätze auf dem Land häufig geringer als in der Stadt. So spielen bei einer festen Nachfrage nach Gütern allein das Verhältnis der Kosten für Wohnen und die Fahrtkosten zu den öffentlichen Angeboten der Stadt die Rolle bei der Entscheidung über den Wohnort. Zu den Kosten des Wohnens gehören dabei auch alle vom Wohnort abhängigen Gebühren und Abgaben, so z.B. die Müllabfuhrgebühren und die Grundsteuer. Eine Entscheidung für das Wohnen auf dem Lande fällt damit, wenn gilt:
WL Ws FK
Kosten des Wohnens auf dem Lande Kosten des Wohnens in der Stadt Fahrtkosten in die Stadt
22 So nimmt etwa der Anteil der Kulturausgaben an den Gesamtausgaben mit der Einwohnerzahl der Gemeinden zu. Gemeinden über 100 Tsd. Einwohnern gaben 1991 5,1 % ihres Gesamthaushaltes flir Kultur aus, während Gemeinden zwischen 20 und 50 Tsd. Einwohnern nur 2,7 % ausgaben. Deutscher Städtetag ( 1992), S. 182.
II. Begriffsabgrenzungen
23
Eine Verbesserung der Verkehrsverbindungen in die Stadt führt nun dazu, daß FK kleiner wird; der Anreiz, die Stadt zu verlassen, ninunt zu. Die Einnahmen der Gebietskörperschaften sind allerdings dw-ch die Umlage der Einkommensteuer abhängig von der Einwohnerzahl. Diese ninunt in den Städten tendenziell mit sinkendem FK ab. Die Städte verlieren Einwohner und Einnahmen und sind gezwungen, zur Finanzierung des öffentlichen Angebotes ihre eigenen Finanzquellen stärker auszuschöpfen, was ggf. zu einer weiteren Erhöhung der Kosten des Wohnens in der Stadt führt. Die hier dargestellte Entscheidung betriffi: die Perspektive der Verkehrsteilnehmer. Die einzelnen Gebietskörperschaften betrachten den Verkehr aus zwei Blickwinkeln. Zum einen sehen sie seine Vorteile, vor allem für die Wirtschaft, zum anderen seine Nachteile in Form von Umweltschäden. Ländliche Bereiche mit einer relativ geringen Verkehrsdichte sehen eher die Vorteile des Individualverkehrs. Für solche Gemeinden besteht kein Grund, einen öffentlichen Verkehr zu fördern. Sie profitieren von der Zugänglichkeit der zentralen Orte mit privatem Pkw. Diese zentralen Orte jedoch leiden stark unter den dadw-ch entstehenden Umweltbelastungen. Diese Belastung wird von den Gemeinden meist dem Nutzen für die örtliche Wirtschaft gegenüber gestellt. Da man den Verkehr nun meist nicht verringern will, versuchen viele Städte, dw-ch eine Verlagerung des Verkehrs eine Entlastung zu erreichen. Diese Verlagerung geht vom motorisierten Individualverkehr hin zum Fußgängerverkehr, zum Radverkehr und zum öffentlichen Verkehr, die auch als Verkehre des Umweltverbundes bezeichnet werden. Der ÖPNV steht hier im Mittelpunkt. Wird die Verantwortung für den ÖPNV den Kreisen und Gemeinden zugeschrieben, ergeben sich bei den die kommunalen Grenzen überschreitenden Verkehren Probleme der Abstimmung zwischen den Gebietskörperschaften. Eine Lösungsmöglichkeit ist dabei die Bildung von ÖPNVKooperationen verschiedener Art. Bevor die Möglichkeiten der Zusammenarbeit dargestellt werden, ist jedoch erst zu präZisieren, was unter dem Begriff "ÖPNV" verstanden wird. 3. Abgrenzung des Öffentlichen Personennahverkehrs
Der Begriff "Öffentlicher Personennahverkehr" (ÖPNV) ist keine einheitlich definierte Größe23 . Obwohl er in Gesetzestexten verwendet wird2 \ gab es bis Ende 23
So auch Söffker (1987), S. 8.
24
A. Einführung
1993 keine Legalde:finition. Erst im Rahmen der Regionalisierung des ÖPNV wurde eine Änderung des § 8 Personenbefördenmgsgesetz (PBefG 93/96) beschlossen, die "ÖPNV" definiert25 . Diese Regelung tritt allerdings erst am 1.1.1996 in Kraft26 Die Begriffsbestimmung lautet: "Öffentlicher Personennahverkehr im Sinne dieses Gesetzes ist die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorortoder Regionalverkehr zu befriedigen.'m
Die folgende Konkretisienmg der Begriffsbestimmung bezieht sich auf die auch bei dieser Definition zugnmde liegenden Komponenten der Zugänglichkeit, der räumlichen Abgrenzung und des Befördenmgsobjektes. Insbesondere wird dabei auf die Komponente "öffentlich", die die Zugänglichkeil beschreibt, und die Komponente "Nahverkehr", die die räumliche Abgrenzung bildet, eingegangen28 . Der Bestandteil "Personen" wird dagegen nur kurz angesprochen.
a) Zugänglichkeil Die Zugänglichkeil des ÖPNV wird durch den Begriff "öffentlich" beschrieben. Dieser Begriff der Öffentlichkeit soll hier in Anlehnung an Giger abgegrenzt werden. Dabei wird die unsaubere Gegenüberstellung von öffentlichem Verkehr und Individualverkehr vermieden und statt dessen zwischen - der Zugänglichkeit des Verkehrsmittels und - der Form des Transportes29 unterschieden. Auf der Ebene der Zugänglichkeit lassen sich danach Öffentlicher Verkehr und Privatverkehr unterscheiden. Während der öffentliche Verkehr für jeden, derbestimmte Voraussetzungen erfüllt, zugänglich ist, können beim Privatverkehr0 nur bestimmte Gruppen teilnehmen. Vgl. z.B. § 2 Abs. I Nr. 2-4 GVFG. Vgl. Art. 6 Abs. 116 Nr. I EneuOG. 26 Art. 11 Abs. 2 EneuOG. 27 Art. 6 Abs. 116 Nr. 1 EneuOG. 28 V gl. Wiechers (1988), S. 16 ff. 29 Vgl. Giger (1991), S. 19. 30 Illetschko bezeichnet diesen "privaten Verkehr" als die ursprüngliche Form des Verkehrs; vgl. Illetschko (1959), S. 38. 24 25
25
Il. Begriffsabgrenzungen
Auf der zweiten Ebene, der Form des Transportes, stehen sich der Individualverkehr und der Kollektiwerkehr gegenüber. Hier gilt die Größe der Teilnehmergruppe als Abgrenzungskriterium, wobei die genaue Grenzziehung allerdings eine reine Frage der Definition ist. Giger nennt die Zahl von fünf transportierten Personen als Grenze zwischen Individual- und Kollektiwerkehr. Eine solche Abgrenzung kann sich jedoch nur auf die Anzahl der potentiell zu transportierenden Personen beziehen. Sicherlich lassen sich aber alle Formen des Verkehrs, bei denen individuelle Präferenzen der Fahrgäste nicht berücksichtigt werden, dem Kollektivverkehr zuordnen. Übersicht 3 Verkehrsarten nach Zugänglichkeif und Transportfonn Zugänglichkeit
öffentlich
privat
Linienverkehr mit Personenzügen, Straßenbahnen, Obussen und Kraftomnibussen
Sonderfahrten Sonderformen des Linienverkehrs
Taxi Anrufsammeltaxi Rufbus
privater PKW Mietwagen Fahrrad
Teilnehmerzahl kollektiv
individual
Ausfluj;~;s[ahrten
Quelle: Vgl. Giger (1991), S. 20.
Denkbar sind verschiedene Kombinationen aus beiden Kriterien, wie sie in Übersicht 3 dargestellt sind. Man sieht deutlich, daß zum öffentlichen Verkehr nicht nur Linienverkehr mit Zügen, Straßenbahnen, Oberleitungsbussen (Obussen) und Kraftomnibussen gehört, sondern auch der Taxi-Verkehr und in den letzten Jahren entwickelte Sonderformen wie das Anrufsanuneltaxi und der Rufbus. Dies sieht auch die Neufassung des§ 8 PBefG (93/96) vor, die Taxis und Mietwagen ebenfalls zum ÖPNV zählt, soweit sie den sonstigen ÖPNV31 ersetzen, ergänZen oder verdichten32 Mietwagen unterliegen allerdings nicht der Betriebs- und Beförderungspflichtl3 . Von der Form des Transportes her werden Taxis und Mietwagen aber zum Individualver31 Im Gesetzestext ist auf§ 8 Abs. 1 PBefG (93/96) verwiesen. Dies entspricht der auf S. 24 wiedergegeben Definition. 32 Vgl. Neufassung des§ 8 Abs. 1 PBefG (93/96). 33 Vgl. § 49 Abs. 4 PBefG.
26
A. Einführung
kehr gezählt. Damit wird deutlich, daß der häufig dargestellte Gegensatz von Individualverkehr, meist auch nur auf den Pkw-Verkehr eingeschränkt, und öffentlichem Verkehr begrifllich nicht sauber ist. Das Personenbeförderungsgesetz (PBefG) unterteilt den Verkehr in Linienverkehr und Gelegenheitsverkehr. Innerhalb dieser Verkehrsarten wird dann nochmals nach der Zugänglichkeil unterschieden. Der Linienverkehr wird dabei in den regulären Linienverkehr und in die Sonderformen des Linienverkehrs (§ 43 PBefG) unterteilt. Beim Gelegenheitsverkehr wird getrennt nach dem allen Personen offenstehenden Verkehr mit Taxen (§ 47 PBefG) sowie nach Ausflugsfahrten und Ferienziel-Reisen (§ 48 PBefG) und nach dem nicht-öffentlichen Verkehr mit Mietbussen und Mietwagen(§ 49 PBefG). In dieser Arbeit wird nur ein Teil dieses Spektrum betrachtet und zwar der in der Gliederung von Giger als Kollektivverkehr bezeichnete Teil des Öffentlichen Verkeimt Es handelt sich um das linke obere Feld der Übersicht 3. Dies entspricht dem Linienverkehr nach den Bestimmungen des Personenbeförderungsgesetzes, ohne die Sonderformen nach § 43 PBefG, da dort die Öffentlichkeit explizit ausgeschlossen ist.34 Der betrachtete Ausschnitt entspricht auch der Begriffsabgrenzung des ÖPNV in der Neufassung des § 8 Abs. I PBefG (93/96). b) Räumliche Abgrenzung
Problematischer erweist sich die räumliche Abgrenzung des ÖPNV. Es handelt sich bei dem Begriff ÖPNV um einen relativ neuen Terminus, während man früher von Orts- und Nachbarortsverkehr sprach35 . Eine klare räumliche Abgrenzung erlaubt dieser Begriffjedoch nicht. Die Neufassung des§ 8 PBefG (93/96) bezieht sich in der Formulierung auf die EG-Verordnung 1893/91 36 und schränkt den ö PNV auf die Beförderungen ein, "die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen•m. Diese Begriffe werden im Artikel I Absatz 2 der Verordnung definiert. Danach sind Stadt- und Vorortverkehrsdienst "der Betrieb von Verkehrsdiensten, die die Verkehrsbedürfnisse sowohl in einem Stadtgebiet oder einem Ballungsraum als auch zwischen einem Stadtgebiet oder einem Ballungsraum der unter Ausschluß anderer Fahrgäste ... ", § 43 Satz 1 PBefG. Vgl. Wiechers(l988),S. 17. Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 , S. 1-3. § 8 Abs. 1 PBefG (93/96); Art. 6 Abs. 116 EneuOG.
34 " ... 35 36 37
ll. Begriffsabgrenzungen
27
und seinem Umland befriedigen"- Regionalverkehrsdienste sind "der Betrieb von Verkehrsdiensten, um die Verkehrsbedürfuisse in einer Region zu be:friedigen"38 Statt sich auf diese Definition zu beschränken, fügt der § 8 Abs. I PBefG (93/96) zusätzliche Begrenzungen für Zweifelsfälle ein. Danach zählt ein Verkehr dann zum ÖPNV, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels - die gesamte Reiseweite 50 km oder - die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt. Die Begrenzung der Reisezeit ist neu. Hier fehlt es auch an einer gerraueren Bestimmung, was darunter zu verstehen ist, insbesondere ob auch Reisezeiten anderer Verkehrsmittel, nicht nur des ÖPNV, berücksichtigt werden. Die Ergänzung "gesamte" deutet daraufhin. Die Begrenzung auf eine Entfernung von 50 km hat jedoch in Deutschland Tradition. Sie wird zur Abgrenzung des ÖPNV für statistische Zwecke genauso verwendee9 wie für die Gewährung des ennäßigten Steuersatzes bei der Umsatzsteuer"0. Auch das Verkehrsfmanzgesetz benutzt zur räumlichen Abgrenzung des ÖPNV diese Grenze, wobei hier die Bemessungsgrundlage ebenfalls die Länge der Mehrzahl der Beförderungsfälle ist41 . Während das Umsatzsteuergesetz und das Verkehrsfmanzgesetz dabei jeweils von der Beförderungsstrecke sprechen, wird in der Neufassung des§ 8 Abs. 1 PBefG (93/96) auf eirunal von "gesamter Reiseweite" gesprochen. Damit wird ein neuer Begriff eingeführt, der nicht mit den Abgrenzungen der anderen Gesetze übereinstimmt. Nimmt man diese Begriffswahl ernst, so wird ÖPNV damit im Umsatzsteuergesetz und Verkehrsfmanzgesetz ( 1971) anders abgegrenzt als im Personenbeförderungsgesetz. Gründe für die Festlegung dieser Grenze auf 50 km lassen sich allerdings nicht finden. Die im Umsatzsteuergesetz festgelegte Beschränkung der Förderung auf Verkehre innerhalb von Gemeinden oder unter 50 km wurde während der Lesung des Gesetzes mit der Situation der Verkehrsverbunde begründet. Der Entwurf des Gesetzes hatte noch eine Begrenzung von 40 km vorgesehen. Welche Verbesserung für Verkehrsverbunde mit der Erhöhung der Grenze von 40 auf 50 km verbunden sein soll, wird aus der Begründung nicht klar42 • Auch ein Zusammenhang mit der Abgrenzung von Güternah- und Güterfernverkehr kann vermutet werden, da auch 38 39 40 41 42
Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 , S. l. So vom Statistischen Bundesamt ( 1988), S. 7. Vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 10 UstG. Vgl. § 1 Abs. 3 Verkehrsfinanzgesetz (1971). Vgl. Deutschland, Bundestag (1967), S. 4724.
28
A. Einführung
dort bis 1992 die Grenze bei 50 km lag43. In der Gesetzesbegründung fmdet sich dafur jedoch keine Bestätigung. Die 50 km Beschränkung scheint eine willkürliche Grenze zu sein, die aus Gründen der Praktikabilität gewählt wurde44 Im Busverkehr ist diese räumliche Einschränkung unproblematisch45 , da der Anteil des Busverkehrs über 50 km nach KONTIV 89 nur 3,65 % betrug46 . Für Straßenbahnen dürfte der Anteil noch geringer sein, da diese nur in Ballungsräumen eingesetzt werden. Für den Schienenverkehr der DB stellt das Statistische Bundesamt fest, daß "im Schienenverkehr der nichtbundeseigenen Eisenbahnen, dem SBahnverkehr sowie im Berufs- und Schülerverkehr der Deutschen Bundesbahn Personenbeförderungen über Reiseweiten von mehr als 50 km bisher nur in sehr geringem Ausmaß festgestellt" 47 werden. Damit ist allerdings eine Gleichsetzung von Nahverkehr mit dem "Berufs- und Schülerverkehr" impliziert, einem Bereich, der nur ca. ein Drittel des Gesamtverkehrs ausmacht. Er ist geringer als der Bereich des Freizeitverkehrs (ca. 35 %) und nicht viel größer als der Einkaufs- und Versorgungsverkehr (ca. 27 %t8 . Die Einschränkung auf 50 km kann jedoch auch bei diesen Verkehrszwecken akzeptiert werden, da beim Freizeitverkehr die Mehrzahl der Wege nicht länger als 3 km ist. Nur knapp 4% der Wege sind länger als 50 km49 Ähnliches gilt auch beim E inkaufs- und Versorgungsverkehr. Dort ist der Großteil der Wege sogar nicht länger als 2 km und weniger als 1 % sind über 50 km.50 Es fragt sich allerdings, warum eine Abgrenzung des Nahverkehrs vorgenommen wird, wenn der Anteil des Verkehrs, der nach diesen Defmitionen nicht Nahverkehr ist, sehr gering ist. Nachdem schon in der Neufassung des § 8 PBefG (93/96) die Begriffe der EGVerordnung 1893/91 übernommen wurden, wird nicht klar, warum in der Neufassung des Personenbeförderungsgesetzes ergänzend die Beschränkung der "Reiseweite" auf 50 km benutzt wird. Noch unklarer ist die Begrenzung der "gesamten Reisezeit" auf eine Stunde. Aus dem Gesetzestext ergeben sich keine Hinweise für 43 Vgl. § 2 Abs. 2 Güterkraftverkehrsgesetz. Die Kilometergrenze wurde durch Gesetz zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes vom 21.2.1992 (BGBI I S. 287) auf 75 km angehoben. 44 Zur Entstehungsgeschichte der UStG-Bestimmung siehe: Plückebaum/Malitzky ( 1991 ): Kommentar zu§ 12 Abs.2 UStG, RN 1404 f. 45 Vgl. Statistisches Bundesamt (1988), S. 7. 46 Emnid-lnstitut (o.J.b), S. 87. 47 Statistisches Bundesamt (1988), S. 7. 48 Alle Zahlen: vgl. Emnid-Institut (o.J.b), S. 67. 49 Eigene Berechnung auf Basis von Emnid-Institut (o.J.b), S. 103 ff. 50 Eigene Berechnung auf Basis von Emnid-Institut (o.J.b) S. 94 ff.
ill. Aufbau der Arbeit
29
eine Operationalisierung der beiden Kriterien. Ob diese Kriterien, die nur durch wnfangreiche empirische Erhebungen zu ermitteln sind, zur Klärung von Zweifelsfällen taugen, kann stark bezweifelt werden. Zudem bezieht sich die EG-Verordnung auf Unternehmen5 1, wohingegen sich die Neufassung des PBefG von "Beförderungen" spricht. Da die bisherigen Statistiken jedoch die 50 km-Grenze benutzen, wird diese Abgrenzung aber auch in dieser Arbeit zugrunde gelegt.
c) Abgrenzung des Beförderungsobjektes Ein letzter Aspekt ist der Begriff des "Personen-"verkehrs, der in der Literatur nicht behandelt wird. Personenverkehr kann als reiner Personenverkehr, wie in der Bundesrepublik die Regel, durchgeführt werden, oder als gemischter Verkehr mit Personen und Gütern. Letzteres bietet gerade für ländliche Gebiete eine auch kostenmäßig interessante Kombination. Dieser Aspekt ist für die Bedienung ländlicher Räume von besonderer Bedeutung, kannjedoch hier nicht weiter ausgeführt werden.
d) Abgrenzung des ÖPNV in dieser Arbeit Trotz vieler Bedenken wird in dieser Arbeit der ÖPNV als öffentlicher Linienverkehr mit Straßenbahnen, Kraftfahrzeugen und Obussen verstanden, wobei auch die räumliche Abgrenzung von 50 km übernommen wird. Jede andere Abgrenzung Wiirde zu weiteren Schwierigkeiten bei der Verwendung von empirischen Materialien führen, die nur durch größere eigene Erhebungen ausgeglichen werden könnten. Damit wird hier der Kernbereich der klassischen Nahverkehrsunternehmen betrachtet, der auch in der öffentlichen Diskussion im Mittelpunkt steht. Die Abgrenzung entspricht auch dem Geltungsbereich des Personenbeförderungsgesetzes. Andere Bereiche, die für die Nahverkehrsunternehmen ebenfalls von Bedeutung sein können, werden ausgeklammert. Dies trifft besonders auf die Sonderformen des Linienverkehrs sowie sonstige Leistungsbereiche, etwa die Fahrzeugwerbung, zu.
m. Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist in neun Kapitel gegliedert. Nachdem in diesem Kapitel in den Forschungsbereich eingeführt wurde, wird im folgenden Kapitel B der institutionelle Rahmen des ÖPNV dargestellt. Dazu werden als ökonomische Rahmenbedingun51
Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 S. I.
30
A. Einführung
gendie Marktverhältnisse sowohl im Verkehrsmarkt allgemein wie auch im speziellen für den ÖPNV analysiert. Zudem werden die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen der ÖPNV tätig ist, dargestellt. Einen wichtigen Punkt stellt dabei das bestehende Tarifrecht dar. Abschließend wird eine Zuordnung von politischer, fmanzieller und unternehmenscher Verantwortlichkeit für den ÖPNV vorgenommen. Damit wird zugleich die Untersuchungseinheit eingeschränkt. Das Kapitel C beschäftigt sich mit der Erfassung und Gliederung der Finanzströme, die dem ÖPNV-Bereich zufließen. Dazu werden verschiedene Ansätze zur Untergliederung, wie sie in anderen Untersuchungen verwendet wurden, vorgestellt. Da sich zeigt, daß diese Untergliederungen der hier verfolgten Sichtweise nicht gerecht werden, wird eine eigene Unterteilung der Einnahmeströme vorgenommen. Dazu wird eine Dreiteilung in Leistungseinnahmen, Subventionen und Zahlungen der Träger zugnmde gelegt, die auch die Grundlage des weiteren Vorgehens bildet. Die modellhafte Abbildung der einzelnen Finanzströme und die Besonderheiten ihrer Entwicklung bei der Bildung eines Verkehrsverbundes schließen das Kapitel ab. Die Kapitel D und E beschäftigen sich mit den Leistungseinnahmen der Verkehrsunternehmen. Im Kapitel D wird dargestellt, wie ein Verkehrsunternehmen seine Tari:fjJOlitik unter bestimmten Bedingungen optimieren kann. Dazu werden Annahmen getroffen, wie das entsprechende Zielsystem im ÖPNV aussehen könnte. Insbesondere wird dabei angenommen, daß versucht wird, die Absatzmenge in Form von beförderten Personen zu maximieren, wobei als Nebenbedingung ein festgelegter Ertrag zu erzielen ist. Dies wird vereinfachend als Absatzmaximierung bei Kostendeckung bezeichnet. Die "Kosten" entsprechen dabei dem Betrag, der noch durch Leistungseinnahmen zu decken ist. Subventionen und sonstige Leistungen, die den ÖPNV-Betreibern zufließen, sind dabei schon abgezogen. Die optimale Preissetzung wird nun sowohl für einen einheitlichen Preis wie auch für eine Preisdifferenzierung ennittelt. Im Gegensatz zum verbreiteten kostenbezogenen Vorgehen, orientieren sich die entwickelten Preisempfehlungen am Verhalten der Nachfrager. Dieser Preissetzung mit dem Ziel der Kostendeckung wird jeweils die Preissetzung eines gewinnmaximierenden Unternehmens gegenübergestellt. Abschließend werden die Ergebnisse der verschiedenen Preisstrategien an fiktiven Beispielen verdeutlicht. Da bei den Tarifen für bestimmte Personengruppen, insbesondere für Schüler und Schwerbehinderte, besondere rechtliche Beschränkungen bestehen, werden in Kapitel E die Auswirkungen dieser Regelungen auf die ÖPNV-Unternehmen unter-
ill. Aufbau der Arbeit
31
sucht. Grundlage dafür ist wiederum das in Kapitel D dargestellte Zielsystem. Es wird die Frage beantwortet, wie diese gesetzlichen Regelungen auf die Preissetzung eines Verkehrsunternehmens wirken, das sich, unter der Nebenbedingung der Kostendeckung, absatzmaximierend verhält. Zudem werden an wiederum fiktiven Beispielen die Auswirkungen der Regelungen auf den Preis und damit auf die Nachfrage nach den Leistungen des ÖPNV-Unternehmens deutlich gemacht. Vor allem bei der Beurteilung der Sonderregelungen für den Schülerverkehr kommt dabei dem Nachfrageverhalten eine besondere Bedeutung zu. Neben den Leistungseinnahmen bilden die Subventionen den zweiten Finanzstrom, der dem ÖPNV-Bereich zufließt. Diese werden in Kapitel F behandelt, wobei zu Beginn eine Abgrenzung des Begriffs "Subvention" vorgenommen werden muß. Danach wird ein der betriebswirtschaftliehen Perspektive adäquates Gliederungsschema fur Subventionen erstellt, anhand dessen die wichtigsten ÖPNV·Subventionen dargestellt werden. Es folgt eine Analyse der Auswirkungen von Subventionen auf die Preise und damit die Nachfragemengen bei einem Monopol des Verkehrsanbieters. Der letzte der drei Finanzströme, die Zahlungen des Trägers, wird in Kapitel G dargestellt. Schwerpunktmäßig wird dabei auf die Bedeutung von sog. "Quersubventionen" durch andere Wirtschaftszweige eines Unternehmens und die daraus resultierenden steuerlichen Auswirkungen eingegangen. Da sich insbesondere die Regelung der Trägerzahlungen durch das Regionalisierungsgesetz ändern wird, werden abschließend die ab 1996 geltenden Bestimmungen betrachtet. Nachdem bisher die verschiedenen Finanzströme analysiert und z.T. kritisiert wurden, werden in Kapitel H Maßnahmen entwickelt, die die fmanzielle Situation im ÖPNV verbessern könnten. Diese Maßnahmen werden dabei nach den Bereichen Institutioneller Rahmen, Leistungseinnahmen, Subventionen und Trägerzahlungen differenziert. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick, in dem die Realisierungschancen der entwickelten Vorschläge vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Situation beurteilt werden. An einigen Stellen wird in dieser Arbeit empirisches Material zur Situation des ÖPNV verwendet. Dies ist durch die jüngste historische Entwicklung jedoch mit Problemen behaftet. Durch die deutsche Wiedervereinigung lassen sich in vielen Bereich keine Zeitreihen mehr aufstellen, die weiter als bis 1990 gehen. Die Umstellungsphase in den neuen Bundesländern führt zudem bei neueren Statistiken, die das gesamte Bundesgebiet umfassen, zu Verfälschungen. Es werden daher nur Daten aus dem Bereich der alten Bundesländern verwendet. Erschwert wird die Situation
32
A. Einfiihrung
noch durch die Gtündung des Verbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) im Jahre 1990. Aus dem ehemaligen Verband öffentlicher Verkehrsunternehmen (VÖV) und dem Bundesverband der nichtbundeseigenen Eisenbahnen (BDE) entstand ein einheitlicher Verband, so daß dessen Zahlenreihen, auch wenn sie sich nur auf das alte Bundesgebiet beziehen, nicht mehr mit den Zahlen des VOV vergleichbar sind. Daher werden in der Arbeit Zeitreihen, soweit sie sich auf Daten des VDV bzw. VÖV beziehen, i.d.R. nur bis 1990 geführt. Bei Quersdmittsdarstellungen wurdenjedoch die aktuellen "West"-Werte verwendet.
B. Theoretische Grundlagen I. Verkehr als ein marktgesteuertes System 1. Probleme der Verkehrsmittelwahl
Beim Verkehr, der hier als Rawnüberwindung zwischen verschiedenen Orten verstanden wird, kann auf verschiedene Verkehrsmittel zurückgegriffen werden. Insbesondere lassen sich dabei das Zu-Fuß-Gehen, das Radfahren, der ÖPNV und der motorisierte Individualverkehr unterscheiden. Personen, die eine Ortsveränderung vornehmen möchten, sind dabei in der Rolle von Konswnenten. Diese können bei der Wahl des Verkehrsmittels frei aus dem bestehenden Angebot wählen. Da sie die Eigenschaften und Kosten der möglichen Verkehrsmittel zwischen den Orten A und B gegenüberstellen und ein ihren Präferenzen entsprechendes Verkehrsmittel wählen können, handelt es sich wn einen Markt im ökonomischen Sinne. Die konkurrierenden Produkte sind dabei die verschiedenen Verkehrsmittel. Die Wahl der Konswnenten richtet sich nach den wahrgenommenen Eigenschaften der Verkehrsmittel und nach ihren Präferenzen. Die Entscheidung zur Nutzung eines Verkehrsmittels oder einer bestimmten Kombination von Verkehrsmitteln schließt alle anderen Alternativen aus. Damit wird klar, daß der bis in die zweite Hälfte der achtziger Jahre feststellbare Nachfragerückgang im ÖPNV 1 nicht mit der Zunahme der Pkw zu begründen ist2. Da es sich wn die Wahl von Konswnenten handelt, ist die Ursache statt dessen in den Eigenschaften der Produkte und den Anforderungen der Konsumenten zu suchen. Das Produkt Pkw erscheint dem Konswnenten attraktiver als das Produkt ÖPNV und wird daher verstärkt nachgefragt. Zumindest in der Bundesrepublik gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, die die Wahl des Verkehrsmittels einschränken. Tatsächlich ist aber das zur Auswahl stehende Angebot meist doch beschränkt, zum einen aus objektiven Gründen, die entweder im gewünschten Weg oder in der Person des Konswnenten liegen, zwn anderen aus subjektiven Gründen.
1 2
Vgl. VDV (1993), S. 16. So aber die Meinung der Bundesregierung, vgl. Deutschland, Bundestag (1990), S. 8.
3 Grünendie
Überwiegend sonstiger Linienverkehr (ÜberlandLinienverkehr)
nurKraftonuübus(Kom)
in Städten mit in Städten 50000-100000 unter 50000 Einwohner Einwohner
Kreise und Gemeinden
, 1n einigen Bundesländern wird die Region anders abgegrenzt, so z.B. in Rheinland-Pfalz, wo es
eine Unterteilung in Städte über und unter 90.000 gibt; vgl. Fünfte Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die Festlegung von Kostensätzen (GVBI 1988, S. 256)
Quelle: Bidinger, Kommentar zu § 45a PBefG, Anm. 19 (S. 12).
Die bei der Berechnung der Kosten zu berücksichtigenden Bestandteile sind der Anlage zu§ 2 PBefAusglV zu entnelunen. Ohne hier auf die einzelnen Positionen genauer einzugehen, sollen doch einige Besonderheiten herausgestellt werden. So 12
Vgl. Bidinger (1971), Kommentar zu§ 45a PBefG, Anm. 13 (S. 9).
150
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
sind Konzessionsgebühren, die fur die Benutzung öffentlicher Straßen zu leisten sind, nicht mit anzusetzen. Zudem legt die Anlage auch fest, daß bei der Berechnung der kalkulatorischen Abschreibungen von den Anschaffungs- und Herstellungskosten auszugehen sei. Wiederbeschaffungskosten sind damit ausgeschlossen13 . Wurden fur ein Objekt Zuschüsse der öffentlichen Hand gewährt, so sind die Abschreibungen entsprechend zu mindern. Diese Vorschriften legen damit die anzusetzenden Werte fur die Berechnung der Abschreibungen wesentlich deutlicher fest als die Vorschriften fur die Genehmigung von Tarifen. Zudem sind bei der Berechnung der Kosten des Schülerverkehrs nur tariflich vereinbarte Löhne und Gehälter anzusetzen14• Da einige kalkulatorische Kostenpositionen, wie Einzelwagnisse, Unternehmergewinn und Wegeentgelte, im Gegensatz zur Kostenermittlung fur die Beförderungsentgelte nach§ 39 PBefG nicht angesetzt werden dürfen, folgert Bidinger, daß der Bundesrat damit "offenkundig zu niedrigeren Kosten mit entsprechenden Auswirkungen auf die Soli-Kostensätze gelangen" 1s wollte. Wie unterschiedlich die Kostensätze zwischen den einzelnen Bundesländern und den Unternehmergruppen Ende der achtziger Jahre waren, zeigt Übersicht 20. Zur Ermittlung der Personenkilometer werden die schon angesprochenen Angaben "verkaufte Fahrausweise", "Gültigkeitstage", "durchschnittliche F ahrtenhäufigkeit" und "durchschnittliche Reiseweite" benötigt. Auch die Ermittlung dieser Werte ist in der PBefAusglV festgelegt. Pauschalwerte sind dabei fur die Gültigkeitsdauer, die durchschnittliche Fahrtenhäufigkeit und die durchschnittliche Reiseweite vorgesehen. Die Anzahl der Gültigkeitstage fur einen Fahrausweis regelt§ 3 Abs. 2 PBefAusgl V. Sie betragen für eine Wochenkarte höchstens 6, fur eine Monatskarte höchsten 26 und fur eine Jahreskarte höchstens 240 Tage. Je Gültigkeitstag werden dabei, ebenfalls pauschal, 2,3 Fahrten angenommen. Auch die mittlere Reichweite einer Fahrt wird vorgegeben, wobei jedoch danach differenziert wird, ob überwiegend Orts- und Nachbarortslinienverkehr oder überwiegend sonstiger Linienverkehr (Überlandlinienverkehr) betrieben wird. Die pauschale mittlere Reichweite beträgt nach§ 3 Abs. 4 PBefAusglV im ersten FallS km und im zweiten Fall 8 km. Entscheidend fur die Einordnung ist der Anteil des Vgl. Bidinger (1971), Kommentar zu§ 2 PBefAusgiV, Anm. 3 (S. 2). Vgl. Anlage zu§ 2 PBefAusgiV Nr. 3b. Es bleibt allerdings unklar, welcher Tarifvertrag gemeint ist und wie z.B. ein Firmentarifvertrag zu werten wäre. 15 Bidinger (1971), Kommentar zu§ 2 PBefAusgiV, Anm.3 ( S. 2). 13 14
I. Ausgleichsleistungen fllr den Schülerverkehr
151
Übersicht 20
Kostensitze beim Ausgleich nach § 45a PBefG Bundesland
(Soll-)Kostensatzje Personenkilometer in DPf Gruppe
Gültig ab
Baden-Württemberg
01.01.88
47,0
Bayern
01.01.89
37,9
Berlin
01.01.88
44,0
Bremen (Bremerbaven)
01.01.87 01.01.87
33,3 37,0
Harnburg
01.01.87
31,32
Hessen
01.01.86
Niedersachsen
27,7
27,7
27,7
25,0
32,8
25,0
18,3
-
-
-
-
45,7
-
41,6
23,8
18,4
01.01.87
40,0
32,7
24,8
25,3
18,0
Nordrhein-Westfalen
01.01.88
39,6
29,6
25,0
25,0
18,8
Rheinland-Pfalz
01.01.89
-
34,0
28,4
18,7
Saarland
01.01.87
-
-
32,0
26,0
23,0
Schleswig-Holstein
01.01.89 bis 7km ab7km
-
-
-
-
-
18,7
Bund
01.01.89
-
33,45 33,90
-
33,90
23,83
Quelle: nach Bidinger, Kommentar zu § 45a PBefG, S. lOb f.
dominierenden Verkehrs an der vom Unternehmen erbrachten Gesamtleistung, die in Zug- Wld Wagenkilometern gemessen wird. Führt ein Unternehmer sowohl Ortsund Nachbarortslinienverkehr wie auch sonstigen Linienverkehr durch, so ist der Bereich relevant, in dem die überwiegende Betriebsleistung erbracht wird. Die höhere pauschalierte Entfernung im Überlandlinienverkehr wird allerdings durch die i.d.R. niedrigeren Sollkostensätze ausgeglichen. Die PBefAusglV läßt in Ausnahmefällen die Möglichkeit zu, die pauschalierten Werte für die Anzahl der Fahrten Wld die mittlere Reichweite durch tatsächlich nachgewiesene Werte zu ersetzen. Allerdings müssen diese nach § 3 PBefAusgl V die pauschalierten Werte um mindestens 25 % über- oder Wlterschreiten. Dieser Nachweis kann zu GWlsten des Unternehmens, aber auch zu GWlsten der zahlungspflichtigen Ausgleichsbehörde geführt werden. Allerdings hat auch derjenige, der vom individuellen Ausgleich profitiert, die entsprechenden Daten zu sammeln. So
152
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
kann die Ausgleichsbehörde insbesondere von den Verkehrsunterndunen nicht die Durchführung einer Verkehrszählung verlangen 16. Durch diese Preisvorschriften für den Schülerverkehr wird das gesamte Preissystem des ÖPNV beeinflußt. Im folgenden soll dies anhand des in Kapitel 4 erarbeiteten Modells gezeigt werden. Es wird wiederum davon ausgegangen, daß die Unternehmen einen bestimmten Betrag, der hier vereinfachend als Kosten bezeichnet wird, durch die Einnahmen erwirtschaften sollen. 2. Preisbestimmung mit Schülerfahrkarten
Im folgenden wird die Preisbestimmung unter Berücksichtigung der Sonderbestimmungen fur Schülerfahrkarten untersucht. Da diese Sonderbestimmungen nur für Zeitfahrkarten gelten, werden nur diese betrachtet. Ausgangspunkt ist eine Situation mit zwei Fahrgastgruppen. Dies sind zum einen die "normalen" Fahrgäste, für die keine rechtlichen Beschränkungen bei der Preissetzung bestehen. Zum anderen ist es die Gruppe der "Schüler", die ermäßigte Fahrkarte erhalten. Eine Ausgleichszahlung AZ für die Ermäßigung erfolgt nach den Regeln des § 45a PBefG, also in Höhe von 50% der Differenz zwischen den Einnahmen aus dem Schülerverkehr und den durchschnittlichen Kosten (DKS) dieses Verkehrs. Die Ausgleichszahlung AZ läßt sich dann als (108)
Al· xs
(DKS-
2
p~
ermitteln. Wie (I 08) zeigt, ist sie abhängig von dem Unterschiedsbetrag zwischen den durchschnittlichen Kosten des Schülerverkehrs DKS und dem Preis der Schülerfahrkarten Ps· Von dieser (positiven) Differenz wird für jeden verkauften Fahrausweis x. entsprechend den Vorschriften des § 45a PBefG die Hälfte erstattet. Weiterhin gilt, daß die gesamten Einnahmen, die sich aus den Erlösen für die Normalfahrkarten ~, den Erlösen für die Schülerfahrkarten E8 und den Ausgleichszahlungen Az zusammensetzen, die Kosten decken sollen. Diese Kosten werden hier als ein fixer Betrag gesehen.
16
Vgl. Bidinger(l 971),Kommentarzu § 3 PBefAusglV, Anm. 18 f. ( S. 8 f.).
153
I. Ausgleichsleistungen flir den Schülerverkehr (109)
Die Erträge ergeben sich als Produkt des jeweiligen Preises p mit der Menge x, so daß sich (I 09) als (II 0) schreiben läßt. (110)
Es wird nun vorausgesetzt, daß die Nachfragefunktionen sowohl für die normalen Fahrgäste wie auch fiir die Schüler bekannt sind. Die Mengen urid die Erträge lassen sich damit als (111).
bzw.
und (112)
bzw.
bestimmen. Durch das Einsetzen von (111) und (112) in (11 0) erhält man (113). As Ps - Pi
(113)
bs
A - Ps (DKS -
• ~
2
P~
\\eiter soll der Preis der Schülerfahrkarten p 5 in einem bestimmten Verhältnis zum Preis der anderen Fahrkarten PN stehen, so daß die Beziehm1gen Ps • R " PN
(114)
b
zw.
ß
R
Ps • "PN
gelten. Dieser Zusammenhang läßt sich nWl in (113) einsetzen, womit sich in der Gleichm1g nur noch eine Unbekannte, nämlich p 1, befmdet. K
(115)
=
AN PN - P;
As PPN - (ppN)1
bN
bs
A - PPN (DKS - PPN)
bs
2
154
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Durch zerlegen und umstellen kann ( 115) nach ( 118) umgeformt werden.
(116)
(117)
K.
p: (.:!bN _....!!:_) • PN( AN • AsP _ p DKS) 2 bs bN 2 bs 2 b 8
(118)
A 8 DKS
·~
Dieser Ausdruck läßt sich nun gleich Null setzen und als quadratische Gleichung nach PN auflösen.
(119)
0.
p;
(.:!- L) • bN
2 bs
AsDKS •---K 2 b8
PN(AN • AsP bN 2 bs
p D.KS) 2 bs
I. Ausgleichsleistungen für den Schülerverkehr
155
(120) AsDKS
---K
~ ~ b;- ihs) Da annahmegemäß alle Variablen außer dem Preis PN bekannt sind, läßt sich nun mit Hilfe von (120) sowohl der Preis für die Fahrausweise der "normalen" Fahrgäste, wie auch, durch den Zusammenhang ( 114), der Preis für die Schülerfahrkarten bestimmen. 3. Auswirkung in typischen Situationen
Aus der Gleichung (120) lassen sich die Auswirkungen der besonderen Regelungen für den Schülerverkehr auf die Preise der einzelnen Gruppen und die Nachfrage nicht direkt ablesen. Die Auswirkungen sind stark von den konkret zugrundegelegten Nachfragefunktionen abhängig. Daher sollen im folgenden mögliche Auswirkungen der Regelungen für den Schülerverkehr anband zweier konkreter Beispiele aufgezeigt werden. Die beiden Fälle unterscheiden sich dabei insbesondere durch die angenonunenen Verläufe der Nachfragefunktionen. Im ersten Fall führt dies dazu, daß der Preis für die Schülerkarten bei nachfrageorientierter Preisdifferenzierung unter dem Preis für die regulären Fahrkarten liegt. Im zweiten Fallliegt er dagegen über dem Preis von Normalfahrkarten. Die Kosten werden, da es sich um eine kurzfristige Betrachtung handelt, als fix angesehen und ändern sich mit der Höhe der Nachfrage nicht. Es gelten nun folgende Grundannahmen:
156
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Übersicht 21
Grundannahmen zur Preisbildung mit Schülerkarten 600.000,-
Kosten (K)
0,75
relativer Preis der Schülerfahrkarten (ß)
52,00
Durchschnittliche Kosten des Schülerverkehrs (DKS)
DerFaktor ß gibt dabei das Verhältnis der Preise für Schülerkarten zu Normalfahrkarten wieder. Bei den durchschnittlichen Kosten des Schülerverkehrs handelt es sich wn die fur eine Schülerfahrkarte angesetzten pauschalen Kosten, wie sie sich nach den Verordnungen zu § 45a PBefG ergeben. Bei allen hier verwendeten Werten handelt es sich wn fiktive Größen. Dies gilt insbesondere für die Daten der N achfragefunktionen. Ihre Auswahl geschah bewußt so, daß bestimmte Effekte auftreten. Empirische Untersuchungen zu den Nachfragefunktionen von einzelnen Nutzergruppen liegen bisher nicht vor. a) Fall/: Schülerpreis unter Normalpreis
aa) Veränderung gegenüber einer nachfrageorientierten Preispolitik
Im ersten Fall wird von folgenden Preis-Absatz-Funktionen ausgegangen: Normalzahler
pN •
180 - 0,03
Schaler
Ps
120 - 0,01 x 8
=
XN
Mit Hilfe dieser Angaben lassen sich nun die Preise für beide Fahrgastgruppen, wieder unter der Nebenbedingung der Kostendeckung, bilden. Diese Preise und die entsprechenden Nachfragemengen und Erlöse sind in der folgenden Tabelle dargestellt. Dabei wurden unter a) die Preise unter alleiniger Berücksichtigung der nachfrageorientierten Preisdifferenzierung17 und unter b) die Preise entsprechend den geltenden rechtlichen Regelungen, also entsprechend Gleichung (120), ermittelt18.
17 Vgl. Kapitel D .I.2.b). 18 Die Preise wurden aufzwei Stellen hinter dem Komma gerundet; alle anderen Werte
wurden auf ganze Zahlen gerundet.
I. Ausgleichsleistungen für den Schülerverkehr
157
Übersicht 22
Ergebnisse der Preisberechnung im FaU I Situation b)
Situation a) Preis der normalen Fahrkarte
75,00
57,21
Preis der Schülerfahrkarte
45,00
42,91
Erlöse "normal"
262.500
234.170
Erlöse "Schüler"
337.500
330.796
-
35.034
Fahrausweise "normal"
3.500
4.093
Fahrausweise "Schüler"
7.500
7.709
11 .000
11 .802
Aus~leichszahlun~en
Fahrausweise gesamt Erläuterungen: Situation a): Situation b):
nachfrageorientierte Preisbildung Preisbildung unter Berücksichtigung der rechtlichen Regelungen fllr den Schülerverkehr mit einem festen Verhältnis der Preise zueinander und mit Ausgleichszahlungen
Bei einer rein an dem Verlauf der Nachfragefunktion orientierten PreisbildWig (Spalte a)) liegt der Preis der Schülerrahrkarten erheblich Witer dem Preis der normalen Fahrkarten. In einer solchen Situation wäre eine besondere FörderWig der Schülerrahrkarten gar nicht notwendig. Die in der ForderWig nach ermäßigten Schüleifahrkarten 19 zrnn Ausdruck kommende BeachtWig des Gemeinwohls ist dort allein durch die Preisdi:fferenzierWig schon erfüllt. Werden in dieser Situation die RegelWigen für den Schülerverkehr angewendet, so ergeben sich die Preise in Spalte b). Dabei ist sofort sichtbar, daß der Preis für die normale Fahrkarte erheblich sinkt. Die Schülerrahrkarten, obwohl gerade sie gefördert werden sollen, verbilligen sich nur geringfügig. Entsprechend sind auch die AuswirkWlgen auf die Fahrgastzahlen. In der Situation b) ist die Zahl der Fahrgäste insgesamt zwar um mehr als 800 Personen gewachsen, doch kommt dieses Wachstum zum größten Teil aus der Gruppe der
19
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.3. 1984, S. 105 ff.
158
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Normalzahler. Die Anzahl der Schülerkarten steigt nur um ca. 210 Stück, während fast 600 normale Fahrkarten mehr verkauft werden. Dieses Ergebnis überrascht nicht, sondern war durch die Preisdi.Jferenzen schon zu erwarten. Der im Vergleich erheblich niedrigere Preis für die Normalzahler führt zu einer entsprechend höheren Nachfrage, während sich die Preise und damit die Absatzmengen im Schülerverkehr nur wenig ändern. Die besonderen Preisvorschriften für Schüler in Verbindung mit den Ausgleichszahlungen in Höhe von 35.034,- GE haben damit nur geringe Auswirkungen auf den Preis und die Nachfrage im Schülerverkehr. Gefördert wird in diesem Beispiel hauptsächlich der "normale" Fahrgast. Die Vorschrift, daß Schülerfahrkarten um ca. 25% ermäßigt werden müssen, führt hier also zu einem nicht beabsichtigten Ergebrus.
Die betrachteten Sonderregelungen für den Schülerverkehr bestehen eigentlich aus zwei Komponenten, zum einen aus den Ausgleichszahlungen und zum anderen aus dem festgelegten Preisverhältnis. Es ist möglich, die Auswirkungen dieser beiden Regelungen getrennt voneinander zu analysieren. Zuerst sollen die Auswirkungen allein von Ausgleichszahlungen und anschließend die Wirkungen von festen Preisverhältnissen untersucht werden. Beides erfolgt wieder anband der oben dargestellten Beispieldaten.
bb) Isolierte Analyse der Wirkungen der Ausgleichszahlungen Bei den Ausgleichszahlungen wird nun angenommen, daß diese nicht mehr an die Verminderung der Preise für Schülerfahrkarten gebunden sind. Die Zahlung, hier in Höhe von 35.034,- GE, fließt pauschal an das Verkehrsunternehmen. Der Zuschuß senkt dann direkt die zu deckenden Kosten. Legt das Unternehmen nun seine Preise unter der Berücksichtigung einer Preisdifferenzierung in Normalfahrkarten und Schülerfahrkarten fest (Situation c)), so liegt der Preis für Schülerfahrkarten niedriger als bei der Anwendung der rechtlichen Regelungen (Situation b)). Diese Karten würden noch 37,91 GE kosten, der normale Fahrausweis dagegen 67,91 GE. Insgesamt führt dies zu höheren Fahrgastzahlen von insgesamt 11.945 Personen. Die Anzahl der verkauften Schülerkarten liegt nun um fast 500 Stück höher als bei Situation b). Dafür ist die Zahl der normalen Fahrgäste allerdings gesunken. Auch die Höhe der als Erstattungsgrundlage dienenden durchschnittlichen Kosten des Schülerverkehrs (DKS) hat eine Auswirkung auf die Preise und die Nachfrage.
159
I. Ausgleichsleistungen fllr den Schülerverkehr
In der folgenden Übersicht sind die Preise und die Nachfragemengen bei DKS von 52,00 GE und von 50,00 GE im Vergleich dargestellt. Übersicht 23 Ergebnisse im FaU I bei Zahlung eines aUgemeinen Zuschusses Situation c)
Situation b) Preis "nonnal"
57,21
67,91
Preis "Schüler"
42,91
37,91
Fahrausweise "nonnal"
4 .093
3.736
Fahrausweise "Schüler"
7.709
8.206
11.802
11.945
Fahrausweise gesamt Erläuterungen: Situation b): Situation c):
Preisbildung unter Berücksichtigung der rechtlichen Regelungen fllr den Schülerverkehr mit einem festen Verhältnis der Preise zueinander und mit Ausgleichszahlungen nachfrageorientierte Preisbildung unter Annahme eines allgemeinen Zuschusses in Höhe der Ausgleichszahlungen
Die Verminderung der Berechmmgsgrundlage für den Ausgleich führt zu höheren Preisen und geringerer Nachfrage in beiden Fahrgastgruppen. Der Nachfragerückgang bei den Schülerfahrkarten fällt dabei deutlich größer aus als bei den "normaÜbersicht 24 Ergebnisse bei Variation der Bemessungsgrundlage für FaU I DKS = 52,00
DKS = 50,00
Preis "nonnal"
57,21
63,66
Preis "Schüler"
42,91
47,74
Fahrausweise "nonnal"
4.093
3.878
Fahrausweise "Schüler"
7 .709
7.226
11.802
1l.l04
Fahrausweise gesamt
Erläuterung DKS: Durchschnittliche Kosten des Schülerverkehrs (Bemessungsgrundlage fllr die Ausgleichszahlungen)
160
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Jen" Fahrgästen. Mit einem Preis von 47,74 GE und einer Nachfragemenge von 7.226 Fahrgästen werden trotz Ausgleichszahlungen in Höhe von 8.153 GE sogar weniger Schülerfahrkarten verkauft als bei einer reinen nachfrageorientierten Preisdifferenzierung ohne Ausgleichszahlungen. cc) Isolierte Analyse der Auswirkungen des festen Preisverhältnisses Neben den Auswirkungen der Ausgleichszahlungen kann auch die Reaktion von Preisen und Nachfrage auf das vorgeschriebene Preisverhältnis untersucht werden. Dazu wird unterstellt, daß zwar ein festes Verhältnis der Preise zueinander vorgegeben ist, jedoch keine Ausgleichszahlungen gewährt werden (Situation d). Die Preise im Schülerverkehr sind in diesem Fall höher als bei einer nachfrageorientierten Preisdifferenzierung. Statt 45,00 GE kostet die Schülerkarte dann 49,55 GE. Entsprechend niedriger ist auch mit 7045 Personen die Nachfrage. Der Preis der "normalen" Fahrkarte ist auch in diesem Fall mit 66,07 GE niedriger als bei der Preisdifferenzierung. Insgesamt wäre die Anzahl der Fahrgäste geringer als bei der nachfrageorientierten Preisdifferenzierung und als bei der Gewährung von Ausgleichszahlungen. Die Vorgabe eines festen Verhältnisses der Preise zueinander wirkt, zumindest in diesem Beispiel, zielwertmindernd. Übersicht 25 Ergebnisse im FaD I bei ausschließlicher Berücksichtigung eines festen Preisverhältnisses Situation a)
Situation d)
Preis "normal"
75,00
66,07
Preis "Schüler"
45,00
49,55
Fahrausweise "normal"
3.500
3.798
Fahrausweise "Schüler"
7.500
7.045
Fahrausweise gesamt
11000
10843
Erläuterungen: Situation a): Situation d):
nachfrageorientierte Preisbildung Preisbildung unter Berücksichtigung eines festen Preisverhältnisses der Schülerkarten zu den Normalkarten von 0,75
I. Ausgleichsleistungen fllr den Schülerverkehr
161
Insgesamt fuhrt die Bewteilung der Sonderregelungen für den Schülerverkehr im Fall I zu dem Ergebnis, daß dort auch ohne Sonderregelungen schon sehr günstige Preise fur Schülerfahrkarten gefordert würden. Eine Festlegung des Preisverhältnisses ohne Ausgleichszahlung würde die Situation sogar verschlechtern und zu höheren Preisen bei Schülerkarten führen. Die Ausgleichszahlungen kommen im Fall I weniger den Schülern zugute als vielmehr den anderen Fahrgästen. Noch wirksamer, im Sinne einer Förderung der Nachfrage, wäre die Gewährung eines Zuschusses ohne die Festlegung der relativen Preishöhe von Schülerkarten. Es muß allerdings auch erwähnt werden, daß die Gesamtnachfrage bei allen betrachteten Preissetzungsalternativen höher ist als bei der Wahl eines Einheitspreises. Dieser würde hier 60,00 GE betragen. Trotz der vorgenommenen Einschränkungen zeigt sich auch hier, daß eine Preisdifferenzierung zu besseren Ergebnissen führt.
b) Fall ll: Schülerpreis über Normalpreis aa) Veränderung gegenüber einer nachfrageorientierten Preispolitik Im folgenden wird nun eine Situation betrachtet, in der bei nachfrageorientierter Preisgestaltung der Preis fur Schülerfahrkarten über dem Preis für Normalfahrkarten liegt. Dabei wird von folgenden Preis-Absatzfunktionen ausgegangen:
Normalzahler
pN •
Schaler
Ps • 200 - 0,03 x 8
180 - 0,02 xN
Weiterhin werden die gleichen Kosten und Ausgleichszahlungen wie im Fall I zugrunde gelegt (vgl. S. 155). Damit ergibt sich in diesem Fall II ein nachfrageorientierter Preis für die normale Fahrkarte von 49,26 GE und ein Preis für die Schülerfahrkarte von 59,26 GE. Diese Preissetzung würde die Gesamtnachfrage maximieren und gleichzeitig die Kosten decken. Auch für diesen Fall II sind die wichtigsten Ergebnisse in der folgenden Tabelle zusanunengefaßt, wobei wiederum unter a) die Ergebnisse einer rein nachfrageorientierten Preisbildung und unter b) die Ergebnisse bei einer Preisbildung unter Berücksichtigung der Sonderregelungen für Schüler angegeben sind. Wie im Fall I wird dabei ebenfalls von einem Verhältnis der Schülerkarte zur Normalfahrkarte von 0,75 sowie von 52,00 GE als durchschnittliche Kosten für die Schülerbeförderung (DKS) ausgegangen.
II Grünendieeie
162
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Übersicht 26 Ergebnisse der Preisberechnung im FaD ß Situation b)
Situation a) Preis der normalen Fahrkarte
49,26
57,28
Preis der Schülerfahrkarte
59,26
42,96
Erlöse "normal"
322.000
351.460
Erlöse "Schüler"
278.000
224.873
-
23.667
Fahrausweise "normal"
6.537
6.136
Fahrausweise "Schüler"
4 .691
5.235
11.229
11.371
Ausgleichzahlungen
Fahrausweise gesamt Erläuterungen: Situation a): Situation b):
nachfrageorientierte Preisbildung Preisbildung unter Berücksichtigung der rechtlichen Regelungen f\ir den Schülerverkehr mit einem festen Verhältnis der Preise zueinander und mit Ausgleichszahlungen
In diesem Beispiel tritt nun das ein, was auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil implizit unterstellt hae0 Der Preis für die Schülerfahrkarte sinkt erheblich. Gleichzeitig steigt der Preis für die normale Fahrkarte an. Hieran zeigt sich die interne Subventionierung des Schülerverkehrs durch die anderen Fahrgäste. Diese zahlen mehr, als sie bei einer nachfrageorientierten Preisbildung oder einem Einheitspreis zahlen müßten. Die Preisverschiebungen spiegeln sich dann auch in der Zahl der verkauften Fahrausweise wider. Während die Nachfrage nach normalen Fahrkarten um etwa 400 Einheiten sinkt, steigt die Zahl der verkauften Schülerfahrkarten um ca. 540 Stück an. Dies macht sich insgesamt in einer um gut 140 Fahrgäste erhöhten Gesamtnachfrage bemerkbar.
20
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.3.1984, S. 105 ff.
163
I. Ausgleichsleistungen für den Schülerverkehr
bb) Isolierte Analyse der Wirkungen der Ausgleichszahlungen Die Nachfrageerhöhung in Situation b) wird durch die gewährten Ausgleichszahlungen in Höhe von 23.667 GE bewirkt. Versucht man nun, die Auswirkungen dieser Ausgleichszahlung getrennt zu analysieren, so kann man die Ergebnisse einer Preisbildung unter Beachtung der rechtlichen Regeln (Situation b )) vergleichen mit den Ergebnissen einer nachfrageorientierten Preisbestirnmung, bei der ein allgemeiner Zuschuß in Höhe der Ausgleichszahlungen geleistet wird (Situation c)). Dabei ergeben sich die in der folgenden Übersicht 27 dargestellten Werte. Die Unterschiede bei den Preisen dieser beiden Alternativen sind erheblich, die Gesamtnachfragemengen unterscheiden sich dagegen nur gering. Wie auch im Fall I ist die Gesamtnachfrage bei einem Zuschuß und gleichzeitig rein nachfrageorientierter Preisdifferenzierung (Situation c)) am höchsten. Diesmal ist dabei der Wert fiir den als förderwürdig erachteten Schülerverkehr mit nur 4.803 Fahrgäste erheblich schlechter als in der Alternative mit einem festgelegten Preisverhältnis (Situation b)). Dort werden 5.235 Schülerfahrkarten verkauft. Die Gesamtnachfrage ist allerdings auch in diesem Fall wieder bei einer nachfrageorientierten Preisdifferenzierung am höchsten. Bei den bisherigen Annalunen fuhrten die Regelungen fur den Schülerverkehr im Fall II zwar zu einer massiven Verschiebung der Nachfrage zwischen den einzelnen Übersicht 27 Ergebnisse im FaD II bei Zahlung eines aUgemeinen Zuschusses Situation b)
Situation c)
Preis "normal"
57,28
45,91
Preis "Schüler"
42,96
55,91
Fahrausweise "normal"
6.136
6.705
Fahrausweise "Schüler"
5.235
4.803
11.371
11.508
Fahrausweise gesamt Erläuterungen: Situation b): Situation c):
11*
Preisbildung unter Berücksichtigung der rechtlichen Regelungen flir den Schülerverkehr mit einem festen Verhältnis der Preise zueinander und mit Ausgleichszahlungen nachfrageorientierte Preisbildung unter Annahme eines allgemeinen Zuschusses in Höhe der Ausgleichszahlungen
164
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Gruppen, die Gesamtnachfrage stieg jedoch. Für diesen Effekt ist auch die Höhe der durchschnittlichen Kosten, die für die Berechnung der Ausgleichszahlungen zugrunde gelegt wird, verantwortlich. Die bisherige Annahme von 52 GE liegt knapp über den durchschnittlichen Kosten21 von 50,08 GE bei Preisdifferenzierung. Wie im Abschnitt E.I.l erläutert wurde, ergibt sich bei der Ermittlung des Kostensatzes nach § 45a PBefG jedoch ein relativ niedriger Wert. Geht man daher von einem Wert für die durchschnittlichen Kosten von 50 GE aus, so verändert sich das Gesamtbild. Nun ist, trotzeiner Ausgleichszahlung von 15.761 GE, die Gesamtnachfrage mit 11.273 Personen nur geringfügig höher als bei einer reinen Preisdifferenzierung mit 11.229 Personen. Übersicht 28 Ergebnisse bei Variation der Bemessungsgrundlage für FaU ß DKS = 50,00
DKS = 52,00 Preis "normal"
57,28
58,59
Preis "Schüler"
42,96
43,94
Fahrausweise "normal"
6.136
6.071
Fahrausweise "Schüler"
5.235
5.202
11.371
11.273
Fahrausweise gesamt
Erläuterung DKS: Durchschnittliche Kosten des Schülerverkehrs (Bemessungsgrundlage für die Ausgleichszahlungen)
Insgesamt läßt sich der Fall II so beurteilen, daß hier die Regelungen für den Schülerverkehr zumindest zum Teil die beabsichtigte Wirkung erzielen. Die Preise für die Schülerfahrkarten werden erheblich vermindert, was zu einer entsprechenden Nachfragewirkung in dieser Fahrgastgruppe führt. Nachteilig wirkt sich diese Regelung allerdings für die normalen Fahrgäste aus. Diese müssen nun höhere Preise bezahlen. Entsprechend geht hier die Nachfrage zurück. Wie sich die Regelung auf die Nachfrage insgesamt auswirkt, hängt dabei auch stark von der Höhe der Ausgleichsbemessungsgrundlage ab. Je höher diese ist, desto höher ist auch die Gesamtnachfrage. 21 Dieser durchschnittlichen Kosten ergeben sich durch die Division der Gesamtkosten des Verkehrs durch die Gesamtzahl der Fahrausweise.
I. Ausgleichsleistungen ftlr den Schülerverkehr
165
4. Venninderung der Kostentragfähigkeit durch Schülerfahrkarten
Derzeit sind ÖPNV-Unternehmen nur selten in der Lage, ihre Gesamtkosten tatsächlich aus den Fahrgeldeiimahmen zu decken. Daher ist es wichtig zu beurteilen, wie rechtliche RegelWigen die Möglichkeiten zur Kostendeckung beeinträchtigen. Die Nachfragefunktionen bestimmen dabei den maximalen Erlös eines ÖPNV-Unternehmens. Bis maximal zu dieser Höhe kann es die Kosten tragen. Es wird daher hier von "Kostentragfähigkeit" gesprochen. Durch die rechtlichen RegelWigen wird diese Kostentragfähigkeit jedoch beeinflußt. In den beiden betrachteten Fällen lagen die Kostenjeweils so niedrig, daß eine Kostendeckung sowohl bei PreisdifferenziefWlg wie auch bei der SonderregelWig für den Schülerverkehr möglich war. NWI wird angenommen, daß diese Kosten, beispielhaft am Fall II dargestellt, steigen, ohne daß sich die Nachfragefunktionen verschieben. Gesucht sind die Preise, bei denen die maximalen Erlöse erzielt werden. Diese entsprechen den maximaJ tragbaren Kosten. Es wird dabei auch weiterhin Witerstellt, daß die Kosten fix sind Wld nicht mit der Absatzmenge variieren. Die maximalen Erlöse bei einer Preissetzung mit Hilfe einer nachfrageorientierten PreisdifferenziefWlg lassen sich relativ einfach ermitteln. Dazu ist in jeder Fahrgastgruppe das Erlösmaximum zu bestimmen. Bei den im Fall II gegebenen Nachfragefunktionen ergibt sich dabei ein maximaler Gesamterlös von 738.300 GE22 bei einer Gesamtnachfrage von 7.833 Fahrkarten. Nun wird die Situation des Fall II Witer der Armahme, daß die RegelWigen für den Schülerverkehr gelten, betrachtet. Es ist ein festes Verhältnis von Schülerkarten zu Normalfahrkarten von 0,75 vorgegeben und es werden Ausgleichszahlungen entsprechend den RegelWigen des § 45a PBefG geleistet. Die Höhe der maximalen Erlöse und damit der maximalen Kosten läßt sich hier allerdings nicht so einfach bestimmen, sondern es sind, je nach Höhe der ErstattWlgsgfWldlage DKS, zwei Situationen zu Witerscheiden. So können die durchschnittlichen Kosten des Schülerverkehrs so hoch sein, daß selbst beim sehr hohen Preis im Erlösmaximum noch ein Ausgleich gezahlt wurde. Dann wäre das Erlösmaximum nach GleichWig ( 120) zu bestimmen. Dabei WUrde ebenfalls wieder der PWlkt gesucht, bei dem diese GleichWig nur eine Lösung hat, der Wurzelausdruck also gleich Null WÜrde. Unter den hier gemachten Armahmen 22 Dies ergibt sich aus dem erlösmaximalen Preise von 90,00 GE ftir den normalen Fahrgast und I00,00 GE für Schüler sowie den entsprechenden Nachfragemengen von 4500 Normalfahrkarten und 3333 Schülerfahrkarten.
166
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
scheidet diese LöSilllgsmöglichkeit jedoch aus, da der Durchsclmittskostensatz DKS weit unter dem zu fordernden Preis für die Schülerkarten liegt. Es erfolgt damit keine Ausgleichszahlung und die Formel aus ( 120) ist nicht mehr anwendbar3 . Sind die durchsclmittlichen Kosten DKS dagegen niedriger als der Preis für Schülerfahrkarten, wird kein Ausgleich mehr gezahlt. Es gilt nur noch, daß zwischen dem Preis filr die Schülerkarte und dem Normalpreis ein bestimmtes Verhältnis ß, hier 0,75, bestehen muß. In diesem Fall können die maximalen Kosten, die gleich der maximalen Erlöse sind, aus Gleichung ( 115) abgeleitet werden. Da keine Ausgleichszahlungen geleistet werden, vereinfacht sich der Ausdruck zu ( 121) (121)
(122)
Dies wird umgestellt und danach der maximale Wert von E ermittelt, indem zuerst die erste Ableitung nach PN gebildet wird. (123)
Die Gleichung (123) wird nun gleich 0 gesetzt und nach PN aufgelöst.
(124)
AN
2pN
AsP
2pNpl
bN
bN
bs
bs
0----·----
(125) 23 Würde sie trotzdem benutzt, so ergebe sich eine negative Ausgleichszahlung, die vom Verkehrsunternehmen abfließen würde.
167
I. Ausgleichsleistungen fllr den Schülerverkehr
(126)
(127)
(128)
Mit Hilfe dieses PN lassen sich nun sowohl Ps wie auch die entsprechenden Nachfragemenge xN und x8 bestimmen. Setzt man die Daten aus dem Fall li ein, so ergibt sich für den maximalen Ertrag ein Wert von 712.727 GE. Dieses entspricht den maximalen Kosten, die bei den gegebenen Nachfragefunktionen und dem festgelegten Verhältnis von Schüler- und Normalpreisen getragen werden können. Dabei würden noch 8.031 Fahrausweise verkauft. Wie Übersicht 29 zeigt, fuhrt das festgelegte Verhältnis der Fahrpreise dazu, daß die fmanzielle Belastungsgrenze des Unternehmens früher erreicht ist als bei nachfrageorientierter Preisdifferenzierung. Übersicht 29 Maximale Erlöse und Fahrgastzahlen nachfrageorientierte Preispolitik
festes Verhältnis der Preise
738.300
712.727
Fahrausweise
7.833
8.031
Preis "normal"
90,00
101,82
Preis "Schüler"
100,00
73,36
maximaler Erlös
Bemerkenswert ist, daß der Preis für die normale Fahrkarte mit I 0 l ,82 GE über dem erlösmaximalen Preis dieser Gruppe liegt. Dieser wurde 90 GE betragen. Eine Preissenkung auf diesen Preis könnte die Erlöse in der Gruppe der Normalzahler erhöhen. Damit wurde zwar das Verhältnis zu den Schülerfahrkarten durchbrachen, der absolute Preis der Schülerfahrkarten wurde jedoch aufrecht erhalten. Durch die Aufhebung des strengen Verhältnisses der Preise zueinander könnte so eine Fahrgastgruppe besser gestellt werden, ohne daß eine andere Gruppe schlechter gestellt
168
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
würde. Es entstände sogar noch ein Gewinn beim Unternehmen, da die Erlöse nilll die Kosten übersteigen. Diese zusätzlichen Erlöse bei den Normalfahrkarten könnten zur Unterstützilllg der Schülerfahrkarten eingesetzt werden. Geht man von den Kosten in Höhe von 712.272 GE aus, die bei einem festen Preisverhältnis maximal zu erwirtschaften wären, so würde die Schülerkarte dann anstatt 76,36 GE nur noch 72,28 GE kosten. Das Preisverhältnis von Schüler- zu Normalfahrkarten betrüge zwar nur noch 0,80, doch sind die absoluten Preise, trotz gleicher Höhe der Kosten bzw. der Erlöse, in beiden Fahrgastgruppen niedriger. Eine Aufhebilllg der strengen BindWlg würde in diesem Fall zu einer Pareto-optimalen Lösilllg führen, d.h. einer Lösilllg, bei der alle Gruppen besser gestellt wären als vorher. 5. Zusammenfassende Beurteilung und Kritik von Schülerkarten
Vergleicht man nilll die Ergebnisse aus beiden Fällen, so zeigt sich, daß eine generelle Aussage zur Wtrkung der Sonderregelilllgen für Schülerkarten schwerfällt Ob die Nachfragergruppe "Schüler" durch diese Regelilllg tatsächlich gefördert wird, hängt stark vom Verlauf der jeweiligen Nachfragefunktionen ab. Eher schon läßt sich sagen, daß in einem bestimmten Rahmen eine Nivelliefilllg der Tarife stattfindet Wld damit die Preisilllterschiede zwischen den beiden Nachfragergruppen geringer werden. Von diesem Prozeß profitiert besonders die Gruppe, die bei nachfrageorientierter Preispolitik den höheren Preis zu zahlen hätte. Die Sonderregelilllg für Schüler wirkt damit mehr als eine Fördefilllg von Fahrgästen, die eine besonders hohe Zahlilllgsbereitschaft haben, Wld dies Wlabhängig davon, ob sie Schüler sind oder nicht. Liegen die tatsächlichen Kosten Wld das Erlösmaximum dicht beieinander, so kann eine Aufhebilllg des starren Preisverhältnisses sogar dazu führen, daß für beide Fahrgastgruppen günstigere Preise gelten. Insgesamt ist damit nicht sichergestellt, daß diese sozialpolitisch begründete Sonderregelilllg für Schüler wirklich ihre Zielgruppe erreicht. Vergleicht man diesen Ausgleich nilll mit den Annahmen des Bundesverwaltilllgsgerichts, so fallen aus betriebswirtschaftlicher Sicht einige Unterschiede auf Bedeutend ist dabei, daß nicht 50% der Einnahmeausfälle ausgeglichen werden24, sondern 50% der Differenz zwischen den tatsächlichen Einnahmen Wld den pauschal ermittelten Kosten des Schülerverkehrs. Zur Ermittlilllg der Einnahme24
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23.3.84, S. 106.
I. Ausgleichsleistungen für den Schülerverkehr
169
ausfälle müßten ansonsten bestimmte Annahmen über den Preis und die Nachfrage ohne den regulierenden Eingriff gemacht werden. Der Preis der Schülerkarten könnte dabei, wie in den Beispielen gezeigt, bei einer nachfrageorientierten Betrachtung auch über dem Preis für Zeitkarten von anderen Fahrgastgruppen liegen. Besonders kritisch ist die Regelung zu den Schülerzeitkarten unter dem Aspekt der Lastenverteilung zwischen dem öffentlichen Haushalt und einzelnen Bevölkerungsgruppen zu sehen. Da der Preis der Schülerkarten unabhängig davon ist, wer den Preis zahlt25 , führt die Regelung dazu, daß bei größeren Entfernungen auch die Länder als Schulträger von den ermäßigten Tarifen profitieren. Nach den Schulgesetzen der Länder übernehmen diese z.B. ab einer Entfernung von 4 km zwischen Wohnort und Schule die Kosten für die Schülerzeitkarten26 . Diese sind jedoch im Preis ermäßigt und werden, zumindest zum Teil, von den übrigen ÖPNV-Benutzern mitfinanziert. Dies führt im Endeffekt dazu, daß den Bundesländern aus sozialen Grtinden eine Vergünstigung eingeräumt wird, die von nur einer kleinen Gruppe der Bürger, nämlich den "normalen" ÖPNV-Benutzern, fmanziert wird. Da hier eine staatliche Aufgabe von einer begrenzten Personengruppen fmanziert wird, kann von einer "Sondersteuer" für die ÖPNV-Benutzer gesprochen werden. Diese Regelung erscheint daher sowohl verkehrs- wie auch sozialpolitisch als ein Weg in die falsche Richtung. Gerade sozial schwache Bevölkerungsschichten sind verstärkt auf den ÖPNV angewiesen. Das ausgerechnet sie zur Entlastung der Länderhaushalte beitragen sollen, ist als willkürlich anzusehen. Sicherlich hat dies aber nichts mit Gemeinwohl zu tun. Ebensowenig ist die jetzige Regelung verkehrspolitisch sinnvoll. Geht man davon aus, daß im Rahmen der Verkehrspolitik versucht werden soll, den Verkehr vom motorisierten Individualverkehr auf den ÖPNV umzulenken, wirkt die Regelung kontraproduktiv, da damit eine sozialpolitische Maßnahme gerade von der Bevölkerungsgruppe fmanziert wird, die sich in erwünschter Weise verhält. Für Verkehrsunternehmen ist durch den nur teilweisen Ausgleich der Fehlbeträge der Anreiz, einen Linienverkehr fiir Schüler zu unterhalten oder einzurichten, gering. Viel reizvoller erscheint es dagegen für ein Unternehmen, einen freigestellten Schülerverkehr zu betreiben, der nur für die Fahrten von Schülern von und zur
Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.1.79. Vgl. § 56 Abs. 2 und Abs. 4 Schulgesetz Rheinland-Pfalz. Für Grundschüler gilt eine Grenze von 2 km. 25
26
170
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Unterrichtsstätte freigegeben ist27 . Dieser Schülerverkehr wird im Auftrag des Schulträgers durchgeführt und ist von diesem yoll zu bezahlen. Da es hier keinen Zwang zu "Sozialtarifen" gibt, entstehen dem Verkehrsunternehmen dadurch keine Verluste. Dementsprechend ist der freigestellte Schülerverkehr auch eine Domäne der privaten Verkehrsunternehmen, die im Jahre 1987 ca. 2,4 Mrd. Personenkilometer in diesem Verkehr leisteten, aber nur 3,25 Mrd. Kilometer im Linienverkehr. Kommunale und gemischte Verkehrsunternehmen leisteten dagegen zwar 23,4 Mrd. Personenkilometer im Linienverkehr, aber nur 0,4 Mrd. Personenkilometer im freigestellten Schülerverkebf28 . Insgesamt zeigt sich jedoch, daß die Anzahl der Fahrgäste in diesem Verkehr seit 1980 ständig zurückgeht29, wobei die Ursache dafür vermutlich im Rückgang der Schüler- und Studentenzahlen liegt30 Das Ausweichen der Schulträger und der Unternehmen auf den freigestellten Schülerverkehr wird dann besonders problematisch, wenn der Schülerverkehr den Hauptteil des ÖPNV ausmacht. Besonders in ländlichen Gebieten werden viele ÖPNV-Verbindungen hauptsächlich von Schülern benutzt. Wird der Linienverkehr nun in einen freigestellten Schülerverkehr umgewandelt, so fällt auch die letzte ÖPNV-Möglichkeit für die noch verbliebenen Restnutzer wegl 1. Die Kritik an den Regelungen für die Schülerzeitkarten ist allerdings im Hinblick auf die Praxis zu relativieren. Betrachtet man die Entwicklung der Fahrausweise in den letzten Jahren, so kommt man zu einem überraschenden Ergebnis. Die Pflicht zur Ermäßigung und den Ausgleich gibt es nur bei Zeitkarten. In diesem Bereich sind jedoch unter dem Schlagwort "Umweltkarten" in den letzten Jahren häufig sehr preisgünstige Angebote für den normalen ÖPNV-Benutzer entstanden. Diese Karten bilden die Grundlage filr die Ermäßigung der Schülerkarten. Vergleicht man nun die Preise, so liegen Schülerkarten tatsächlich etwa 20 - 25% unter den Preisen für normale Zeitkarten. Dies gilt jedoch nicht mehr, wenn man die Ausgleichszahlungen berücksichtigt. Für Monatskarten im Schülerverkehr können nach§ 3 Abs. 2 PBefA.usglV pauschal
27 Nach § 1 Nr. 4 Buchstabe d Freistellungsverordnung ist der Verkehr mit Kraftfahrzeugen durch oder für den Schulträger zum und vom Unterricht von den Vorschriften des Personenbeförderungsgesetzes befreit. 28 Statistisches Bundesamt (1988), S. 17 ff.; vgl. auch Deutschland, Bundesregierung (1992), S. 5. 29 Vgl. VDV(l993), S. 17. 30 Vgl. VDV (1992X!), S. 8. 31 Vgl. Deutschland, Bundesregierung (1989), S. 5.
I. Ausgleichsleistungen für den Schülerverkehr 26 Tage :r 2,3 Fahrten Monat Tag
=
171
59,& Fahrten Monat
angesetzt werden. Geht man von einem städtischen Verkehr aus, so wird nach § 5 Abs. 4 PBefA.usglV pro Fahrt eine Länge von 5 km angesetzt. Insgesamt werden damit für die Berechnung der durchschnittlichen Kosten des Schülerverkehrs 299 km zugrunde gelegt. Nimmt man beispielsweise den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR), so lassen sich die Ausgleichszahlungen für 1994 folgendermaßen berechnen: Preis der Schülerkarte: Durchschnittliche Kosten des Schülerverkehrs pro km: Durchschnittliche Kosten pro Schülerfahrkarte : Ausgleichsbetrag: Einnahmen pro Schülermonatskarte insgesamt
52,00 DM12 0,443 DM13 132,46 DM 40,23 DM 92,23 DM
Damit erhalten die Unternehmen des VRR für eine Schülermonatskarte insgesamt Einnahmen in Höhe von 92,23 DM. Eine vergleichbare Fahrkarte für normale Fahrgäste, die im Gegensatz zur Schülerfahrkarte auch noch übertragbar ist, kostet dagegen nur 69,00 DM. Obwohl der Preis der Schülerfahrkarte auch hier ca. 25% unter dem normalen Preis liegt, sind die Gesamteinnahmen aus dem Schülerverkehr um etwa ein Drittel höher als bei normalen Fahrgästen. Es läßt sich vermuten, daß die Situation im Verkehrsverbund Rhein-Ruhr keinen Einzelfall darstellt. Damit scheinen die Einnahmen aus dem Schülerverkehr in vielen Fällen die normalen Einnahmen erheblich zu übersteigen. Aus der Sicht der Verkehrsunternehmen ist dies positiv zu bewerten. Ihre Einnahmesituation wird verbessert, und Teile der normalen Fahrkarten werden durch die Ausgleichszahlungen mitfmanziert. Zu hinterfragen ist in den Fällen, wo die Einnahmen der Schülerfahrkarten einschließlich der Ausgleichszahlungen den Preis der Normalfahrkarten übersteigen, allerdings das Verhalten der Genehmigungsbehörde bzw. der für die Ausgleichszahlungen zuständigen Stellen. Unter dem Mantel des Ausgleichs gemeinnütziger Leistungen fließt hier eine versteckte Subvention an den ÖPNV. Nicht diese Subvention ist dabei zu kritisieren, sondern deren verdeckte Gewährung. Eine Subvention aus verkehrs- und umweltpolitischen Gründen kann ja durchaus gerechtfertigt sein. Sie sollte dann jedoch auch als solche ersichtlich werden. 32 33
Vgl. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (1994). Vgl. Kostensatzverordnung Personenbeförderungsgesetz Nordrhein-Westfalen.
172
E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
Ein weiterer Kritikpunkt betriffi: die Schülerfahrkarten, die vom Schulträger bezahlt werden. Der Schulträger zahlt beispielsweise beim VRR nur den Preis für die Schülerkarte in Höhe von 52,00 DM. Häufig ist dieser Schulträger jedoch das Land. Und das gleiche Land, aber ein anderes Ministerium, zahlt nun die Ausgleichsleistungen. Insgesamt entstehen damit Kosten von 92,23 DM pro vom Land bezahlter Schülerfahrkarte. Würde der Schulträger statt dessen die normalen Monatskarten kaufen, könnte das Land pro Monat und Karte 23,23 DM oder 25,2% sparen. Insgesamt weisen damit die Regelungen für die Schülerkarten eine Reihe von theoretischen und praktischen Problemen auf. Im Rahmen der Regionalisierung und der damit verbundenen Umgestaltung des Finanzierungssystems besteht die Chance, diesen Bereich neu zu regeln. Wichtig wäre dabei auch eine Reform des § 45a PBefG, die vom Bund durchgeführt werden müßte.
ll. Beförderung von Schwerbehinderten 1. Rechtliebe Grundlagen der Sonderregelungen für Schwerbehinderte
Neben den Schülern sind Schwerbehinderte eine weitere Personengruppe, für die besondere Regelungen im ÖPNV gelten. Schwerbehinderte und, soweit diese einer ständigen Begleitung bedürfen, auch deren Begleiter erhalten unter bestimmten Bedingungen Freifahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln. Grundlage für diese Regelung ist§ 59 Schwerbehindertengesetz (SchwbG), der auch die Anspruchsvoraussetzungen im einzelnen regelt. Konkrete Voraussetzung zur unentgeltlichen Beförderung ist seit dem 1.4.1984 zudem eine Wertmarke auf dem Schwerbehindertenausweis. Diese Wertmarke kostet seither 120,- DM für ein ganzes bzw. 60,- DM für ein halbes Jahr4 und wird von der zuständigen Behörde nach § 4 Abs. 2 SchwbG ausgestellt. In Ausnahmefällen wie z.B. bei Blinden, hilflosen Personen oder Empfängern von Arbeitslosen- und Sozialhilfe kann dieser Betrag auf Antrag erlassen werden35 . Der Gültigkeitsbereich der unentgeltlichen Beförderung ist in § 61 SchwbG geregelt. Die Beförderung des berechtigten Personenkreises erfolgt in Straßenbahnen und Obussen sowie in Kraftfahrzeugen des Linienverkehrs auf Linien, bei denen die Mehrzahl der Beförderungen eine Strecke von 50 km nicht übersteigt, ohne 34 Der Erwerb einer Wertmarke für ein halbes Jahr ist seit dem 1.10.1985 möglich. Vgl. Neumann/Pahlen. (1992): Kommentar zu § 59 SchwbG, RN 8a (S. 562 f.). 35 Vgl. § 54 Abs. I SchwbG.
ll. Beförderung von Schwerbehinderten
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Entgelt. Zudem gilt die Befreiung auch für den Nahverkehr der Eisenbahnen. Dabei ist dieBeförderunginS-Bahnen grundsätzlich frei. Für Nahverkehrs-, Eil-, D- und Interregio-Züge der Deutschen Bundesbahn gilt jedoch eine Beschränkung auf einen Umkreis von 50 km wn den Wohnort der Schwerbehinderten36. Dieser Bereich wird durch ein zum Schwerbehinderten-Ausweis gehöriges Streckenverzeichnis nachgewiesen37 . Der Eisenbahnverkehr in Verkehrsverbunden ist von dieser Beschränkung jedoch ausgenommen. Die Einnahmen aus den Wertmarken fließen dem Bund und den Ländern im Verhältnis ihrer Aufwendungen zu38 . Die Aufteilung ist dabei in den §§ 65 und 66 SchwbG geregelt. Da der Bund für bestimmte Schwerbehinderte, nämlich Kriegsund Wehrdienstbeschädigte, Personen, deren Versorgung sich nach dem Bundesversorgungsgesetz richtet, und Opfer des Nationalsozialismus, die Aufwendungen alleine trägt39, fallen ihm auch die Einnahmen aus der Abgabe der Wertmarken an diese Personengruppen voll zu. Von den restlichen Einnahmen erhält der Bund einen bundeseinheitlichen Anteil, der sich nach dem Anteil des Bundes an den restlichen Gesamtaufwendungen richtet. 2. Vorschriften für die Erstattung bei Schwerbehindertenfreifahrten
Die Verkehrsunternehmen erhalten für diese freie Beförderung von Schwerbehinderten eine Erstattung der Fahrgeldausfälle nach Maßgabe der §§ 62 bis 64 SchwbG. Die Erstattung erfolgt dabei nach einer Formel, die § 62 Abs. 4 SchwbG enthält: " ... Bei der Berechnung des Vomhundertsatzes ist von folgenden Zahlen auszugehen: 1. der Zahl der in dem Land in dem betreffenden Kaiendeijahr ausgegebenen Wertmarken zuzüglich 20 vom Hundert und der Zahl der in dem Land am Jahresende in Umlauf befindlichen gültigen Ausweise im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 von Schwerbehinderten, die das 6. Lebensjahr vollendet haben und bei denen die Notwendigkeit einer ständigen Begleitung im Ausweis eingetragen ist; ... , 2 . der in denjährlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes zum Ende des Vmjahres nachgewiesenen Zahl der Wohnbevölkerung in dem Land abzüglich der Zahl
36 37 38 39
Vgl. § 61 Abs. 1 Nr. 5 SchwbG. Vgl. Poppe-Bahr (1992), Kommentar zu§ 61 SchwbG, RN 6 (S. 1426). Vgl. Wiechers (1988), S. 89. Vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 2 SchwbG.
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E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften der Kinder, die das 6. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und der Zahlen nach Nummer 1.
Der Vomhundertsatz ist nach folgender Formel zu berechnen:
Nach Nummer 1 errechnete Zahl Nach Nummer 2 errechnete Zahl
•
100
:•40
Diese Fonnel ist relativ einfach, fuhrt dadurch aber auch zu einer sehr tmgenauen Zurechntmg. Elemente der Formel sind: - die Zahl der in einem Btmdesland ausgegebenen Wertmarken, - die Anzahl der Behinderten, die einer ständigen Begleittmg bedürfen, - die Zahl der Wohnbevölkertmg des Btmdeslandes über 6 Jahren tmd - die Fahrgeldeinnahmen des Verkehrstmternehmens. Es wird unterstellt, daß ein Freifahrtberechtigter den ÖPNV wn 20 % mehr nutzt als der Durchschnitt der Bevölkertmg über 6 Jahren. DieErmittltmg des Vomhundertsatzes soll an einem Beispiel41 dargestellt werden. Es liegen folgende Werte zugrtmde: Wohnbevölkertmg: Kinder tmter 6 Jahren: Ausgegebene Wertmarken: Ausweise mit der Notwendigkeit ständiger Begleittmg:
12.300.000 2.000.000 240.000 12.000
Die Berechntmgsgrtmdlage nach § 62 Abs. 4 Nr. 1 SchwbG ergibt sich: ausgegebene Wertmarken
+ +
20% Aufschlag
240.000 48.000
Ausweise mit der Notwendigkeit der ständigen Beg1eittmg
12.000
Zahl nach Nummer 1
300.000
§ 62 Abs. 4 SchwbG. Beispiel nach Poppe-Bahr (1992), Kommentar zu§ 59 SchwbG, RN 11 (S. 1430). Das Ergebnis der Berechnung mit 3,33% ist dort allerdings falsch, da ihr ein offensichtlicher Rechenfehler unterläuft. 40
41
li. Beförderung von Schwerbehinderten
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Für die Berechnung der Zahl nach Nummer 2 werden nun von der Wohnbevölkerung die Zahl der Kinder unter 6 Jahren, also 2.000.000, und die Zahl nach Nurruner I, also 300.000, abgezogen. Damit ergibt sich eine Zahl nach Nurruner 2 von genau 10.000.000. Setzt man dies in die Formel des§ 64 Abs. 4 SchwbG ein, so ergibt sich ein Prozentsatz von JOO.OOO • 100 • 3,Wo . 10.000.000
Bemerkenswert erscheint hierbei, daß bei der Berechnung der Zahl nach Nr. 2 nicht nur die Zahl der ausgegebenen Wertmarken, also der Freifahrtberechtigten abgezogen wird, sondern der um 20% erhöhte Satz. Zudem werden auch die Begleiter abgezogen, die ja auch zur sonstigen Bevölkerung gehören. Damit wird die Zahl nach Nr. 2 niedriger gehalten als die tatsächliche nicht-freifahrtberechtigte Bevölkerung über 6 Jahren. Die Ausgleichszahlungen werden dadurch geringfügig erhöht. Grob scheint ein Zusammenhang derart unterstellt zu werden, daß der Anteil der Freifahrtberechtigten an der Wohnbevölkerung über 6 Jahren, erhöht um ca. 20%, dem Anteil der Freifahrtberechtigten an den ÖPNV-Benutzern entspricht. Von diesem pauschalierten Satz kann allerdings abgewichen werden, wenn das Verkehrsunternelunen nachweist, daß der Anteil der nach dem Schwerbehindertengesetz unentgeltlich beförderten Fahrgäste den errechneten Vomhundertsatz um ein Drittel übersteigt42 Um den Erstattungsbetrag zu ermitteln, werden die nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen des Verkehrsunternehmens mit diesem landeseinheitlichen Vomhundertsatz multipliziert. Zu diesen "nachgewiesenen Fahrgeldeinnahmen" zählen laut§ 62 Abs. 2 SchwbG alle Erträge aus dem Fahrkartenverkauf zu genehmigten Beförderungsentgelten sowie die Erträge aus der Beförderung von Handgepäck, Krankenfahrstühlen, sonstigen orthopädischen Hilfsmitteln, Tieren sowie aus erhöhten Beförderungsentgelten, wie sie in der Regel bei "Schwarzfahrern" erhoben werden. Nicht zu diesen Einnahmen zählen damit allgemeine Zuschüsse und die Ausgleichszahlungen für den Schülerverkehr nach§ 45a PBefG43 Nun soll untersucht werden, wie ein Verkehrsunternehmen seine Preise setzen würde, wenn die Erstattungen für die Schwerbehindertenfreifahrten als fester Prozentsatz der sonstigen Einnalunen aus Fahrausweisen gezahlt würden. Dabei wird an 42 § 62 Abs. 5 SchwbG-, vgl. auch zur Notwendigkeit der Härteregelung BVerfU, Beschluß vom 17.10.1984, 1 BvL 18/82, S. 983 f.; vgl. Fromm (1984a), S. 649 f. 43 Vgl. Neumann I Pahlen, Kommentar zu§ 62 SchwbG, RN 3 (S. 575).
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E. Wirkungen spezieller Preisvorschriften
die theoretischen Untersuchungen und Modelle der vorhergehenden Kapitel angeknüpft. 3. Veränderungen in der Preissetzung durch die Sonderregelungen für Schwerbehinderte
Im folgenden sollen die Auswirkungen der Sonderregelungen für Schwerbehinderte in dem bisher verwendeten Modell zur Preisbildung aufgezeigt werden. Diese Sonderregelungen bestehen aus zwei Komponenten. Zum einen ist dies die freie Beförderung von Schwerbehinderten mit entsprechenden Ausweisen, für die die Unternehmen keine direkten Einnahmen erhalten. Die eigentlich aus dieser Fahrgastgruppe zu erwirtschaftenden Einnahmen entfallen damit. Zum anderen ist die Wirkung der pauschalen Ausgleichsleistung zu untersuchen, die den Unternehmen einen Betrag in Abhängigkeit von den sonstigen Einnahmen gewährt. Dabei besteht kein direkter Bezug zur tatsächlichen Nachfrage bzw. Nutzung des ÖPNV durch die Schwerbehinderten.
a) Fall I: ohne Berücksichtigung von Schülerkarten Als erstes kann nun untersucht werden, wie hoch bei einer reinen nachfrageorientierten Preissetzung die Preise und damit die Erträge der einzelnen Fahrgastgruppen wären. Unter der Annahme, daß die Nachfragefunktionen bekannt sind, kann dies mit Hilfe des im vierten Kapitel entwickelten Standardmodells erfolgen. Da die Schwerbehinderten nun allerdings keine direkten Entgelte zahlen, entfällt diese Einnahme für die Unternehmen. Ohne Ausgleichsregelung müßten die anderen Fahrgastgruppen diese Einnahmeausfälle mittragen. Dementsprechend wären dort die Fahrpreise höher und die Nachfrage geringer. Über die Nachfrageentwicklung bei den Schwerbehinderten ist keine einfache Aussage möglich. Diese müssen, wenn sie freifahrtberechtigt sind, nun nicht mehr für jede Fahrt ein Entgelt entrichten, sondern können den ÖPNV kostenlos nutzen. Zum Teil müssen sie dafür zwar eine jährliche Gebühr von 120,- DM entrichten, doch sind auch in diesem Fall fur sie die Grenzkosten einer ÖPNV-Fahrt gleich Null. Es läßt sich daher nur schwer sagen, wie hoch die tatsächliche Nutzung sein wird, insbesondere, wenn Teile der Berechtigten nicht die Vergünstigung in Anspruch nehmen. Dies kann der Fall sein, wenn die individuelle Nutzung des ÖPNV zum Normaltarifweniger als 120,- DM kostet. Zwar wird im folgenden angenommen, daß die Nachfragefunktion der Schwerbehinderten bekannt ist, doch ist die
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II. Bef