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German Pages 291 Year 1997
MARTIN BANSE
Die Analyse der Transformation der ungarischen Volkswirtschaft
Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen Band 23
Die Analyse der Transformation der ungarischen Volkswirtschaft Eine Empirische Allgemeine Gleichgewichtsanalyse unter besonderer Berücksichtigung des Agrarsektors und der Ernährungsindustrie
Von
Martin Banse
Duncker & Humblot · Berlin
Gefördert von der Volkswagen-Stiftung
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Banse, Martin:
Die Analyse der Transformation der ungarischen Volkswirtschaft : eine Empirische Allgemeine Gleichgewichtsanalyse unter besonderer Berücksichtigung des AgrarsektOfs und der Ernährungsindustrie I von Martin Banse. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zu internationalen Wirtschaftsfragen ; Bd. 23) Zug!.: Göttingen, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-09185-X
Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany
© 1997 Duncker &
ISSN 0720-6984 ISBN 3-428-09185-X Gedruckt auf alterungs beständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97060
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung.......................................................................................................
17
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
20
I. Wirtschaftliche Entwicklung Ungarns Iris Ende der 80er Jahre .............
20
11. Wirtschaftliche Entwicklung Ungarns während des Transformationsprozesses. ..... ..... ............... .............. .... ............. ................ ..... ........... ... .....
22
1. Makroökonomische Entwicklung ........... ............... ...........................
23
2. Entwicklung des Preisniveaus.................................. ..... ..... ..... ..... .....
30
3. Entwicklung des ungarischen Außenhandels....................................
32
4. Exkurs: Reform des statistischen Erhebungssystems........................
35
III. Ansätze für eine quantitative Allgemeine Gleichgewichtsanalyse .........
37
C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse .......................... ......
40
I. Grundprinzipien der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse.. ...................
40
11. Theoretische Struktur von EAG-Modellen................. .. ............. .. ... .. ......
43
III. Der typische Arbeitsablauf einer EAG-Analyse.....................................
47
IV. Stärken und Schwächen von EAG-Analysen .........................................
51
D. Die Datenbasis des EAG-Modells.................................................................
56
I. Die Social-Accounting Matrix (SAM) ...................................................
56
11. Zusammenstellung einer Datenbasis............... ....... ........... .....................
63
1. Sektorale Untergliederung.................... .......... ................ ............. .....
64
2. Die Faktornachfrage der Produktionssektoren ...... ........ ........ ...... ......
67
3. Die Vorleistungsnachfrage der Produktionssektoren ........................
70
4. Die Nachfrage des Staates und der privaten Haushalte............ ..... ....
71
5. Die gesamtwirtschaftliche Investitionsgüternachfrage......................
72
6. Das Exportangebot und die Importnachfrage....................................
76
6
Inhaltsverzeichnis
E. Entwicklung eines Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodells.... ..
78
I. Angebot und Faktornachfrage .............. ........ ............. ...... ........ .......... .....
78
11. Nachfrage der privaten Haushalte ............ ............ .......... .................. ......
81
III. Nachfrage nach Vorleistungsgütern .......................................................
83
IV. Nachfrage nach Investitionsgütern .........................................................
84
V. Aufuahme staatlicher Aktivitäten ...........................................................
86
VI. Aufnahme von Außenhandels beziehungen ...... ........ .......... .......... ..........
88
VII. Makroökonomische Gleichungen...........................................................
94
VIII. Zusammenfassende Darstellung des komparativ-statischen EAGModells...................................................................................................
96
IX. Kalibrierung des EAG-Modells..............................................................
102
I. Wahl der Elastizitätswerte.. ........ ............ ................ ...... .....................
103
a) Die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital..........
103
b) Die Wahl der Handelselastizitäten im EAG-Modell..................
106
2. Bestimmung der Parameter in den CES- bzw. CET-Funktionen ......
108
X. Funktionsweise des Modells: Beispie1-Simulationen in einer Version mit zwei Sektoren.... ...... ............................ ........ .......................
110
1. Erhöhung des Arbeitsangebotes .......... .......................... ....................
110
2.. Reaktion des EAG-Modells auf außenwirtschaftliche Änderungen..
117
F. Erweiterungen des EAG-Modells ................................................................
124
I. Allgemeine Erweiterungen des Standard-Modells .................................
125
I. Schätzung eines Gleichungssystems der privaten Nachfrage.... ........
126
a) Grundlegende Eigenschaften von Nachfragegleichungen..........
126
b) Das "Nahezu Ideale Nachfragesystem" (Almost Ideal Demand System) ....... ..... .............. ......................... ...................................
128
c) Eigenschaften des linear approximierten AIDS-Modells...........
130
d) Ökonometrische Schätzung des LNAIDS.................................
132
e) Die Einbeziehung des geschätzten Nachfragesystems im EAGModell .......................................................................................
137
2. Dynamisierung des EAG-Modells ....................................................
141
11. Spezielle Erweiterungen des Standard-Modells .....................................
153
Inhaltsverzeichnis
7
I. Einbeziehung unvollkommenen Wettbewerbs..................................
155
2. Einbeziehung von Teilaspekten des strukturellen Wandels im Agrarsektor .......................................................................................
158
3. Aufteilung der Handelsbeziehungen in Ländergruppen....................
161
G. Szenarioanalyse ...................................................................................:.........
168
1. Basislauf.... ..... ............ .......... ..... ............. ..... ................... ........................
168
II. Simulationsszenarien und ihre Ergebnisse .............................................
186
I. Abbau der Preisaufschläge (mark-ups) .............................................
187
a) Beschreibung des Szenarios.................... .............. .............. .......
187
b) Darstellung der Ergebnisse............ .......... .............. ....................
189
2. Übergang zur Entlohnung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte nach ihrem Wertgrenzprodukt..........................................................
197
a) Beschreibung des Szenarios............ .......... .................................
198
b) Darstellung der Ergebnisse .................... ...................... ..............
198
3. Abbau der sektoralen Lohn- und Renditedifferenzen ................ .......
203
4. Kombination der Läufe 1, 2 und 3 .... .......... ............. .........................
206
5. Auswirkungen des Assoziierungsabkommens mit der EU................
217
a) Beschreibung der Szenarien .......................... ...... .......... .............
218
b) Darstellung der Ergebnisse........................................................
222
III. Sensitivitätsanalyse. ................................. ..................... ..........................
231
IV. Diskussion der Simulationsergebnisse ...................................................
234
H. Zusammenfassung.........................................................................................
242
Literaturverzeichnis................................... ............................ ........ ....................
246
Anhang............................ ....................................................................................
255
Stich wortverzeichnis ................ .. ........................................................................
288
Tabellenverzeichnis Tab. B.I:
VelWendung des Bruttoinlandsprodukts in Ungarn ..........................
23
Tab. B.2:
Anteile der ElWerbstätigen nach Wirtschaftsbereichen .....................
27
Tab. 8.3:
Anteile der Wirtschaftsbereiche am Bruttoinlandsprodukt zu laufenden Preisen .............................................................................
28
Tab. D.I:
Anteile der Sektoren an der Gesamtproduktion, den Importen und Exporten in der Basisperiode.. ............ ........................ ............. ..........
66
Tab. D.2:
Aufteilung des Bruttoinlandsprodukts der einzelnen Sektoren in der Basisperiode ......................................................................................
68
Tab. D.3: Einsatz von Arbeitskräften und Höhe der sektoralen Kapitalstöcke in der Basisperiode .......................................................... .................
69
Tab. D.4:
Vorleistungsnachfrage der einzelnen Sektoren in der Basisperiode in Mrd. Ft .................. ...................... ................................. .................
70
Tab. D.5:
Staatliche und private Güternachfrage in der Basisperiode ...............
71
Tab. D.6: Zusammensetzung der gesamtwirtschaftlichen Investitionsgüternachfrage nach Herkunft in der Basisperiode....................................
72
Tab. D.7:
Adjustierte Werte der heimischen Endnachfrage nach Gütern (Bereinigung der Lagerbestandsänderungen) ....................................
74
Tab. D.8:
Verteilung der Anlageinvestitionen auf die verschiedenen Sektoren in der Basisperiode ...... ......................................................................
75
Tab. D.9:
Außenhandel, Zölle und Exportsubventionen in der Basisperiode....
76
Tab. E.I:
Substitutionselastizitäten zwischen Arbeit und Kapital in verschiedenen EAG-Modellen..................................................................... ...
104
Tab. E.2:
Werte der Substitutionselastizitäten zwischen Arbeit und Kapita\.im EAG-Modell für Ungarn ........................................................ ...........
105
Tab. E.3:
Handelselastizitäten in verschiedenen EAG-Modellen......................
107
Tab. E.4:
Werte der Handelselastizitäten im EAG-Modell für Ungarn.............
108
Tab. E.5:
Auswirkungen der Erhöhung des Arbeitsangebotes um 10 Prozent, Veränderungen in Prozent gegenüber dem Basislauf........................
113
Tab. E.6:
Wohlfahrts- und Wechselkursänderungen bei Anstieg der ausländischen Transfers..................................................................................
121
Tabellenverzeichnis
9
Tab. E.7:
Wohlfahrts- und Wechselkursänderungen bei Verbesserung der Terms of Trade ..................................................................................
123
Tab. F.I:
Kennzahlen zur statistischen Beurteilung des geschätzten Nachfragemodells ......................................................................................
134
Tab. F.2:
Preis-, Einkommenselastizitäten und autonome Wachstumsraten der Nachfrage ungarischer Haushalte ......................................................
135
Tab. F.3:
Nachfrage der privaten Haushalte im Schema der Input-OutputTabelle und der Ausgabenstatistik privater Haushalte.......................
138
Tab. F.4:
Transformationsmatrix Z zur Abbildung der Konsumgüter im Schema der Input-Output-Tabelle .....................................................
139
Tab. F.5:
Aufteilung der sektoralen Kapitalstöcke in veräußerliches und unveräußerliches Kapital.......................................................................
ISO
Tab. F.6:
Kapitalstock, Abschreibungen und Kapitalertrag in der Basisperiode...............................................................................................
152
Tab. F.7:
Organisationsformen in der ungarischen Landwirtschaft ..................
159
Tab. F.8:
Verteilung des landwirtschaftlichen Produktionswertes....................
159
Tab. F.9:
Aufteilung des Außenhandels Ungarns nach Ländergruppen ...........
163
Tab. G. 1: Anpassung der Parameter im Vorlaufszenario 1991-1994................
169
Tab. G.2:
Entwicklung der makroökonomischen Variablen während des Basislaufes ................................ ................ ........................... ........ ......
174
Tab. G.3:
Änderung der Produktion und der Endnachfrage im Basislauf in % p.a. ............................................................................................
175
Tab. G.4:
Änderung der Exporte und der Importe im Basislauf in % p.a. ........
179
Tab. G.5:
Änderung des Verbraucherpreises und des heimischen Preises (PD) in %p.a..............................................................................................
183
Tab. G.6:
Höhe und Wert der Preisaufschläge in den einzelnen Sektoren ........
188
Tab. G.7:
Ausgangswert und Endwert der sektoralen Lohn- und Kapitaldifferenzen in Simulationslauf 3............................. ............. ......... .....
205
Tab. G.8:
Potentielle Preissteigerungen ungarischer EU-Exporte infolge des Europa-Abkommens..........................................................................
220
Tab. G.9: Potentielle Preissteigerungen ungarischer EU-Exporte bei einer stärkeren Öffnung der EU-Agrarmärkte ............................................
221
Tab. G.l 0: Entwicklung ungarischer Zölle für EU-Importe entsprechend den Bestimmungen des Europa-Abkommens..................................... ......
222
Tab. G.II: Entwicklung von Produktion, Nachfrage sowie des Außenhandels in den Läufen 5 und 6 gegenüber Lauf 4................................... ........
224
10
Tabellenverzeichnis
Tab. G.I2: Entwicklung von Verbraucher- und Erzeugerpreisen sowie der Preise inländisch erzeugter Güter in den Läufen 5 und 6 gegenüber Lauf 4 ................................................................................................
226
Tab. G.13: Entwicklung der Faktornachfrage in den Läufen 5 und 6 gegenüber Lauf4................................................................................................
227
Tab. G.I4: Entwicklung der Exportmengen in Lauf 5 und 6 gegliedert nach Ländergruppen gegenüber Lauf 4 ........ ......... ... ....... ........... ..............
228
Tab. G.I5: Entwicklung der Exporterlöse in Lauf 5 und 6 gegliedert nach Ländergruppen gegenüber Lauf 4 ... ..... ..... .... ....... ..... ... ...... ... ... ... ... ...
229
Tab. G.I6: Entwicklung der Importmengen und -ausgaben in Lauf 6 gegliedert nach Ländergruppen gegenüber Lauf 4.............................................
230
Tab. G.I7: Entwicklung der gesamten Exporterlöse und der Erlöse aus Agrarexporten bei Variation der Werte der Handelselastizitäten ......
234
Übersicbtenverzeicbnis Übers. C.I: Grundstruktur eines EAG-Modells flir eine kleine offene Volkswirtschaft ..............................................................................
45
Übers. D.I: Der Aufbau einer Social-Accounting Matrix (SAM) in allgemeiner Form ...........................................................................
58
Übers. D.2: Social-Accounting Matrix (SAM) flir Ungarn .. ......... ..... ... ... ... ......
59
Übers. D.3: Schema der Güteraggregation ........................................................
65
Übers. E.I:
Definition der Preisvariablen des EAG-Modells ............................
97
Übers. E.2:
Definition der realen Variablen des EAG-Modells ........................
98
Übers. E.3:
Definition der nominalen Variablen und der Gleichgewichtsbedingungen des EAG-Modells .....................................................
99
Übers. E.4:
Definition der makroökonomischen Schließung des EAGModells. ....... ..... .... ....... ......... ..... ............. ..... ..... ...... ... ..... ... ... ... ... ....
101
Übers. E.5:
Anzahl der Variablen und Gleichungen in dem EAG-Modell flir neun Sektoren (i = 9)......................................................................
102
Übers. E.6:
SAM nach der Erhöhung des Arbeitsangebotes bei gleichen Elastizitäten und gegebenen Kapitalstöcken ... ......... ..... ...... ...... .....
112
Übers. G.I: Simulationsläufe der EAG-Analyse ...............................................
186
Abbildungsverzeichnis Abb. B.l: Entwicklung des BIP, der Endnachfrage und des Außenhandels in Ungarn...............................................................................................
24
Abb. B.2: Entwicklung der sektoralen Produktionswerte .................. ............. ...
25
Abb. B.3: Entwicklung der durchschnittlichen sektoralen Lohnsätze gegenüber dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnittslohn .......................
29
Abb. B.4: Entwicklung des Produzenten- und Konsumentenpreisindexes .. .....
31
Abb. B.5: Entwicklung der ungarischen Handelsbilanz.....................................
33
Abb. B.6: Entwicklung des nominalen und des realen Wechselkurses des ungarischen Forints gegenüber dem US$ .............. ........ ....................
35
Abb. C.I: Wirkungszusarnmenhänge in einem EAG-Modell............................
41
Abb. C.2: Vorgehensweise bei der Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse...............................................................................................
48
Abb. E.I: Schematische Darstellung der Güterproduktion bzw. -verwendung im EAG-Modell.................................................................................
93
Abb. E.2: Marktgleichgewicht im Ein-Sektor-Modell eines kleinen Landes ....
117
Abb. E.3: Verbesserung der Terms of Trade .............................. ,.... ,......... ,.......
119
Abb. E.4: Erhöhung von ausländischen Transfers .............................. ...............
120
Abb. F.l:
Ableitung der Konsumgüternachfrage mit Hilfe der Z-Matrix..........
139
Abb. F.2: Grundstruktur eines rekursiv-dynamischen EAG-Modells ...............
144
Abb. F.3: Beispiel der Allokation der Investitionen auf verschiedene Sektoren
146
Abb. F.4: Graphische Darstellung der Einteilung des ungarischen Außenhandels in Ländergruppen ...... ...........................................................
162
Abb. F.5: Herkunft der Importe Ungarns nach Ländergruppen.........................
164
Abb. F.6: Verteilung der Exporte Ungarns nach Ländergruppen......................
165
Abb. G.I: Relative Entwicklung einiger makroökonomischer Variablen während des Basislaufes ....................................................................
173
Abb. G.2: Entwicklung der sektoralen Produktion während des Basislaufes.....
176
Abb. G.3: Entwicklung der Nachfrage während des Basislaufes ....... .. ... .. ....... ..
177
Abbildungsverzeichnis
13
Abb. G.4: Entwicklung der Exporte während des Basislaufes...........................
178
Abb. G.5: Entwicklung der Importe während des Basislaufes ........................ ...
180
Abb. G.6: Entwicklung des Arbeitseinsatzes während des Basislaufes .............
181
Abb. G.7: Entwicklung der Kapitalstöcke während des Basislaufes..................
182
Abb. G.8: Entwicklung der Verbraucherpreise während des Basislaufes ..........
184
Abb. G.9: Entwicklung der Produktion und des Faktoreinsatzes in der Emährungsindustrie während des Basislaufes.............................. .....
185
Abb. G.I 0: Relative Entwicklung einiger makroökonomischer Größen gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups.....................................
190
Abb. G.II: Relative Entwicklung der gesamten Nachfrage gegenüber dem Basislauf bei Abbau der mark-ups................................ ..... ........... .....
191
Abb. G.12: Relative Entwicklung der Wertschöpfungspreise gegenüber dem Basislauf bei Abbau der mark-ups.....................................................
192
Abb. G.13: Entwicklung der sektoralen Einkommensbeiträge gegenüber dem Basislauf beim Abbau der mark-ups ........................................... ,......
193
Abb. G.14: Entwicklung der Ausgabenanteile der privaten Haushaltsnachfrage gegenüber dem Basislauf beim Abbau der mark-ups ........................
195
Abb. G.15: Entwicklung einiger makroökonomischer Variablen gegenüber dem Basislauf bei einer geänderten Arbeitsnachfrage in der Landwirtschaft...........................................................................................
199
Abb. G.16: Entwicklung der Produktion gegenüber dem Basislauf bei einer geänderten Arbeitsnachfrage in der Landwirtschaft..........................
200
Abb. G.17: Entwicklung der Beschäftigung gegenüber dem Basislauf bei einer geänderten Arbeitsnachfrage in der Landwirtschaft.... ......................
20 I
Abb. G.18: Entwicklung der Nachfrage gegenüber dem Basislauf bei einer geänderten Arbeitsnachfrage in der Landwirtschaft... .......................
202
Abb. G.19: Entwicklung ausgewählter makroökonomischer Variablen in den Läufen I bis 4 im Vergleich zum Basislauf.......................................
207
Abb. G.20: Entwicklung der Nachfrage in den Läufen I bis 4 im Vergleich zum Basislauf............................................................................................
209
Abb. G.21: Entwicklung der Produktion in den Läufen I bis 4 im Vergleich zum Basislauf .. ....... ...... ....... ... ...... ........... ....... .......... ......... ................
210
Abb. G.22: Entwicklung der Beschäftigung in den Läufen 1 bis 4 im Vergleich zum Basislauf ... ............................... ..................................................
211
Abb. G.23: Entwicklung der sektoralen Kapitalstöcke in den Läufen I bis 4 im Vergleich zum Basislauf....................................................................
212
14
Abbildungsverzeichnis
Abb. G.24: Entwicklung der Exporte in den Läufen 1 bis 4 im Vergleich zum Basislauf............................................................................................
213
Abb. G.25: Entwicklung der Importe in den Läufen 1 bis 4 im Vergleich zum Basislauf............................................................................................
214
Abb. G.26: Entwicklung der Verbraucherpreise in den Läufen 1 bis 4 im Vergleich zum Basislauf. ...................................................................
215
Abb. G.27: Entwicklung ausgewählter makroökonomischer Variablen in den Läufen 5 und 6 gegenüber Lauf 4............. ...... ..... ...... ........ ................
223
Abkürzungsverzeichnis AbI AIDS APS BIP bspw. bzgl. bzw. ca. c.p. CES CET cif CPI CSO d.h. DGVI EAG etc. EU f. ff. fob Ft GATT ggf. i.d.R. inländ. Jgg. k.A. LA/AIDS LES LPG M-DL markbest. Dienstleistg. Mio. Mrd. n.v. NichtM-DL
Amtsblatt Almost Ideal Demand System Allgemeines Präferenzsystem Bruttoinlandsprodukt beispielsweise bezüglich beziehungsweise circa ceteris paribus Constant E1asticity of Substitution Constant Elasticity ofTransforrnation cost, ins uran ce, freight consumer price index Central Statistical Office das heißt Direction Generale VI Empirisches Allgemeines Gleichgewicht Et cetera Europäische Union folgende folgende(n) free-on-board Forint General Agreement on Tariffs and Trade gegebenenfalls in der Regel Inländisch Jahrgänge keine Angaben Linear Approximated Almost Ideal Demand System Linear Expenditure System Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft marktbestimmte Dienstleistungen Marktbestimmte Dienstleistungen Millionen Milliarden nicht vorhanden nichtrnarktbestimmte Dienstleistungen
16
Abkürzungsverzeichnis
Nichtmarktbest. Dienstlg. nichtmarktbestimmte Dienstleistungen NT. Nummer OECD Organisation for Economic Co-operation and Development p.a. per annum pflanzliche pflanzl. producer price index PPI private Haushalte priv. HH Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe RGW Rest of W orld ROW S. Seite Social-Accounting Matrix SAM Statistical Analysis SystemlEconomic Time Series SASIETS sog. sogenannt Terms of Trade TOT unter Umständen u.U. usw. und so weiter verseh. verschiedene vergleiche vgl. volkswirtschaftliche Gesamt-rechnung VGR z.B. zum Beispiel z.T. zum Teil Prozent %
A. Einleitung Die tiefgreifenden politischen, wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen in den Ländern Mittel- und Osteuropas haben seit 1989 in diesen Ländern zum Zusammenbruch des bis dahin vorherrschenden Systems der zentralen Verwaltungswirtschaft geführt. Die immanenten Probleme einer zentralen Lenkung mit einer staatlichen Vorgabe sowohl von einzelbetrieblichen Produktionszielen und Preisen als auch von Investitionsentscheidungen waren zwar in den einzelnen Ländern bekannt, aber trotz vielfaltiger Reformansätze konnten die ursächlichen Probleme dieses Wirtschaftssystems nicht überwunden werden. Dabei hat sich Ungarn als eines der Länder hervorgetan, in denen unter Ökonomen und Wirtschaftspolitikern sowohl über die Konzeption der zentralen Verwaltungswirtschaft als auch über mögliche Reformansätze öffentlich diskutiert wurde. So entwickelte sich die ungarische Volksrepublik über verschiedene Phasen von Wirtschaftsreformen vor 1989 in ökonomischer Hinsicht zu einem relativ liberalen Land, für dessen Modell sich das Stichwort "Gulaschkommunismus" etablierte. Mit dem Zusammenbruch der sozialistischen Herrschaft in den Ländern Mittel- und Osteuropas war nicht nur das Ende der bisherigen internen nationalen Wirtschaftsverfassung verbunden, sondern auch der abrupte Zerfall des Systems der internationalen Arbeitsteilung, zu der sich die sozialistischen Länder im "Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW)" organisiert hatten. Beide Prozesse haben in allen Staaten Mittel- und Osteuropas stattgefunden, jedoch war Ungarn aufgrund der intensiven Außenhandelsverflechtungen im Agrarsektor sowie in der Ernährungsund Maschinenbauindustrie im Rahmen des RGW besonders nachhaltig betroffen. Der starke Rückgang der privaten Nachfrage bei gleichzeitig verstärkter Importnachfrage "westlicher" Produkte und der Verlust von Absatzmärkten in den ehemaligen RGW-Partnerländern hatte in Ungarn in allen Wirtschaftssektoren eine erhebliche Abnahme der inländischen Produktion zur Folge. Der Agrarsektor war hierbei besonders durch einen, im Vergleich mit den anderen Sektoren, starken Produktions- und Beschäftigungsrückgang betroffen. Bei einem Anstieg der Einkommen der privaten Haushalte, der im Laufe der Transformation erwartet werden kann, und einer Intensivierung der Handelsbeziehungen mit marktwirtschaftlich orientierten Ländern wie den Mit2 Banse
18
A. Einleitung
gliedsstaaten der Europäischen Union erhebt sich die Frage, ob die ungarische Landwirtschaft und die Ernährungsindustrie in der Lage sind, in einem marktwirtschaftlich orientierten Wirtschaftssystem die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von vor 1989 wiederzugewinnen. Darüber hinaus ergibt sich die Frage, ob es möglich ist, Elemente zu identiftzieren, die im Rahmen der wirtschaftlichen Transformation zu dem Verlust an gesamtwirtschaftlicher Relevanz des Agrarsektors und der Nahrungsmittelindustrie führten. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird versucht, ausgewählte Aspekte, die den wirtschaftlichen Transformationsprozeß Ungarns kennzeichnen, nicht nur qualitativ zu beschreiben, sondern im Rahmen eines Modells auch quantitativ zu analysieren. Bei der Wahl eines solchen Modells muß geklärt werden, ob die Analyse nur auf den Sektor der Landwirtschaft unter Einbeziehung der Nahrungsmittelindustrie beschränkt bleiben soll oder ob im Rahmen eines Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodells (EAG-Modell) auch andere Branchen, wie der Maschinenbau, die Konsumgüterindustrie oder die Dienstleistungen, mit in die Betrachtung einbezogen werden sollen. In der vorliegenden Arbeit ftel die Wahl auf die zweite Alternative: die Entwicklung eines Mehr-Sektoren-Modells. Diese Wahl hat jedoch zur Folge, daß der Agrarsektor nicht in allen Details dargestellt werden kann. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit soll darin liegen, den strukturellen Wandel des Agrarsektors und der Ernährungsindustrie im Kontext der gesamtwirtschaftlichen Transformation zu analysieren. Bei diesem Ansatz stehen daher die gesamtwirtschaftlichen Verflechtungen des landwirtschaftlichen Sektors und der Ernährungsindustrie im Vordergrund der Betrachtung. I Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet eine Beschreibung der wirtschaftlichen Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation (Kapitel B). Neben einer kurzen Darstellung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vor 1989 sollen bei der Beschreibung der eigentlichen Transformation diejenigen Aspekte besondere Beachtung fmden, die in die später folgende quantitative Analyse einbezogen werden. Dazu zählt vor allem die seit Beginn der Transformation rückläuftge gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Agrarsektors hinsichtlich des Anteils an der Gesamtbeschäftigung und am Volkseinkommen. I In der ursprünglichen Konzeption war die vorliegende Arbeit Teil eines Gemeinschaftsprojektes unter Beteiligung ungarischer Agrarwissenschaftier. Dabei sollten die ungarischen Projektpartner ein partielles Modell des Agrarsektors entwickeln, so daß in der anschließenden ökonomischen Analyse auf beide Modelle zurückgegriffen werden könnte. Aus verschiedenen Gründen konnte dieses Vorhaben jedoch nicht realisiert werden, so daß die Untersuchung im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf das EAG-Modell beschränkt bleibt.
A. Einleitung
19
Daran schließt sich in Kapitel C eine Darlegung der Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse an. Dabei werden ausgehend von der Skizzierung der theoretischen Struktur empirischer Allgemeiner Gleichgewichtsmodelle besonders die bereits genannten Vor- und Nachteile ausruhrlich diskutiert. Darüber hinaus wird auch erörtert, inwieweit es möglich ist, den wirtschaftlichen Transformationsprozeß in Ungarn, bei dem verschiedene Verhaltensänderungen der Produzenten und der Konsumenten zu vermuten sind, in einem EAG-Modell zu analysieren. Für eine quantitative Analyse ist die Beschreibung der ihr zugrunde liegenden Datenbasis unerläßlich. Daher werden in Kapitel D die Ausgangsdaten rur das Modell dieser Arbeit präsentiert. Da die Konzeption von EAG-Modellen ein äußerst umfangreiches Gerüst an Daten und besonders an Elastizitäten erfordert, nimmt die Diskussion der Ausgangsdatenbasis in der vorliegenden Arbeit einen breiten Raum ein. Das Ziel bei der Formulierung des EAGModells ist die Entwicklung eines mehrperiodischen, rekursiv-dynamischen Gleichgewichtsmodells. Um die Herleitung dieses Modells im Laufe dieser Arbeit nachvollziehbar zu machen, wird in Kapitel E zuerst die komparativstatische Version des EAG-Modells entwickelt und dessen Funktionsweise anhand mehrerer Beispiel-Simulationen erläutert. Diese Beispiel-Simulationen sollen in erster Linie dazu dienen, den Antriebsmechanismus eines EAGModells zu verdeutlichen. Eine quantitative Analyse auf der Grundlage dieser einfachen Standardversion eines EAG-Modells könnte die oben aufgeruhrten Fragen bezüglich der Rolle des landwirtschaftlichen Sektors und der Ernährungsindustrie im Ablauf der Transformation nur unzureichend beantworten. Daher wird in Kapitel F das bis dahin komparativ-statische Modell zu einem sequentiell dynamischen EAG-Modell erweitert. Im weiteren Verlauf der Umwandlung der ungarischen Volkswirtschaft in ein marktwirtschaftlich orientiertes System ist mit einem Wiederanstieg der Einkommen privater Haushalte zu rechnen. In der vorliegenden Arbeit sollen die Auswirkungen einer solchen Einkommenssteigerung auf die Nachfrage nach verschiedenen Gütern und insbesondere Nahrungsmitteln analysiert werden. Daher wurde ein zuvor empirisch geschätztes Nachfragemodell, das Almost Ideal Demand System, in die dynamische Modellversion integriert. Weitere Ergänzungen dieses Modells, wie die Einbeziehung unvollkommenen Wettbewerbs oder die Aufteilung der ungarischen Handelsbeziehungen in Ländergruppen, ermöglichen die Untersuchung ausgewählter Aspekte der wirtschaftlichen Transformation Ungarns. Auf der Grundlage dieses speziell auf die ökonomische Situation Ungarns zugeschnittenen Modells werden in Kapitel G in sechs getrennten Szenarien die Entwicklung des Agrarsektors und der Ernährungsindustrie im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung analysiert. 2'
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation Die Beschreibung und Analyse der tiefgreifenden wirtschaftlichen Änderungen, die in Ungarn seit Ende der 80er Jahre stattfanden, müssen ohne die Darstellung der Entwicklung vor 1989 unvollständig bleiben. Daher erfolgt einleitend in diesem Kapitel ein kurzer Rückblick auf die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns seit Anfang der 60er Jahre. In den anschließenden Abschnitten dieses Kapitels konzentriert sich die Darstellung auf die Veränderungen der Größen, die auch in die quantitative Analyse auf der Grundlage eines Mehr-Sektoren-Modells einfließen.
I. Wirtschaftliche Entwicklung Ungarns bis Ende der 80er Jahre Die Wirtschaftspolitik Ungarns ist geprägt durch eine intensive und kontroverse Diskussion möglicher Reformansätze. In der Dekade von 1950 bis 1960 entsprach das Wirtschaftssystem Ungarns dem Typus einer zentralverwalteten Wirtschaft sowjetischer Art. Die lang- und mittelfristigen Rahmendaten wurden in Fünf-Jahresplänen fixiert, wohingegen Anweisungen rur das Management auf betrieblicher Ebene durch Viertel- bzw. Ein-Jahrespläne gegeben wurden. Seit Mitte der 60er Jahre wurde das Konzept der vollständigen Zentralverwaltung in Teilschritten modifiziert, so daß mit der Reform von 1968 und der Einruhrung des "Neuen ökonomischen Mechanismus" die Vorgabe von mengenmäßigen Produktionszielen auf einzelbetrieblicher Ebene fallengelassen wurde. I Mit der Implementierung dieser im Vergleich zu anderen Zentralverwaltungsländern Mittel- und Osteuropas sehr weitreichenden Wirtschaftsreformen wurde Ungarn das "Musterland" rur eine marktwirtschaftlich ausgerichtete, sozialistische Volkswirtschaft. Die Einruhrung eines dezentralen Entscheidungsprozesses und die Gründung marktwirtschaftlicher Institutionen sowie die Ausrichtung der Wirtschaftspolitik auf fiskalische und geldpolitische Instrumente der Globalsteuerung waren begleitet von einem drei Jahrzehnte I Zu einer ausführlichen Beschreibung und Analyse der ungarischen Wirtschaftsreformen siehe Hare/Radice/Swain (1981), Kornai (1986), Clarke (1989), GIJbor (1989) und Berend (1990).
I. Wirtschaftliche Entwicklung bis Ende der 80er Jahre
21
andauernden sozialen Frieden (Vollbeschäftigung) und einem langsamen Anstieg des realen Volkseinkommens. Diese positive Entwicklung stagnierte nicht zuletzt in Folge einer hohen Auslandsverschuldung Ungarns in der Mitte der 70er Jahre. So stieg das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 1975 und 1989 um 35% verglichen mit einem 54%igen Anstieg im Durchschnitt der OECD-Länder im gleichen Zeitraum. 2 Der OECD-Bericht über Ungarn von 1991 nennt die Gründe fiir ein Stocken der Reformen der ungarischen Regierung während der 70er und 80er Jahre: 1. Die Niederschlagung des Aufstands von 1956 mit der anschließenden Massenemigration machte eine Politik der Versöhnung und des Ausgleichs notwendig. Besonders seit der Intervention der Warschauer-Pakt-Staaten im Sommer 1968 in der Tschechoslowakei waren weiterreichende Reformmaßnahmen von der Ungewißheit der Tolerierung der sowjetischen Führung begleitet. 2. Die Weigerung der RGW-Partnerländer, Wirtschaftsreformen ungarischen Ausmaßes in ihren Ländern einzuleiten, fiihrte zu einer differenzierten Ausrichtung der ungarischen Außenwirtschaft. Im Handel mit RGWPartnerländern, der größtenteils durch Handels- und Abnahmeverpflichtungen gekennzeichnet war, dominierten verarbeitete Waren mit niedrigen Produktstandards, während diese Produkte in marktwirtschaftlich orientierten Ländern nicht abgesetzt werden konnten. 3. Das Fehlen eines ökonomischen Anreizsystems, wie es etwa durch die Privatisierung von staatlichen Betrieben in Verbindung mit einer Preisliberalisierung hätte etabliert werden können, fiihrte zu einer Fehlallokation von Ressourcen innerhalb der ungarischen Wirtschaft. Wegen der Möglichkeit der Verschleierung der wahren Rentabilität von Unternehmen ("soft budget") und der Gewährung von Subventionen war es in dem System regulierter Preise und Wechselkurse nicht möglich, Sektoren mit komparativen Kostenvorteilen zu identifizieren. Wesentliche Gründe fiir das Scheitern einer reformierten Zentralverwaltungswirtschaft lagen in der weiterhin bestehenden Notwendigkeit der Deckung betrieblicher Verluste durch das Staatsbudget und das weitgehende Fehlen privater Verfiigungsrechte an Produktionsmitteln. 3 Beide Mängel 2 Das BIPlKopf betrug 1989 in Ungarn 2750 US$. Im Vergleich dazu betrug das BIPlKopf in der Türkei 1300 US$, in Portugal 4300 US$ und im OECD-Durchschnitt 17387 US$ (OECD (1991), S. 14). 3 Zu den Auswirkungen dieser sog. "soft budget constraints" und der Notwendigkeit der Verpflichtung der Unternehmer auf "hard budgets" siehe Kornai (1980).
22
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
wurden letztlich erst im Rahmen des Transformationsprozesses seit 1989 gelöst, was mit dem vollständigen Machtverlust der ungarischen kommunistischen Partei einherging. Seit Mitte der 80er Jahre verstärkte die politische Führung Ungarns, motiviert durch die Reformansätze in der Sowjetunion (Glasnost und Perestroika), ihre Bemühungen einer Weiterentwicklung der Wirtschaftsreformen: Dabei entfiel nach Auflösung des Warschauer Paktes im Jahr 1989 das unter Punkt 1 genannte Hemmnis weiterführender Reformmaßnahmen durch eine mögliche sowjetische Intervention. Mit dem Zusammenbruch des RGW und der Umstellung der Verrechnung auf konvertible Währungen war der Weg frei für eine Ausrichtung des ungarischen Außenhandels entsprechend komparativen Kostenvorteilen. Innenpolitisch vollzog sich die "unblutige Revolution" durch die Selbstauflösung der kommunistischen Partei und die Ausrufung von Neuwahlen.
11. Wirtschaftliche Entwicklung Ungarns während des Transformationsprozesses Eine Darstellung der Entwicklung in chronologischer Reihenfolge würde aufgrund der Fülle der Änderungen in nahezu allen Bereichen der ungarischen Volkswirtschaft den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Die wesentlichen Elemente der wirtschaftspolitischen Reformen bestanden in der Freigabe staatlich kontrollierter Preise, dem Abbau hoher Verbraucherpreissubventionen, der Einführung eines lJ,lsolvenzrechts und der Schaffung eines zwei stufigen Banksystems. Im Bereich des Außenhandels erfolgte ebenfalls ein Abbau staatlicher Eingriffe, so daß seit 1989 auch hier die Entwicklung von einer zunehmenden Liberalisierung des Devisen- sowie des Außenhandels mit Waren und Dienstleistungen gekennzeichnet ist. Der gesamte Prozeß der wirtschaftlichen Transformation kann jedoch bei weitem noch nicht als abgeschlossen bezeichnet werden. So ist die seit 1989 eingeleitete Privatisierung staatlicher bzw. genossenschaftlich organisierter Betriebe und die damit verbundene Umsetzung des Insolvenzrechts in Form von Schließungen umentabler Betriebe noch nicht vollendet. Bei der in den folgenden Abschnitten beschriebenen wirtschaftlichen Entwicklung beschränkt sich die Darstellung auf diejenigen Bereiche, die bei der später folgenden quantitativen Analyse mit Hilfe eines angewandten Allgemeinen Gleichgewichtsmodells von Bedeutung sind.
4
Vgl. Clarke (1989), S. 23 ff.
11. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
23
1. Makroökonomische Entwicklung
Nach dem Jahr 1989, das in allen zentraleuropäischen Ländern die politische Wende eingeläutet hat, ist das reale Volkseinkommen - ausgedrückt als Bruttoinlandsprodukt in konstanten Preisen - in allen Reformstaaten, auch in Ungarn, gesunken. Dabei fiel die extreme Abnahme von nahezu 12% im Laufe des Jahres 1991 in Ungarn mit dem Zusammenbruch des RGW zusammen und bildete den Höhepunkt dieser dramatischen Entwicklung. Dennoch hat das BIP auch in den folgenden Jahren abgenommen. Wie Tabelle B.l zum Ausdruck bringt, war der Abschwung 1990/91 von einem massiven Rückgang der Binnennachfrage (sowohl privater und staatlicher Verbrauch als auch Nachfrage nach Kapitalgütern) und der Exporte begleitet. Die Tatsache, daß im Jahr 1991 einzig die Änderung der Importnachfrage Ungarns ein positives Vorzeichen trägt, ist symptomatisch für die Abwendung von inländisch erzeugten Waren hin zu "neuen" Konsumgütern "westlicher" Herkunft (vgl. dazu die Darstellung der Struktur des ungarischen Außenhandels von 1988 bis 1996 in Punkt 3). Tabelle B.l Verwendung des Bruttoinlandsproduktes in Ungarn (Volumenänderung in Prozent gegenüber dem Vorjahr)
!Endverbrauch private Nachfrage staatliche Nachfrage lNettoinvestitionen !Exporte mporte ~HP
1989 0,8 2,3 -6,3 7,0 1,2 1,8 0,4
1990 -2,7 -3,6 2,6 -7,1 -5,3 -4,3 -3,5
1991 -5,1 -5,6 -2,7 -10,4 -3, I 5,4 -11,9
1992 0,6 -0,0 4,9 -2,7 2,1 0,2 -3,1
1993 5,4 1,9 27,5 2,1 -10,1 20,2 -0,6
1994 -2,3 -0,2 -12,7 12,5 13,7 8,8 2,9
1995 -6, I -6,6 -3,0 -4,3 13,4 -0,7 1,5
Quelle: OECD (1993), (1995d), (1997) und eigene Berechnungen.
Das ungarische Volkseinkommen hat sich zwischen 1990 und 1993 rückläufig entwickelt. Seit 1994 ist jedoch eine leichte Zunahme des realen BIP zu verzeichnen. Diese positive Entwicklung wurde 1994 von einem Anstieg sowohl der Kapitalgüternachfrage als auch der Exporte getragen. Im Jahr 1995 jedoch trug bei einer sinkenden Binnennachfrage nur die Konsolidierung der Exporte zu einem Zuwachs des Volkseinkommens bei. Die private Nachfrage hat sich mit Ausnahme des Jahres 1993 über den gesamten Zeitraum negativ entwickelt. Durch den Anstieg der Exporte um 13,7% im Jahr 1994 und um 13,4% im Jahr 1995 konnte das stark gestiegene Handelsbilanzdefizit vermindert werden. So fiel in den Jahren von 1990 bis 1992 die Abnahme der
24
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
Exporte höher aus als diejenige der inländischen Verkäufe. In Abbildung B.l ist die Entwicklung der Verwendung des EIP (bezogen auf 1988) graphisch dargestellt. 140 120
/
..-&-.--.
100
--..
80
-
~ ~
~
60 40 20
o
1988
1989
___ Endverbrauch ~
Impone
1990
1991
1992
Nettoinvestitionen ___ BIP
-H-
1993
1994
1995
-+- Expone
Quelle: OECD (1993), (1995d), (1997) und eigene Berechnungen.
Abbildung B.I Entwicklung des BIP, der Endnachfrage und des Außenhandels in Ungarn (1988=100, konstante Preise) Dabei wird der drastische Rückgang der BIP um nahezu 20% gegenüber 1988 besonders deutlich. Ebenso veranschaulicht die Abbildung die divergierende Entwicklung im Bereich des Außenhandels mit einem Anstieg der Importe um über 35% und einer Minderung der Exporte 1993 um ca. 20% gegenüber 1988. Wohingegen der Anstieg der Ausfuhren in den Jahren 1994 und 1995 zu einer Umkehr dieser gegenläufigen Entwicklung beigetragen hat. Analog zu der Entwicklung in den Neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland war der massive Einbruch in der Produktion nach 1989 für viele Ökonomen·überraschend und entsprach auch nicht den Erwartungen führender ungarischer Wirtschaftspolitiker.~ Der Produktionseinbruch vollzog sich in Ungarn jedoch mit großen intersektoralen Differenzen. Die folgende Abbildung illustriert den Verlauf des Produktionswertes zu konstanten Preisen 5 Zur Divergenz zwischen der erwarteten und der eingetretenen wirtschaftlichen Entwicklung und einer Erklärung siehe Sinn/Sinn (1992).
25
11. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
zwischen 1988 und dem 2. Quartal 1996, dessen Werte als vorläufig bezeichnet werden müssen.
120 100 80 60 40 20
0
1988
1989
1990
1991
1992
___ verarbeitende Industrie
___ Bergbau
...... Nahrungsmittelindustrie
-€>- pflanzliche Erzeugung
1993
1994
1995
1996 a)
""*"" Strom und Gas
-+- tierische Erzeugung
Anmerkung: a) Angaben 1. und 2. Quartal 1996. Quelle: CSO (1992d), OECD (1994), (I 995b), National Bank 0/ Hungary, verseh. Jgg. und eigene Berechnungen.
Abbildung B.2 Entwicklung der sektoralen Produktionswerte (1988 = 100, konstante Preise)
Bei der Betrachtung der Verläufe der sektoralen Produktion im Ablauf der Transformation fällt der Bereich der Nahrungsmittelindustrie als derjenige mit dem geringsten Produktionseinbruch auf. Gründe für diesen moderaten Verlauf können zum einen in der im Vergleich zur übrigen verarbeitenden Industrie frühzeitig abgeschlossenen Privatisierung und der großen Zahl von neu gegründeten privaten Unternehmen in diesem Sektor liegen.- Anders dagegen verlief der strukturelle Wandel im Agrarsektor. Abbildung B.2 stellt die Entwicklung getrennt rur den Bereich der pflanzlichen und der tierischen Erzeugung dar. Generell lassen sich trotz des ähnlichen Verlaufes Unterschiede im Rückgang der Produktion dieser bei den Bereiche feststellen, die _ So sind von den ehemals 138 staatseigenen Unternehmen der Ernährungsindustrie bis März 1995 107 privatisiert und 21 liquidiert worden. Der verbleibende Rest ist ebenfalls im Begriff privatisiert zu werden. Die Zahl der in dieser Branche tätigen Unternehmen stieg von 353 im Jahr 1991 auf 2302 Unternehmen im Jahr 1993. Alle Angaben beziehen sich auf European Commission (1995a), S. 31 f.
26
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
vor allem Rückschlüsse auf die Persistenz dieser Änderungen erlauben. Der Rückgang der pflanzlichen Produktion Ungarns hat zwei wesentliche Gründe: zum einen die Reprivatisierung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) und der Rückgang der Nachfrage, zum anderen verheerende Dürre in den Jahren 1992 und 1993. Der Rückgang im Jahr 1993 betrug allein ca. 43%.7 Der anschließend wieder einsetzende moderate Produktionsanstieg läßt vermuten, daß der Rückgang in der pflanzlichen Erzeugung nicht von Dauer sein wird. Der Einbruch in der tierischen Erzeugung wird dagegen, trotz des leichten Anstiegs im Jahr 1995 und den ersten beiden Quartalen 1996, von wesentlich längerer Dauer sein, da die Wiederaufstockung der Viehbestände einen wesentlich höheren Kapitalbedarf und Liquiditätsreserven erfordert als im Bereich der pflanzlichen Erzeugung. Die Produktion lag 1996 bei ca. 40% der Menge von 1988. So wird sich die Rückkehr auf das Niveau von 1989/90 im Bereich der tierischen Produktion vermutlich in einem wesentlich längeren Zeitraum vollziehen als in der pflanzlichen Produktion. 8 Kennzeichnend für die Produktionsentwicklung in anderen Sektoren wie dem Bergbau und der verarbeitenden Industrie ist ein starker Abschwung um ca. 40% des Niveaus von 1988. Jedoch konnte die verarbeitende Industrie wie der Bereich der Strom- und Gaserzeugung und der Ernährungsindustrie bereits seit 1992 Produktionssteigerungen verzeichnen, wohingegen der Bergbau sich ähnlich dem Verlauf der Agrarproduktion entwickelt hat. Einhergehend mit der Entwicklung der sektoralen Bruttoproduktionswerte vollzogen sich in Ungarn seit Beginn der Transformation grundlegende Veränderungen in den Beiträgen der einzelnen Wirtschaftsbereiche hinsichtlich ihres Beschäftigungsbeitrages und des Anteils am Volkseinkommen (Bruttoinlandsprodukt). So stieg die Höhe der Arbeitslosenquote von 1,7% im Jahr 1990 auf den (vorläufigen) Höchststand von 13,6% im Februar 1993 und lag im Oktober 1996 bei 10,8%.9 Aus Tabelle B.2 wird ersichtlich, daß in Ungarn mit Beginn der 80er Jahre über 25% aller Erwerbstätigen im Agrarund Nahrungsmittelbereich tätig waren. Anfang der 80er Jahre waren in allen ungarischen Betrieben und Eimichtungen ca. 5,1 Mio. Erwerbstätige beschäftigt. 10 Diese Zahl reduzierte sich bis zum Jahr 1996 (3. Quartal) auf ca. 3,95 7 Dieser dürrebedingte Produktionseinbruch entsprach 1992 allein dem Rückgang des BIP um 3 Prozentpunkte, siehe OECD (1993), S. 13. 8 Jedoch deuten aktuelle statistische Daten eine Stabilisierung des Niveaus der Viehbestände an. Diese Entwicklung ist u.a. auf die im Laufe der Jahre 1995 und 1996 angestiegenen Fleischpreise z.T. aufgrund der Erhöhung der Importzölle zurückzuführen, siehe OECD (I 995d). 9 Zu den Quellen dieser Angaben siehe National Bank of Hungary, verseh. Jgg. 10 Siehe Statistisches Bundesamt (1994), S. 49.
H. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
27
Mio. 1I Neben diesem dramatischen Rückgang der Erwerbstätigkeit um nahezu 22% erfolgte in diesem Zeitraum gleichzeitig eine wesentliche Veränderung in der Beschäftigungsstruktur. Während der Anteil der im Dienstleistungsbereich Beschäftigten deutlich zunahm, gingen nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch im produzierenden Gewerbe viele Arbeitsplätze verloren. Tabelle B.2 Anteile der Erwerbstätigen nach Wirtschaftsbereichen (Angaben in %)
IWirtschaftsbereich 1980 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 a) lLand-, Forstwirtschaft 20,5 18,0 16,1 13,9 9,5 6,7 6,3 6,2 !Emährungsindustrie 4,7 4,2 4,2 4,6 5,2 5,2 5,1 5,5 ~onst. verarb. Gewerbe 30,3 25,7 25,5 24,3 23,2 22,2 21,9 22,0 7,9 6,4 4,9 !Baugewerbe 7,0 7,0 5,6 5,0 4,7 !Dienstleistungen 36,6 45,1 47,2 50,8 56,2 60,9 61,7 62,0 Summe 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 a) Angaben für das J. und 2. Quartal 1996. Quelle: Statistisches Bundesamt (! 994), S.49, National Bank 0/ Hungary. verseh. Jgg., European Commission (l995a), S.10 und eigene Berechnungen.
Nachdem sich das Erhebungssystem der Arbeitsmarktstatistik in Ungarn seit 1992 geändert hat, werden seit dieser Zeit auch die Beschäftigten kleinerer Betriebe erfaßt. Während der Arbeitsplatzabbau insbesondere in Großbetrieben erfolgte, nahm in kleineren Betrieben die Beschäftigung ZU. 12 Ein Beispiel für den Rückgang der Arbeitsplätze in Großbetrieben ist der Bergbau. Dort sank die Zahl der Erwerbstätigen im Zeitraum von 1990 bis September 1996 um 78,9% von 77600 auf 16400. Ein ähnlich dramatischer Rückgang in der Beschäftigung ist im Agrarsektor zu verzeichnen. In diesem Sektor, der 1980 über 20% aller ungarischen Erwerbstätigen beschäftigte, betrug 1996 der Beschäftigungsanteil nur noch 6,2%. Der Beschäftigungsrückgang und die sinkende Produktion sind im Agrarsektor im engen Zusammenhang zu sehen, jedoch muß berücksichtigt werden, daß 1990 der Anteil an gewerblicher nicht-landwirtschaftlicher Tätigkeit 23,3% des landwirtschaftlichen Bruttoproduktionswertes entsprach. Der nahezu vollständige Abbau dieser nicht-landwirtschaftlichen Tätigkeiten im Transformationsablauf hat zu einem großen Teil zu dem dramatischen Verlust an landwirtschaftlichen Arbeitsplätzen beigetragen. 13 Siehe National Bank 0/ Hungary (1995), Monthly Report 11/1996, S. 63. Siehe dazu auch den folgenden Abschnitt. 13 Siehe dazu auch OECD (1993), S. 21, OECD (1995), S. 143 ff. und European Commission (1995), S. 11. 11
12
28
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
Ähnlich zum Abbau der landwirtschaftlichen Arbeitsplätze verlief der Einkommensbeitrag der ungarischen Landwirtschaft (siehe Tabelle B.3). Während der Anteil des Agrarsektors zu Beginn der Transformationsphase 1989 noch 13,7% am Bruttoinlandsprodukt betrug, ist dieser Anteil auf 6,6% im Jahr 1993 abgesunken und in den darauf folgenden zwei Jahren wieder leicht gestiegen. Dabei hat sich der landwirtschaftliche Anteil am BIP zwischen 1990 und 1995 nahezu halbiert, wohingegen der Beschäftigungsanteil im gleichen Zeitraum um 2/3 abgesunken ist. Im Unterschied zum Agrarsektor blieb die Relation zwischen Einkommens- und Beschäftigungsbeitrag in den anderen Sektoren relativ konstant. 14 Tabelle B.3
Anteile der Wirtschaftsbereiche am Bruttoinlandsprodukt zu laufenden Preisen (Angaben in %) Wirtschaftsbereich Land-, Forstwirtschaft Verarbeitendes Gewerbe a) darunter Ernährungsindustrie Baugewerbe Handel und Gastgewerbe Verkehr und Nachrichtenwesen übrige Bereiche Summe
1989 13,7 29,8 (2,3) 6,6 9,1 7,1 33,7 100,0
1990 1991 1992 1993 7,3 6,6 12,5 10,2 26,8 27,6 27,7 25,6 (3,0) (4,4) (4,6) (4,4) 5,8 5,9 5,3 5,6 12,8 12,4 12,5 13,3 8,4 6,9 8,6 8,8 35,4 35,6 38,0 40,4 100,0 100,0 100,0 100,0
1994 1995 6,7 7,2 25,3 26,9 (4,1) n.v. 4,9 5,1 12,6 12,4 9,8 8,5 41,8 38,8 100,0 100,0
a) einschl. Bergbau und Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung. Quelle: CSO (1 992d), (l993c), (1994b), (I 996a), OECD (I 995a) und eigene Berechnungen.
Diese dramatische Freisetzung von Arbeitskräften in Großbetrieben und in der Landwirtschaft und die Entstehung neuer Arbeitsplätze besonders in privaten Unternehmen waren begleitet von einer weitgehenden Liberalisierung des vor der Transformation stark staatlich reglementierten Arbeitsmarktes. Ohne auf die Details der Reform des Arbeitsmarktes in Ungarn einzugehen, ist anzumerken, daß im März 1991 ein neues Beschäftigungsgesetz und Anfang 1992 ein neues Insolvenzgesetz verabschiedet worden sind. 15 Beide Gesetze haben zu einer gestiegenen intersektoralen Mobilität der Arbeitskräfte und zu einer höheren Flexibilität der Löhne geführt. Ein Indikator für diese Entwicklung ist der Verlauf der Löhne in verschiedenen Branchen gegenüber dem I. Diese unterschiedliche Entwicklung wird in einem Simulationslauf in Kapitel G empirisch analysiert. 15 Zu näheren Ausführungen über die ungarische Arbeitsverfassung zu Beginn der Transformation siehe Apolte (1992), S. 57 ff. Weitere Ausführungen über die Gesetzesänderungen siehe OECD (1991), S. 74 ff. und OECD (1993), S. 80 ff.
II. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
29
gesamtwirtschaftlichen Durchschnitts lohn. So ist bei einer Erhöhung der Mobilität der Arbeitskräfte und einer erhöhten Flexibilität der Lohnsätze davon auszugehen, daß sich die Lohnsätze der einzelnen Wirtschaftsbereiche dem durchschnittlichen gesamtwirtschaftlichen Lohnsatz annähern. 160 140 120 100 80 60 40
1986
1988
1990
___ Bergbau, Stromerz., verarb. Industrie -€>-
Land-, Forstwirtschaft
-+- Handel
1991
1992
1993
1994
1995
......... Baugewerbe ____ Transport, Telekommunikation ___ Sozialvers., staatl. Dienstleistungen
Quelle: CSO (I 992a), (1993b), (I 994b), (I 996a), (1996b) und eigene Berechnungen.
Abbildung B.3 Entwicklung der durchschnittlichen sektoralen Lohnsätze (gesamtwirtschaftlicher Durchschnittslohn = 100)
Abbildung B.3 stellt die Entwicklung der durchschnittlichen sektoralen Lohnsätze dem - nicht eingetragenen - gesamtwirtschaftlichen Lohnsatz, der gleich 100 gesetzt wurde, gegenüber. Dabei ist die große Diskrepanz der einzelnen Branchen vor der Transformation im Jahr 1988 besonders auffällig. Während der positive Abstand des Lohnsatzes im Baugewerbe bis 1992 gesunken ist und nur noch gering war, hat sich der im Jahr 1988 noch positive Abstand im Agrarsektor bis 1995 in einen negativen gewandelt. Betrug der landwirtschaftliche Durchschnittslohn 1993 und 1994 weniger als 60% des ungarischen Durchschnittslohnes, hat sich der landwirtschaftliche Durchschnittslohn 1995 dem gesamtwirtschaftlichen wieder angenähert. In dieser Entwicklung kommt die Tatsache zum Ausdruck, daß besonders der ungarische Agrarsektor von einem Überbesatz an Arbeitskräften gekennzeichnet war, der bei stark sinkendem Lohnniveau zu einem Abwanderungsdruck aus dem Agrarsektor in die anderen Wirtschaftsbereiche gefiihrt hat. Im Gegensatz
30
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
zu der Entwicklung im Baugewerbe und in der Landwirtschaft steht die des Handels. In dieser Branche konnten bei Zunahme der Beschäftigung (siehe Tabelle B.3) bis 1991 überdurchschnittliche Lohnsätze erwirtschaftet werden. Jedoch haben sich seit 1991 der Durchschnittslohn dieser Branche und die der übrigen Sektoren mit Ausnahme des Agrarsektors seit 1991 aufeinander zubewegt. Diese tendenzielle Annäherung wird in Kapitel G empirisch analysiert. Da die Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf veröffentlichte Statistiken zurückgreift und die Erhebung eigener Daten nicht möglich war, soll die Quellenlage und die Qualität des statistischen Materials im folgenden diskutiert werden. 2. Entwicklung des Preisniveaus
In fast allen Transformationsländern Zentraleuropas war der Prozeß des strukturellen Wandels von einer drastischen Inflation begleitet l6 , die z.T. durch die Preisliberalisierung, durch den Abbau von Subventionen bei staatlich festgesetzten Preisen (in erster Linie Energiepreise) und durch die Abwertung der jeweiligen Währung erklärt werden kann. Die Liberalisierung der Preise, d.h. die Aufgabe der staatlichen Preisfestsetzung, hat in Ungarn bereits zu Beginn der 80er Jahre eingesetzt, so daß sich 1985 ca. 40% aller Preise frei am Markt bildeten. Dieser Anteil stieg 1990 auf ca. 89% an und lag Ende 1994 bei etwa 95%.11 Die Abbildung B.4 illustriert den Verlauf des Produzenten- und des Konsumentenpreisindexes (consumer price index, CPI). Besonders auffällig ist die von 1991 bis 1994 einsetzende divergierende Entwicklung beider Indizes. Während der Index der Lebenshaltung seit 1990 kontinuierlich mit einer durchschnittlichen Wachstumsrate von 25,4% p.a. stieg, fiel der Anstieg des Produzentenpreisindexes (PPI) mit durchschnittlich 19,4% p.a. geringer aus. Der wesentliche Grund rur diese unterschiedliche Entwicklung beruht in dem seit 1991 kontinuierlichen Abbau staatlicher Subventionen auf private Heizund Energiekosten, Fleischprodukte, Arzneimittel, öffentlichen Personenverkehr, Postdienste und Wasser- und Abwassergebühren. Mit der Erhöhung der Umsatzsteuer entstand 1993 ein weiterer Inflationsschub.
16 Die geringeren Inflationsraten in der Tschechischen Republik von durchschnittlich etwa 12,6% p.a. von 1991 bis 1995 müssen hier eher als Ausnahme gesehen werden. Siehe Czech Statistical Office (1996), S. 220. 11 Siehe dazu OECD (1991), S. 34 ff. und National Bank ojHungary, verseh. Jgg.
11. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
31
Ein zusätzlicher Grund für die sich weitende "Lücke" zwischen der Entwicklung der Konsumenten- und der Produzentenpreise hat methodische Ursachen. Bei der Bestimmung des PPI werden ausschließlich Preise industrieller Verkäufe zugrundegelegt. Die Preisänderungen im Dienstleistungsbereich, dessen Bedeutung im Laufe der Transformation zunahm, fmden in diesem Index ebenso wie Handelsspannen keine Berücksichtigung. Der dem CPI zugrundeliegende Warenkorb (siehe Tabelle A-7 im Anhang) weist dagegen einen Anteil von über 22% für Dienstleistungen auf. Die Erhöhung der Produzentenpreise ist besonders von der Steigerung der Löhne und der Vorleistungsgüter abhängig. Der Durchschnittslohn stieg im Zeitraum von 1990 bis 1995 um 23,7% p.a. 18 600 500 400 300 200 100 0
1988
1989
-+- Produzentenpreisindex
1990
1991
1992
1993
___ Konsumentenpreisindex
1994
1995
1996 a)
-e- landwirtsehftl. PPI
a) Angaben für das I. und 2. Quartal 1996. Quelle: National Bank 0/ Hungary, versch. Jgg., CSO (1 992d), CSO (1994) und eigene Berechnungen.
Abbildung B.4 Entwicklung des Produzenten- und Konsumentenpreisindexes (1988 = 100)
Weiterhin ist in der obigen Abbildung der Preisindex der landwirtschaftlichen Erzeugerpreise dargestellt. Dieser wurde als Fisher-Ideal-Index auf der Grundlage von Veröffentlichungen des CSO berechnet. 19 Die landwirtschaftSiehe dazu CSO (l996a), S. 75. Der Fisher-Ideal-Index setzt sich aus dem Paasche- und dem Laspeyres-Index zusammen, wobei der Wert des Fisher-Ideal-Indexes als Wurzel aus dem Produkt der !8
19
32
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
lichen Produzentenpreise sind gegenüber den industriellen weniger stark gestiegen. Hingegen sind nach einer starken Abnahme der sektoralen Tenns of Trade des Agrarsektors im Jahr 1991 die Tenns of Trade des Agrarsektors in den letzten Jahren gestiegen. So lag die relative Steigerung des landwirtschaftlichen PPI 1993 und 1994 höher als die des allgemeinen (industriellen) PPI. Die relative Entwicklung der landwirtschaftlichen und der industriellen Produzentenpreise verlief dagegen 1995 und im ersten Halbjahr des Jahres 1996 nahezu parallel. 3. Entwicklung des ungarischen Außenhandels Die Entwicklung des ungarischen Außenhandels seit 1989 ist stark von dem Zusammenbruch des RGW und dem Rückgang der Exporte in die ehemaligen Partnerländer des RGW20 geprägt. Zu der Entwicklung des Handels siehe die Abbildungen A-2 bis A-5 im Anhang. In diesen Abbildungen wird die Entwicklung der Importe aus den Transfonnationsländern und der Exporte in die Transfonnationsländer für die fünf Gütergruppen Energie, Roh- und Verarbeitungsprodukte (Halbfertigwaren), Maschinen und Ausrüstungsgüter, verarbeitete Konsumgüter, Agrarprodukte und Nahrungsmittel ausgewiesen. Als generelle Aussage über die Entwicklung des Außenhandels ist sowohl auf der Import- als auch auf der Exportseite (mit Ausnahme des Bereiches Energie) ein drastischer Rückgang im Handel mit den ehemaligen RGW-Partnerländern zu verzeichnen. Bei der Entwicklung der relativen Anteile (siehe Abbildung A-6 im Anhang) stieg der Anteil der Energieimporte aus dieser Ländergruppe (nach einem Rückgang 1991) auf ca. 50% des gesamten Importwertes (in US$). Auf der Exportseite stieg der Anteil der Agrargüter auf ca. 30%, hingegen sank der Anteil der Maschinen und Ausrüstungsgüter von ca. 42% 1988 auf ca. 10% im Jahr 1995 (siehe Abbildung A-7 im Anhang). Im Außenhandel mit marktwirtschaftlich orientierten Ländern (siehe Abbildung A-8 im Anhang) ist auf der Importseite seit 1988 ein Absinken des Importanteils der Roh- und Halbfertigwaren (von 64% 1988 auf 42% 1995) zu verzeichnen. Der relative Anteil von Maschinen, Ausrüstungs- und Konsumgütern stieg dagegen im gleichen Zeitraum von zusammen etwa 24% 1988 auf 50% 1995. Die Entwicklung der Exportanteile von 1988 bis 1994 im
beiden anderen Indizes resultiert und somit einem gemittelten Wert aus dem Laspeyresund dem Paasche-Index entspricht. 20 Im folgenden werden hierzu Albanien, Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und die Staaten der GUS gerechnet.
33
II. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
Handel mit marktwirtschaftlich orientierten Ländern ist in Abbildung A-9 im Anhang dargestellt. Bei den Ausfuhren stieg mit Beginn der Transformation 1989 der Anteil der verarbeiteten Konsumgüter von ca. 18% auf über 27%, wohingegen der Ausfuhranteil der Maschinen und Ausrüstungsgüter und der Energie im Zeitraum von 1988 bis 1995 unverändert blieb. Gesunken sind die Anteile der Nahrungsmittel und Agrarprodukte, wohingegen der Exportanteil der Roh- und Verarbeitungsprodukte 1995 wieder dem Anteil von 1988 entsprach.
20
15
I--
10
.
-
-
o -5
I--
I--
-
r--
• -- • I
1988
o
I--
I--
1989
Importe
1990
199 1
D
Exporte
1992
1993
I--
I--
-
I--
I--
-
I
I
I
1994 _
1995
1996
Handelsbilanzsaldo
Quelle: 1988-1990: CSO (l991c), S. 52. 1991-1996: OECD, Short Term Economic Indicators, verseh. Jgg.
Abbildung B.5 Entwicklung der ungarischen Handelsbilanz (in Mrd. US$)
Der Gesamtwert der ungarischen Importe, gemessen in US$, stieg während des Transformationsprozesses nahezu kontinuierlich von 9,1 Mrd. US$ über 15 Mrd. US$ im Jahr 1995 an. Demgegenüber verzeichnet die Exportseite eine sehr schwankende Entwicklung. Lag der Wert der Gesamtexporte 1993 mit 8,9 Mrd. US$ unter dem Wert von 1988, so stiegen die Ausfuhren von 1994 und 1995, so daß 1995 ein Ausfuhrerlös von nahezu 13 Mrd. US$ erzielt wurde. Der starke Anstieg der Importe hat besonders dazu beigetragen, daß sich der Handelsbilanzsaldo von einem Überschuß von 1,0 Mrd. US$ 1990 in ein Deftzit von 3,8 Mrd. US$ im Jahr 1994 gewandelt hat. Trotz steigender Exporte in den Jahren 1995 und 1996, hat sich der negative Handelsbilanz3 Bans.
34
B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
saldo 1995 und 1996 bei ebenfalls gestiegenen Importen gegenüber 1994 nur unwesentlich verbessert. Im Anhang wird in den Abbildungen A-I0 und A-l1 die Aufteilung auf die Länder des ehemaligen RGW und die marktwirtschaftlich orientierten Länder auf der Import- und Exportseite dargestellUI Der absolute Wert der Importe aus den ehemaligen RGW-Partnerländern fiel im betrachteten Zeitraum von 4,2 Mrd. US$ (ca. 50% des Gesamtimportwertes) 1988 auf 3,7 Mrd. US$ 1995, was einem relativen Anteil von ca. 24% entspricht. Wie bereits erwähnt, stagnierte der Exportwert zwischen 1988 und 1993 bei ca. 10 Mrd. US$ und stieg in den beiden folgenden Jahren auf 13 Mrd. US$ an. Ähnlich wie auf der Importseite sank der Exportanteil in die ehemaligen RGW-Partnerländer in diesem Zeitraum von 49% auf 24%. Diese Zahlen lassen sich als erstes Indiz für die tiefgreifenden Umstrukturierungen im ungarischen Außenhandel interpretieren. Dieser Wandel vollzog sich in relativ kurzer Zeit vom festen System des "Vertragshandels" innerhalb des RGW zu einem Außenhandel, der sich auf komparative Kostenvorteile gründet. Eine Ursache für diesen erfolgreich verlaufenden Wandel liegt in dem bereits zu Beginn der Transformationsphase hohen Außenhandelsanteil mit marktwirtschaftlich orientierten Ländern. Die Entwicklung des Wechselkurses ist seit Beginn der Transformation 1989 von einer sukzessiven Abwertung des Forint auf schließlich im Jahr 1995 1/3 des nominalen Wertes von 1988 geprägt (siehe Abbildung B.6). Ziel dieser Wechselkurspolitik war ein Ausgleich zwischen interner und externer Inflation, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit ungarischer Exporte zu wahren. 22 Der Verlauf des realen Wechselkurses seit 1990 zeigt, daß die periodischen Abwertungen des ungarischen Forints als Ausgleich der ungarischen Preissteigerung gegenüber der Preisentwicklung auf den Weltmärkten zu einer Überkompensierung führen. 23 Infolgedessen wurde der reale Wechselkurs zwischen 21 Nach 1993 wird bei der Aufteilung des Außenhandels zwischen ehemaligen RGW-Partnerländem, entwickelten Ländern, Entwicklungsländern und sonstigen Ländern unterschieden. Der Importanteil der Entwicklungsländer und der sonstigen Länder betrug 1995 5,5% bei einem Exportanteil in diese beiden Ländergruppen von 3,8%, siehe National Bank 01 Hungary (1996), Monthly Report 2, S. 78 f. Da für dieses Schema nur Daten nach 1993 vorlagen, wurde der ungarische Außenhandel für den hier betrachteten Zeitraum nur auf die beiden erstgenannten Gruppen aufgeteilt. 22 Siehe dazu OECD (1991), S. 47 ff., OECD (1993), S. 59 ff. und National Bank 01 Hungary, verseh. Jgg. 23 Dabei wurde der Index des nominalen Wechselkurses (ForintlUS$) mit der Relation aus ungarischem zu arnerikanischem Produzentenpreisindex bereinigt.
II. Wirtschaftliche Entwicklung während der Transformation
35
1990 und 1992 um ca. 20% aufgewertet. Dabei hat in diesem Zeitraum die reale Aufwertung des Forints zwar einerseits zu einer Begrenzung des ungarischen Exportwachstums geführt, andererseits jedoch die inländische Inflation gemindert. Die in den folgenden Jahren einsetzende leichte Abwertung des realen Wechselkurs hat mit zu dem bereits oben beschriebenen Anstieg der Exporte in den Jahren 1994 und 1995 beigetragen. 120~
____________________==~~====
__________________
1
lOOt---~==~F===-4~------------------------------------~ 8ot-----------~~~----
________________________________~
60t-------------------------~~~--------------------_i 40t-----------------------____________________~~~----~ 20t-----------------------______________________________~
O~~19~8~8--~1~98~9--~1~99~O~~1~99~1----1~9~92~--~19~93~--~19~94~--7.19=975---1~9796~a~)~ ___ realer Wechselkurs
___ nominaler Wechselkurs
a) Angaben für das I. und 2. Quartal 1996. Quelle: National Bank o[Hungary, versch. Jgg., OECD (1992), OECD (1995c) und eigene Berechnungen.
Abbildung 8.6 Entwicklung des nominalen und des realen Wechselkurses des ungarischen Forints gegenüber dem US$ (1988 = 100)
4. Exkurs: Reform des statistischen Erhebungssystems
Die Entwicklung der Methodik der ungarischen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist geprägt durch eine schrittweise Annäherung an "westliche" Standards, wie beispielsweise das System 01 National Accounts, das Basis der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in den OECD-Ländem ist. 24 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die statistischen Daten hauptsächlich aus folgenden Stellen entnommen: 3*
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B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
- Veröffentlichungen des Statistischen Zentralamtes wie Monatsberichte, Jahrbücher, Input-Output-Tabellen und Ausgabenberichte über den Konsum privater Haushalte, - Monatsberichte der ungarischen Nationalbank, die hauptsächlich auf Daten des Finanzministeriums zurückgreifen, - Veröffentlichungen der OECD (wie OECD Economic Surveys, Short Term Economic Indicators u.a.), die quartalsweise erscheinen und jährlich die Quellenlage ausführlich dokumentieren. Bei der Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung im Transformationsprozeß muß berücksichtigt werden, daß die Höhe des Rückgangs von Einkommen und Produktion aus folgenden Gründen überschätzt sein dürfte. Erstens wurde bis Ende 1992 die Höhe der industriellen Produktion und die Beschäftigung nur in Betrieben mit mehr als 50 Beschäftigten auf monatlicher Basis erhoben. Anfang 1993 erfolgte eine Ausweitung bei der Erfassung, so daß seither die Produktion und die Beschäftigung in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten erfaßt sind. Das System der Arbeitsstatistik wurde im Laufe des Jahres 1994 weiter ausgeweitet, so daß seit Beginn des Jahres 1995 die Beschäftigung in Betrieben ab zehn abhängig Beschäftigten erfolgt. Zweitens wurden auf der Basis jährlicher Erhebungen Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 25 Mio. Forint (ca. 500000 DM, 1991) erfaßt. Mit dem Anstieg von privaten Neugründungen und der Privatisierung von staatseigenen Betrieben, die besonders durch die Gründung der "State Property Agency" im März 1990 an Gewicht gewann, verringerte sich der in öffentlichen Statistiken erfaßte Anteil an der gesamten Produktion zusehends. Die Anzahl der offiziell registrierten privaten Unternehmen lag 1989 bei ca. 13000 und stieg in den folgenden Jahren sprunghaft auf ca. 100000 im Jahr 1994. 25 Obwohl keine offiziellen Statistiken über den Anteil der privaten Betriebe an der Gesamtbeschäftigung vorliegen, wird der Anteil auf 26,5% und bei Einbeziehung von staatlichen Betrieben mit privater Beteiligung auf 35,8% geschätzt. 26 Trotz der Ausweitung der Datenerhebung auf kleinere Betriebe ist zu vermuten, daß die Höhe der Produktion aufgrund zu geringer Angaben des
24 Zu einer ausführlichen Beschreibung dieses stufenweisen Prozesses und der Reform der ungarischen Wirtschaftsstatistik siehe OECD und CSO (\ 994). 25 Siehe dazu National Bank 01 Hungary, verseh. Jgg. 26 Diese Zahlen wurden aus dem OECD Survey (1993) entnommen und beziehen sich auf Köllö (1993).
III. Ansätze für eine quantitative EAG-Analyse
37
Umsatzes bzw. des Produktionsvolumens zwecks Minderung von Steuerzahlungen unterschätzt sein dürfteY Der in Tabelle B.1 verzeichnete Rückgang der privaten Nachfrage dürfte z.T. überschätzt sein, da die Konsumausgaben sowohl auf der Ebene von Ladenverkäufen als auch auf Haushaltsebene mit Ausgabenberichten ermittelt wurden. Das gewandelte Kaufverhalten (verstärkte Einkäufe auf privaten Wochenmärkten oder Käufe in privaten Läden) und der Anstieg selbsterzeugter Waren und Dienstleistungen hat bisher in den veröffentlichten Statistiken keine ausreichende Berücksichtigung gefunden. Darüber hinaus ist zu vermuten, daß die Schätzungen der Inflation auf der Grundlage des Konsumentenpreisindexes zu niedrig ausgefallen sind. Dies liegt darin begründet, daß die gestiegenen Kosten für Versicherungen und Kredite, das Wegfallen von Lohnnebenleistungen wie Kantinenessen, Kinderbetreuung etc., der teilweise sprunghafte Preisanstieg von Gütern des privaten Sektors und staatlicher Dienstleistungen bei der Berechnung der Preissteigerung nicht erfaßt wurden. Die hier angeführten Kritikpunkte bzgl. der statistischen Quellen sollen jedoch kein Anlaß sein, dieses Material als vollständig unglaubwürdig erscheinen zu lassen, so daß auf dessen Basis eine quantitative Analyse unmöglich wäre. Die Economic Surveys der OECD von 1991 und 1993 sowie weitere OECD Publikationen28 bescheinigen dem Material des Statistischen Zentralamtes in Budapest eine Qualität, die zwar (noch) nicht der eines deutschen Statistischen Bundesamtes oder von EUROSTAT in Luxemburg entspricht, jedoch im Vergleich zu anderen Transformationsländern hervorragend ist.
111. Ansätze für eine quantitative Allgemeine Gleichgewichtsanalyse Eine Einbeziehung aller in Abschnitt B.H. genannten Elemente in die quantitative Analyse der vorliegenden Arbeit erscheint unmöglich, zum einen, weil sie weder in einem partiellen Modell noch in einem Allgemeinen Gleichgewichtsmodell zu erfassen sind, zum anderen, weil die Aufnahme aller quantifizierbaren Elemente den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. 27 Eine ähnliche Begründung für eine Unterschätzung der landwirtschaftlichen Produktion wird von Jackson/Swinnen (1994) angeführt. 28 Hier sind besonders die Bände: Sources and Definitions der vierteljährlich erscheinenden Short Tenn Indicators, Transition Economics OECD (1993), (1994), (1995d) zu nennen.
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B. Die wirtschaftliche Entwicklung Ungarns im Laufe der Transformation
Bei der Auswahl der zu untersuchenden Aspekte der wirtschaftlichen Transformation Ungarns im Rahmen einer quantitativen Analyse müssen die bereits in der wissenschaftlichen Literatur beschriebenen Untersuchungen Ungarns oder der Ländergruppe der zentral- und osteuropäischen Länder auf der Grundlage von EAG-Modellen berücksichtigt werden. Dazu zählt die Studie von Breuss/Tesche (1994), in der in einem komparativ-statischen ZweiLänder-EAG-Modell unter Einschluß von Österreich die Auswirkungen eines gegenseitigen Abbaues von Handelsbeschränkungen, der Migration von Arbeitskräften sowie die (exogene) Steigerung der Kapitalproduktivität in Ungarn untersucht werden. Dabei führt der angenommene Abbau handelsbeschränkender Maßnahmen zu einer weit größeren Steigerung des ungarischen als des österreichischen Volkseinkommens. Die größten Auswirkungen zeigt die angenommene Steigerung der Produktivität des ungarischen Kapitalstocks. In diesem Szenario steigen sowohl die Produktion als auch - bei steigendem Volkseinkommen - die Importe Ungarns stark an mit der Folge, daß auch die österreichische Volkswirtschaft bei steigender ungarischer Importnachfrage an dieser Entwicklung partizipiert. Hinojosa/Robinson/Tesche (1992) haben in ihrem Drei-Länder-EAG-Modell, das neben Ungarn und Österreich auch die EU einschließt, die Auswirkungen des abrupten Endes des gesamten Außenhandels Ungarn mit den ehemaligen RGW-Partnerländern, den Abbau von direkten Steuern bzw. Produktions subventionen und die Einführung einer Umsatzsteuer in Ungarn untersucht. Darüber hinaus werden in drei Szenarien unterschiedliche Formen einer Zollunion analysiert. Als generelles Ergebnis dieser komparativ-statischen Analyse gilt, daß Ungarn gegenüber einer möglichen Zollunion mit Österreich oder der EU am stärksten von der internen Transformation profitiert. Die Auswirkungen des Zusammenbruchs der Handelsbeziehungen Ungarns zu den ehemaligen RGW-Partnern sind von Hare/Revesz/Zalai (1992) in einem komparativ-statischen EAG-Modell für Ungarn untersucht worden. Aus ihren Ergebnissen läßt sich folgern, daß die künftige Entwicklung des ungarischen Außenhandels entscheidend durch die Fähigkeit seiner Ausrichtung auf marktwirtschaftlich orientierte Länder bestimmt wird. Im Rahmen eines Mehr-Länder-EAG-Modells untersucht Weyerbrock (1994) in ihrer Arbeit die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Migration von Arbeitskräften aus den zentral- und osteuropäischen Ländern in die EU als Folge einer EU-Mitgliedschaft dieser Länder. Bei Unterscheidung zwischen einer Beschäftigung in ländlichen Regionen (rural workers) und in - industriell geprägten - städtischen Regionen (urban workers) hat die Einführung der Gemeinsamen Agrarpolitik in den Beitrittsländern auch eine starke Migration von Beschäftigten aus städtischen in ländliche Regionen innerhalb dieser Länder zur Folge. Als Konsequenz dieser Entwicklung steigen bei Ausdeh-
III. Ansätze für eine quantitative EAG-Analyse
39
nung der Agrarproduktion in den Beitrittsländern die Agrarexporte besonders stark an. Aus diesen genannten Arbeiten läßt sich für die Auswahl möglicher Fragestellungen in der vorliegenden Arbeit folgendes Fazit ziehen. Alle Autoren haben Aspekte des Transformationsprozesses in Ungarn oder anderen Ländern in Mittel- und Osteuropa im Rahmen eines komparativ-statischen Modells untersucht. Somit ist die Transformation der ungarischen Wirtschaft bislang nicht im Rahmen eines dynamischen Modells quantitativ untersucht worden. Darüber hinaus gehen alle Autoren von dem Konzept des vollständigen Wettbewerbs bei einer Entlohnung der Faktoren entsprechend ihren jeweiligen Wertgrenzprodukten aus. Die eigentliche Transformation erscheint in diesen Modellen entweder in Form eines Abbaus von Steuern, Subventionen oder Zöllen - siehe HinojosalRobinsonlTesche (1992) - oder unter der Annahme eines Anstiegs der Produktivität des Gesamtkapitalstocks siehe BreusslTesche (1994). Aufgrund dieser Überlegungen gliedert sich die EAG-Analyse der vorliegenden Arbeit in zwei Bereiche. Im ersten soll die interne, auf den Binnenmarkt orientierte Umstrukturierung untersucht werden, wobei im zweiten Bereich die Entwicklung der ungarischen Außenhandels beziehungen im Zentrum der quantitativen Analyse stehen soll. Bei der Untersuchung der internen ungarischen Transformation sollen folgende Aspekte im Mittelpunkt stehen: - Der Abbau vorbestimmter Kapitalentlohnungsraten ("mark-up pricing") und ein Übergang zu einer Gewinnmaximierung bei vollständigem Wettbewerb ("zero-profit" Annahme) . - Eine Steigerung der intersektoralen Faktormobilität durch Abbau von sektoralen Lohn- und Kapitalrenditedifferenzen. - Eine sich wandelnde Arbeitsnachfrage im Agrarsektor, die ausgehend von der Entlohnung entsprechend dem Durchschnittsprodukt in zunehmendem Maße entsprechend dem Grenzprodukt bestimmt wird. Im Bereich des Außenhandels sollen die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Assoziierungsabkommens mit der EU in seiner bestehenden Form und unter der Annahme weitergehender Zugeständnisse der EU beim Handel mit Agrarprodukten untersucht werden.
C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse In diesem Kapitel werden der grundlegende Aufbau und die Funktionsweise von Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen (EAG-Modellen) dargestellt. Dabei werden einleitend die Grundprinzipien der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse und deren Eigenschaften beschrieben. Die Darlegung des typischen Arbeitsablaufs und der Stärken und Schwächen von Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsanalysen schließt dieses Kapitel ab.
I. Grundprinzipien der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse Den Gegenstand der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie bilden die Interaktionen von Wirtschaftssubjekten auf Produkt- und Faktormärkten im Rahmen eines makro ökonomischen Gleichgewichts.' In einem Allgemeinen Gleichgewichtsmodell werden für alle einbezogenen Güter und Faktoren endogen Preise bestimmt, so daß sich bei gleichgewichtigen Güter- und Faktormärkten die gesamte Volkswirtschaft im Zustand des Allgemeinen Gleichgewichts befmdet. Die Formulierung eines empirischen Modells, das diesen Zusammenhängen Rechnung trägt, erfordert die Bestimmung von Angebotsund Nachfragefunktionen sowie Gleichgewichtsbedingungen für jeden der einbezogenen Märkte. Darüber hinaus müssen Gleichungen formuliert werden, die das Einkommen der einzelnen Wirtschaftssubjekte definieren. Schließlich ist sicherzustellen, daß die Bedingungen des makroökonomischen Kreislaufgleichgewichts erfüllt sind. Ein solches Modell ist in Abbildung C.l unter Verzicht auf die Einbeziehung staatlicher Aktivitäten und Investitionen in stark vereinfachter Form graphisch dargestellt. In dieser Darstellung finden sich neben Mengengrößen und dem Einkommen vier Gruppen von Preisen, gekennzeichnet durch Kästen mit abgerundeten Ecken: die Faktor-, die Verbraucher- und die Erzeugerpreise, durch deren Anpassung das Gleichgewicht auf den jeweiligen Märkten im Inland erzielt wird. Als vierter "Preis" garantiert der Wechselkurs das Außenhandels gleichgewicht. Der "klassische" Güterkreislauf aus Angebot , Zur Einführung in die Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtstheorie siehe z.B. ArrowlHahn (1971). Die Grundlagen der Formulierung von EAG-Modellen werden in Dervis et al. (1982) und Dixit et al. (1992) dargelegt.
41
I. Grundprinzipien der EAG-Analyse
und Nachfrage läßt sich in dieser Darstellung wie folgt nachvollziehen: Aus der Produktion von Waren und Dienstleistungen läßt sich die Nachfrage nach Faktoren ableiten, die wiederum einem begrenzten Faktorangebot gegenübersteht. In einer effIzienten Volkswirtschaft werden die Faktoren Arbeit und Kapital so auf die einzelnen Sektoren verteilt, daß die sektoralen Wertgrenzprodukte den jeweiligen Faktorpreisen entsprechen .
.. ···1
Exporte
i
Erzeugerpreis
'.
t
heimisches Güterangebot
~
( Wechselkurs
J
i
Importe
Haushaltseinkommen
private Nachfrage
Anmerkung: Durchgezogene Pfeile kennzeichnen Kausalbeziehungen und gestrichelte Pfeile Güterströme. Nur ausgewählte Kausalwirkungen und Güterströme sind angegeben. Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung C.! Wirkungszusammenhänge in einem EAG-Modell
Den Haushalten als Eigentümern dieser Faktoren fließen Einkünfte zu, auf deren Grundlage die Haushalte Waren und Dienstleistungen nachfragen. Die private Nachfrage bildet zusammen mit der Vorleistungsnachfrage der einzelnen Sektoren die gesamte Nachfrage, die zum einen aus Gütern inländischer und zum anderen aus Produkten ausländischer Herkunft befriedigt wird. Durch Anpassung der Verbraucherpreise stellt sich das Gleichgewicht aus gesamter Nachfrage und dem Angebot aus inländischer und ausländischer Herkunft ein. Die Erzeugerpreise führen das Gleichgewicht auf der Angebotsseite des EAGModells herbei. Ihre Höhe wird sowohl von der Entwicklung auf den
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C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
Inlandsmärkten als auch durch die Exportpreise bestimmt. Für die Aufteilung der Güterproduktion auf heimisches Güterangebot und Exporte ist die Preisrelation von inländischem Angebotspreis und Exportpreis relevant. In dem vorliegenden Modell wird von der Annahme eines kleinen Landes mit gegebenen Weltmarktpreisen ausgegangen. Veränderungen der Im- oder Exporte haben somit keinen Einfluß auf die Weltmarktpreise, sie wirken sich jedoch auf die Höhe des Wechselkurses aus. Eine Störung der sich im gleichgewichtigen Zustand befmdenden Volkswirtschaft - z.B. durch eine exogene Änderung des Weltmarktpreisniveaus oder die Änderung des Faktorangebotes wird sich im Rahmen des skizzierten Wirkungszusammenhangs im Modell fortpflanzen. Durch die Anpassung aller endogenen Größen wird die Volkswirtschaft ein neues Allgemeines Gleichgewicht erreichen. Als ein erstes Fazit aus dieser knappen Beschreibung der wichtigsten Strukturelemente eines EAG-Modells läßt sich folgern, daß sich einerseits in EAG-Modellen komplexe Wirtschaftsabläufe sowohl auf der Seite der Produktmärkte als auch auf der Seite der Faktormärkte nachvollziehen lassen. Andererseits erfordert dieser Ansatz im Gegensatz zu partiellen Modellen einen hohen Aufwand bei der Modellkonstruktion sowie bei der Erstellung des Datensatzes. Zur weiteren Abgrenzung gegenüber Partialmodellen soll auf zwei charakteristische Eigenschaften von Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen eingegangen werden: erstens die Bestimmung von absoluten Preisen und zweitens die Gültigkeit des Walras-Gesetzes. In EAG-Modellen werden typischerweise die Angebotsfunktionen der Produzenten aus der Maximierung einer Gewinnfunktion und die Nachfragefunktionen des Haushaltes aus der Maximierung einer Nutzenfunktion abgeleitet. Deshalb sind in EAG-Modellen üblicherweise alle Angebots- und Nachfragegleichungen homogen vom Grade Null, d.h., eine prozentual gleiche Erhöhung aller Preise und des Einkommens hat keinen Einfluß auf die relativen Preise und somit keinen Einfluß auf die realen Mengen. Deshalb können nur die relativen Preise, nicht aber die absoluten Preise bestimmt werden. Die Ermittlung der absoluten Preise erfolgt in einem EAG-Modell mit n Gütern durch die Normierung aller n-l Preise auf den Preis des Gutes n, der exogen vorgegeben wird. 2 Die zur Normierung konstant gesetzte Preisvariable wird als Numeraire bezeichnet. Die Auswahl des Numeraire-Gutes, zu dessen Preis sich alle anderen Güterpreise relativ entwickeln, ist aufgrund der Homogeni-
2 Theoretisch denkbar, bisher aber nur in wenigen Fällen praktiziert, ist auch die Einbeziehung des Geldmarktes in ein EAG-Modell, die dann auch eine endogene Ermittlung aller absoluten Preise erlauben würde.
II. Theoretische Struktur von EAG-Modellen
43
tätsannahme ohne Einfluß auf das Gleichgewicht auf den Güter- und Faktormärkten. Eine zweite Besonderheit von Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen kommt in der Gültigkeit des Walras-Gesetzes zum Ausdruck. Dieses Gesetz besagt, daß in einer Volkswirtschaft im Zustand des Allgemeinen Gleichgewichtes die Summe der Überschußnachfrage aller Märkte den Wert Null ergibtl Diese Gesetzmäßigkeit hat bei rn Wirtschaftssubjekten (Unternehmen oder Haushalte) und n Märkten eine der beiden folgenden Konsequenzen: 1. Wenn bei allen Wirtschaftssubjekten die Einnahmen den Ausgaben entsprechen und n-l Märkte im Gleichgewicht sind, dann liegt in Markt n ebenfalls ein Marktgleichgewicht vor. 2. Wenn sich in allen n Märkten Angebot und Nachfrage entsprechen und bei rn-I Wirtschaftssubjekten Einnahmen und Ausgaben gleich sind, dann stimmen auch beim m-ten Wirtschaftssubjekt Ausgaben und Einnahmen überein.· Das in Abbildung C.l skizzierte Modell erfordert in der praktischen Umsetzung neben der Einbeziehung staatlicher Aktivitäten (Erhebung von Steuern und Zöllen sowie staatliche Nachfrage) die Aufnahme von Investitionen. Der letztgenannte Bereich gewinnt besondere Bedeutung bei der Formulierung dynamischer Modelle, in denen sich auf der Grundlage von Investitionen die sektoralen Produktionskapazitäten erweitern und gesamtwirtschaftliche Wachstumsprozesse im Rahmen von EAG-Modellen analysiert werden können. Auf die Berücksichtigung von staatlichen Aktivitäten und Investitionen in EAG-Modellen wird in den Abschnitten E.V. und F.I.2. eingegangen.
11. Theoretische Struktur von EAG-Modellen Grundlage der Darstellung der theoretischen Struktur von EAG-Modellen soll ein neoklassischer Prototyp sein, bei dem in Anlehnung an die walrasianische Theorie von einem statischen Konkurrenzgleichgewicht mit flexiblen Preisen und intersektoral mobilen Faktoren ausgegangen wird. Auf mögliche Marktunvollkommenheiten wie Z.B. einen fixen Wechselkurs, unvollkommenen Wettbewerb oder begrenzte Faktormobilität (besonders des Faktors Kapital) wird in diesem Abschnitt nicht eingegangen. 3 Siehe dazu bspw. Layard/Walters (1978), S. 55 f. • Bei dieser Darstellung wird auf der Produktionsseite von konstanten Skalenerträgen ausgegangen, bei denen sich Erlöse und Kosten entsprechen und kein Gewinn erzielt wird. Auf der Nachfrageseite wird angenommen, daß die Konsumenten ihr verfügbares Einkommen nach Abzug der Sparsumme vollständig ausgeben.
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C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
Übersicht C.1 gibt einen Überblick über die Grundstruktur eines EAGModells für eine kleine offene Volkswirtschaft. Dabei werden die Verhaltensgleichungen in allgemeiner Schreibweise wiedergegeben. Die Herleitung erfolgt in Kapitel D. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird auf die Einbeziehung mehrerer Güter verzichtet. Im grundlegenden Aufbau aller EAG-Modelle lassen sich drei Komponenten identifIzieren: Erstens, Verhaltensgleichungen, die i.d.R. Ausdruck eines optimierenden Kalküls sind und die Höhe der Nachfrage und des Angebotes bestimmen, zweitens, Gleichungen, die die Verteilung des Volkseinkommens auf die einzelnen Wirtschaftssubjekte (private und öffentliche Haushalte sowie die Unternehmen) defmieren. Die dritte Komponente schließt neben den Gleichungen, die die Preise defInieren, die Gleichgewichtsbedingungen ein, zu denen die Markträumungsbedingungen, die Defmition des makroökonomischen Gleichgewichts und die Identitäten gemäß der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung gehören. Die Gleichungen 1 bis 11 beschreiben das Verhalten der einzelnen Wirtschaftssubjekte. Die Unternehmen erstellen Güter unter Einsatz von Arbeit, Kapital und Vorleistungen (Gleichung 1). Unter der Annahme gewinnmaximierenden Verhaltens ergeben sich die Nachfragefunktionen nach den Faktoren Arbeit und Kapital (Gleichungen 2 und 3). In dem vorliegenden Modell wird das gesamte Faktorangebot als gegeben angenommen. Bei der Nachfrage nach Vorleistungen wird in den meisten EAG-Modellen von einer LeontiefTechnologie mit festen KoeffIzienten ausgegangen, so daß zwischen Vorleistungsgütern und Produktionsfaktoren keine Substitutionsprozesse stattfmden können (Gleichung 4). Die Komponenten der heimischen Endnachfrage werden in den Gleichungen 5 und 6 defmiert. Dabei beschreibt Gleichung 5 die Konsurnnachfrage. In EAG-Modellen mit mehreren Gütern wird die Konsumgüternachfrage typischerweise aus der Maximierung der Nutzenfunktion eines repräsentativen Konsumenten hergeleitet. Gleichung 6 bestimmt, wie die gesamten Investitionen für die Kapitalgüternachfrage verwendet werden. Als dritte Komponente der heimischen Endnachfrage wird der reale Konsum des Staates als konstant angenommen. Bei der Darstellung des Außenhandels wird von der Annahme eines kleinen Landes ausgegangen, d.h., Importangebot und Exportnachfrage sind bei konstanten Weltmarktpreisen vollkommen elastisch. In Abweichung von den Annahmen des Heckscher-Ohlin-Modells werden die Güter als imperfekte Substitute auf der Importseite angesehen. Analog dazu werden die produzierten Güter, die für den Export bestimmt sind, als qualitativ unterschiedlich gegenüber den heimischen Verkäufen betrachtet. Die Annahme imperfekter
45
II. Theoretische Struktur von EAG-Modellen
Übersicht C. J Grundstruktur eines EAG-Modells für eine kleine offene Volkswirtschaft Reale Variablen (I) Produktion
(2) Arbeitsnachfrage (3) Kapitalnachfrage
X=f(LN,KN) LN = f(W, pq, PX) KN = f(R, pq, PX)
(4) Vorleistungsnach- yN = feX) frage (5) Konsumnachfrage CN= f(pq, (6) Investitionsnachfrage (7) Endnachfrage (8) Exporttransformation
ZN = f(pq,
C) Z)
(17) Faktoreinkommen (18) Staatseinnahmen
y = pWs X (1- r ws) F
y G= pWs. X r
ws +
Tm pm M _ T e.pe E
(19) Konsumausgaben
C= f( YF)
(20) private Ersparnisse
S p=
Y F- C
Markträumung (21) Gütermarkt (22) Arbeitsmarkt
QN= CN+ZN+yN+ G N (23) Kapitalmarkt KN_ K A= 0 Makroökonomisches Gleichgewicht X = feE, DA) (24) Staatshaushalt y G _ pq GN = S G
(9) Importaggregation QN = f(M, ON) (10) Exportangebot
Nominale Variablen
-
(25) Handelsbilanz
E / DA = f(pe, pd)
(11) Importnachfrage M / ON = f(pd, pd)
pmM-peE=HB
Z=
(26) Investition = Ersparnis (27) Numeraire
sP+ SG+ e HB
Identitäten pm = e. P m(I + T M) (28) Produktionswert = Erlöse px.x = pe. E + pd·DA (\ 3) Exportpreis pe = e pe (I + e) (29) Nachfrage = Adsorption pq.QN = pm·M + pd·Dd (30) Erlöse = Kosten px.X = pws.x + pq.yN (\4) Konsumentenpreis pq = f(pm, pd) (15) Produzentenpreis px = f(pe, pd) (31) Konsumnachfrage = Ausgaben pq CN= (16) Faktorentlohnung pWs= f(P" pq) (32) Invest.nachfrage = Ausgaben
Preise
(\2) Importpreis
r
C
Endogene Variablen: X = Produktion, LN = Arbeitsnachfrage, KN = Kapitalnachfrage, CN = privater Konsum, yN = Vorleistungsnachfrage, ZN = Investitionsnachfrage, QN= heimische Endnachfrage, E = Exporte, DA = heimisches Angebot, M = Importe, DN = heimische Nachfrage nach heimischer Produktion, Y F = Faktoreinkommen, y G= Staatseinnahmen, C = nominaler Konsum, S P = privates Sparen, S G = staatliches Sparen, Z = nominale Investitionen, pq = Konsumentenpreis, px = Erzeugerpreis, pe = Exportpreis in heimischer Währung, pm = Importpreis in heimischer Währung, pd = Preis für heimische Güter, pws = Preis für Wertschöpfung, W = Lohnsatz, R = Kapitalrendite, e = nominaler Wechselkurs.
r
Exogene Variablen: Tm = Importzoll, Te = Exportsteuer, Ws = Wertschöpfungssteuern, HB = Handelsbilanz ( in US$) , G N = realer Staatskonsum, Pi = Preisindex (Numeraire), pm = Weltmarktpreis für Importe (in US$), pe = Weltmarktpreis Hir Exporte (in US$), LA = gesamtwirtschaftliches Arbeitsangebot, K A = gesamtwirtschaftliches Kapitalangebot. Nominale Größen sind durch eine Tilde (-) gekennzeichnet. Quelle: In Anlehnung an Robinson (1989), S. 916 f.
46
C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
Substituierbarkeit gehandelter Güter gewährleistet eine gewisse Autonomie fiir das inländische Preissystem. So fiihrt die Einfiihrung eines Importzolles je nach Grad des Anteils der Einfuhren an der Endnachfrage zu geringeren inländischen Preissteigerungen als unter den Annahmen des Heckscher-OhlinModells. Unter der Annahme von Erlösmaximierung der Produzenten und Kostenrninimierung der Verbraucher ergeben sich die Gleichungen 10 und 11 als Funktion des Verhältnisses zwischen inländischem Preis und Export- bzw. Importpreis. In der Defmition des Import- und des Exportpreises in heimischer Währung (Gleichungen 12 und 13) kommt die Annahme des kleinen Landes zur Geltung. Importzölle bzw. Exportsteuern können die Einfuhr- und Ausfuhrpreise vom Niveau der Weltmarktpreise anheben und absenken. Die Weltmarktpreise hingegen werden als gegeben angenommen. Konsumentenund Erzeugerpreise werden als zusammengesetzte Preise in den Gleichungen 14 und 15 defmiert. Gleichung 16 defmiert den fiir die Faktorentlohnung relevanten Preis der Wertschöpfung. Die Gleichungen 17 bis 20 bestimmen die Höhe der nominalen Variablen des EAG-Modells, d.h. die Höhe der Einkommen und Ausgaben der Wirtschaftssubjekte. Den privaten Haushalten fließen Einkünfte aus Arbeit und Kapitalvermögen zu (Gleichung 17), von denen sie einen Teil in Form von Steuern an den Staat entrichten. Neben diesen direkten Steuereinnabmen empfangt der Staat Einkünfte aus Importzöllen. In Gleichung 18 werden diese Zolleinnabmen mit den Ausgaben fiir Exportsubventionen saldiert. Die privaten Haushalte verwenden ihr Nettoeinkommen zum Konsum (Gleichung 19) oder zum Sparen (Gleichung 20). Zur Ermittlung der gleichgewichtigen Preise und Mengen auf den einzelnen Faktor- und Gütermärkten müssen im EAG-Modell explizite Bedingungen formuliert werden. Im walrasianischen Modell mit vollkommen flexiblen Faktor- und Güterpreisen sind im Gleichgewicht alle Märkte geräumt, d.h., die Überschußnachfrage ist in allen Märkten gleich Null (Gleichung 21 bis 23). In der hier vorgestellten theoretischen Struktur wird von einem gegebenen Faktorangebot ausgegangen. Neben diesen Gleichgewichtsbedingungen auf den Güter- und Faktormärkten enthält das EAG-Modell Gleichgewichtsbedingungen fiir die makro ökonomischen Aggregate: Staatshaushalt (Gleichung 24) und Handelsbilanzssaldo (Gleichung 25) sowie die Gleichheit von aggregierten Investitionen und aggregierten Ersparnissen (einsch!. Kapitalimporte) (Gleichung 26). Um das EAG-Modell lösen zu können, bedarf es makroökonomischer Schließungsregeln ("closures"), die die exogenen und die endogenen Variablen der Gleichungen 24 bis 27 festgelegen. So kann in Gleichung 24 entweder die Höhe der staatlichen Ersparnis (der Budgetsaldo) oder, wie im vorliegenden Fall, die Höhe der realen Nachfrage fixiert sein. Die Handelsbi-
111. Der typische Arbeitsablauf einer EAG-Analyse
47
lanz ist entweder - wie hier - durch einen gegebenen Bilanzsaldo oder durch einen fixierten Wechselkurs geprägt. Die dritte "closure-rule" ist die in der EAG-Literatur am intensivsten diskutierte: die Gleichheit von Investition und Sparen. l In dem vorliegenden Fall ist keine explizite Investitionsfunktion definiert. Die Investitionen werden als endogene Summe aus privaten, staatlichen und ausländischen Sparleistungen defmiert. Die letzten Gleichungen 28 bis 32 sind keine unabhängigen Gleichungen, sondern werden von den Eigenschaften der Verhaltensgleichungen determiniert. So garantiert bspw. die Homogenität der Nachfragefunktion der privaten Haushalte, daß Gleichung 31 errullt ist. Die Gültigkeit dieser Gleichungen spiegelt das im vorangegangenen Abschnitt beschriebene Walras-Gesetz wider, wonach die Überschußnachfrage über alle Märkte gleich Null ist. Diese Eigenschaft hat im EAG-Modell zur Folge, daß erstens die Gleichgewichtsbedingungen nicht voneinander unabhängig sind und somit keine absoluten Preise bestimmt werden können. 6 Als zweite Folge wird in EAG-Modellen eine Identitätsgleichung gestrichen.
111. Der typische Arbeitsablauf einer EAG-Analyse Der typische Arbeitsablauf einer EAG-Analyse, dargestellt in Abbildung C.2 in Form eines Flußdiagramms, umfaßt drei Phasen: erstens die Formulierung des Modells und die Erstellung des Datensatzes, zweitens die Berechnungen von Simulationen, drittens die ökonomische Interpretation der Modellergebnisse. Jede dieser Arbeitsphasen soll im folgenden etwas näher betrachtet werden. Am Anfang einer EAG-Analyse steht die Formulierung eines theoretischen Modells als Abstraktion des zu untersuchenden Sachverhalts. Untrennbar verbunden mit der Formulierung eines theoretischen Modells ist die Zusammenstellung einer konsistenten Datenbasis, bei deren Erstellung angenommen wird, daß sich die Volkswirtschaft tatsächlich in einem Gleichgewichtszustand befmdet. Da die konsistente Datenbasis als Bezugspunkt rur die Beurteilung von Politikalternativen dient, wird sie auch als Referenzgleichgewicht (Benchmark Equilibrium) bezeichnet. Für die Erstellung einer konsistenten Datenbasis werden empirische Daten rur ein bestimmtes Jahr oder die Mittelwerte rur eine Reihe von Jahren verwendet. Wichtigste Datenquellen sind Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (national accounts), Input-OutputSiehe dazu Rattse (1982) sowie Robinson (1989) und (1991). Zur Bestimmung der relativen Preise unter Einbeziehung eines Numeraires siehe Gleichung 27. l
6
48
C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
Tabellen, Verbrauchsstichproben sowie Steuer- und Handelsstatistiken. Die von der amtlichen Statistik veröffentlichten Daten können jedoch oftmals nicht unmittelbar übernommen, sondern müssen bearbeitet werden. Ausgabedaten: VGR, Input-Output-Tabellen, Einkommens- und ~ Verbrauchsstichproben u.a.
Konstruktion einer mikroökonomisch konsistenten Datenbasis
I+-
1
Wahl des theoretischen Modells; Spezifikation der Funktionen
Ökonometrische Schätzung Reproduktion des Endogene Ermittlung der und/oder Übernahme von freien Parameter ++ Ausgangsgleich~ Elastizitäten aus der (Kalibrierung) gewichts Literatur
1
----+
Politikänderung/externer Schock
1 Berechnung eines neuen Gleichgewichts
InterpretaWeitere tion der 1....- Analysen Ergebnisse
1
~
Bewertung durch Vergleich der verschiedenen Gleichgewichte
Quelle: In Anlehnung an Shoven/Wha/ley (1984), S. 1019. Eigene Darstellung.
Abbildung C.2 Vorgehensweise bei der Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
Die gegenwärtig in der amtlichen Statistik verwendeten Rechnungssysteme sind eher an Makro- als an Mikrogrößen orientiert. So werden bestimmte Daten überhaupt nicht bzw. nicht auf dem von einem EAG-Modell verlangten Disaggregationsniveau erhoben. So sind bspw. die vom ungarischen Statisti-
III. Der typische Arbeitsablauf einer EAG-Analyse
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sehen Zentralamt" in Budapest veröffentlichten Input-Output-Tabellen nach der "Systematik der Produktionsbereiche in Input-Output-Rechnungen" gegliedert, während bei der Darstellung der Verbrauchs stichproben der Nachfrage der privaten Haushalte ein anderes Aggregationsschema fiir die Gütergruppen zugrunde liegt. Erschwerend kommt hinzu, daß die Input-OutputTabellen vom Ab-Werk-Preis ausgehen, die Stichproben bei der Darstellung der privaten Haushaltsnachfrage dagegen den Einzelhandelspreis verwenden. Der Weg von den Rohdaten der amtlichen Statistik zu einer konsistenten Datenbasis des EAG-Modells ist folglich mit einer Reihe von Anpassungen und Adjustierungen der Ausgangsdaten verbunden. Bei der Entwicklung des Modells und der dazugehörigen Datenbasis muß daher stets sorgfältig abgewogen werden, welche Daten als relativ zuverlässig zu betrachten sind und welche Daten relativ hohe Fehlerquoten aufweisen. 8 Die zweite Arbeitsphase setzt die Implementierung des im ersten Arbeitsschritt formulierten theoretischen Modells sowie eines geeigneten numerischen Lösungsverfahrens auf einem Computer voraus und beginnt mit der numerischen Bestimmung der Modellparameter. 9 Dabei ist im Grundsatz eine ökonometrische Schätzung (zumindest eines großen Teils) der Parameter denkbar und erstrebenswert. Allerdings fmdet üblicherweise fiir die Mehrzahl der Parameter ein Verfahren Anwendung, das in der Literatur als "Kalibrierung" (calibration) bezeichnet wird. Bei diesem Verfahren werden die Parameter des Modells gerade so gewählt, daß das theoretische Modell die konsistente Ausgangsdatenbasis als Gleichgewichtslösung reproduziert. Die Kalibrierung birgt das Problem der Unterbestimmtheit, da sich nicht alle Parameter aus der Ausgangsdatenbasis bestimmen lassen. Dies trifft insbesondere fiir die Elastizitätsparameter zu, die entweder ökonometrisch geschätzt oder der ökonometrischen Literatur entnommen werden müssen. Eine Schätzung aller Elastizitätsparameter würde ausreichend lange Zeitreihen verlangen und deshalb den Bedarf an Daten, neben dem eigentlichen Datensatz fiir das EAG-Modell, um ein Vielfaches ansteigen lassen. Sie ist in den meisten Fällen aus Gründen mangelnder Datenverfiigbarkeit nicht durchfiihrbar. Ein weiteres Problem einer ökonometrischen Schätzung liegt darin, daß über den gesamten Schätzzeitraum ein konstantes Verhalten unterstellt wird. So müßte bspw. bei der Schätzung von Substitutionselastizitäten auf der Grundlage historischer Daten von einem konstanten Unternehmerverhalten ausgegangen werden.
7 Im folgenden wird das offizielle englische Kürzel des "Central Statistical Office" CSO verwendet. 8 Zu der Zuverlässigkeit der Datenbasis siehe Abschnitt 0.11.2. 9 Zu der numerischen Spezifikation von EAG-Modellen siehe MansurlWhalley (1984).
4 Banse
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c. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
Diese Annahme wäre gerade unter der gegenwärtigen Situation in Ungarn unhaltbar. 10 Bei entsprechend genauer Bestimmung aller Parameter muß sich nach Beendigung der Kalibrierung durch Lösung des Gleichungssystems des EAGModells der Ausgangsdatensatz reproduzieren lassen. Dabei wären Fehler im Computerprogramm, Inkonsistenzen im theoretischen Modell oder in der Kalibrationsprozessur sofort erkennbar, weil sie die Reproduktion des Referenzgleichgewichts unweigerlich verhindern. Das Ergebnis der Replikation wird als Basislauf bezeichnet und dient später bei der ökonomischen Analyse der Simulationsergebnisse als Referenzsystem einer unveränderten Ausgangslage. Daran schließt sich die eigentliche Entwicklung von Szenarien an, in denen Auswirkungen von Politikänderungen oder andere exogene Störungen, deren Auswirkungen untersucht werden sollen, in eine modelläquivalente Form umzusetzen sind. Das hiernach errechnete Alternativgleichgewicht ist dann das Ergebnis der Reaktion des Modells auf eine solche exogen vorgegebene Störung. Entsprechend den in Abbildung C.l dargelegten Wirkungszusammenhängen bildet sich unter Einbeziehung aller Interdependenzen und Rückkopplungen, die bei der Modellkonstruktion berücksichtigt worden sind, ein Alternativgleichgewicht heraus. Die dritte Arbeitsphase beschäftigt sich mit dem rur Ökonomen besonders wichtigen Teil, der Bewertung und Interpretation der Simulationsergebnisse, beruhend auf dem Vergleich des Alternativgleichgewichts (Ergebnis des Simulationsszenarios) mit dem Referenzgleichgewicht (Basislauf). Aus diesem Vergleich lassen sich die Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen oder anderer exogener Schocks analysieren. Unter Berücksichtigung der vereinfachten Darstellung komplexer ökonomischer Wechselwirkungen zwischen allen Wirtschaftssubjekten im Rahmen eines EAG-Modells und der entsprechenden Annahmen dieser Modelle lassen sich so die Konsequenzen sektorspezifischer wirtschaftspolitischer Maßnahmen aufzeigen.
10 Die Einbeziehung von Elastizitätsparametem aus der Literatur wird ausführlich in Abschnitt E.IX.l. diskutiert.
IV. Stärken und Schwächen von EAG-Analysen
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IV. Stärken und Schwächen von EAG-Analysen In diesem Abschnitt soll im Überblick auf einige wichtige Vor- und Nachteile von EAG-Analysen im Vergleich zu Partialmodellen eingegangen werden. 11 Der Einsatz von partiellen Gleichgewichtsmodellen ist entscheidend davon abhängig, inwieweit die ceteris paribus-Bedingung als gültig angenommen werden kann. Die Beantwortung dieser Frage steht im Zusammenhang mit dem betrachteten Sektor. Falls dieser einen hohen Anteil an der Gesamtbeschäftigung, am Volkseinkommen oder an den Konsumentenausgaben hat, ist bei einer sektoralen Änderung von wirtschaftspolitischen Maßnahmen (wie Z.B. Abbau von Agrarsubventionen) mit weitreichenden Konsequenzen zu rechnen, die die Gültigkeit der ceteris paribus-Bedingung in hohem Maße in Frage stellen. In partiellen Modellen würde unter der Annahme unbegrenzter Verfiigbarkeit von Ressourcen z.B. die Berechnung der Änderung von Produzenten- und Konsumentenrente sowie der Änderung der staatlichen Transfers erfolgen. Demgegenüber steht bei der EAG-Analyse die Einbeziehung der Konsequenzen von wirtschaftspolitischen Änderungen über den Rahmen des betrachteten Sektors hinaus im Vordergrund. Die Vorteile dieses Ansatzes lassen sich, auf die wesentlichen Gesichtspunkte reduziert, wie folgt zusammenfassen: 1. Die grundsätzliche Stärke von EAG-Analysen liegt in der soliden rnikroökonomischen Fundierung der verwendeten Modelle. In diesen wird das Verhalten der Wirtschaftssubjekte auf der Basis der aus der mikroökonomischen Theorie abgeleiteten Optirnierungs- und Entscheidungsgrundsätze beschrieben. 2. In EAG-Modellen ergibt sich die Möglichkeit, alle als essentiell erachteten Aspekte eines Problems - einschließlich sämtlicher Interdependenzen und Rückkopplungen - im Rahmen eines einzigen, in sich konsistenten Ansatzes in systematischer Art und Weise zu berücksichtigen. So wird, im Gegensatz zu partiellen Modellen, bei Anwendung dieses Modelltyps nicht von einem gegebenen Einkommen und gegebenen Faktor- oder Kreuzpreisen ausgegangen, sondern die durch eine Güterpreis- und Produktionsänderung hervorgerufenen Faktorpreis-, Einkommens- und Nachfrageänderungen werden mit einbezogen.
11 Siehe dazu auch Borges (1986) und Kühn (1988), S. 3 f., des weiteren vergleicht Willenbockel (1994) die Anwendung von partiellen (S. 13 ff.) und allgemeinen Gleichgewichtsmodellen (S. 39 ff.).
4'
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C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
3. Im Rahmen der meisten ökonomischen Analysen in Partialmodellen werden die zugrundegelegten Modelle mit Methoden gelöst, die strenggenommen nur für "kleine" Veränderungen der Parameterwerte oder exogener Variablen Aussagekraft besitzen. Durch ihre Modellstruktur erlauben EAGAnalysen dagegen auch eine adäquate Untersuchung von Politikalternativen, die erhebliche Umgestaltungen berücksichtigen. Bei der Analyse "großer" Veränderungen, bei denen Auswirkungen auf die Höhe der Faktorpreise und das Einkommen zu vermuten sind, ist die Anwendung partieller Modelle aufgrund der erwähnten Annahme gegebener Faktorpreise und gegebenen Einkommens problematisch. Die Möglichkeit, "große" Veränderungen abzubilden und ihre Auswirkungen sowohl auf der Produktionsseite als auch auf der Nachfrageseite darstellen zu können, ist in der vorliegenden Arbeit von besonderer Bedeutung, da im Laufe der Transformation der ungarischen Volkswirtschaft viele tiefgreifende, "große" Veränderungen stattgefunden haben. Wendet man sich den Nachteilen von EAG-Analysen zu, so scheinen vor allem die folgenden Punkte relevant: I. Eine offenkundige Schwäche fast aller EAG-Modelle liegt darin, daß bei
der numerischen SpezifIkation der Modellparameter auf das Verfahren der Kalibrierung zurückgegriffen wird. 12 Die Mehrzahl der Elastizitäten in EAG-Modellen wird daher aus der ökonometrischen Literatur übernommen. Die weiteren Parameter werden unter Verwendung der exogen festgelegten Elastizitäten gerade derart bestimmt, daß das Modell das Ausgangs gleichgewicht reproduziert. Durch diese deterministische Bestimmung der Parameter über einen einzigen Beobachtungswert sind statistische Testverfahren für die "Güte" der Kalibrierung von vornherein ausgeschlossen, was die empirische Aussagekraft von EAG-Analysen einschränkt. In der Literatur werden verschiedene Möglichkeiten diskutiert, IJ die empirische Validität von EAG-Analysen auf ein solideres Fundament zu stellen. Im wesentlichen laufen alle Versuche darauf hinaus, über systematische Sensitivitätsanalysen die Abhängigkeit der Untersuchungsergebnisse von variierenden Parameterwerten aufzudecken.
2. Eine weitere Schwäche von vielen EAG-Modellen, die eng mit der Parameterkalibrierung zusammenhängt, ist die Restriktivität der funktionalen Formen der Produktions- und Nutzenfunktionen. So werden in den meisten Fällen aus Gründen der Vereinfachung Cobb-Douglas- oder Stone-Geary12 Zu der Diskussion der Möglichkeit einer vollständigen ökonometrischen Schätzung der Parameter von EAG-Modellen siehe die Artikel von Jorgenson (1984), Jorgenson/Slesnick (1985) und Jorgenson/Yun (1986). IJ Siehe dazu Roberts (1994), Harrison et al. (1993) und Pagan/Shannon (1985).
IV. Stärken und Schwächen von EAG-Analysen
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Nutzenfunktionen unterstellt. Diese Funktionen gehören alle zur Familie der additiven und homothetischen Funktionen mit den bekannten Konsequenzen bezüglich der Preis- und Einkommenselastizitäten. Bei solchen Einschränkungen werden mit der Wahl einer bestimmten funktionalen Form einige Untersuchungsergebnisse schon implizit festgelegt. Eine Alternative zu den konventionellen funktionalen Formen sind sogenannte flexible funktionale Formen wie etwa auf der Nachfrageseite das "Almost Ideal Demand System" von DeatonlMuelibauer. 14 Flexible funktionale Formen haben bisher jedoch in Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen kaum Anwendung gefunden. ls Ursachen hierfür sind vor allem die erheblichen Anforderungen an die verfügbaren Daten und die Tatsache, daß derartige Systeme lediglich lokale Approximationen beliebiger Nachfragefunktionen darstellen. 16 Um einen Beitrag zur Überwindung der mit restriktiven Funktionsformen verbundenen Probleme zu leisten, ist die Implementierung eines ökonometrisch geschätzten Systems von Nachfragegleichungen mit flexibler Funktionsform im Rahmen eines EAGModells eines der zentralen methodisch orientierten Ziele der vorliegenden Arbeit. 3. Da in EAG-Modellen aufgrund der Annahme gewinnmaximierenden Verhaltens der Produzenten nur die Produktions-, nicht jedoch die Angebotsfunktionen explizit berücksichtigt sind, lassen sich die Ansatzpunkte politischer Maßnahmen nur schwer wiederfinden. Dies gilt besonders für die Kombination von verschiedenen wirtschaftspolitischen Maßnahmen mit Wirkung auf dieselbe ökonomische Variable, wie bspw. die Kombination von Flächenstillegungsverpflichtungen und der Gewährung von Ausgleichszahlungen als Instrument der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union. 4. Oft erweist sich die oben beschriebene Stärke von EAG-Analysen, die Einbeziehung vielfacher Rückkopplungen, bei der Interpretation der Ergebnisse als Nachteil, da nahezu alle Variablen voneinander abhängig sind. 5. Ein weiterer, oftmals geäußerter Kritikpunkt, auf den schon in der Einleitung dieser Arbeit hingewiesen wurde, ist die Komplexität von EAG-AnaSiehe DeatonlMuellbauer (I 980a) und Abschnitt F.I. J. b). Im Rahmen von EAG-Modellen für einzelne Länder wurden sie bisher nur von Jorgenson (1984) und JorgensonlSlesnick (1985) benutzt. Darüber hinaus fanden flexible funktionale Fonnen in Mehr-Länder-EAG-Modellen Anwendung. Siehe dazu Robinson et al. (1992) und Weyerbrock (1994). 16 Siehe dazu die Darstellung des empirisch geschätzten, linear approximierten Nachfragesystems in Abschnitt F.I.1.c). 14 IS
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C. Grundlagen der Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse
lysen, weshalb EAG-Modelle häufig als "Black Box" angesehen werden. Ausschlaggebend hierfiir ist in der Regel nicht der Komplexitätsgrad, den viele EAG-Modelle inzwischen erreicht haben, sondern der Umstand, daß in den meisten Veröffentlichungen das Vorgehen der Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse nicht ausreichend dokumentiert wird. Dies betrifft besonders das Problem der fiir das numerische Ergebnis des Modells bedeutsamen Festlegung abschließender makroökonomischer Gleichungen (closures). Daher ergibt sich bei mangelnder Transparenz der EAG-Analyse oftmals das Problem, daß die verschiedenen Simulationsläufe nur schwer nachvollziehbar sind. Aus diesem Grund wird in den folgenden Abschnitten der vorliegenden Arbeit das EAG-Modell in seiner Struktur und Funktionsweise eingehend dargelegt. 6. Ferner werden EAG-Analysen bisweilen mit dem Vorwurf konfrontiert, daß die ihnen zugrundeliegenden Modelle besonders in Hinblick auf die unter 3. genannten Punkte zu "einfach" und "realitätsfern" seien. Die hier erörterten Schwächen können die Frage aufwerfen, was EAGAnalysen tatsächlich zu leisten vermögen. Die EAG-Analysen können weder exakte Prognosen noch defmitive Lösungen fiir wirtschaftspolitische Probleme bieten. So ist es auch nicht Ziel der vorliegenden Arbeit, die Transformation der ungarischen Volkswirtschaft in ihrer Gesamtheit abzubilden, zu analysieren und ihren weiteren Verlauf in der Zukunft zu prognostizieren. Vielmehr sollen einige ausgewählte Teilaspekte dieses Prozesses herausgegriffen und im Lichte der ökonomischen Theorie analysiert werden. Trotz der angefiihrten Kritikpunkte an EAG-Modellen erscheint dabei die Anwendung eines EAGModells fiir die Analyse einzelner Teilaspekte der wirtschaftlichen Transformation Ungarns, wie bspw. die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer gestiegenen intersektoralen Faktormobilität, Implikationen der Privatisierung landwirtschaftlicher Betriebe oder die Änderung außenwirtschaftlicher Rahmenbedingungen in Folge des Assoziierungsabkommens mit der EU, sinnvoll. Nur auf der Basis eines solchen Modelltyps lassen sich simultan die Wirkungsmechanismen auf der Nachfrage- und Angebotsseite abbilden und analysieren. Bei Anwendung eines partiellen Modells, das die Auswirkungen der Privatisierung landwirtschaftlicher Betriebe analysiert, bleiben Einkommensänderungen der privaten Haushalte aufgrund sich ändernder Faktorpreise unberücksichtigt. Ebenso können die gesamtwirtschaftlichen Folgen eines verstärkten Agrarexportes, bedingt durch die Zollpräferenzen der EU im Rahmen des Assoziierungsvertrages mit Ungarn, nur in einem Mehr-SektorenModell analysiert werden. Die numerischen Ergebnisse der Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse auf der Grundlage der Simulation alternativer politischer Szenarien sollten jedoch nicht als exakte Resultate angesehen werden, aus denen
IV. Stärken und Schwächen von EAG-Analysen
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sich eine entsprechende optimale "Rezeptur" wirtschaftspolitischer Maßnahmen ableiten läßt. Die quantitativen Ergebnisse der EAG-Modelle sollten eher dazu genutzt werden, Auswirkungen von Politikmaßnahmen transparent zu machen, um dadurch Einblicke in die komplexen ökonomischen Handlungsabläufe und Wirkungszusammenhänge zu ermöglichen. Vermehrte Einblicke dieser Art können dazu fiihren, bei zukünftigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen die denkbaren Wirkungen in größerer Breite zu berücksichtigen und auch längerfristige Auswirkungen, die sich aus dem gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang ergeben, nicht aus den Augen zu verlieren.
D. Die Datenbasis des EAG-Modells Nach der Beschreibung der Grundlagen der Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsanalyse soll in diesem Kapitel die Beschreibung der Datenbasis des hier für Ungarn entwickelten EAG-Modells erfolgen. In Kapitel Ewerden dann die Modellgleichungen hergeleitet und die Funktionsweise des Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodells erläutert. Die Darstellung der Datenbasis erfolgt in diesem Kapitel zunächst in aggregierter Form in der sog. Social-Accounting Matrix (SAM). Daran anschließend werden deren Teilkomponenten in der Aufteilung auf neun Sektoren detailliert dargestellt. Die in diesem Kapitel erläuterte Datenbasis dient als Grundlage für das im folgenden Kapitel E hergeleitete statische EAG-Modell. Die statische Version wird im Verlauf der vorliegenden Arbeit dann später zu einem dynamischen Modell erweitert. Beide Versionen bauen auf der in den folgenden Abschnitten dargelegten Datenbasis auf, wobei jedoch bereits in diesem Kapitel auf etwaige Unterschiede in bezug auf die Datengrundlage eingegangen wird.
I. Die Social-Accounting Matrix (SAM) In diesem Abschnitt werden die internen Güter- und Einkommensströme des EAG-Modells auf der Grundlage einer Social-Accounting Matrix beschrieben. I Übersicht D.l bietet eine Beschreibung der SAM, die diesem Modell zugrunde liegt. Jeder Eintrag in dieser Matrix entspricht einer ökonomischen Transaktion zwischen den fünf Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern ("Institutionen"), die in diesem Modell berücksichtigt werden: den Unternehmen, den privaten Haushalten, dem öffentlichen Haushalt, der gesamtwirtschaftlichen Akkumulation (Investitionen) und dem Rest der Welt.2 Jeder I Die methodische Grundkonzeption der Social-Accounting Matrizen ist in Pyattl Round (1985) beschrieben. Zur Implementierung einer SAM im Rahmen der Allgemeinen Gleichgewichtsmodelle siehe Robinson (1989). 2 Bei dieser Darstellung soll die Institution "Unternehmen" stellvertretend für alle privaten, staatlichen und genossenschaftlichen Unternehmen stehen, ebenso soll der "private Haushalt" alle privaten Haushalte Ungarns repräsentieren. Der "öffentliche Haushalt" steht in der SAM stellvertretend für alle staatlichen Behörden und Einrichtungen.
I. Social-Accounting Matrix
57
Eintrag wird durch eine entsprechende Modellgleichung spezifIziert, die den Austausch von Gütern) bzw. Einkommen zwischen Produzenten, privaten Haushalten und Staat, dem gesamtwirtschaftlichen Kapitalbestand und dem Ausland modelliert. In der SAM wird in Spalte 1 bis 4 die volkswirtschaftliche Kostenseite und in Spalte 5 bis 9 die Ausgabenseite abgetragen. Demgegenüber werden in den Zeilen 1 und 2 die Erlöse, in Zeilen 3 und 4 die Faktoreinkommen und in Zeile 5-9 die Einkommen der Institutionen horizontal aufgefiihrt. Die SAM ist so konstruiert, daß sich die Spalten- und Zeilensummen jeweils entsprechen müssen. So ist z.B. die Summe aller Elemente der Spalte 1 identisch mit der Summe aller Elemente der Zeile 1. Ex-post müssen daher Kosten und Erlöse der Unternehmen und Einnahmen sowie Ausgaben aller anderen Institutionen (Spalten/Zeilen 5-9) gleich groß sein. Die ersten beiden Spalten und Zeilen der Matrix umfassen die Güter- und Faktormärkte. Zeile 1 beschreibt die Güterverteilung auf die inländischen Verwender. Entsprechend dazu beschreibt Spalte 1 die Herkunft der inländischen Güternachfrage (heimisches Angebot plus Importe inklusive Zölle). Die zweite Spalte beschreibt die Vorleistungs- und Faktornachfrage zur Güterherstellung. Als Summe dieser Spalte ergeben sich die Gesamtkosten der inländischen Güterproduktion: Kosten der Vorleistungsgüter, die Wertschöpfung und die an den öffentlichen Haushalt abgefiihrten Produktionssteuern. Die Produzenten bieten die Güter auf heimischen oder ausländischen Märkten an (Zeile 2), wobei die Exportsubventionen als Transfer des Staates an die Produzenten gesehen werden. Die Exporte (in Zeile 2) und die Importe (in Spalte 1) werden zu fob- bzw. cif-Preisen bewertet. Spalte 3 beschreibt die Verteilung der Bruttoarbeitseinkommen auf die privaten Haushalte und in Form von Sozialabgaben auf den öffentlichen Haushalt, der als Sozialversicherungsträger fungiert. In der Spalte 4 werden die Kapitalerträge den Unternehmen zugeordnet, die z.T. in Form von Gewinnbeteiligungen an die privaten Haushalte ausgeschüttet werden (Zeile 6, Spalte 5). In den folgenden Spalten 5 bis 9 wird fiir die einzelnen Institutionen die Verwendung der Einnahmen aufgefiihrt. Die Unternehmen transferieren einen Teil ihrer Einkünfte in Form von Beteiligungen am Kapitalertrag an die privaten Haushalte und als Ertragsteuer an den öffentlichen Haushalt. Der verbleibende Betrag, der sich aus Abschreibungen, Nettokapitalerträgen und Unternehmenssubventionen zusammensetzt, steht investiven Zwecken zur Verfiigung.
) Die Bezeichnung Güter umfaßt im folgenden sowohl Waren und Dienstleistungen als auch Leistungen von Produktionsfaktoren.
Produzenten
2
Kapital
4
Offent!. Haushalt
Sparen!
7
8
Importe
gesamte Nachfrage
R
§.:
o
o
60
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
Die Einkommen der privaten Haushalte aus Arbeitseinkommen, Kapitalerträgen und staatlichen Transfers verteilen sich auf den privaten Konsum, die Einkommensteuerzahlungen an den Staat und die privaten Sparleistungen. Die Einnahmen des öffentlichen Haushalts gliedern sich in Einnahmen aus Zöllen, indirekten Steuern, Sozialversicherungsabgaben, Kapitalertragssteuern der Unternehmen und den Einkommensteuern des privaten Haushalts. Demgegenüber stehen die staatlichen Ausgaben fiir konsumtive Zwecke, Exportund Unternehmenssubventionen und die Transfers an die privaten Haushalte. Der Budgetsaldo des öffentlichen Haushalts wird als (ggf. negative) Sparleistung in Zeile 8 ausgewiesen. Die relevanten makroökonomischen Gleichgewichtsbedingungen sind in den Spalten/Zeilen 8 und 9 enthalten: die Identität von Sparsumme und Investitionen und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht. Im Fall eines Exportüberschusses fließt der Handelsbilanzsaldo als negative Größe in die Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme ein und als positive Größe im Falle eines Handelsdefizites. In der Social-Accounting Matrix lassen sich drei Formen von Transaktionen unterscheiden. Erstens lassen sich in den Spalten/Zeilen 1, 2 und 9 marktbedingte Transaktionen identifizieren, bei denen Güter (einschließlich Faktordienstleistungen) gegen entsprechende Entlohnungen "getauscht" werden. Als zweite Form sind Transfers zu nennen, bei denen, "freiwillig'" oder staatlich verordnet, Geldströme zwischen den Institutionen fließen, denen kein Tausch von Gütern zugrundeliegt. Dies betrifft alle Beziehungen zwischen Unternehmen, privaten Haushalten und öffentlichem Haushalt. Als dritte Art sind die finanziellen Transaktionen anzufiihren, die in der Zeile 8 zusammengefaßt sind und die Aktionen der fmanziellen Märkte der Volkswirtschaft wiedergeben sollen. So entsprechen die Einträge in dieser Zeile den Sparleistungen der verschiedenen Institutionen, die in ihrer Summe die Gesamtausgaben fiir Kapitalgüter bestimmen. Nach der Darstellung des allgemeinen Aufbaus einer SAM soll im folgenden die SAM Ungarns fiir 1990 detailliert erläutert werden. Im Jahr 1990 lag der Wert der im Inland verkauften Güter bei ca. 4,4 Billionen Forint (ca. 113,5 Mrd. DM).s Davon entfielen 57,7% auf die Vorleistungsnachfrage, 28,3% auf den privaten, 5,1% auf den staatlichen Konsum und 8,9% auf die Investitionsgüternachfrage. 84% aller in Ungarn erzeugten Waren wurden auf heimischen Märkten abgesetzt und 16%6 wurden exportiert. • Darunter fallen bspw. die Übertragung von Kapitalerträgen an die privaten Haushalte oder die staatlichen Investitionsbeihilfen an die einzelnen Wirtschaftssektoren. 5 Bei der Berechnung wurde der durchschnittliche Wechselkurs des Jahres 1990 zugrundegelegt, siehe National Bank 0/ Hungary (1995). 6 Diese Angabe schließt die staatlichen Exportsubventionen ein.
I. Social-Accounting Matrix
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Der Anteil an den gesamtwirtschaftlichen Produktionskosten, der auf die Entlohnung der eingesetzten Produktionsfaktoren entfiel, lag 1990 bei 41,4%. Der Anteil der Kapitalentlohnung an der Bruttowertschöpfung lag 1990 in Ungarn bei ca. 27%, wohingegen 70,3% auf den Faktor Arbeit entfielen. Abzüglich der Abschreibungen lag der auf die Kapitalentlohnung entfallende Anteil an der Nettowertschöpfung bei 20,5%, der Arbeitsanteil bei 79,5%.7 Demgegenüber lag im internationalen Vergleich der Anteil der Kapitalentlohnung an der Nettowertschöpfung in den USA 1990 bei 24,3% und der Arbeitsanteil bei 75,7%. Für die Bundesrepublik Deutschland (alte Bundesländer) lag im Jahr 1990 diese Aufteilung bei 29,6% für die Kapital- und bei 70,4% für die Arbeitsentlohnung.' In Polen, das wie Ungarn durch eine tiefgreifende wirtschaftliche Transformation geprägt ist, lag 1991 (Angaben für 1990 lagen nicht vor) der Anteil der Kapitalentlohnung an der Nettowertschöpfung bei 38,0%, wobei der Anteil der Arbeitsentlohnung bei 62,0% lag! Die Daten für Ungarn, die USA und die Bundesrepublik wurden nach dem System der "Standardized National Accounts" bestimmt. Die Angaben für Polen, die nach einem anderen System ermittelt wurden, können hier nur als grobe Anhaltspunkte dienen. Daher ist ein direkter Vergleich nur zwischen Ungarn und den USA bzw. Deutschland möglich. Auffällig ist der in Ungarn im Vergleich zu den USA um knapp vier Prozentpunkte und gegenüber Deutschland um ca. neun Prozentpunkte geringere Anteil der Kapitalentlohnung an der Nettowertschöpfung. Die Gründe für diesen relativ geringen Anteil sind zum einen im Fehlen eines "echten" Kapitalmarktes vor der Transformation und zum anderen in einer mangelnden Interessenvertretung der "Kapitaleigner" mit der Folge eines höheren Entlohnungsanteils zugunsten der Arbeitnehmer zu sehen. 10 Aus der Bruttoentlohnung der beschäftigten Arbeitnehmer flossen 314 Mrd. Forint in die öffentlichen Sozialversicherungen und ca. 1,02 Billionen Forint als Arbeitseinkommen in die Budgets der privaten Haushalte.
7 Die Definition und Abgrenzung der Begriffe "Bruttowertschöpfung" bzw. "Nettowertschöpfung" erfolgt nach Stobbe (1989), S. 106 ff. 'Für die Angaben zu den USA siehe United Nations (1994), S. 1997, zur Bundesrepublik Deutschland ebd., S. 731. 9 Siehe Polish Central Statistical Office (1994), S. 36. 10 Die Wertschöpfungsanteile der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital bestimmen die Höhe der Verteilungsparameter in der CES-Produktionsfunktion (Gleichung 1 in Kapitel E). Die Annahme, daß im Laufe der Transformation durch Privatisierung und ausländische Investitionen die Kapitalrenditen an Bedeutung gewinnen, führt bei der Formulierung der Simulationsszenarien zu einer exogenen Anpassung der Verteilungsparameter.
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D. Die Datenbasis des EAG-Modells
Wie schon bei der Beschreibung der Grundstruktur der SAM erwähnt wurde, schließt die SAM Transferströme zwischen den Institutionen (Unternehmen, private bzw. öffentliche Haushalte, Sparen/Investitionen, Aus land) ein. So fließen den Unternehmen neben den "funktionalen" Einkommen aus der Kapitalentlohnung staatliche Transfers in Form von Investitionsbeihilfen, deficiency payments und, wenn auch 1990 nur noch in geringem Maße, Übernahmen von Verlusten zu. 11 Umgekehrt werden auf der Ausgabenseite der Unternehmen ca. 15% der Einkünfte an die privaten Haushalte umverteilt und ca. 20% der Unternehmenseinkünfte als Kapitalertragssteuer an den Staat abgeführt. Die übrigen 65% der Unternehmenseinkünfte stehen somit in Form von einbehaltenen Gewinnen, Abschreibungen und Investitionsbeihilfen rur Investitionszwecke zur Verrugung. 12 Dem privaten Haushalt fließen neben den bereits beschriebenen Arbeitseinkünften und Gewinnbeteiligungen hohe Transferleistungen aus dem öffentlichen Haushalt zu. Diese Transfers schließen sowohl die Zahlungen von Renten und Pensionen als auch Subventionierung der Konsumentenpreise, Beihilfen zur Förderung des privaten Wohnungsbaus, Kindergeld und andere Zahlungen mit ein. Die gesamten staatlichen Transfers in Höhe von 626 Mrd. Ft entsprechen 36% des Bruttoeinkommens der privaten Haushalte. Auf der Einkommensverwendungsseite der privaten Haushalte entfallen ca. 72% auf Konsumausgaben und 20% auf staatlich erhobene Steuern und Abgaben. Die Sparquote der privaten Haushalte lag 1990 bei 7,8%. Im Vergleich dazu entsprach die Sparquote privater Haushalte 1982 in den USA 5,9% und 1990 in Polen, bedingt durch den Rückgang des privaten Verbrauchs, 21 %. \J Der öffentliche Haushalt wird durch Einnahmen aus Zöllen und Steuern in Höhe von ca. 953 Mrd. Ft gespeist, wobei diesen Einnahmen Ausgaben rur konsumtive Zwecke und Transfers von 1,04 Billionen Ft. gegenüberstehen. Infolgedessen weist das Staatsbudget Ungarns rur das Jahr 1990 ein Defizit von ca. 82 Mrd. Ft aus, was etwa 4,3% des BIP entspricht.
11 In den Jahren 1990 und 1991 begann die ungarische Regierung, die bestehenden gesetzlichen Konkursregelungen strikter auszulegen, so daß die Übernahme von Unternehmensverlusten im Vergleich zu anderen Transferzahlungen gering ausfiel. Zu einer umfassenden Darlegung siehe OECD (1993), S. 80 ff. 12 Dieser relativ hohe Anteil an einbehaltenen Gewinnen (im Vergleich: USA (1982) 38,5%) ist auf die vorweg bestimmte Kapitalentlohnung durch Preisaufschläge (markups) zurückzuführen. Durch die Preisliberalisierungen und einen zunehmenden Wettbewerb im Zuge der Transformation ist zu vermuten, daß sich diese Form der Kapitalentlohnung seit 1990 verringert hat. Siehe dazu Abschnitt F.II.I. 13 Für die USA: siehe Robinson/Kilkenny/Hanson (1990), S. 22; für Polen: Roberts (1994), S. 198.
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
63
In dem Basisjahr des Modells wies der ungarische Außenhandel einen Exportüberschuß in Höhe von 71,6 Mrd. Ft auf. 14 Da der Exportüberschuß als "Sparen im Ausland" die Höhe der inländischen Sparsumme mindert, erscheint dieser Betrag mit negativem Vorzeichen in der Zeile 9. Bei der Zusammenstellung einer SAM als Grundlage des Datensatzes für die quantitative Analyse von ökonomischen Szenarien muß berücksichtigt werden, daß die SAM nur eine detaillierte Momentaufnahme einer sich entwickelnden bzw. im Umbruch befmdlichen Volkswirtschaft ist. Daher erscheint es im Rahmen einer quantitativen Analyse nicht sinnvoll, die Modellszenarien ausschließlich auf der Grundlage eines Jahres zu beginnen. Deshalb werden später in die konkrete Formulierung der Simulationsläufe des dynamischen Modells statistische Daten der Jahre 1991 bis 1994 in sog. Vorlaufszenarien einfließen. 15
11. Zusammenstellung einer Datenbasis Bei der Darstellung der Datenbasis im Rahmen der SAM wurde die Betrachtung der einzelnen, im Modell berücksichtigten Sektoren vernachlässigt. Die Datengrundlage des EAG-Modells für die einzelnen Branchen erfordert jedoch eine detailliertere Darstellung der Angaben der Zeilen und Spalten 1 und 2. Die Aufteilung der Einträge in den Zeilen und Spalten 1 und 2 in der SAM in die verschiedenen Branchen und Güter wird in diesem Abschnitt näher erläutert. Dabei gliedert sich die Vorgehensweise bei der Konstruktion der Datenbasis für das EAG-Modell in sieben Arbeitsschritte: 1. Auswahl der sektoralen Untergliederung des Unternehmensbereichs, 2. Erstellung der Faktornachfragevektoren der Unternehmens sektoren, 3. Erstellung einer Vorleistungsmatrix der Unternehmenssektoren, 4. Erstellung der Nachfragevektoren des Staates bzw. der öffentlichen Haushalte, 5. Erstellung der Ausgaben- und Einkommensvektoren des privaten Haushaltes, 6. Erstellung einer Investitionsmatrix der Produktionsbereiche, die die Verteilung der Investitionen auf die jeweiligen Sektoren beschreibt und 7. Erstellung der Vektoren der Importnachfrage und des Exportangebotes. 14 Dieser Betrag entsprach bei demjahresdurchschnittlichen Wechselkurs von 39,14 Forint zu 1 DM im Jahr 1990 ca. 1,83 Mrd. DM. 15 Siehe dazu die Beschreibung des Basislaufs in Abschnitt G.I.
64
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
Jede dieser Arbeitsphasen wird im folgenden - in der oben angegebenen Reihenfolge - im Rahmen eines eigenen Teilabschnitts dokumentiert und diskutiert. Die wichtigsten amtlichen Datenquellen für die Erstellung dieser Vektoren und Matrizen sind die Input-Output-Tabelle von 1990, die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung von 1990 und die Ausgabenjournale der privaten Haushalte, die vom CSO in Budapest veröffentlicht wurden. 1. Sektorale Untergliederung Bei der Entscheidung über die zweckmäßige sektorale Untergliederung ist einerseits die Zielsetzung der Analyse, andererseits aber auch die Datenverfügbarkeit zu berücksichtigen. Gemäß der Zielsetzung der vorliegenden Arbeit (siehe Einleitung) sollen mit Hilfe eines quantitativen Modells einige Aspekte der wirtschaftlichen Transformation Ungarns analysiert werden. Bei dieser Analyse sollen als ein Schwerpunkt der Agrarsektor und die Ernährungsindustrie untersucht werden, zum anderen sollen Auswirkungen der strukturellen Entwicklung der ungarischen Volkswirtschaft im Rahmen eines dynamischen EAG-Modells betrachtet werden. Daher wurde die Wahl der Gütergruppen so getroffen, daß in dem EAG-Modell zum einen die Vorleistungsverflechtungen des Agrarsektors zu den vorgelagerten Bereichen (chemische Industrie und Maschinenbau) und zu der nachgelagerten Nahrungs- und Genußmittelindustrie 16 Berücksichtigung fmden, zum anderen sollen auch Sektoren aufgenommen werden, die einen hohen Anteil am Investitionsgüterangebot haben (Baugewerbe, Maschinenbau und der Bereich der Primärindustrie). Die Trennung von markt- und nichtrnarktbestimmten (staatlichen) Dienstleistungen war aus Gründen der sektoralen Abgrenzung in den anderen amtlichen Statistiken notwendig und schien darüber hinaus sinnvoll, da im Laufe der wirtschaftlichen Transformation mit einer Ausdehnung der marktbestimmten und einer Schrumpfung der nichtrnarktbestimmten Dienstleistungen zu rechnen war. Die Input-Output-Tabelle von 1990 umfaßt 22 Sektoren, die für das vorliegende Modell zu neun Gütergruppen zusammengefaßt wurden (siehe Übersicht D.3)Y Die Güter sind in der Input-Output-Tabelle zu Ab-WerkPreisen ausgewiesen. Infolgedessen enthalten die Zeilenwerte des Gutes
16 Die im Laufe der Arbeit verwendeten Begriffe Nahrungs- und Genußmittelindustrie und Ernährungsindustrie sind synonym und beschreiben die gleiche Branche. 17 Die im Schema der Übersicht 0.3 aggregierte Input-Output-Tabelle ist vollständig, einschließlich der Endnachfrage und der Aufteilung der Nettowertschöpfung, in Tabelle A-l im Anhang dargestellt.
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
65
Dienstleistungen die Handelsspannen aller anderen Güter. Ein direkter Vergleich der Werte der Input-Output Tabelle mit den Ergebnissen der Statistik der Ausgaben privater Haushalte sowie der Ausgaben des Staates ist aus diesem Grund nicht möglich. IB Übersicht D.3 Schema der Gilteraggregation
Sektoren des EAG-Modells 1. Primärindustrie
Sektoren der Input-Output-Tabelle I. Bergbau 2. Stromerzeugung Eisen- und Stahlerzeugung 3. 4. Gewinnung von Steinen, Erden, Keramik 5. Forstwirtschaft 2. Landwirtschaft 6. Landwirtschaft 3. Emährungsindustrie 7. Nahrungs- und Genußmittelindustrie 4. Chemische Industrie 8. Chemische Industrie 5. Maschinenbau 9. Maschinenbau 6. Konsumgüterindustrie 10. Herstellung von Holz, Papier-, Lederwaren 11. Herstellung sonstiger Verbrauchsgüter 12. privates Handwerk aussch!. Baugewerbe ~----------------------------------------7. Baugewerbe 13. Baugewerbe 8. Marktbestimmte 14. Transportleistungen Dienstleistungen 15. Post und Telekommunikation 16. Groß- und Einzelhandel 17. Außenhandel 18. Gewinnung von Wasser 19. übrige marktbestimmte Dienstleistungen 20. Personen- und Finanzdienstleistungen 9. Nichtrnarktbestimmte 21. Gesundheits-, Bildungswesen und SozialDienstleistungen 22. versicherungen, öffentliche Verwaltung
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
r----------------------------------------Quelle: CSO (1991a) und (l992a).
Im vorliegenden Modell werden alle Güter als international handelbar angenommen, jedoch wird das inländische Güterangebot aus ungarischer Produktion gegenüber importierten oder exportierten Gütern entsprechend der Armington-Hypothese l9 als nicht vollständig substituierbar bzw. transforIB Zu der Übertragung der Handelsspannen und der Abgrenzung der privaten Güternachfrage in der Input-Output-Tabelle und der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung siehe Abschnitt F.1.1.e). 19 Siehe dazu die Herleitung der Importnachfrage- und Exportangebotsfunktionen in Abschnitt E.VI.
5 Banse
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
66
mierbar betrachtet. Diese Annahme gilt aufgrund der Außenhandelsdaten auch für Güter wie Bauleistungen und nichtrnarktbestimmte Dienstleistungen, die "normalerweise" als nicht handelbar betrachtet werden. Im Bereich des Baugewerbes beziehen sich die Einfuhren auf Vorleistungen der heimischen Bauindustrie. Daher wird bei Gütern mit geringem Importanteil an der Nachfrage oder geringem Exportanteil an der Produktion (siehe Spalte 2 und 3 der Tabelle D.I) das Niveau der Verbraucher- bzw. Erzeugerpreise zum überwiegenden Teil durch das inländische Angebot bzw. die inländische Nachfrage bestimmt. 20 Tabelle D.l Anteile der Sektoren an der Gesamtproduktion, den Importen und Exporten in der Basisperiode in % Anteil der Anteil der Anteil am gesamten Importe an der Exporte an der Bruttopro- Endnachfrage der Produktion der duktions- einzelnen Gilter- einzelnen Gilterwert gruppen gruppen Primärindustrie Landwirtschaft Ernährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgilterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. Nichtmarktbest. Dienstlg. Gesamt
(I)
11,2 15,0 9,7 8,5 9,7 7,0 6,5 20,8 11,6 100,0
(2)
25,7 2,5 9,5 29,1 46,9 22,3 1,6 7,8 1,7 15,5
(3)
18,9 9,4 29,4 27,2 39,8 23,8 5,3 4,7 2,8 15,9
Anteil der Importe an der sektoralen Vorleistungsnachfrage
(4)
20,4 8,8 9,1 36,8 22,3 28,8 8,7 8,4 12,5 25,2
Quelle: CSO (1992a), eigene Zusammenstellung.
In der Spalte 1 der Tabelle D.I sind die sektoralen Anteile an der Gesamtproduktion aufgelistet. Die beiden Dienstleistungssektoren haben zusammen einen Anteil von 32,4% am Bruttoproduktionswert Ungarns von 4462,7 Mrd. Forint im Jahr 1990. Daneben ist jedoch der relativ hohe Anteil der Landwirtschaft und Ernäbrungsindustrie auffällig. Beide Sektoren zusammen erreichen einen Anteil von 24,7% am gesamtwirtschaftlichen Produktionswert. Angesichts der relativen Armut Ungarns an Bodenschätzen weisen die Bereiche der Primär- und der chemischen Industrie hohe Importanteile aus. Im Vergleich weist der Bereich des Maschinenbaus sowohl den höchsten Importanteil an der Endnachfrage als auch den höchsten Exportanteil an der 20 Zu der Aufteilung des Bruttoproduktionswertes und der Endnachfrage auf die neun im EAG-Modell dargestellten Sektoren siehe Tabelle A-2 im Anhang.
H. Zusammenstellung einer Datenbasis
67
Produktion auf. Diese starke Einbindung des Maschinenbausektors in die internationale Arbeitsteilung ist im hohen Maße durch die Rolle Ungarns im Rahmen des RGW zu erklären. 21 Die Spalten 2 und 3 führen für die Bereiche Landwirtschaft und Ernährungsindustrie sehr niedrige Importanteile bei gleichzeitig hohen Exportanteilen an, was auf einen relativ hohen Nettoexport dieser Sektoren hindeutet (für 1990 ca. 143 Mrd. Ft). Die Werte der Spalte 4 korrespondieren mit denen in Spalte 2 mit Ausnahme der Landwirtschaft und der nichtrnarktbestimmten (staatlichen) Dienstleistungen. Bei der importierten Vorleistungsnachfrage des letztgenannten Bereichs handelt es sich ausschließlich um Aktivitäten öffentlicher Verwaltung und Administration anderer Länder in Ungarn. Der hohe Anteil an importierten Vorleistungsgütern im Agrarsektor ist durch den Import von agrarischen Vorleistungen wie Saatgut, Zuchtvieh und speziellen Futtermitteln bedingt. 2. Die Faktornachfrage der Produktionssektoren
Als Ausgangspunkt für die Erstellung der Faktornachfragevektoren der einzelnen Produktionssektoren dient die "Input-Output Table industrial breakdown, 1990 Type 'B', current prices" des CSO. Diese Tabelle unterscheidet folgende Komponenten des Bruttoinlandsprodukts: -
Produktionssteuern und -subventionen, Bruttoarbeitseinkommen, Beiträge zur Sozialversicherung, Abschreibungen, Beteiligung der abhängig Beschäftigten (payment in kind, payment in cash), - Steuern auf Kapitalerträge, - Kapitalerträge (netto). Bei der Konstruktion der Faktornachfragevektoren wurden die oben genannten Komponenten zu den drei Bereichen Nettoproduktionssteuer, Entlohnung des Faktors Arbeit (Bruttoarbeitseinkommen und Sozialversicherungsbeiträge) und Entlohnung des Faktors Kapital (Abschreibungen, Gewinnbeteiligungen Beschäftigter, Kapitalertragssteuern und Nettokapitalerträge) aggregiert. In der folgenden Tabelle sind die Werte dieser drei Aggregate für die Produktionsbereiche des Modells aufgeführt. Vom Bruttoinlandsprodukt (ca. 1900 Mrd. Ft im Jahr 1990) entfallen ca. 70% auf Arbeitseinkommen, 27% auf die Kapitalentlohnung und ca. 3% auf 21 Die Entwicklung des ungarischen Außenhandels seit 1990 wird in Abschnitt B.II.3. beschrieben.
5*
68
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
die Nettoproduktionssteuer. Bei der Höhe der sektoralen Produktionssteuersätze ist eine beträchtliche Varianz zu verzeichnen: vom höchsten Wert von 3,6% im Bereich der Primärindustrie bis zu -7,8% im Sektor der Nahrungsund Genußmittelindustrie. Begründet durch die Höhe der Kapitalintensität (siehe Tabelle D.3) liegt im Bereich der Primärindustrie und der chemischen Industrie ein relativ hoher Entlohungsanteil des Kapitals am Nettoinlandsprodukt vor. Neben der Entlohnung der eingesetzten Produktionsfaktoren (Tabelle D.2) fließt die reale Faktornachfrage als Einsatz von Arbeitskräften und Kapital in die Produktionsfunktion des EAG-Modells ein, wie in Tabelle D.3 dargestellt. Tabelle D.2
Aufteilung des Bruttoinlandsprodukts der einzelnen Sektoren in der Basisperiode (in Mrd. Ft)
Primärindustrie Landwirtschaft Ernährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstleistungen Nichtmarktbest. Dienstleistungen Gesamt
Nettoproduktionssteuer 17,8 4,2 -33,9 7,4 9,6 1,7 1,3 31,4 11,7 51,2
Entlohnung Entlohnung Summe des Faktors des Faktors Kapital Arbeit 79,0 182,1 85,3 212,1 55,9 272,2 71,7 56,6 94,4 43,6 64,3 115,3 102,6 38,4 150,6 100,8 39,7 142,2 110,8 19,8 131,9 322,1 128,0 481,5 286,2 31,6 329,5 1335,2 513,3 1899,7
Quelle: CSO (1992a), eigene Zusammenstellung.
Der absoluten Faktornachfrage der einzelnen Branchen sind in Tabelle D.3 auch die jeweiligen Werte der Bruttokapitalrenditen und der Kapitalintensität gegenübergestellt. Auffällig sind die besonders hohen Werte der Kapitalintensität in der Primär-, der Chemieindustrie und den marktbestirnmten Dienstleistungen. Unterdurchschnittliche Werte der Kapitalintensität haben die Landwirtschaft, die Ernährungsindustrie und der Bereich der staatlichen (nichtmarktbestirnmten) Dienstleistungen, gefolgt vom Maschinenbau, der Konsumgüterindustrie und den Bauleistungen. Wegen dieser Unterschiede in den sektoralen Kapitalintensitäten ist der Kapitalstock Ungarns im Vergleich zur Arbeitsnachfrage wesentlich ungleichmäßiger auf die einzelnen Sektoren verteilt. Während 35,3% des gesamtwirtschaftlichen Kapitalstocks auf den Bereich der marktbestirnmten, 18,5% auf die nichtmarktbestimmten Dienstleistungen, 14,4% auf die Primärindustrie
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
69
und 12,4% auf den Agrarsektor entfallen, verbleiben für die übrigen Wirtschaftsbereiche 19,4% des gesamten Kapitalstocks. 22 Bei der Beschäftigung der Arbeitskräfte entfallen 48% auf den Bereich der Dienstleistungen. Mit einem Anteil von über 20% kommt dem ungarischen Agrarsektor und der Nahrungs- und Genußmittelindustrie eine große Bedeutung für die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung zu. Tabelle D.3
Einsatz von Arbeitskräften und Höhe der sektoralen Kapitalstöcke in der Basisperiode
Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. d) NichtM-DL Gesamt
Arbeitskräfte Kapitalstock Rendite Kapitalb) intensität c) in 1000 a) in Mrd. Ft a) (6,8 ) 595,2 (14,4) 8,5 2,0 290,5 6,7 0,8 632,2 (14,9) 515,3 (12,4) 0,8 (4,7) 164,4 (4,0) 27,7 198,9 (2,6) 204,5 (4,9) 24,9 1,9 109,6 (9,9) 219,8 (5,3) 13,7 0,5 421,6 (7,2) 138,2 (3,3) 22,6 0,4 307,3 74,8 (1,8) 21,9 0,3 (5,9) 250,0 1,4 (35,3) 4,5 1064,3 (25,0) 1464,1 0,8 978,6 (23,0) 768,6 (18,5) 2,5 1,4 4253,1 (100,0) 4144,8 (100,0) 5,9
a) Werte in Klammem geben die Anteile in Prozent an. b) Bruttorendite, in %. Nettorendite plus Kapitalertragssteuer dividiert durch den Wert des Kapitalstocks. c) Kapitalstock dividiert durch Beschäftigte. d) Der Kapitalstock dieses Sektors schließt den Wert der Häuser und Wohnungen der privaten Haushalte nicht mit ein. Quelle: CSO (1991b) und (I 992c), eigene Zusammenstellung.
Die ebenfalls in Tabelle D.3 aufgeführten Bruttokapitalrenditen weisen eine große intersektorale Variation auf. So liegt die Kapitalrendite in der Ernährungsindustrie mit über 27% am höchsten, gefolgt von der Chemie- und der Konsumgüterindustrie mit ca. 25% bzw. 22,6%. Die Differenzen zwischen den Kapitalrenditen hatten in der komparativ-statischen Version, in der von gegebenen Kapitalstöcken ausgegangen wird, keinen Einfluß auf die Höhe der Kapitalgüternachfrage. Jedoch werden die Kapitalrenditen der einzelnen Sektoren in der dynamischen Version des EAG-Modells entscheidenden 22 Dieser Anteil der übrigen Branchen am Kapitalstock ist im Vergleich zur Bundesrepublik (alte Länder) gering. So betrug 1990 der Anteil des warenproduzierenden Gewerbes unter Abzug des Wertes des Wohnungsbestandes 29,4% am gesamtwirtschaftlichen Kapitalstock (siehe Statistisches Bundesamt (1992), S. 121).
70
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
Einfluß auf die Allokation von Kapitalgütern und somit auf die Entwicklung der sektoralen Produktionspotentiale haben. 3. Die Vorleistungsnachfrage der Produktionssektoren Die Vorleistungsnachfrage der einzelnen Sektoren wird in dem vorliegenden Modell auf der Grundlage einer 9x9 Matrix wiedergegeben. In dieser Matrix ist die mit Ab-Werk-Preisen bewertete sektorale Nachfrage nach den einzelnen Vorleistungsgütern einschließlich der intrasektoralen Austauschprozesse abgebildet. Ihre Zeilensummen weisen die gesamten Vorleistungslieferungen eines Sektors an alle anderen Produktionsbereiche aus; die Spaltensummen enthalten den gesamten Vorleistungsverbrauch eines Sektors aus inländischer und ausländischer Produktion. Obwohl in den amtlichen Statistiken getrennte Vorleistungsmatrizen für die Nachfrage sowohl nach inländisch erzeugten als auch nach importierten Gütern veröffentlicht sind, wurde in der vorliegenden Arbeit auf eine differenzierte Darstellung der Güterherkunft in der Vorleistungsnachfrage aus Vereinfachungs gründen verzichtet. Tabelle D.4
Vorleistungsnacbfrage der einzelnen Sektoren in der Basisperiode in Mrd. Ft Primär· Landw. Emährg.Chemie Masch. Kons. Bauge- M-DLNichtM Summe DL güter werbe ind. bau 463,3 17,4 24,4 14,0 57,3 40,2 50,9 21,5 IPrimärind. 157,5 80,2 473,7 5,6 48,5 10,8 6,0 8,5 5,5 9,1 174,7 205,0 iLandw. 111,8 13,1 0,5 9,4 3,8 1,0 3,8 Emährg. 1,3 35,2 43,7 309,0 25,4 26,4 13,9 37,4 23,0 32,1 50,1 15,1 85,7 iChemie 26,5 46,5 20,5 298,8 16,3 15,4 103,0 13,1 Masch.bau 32,6 25,0 218,9 13,8 45,1 19,7 11,9 14,0 16,6 66,8 Kons.güter 19,0 12,0 4,8 50,0 1,6 0,7 5,0 27,0 1,3 Baugewerbe 6,7 2,3 0,5 538,0 33,1 45,4 M-DL 64,2 31,8 63.9 46,0 152.0 51,3 50,5 4,9 30,5 24,3 99,4 3,1 9,8 5,5 3,7 NichtM-DL 9,3 8,3 Summe 318.0 396,2 339,5 262,2 282,8 171,4 156,4 447,2 189,0 2562,8 Quelle: CSO (1992a), eigene Zusammenstellung.
In Tabelle D.4 sind die Werte der Vorleistungsnachfrage der einzelnen Sektoren aufgelistet. Dabei wurden diejenigen Einträge schattiert dargestellt, bei denen die Input-Output-KoefflZienten größer als 10% der gesamten Produktionskosten des jeweiligen Sektors waren. Erwartungsgemäß weisen alle Industriesektoren (Primär-, Ernährungs-, Chemie-, Maschinenbau- und Konsumgüterindustrie) hohe Anteile der selbstgefertigten Vorleistungs güter (in Form von Roh- und Halbfertigprodukten) an den jeweiligen sektoralen Pro-
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
71
duktionskosten aus. In fünf Sektoren fallen die marktbestimmten Dienstleistungen als Vorleistungsgüter mit einem entsprechend hohen Anteil an den Gesamtkosten auf. 4. Die Nachfrage des Staates und der privaten Haushalte Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten die Zusammensetzung der Wertschöpfungskomponenten und der Vorleistungsnachfrage dokumentiert wurde, schließt sich in diesem Abschnitt die Darstellung des Konsums des Staates und der privaten Haushalte als Teile der Endnachfrage an. Die Gliederung der staatlichen und der privaten Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen ist in Tabelle D.5 aufgeführt. Im wesentlichen war die staatliche Nachfrage auf Dienstleistungen beschränkt. Der addierte Anteil beider Dienstleistungsbereiche lag im Jahr 1990 bei über 90% der staatlichen konsumtiven Ausgaben. Die Nachfrage nach Gütern der Primärindustrie bezieht sich hauptsächlich auf Energiekosten (Strom, Kohle und Mineralölprodukte). Tabelle D.5
Staatliche und private GUternachfrage in der Basisperiode
Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstleistungen Nichtmarktbest. Dienstleistg. Gesamt
staatlicher Konsum in% in Mrd. Ft 3,4 7,6 0,9 0,4 0,1 0,2 0,4 0,9 1,6 0,7 0,3 0,7 2,7 6,0 73,8 33,3 130,1 58,7 221,8 100,0
privater Konsum in Mrd. Ft in% 39,5 3,5 100,2 8,7 190,5 16,6 62,4 5,4 59,3 5,2 79,6 6,9 0,1 0,8 336,2 29,3 24,3 279,2 1147,7 100,0
Quelle: CSO (I 992a), eigene Zusammenstellung.
Bei der Zusammensetzung des privaten Konsums dominierte wie beim staatlichen die Nachfrage nach Dienstleistungen mit einem Anteil von 53,6%. Der Ausgabenanteil für Nahrungsmittel insgesamt (Produkte der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie) betrug über 25% der Gesamtausgaben. In der Bundesrepublik Deutschland lag 1990 der Ausgabenanteil bei Dienstleistungen gemäß der Güterabgrenzung der Input-Output-Tabelle bei 58,1% und der Ausgabenanteil für Nahrungsmittel (Produkte der Landwirtschaft, der
72
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
Ernährungs- und Genußmittelindustrie) bei 14,8%.23 Der Anteil der Erzeugnisse der Landwirtschaft betrug in der Bundesrepublik 12,5% der gesamten Nahrungsmittelausgaben, wohingegen der Anteil in Ungarn bei 34,5% lag. Im Laufe der gesamtwirtschaftlichen Erholung, nach der von Realeinkommensrückgängen begleiteten Transformationsphase, ist in Ungarn bei ansteigendem Einkommen sowohl mit einer Abnahme des Ausgabenanteils rur Nahrungsmittel als auch mit einem sinkenden Anteil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse an den Gesamtausgaben rur Nahrungsmittel zu rechnen.
5. Die gesamtwirtschaftliche Investitionsgüternachfrage Die Nachfrage nach Investitionsgütern gliedert sich entsprechend der Darstellung in der Input-Output-Tabelle von 1990 in die Bereiche Anlageinvestitionen und Lagerbestandsänderungen (Lagerinvestitionen). Tabelle D.6 beschreibt die Zusammensetzung und die Höhe der Gesamtbruttoinvestitionen in der Referenzperiode. Mit ca. 390 Mrd. Ft lag der Anteil der Anlageinvestitionen an den gesamtwirtschaftlichen Investitionen bei knapp 76%. Tabelle D.6
Zusammensetzung der gesamtwirtschaftlichen Investitionsgüternachfrage nach Herkunft in der Basisperiode (in Mrd. Ft)
Primärindustrie Landwirtschaft Ernährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbestimmte Dienstlg. Nichtmarktbest. Dienstlg. Gesamt
Anlageinvestitionen 10,0 8,7 0,7 0,9 131,9 1,9 217,9 11,4 4,7 388,1
Anteil (in %) 2,6 2,3 0,2 0,2 34,0 0,5 56,1 2,9 1,2 100,0
Lagerbestandsänderungen 25,8 37,6 35,2 14,5 -0,3 6,6 2,8 0,6 0,0 122,8
Anteil (in %) a) 21,0 30,4 28,6 11,8
-
5,4 2,3 0,5 0,0 100,0
a) Anteile der positiven Lagerbestandsänderungen. Quelle: CSO (1992a), 'eigene Zusammenstellung.
Der Vektor der Anlageinvestitionen setzt sich in der Input-Output-Tabelle entsprechend der Entstehungsseite zusammen. Bei der Erstellung von Investitionsgütern entfallen 56,1% auf den Bereich des Baugewerbes. Bei der 2J
Siehe Statistisches Bundesamt (1994), S. 120.
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
73
Zusammensetzung der Anlageinvestitionen entfallen mehr als 90% auf die Bereiche Maschinenbau und Baugewerbe, ca. 4% auf die Dienstleistungssektoren, 2,6% auf die Primärindustrie und 2,2% auf den Agrarsektor. Die anderen im Modell erfaßten Sektoren sind in bezug auf die Erstellung von Kapitalgütern ohne Bedeutung. Zur Herleitung der Kapitalgüternachfrage der einzelnen Sektoren im EAG-Modell ist eine genaue Kenntnis der Verteilung der Kapitalgüter auf die einzelnen Sektoren notwendig. Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, wird in der komparativ-statischen Version des Modells von gegebenen Kapitalstöcken ausgegangen. Die Höhe der Investitionsnachfrage hat keinen Einfluß auf das Produktionspotenial der einzelnen Sektoren. Dennoch ist die Bestimmung der Investitionsnachfrage im komparativ-statischen Modell notwendig, da sich Investitionsnachfrage und -angebot in ihrer Güterstruktur entsprechen müssen. Darüber hinaus fließt der Vektor der Anlageinvestitionen als Teil der heimischen Endnachfrage in die Bestimmung des Marktgleichgewichtes ein. Als letzte Komponente der inländischen Endnachfrage nach Waren und Dienstleistungen folgen die Lagerbestandsänderungen (Lagerinvestitionen). In verschiedenen Versionen komparativ-statischer EAG-Modelle 24 erfolgt die Einbeziehung von Lagerbestandsänderungen auf der Grundlage fixierter KoeffIzienten in Abhängigkeit der sektoralen Produktionsmenge. Bei der Formulierung eines dynamischen Modells ist eine solche Annahme jedoch unrealistisch, denn bei einer positiven Lagerbestandsänderung in der Referenzperiode würde sich der Lagerbestand bei einer Zunahme/Abnahme der Produktion laufend erhöhen/vermindern. Eine sinnvolle Modellierung von Lagerbestandsänderungen würde konjuktur- und preisabhängige intertemporale Gleichungen erfordern, die den Aufbau bzw. die Abnahme von Lagerbeständen formulieren. Aus Gründen mangelnder Datenverfiigbarkeit konnten entsprechende Funktionen (die im übrigen auch bisher in dynamischen EAGModellen nicht üblich waren) nicht geschätzt werden. Deshalb wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit sowohl in der statischen als auch in der dynamischen Version auf eine explizite Einbeziehung von Lagerbestandsveränderungen verzichtet. Darüber hinaus ist zu vermuten, daß die Lagerbestandsänderungen im Laufe des Jahres 1990 nicht Ausdruck eines rationalen Verhaltens der Produzenten oder Händler waren, sondern im Zusammenhang mit den gravierenden Änderungen im Zuge der Transformation Ungarns stehen. Aus Gründen der inneren Konsistenz des Datensatzes konnten die Werte der Lagerbestandsänderungen jedoch nicht einfach unberücksichtigt bleiben. Bei 24 Siehe bspw. RobinsonlKilkennylHanson (1990), S. 14., Weyerbrock (1994), S. 40 und BreusslTesche (1994), S. 550.
74
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
der "Bereinigung" des Datenmaterials ergaben sich drei Möglichkeiten, dies zu bewerkstelligen: 1. ein vollständiges "Herausrechnen" der Werte aus der gesamten Input-Output-Tabelle, 2. eine Addition der Werte der Lagerbestandsänderungen zu den Anlageinvestitionen oder 3. eine Anpassung der Werte aller Komponenten der heimischen Endnachfrage. Tabelle D.7
Adjustierte Werte der heimischen Endnachfrage nach Gütern (Bereinigung der Lagerbestandsänderungen) in Mrd. Ft a)
privater Haushalt Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. N ichtrnarktbest. Dienstlg. Gesamt
Staat
(4,9) (4,6) 11,0 57,4 134,5 (10,7) 1,2 (0,5) 0,3 (0, I) 225,5 (18,0) (0,5) I, I 76,4 (6, I) 59,2 (4,7) 1,6 (0,7) (0,3) (6,8) 86,0 0,8 (0, I) 6,1 (2,7) 0,8 336,7 (26,8) 73,9 (32,7) (57,6) 279,2 (22,2) 130,1 1255,7 (100,0) 226,1 (100,0)
Anlageinvestitionen 14,5 (3,6) 11,6 (2,9) (0,2) 0,8 (0,3) I, I 131,7 (33, I) (0,5) 2,0 220,5 (55,3) 11,4 (2,9) (1,2) 4,7 (100,0) 398,3
a) Werte in Klammern geben die Anteile in Prozent an. Quelle: CSO (1992a), eigene Zusammenstellung.
Die erste Möglichkeit schied aufgrund der extremen Ungleichheit in der sektoralen Verteilung der Lagerbestandsänderungen aus. Als Folge der Addition würden die Anteile an den Anlageinvestitionen erheblich von den "wahren" Werten abweichen. Bei der Annahme der zweiten Option würden alle Werte der Vorleistungs- und Wertschöpfungsmatrix geändert werden, so daß ein Vergleich der Werte der Input-Output-Tabelle mit denen anderer Quellen unmöglich würde. Aus diesen Gründen schien eine "Bereinigung" der heimischen Endnachfrage (staatlicher, privater Konsum und Anlageinvestitionen) die geeignete Methode zu sein. Entsprechend der jeweiligen Anteile an der Nachfrage der jeweiligen Gütergruppe in der Input-OutputTabelle wurden die Werte der Lagerbestandsänderungen auf die drei verbleibenden Bereiche der Endnachfrage (privater und staatlicher Verbrauch und Anlageinvestitionen) verteilt. Die so adjustierten Werte der Güternachfrage fiir die drei Komponenten der heimischen Endnachfrage sind in Tabelle D.7 dargestellt. Durch dieses Vorgehen stiegen die Ausgaben des privaten Verbrauchs um 9%, des staatlichen Verbrauchs um ca. 2% und der Betrag der Anlageinvestitionen um 2,6%. Bedingt durch die hohen Anteile der Bereiche Primärindustrie, Landwirtschaft und Ernährungsindustrie an den Lagerbe-
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
75
standsänderungen veränderten sich in diesen drei Sektoren die Ausgabenanteile überproportional (vgl. Tabellen D.5, D.6 und D.7). Tabelle D.8 stellt die Verteilung der Investitionen auf die verschiedenen Sektoren für die Basisperiode 1990 in Fonn einer Matrix dar. 2s Der Aufbau entspricht dem der Input-Output-Tabelle, d.h., in den Zeilen sind die "liefernden" Sektoren und in den Spalten die "verwendenden" Sektoren dargestellt. Der Vektor der Zeilensummen entspricht dem Vektor der Anlageinvestitionen der Input-Output-Tabelle. Die Spaltensummen geben die Kapitalgüternachfrage der einzelnen Sektoren wieder. Dabei fällt besonders auf, daß die beiden Sektoren, die die meisten Kapitalgüter produzieren (Maschinenbau und Baugewerbe), im Basisjahr 1990 nur sehr geringe Mengen an Kapitalgütern nachgefragt haben. Tabelle D.8
Verteilung der Anlageinvestitionen auf die verschiedenen Sektoren in der Basisperiode (in Mrd. Ft) VerwendenderSektor Liefernder Sektor Prirnär- Landw. Ernährg. Che- Masch. Konsum- Bauge- M-DLNichtM Summe DL werbe güter ind. bau mie 14,4 5,1 0,1 0,1 0,0 0,1 0,0 1,2 0,1 Primärind. 7,7 11,6 0,0 11,4 0,2 0,0 I'-'andw. 0,8 iErnährg. - 0,8 ~hemie I, I - I, I 18,4 6,5 9,5 16,3 8, I 14,2 4,8 47,9 6,0 131,7 Masch.bau 1,9 Kons.güter 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 1,2 0,1 0,5 0,1 19,3 6,1 4,9 108,4 56,7 220,7 9,3 3,8 8,7 3,5 Baugewerbe 11,5 M-DL 0,8 0,3 0,3 0,6 0,3 1,5 0,3 6,6 0,8 4,7 NichtM-DL - 4,7 Summe 36,2 27,1 17,0 26,8 11,9 36,3 10,1 169,3 63,7 398,4 "-" bedeutet Wert des Eintrags gleich Null. "0,0" bedeutet Wert des Eintrags kleiner als 100 Mio Ft. Quelle: CSO (1987), eigene Berechnungen.
Die Werte der Tabelle D.8 fließen nicht unmittelbar in das EAG-Modell ein, sondern werden als Koeffizientenmatrix im Modell verwendet. Diese Koeffizienten beschreiben, wie sich die Kapitalgüternachfrage der einzelnen Sektoren aus Gütern verschiedener Herkunft zusammensetzt. Dabei werden die Spalteneinträge der Tabelle D.8 durch die Summe der jeweiligen Spalten 2S Diese Matrix für das Jahr 1990 wurde aus einer Matrix des Jahres 1985 mittels der RAS (Row and Colurnn Sum) Methode konstruiert. Zur Beschreibung dieser Methodik siehe Bacharach (1971). Ein Anwendungsbeispiel für diese Methodik ist in Shoven/ Whalley (1992), S. 114 f. zu finden.
76
D. Die Datenbasis des EAG-Modells
dividiert, so daß sich die Werte der KoeffIzientenmatrix spaltenweise zu eins addieren. 6. Das Exportangebot und die Importnachfrage Als letzte Teilkomponente der Datenbasis rur das EAG-Modell werden die außenwirtschaftlichen Beziehungen Ungarns im Jahr 1990 beschrieben. Wie bereits bei der Vorstellung der SAM erwähnt, wies die Leistungsbilanz (Handels-, Dienstleistungs- und Übertragungsbilanz) 1990 einen Überschuß von 71,4 Mrd. Ft auf.2 6 Tabelle D.9 beschreibt die Aufteilung der Exporte und Importe der im Modell erfaßten Warengruppen. TabelleD.9 Außenhandel, Zölle und Exportsubventionen in der Basisperiode (in Mrd. Ft)
Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. Nichtrnarktbest. Dienstlg. Gesamt
Exporte (fob) 93,3 55,3 90,5 103,5 178,1 70,9 12,0 32,0 14,4 650,0
Importe Netto(cif) exporte a) 100,8 -7,5 14,4 40,9 60,9 29,6 -2,4 105,9 223,7 -45,6 8,4 62,5 2,7 9,3 1,6 30,4 8,6 5,8 71,4 578,6
Exportsubventionen b) 1,4 9,2 44,1 -0,7 -5,8 4,3 3,8 1,6
-
57,9
Importzölle 65,8 1,3 2,6 7,2 23,8 6,0 1,7 1,4 0,3 110, I
a) Transportkosten bleiben in dem Modell unberücksichtigt. b) Werte mit negativem Vorzeichen entsprechen Exportsteuem. Quelle: CSO (I 992a), CSO (1995) und eigene Zusammenstellung.
Bei der Zusammensetzung des Außenhandels lassen sich drei Gütergruppen charakterisieren: erstens eine Gruppe mit relativ ausgeglichener Bilanz, zu der die Primärindustrie, die chemische und die Konsumgüterindustrie, das Baugewerbe und die Dienstleistungssektoren gerechnet werden können. Demgegenüber stehen der Agrarsektor und die Ernährungsindustrie als Bereiche mit hohen Exportüberschüssen und der Maschinenbau mit über 45 Mrd. Ft als größter Nettoimporteur. In Tabelle D.9 werden die importierten bzw. exportierten Güter nicht nach Herkunfts- bzw. Bestimmungsland unterschieden; jedoch ist in der Erweiterung des EAG-Modells die Unterscheidung zwischen 26 Im jahresdurchschnittlichen Wechselkurs entsprachen 1990 39,14 Forint I DM, vgl. National Bank of Hungary 10/1995.
11. Zusammenstellung einer Datenbasis
77
Außenhandelsbeziehungen mit den ehemaligen Handelspartnern des RGW, der Europäischen Union und den restlichen Ländern vorgesehen (siehe Abschnitt F.lI.3.). Neben den bereits dokumentierten Produktionssteuern, als einer Komponente der Wertschöpfung, fließen in die Erstellung der Datenbasis weitere Angaben über die Höhe staatlich erhobener Steuern und Zölle ein. Das CSO veröffentlicht in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung detaillierte Angaben über die Gewährung von Exportsubventionen und die Erhebung von Exportsteuern und Importzöllen27 bezogen auf die Sektorabgrenzung der InputOutput-Tabelle. Bei der Verteilung der Exportsubventionen dominieren der Agrarsektor und die Ernährungsindustrie. Aufbeide Sektoren entfallen zusammen ca. 83% aller Exportsubventionen. Auf der Seite der Importzölle entfallt der überwiegende Teil auf die Importe an Energie (Kohle, Gas und Öl) und die Importe an Maschinen (besonders Personenkraftwagen).
27
Siehe CSO (1992c), S. 84-87 und S. 130-133.
E. Entwicklung eines Empirischen Allgemeinen
Gleichgewichtsmodells
In diesem Kapitel wird der Aufbau des in dieser Arbeit entwickelten komparativ-statischen EAG-Modells für Ungarn dargestellt. Die Gleichungen für Güter- und Faktornachfrage sowie Güterangebot werden hergeleitet. Anschließend erfolgt die Einbeziehung der Vorleistungs- und Kapitalgüternachfrage, der staatlichen Aktivitäten und des Außenhandels in das Modell. Um die grundlegenden Funktionsmechanismen des EAG-Modells zu veranschaulichen, schließt dieses Kapitel mit der Darstellung empirischer Beispiele ab.
I. Angebot und Faktornachfrage Im hier konzipierten Modell wird, wie in EAG-Modellen üblich, angenommen, daß die einzelnen Unternehmen ausgehend von einer gegebenen Produktionstechnologie mit konstanten Skalenerträgen ihren Gewinn durch die kostenrninirnale Kombination der eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital maximieren. Die Kapitalnachfrage urnfaßt den Einsatz von Gebäuden, Maschinen und sonstigem Sachkapital. Neben der bereits in Abschnitt D.l1.2. erwähnten Problematik der Bewertung des Sachkapitalstocks kommt im Agrarsektor die Bewertung des Bodens als eines sektorspezifischen Faktors hinzu. So wäre es sinnvoll und in einem EAG-Modell einfach aufzunehmen, bei der Kapitalnachfrage des Agrarsektors zwischen Sach- und Bodenkapital zu unterscheiden. Jedoch tritt hierbei das Problem der Aufteilung der Kapitalentlohnung auf Sachkapital und Boden auf. I Aufgrund der mangelnden Verfügbarkeit an Daten wird daher in der vorliegenden Arbeit auf die Einbeziehung einer separaten Bodennachfrage des Agrarsektors verzichtet. Dieser Verzicht hat jedoch aufgrund der Annahme, daß Kapital intersektoral immobil ist und jeder Sektor innerhalb einer Periode nur mit einem gegebenen Kapitalstock produzieren kann, auf die Höhe der jeweiligen (sektorspezifischen) Kapitalrenditen nur geringe Auswirkungen. I Die Aufteilung der Kapitalrendite auf Sachkapital und Boden wäre aufgrund fehlender Statistiken nur durch selbsterhobene Daten quantifizierbar. Dieses Vorhaben, obwohl bei der Konzeption des Forschungsvorhabens geplant, erwies sich jedoch im Laufe der Durchführung des Forschungsprojektes als nicht zu realisieren.
1. Angebot und Faktomachfrage
79
Die Möglichkeit der Anpassung an sich ändernde Faktorpreisrelationen wird in dem vorliegenden Modell durch eine konstante Substitutionselastizität beschrieben (d.h., die Möglichkeit der Substituierbarkeit zwischen Arbeit und Kapital wird einzig von einem Parameter bestimmt). Diese Annahme der konstanten Substitutions elastizität (constant elasticity of substitution) wird in der CES-Funktion formuliert, die von Arrow et al. (1961) eingeführt wurde. Obwohl die CES-Funktion auch Produktionsformen mit von Eins abweichender Skalenelastizität abbilden kann, wird bedingt durch mangelnde Datenverfügbarkeit und aus Vereinfachungs gründen in dem vorliegenden Modell von konstanten Skalenerträgen ausgegangen. 2 Ein weiterer Grund für die Annahme einer Skalenelastizität von Eins liegt darin begründet, daß bei von Eins abweichenden Werten positive bzw. negative Gewinne auftreten, die auf die verschiedenen Institutionen des Modells (private Haushalte, Staat, Unternehmen) verteilt werden müssen. Die CES-Produktionsfunktion lautet daher wie folgt: 1
X., = p, a{a.I L.-P' +(I-a)K.-p,)-; , "
(I)
Dabei beschreibt X; die Produktionsmenge des Sektors i, [J; den Skalenparameter, U j den Verteilungsparameter und Lj und Kj die Faktoren Arbeit und Kapital. Die Höhe des Parameters p, kennzeichnet die Substitutionsmöglichkeit zwischen den beiden eingesetzten Produktionsfaktoren. 3 Die Faktornachfrage eines einzelnen Unternehmens läßt sich mit dem Lagrange-Ansatz aus der Minimierung der Arbeitskosten (WL) mit Wals Lohnsatz und Kapitalkosten (RK) mit R als Kapitalrendite bei einer gegebenen Produktionsmenge ableiten" Die Gleichungen erster Ordnung, die sich dabei ergeben, lassen sich zu der folgenden Gleichung umformen: (2) Die Gleichung (2) in die Produktionsfunktion (1) eingesetzt ergibt nach Umformung 2 Zur Implementierung unvollkommenen Wettbewerbs im erweiterten EAG-Modell siehe Abschnitt F.II.\. 3 Der Wert der Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital entspricht o=(l+pyl. 4 Auf die vollständige Darstellung der Herleitung der Faktomachfragefunktionen auf der Grundlage der Lagrangefunktion wird hier aus Platzgründen verzichtet. Zu einer vollständigen Darstellung siehe bspw. Lancaster (1968), S. 9 ff. Bei der folgenden Darstellung wird aus Gründen der Übersichtlichkeit der Sektor-Index i weggelassen.
80
E. Entwicklung eines EAG-Modells
(l-Ul]l-U K=Xp-l ((l-a)+a ((l~~W) U
(3)
Die Gleichung (3) beschreibt die Faktornachfrage nach Kapital in Abhängigkeit von Produktionsniveau und Faktorpreisen. Analog zu Gleichung (3) läßt sich die Nachfragegleichung für den Faktor Arbeit herleiten:
)(l-Ul]l-U U
L = X p-l ( a + (1- a) (
aR (1- a) W
(4)
Die ökonomische Grundregel für den mengenanpassenden Produzenten ist die Bestimmung der Produktionsmenge, bei der der Gewinn bei gegebenen Produkt- und Faktorpreisen maximiert wird. Wenn jedoch konstante Skalenerträge angenommen werden, dann ist es nicht möglich, die gewinnmaximale Produktionsmenge zu bestimmen, da die Ableitung der Gewinnfunktion nach der Produktionsmenge X ausschließlich eine Funktion des Produktpreises P und der Faktorpreise Wund R ist. Ökonomisch ist dies dadurch zu erklären, daß bei konstanten Skalenerträgen ein Unternehmen, dessen Grenzkosten unter dem Produktpreis liegen, das Gewinn-"Maximum" erst bei einem unendlich hohen Output fIndet, während es im umgekehrten Fall die Produktion überhaupt nicht aufnimmt. In der EAG-Analyse, in der üblicherweise konstante Skalenerträge unterstellt werden, wird dieses Problem dadurch gelöst, daß - in Übereinstimmung mit der allgemeinen Theorie des Gleichgewichts bei vollkommener Konkurrenz - unterstellt wird, die Unternehmen befänden sich in einem gewinnlosen Zustand. 5 In dieser Situation ist der Produktpreis identisch mit den Durchschnittskosten (die im übrigen bei konstanten Skalenerträgen gleich den Grenzkosten sind). Es gilt also: P = R·k + Wl mit k = K/X und l = L/X. Beide Seiten dieser Gleichung sind als Preis bzw. Kosten je Einheit zu interpretieren. P entspricht dem Preis einer Einheit X, und R·k bzw. Wl stellen die Kosten des Faktoreinsatzes bei der Produktion einer Einheit dar. Bei konstanten Skalenerträgen sind kund l unabhängig von der Produktionsmenge und alleine durch das ZinslLohnsatz-Verhältnis bestimmt. Im gewinnlosen Zustand, d.h., wenn sich Erlöse und Kosten entsprechen, befmden sich die einzelnen Sektoren (mit jeweils konstanten Skalenerträgen)
S Zur Beschreibung von Standard-EAG-Modellen siehe Klepper et al. (1994), Robinson (1989) und ShovenfWhalley (1984).
11. Nachfrage der privaten Haushalte
81
für jede beliebige Produktionsmenge im Gleichgewicht. Für die Funktionsweise des EAG-Modells ergibt sich daher die Konsequenz, daß das Produktionsniveau durch die Nachfrageseite bestimmt wird, wobei die Produktpreise (gleich Stückkosten) der einzelnen Sektoren durch die Parameter ihrer Produktionsfunktionen sowie durch die Faktorpreise bestimmt, aber vom sektoralen Produktionsniveau unabhängig sind. Die Preise lassen sich errechnen, wenn in die Gleichung P = R·k + Wl die Werte für kund 1 eingesetzt werden, die sich ergeben, wenn die Gleichungen (3) und (4) durch X dividiert werden. Die Implementierung der Faktornachfrage in EAG-Modellen erfolgt typischerweise unter der Annahme, daß der Faktor Arbeit intersektoral vollständig mobil ist. In dem vorliegenden EAG-Modell wird jedoch nicht von einem über alle Sektoren gleichen Lohnsatz ausgegangen. Der Faktor Arbeit wird vielmehr so auf die einzelnen Sektoren aufgeteilt, daß erst unter Einbeziehung konstanter sektoraler Lohndifferenzen wdist überall das Wertgrenzprodukt der Arbeit identisch wird. 6 Im Gegensatz dazu wird bei Kapital (wie typischerweise in statischen EAG-Modellen) zunächst davon ausgegangen, daß die Höhe der sektoralen Kapitalstöcke innerhalb einer Produktionsperiode konstant ist. Daraus resultiert, daß der Lohnsatz W das Marktgleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt und die sektorale Arbeitsallokation gewährleistet, wohingegen die Kapitalrenditen R sektorspezifisch sind und sich innerhalb einer Periode auch nicht aneinander angleichen, da eine Reallokation des Kapitalstocks ausgeschlossen wird.
11. Nachfrage der privaten Haushalte Bei der Formulierung der Nutzenfunktion des Haushaltes wird hier zur Darstellung der grundsätzlichen Strukturmerkmale des EAG-Modells vorerst von einer Cobb-Douglas-Funktion ausgegangen. In Kapitel F erfolgt später die Darstellung der privaten Nachfrage auf der Grundlage eines empirisch geschätzten Systems von Nachfragegleichungen, wie es tatsächlich in den Simulationsrechnungen verwendet werden soll. Die Höhe des privaten Haushaltsnettoeinkommens wird durch die Faktoreinkommen und die staatlichen Steuern und Transfers TRANS bestimmt. Die Faktoreinkommen setzen sich aus Arbeits- (AREY) und Kapitaleinkommen KAPYwie folgt zusammen: 6 Die Höhe der sektoralen Lohndifferenzen wurde aus den Werten der zweiten Spalte in Tabelle D.2 und der ersten Spalte der Tabelle D.3 bestimmt. Dabei wurde ein durchschnittlicher Lohnsatz über alle Sektoren durch Division des gesamten Arbeitseinkommens durch die Gesamtzahl aller Beschäftigten errechnet und in Relation zu den durchschnittlichen Lohnsätzen der einzelnen Sektoren gesetzt. Bei Übereinstimmung von sektoralem und gesamtwirtschaftlichem Durchschnittslohnsatz hätte wdisti den Wert Eins.
6 Banse
82
E. Entwicklung eines EAG-Modells
ARBY = L{l-sozversJ wdistj W Li> KAPY = LProfth'i{l- proftt,){p;Xj -wdistjWL;).
Das (Brutto-)Arbeitseinkommen in den einzelnen Sektoren ergibt sich aus der Zahl der Beschäftigten L j multipliziert mit dem (gesamtwirtschaftlichen) Lohnsatz W und dem sektorspezifischen Niveauparameter wdistj. Zur Bestimmung der sektoralen Nettolöhne bzw. -gehälter müssen noch die jeweiligen Sozialversicherungsabgaben, dargestellt mit dem Parameter sozverSj als relativer Anteil an den sektoralen Bruttoarbeitseinkommen, abgezogen werden. Das Kapitaleinkommen des privaten Haushalts ergibt sich als Summe fester Anteile - dargestellt durch profthrj - an den sektoralen Kapitalerträgen nach Steuern. Die Kapitalerträge ergeben sich als Residuum aus sektoraler Wertschöpfung minus Bruttoarbeitseinkommen. 7 Neben der Gewährung von Transferzahlungen TRANS beeinflußt der Staat durch die Erhebung von Einkommensteuern - im Modell durch den Parameter yst dargestellt - die Höhe des privaten Einkommens. Dabei wird unterstellt, daß neben den Faktoreinkommen auch die staatlichen Transferzahlungen steuerpflichtig sind. Obwohl verschiedene EAG-Modelle das Sparverhalten in die Nutzenmaximierung einbeziehen und den Sparleistungen den Charakter eines eigenständigen Gutes zuordnen, 8 wird in dem vorliegenden Modell vereinfachend die gegebene Sparquote spar der Basisperiode zugrunde gelegt! Das für Konsumzwecke verfügbare Einkommen Y des privaten Haushalts läßt sich wie folgt beschreiben: Y = ARBY + KAPY + TRANS (1- yst){l- spar)
Der private Haushalt maximiert seinen Nutzen U, der sich aus den Konsummengen CD j ergibt, auf der Grundlage folgender Funktion: 7 Bei dieser Darstellung ist der Einsatz von Vorleistungen noch unberücksichtigt. Siehe dazu den folgenden Abschnitt. Die restlichen Kapitalerträge, die nicht an den privaten Haushalt fließen, verbleiben in den Unternehmen und stehen dort investiven Zwecken zur Verfügung. 8 Eine solche Darstellung des Sparverhaltens ist in vollständig dynamischen Modellen erforderlich, in denen die Individuen ihre intertemporale Nutzenfunktion über den gesamten Zeithorizont hinweg maximieren. Siehe dazu die ausführliche Übersicht über vollständig dynamische Modelle bei Pereira/Shoven (1988). 9 Zur Veränderung bzw. Anpassung der Sparquote der privaten Haushalte im Laufe der wirtschaftlichen Transformation Ungarns siehe die Beschreibung des Basislaufes in Abschnitt G.1.
1II. Nachfrage nach Vorleistungsgütern
U
83
= f1 CD; 'I, , wobei gelten soll, daß L Tl; = 1.
Bei Einbeziehung der Nebenbedingung, daß die Summe aller Konsumausgaben dem (fiir den Konsum verfiigbaren) Einkommen entsprechen soll,
I
Pi CDi =(J-yst)(J-spar) Y, lassen sich anband der Lagrange-Gleichung folgende Nachfragegleichungen herleiten:
Y CD; = (1- yst)(I- spar) T/;-,
(5)
~
wobei die Parameter lli der Nutzenfunktion gleichzeitig die Ausgabenanteile der einzelnen Güter an den gesamten Konsumausgaben darstellen.
III. Nachfrage nach Vorleistungsgütern In Abschnitt E.1. wurde zunächst eine Produktionsfunktion dargestellt, die ausschließlich die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital als erklärende Größen enthält. Die Tatsache, daß die Sektoren neben den genannten Produktionsfaktoren Rohstoffe, Halbfertigprodukte und andere materielle Vorleistungen zur Herstellung ihrer Produkte einsetzen, fand dabei zunächst noch keine Berücksichtigung. Allerdings sollen im vollständigen Modell, wie in EAGModellen üblich, auch die Vorleistungsverflechtungen berücksichtigt werden. Wie in Abschnitt D.II.3 beschrieben, basiert die Darstellung der Nachfrage nach Vorleistungsgütern der einzelnen Produktionssektoren auf einer InputOutput-Tabelle. Dabei wird die Annahme getroffen, daß die Vorleistungs güter in einem festen Verhältnis zur produzierten Menge der jeweiligen Sektoren nachgefragt werden. Der Parameter xij beschreibt die Menge des V orleistungsgutes i, die in die Produktion des Gutes X; geflossen ist. Der Quotient aus Xij und der Produktionsmenge Xj entspricht dem Input-Output-Parameter iOij' Dabei wird angenommen, daß die Relation von Vorleistungsnachfrage und Produktionsmenge konstant ist. Xij • - = / 0 ...
X.
lj
J
Der Umfang der Vorleistungsnachfrage des Sektors i wird somit nur von der Höhe der Produktion dieses Sektors bestimmt. Die Möglichkeit der Substitution der Vorleistungsgüter untereinander oder gegenüber den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ist dabei ausgeschlossen. Durch diese Annahme fließt der Einsatz der Vorleistungsgüter nicht als Variable in die sektorale Produktionsfunktion ein. Die Aufnahme der Vorleistungsgüter beeinflußt 6*
84
E. Entwicklung eines EAG-Modells
jedoch die Bedingungen erster Ordnung der Faktornachfrage, bei denen sich Faktorpreis und Wertgrenzprodukt entsprechen müssen. Da der gesamte Produktionswert den Kosten des Vorleistungs- und Faktoreinsatzes entspricht, muß die Bedingung für den Faktoreinsatz von Arbeit zur Produktion des Gutes i um den Kostenanteil der Vorleistungsnachfrage erweitert werden, d.h.,
2
W = ~ p; muß unter Einbeziehung sektoraler Lohndifferenzen wdistj und indirekter Nettoproduktionssteuern itaxj zu folgender Bedingung erster Ordnung erweitert werden 10:
7
wdist W = 0oL X j (P(l-itax) - " io. IJ I
j
I
I
P.). J
(6)
In der obigen Gleichung entspricht der Ausdruck in der großen Klammer dem Netto-Preis, d.h. Produktpreis nach Steuern abzüglich der mit den InputOutput-Koeffizienten iOij multiplizierten Preise der nachgefragten Vorleistungsgüter. Der Klammerausdruck beschreibt somit den Wertschöpfungsanteil am Produktpreis. Nicht die Höhe des Bruttopreises ist daher der bestimmende Faktor der Faktoreinsatzmenge, sondern die Höhe des Nettopreises PVA j .l1 Dabei ist PVA j defmiert als (7) Die gesamte Nachfrage nach Vorleistungsgütem einzelner Branchen INT j wird durch folgende Gleichung defmiert:
!NI; = Lioij . X j
•
j
IV. Nachfrage nach Investitionsgütern Neben der Nachfrage nach Konsumgütern für den privaten Verbrauch und der Nachfrage nach Vorleistungsgütern ist die Nachfrage nach Bruttoinvestitionen wesentlicher Bestandteil der Güterverwendung. Obwohl in der komparativ-statischen Version des EAG-Modells angenommen wird, daß die sektoralen Kapitalstöcke während der laufenden Produktionsperiode in ihrer Höhe fixiert sind, muß die Nachfrage nach Investitionsgütern aus Gründen der inneren Konsistenz des Modells berücksichtigt werden, da sie ein Element des makroökonomischen Kreislaufgleichgewichts ist. Zur Einbeziehung der Produktionssteuern siehe Abschnitt E.V. 11 So werden auch die privaten Kapitalerträge KAPY nicht durch den Preis P bestimmt, sondern durch PVA. 10
IV. Nachfrage nach Investitionsgütern
85
Analog zu der Formulierung der Vorleistungsnachfrage wird die Nachfrage nach und das Angebot an Kapitalgütern durch eine Investitionsmatrix dargestellt. 12 Entsprechend dieser Matrix wird die sektorale Investitionsgüternachfrage des vorliegenden Modells als Kombination der verschiedenen, im Modell dargestellten Güter beschrieben. Somit kommt die sektorspezifische Struktur der Kapitalgüternachfrage einzelner Branchen bei der Formulierung der Kapitalgüterpreise wie folgt zum Ausdruck: (8)
PKi = L imatji ~. j
PKj entspricht dem (durchschnittlichen) Preis der Kapitalgüter, den der Sektor i zu zahlen hat, wenn er investiert. Pj entspricht dem Verbraucherpreis des Gutes j. Die Werte der Koefflzientenmatrix imatjj entsprechen den relativen Anteilen der Spaltenelemente in Tabelle D.7, wobei die Spaltensumme den Wert Eins ergibt. Die Durchschnittspreise für Kapitalgüter werden sich somit bei unterschiedlicher Entwicklung der Preise P j sektorspezifisch verändern. Die Allokation des Investitionsvolumens auf die einzelnen investierenden Sektoren DKj erfolgt in dem vorliegenden komparativ-statischen Modell entsprechend fixer Anteilsparameter 'I'i an der gesamtwirtschaftlichen Investitionssumme, die der Sparsumme entspricht, DK.
= 'f/i
I
INVEST . PKj
Allerdings haben die Investitionen in dem komparativ-statischen Modell keine Auswirkung auf das Produktionspotential der investierenden Sektoren während der laufenden Produktionsperiode. Die Endogenisierung des Parameters 'f/ wird eine der wesentlichen Änderungen der rekursiv-dynamischen Version des EAG-Modells gegenüber der komparativ-statischen seinY Die zur Deckung der Nachfrage nach Kapitalgütern notwendige Produktion in den einzelnen Sektoren ID j wird mittels der Koefflzientenmatrix (imat j) aus der Nachfrage nach Kapitalgütern abgeleitet. IDj = Limatij DKj j
Zur näheren Beschreibung der Investitionsmatrix siehe Tabelle 0.8. Siehe dazu die Beschreibung des rekursiv-dynamischen Modells in Abschnit F.I.2. 12 lJ
E. Entwicklung eines EAG-Modells
86
v. Aufnahme staatlicher Aktivitäten In einem angewandten EAG-Modell müssen auch die Aktivitäten des Staates dargestellt werden. Dabei werden sämtliche Aktivitäten der öffentlichen Haushalte Ungarns auf kommunaler, Bezirks- und Regierungsebene in einem Sektor "Staat" aggregiert, der im EAG-Modell als Repräsentant aller staatlichen Aktivitäten dienen soll. In dem vorliegenden Modell beschränken sich die Aktivitäten des staatlichen Sektors auf den Konsum von Gütern und Dienstleistungen und auf die Erhebung von Steuern bzw. Gewährung von Subventionen. Staatliche Investitionen fmden in dem vorliegenden Modell keine Berücksichtigung. Im Bereich der Endnachfrage tritt der Staat neben den Unternehmen und den privaten Haushalten als zusätzlicher Nachfrager auf den Märkten in Erscheinung. Der zweite Bereich, die Erhebung von Steuern und die Zahlung von Subventionen, beeinflußt die inländischen Preis verhältnisse mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Allokation der Produktionsfaktoren und die Höhe der sektoralen Produktion. Der Konsum der privaten Haushalte wird infolge von Einkommensteuern oder Transferzahlungen vermindert oder erhöht. Der Staat verwendet seine Steuereinnahmen tUr die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen. Bei der Formulierung der staatlichen Nachfrage wird im vorliegenden Modell kein optimierendes Verhalten, das sich aus der Maximierung einer Nutzenfunktion ableitet, angenommen. Statt dessen wird die Struktur der staatlichen Nachfrage nach einzelnen Gütern GD j entsprechend den Anteilsparametern U j der realen staatlichen Gesamtnachfrage GD TOT der Basisperiode wie folgt bestimmt: 14 GD j
= V GDTOT . j
Die staatlichen Nettoeinnahmen aus Zöllen und Steuern nach Abzug der Ausgaben tUr Transfers und Subventionsausgaben werden in der folgenden Gleichung beschrieben: GR
=
- wdistjW Lj) + sozvers wdist W L yst Y - TRANS + Lj profst/ (PVAXj , I
+itax;~Xj
I
I
+(tm; PWM;M; -te;PWE;E)ER-INVSUB;.
Die Nettoeinnahmen des öffentlichen Haushaltes setzen sich aus der Erhebung der Einkommensteuer der privaten Haushalte (yst . Y) abzüglich der Transfers
,. Die Überstreichungen von GDi und GDTOT in der folgenden Gleichung deuten an, daß es sich bei beiden Größen um exogene (fixierte) Werte handelt.
V. Aufnahme staatlicher Aktivitäten
87
an die privaten Haushalte TRANS,IS der Summe der in den einzelnen Sektoren entrichteten Kapitalertragsteuern, den Sozialversicherungsabgaben, den Nettoproduktionssteuern, dem Saldo aus Zolleinnahmen und Exportsubventionen den Investitionsbeihilfen INVSUB j zusammen. 16 Auf der Verwendungsseite werden die Einnahmen entweder für staatliche Konsumausgaben genutzt oder gespart, GR
= IF: GD i + GSPAR .
Das staatliche Haushaltsdeftzit ist also nicht exogen vorgegeben, sondern wird modellendogen ermittelt. 17 Im vorliegenden Modell einer Volkswirtschaft mit neun Sektoren, einem privaten und einem öffentlichen Haushalt greift der Staat (öffentlicher Haushalt) in verschiedenen Bereichen in Form von direkten und indirekten Steuern in das Wirtschaftsleben ein. Die Erhebung direkter Steuern mindert einerseits durch die Einkommensteuer das verfügbare Einkommen des privaten Haushalts. Andererseits wird das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte durch direkte Transfers erhöht. Neben dem Sparen wird durch die Aufnahme des Instruments der Einkommensteuer, beschrieben durch den Durchschnittsteuersatz yst, und durch die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben das für Konsumausgaben verfügbare Einkommen verringert. Bei der Annahme einer Cobb-Douglas-Nutzenfunktion führt die Minderung des Einkommens aufgrund der Einkommenselastizität der Nachfrage von Eins zu einer gleichhohen prozentualen Reduktion der Konsurnnachfrage bei allen Gütern. Ein Beispiel für die indirekten Steuern sind die Netto-Produktionssteuern, die entsprechend Gleichung (7) als ad-valorem Steuer auf den Produktionswert des jeweiligen Sektors erhoben werden. Die Produktions steuer senkt somit den "Nettopreis", d.h. den auf die Wertschöpfung entfallenden Anteil am jeweiligen Produktpreis. Der verminderte Nettopreis führt zu einem reduzierten Faktoreinsatz in den jeweiligen Sektoren, wobei aufgrund sektorspeziIS Die staatlichen Transferzahlungen an die privaten Haushalte werden in der komparativ-statischen Version des EAG-Modells als konstant angenommen. 16 Bei der Einbeziehung der staatlichen Investitionsbeihilfen wurde darauf verzichtet, die Beihilfe in Gleichung 8 als ad-valorem Subvention einer Reduktion der jeweiligen sektoralen Preise für Kapitalgüter einzubeziehen. 17 Die in dem vorliegenden Modell gewählte endogene Bestimmung des Staatsbudgets betrifft die in der EAG-Analyse entscheidende Frage der makroökonomischen "Schließung" (c1osure-rules) eines Modells. Zu der umfassenden Darstellung und Begründung der hier gewählten makroökonomischen Schließung siehe Abschnitt E.VII.
88
E. Entwicklung eines EAG-Modells
fischer Steuersätze itax die Minderung der Beschäftigung bzw. des Kapitaleinsatzes von Sektor zu Sektor unterschiedlich ist.
VI. Aufnahme von Außenhandelsbeziehungen Mit Ausnahme der Einbeziehung von staatlichen Zolleinnahmen und Exportsubventionen in Abschnitt E.V. war das bisher diskutierte Modell auf den Fall einer geschlossenen Volkswirtschaft begrenzt. Alle Güter wurden im Inland produziert und konsumiert. Einkommen konnte nur durch den Verkauf auf heimischen Märkten erwirtschaftet werden. Außenhandelsbeziehungen in Form von Waren- und Kapitaltransfers spielen jedoch in allen Volkswirtschaften eine wesentliche Rolle, sowohl für die Versorgung mit Gütern als auch für die Erwirtschaftung von Einkommen. 11 Mit dem Übergang von dem Modell einer geschlossenen zu dem einer offenen Volkswirtschaft treten gravierende Änderungen in der Wirkungskette ein. In dem Modell der geschlossenen Volkswirtschaft werden die Preise durch die relativen Faktorintensitäten und die Lage der Nachfragekurven bestimmt. Im Fall einer offenen Volkswirtschaft haben die Weltmarktpreise entscheidenden Einfluß auf das Niveau der inländischen Preise. Für ein kleines Land und vollkommene Märkte gilt, daß die inländischen Preise den Weltmarktpreisen entsprechen, so daß die Faktorpreise und die Struktur der inländischen Produktion durch das Weltmarktpreisniveau determiniert werden. Der Wirkungsmechanismus im Fall eines großen Landes ist dagegen tendenziell umgekehrt, da die heimische Produktion und Nachfrage das Niveau der Weltmarktpreise beeinflussen. Im vorliegenden Modell wird von der Annahme ausgegangen, daß Ungarn als ein kleines Land nicht in der Lage ist, Einfluß auf das Niveau der Weltmarktpreise auszuüben. Unter der Annahme des "law of one price", bei der heimisch produzierte Güter als identisch mit denen angesehen werden, die im Ausland produziert sind, wären im Modell der offenen Wirtschaft eines kleinen Landes die relativen Preise exogen bestimmt. Die Höhe des Produktions- und Konsumniveaus in diesem Land wäre somit analog zu dem Verhalten eines mengenanpassenden Unternehmers durch die relativen Faktorpreise und die Faktorintensitäten bestimmt. Bei der Einbeziehung des Außenhandels in dem vorliegenden EAGModell soll jedoch - wie in EAG-Modellen üblich - die Annahme gelten, daß heimisch produzierte und im Ausland produzierte Güter nicht homogen sind. Obwohl jeder Sektor annahme gemäß nur ein Gut produziert, unterscheidet sich das für den heimischen Markt erzeugte von dem für den Export 11 Für die Beschreibung der ungarischen Außenhandelsbeziehungen siehe Abschnitt B.II.3.
VI. Aufnahme von Außenhandelsbeziehungen
89
bestimmte Gut. Analog liegen auf der Nachfrageseite bei der Nachfrage heimisch erzeugter und importierter Erzeugnisse qualitative Unterschiede vor. Die Aufnahme von handelspolitischen Eingriffen des Staates beeinflußt auch bei dieser Modellstruktur die inländische Preisbildung. Die Einführung eines Importzolles wird nicht nur den Preis des importierten Gutes PM. erhöhen, sondern aufgrund von Substitutionswirkungen auch die Preise heimischer Güter, die mit dem Importgut konkurrieren, verteuern. So ergeben sich die Preise der Importgüter in diesem Modell einer kleinen Volkswirtschaft unter Einbeziehung eines Wertzolles (!m;) aus den exogen gegebenen Weltmarktpreisen PWM; - ausgedrückt in ausländischen Geldeinheiten - und dem Wechselkurs ERI9: PM;
= PWM; (l+tm;)
ER.
Diese Gleichung läßt sich auch für den Einsatz von Exportsubventionen formulieren. Im Fall der Einführung einer Subvention te;, die beim Export von Gut i gewährt wird, hätte te; ein positives Vorzeichen und bei der Erhebung von Exportsteuern ein negatives Vorzeichen. Darstellung des Außenhandels bei ProduktdiJferenzierung
In EAG-Modellen wird häufig auf den Ansatz von Armington (1969) zurückgegriffen. Basierend auf diesem Ansatz sollen im folgenden mit einer CES-Funktion die Importnachfrage und die Bestimmung der relativen Preise von Import- und heimischen Gütern abgeleitet werden. Dabei wird das im Inland verwendete Gut durch eine CES-Funktion als kombiniertes Produkt Q; aus heimischer D; und ausländischer M; Herkunft dargestellt.
Q;
= y; (8;M;-"
I
+(l-8;)D;-;; r~,
(9)
wobei y; den sogenannten shift-Parameter, 0; den Anteilsparameter und rA den Elastizitätsparameter beschreiben. Die Funktion läßt sich analog zur Produktionsfunktion in Gleichung (1) interpretieren, in der jetzt M; und D; die "Inputs" repräsentieren, mit denen das Gut Q; "hergestellt" wird. Das Gut Q; fließt in die Endnachfrage als Vorleistungsgut, als Konsumgut in die privaten oder öffentlichen Haushalte oder als Kapitalgut in die Bruttoinvestitionen ein.
19 Der Wechselkurs ist als Zahl heimischer Geldeinheiten je ausländische Geldeinheit definiert.
90
E. Entwicklung eines EAG-Modells
Dabei wird angenommen, daß die relative Gewichtung von importiertem und heimisch produziertem Gut in allen vier Verwendungsrichtungen gleich ist. 20 Für das jeweilige Land ergibt sich auf der Basis von Gleichung (9) ein Kostenminimierungsproblem analog zum Fall des mengenanpassenden Unternehmers, der Faktoren nachfragt. Die Bedingungen erster Ordnung ergeben nach Umformung folgende Gleichung, die die Relation der Nachfrage heimisch erzeugter Güter zu Einfuhren wie folgt defmiert: (10) Bei Multiplikation von (10) mit dem Preisverhältnis PM) PD j ergibt sich die Relation der wertmäßigen Importnachfrage zu wertmäßiger Nachfrage auf heimischen Gütermärkten wie folgt: PM M PD; D;
(5,
- - ' - ' = --'-
1-8;
)~( -PD)~-I -' PM;
(11 )
Die Höhe der Importsubstitutionselastizität bestimmt analog zur Produktionsfunktion die Reaktion der heimischen Nachfrage auf Preisänderungen der importierten Güter. Der Preis der importierten Güter PMj kann sich aufgrund von Wechselkurs änderungen, Änderungen des Zollsatzes oder exogener Änderungen des Weltmarktpreisniveaus verändern. Wenn in der oberen Gleichung die Substitutionselastizität den Wert Eins hat, ist die Relation von Importnachfrage zu Nachfrage heimisch erzeugter Güter konstant (die CESFunktion entspricht dem Fall der Cobb-Douglas-Funktion). Bei einem großen Wert wird dagegen das Verhältnis M j / D j stark auf kleine Änderungen der Preisrelation reagieren. M j und D j werden dann nahezu perfekt substituierbar, so daß sich als Ergebnis des Preisbildungsprozesses am inländischen Markt die Preise fiir heimische und importierte Produkte nahezu entsprechen werden, d. h.PDj""P~.
Wenn hingegen der Wert der Substitutionselastizität sehr klein ist, wirken sich große Änderungen der Preisrelation nur gering auf das Verhältnis Mj / D j aus. Im Extremfall wäre bei einem Wert von gleich 0 das Güterverhältnis 20 Bei Unterscheidung der jeweiligen Verwendungsrichtung müßten entsprechend vier Importnachfragegleichungen und, falls die Verwendungsrichtungen unterschiedlich besteuert bzw. subventioniert werden, vier Preisgleichungen formuliert werden. In der vorliegenden Arbeit wird aus Gründen der Übersichtlichkeit bei der Definition der Importnachfragefunktion auf die Unterscheidung verschiedener Verwendungsrichtungen verzichtet. Zu Modellen, die diese Unterscheidung beinhalten, siehe bspw. Dixon et al. (1982).
VI. Aufnahme von Außenhandelsbeziehungen
91
konstant, so daß Änderungen der Preisrelation keinen direkten Einfluß auf die Höhe der Importnachfrage hätten. Anhand dieser Darlegung ist zu vermuten, daß die Höhe der Importsubstitutionselastizitäten entscheidend auf den inländischen Preismechanismus wirkt. Daher sollen die Auswirkungen einer systematischen Variation der Handelselastizitäten (Sensitivitätsanalyse ) unten in Abschnitt EX.2 analysiert werden. 2 \ Entsprechend der Modellierung der Importnachfrage in dem vorliegenden EAG-Modell wird auch bei der Darstellung der Exporte von dem strikten Konzept der Annahme homogener Güter abgewichen mit der Konsequenz, daß die Entwicklung des heimischen Preisniveaus nicht mehr vollständig an die Entwicklung der Weltmarktpreise gekoppelt ist. Auch bei Unterstellung einer unvollständigen Transformation zwischen fiir den Export und den heimischen Markt bestimmten Gütern gilt die Annahme des kleinen Landes insofern, daß die Terms of Trade fixiert sind, da sowohl die Import- als auch die Exportpreise eines jeweiligen Gutes in Fremdwährung festgelegt sind. Die Menge der exportierten Güter hat keinen Einfluß auf die Höhe der jeweiligen Weltmarktpreise. So ist der Preis eines Exportgutes in nationaler Währung PE j wie folgt defmiert:
wobei te j die Höhe der Exportsubvention oder -steuer beschreibt. Unter der strengen Auslegung der Annahme homogener Güter würde bei PE j > PD j kein Angebot auf heimischen Märkten stattfmden. Die gesamte, im Inland produzierte Warenmenge würde fiir den Export bestimmt sein. Eine derartige Modellierung der Exportaktivitäten in dem EAG-Modell würde zwar vollständig mit den Implikationen übereinstimmen, die aus der Annahme homogener Güter folgen. Eine solche Darstellung würde jedoch nicht mit der Realität des intraindustriellen Handels korrespondieren. Aus diesem Grund wird im vorliegenden Modell auch die Verwendung der produzierten Waren und Dienstleistungen, die entweder auf inländischen oder auf Exportmärkten angeboten werden, dem Armington-Ansatz entsprechend mit folgender Transformationsfunktion beschrieben:
X = 'P j
j
(B;
I
E/"j + (1- B;) D/"j )-;;'-
(12)
2\ Quellen zu Handelselastizitäten siehe SternlFrancislSchumacher (J 976) und Dixon et al. (1982). Für Ungarn wurden von ZalailRevesz (1991), BreusslTesche (J 994) EAG-Modelle entwickelt, die die Nachfrage nach Importgütern auf der Grundlage des Armington-Ansatzes formulieren.
92
E. Entwicklung eines EAG-Modells
Die obige Gleichung bestimmt, wie das im Inland produzierte Gut X; entweder in das Exportprodukt E; oder in das für heimische Märkte bestimmte Gut D; transfonniert werden kann. Dabei drückt der Parameter B, den jeweiligen Anteil an der Verwendung und der Parameter ~ die Reagibilität der Transformation zwischen den Verwendungsrichtungen bei Veränderung der Preisrelation aus. Aus dem Parameter ~ läßt sich der Wert der Transformationselastizität Tj als I / (1-~) formulieren. 22 Den jeweiligen Sektoren stehen somit der inländische und der ausländische Markt zum Angebot ihrer Produkte offen, so daß sich bei Maximierung ihrer Erlöse unter der Nebenbedingung der in Gleichung (12) beschriebenen Transformationsfunktion folgende Bedingung erster Ordnung ableiten läßt: (13) Durch Multiplikation beider Seiten von (13) mit PE; / PD; läßt sich die Relation des wertmäßigen Angebotes auf Exportmärkten zum wertmäßigen Angebot auf heimischen Märkten darstellen: (14) Die Gleichung (14) läßt sich analog zu der Gleichung (11) interpretieren. Bei einem Betrag von gleich Eins für '"C; (Cobb-Douglas Fall) sind die Anteile des wertmäßigen Angebotes auf heimischen und ausländischen Märkten durch die Anteile der Ausgangssituation festgelegt und bleiben bei Änderung der Preisrelation unverändert. Bei sehr hohen (absoluten) Werten von '"C; werden die Exportgüter und die Güter, die für die heimischen Märkte bestimmt sind, zu nahezu perfekten Substituten, d.h., die Produktdifferenzierung geht gegen Null. Entsprechend der Beschreibung der Importnachfrage werden sich dann PE; und PD; nahezu entsprechen. Abbildung E.1 veranschaulicht die Einbeziehung des Außenhandels in das EAG-Modell. In den eckigen Kästen sind die Güter bzw. Faktoren aufgeführt, wobei der relevante Preis daruntergestellt wurde. Die jeweilige Funktionsform ist in Kästen mit abgerundeten Ecken zwischen den verschiedenen "Stufen" angegeben. 22 Die auf der Exportseite verwendete CET- (Constant Elasticity of Transformation) Funktion unterscheidet sich insofern von der CES-Funktion auf der Importseite, als die CET-Funktion konkav zum Ursprung ist, d.h., der Wert der Transformationselastizität "t ist negativ. Daraus läßt sich folgern, daß der Wert des Transformationsparameters (j) größer als I sein muß. Siehe Hasenkamp (1976), S. 54.
93
VI. Aufnahme von Außenhandelsbeziehungen
Gemäß der zu Beginn dieses Kapitels defmierten Produktionsfunktion bestimmt die Höhe der Arbeitseinsatzmenge - die durch den Netto-Preis PVA j bestimmt wird - und des gegebenen Kapitalstocks die sektoralen Produktionsmengen, aus denen sich mittels einer Leontief-Funktion die jeweilige Vorleistungsnachfrage ableitet. Das Güterangebot X; ist zum einen für den Export E j und zum anderen für den heimischen Markt D j bestimmt. Dabei ist der Erzeugerpreis PX; wie folgt definiert: 2J PX = PE; E;+PD; D; I
X;
Kapital ( Ki )
Arbeit (Li) W Vorleistungen Pi
Exportgut (Ej) PEi
KRi Produktionsfaktoren PVAi
Importgut (Mi) PMi
Inlandsmarkt (Di) PDi
Produkt der Endnachfrage (Qj)
p.
1
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung E.1 Schematische Darstellung der Güterproduktion bzw. -verwendung im EAG-Modell
Die Höhe der Endnachfrage Q, die sich aus Güter heimischer und ausländischer Herkunft zusammensetzt, wird durch den Verbraucherpreis bestimmt, 2J Bei der bisherigen Darstellung des EAG-Modells wurde nicht zwischen Erzeugerund Verbraucherpreisen unterschieden. Die mit der Aufnahme des Außenhandels vollzogene Unterscheidung wirkt sich insofern auf die bisher beschriebenen Gleichungen aus, daß die Definition der sektoralen Netto-Preise PVA j in Gleichung (7) sowie die Definition der staatlichen Einnahmen an Produktionssteuern angepaßt werden müssen (siehe dazu Gleichung 5 in Übersicht E.1 und Gleichung 21 in Übersicht E.3).
94
E. Entwicklung eines EAG-Modells
der nach Aufnahme des Außenhandels in das EAG-Modell durch die folgende Gleichung beschrieben wird: p
= PM;
I
M;+PD; D;. Q;
VII. Makroökonomische Gleichungen In diesem Abschnitt sollen die Gleichgewichtsbedingungen des EAGModells beschrieben werden. Auf der Güterverwendungsseite muß die gesamte inländische Nachfrage Q der Summe aus Konsum des privaten Haushalts CD j , des öffentlichen Haushalts GD j , der Vorleistungsnachfrage INT; und den Investitionen ID j entsprechen. Qj
= CD j + GD j + INTj + ID j •
Auf dem Arbeitsmarkt muß die Summe der Arbeitsnachfrage der einzelnen Sektoren dem (gegebenen) Gesamtangebot an Arbeit LS entsprechen.
Das außenwirtschaftliche Gleichgewicht wird durch den Saldo aus Importen und Exporten zu Weltmarktpreisen und dem möglichen - im vorliegenden Modell exogenen - Leistungsbilanzüberschuß bzw. -defizit FSPAR bestimmt.
Als letzte makroökonomische Variable muß die gesamtwirtschaftliche Sparsumme aus privatem und öffentlichem Sparen, dem Sparen der Unternehmen und dem Leistungsbilanzsaldo definiert werden. Das Sparverhalten der privaten Haushalte wird im Modell durch folgende Gleichung beschrieben: PSPAR
=
spar (1 - yst) Y.
Die Sparsumme der Unternehmen setzt sich aus dem nicht ausgeschütteten Anteil der Nettokapitalerträge und den staatlichen Transfers zusammen: 2' USPAR =
I(l- proftt;)(l- profthr;)( PVA;X; -
wdistW L;) + INVSUB;.
24 Die Abschreibungen sind in dieser Darstellung bereits bei der Berechnung der in den Sektoren verbleibenden Nettokapitalerträgen enthalten und werden nicht explizit aufgeftihrt.
VII. Makroökonomische Gleichungen
95
Die letzte makroökonomische Gleichgewichtsbedingung, die die ex-post Identität von Investitionen INVEST und Sparen garantiert, lautet dementsprechend TOTSPAR == INVEST = GSPAR + PSPAR + USPAR + FSPAR· ER,
wobei GSPAR das staatliche Budgetdefizit und FSPAR·ER den Handelsbilanzsaldo in inländischer Währung beschreiben. Obwohl im walrasianischen Modell im Prinzip jeder Preis als Numeraire dienen kann, ohne daß diese Wahl Auswirkungen auf die reale Seite der Volkswirtschaft hat, wird in dem vorliegenden Modell nicht ein einzelner Preis sondern der Verbraucherpreisindex als Numeraire gewählt: PINDEX=
Ln; p;.
Dabei entsprechen die Parameter n j den Anteilen der Konsumgüter Q an der Gesamtnachfrage in der Basisperiode. PINDEX ist als Numeraire exogen mit dem Wert Eins fixiert. In EAG-Modellen werden nicht alle in den makroökonomischen Gleichungen enthaltenen Variablen endogen bestimmt. Dabei werden sogenannte Schließungsregeln (c1osure-rules) defmiert. So wird bspw. im Außenhandelsbereich entweder der Wechselkurs oder der Leistungsbilanzsaldo exogen fixiert. Im vorliegenden Modell soll von einem konstanten Leistungsbilanzsaldo ausgegangen werden. Da gleichzeitig das absolute inländische Preisniveau (PINDEX als Numeraire) exogen gegeben ist, wird das Außenhandelsgleichgewicht über Variation des nominalen Wechselkurses ER erreicht. So fuhrt ein ansteigender Wert fur ER zu einer realen Abwertung, bei der die sektoralen Preise der fur den Außenhandel bestimmten Güter (PM und PE) gegenüber den Preisen der heimischen Güter PD steigen. Infolge dieser veränderten Preisrelation aufgrund der realen Abwertung wird bei den gegebenen Importnachfrage- und Exportangebotsgleichungen ein Anstieg der Exporte und ein Rückgang der Importe erfolgen. Alternativ wäre es möglich, von einem festen Wechselkurs - relativ zu dem Numeraire Preisindex - und einem endogenen Handelsbilanzsaldo auszugehen. 2s Die makroökonomische Schließungsregel mit den stärksten Implikationen ist diejenige, die die Identität von Ersparnis und Investitionen herstellt,26 In lS Darüber hinaus ist es möglich, sowohl Handelsbilanzsaldo als auch nominalen Wechselkurs festzulegen. Unter diesen Bedingungen müßte es allerdings bspw. bei einem überbewerteten Wechselkurs zu Rationierung der Importe kommen. Zu unterschiedlichen Rationierungsmechanismen siehe Dervis et al. (1982). 26 Zu den Implikationen verschiedener Schließungsregeln siehe Bandara (1991), Rattso (1982) und Robinson (1991).
96
E. Entwicklung eines EAG-Modells
diesem Modell wird die sogenannte "neoklassische" Schließung gewählt, die die aggregierten Investitionen als endogene Summe aus privater, staatlicher, Unternehmens- und ausländischer Ersparnis defmiert, ohne daß eine eigenständige Investitionsfunktion gewählt wird. Die Höhe des verfügbaren Haushalts einkommens wird bei gegebener Einkommensteuer und gegebenen staatlichen Transfers ausschließlich durch die Höhe der Produktion in den einzelnen Branchen bestimmt. Die Höhe von Einkommen und Preisen wiederum bedingt die private Nachfrage in dem EAG-Modell, wobei sich die Höhe der aggregierten Investitionen als Residualgröße ergibt. Eine Alternative zu der in diesem Modell gewählten "neoklassischen" Schließung mit einer endogenen Bestimmung der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme wäre die exogene Vorgabe der aggregierten Investitionen. Bei dieser Schließungsregel, die keynesianischer Natur ist, passen sich Ersparnis und Produktion entweder über Multiplikatoreffekte oder über Verteilungseffekte an Veränderungen der aggregierten Investitionen an. Diese Annahme einer exogenen Gesamtsumme der Investitionen wäre für das bislang komparativ-statische Modell insofern ungeeignet, als es zu einem sequentiellen dynamischen Modell erweitert werden soll, in dem sowohl die Höhe der Gesamtinvestitionen als auch die sektoralen Investitionen endogen bestimmt werden sollen.
VIII. Zusammenfassende Darstellung des komparativ-statischen EAG-Modells Bevor auf die Bestimmung der Parameter des Modells und die Umsetzung in ein rechenbares EAG-Modell eingegangen wird, soll eine zusammenfassende Darstellung des Modells erfolgen. Im folgenden wird ein Überblick über die Gleichungen des Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodells gegeben. Die in den Übersichten dieses Abschnitts aufgeführten Parameter, dargestellt durch Kleinbuchstaben, werden im Anhang in der Übersicht A -1 erläutert. Entsprechend der Kennzeichnung endogener und exogener Variablen in Übersicht C.1 sind in den folgenden Übersichten exogene Variablen ebenfalls durch Überstreichungen gekennzeichnet.
97
VIII. Zusammenfassende Darstellung des Modells
Übersicht E./ Definition der Preisvariablen des EAG-Modells Nr.
Anzahl und Name der Variablen
(I)
i
Preis der Importgüter
PM j = PWM j.(1 + tmj) ·ER
(2)
i
Preis der Exportgüter
PE j = PWE j . (1 + te j) . ER
(3)
i
Verbraucherpreis
(4)
i
Erzeugerpreis
PK = PE; E; + PD; D; I X;
(5)
i
Preis für Wertschöpfung
PVA j = PX j (1- itaxj) - Lioij ~
i
Preis für den Einsatz Kapitalgütem in Sektor i
(6) (7)
I
--
p.
=
PM; M;+PD;D;
Q;
I
j
Preisindex
von
PK; = L imatji
lj
j
PINDEX= LQ;P; ;
Quelle: Eigene Zusarnmenstellung.
Die endogenen Variablen der Gleichungen (1) und (2) und (5)-(7) sind in dem vorangegangenen Text erläutert worden. Der Verbraucherpreis, den die heimischen Konsumenten für Vorleistungen, den privaten und staatlichen Konsum und für Bruttoinvestitionen zu zahlen haben, wird in Gleichung (3) defmiert. Auf die gleiche Weise wird in der folgenden Gleichung (4) der Erzeugerpreis als Stückpreis aus der Summe von heimischen Erlösen und Exporterlösen bestimmt. Die Güterproduktion wird in Übersicht E.2 in Gleichung (8) durch die CESFunktion beschrieben. Die sektorale Arbeitsnachfrage (Gleichung 9) wird durch die Bedingung erster Ordnung bestimmt, bei der sich der Faktorpreis und das Wertgrenzprodukt des Faktoreinsatzes entsprechen müssen. Da in der komparativ-statischen Version von sektoral immobilen Kapitalstöcken ausgegangen wird, ist in dem Modell nur die Arbeitsnachfrage explizit formuliert. Das Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt wird durch die Variation des durchschnittlichen Lohnsatzes W gewährleistet, jedoch unter der Annahme konstanter intersektoraler Lohndifferenzen wdist.
7 Banse
98
E. Entwicklung eines EAG-Modells
Übersicht E.2 Definition der realen Variablen des EAG-Modells Nr.
Anzahl und Name der Variablen
(8)
i
Produktion
Xi
(9)
i
Arbeitsnachfrage
Wwdist i = PVAi - - '
(10)
i
Vorleistungsnachfrage
!NT; = Lioij X j
= A (ai Li-P' + (1- aJK;-p,
rp, I
0%
ol,
j
Pi CD i = (l-yst)(l-spar) TJi Y
(11 )
i
private Nachfrage
(12)
i
staatliche Nachfrage
GD
(13)
i
Investitionsnachfrage
IDi = Limatij DKj
i
= Ui GDTOT j
I
(14)
i
Exporttransformation
Xi
= 'Pi (8, E/," + (1- 8,) D/,') ~ I
I
(15)
i
Exportangebot
PErMic-Br~ E= ( --' --' D. 'PDi 8, ,
(16)
i
Importaggregation
Qi -- Yi (8i Mi -;; + (I 8) i Di-;; r~
Importnachfrage
-( M - PD - -i , PMi
I
t;; ( t;; I
(17)
i
I
-8;1-8;
D ,
Quelle: Eigene Zusammenstellung.
Die Gleichungen (10-13) beschreiben die einzelnen Teile der inländischen Endnachfrage. Die Vorleistungsnachfrage [NT; nach Gut i wird aus der Zeilensumme der mit den Input-Output-Koefflzienten gewichteten Produktionsmengen der einzelnen Sektoren bestimmt. Die anderen Komponenten der Endnachfrage sind oben in den entsprechenden Abschnitten hergeleitet worden. Als letzte Gleichungen sind in Übersicht E.2 die Defmitionen der Exporttransformation, des Exportangebotes sowie die Bestimmung der Importaggregation und der Importnachfrage aufgefiihrt.
VIII. Zusammenfassende Darstellung des Modells
99
Übersicht E.3 Definition der nominalen Variablen und der Gleichgewichtsbedingungen des EAG-Modells
Nr.
Anzahl und Name der Variablen
(18)
1
(19)
I
Arbeitseinkommen der privaten Haushalte
ARBY= L(I-sozversi ) wdist i W Li
Kapitaleinkommen der privaten Haushalte
KAPY= L projshr;(I- projst;XPVA;X; -w:list;~)
(20)
1
Einkommen der privaten Haushalte
(21)
1
Nettoeinnahmen des öffentlichen Haushaltes
i
;
Y= LABY + KAPY + TRANS GR = Lsozvers; wdist; W L; + itax;PX;X; ;
+Lprojst;(PVA;X; - wdist;W L;) ;
(tm; PWM; M; - te; PWE; E;) ER
+L ;
- L INVSUB; + yst Y - TRANS ;
(22)
1
Staatsdefizit
GSPAR = GR - L
P; GDi
i
(23)
1
Sparen der privaten Haushalte
PSPAR = spar (1 - yst) Y
(24)
1
Sparen der Unternehmen
USPAR
= L (I ,
profst;)( 1 - projshfj)
{PVA;X; - wdist;WLJ + INVSUB;
(25)
I
gesamte Sparsumme
TOTSPAR = GSPAR + PSPAR + USPAR --
+FSPAR·ER
= IJI'; INVEST
(26)
i
Investitionsausgaben
PKi DKi
(27)
1
reales BIP
RBIP= L i
P; (CDi + GDi + IDi ) +PEiEi -PMi Mi
Gleichgewichtsbedingungen: (28)
1
Arbeitsmarkt
LS=LLi i
(29)
1
Zahlungsbilanz
(30)
i
Gütermärkte
(31 )
1
Investitionen'" Sparen
Quelle: Eigene Zusammenstellung.
7*
L PWM; M;
,
=L
PWE; E; + FSPAR
;
-
= INT; + CDi + GDi + IDi INVEST = TOTSPAR Qi
100
E. Entwicklung eines EAG-Modells
In den Gleichungen (18) und (19) werden in Übersicht E.3 die Arbeits- und Kapitaleinkommen des privaten Haushalts beschrieben. Da für den Faktor Kapital keine durchschnittliche Rendite ausgewiesen ist, wird die Kapitalentlohnung als Residuum aus der Wertschöpfung abzüglich der Löhne und Gehälter bestimmt. Analog zu der Darstellung in der SAM setzt sich das Einkommen des privaten Haushaltes aus dem Arbeitseinkommen, den ausgeschütteten Gewinnen und den (konstanten) staatlichen Transfers zusammen. Gleichung (21) präsentiert die Nettoeinnahmen des öffentlichen Haushaltes. Die folgenden Gleichungen (22-25) sind in den vorangegangenen Abschnitten defmiert und beschrieben worden. In Gleichung (26) ist die Höhe des realen Bruttoinlandsproduktes defmiert. Das Modell schließt mit den fünf Gleichgewichtsbedingungen, die zur Lösung des Modells erfüllt sein müssen. Bei der Formulierung der makroökonomischen Gleichgewichtsbedingungen ist die Defmition einer Gleichung bzgl. der inländischen Angebotsmenge und der Nachfrage aus heimischer Produktion nicht erforderlich, da durch Gleichung (17) das "Herkunftsverhältnis" M j / D j bestimmt wird. In Verbindung mit Gleichung (30) wird so sichergestellt, daß die Relation von Importen zu heimischen Erzeugnissen in allen Kategorien der Endnachfrage gleich ist. So läßt sich Gleichung (30) durch Multiplikation mit D j / Q; in die gleichgewichtsbestimmende Gleichung für das inländische Güterangebot aus heimischer Produktion umformen. Wenn sich der Markt des zusammengesetzten Gutes Q; im Gleichgewicht befmdet, ist somit simultan das Marktgleichgewicht für die Güter heimischer Herkunft gegeben. In der folgenden Übersicht E.4 werden die Variablen beschrieben, die die makroökonomische Schließung des EAG-Modells gewährleisten. Aufgrund der Tatsache, daß in dem Modell mehr Variablen als Gleichungen enthalten sind, muß eine bestimmte Anzahl Variablen fixiert werden. So wird in dem vorliegenden Modell von einem gegebenen Gesamtangebot an Arbeitskräften und fixierten sektoralen Kapitalstöcken ausgegangen (Gleichungen 32 und 33). Der Numeraire wird in Gleichung (34) bestimmt. Aus der Annahme, daß Ungarn nicht in der Lage ist, das Niveau der Weltmarktpreise zu ändern, folgt die Fixierung der Weltmarktpreise für Exportund Importgüter (Gleichungen 35 und 36). Für den Staatshaushalt wird in Gleichung (38) die reale Staatsnachfrage fixiert. 27 Darüber hinaus werden die
27 Die Annahme einer konstanten (realen) Gesamtnachfrage des Staates GDTOT wird in der dynamischen Version insofern modifiziert, daß sich GDTOT entsprechend der relativen Vorjahresänderung des realen BIP ändert.
101
VIII. Zusammenfassende Darstellung des Modells
staatlichen Investitionsbeihilfen an die Unternehmen als konstant angenommen (Gleichung 39). Im Außenhandelsbereich wird im vorliegenden Modell von einem konstanten Leistungsbilanzsaldo ausgegangen (Gleichung 37). Übersicht E.4
Definition der makroökonomischen Schließung des EAG-Modells Nr.
Anzahl und Name der Variablen
(32)
I
Arbeitsangebot
LS= LS
(33)
i
sektorale Kapitalstöcke
Kj = Kj
(34)
1 Numeraire
PINDEX = PINDEX
(35)
i
WeItmarktpreise für Importe
PWMj = PWMj
(36)
i
Weltmarktpreise für Exporte
PWEj = PWE j
(37)
I
Leistungsbilanzsaldo
FSPAR
(38)
1
staatliche Gesamtnachfrage
GDTOT = GDTOT
(39)
i
staatliche Investitionsbeihilfen
INVSUB j
--
= FSPAR = INVSUB
j
Quelle: Eigene Zusammenstellung.
Das EAG-Modell kann als System von simultanen, nicht-linearen Gleichungen gesehen werden. Für dieses System muß eine Lösung gefunden werden, aus der sich dann die Werte aller endogenen Variablen ergeben. Obwohl in der Literatur über die theoretischen Grundlagen Allgemeiner Gleichgewichtsmodelle die Diskussion der Existenz eines eindeutigen Gleichgewichtes breiten Raum einnimmt, spielt diese in der empirischen Anwendung eine eher untergeordnete Rolle. 28 Bedingung fiir die Lösbarkeit eines Systems simultaner Gleichungen ist dessen Bestimmtheit, die gegeben ist, wenn die Zahl der Gleichungen der Zahl der Variablen entspricht. In Übersicht E.5 sind die Anzahl der Gleichungen der Zahl der Variablen gegenübergestellt. In der vorliegenden Version des Modells hat der Index i, der die Zahl der Sektoren angibt, den Wert neun, so daß sich 214 Variablen und 215 Gleichungen ergeben. Also übersteigt die Zahl der Gleichungen die Anzahl der Variablen des Modells um eine Gleichung, d.h., das Modell in der vorliegenden Form ist überbestimmt. Da jedoch das vorliegende Modell den Bedingungen des Walras-Gesetzes genügt 2S Zur Diskussion der Eindeutigkeit von Lösungen in EAG-Modellen siehe z.B. Kehoe (1985) und Mas CofeU (1985).
102
E. Entwicklung eines EAG-Modells
und die Gleichungen der Gleichgewichtsbedingungen nicht unabhängig voneinander sind, kann eine der Gleichungen (27-31) unberücksichtigt bleiben. In der vorliegenden Version wurde Gleichung (31), die die ex-post Identität von Investitionen und Sparen herbeiführt, gestrichen. Übersicht E.5 Anzahl der Variablen und Gleichungen in dem EAG-Modell für neun Sektoren a)
Variablen: Preise: reale Variablen: nominale Variablen: Summe: Gleichungen: Preisgleichungen: Gleichungen der realen Variablen: Gleichungen der nominalen Variablen: Marktgleichgewicht: makroökonomische Schließung: Summe:
(9· i) + 3 (12· i) +1 i + 12 (22· i) + 16
=84 = 109 = 21 = 214
(6 . i) + I (10· i) i +9 i+3 (4· i) + 4 (22· i) + 17
= 55 = 90 = 18 = 12 =40 = 215
a) i = 9. Quelle: Eigene Zusammenstellung.
IX. Kalibrierung des EAG-Modells Im vorliegenden Abschnitt wird die numerische SpezifIkation der Parameter der Produktions-, Nachfrage- und Exportangebotsfunktionen beschrieben. 29 Das Verfahren, das hier Anwendung fmdet, ist das der Kalibrierung. Bei diesem Ansatz werden die Parameterwerte der Verhaltensgleichungen so gewählt, daß das Modell in der vorliegenden Fassung ohne Änderung der "Politikparameter" die beschriebene Datenbasis des Jahres 1990 reproduziert. Die Details dieser Prozedur werden nach Bestimmung der Startwerte der Güterpreise in den darauffolgenden Abschnitten beschrieben. Bei der Erläuterung der Datenbasis erfolgen alle Angaben über Angebotsund Nachfragemengen als Wertgrößen. Für die empirische Aufbereitung eines EAG-Modells werden jedoch getrennte Preis- und Mengeninformationen benötigt. Um die Wertgrößen in Preis- und Mengenkomponenten zerlegen zu können, werden im vorliegenden Modell die folgenden Konventionen getrof29 In der Übersicht A-I im Anhang ist ein vollständiger Überblick über die hierbei zu spezifizierenden Parameter gegeben.
IX. Kalibrierung des Modells
103
fen: Die Mengeneinheiten der produzierten und nachgefragten Güter werden so gewählt, daß ihr Preis den Wert Eins haU D Somit werden die Import- und Exportpreise PWM und PWE, die Preise der aus heimischer Produktion stammenden Güter PD und der Wechselkurs ER gleich Eins gesetzt. Alle anderen Preise (Erzeuger-, Verbraucher-, Wertschöpfungs- und Kapitalgüterpreise) werden von den genannten drei Preisen abgeleitet und unterscheiden sich aufgrund von Zöllen, Subventionen und Steuern von Eins. Die Werte der in Kapitel D vorgestellten Datenbasis werden in den entsprechenden Modellgleichungen als Startwerte der jeweiligen Variablen eingesetzt. Die Modellgleichungen, die ausschließlich Verrechnungscharakter haben, wie beispielsweise Marktgleichgewichtsbedingungen, sind mit der Bestimmung der Ausgangswerte hinreichend spezifIziert. Andere Gleichungen wiederum, insbesondere Verhaltensgleichungen, erfordern neben den Startwerten der Variablen die Bestimmung verschiedener Parameterwerte. 1. Wahl der Elastizitätswerte
Entsprechend den Ausführungen bei der Einbeziehung von Handelsaktivitäten in das EAG-Modell in Abschnitt E.VI. ist zu vermuten, daß die Preisreagibilität des EAG-Modells entscheidend von der Wahl der Elastizitäten der Substitution von Arbeit durch Kapital und der Handelselastizitäten bestimmt wird. 31 Im folgenden soll die Wahl der Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital diskutiert werden. Daran anschließend soll die Wahl der Handelselastizitäten erörtert werden. a) Die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital
Seit Beginn der empirischen Anwendung der CES-Funktion Anfang der 60er Jahre wird eine intensive Diskussion darüber geführt, ob die Werte der Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital sich von Eins unterscheiden und ob sie ggf. größer oder kleiner als Eins sind. Erste ökonometrische 30 Eine derartige Konvention ist in nahezu allen EAG-Modellen vorzufinden; siehe hierzu Shoven/Whalley (1992), S. 106 ff. 31 Obwohl in dem vorliegenden Modell aufgrund der Annahme gegebener Kapitalstöcke eine Substitution zwischen Arbeit und Kapital nicht möglich ist, hat der Wert der Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital jedoch entscheidenden Einfluß auf die Änderung der Arbeitsnachfrage bei sich änderndem Lohnsatz sowie auf die Änderung der Produktionsmenge bei steigender bzw. sinkender Beschäftigung (siehe dazu Abschnitt E.x.I).
104
E. Entwicklung eines EAG-Modells
Schätzungen für CES-Funktionen von Arrow et al. (1961) auf der Grundlage einer Querschnittsanalyse ergaben für die Sektoren der verarbeitenden Industrie Werte von kleiner als Eins, wohingegen für die Bereiche der Primärindustrie Elastizitäten von größer als Eins ermittelt wurden. Angeregt durch diese Studie und die steigende Popularität der CES-Funktion wurden viele ökonometrische Schätzungen der Substitutionselastizität durchgeführt. 32 Die Resultate dieser Arbeiten tendieren bei Schätzungen auf der Basis von Querschnittsanalysen um den Wert Eins, wohingegen die Schätzungen auf der Grundlage von Zeitreihenanalysen um den Wert 0,5 streuen. In der EAG-Literatur fmden sich die Anwendungen sowohl von Werten aus Zeitreihen- als auch von solchen aus Querschnittsanalysen wieder. So haben sich z.B. Dixon et al. (1982) an Schätzungen der Zeitreihendaten orientiert und für alle Sektoren einen Wert von 0,5 angenommen. Ballard et al. (1985) haben in ihrem Modell auf Schätzungen von Caddy (1976) zurückgegriffen, die auf Querschnittsdaten beruhen. Die Wahl der Elastizitätswerte ist selbst bei Modellen, die sich auf das gleiche Land beziehen, uneinheitlich. Tabelle E.l Substitutionselastizitllten zwischen Arbeit und Kapital in verschiedenen EAG-Modellen
Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. Nichtmarktbest. Dienstlg.
Weyerbrock (1994) 0,60 a) 0,60 0,80 0,80 b) 0,80 c) 0,85 d) 0,80 e) 1,00 e) 1,00 e)
Zalai/Revesz (1991) t) 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3
Ballard et al. (1985) 1,10 0,60 0,90 0,90 1,10 0,75 k. A. k.A. k.A.
a) Angaben für Energie. b) Düngemittel. c) Ausrüstungen. d) verarbeitende Industrie. e) Dienstleistungen allgemein. f) interne Güterabgrenzung anders als im vorliegenden Modell. Quelle: Weyerbrock (1994), S. 87, Zalai/Revesz (1991), S. 78 und Ballard el al. (1985), S. 132 f.
Für die Wahl der geeigneten Elastizitäten für das vorliegende Modell kommt erschwerend hinzu, daß für keines der zentraleuropäischen Länder ökonometrisch geschätzte Substitutionselastizitäten vorliegen, wobei die Vertrauenswürdigkeit geschätzter Daten aufgrund der tiefgreifenden Verände32 Einen Überblick über diese Studien und deren Resultate geben Nerlove (1967), Berndt (1976) und Caddy (1976).
IX. Kalibrierung des Modells
105
rungen im Zuge der Transfonnation ohnehin sehr gering wäre. Daher wurde bei den bereits in Kapitel B erwähnten EAG-Modellen, die Länder Zentralund Osteuropas enthalten, auf Werte zurückgegriffen, die ursprünglich rur andere Modelle bzw. Länder geschätzt wurden. Die Tabelle E.l listet die in verschiedenen Studien angewandten Elastizitätswerte auf, wobei sich Ballard et al. (1985) auf ein rekursiv-dynamisches Modell fiir die USA beziehen. Dabei wurden die Angaben in Weyerbrock(1994) sowie Zalai/Revesz (1991) fiir das vorliegende Modell herangezogen, weil die diesen Arbeiten zugrunde liegende Sektorabgrenzung der der vorliegenden Arbeit in etwa entspricht und weil sich diese Arbeiten ebenfalls auf Ungarn beziehen." Bei der Wahl plausibler Elastizitätswerte kommt erschwerend hinzu, daß die Werte in der obigen Tabelle sich auf komparativ-statische EAG-Modelle beziehen. Verschiedene Autoren weisen jedoch auf die Problematik bei der Wahl geeigneter Elastizitäten hin. So weisen Dixon et al. (1992, S. 220) darauf hin, daß in dynamischen Modellen den Substitutionselastizitäten zwischen Arbeit und Kapital insbesondere bei den kapitalgüterproduzierenden Sektoren (wie das Baugewerbe und die Maschinenbauindustrie) besondere Bedeutung zukommt. Tabelle E.2 Werte der Substitutionselastizitllten zwischen Arbeit und Kapital im EAG-Modell für Ungarn Primärindustrie Landwirtschaft Ernährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbestimmte Dienstleistungen N ichtrnarktbestimmte Dienstleistungen
Substitutionselastizität 1,20 0,60 0,80 0,80 1,20 0,75 1,50 0,85 0,85
Quelle: Eigene Zusammenstellung.
Aus diesem Grund wären die niedrigen Werte des Modells von Zalai/Revesz rur das vorliegende Modell zwar in seiner komparativ-statischen Version möglicherweise geeignet, jedoch würden diese Werte bei der Erweiterung zu der dynamischen Modellversion Probleme fiir das Modellverhalten mit sich " Weyerbrock bezieht in ihrer Arbeit Ungarn nicht explizit ein, sondern aggregiert Ungarn mit den anderen Ländern Südosteuropas (ohne die GUS-Staaten) zu der Gruppe der "Eastern European Countries".
106
E. Entwicklung eines EAG-Modells
bringen. Sie können deshalb für das hier zu erstellende Modell lediglich Anhaltspunkte für die Parameterwahl liefern. Aus diesen Gründen wurde bei der Auswahl der Substitutionselastizitäten insbesondere auf das rekursiv-dynamische Modell von Ballard et al. (1985) zurückgegriffen. Die Tabelle E.2 listet die hier angenommenen Werte auf. Diese Parameterwerte sollen sowohl in der dynamischen Version des EAG-Modells als auch in der komparativ-statischen Version Anwendung fmden. b) Die Wahl der Handelselastizitäten im EAG-Modell Ähnlich der geschilderten Ausgangslage bei der Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital liegen weder für Ungarn noch für ein anderes zentraleuropäisches Land geschätzte Parameter für die Substitutionselastizität zwischen heimisch erzeugten und importierten Gütern vor. Dasselbe gilt für die Transformationselastizität zwischen Waren, die für heimische oder für ausländische Märkte bestimmt sind. Daher muß wiederum auf Schätzungen für andere Länder bzw. Beobachtungszeiträume zurückgegriffen und deren Anwendparkeit für ein EAG-Modell Ungarns kritisch geprüft werden. Annahmen über Handelselastizitäten finden sich in verschiedenen Studien, die sich auf die EU oder auf die USA beziehen bzw. im Rahmen von MehrLänder-Modellen Anwendung fanden.)< Darüber hinaus finden sich in Weyerbrock(1994) und Hare et al. (1991) Angaben zu Handelselastizitäten (siehe Tabelle E.3). Die Bestimmung der Importsubstitutionse1astizitäten für das vorliegende Modell erfolgt in Anlehnung an die Parameter, die in den Studien von Hare et al. (1991) und Kilkenny/Robinson (1990) angenommen wurden. Die Studie von Hare et al. bezieht sich in der Basisperiode auf die Zeit vor der wirtschaftlichen Transformation Ungarns. Trotzdem sollen Parameter in diesen Größenordnungen hier verwendet werden, weil die Vermutung gerechtfertigt erscheint, daß im Laufe der Transformation die Entscheidungsfreiheit der Unternehmen gestiegen ist.
)4 Hierzu sind die Studien von KilkennylRobinson (1990), Kilkenny (1991), de MelolTarr (1992) und Harrsion et al. (1991) zu zählen.
107
IX. Kalibrierung des Modells Tabelle E.3 HandeIseIastizitäten in verschiedenen EAG-Modellen
Gütergruppe
Primärindustrie Bergbau Stromerzeugung Eisen- und Stahl erzeugung Keramik- und Glasindustrie Forstwirtschaft Landwirtschaft Chemische Industrie Verarbeitendes Gewerbe Nahrungsmittelind. Maschinenbau Herstellung von Holz, Papier-, Lederwaren und Bekleidung sonstige Verbrauchsgüter privates Handwerk ausschl. Baugewerbe Baugewerbe Dienstleistungen Transportleistungen Post & Telekommunikation Groß- und Einzelhandel Außenhandel Gewinnung von Wasser Übrige marktbest. DL Personen- und Finanz-DL Bildung und Sozialvers. öffentliche Verwaltung
Hareetal. (1991) Import Subst.
de MelolTarr (1992) Exp. Trans.
0,5 0,5 0,5 1,0 0,5 1,5 1,5
keine Angaben 2,90 a) k.A. k.A. k.A. 3,90 2,90 b)
0,8 f) 0,8 f) 0,8 f) 0,8 f) 0,8 f) 4,0 0,8 f)
2,0 f) 2,0 f) 2,0 f) 2,0 f) 2,0 f) 2,0 2,0 f)
1,5 0,8
2,90 2,90 c)
4,0 0,8 g)
2,0 2,0 g)
1,5
2,90 d)
2,0 h)
2,0 h)
1,0
2,90 d) k. A.
2,0 h) k.A.
2,0 h) k.A.
2,90
0,9
1,5
0,70 e) 0,70 e) 0,70 e) 0,70 e) k.A. 0,70 e) 0,70 e) 0,70 e) 0,70 e)
0,2 e) 0,2 e) 0,2 e) 0,2 e) k.A. 0,2 e) 0,2 e) 0,2 e) 0,2 e)
0,6 e) 0,6 e) 0,6 e) 0,6 e) k. A. 0,6 e) 0,6 e) 0,6 e) 0,6 e)
1,0 1,0 1,0 0,5 1,0 1,0 0,5 0,5 0,5 0,5 0,5
KilkennylRobinson (1990) Exp. Import Trans. Subst.
a) Energie. b) Düngemittel. c) Ausrüstungen. d) verarbeitende Industrie. e) allgem. Dienstleistungen. f) Rohwaren. g) Kapitalgüter. h) Konsumgüterindustrie. Quelle: Hare et al. (1991), S. 30, de MelolTarr (1992) nach Weyerbrock (1994) S. 87, KilkennylRobinson (1990), S. 532.
Auf der Seite der Exporttransfonnationse1astizitäten dagegen wird auf die Studie von Kilkenny/Robinson (1990) zurückgegriffen, in der ein MehrSektoren-Modell rur die USA für das Jahr 1986 dargestellt wurde. Die folgende Tabelle listet die im vorliegenden Modell angenommenen Handelselastizitäten auf.
108
E. Entwicklung eines EAG-Modells
Tabelle E.4 Werte der Handelselastizitäten im EAG-Modell für Ungarn Primärindustrie Landwirtschaft Ernährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbestimmte Dienstleistungen Nichtrnarktbestimmte Dienstleistungen
Importsubstitution 0,5 1,5 1,5 1,5 0,8 0,9 0,9 0,4 0,4
Exporttransformation 2,0 2,0 2,0 2,0 2,0 2,5 2,0 0,6 0,6
QueUe: Eigene ZusarnrnensteUung.
Auf den ersten Blick mag es unbefriedigend erscheinen, daß die im vorangegangenen beschriebene SpezifIkation der Elastizitäten nicht auf Annahmen in anderen Modellen basiert, die unmittelbar auf die hier verwendete Abgrenzung der Gütergruppen zugeschnitten sind. In der gleichen Situation befanden sich nahezu alle Autoren der oben angefiihrten Studien. Anders als im Bereich der privaten Nachfrage, fiir den in der vorliegenden Arbeit ein Nachfragesystem geschätzt wurde, erscheint ein Versuch einer ökonometrischen Schät-zung der in diesem Abschnitt diskutierten Parameter nicht möglich. Ein Grund dafiir ist, daß unter der gegenwärtigen Situation in Ungarn, selbst bei einer verfugbaren Datenbasis, nicht von der Konstanz der (geschätzten) Handelselastizitäten ausgegangen werden kann. 35 Der Ausweg aus dieser Situation erscheint darin, die Auswirkungen auf die Simulationsergebnisse bei einer systematischen Variation der Elastizitätsparameter in Form von Sensitivitätsanalysen darzustellen. 2. Bestimmung der Parameter in den CES- bzw. CET-Funktionen Einige Parameter wie die ad-valorem Zollsätze oder Exportsubventionssätze sind durch die Datenbasis vorgegeben. Bei anderen Gleichungen jedoch tritt bei der Bestimmung der Parameter das Problem der Unterbestimmtheit auf. Dieses Problem liegt im EAG-Modell bei den CES-Funktionen (Pro35 Auch auf der Nachfrageseite haben sich strukturelle Änderungen ergeben, die keine Gewähr für eine Konstanz der Parameter in den Nachfragegleichungen ermöglichen. Demgegenüber erscheinen jedoch die strukturellen Änderungen im Bereich des ungarischen Außenhandels in Hinsicht auf den Zusammenbruch des RGW und die zunehmende Ausrichtung des Außenhandels mit den EU-Mitgliedsländem wesentlich tiefgreifenderer Natur.
IX. Kalibrierung des Modells
109
duktions- und Substitutions funktion der Importe gegenüber heimischen Produkten) sowie der CET-Funktion der Exporttransformation vor. Bei beiden Funktionsformen (CES und CET) kann die Berechnung der Shift- und Anteilsparameter nur nach vorheriger Bestimmung der Elastizitätsparameter erfolgen. Im vorliegenden EAG-Modell wird, wie in Abschnitt E.1. beschrieben, eine CES-Funktion (Gleichung 1) bei der Darstellung der Güterproduktion zugrundegelegt. Die Implementierung dieser Funktion in das Modell erfordert neben dem Substitutionsparameter Pi' der sich aus den oben besprochenen Annahmen über die Substitutions elastizität ergibt, die Bestimmung des Distributionsparameters Cl i und des sogenannten "Shift-Parameters" ßi für die einzelnen im Modell dargestellten Produktions sektoren. Der Parameter Cl i kann aus den Bedingungen erster Ordnung für die Minimierung der Produktionskosten ermittelt werden. Wird die Bedingung für die Minirnalkostenkombination nach Cl i aufgelöst, so ergibt sich folgende Gleichung
Da die Arbeitseinsatzmenge Li, die Höhe des sektoralen Kapitalstocks K; und deren Entlohnung (R; . K; als Entlohnung des Kapitaleinsatzes und W . Li als Lohnsumme) in der Ausgangssituation aus den Daten der Input-OutputTabelle bekannt sind, lassen sich, bei Übernahme der Substitutionsparameter Pi aus Tabelle E.2, die entsprechenden Werte für Cl i ermitteln. Daran anschließend ist der Koeffizient ßi durch einfache Umformung der Produktionsfunktion zu berechnen. Auf die gleiche Weise lassen sich, bei exogener Vorgabe der Substitutions- bzw. Transformationsparameter, die Parameter der Gleichung der Substitution von heimischen gegenüber importierten Gütern (siehe Gleichung 9) und der Transformationsgleichung zwischen heimischem und ausländischem Angebot (siehe Gleichung 12) bestimmen. 36
36 Dabei wird für den Preis der heimischen Güter PD der Wert Eins angenommen und PE bzw. PM entsprechend der Gleichungen (l) bzw. (2) in Übersicht E.l bestimmt.
110
E. Entwicklung eines EAG-Modells
x. Funktionsweise des Modells: Beispiel-Simulationen in einer Version mit zwei Sektoren Wie bereits in Abschnitt C.lV. erwähnt, ist der hohe Komplexitätsgrad einer der Problembereiche beim Einsatz von EAG-Modellen. So erscheinen EAGModelle aufgrund vielfältiger Interdependenzen innerhalb des Modells sehr schnell als "black box", deren Ergebnisse u.u. nur äußerst schwer nachvollziehbar sind. Daher soll in diesem Abschnitt die Funktionsweise des EAGModells anhand einiger Beispiel-Simulationen erläutert werden. Dabei wird im Grundsatz das zuvor in diesem Kapitel vorgestellte Modell verwendet. Allerdings wird zur Erleichterung des Verständnisses und wegen der besseren Übersichtlichkeit dieses Modell zu einem Zwei-Sektoren-Modell mit einem Agrarsektor und einem Sektor, der alle anderen Sektoren umfaßt, umgewandelt. Dabei entspricht die in Kapitel D vorgestellte Datenbasis des Agrarsektors auch in diesem Zwei-Sektoren-Modell der Datengrundlage des landwirtschaftlichen Sektors. Dagegen sind die anderen acht Sektoren zu einem sonstigen Sektor aggregiert. Die Funktionsweise des EAG-Modells soll an drei Beispielen der Analyse einer exogenen Erhöhung des Arbeitsangebotes erläutert werden. Dabei werden in dem ersten Beispiel für beide Sektoren gleiche Faktorsubstitutionselastizitäten angenommen. In dem zweiten Beispiel dagegen werden in den Sektoren unterschiedliche Faktorsubstitutionselastizitäten angenommen. In dem vorliegenden Modell wird von konstanten Kapitalstöcken ausgegangen. Um die Auswirkungen dieser Annahme zu veranschaulichen, wird in einem dritten Beispiel von der Annahme intersektoral mobiler Kapitalstöcke ausgegangen. Die in dem folgenden Abschnitt präsentierte Analyse der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer Erhöhung des Arbeitsangebotes hat keinen unmittelbaren Bezug zu den Szenarien, die in Kapitel G beschrieben werden. Jedoch sollen anhand der folgenden drei Beispiele die allgemeine Funktionsweise eines EAG-Modells und die besondere Bedeutung der Annahme verschiedener Elastizitätswerte an einem kleinen Zwei-Sektoren-Modell veranschaulicht werden. 37 1. Erhöhung des Arbeitsangebotes
In diesem Abschnitt soll das Szenario einer exogenen Erhöhung des Arbeitsangebotes um 10% mit dem Zwei-Sektoren-Modell simuliert werden 37 Die Berechnungen der folgenden Szenarien und aller weiteren erfolgten mit dem Programm GAMS. Zu einer Dokumentation dieses Programms siehe Brokel KendricklMeeraus (1988).
x. Funktionsweise des Modells
111
und dessen numerisches Ergebnis diskutiert werden. Vor der Diskussion des numerischen Ergebnisses sollen die entsprechend der mikroökonomischen Theorie zu erwartenden Wirkungsmechanismen kurz skizziert werden. Bei den im ursprünglichen Gleichgewicht geltenden Preisen wird das gestiegene Angebot an Arbeit zu einem Überangebot auf dem Arbeitsmarkt führen. Der Lohn wird sinken. Beide Sektoren steigern ihren Arbeitseinsatz so lange, bis das Marktgleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt wiederhergestellt ist. Folge dieses Beschäftigungsanstiegs ist ein gesunkenes Grenzprodukt der Arbeit in beiden Sektoren, das sich dem verminderten Lohnsatz anpaßt. Die Änderungen der sektoralen Arbeitsnachfrage haben Auswirkungen sowohl auf die sektoralen Kapitalrenditen als auch auf das private Einkommen. Die Variation des Einkommens schlägt sich in einer Änderung der Güternachfrage nieder, deren Struktur im übrigen durch die Entwicklung der relativen Güterpreise bestimmt wird. Da sich die sektoralen Faktorintensitäten unterscheiden,38 wirken sich Änderungen der Faktorpreise unterschiedlich auf die Produktionskosten und damit auf die Güterpreise aus, so daß auf der Nachfrageseite Substitutionsprozesse ausgelöst werden. Diese Effekte auf der Nachfrageseite haben wiederum Rückkopplungen auf der Angebotsseite durch eine Änderung der Faktornachfrage zur Folge. Aufgrund der vielfältigen Interdependenzen und Rückkopplungen in diesem einfachen EAG-Modell ist eine vollständige "verbale" Analyse der Auswirkungen einer Erhöhung des Arbeitsangebotes nicht möglich. Für manche Variablen kann noch nicht einmal die erwartete Änderungsrichtung angegeben werden. Bevor die Ergebnisse der drei Modellvarianten verglichen und diskutiert werden, soll auf die Ergebnisse des ersten Beispiels ausführlich eingegangen werden. Dabei sollen vor der Analyse der Angebotseffekte zuerst die Auswirkungen auf der Nachfrageseite dargelegt werden. Infolge des zehnprozentigen Anstiegs des Bestandes an Arbeitskräften wächst das Volkseinkommen um 7,1% (siehe Übersicht E.6). Dabei erhöhen sich die privaten Einkommen, in erster Linie aufgrund steigender Arbeitseinkommen, um 5,5%. Einhergehend mit dem Beschäftigungsanstieg tritt eine relative Verknappung von Kapital ein mit der Folge einer starken Zunahme der Kapitaleinkommen. Die staatlichen Einnahmen aus Einkommen-, Produktionssteuern und Zöllen steigen um 6,6%, wohingegen die gesamtwirtschaftliche Sparsumme, bedingt durch die Minderung des staatlichen BudgetdefIzites und die Steigerung der nicht ausgeschütteten Gewinne der Unternehmen, überproportional um 17,5% wächst. Da in der vorliegenden Modellversion die Höhe der realen staatlichen Nachfrage fIxiert ist, wirken sich Einnahmeänderungen direkt auf das staat38 Der Agrarsektor weist eine Kapitalintensität der Arbeit von 0,82 aus, wohingegen die Kapitalintensität der Arbeit im anderen Sektor 1,00 beträgt (siehe Tabelle D.3).
E. Entwicklung eines EAG-Modells
112
liche HaushaltsdefIzit aus, das wiederum eine Komponente der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme ist. Steigende staatliche Einnahmen aus Einkommenund Kapitalertragsteuern senken das HaushaltsdefIzit und erhöhen die gesamtwirtschaftliche Sparsumme und die Kapitalgüternachfrage. Der Anstieg der Steuereinnahmen reduziert das BudgetdefIzit um ca. 32,8%, so daß die gesamtwirtschaftlichen Investitionen um 17,5% ansteigen. Gemäß Tabelle D.7 trägt der Agrarsektor nur zu einem geringen Teil zu der Erstellung von Kapitalgütern bei. Nachfrageinduzierte Produktionsanreize durch eine gesteigerte Kapitalgüternachfrage wirken somit eher auf die sonstigen Sektoren. Übersicht E.6
SAM nach der Erhöhung des Arbeitsangebotes bei gleichen Elastizitäten und gegebenen Kapitalstöcken (Änderungen in %) Güter Produ- Arbeit Kapital Unter- priv. Staat Kapital Exporte Summe zenten nehmen Haush. Güter Produzenten Arbeit Kapital Unternehmen priv. Haush. Staat Kapital mporte Summe
7,1
7,0
5,5
5,2 12, I
7,5
7,1
5,2 5,2
7,5 7,2
7,1
5,2
12, I
12,1
0,1 6,7
17,5
6,7
0,0 5,2
12,1 12,2 8,5
5,5 5,5 -32,8
9,8
5,5
6,6
-0,1 17,5
7,2 7,1 5,2 12, I 9,8 5,5 6,6 17,5 7,5
7,5
Quelle: Eigene Berechnungen.
In Tabelle E.5 sind die Auswirkungen einer exogenen Erhöhung des Arbeitsangebotes für drei verschiedene Varianten des Zwei-Sektoren-Modells dargestellt. Im ersten Beispiel (gleiche Elastizität, Kapitalstöcke fIx) beträgt die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital in beiden Sektoren 0,6. Im zweiten Beispiel differieren die Werte der Substitutionselastizitäten: Im landwirtschaftlichen Sektor beträgt er weiterhin 0,6 und im sonstigen Sektor 1,2. Das dritte Beispiel analysiert die Auswirkungen der Annahme intersektoral mobiler Kapitalstöcke, wobei die sektoral unterschiedlichen Substitutionselastizitäten des zweiten Beispiels gelten. Ausgelöst durch die relativ stärkere Zunahme des Angebotes als der Nachfrage sinkt das Preisniveau landwirtschaftlicher Güter im Inland (-0,7%). Daher verlagern die Erzeuger landwirtschaftlicher Güter ihr Angebot auf ausländische Märkte, da sich trotz leichter Aufwertung um 0,1% der Exportpreis relativ gegenüber dem Preis auf dem Inlandsmarkt erhöht. Diese Verlagerung kommt durch einen Anstieg der Agrarexporte um ca. 8,6% gegenüber einem
113
X. Funktionsweise des Modells
Anstieg des Absatzes auf heimischen Märkten von ca. 7,2% zum Ausdruck. Bei der Nachfrage nach landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird durch das gesunkene inländische Preisniveau eine höhere Nachfragesteigerung bei Waren inländischer Herkunft als bei Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse induziert. Der starke Anstieg der Investitionsgüternachfrage führt auf dem Markt der sonstigen Güter zu einer starken Erhöhung der Nachfrage. Aufgrund der demgegenüber geringeren Steigerung der Produktion sonstiger Güter ist diese Entwicklung von einer Erhöhung des inländischen Preisniveaus begleitet. Durch diese im Vergleich zum Markt rur Agrargüter entgegengesetzte Preisentwicklung wird bei den Anbietem ein relativer Rückgang des Exportangebotes und auf der Nachfrageseite ein erhöhter Anstieg der Importnachfrage ausgelöst. Tabelle E.5 Auswirkungen der Erhöhung des Arbeitsangebotes um 10 Prozent, Veränderungen in Prozent gegenüber dem Basislauf Beispiel 1: = 0,6 crlODJtige Sektorea = 0,6 Kapitalstöcke fix -4,38 -0,09 7,11 Agrarsektor sonstige Sektoren 0,00 0,00 9,36 10,11 7,29 7,01 7,13 7,20 7,16 7,10 5,78 7,63 8,56 6,58 cr Aganektor
Lohnsatz Wechse1kurs Einkommen Kapitaleinsatz Arbeitseinsatz Produktion Nachfrage inländ. Absatz Importe Exporte Kapitalrendite Verbraucherpreis inländ. Preis Erzeugerpreis
11,00 -0,71 -0,73 -0,67
12,27 0,12 0,16 0,12
Beispiel 2: = 0,6
cr Aganektor
crlODJtige Sektoreo
= 1,2
Beispiel 3: = 0,6
cr Ajranektor
crIODJtige Sektoreo
= 1,2
Kapitalstöcke mobil Kapitalstöcke fix -2,43 -2,31 -0,14 -0,20 7,10 7,13 Agrarsektor sonstige Agrarsektor sonstige Sektoren Sektoren 0,00 0,00 3,21 -0,42 8,95 10,18 8,60 10,25 6,98 7,15 7,38 7,06 7,12 7,28 7,35 7,22 7,09 7,21 7,36 7,14 8,31 7,58 7,10 7,60 5,90 6,84 7,62 6,68 12,57 0,35 0,37 0,31
5,79 -0,06 -0,03 -0,06
6,33 -0,25 -0,25 -0,24
6,33 0,04 0,08 0,04
Quelle: Eigene Berechnungen.
Auf der Angebotsseite führt der Anstieg der Beschäftigung zu einem Absinken der sektoralen Grenzprodukte der Arbeit, und aufgrund der Vollbeschäftigungsannahme sinkt der gleichgewichtige Lohnsatz um 4,4%. Der 8 Banse
114
E. Entwicklung eines EAG-Modells
Arbeitseinsatz erhöht sich im Agrarsektor um ca. 9,4% gegenüber einer Beschäftigungszunahme um 10,1 % in den anderen Branchen, wobei die Unterschiede durch Nachfrageeffekte bedingt sind. Mit dem gestiegenen Bestand an Arbeitskräften erhöhen sich aufgrund der relativen Verknappung von Kapital die sektoralen Kapitalrenditen. Da sich die Kapitalintensitäten voneinander unterscheiden, hat die Mehrbeschäftigung an Arbeitskräften in beiden Sektoren unterschiedliche Auswirkungen auf das Niveau der Kapitalrenditen mit einem Anstieg um 11,0% im Agrarbereich und 12,3% in der übrigen Volkswirtschaft. Diese sektoralen Differenzen lassen sich bei einer Betrachtung der Entwicklung der physischen Grenzprodukte und des Nettopreises erklären. Bei einer höheren Arbeitsproduktivität im Agrarbereich fuhrt die relativ geringere Beschäftigungszunahme in diesem Sektor zu einer Senkung des physischen Grenzproduktes der Arbeit um 3,1% gegenüber 4,6% in den übrigen Sektoren. Gleichzeitig steigt das physische Grenzprodukt des Kapitals im Agrarsektor um 12,5% und 12,0% in den anderen Branchen. 3" Die geringere relative Zunahme der Beschäftigung im Agrarbereich und die Tatsache, daß die Kapitalrendite im Agrarsektor weniger ansteigt als in der übrigen Wirtschaft, obwohl das physische Grenzprodukt des Kapitals im Agrarsektor gegenüber der übrigen Wirtschaft stärker ansteigt, sind in dem Absinken des landwirtschaftlichen Netto-Preises PVA um 1,3% begründet. Diese Preisentwicklung beruht, neben den bereits dargelegten Änderungen auf der Nachfrageseite, auf der Tatsache, daß die Produktion in den sonstigen Branchen relativ kapitalintensiv ist und sich bei steigenden Kapitalkosten verteuert. Im Gegensatz dazu profitiert der landwirtschaftliche Sektor von dem gesunkenen Lohnniveau, so daß bei einem geringeren Anstieg der Kapitalkosten die Preise fiir Agrarprodukte sinken. Im Beispiel 2 kann, mit der Verdopplung des Wertes der Substitutionselastizität, der Bereich der sonstigen Sektoren elastischer als der Agrarsektor auf das erhöhte Arbeitsangebot reagieren und stellt gegenüber Beispiel 1 vermehrt Arbeitskräfte ein. Die umgekehrte Reaktion ist im Agrarsektor zu verzeichnen. Da wegen der gegenüber Beispiel 1 elastischeren Nachfrage nach Arbeit in der übrigen Wirtschaft der Lohnsatz nun weniger sinkt, nimmt der Arbeitseinsatz im Agrarsektor jetzt weniger zu als in Beispiel 1, so daß auch die Steigerung der Produktion im Agrarsektor geringer ausfällt. Bedingt durch den gegenüber dem Bereich der übrigen Wirtschaft in diesem Beispiel relativ geringeren Wert der Substitutionselastizität im Agrarsektor sinkt der Anteil der 3" Bei der hier angenommenen Substitution kleiner als Eins steigt die Elastizität des Grenzproduktes des Kapitals in bezug auf den Arbeitseinsatz mit der Arbeitsproduktivität. Sie ist also im Agrarsektor höher als in der übrigen Wirtschaft. Deshalb steigt trotz der geringeren Zunahme des Arbeitseinsatzes im Agrarsektor das Grenzprodukt des Kapitals dort dennoch stärker an als in der übrigen Wirtschaft.
X. Funktionsweise des Modells
115
Entlohnung der Arbeit an der Wertschöpfung, infolgedessen sich die Kapitalrendite um ca. 12,6% erhöht. Diese Erhöhung des Entlohnungsanteils des sich verteuernden Faktors Kapital führt zum Anstieg der Agrarpreise in diesem Szenario. Analog dazu steigt der Entlohnungsanteil der Arbeit in dem sonstigen Sektor mit der Folge leicht sinkender Preise. Durch diese im Vergleich zum ersten Beispiel umgekehrte Preisreaktion fmdet in diesem Szenario auf der Nachfrageseite eine Substitution von heimischen Produkten durch Importe im Agrarbereich statt. Auf der Angebotsseite ist gegenüber dem ersten Beispiel ein verstärktes Exportangebot der sonstigen Sektoren zu verzeichnen. Das dritte Beispiel geht wie das zweite von intersektoral differierenden Substitutionselastizitäten aus, jedoch wird in diesem Szenario die Annahme gegebener sektoraler Kapitalstöcke fallengelassen. Der gesamtwirtschaftliche Kapitalstock ist auch in diesem Modell exogen vorgegeben, jetzt allerdings zwischen den beiden Sektoren mobil. Kapital verhält sich in dieser Modellvariante also wie der Faktor Arbeit, wobei die gesamtwirtschaftliche Kapitalrendite das Gleichgewicht auf dem Kapitalmarkt gewährleistet. Die Kapitalrendite steigt dadurch in beiden Sektoren um einen gleichen Prozentsatz (6,3%) an. Das gestiegene Arbeitsangebot löst in diesem Szenario eine geringere Abnahme des Lohnsatzes aus als im zweiten Beispiel, da die Volkswirtschaft jetzt insgesamt flexibler auf das gestiegene Arbeitsangebot reagieren kann. Das zeigt sich darin, daß jetzt in den übrigen Sektoren Kapital freigesetzt wird, das vom Agrarsektor absorbiert wird. Durch diese Reallokation des Kapitalstocks steigt die Rendite im Agrarbereich um ca. 50% weniger an als in Beispiel 2. Die Anpassung im Faktoreinsatzverhältnis und die geringere Steigung der Kapitalkosten führt im Agrarsektor zu einem insgesamt geringeren Anstieg der Produktionskosten. Dagegen sieht sich der Bereich der übrigen Branchen bei einer gegenüber Beispiel 2 geringeren Senkung des Lohnniveaus und einem höheren Anstieg der Kapitalrendite steigenden Produktionskosten gegenüber. Durch diese Unterschiede weisen beide Sektoren im Vergleich zu Beispiel 2 entgegengesetzte Preisreaktionen auf. Wegen der höheren Flexibilität der Volkswirtschaft (Reallokation des Kapitals) steigt das reale Einkommen in Beispiel 3 um 0,3% stärker an als in Beispiel 2. Bei gegebenen fixen Kapitalstöcken der einzelnen Sektoren löst ein steigendes Angebot des mobilen Faktors Arbeit große Änderungen der jeweiligen sektoralen Kapitalrenditen aus. Dabei determiniert die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital die Fähigkeit des Wirtschaftsbereiches, auf die geänderten Faktorpreisrelationen zu reagieren. Bei einer niedrigen sektoralen Substitutionselastizität, wie im Agrarsektor in Beispiel 2, steigt der Einkommensanteil des sich verteuernden Faktors (Kapital) an und führt zu einem steigenden Preisniveau. Mit der Verdopplung der SubstitutionselastiziS"
116
E. Entwicklung eines EAG-Modells
tät im Bereich der übrigen Wirtschaft steigt die Reagibilität dieser Sektors auf sich ändernde Faktorpreisrelationen. So steigt die Arbeitsnachfrage dieses Sektors trotz geringerer Senkung des Lohnsatzes in Beispiel 2 stärker als in dem ersten Beispiel, bei dem beide Sektoren den gleichen Wert der Substitutionselastizität hatten. Diese Erhöhung der Reaktion der übrigen Wirtschaft fiihrt dagegen im Agrarsektor zu einem - gegenüber Beispiel 1 - geringeren Produktionsanstieg, dem jedoch ein unveränderter Anstieg der Nachfrage nach Agrarprodukten von 7,12% gegenübersteht. Diese gegenüber Beispiell umgekehrte Reaktion einer höheren Änderung der Nachfrage als des Angebotes fuhrt zu einem Anstieg der Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse. Diese Beispiel 1 entgegengesetzte Preisreaktion löst auf der Seite des Außenhandels eine weit größere Reaktion aus als auf der Produktionsseite. Während sich gegenüber Beispiel I der Anstieg der landwirtschaftlichen Produktion in Beispiel 2 um 4,3% verringert (von 7,29% in Beispiel 1 auf 6,98% in Beispiel 2), steigen die Agrarimporte gegenüber Beispiel 1 ca. 44 % stärker an, wohingegen die Zunahme der landwirtschaftlichen Exporte um ca. 31 % geringer ausfällt. In allen drei Beispielen beträgt der Wert der Importsubstitutions- und der Exporttransformationselastizität in beiden Sektoren 2,0. Zusammenfassend lassen sich die Auswirkungen eines gleichen exogenen Schocks (Steigerung des Arbeitsangebotes) bei Variation der Faktorsubstitutionselastizität in einem Sektor wie folgt beurteilen: - Steigerung des Arbeitsangebotes fuhrt zu sinkenden Löhnen, - Anstieg des Preises des relativ knapp werdenden Faktors Kapital - Anstieg der Kapitalrenditen - die Höhe der Substitutionselastizität beeinflußt über die inländische Preisreaktion die Höhe von Im- und Exporten. Die in Beispiel 1 und 2 getroffene Annahme sektoral immobiler Kapitalstöcke fiihrt gesamtwirtschaftlich zu einer suboptimalen Allokation der eingesetzten Produktionsfaktoren. Bei der Annahme mobilen Kapitals erfolgt eine Freisetzung von Kapital im relativ kapitalintensiven Sektor, die einhergeht mit einem Anstieg in der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsnachfrage (und deshalb mit einem geringeren Absinken des Lohnsatzes). In diesem Abschnitt sollten die Auswirkungen einer sich ändernder Faktorsubstitutionselastizität beschrieben und ihre Implikationen fiir die Reaktion eines Zwei-Sektoren-Modells verdeutlicht werden. Die Analyse der Variation der Handelselastizitäten wird in dem folgenden Abschnitt behandelt.
X. Funktionsweise des Modells
117
2. Reaktion des EAG-Modells auf außenwirtschaftliche Änderungen Im folgenden Abschnitt sollen die Auswirkungen einer exogenen Erhöhung des Weltmarktpreises für Agrarprodukte und einer Zunahme des ausländischen Kapitaltransfers analysiert werden. Der Schwerpunkt der Analyse soll in der Reaktion des EAG-Modells auf außenwirtschaftliche Änderungen unter Ausschluß sektoral unterschiedlicher Produktionseffekte liegen. Daher wird das im vorherigen Abschnitt dargelegte Zwei-Sektoren-Modell in ein EinSektor-Modell aggregiert, so daß in den folgenden Beispielen aufgrund gegebener Faktoreinsatzmengen die Produktionsmenge X konstant ist. Darüber hinaus hat das Modell dieses Abschnitts die gleiche Struktur wie in Abschnitt E.X.l., jedoch wird statt des Preisindexes der Wechselkurs als Numeraire fixiert. M
{o
Quelle: In Anlehnung an de MelolRobinson (1989), S. 53.
Abbildung E.2 Marktgleichgewicht im Ein-Sektor-Modell eines kleinen Landes Aufgrund der einfachen Struktur und der Betrachtung nur eines Gutes lassen sich die Modelleigenschaften graphisch darstellen. Die Abbildung E.2 beschreibt das Marktgleichgewicht für das Ein-Sektor-Modell. An den Achsen
118
E. Entwicklung eines EAG-Modells
sind die Importe M, die Exporte E, die Nachfrage heimischer Güter D N sowie das Angebot heimischer Güter IY abgetragen. In dieser Darstellung wird eine ausgeglichene Handelsbilanz angenommen, so daß die Winkelhalbierende im ersten Quadranten das Handelsbilanzgleichgewicht beschreibt. 40 Die Transformationskurve zwischen Angebot für den heimischen Markt und für den Export :!X ist im vierten Quadranten dargestellt. Der optimale Punkt liegt im Tangentialpunkt der Transformationskurve :!X und der Preisgeraden 1:.P, die die Preisrelation aus Inlandspreis und Exportpreis PD/PE beschreibt. Die Winkelhalbierende im dritten Quadranten sichert das Gleichgewicht auf dem inländischen Gütermarkt, bei dem die im Inland angebotene Menge IY der Nachfrage nach heimischen Waren D N entspricht. Die Kurve (fC) im zweiten Quadranten beschreibt die Substitutionskurve des Haushalts zwischen inländischem Gut und Importgut. Der optimale Konsumpunkt liegt im Tangentialpunkt der Konsummöglichkeitenkurve und der Preisgeraden 1:.'P' , die die Relation aus Inlandspreis und Importpreis PD/PM beschreibt. Als allgemeines Gleichgewicht stellt sich im vorliegenden Modell die Situation ein, bei der gleichzeitig das Gleichgewicht in Quadrant eins und drei erreicht ist. In diesem Fall entsprechen sich die Steigungen der Geraden 1:.' P' und 1:.P und damit der Preisrelationen PD/PM und PD/PE. Bedingt durch die Wahl des Wechselkurses ER als Numeraire drückt der Preis PD als realer Wechselkurs den (relativen) Gleichgewichtspreis zwischen dem für den Binnenmarkt und dem für den Export bestimmten Gut aus. Auf der Grundlage dieses Ein-Sektor-Modells sollen die Preisreaktionen, die Änderungen des Außenhandels und des Gesamtkonsums anhand zweier Beispiele graphisch und numerisch erläutert werden. Das erste Beispiel untersucht die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen einer Verbesserung der Terms of Trade (TOT). In Abbildung E.3 wird angenommen, daß sich der Weltmarktpreis PWE exogen erhöht, wohingegen der Importpreis PWM unverändert bleibt TOTo ~ TOTI • Mit einer gegebenen Exportmenge kann jetzt (bei Handelsbilanzgleichgewicht) eine höhere Importmenge fmanziert werden. Durch die Steigerung der TOT wird die gesamtwirtschaftliche Konsummöglichkeitenkurve fCo nach oben verschoben fC h was eine Erhöhung des Nutzens von !Jo auf das Niveau von !/I erlaubt. Inwieweit sich die Exportmenge E bei einer Erhöhung der TOT ändert, ist von der Steigung der heimischen Angebotskurve abhängig. Im vorliegenden Fall reagiert das 40 Dabei gilt in dieser Darstellung die Annahme, daß sich der Importpreis (ausgedrückt in ausländischer Währung) PWM und der Exportpreis (ausgedrückt in ausländischer Währung) PWE entsprechen.
X. Funktionsweise des Modells
119
Angebot elastisch, so daß die verbesserten TOT eine Steigerung der Exporte auslösen und gleichzeitig die heimische Nachfrage drosseln.'1 Darüber hinaus bewirkt die Steigerung des Exportpreises in ausländischer Währung PWE ein Ansteigen des Exportpreises PE - ausgedrückt in heimischer Währung -, so daß sich die ursprüngliche Preisrelation PDo / PEo entlang der Transforrnationskurve nach PD 1 / PE1 verlagert. Bedingt durch die Wahl des nominalen Wechselkurses ER als Numeraire geht daher mit dem Absinken von PD die Abwertung des realen Wechselkurses einher.
M
M=E(TOTI)
F / _I 1
1
•
~----,
.... ;. ...............
!o
Co
1
/
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
1
M=E(TOTO)
1
'.
•
: • :
• :
·····i~····
1
1
1
1
1
x
C
E
x IY
Quelle: In Anlehnung an de Melo/Robinson (1989), S. 57.
Abbildung E.3 Verbesserung der Tenns ofTrade
Beispiel: Erhöhung ausländischer Transfers
Abbildung E.4 beschreibt die Auswirkungen eines Transfers aus dem Ausland an das Inland in Höhe von B. Die Handelsbilanz kann jetzt deftzitär 41 Die Frage, ob bei Steigerung der Tenns of Trade eine Steigerung oder Venninderung der exportierten Menge eintritt, wird durch die Transfonnationse1astizität 't; und den (Export-)Anteilsparameter 8; in Gleichung (12) und durch die Substitutionse1astizität (J; und den (lmport-)Anteilsparameter 8; in Gleichung (9) bestimmt.
120
E. Entwicklung eines EAG-Modells
werden. Bei gegebener Exportmenge kann deshalb mehr importiert werden. Die Handelsbilanzgerade QoOo und die Substitutionskurve feo werden durch die Transfers um die Strecke B parallel zur Abszisse nach oben verschoben. Wie reagiert der inländische Preis PD (realer Wechselkurs) auf eine exogene Erhöhung der Konsummöglichkeit bzw. des Einkommens? Im vorliegenden Fall eines nicht inferioren Gutes steigt die Nachfrage D N nach dem heimischen und dem importierten Gut M bei gleichzeitiger Verminderung der exportierten Menge E. Ausgelöst durch die Steigerung der heimischen Nachfrage steigt der inländische Preis PD und bewirkt eine Aufwertung des realen Wechselkurses.
E
IY
Quelle: In Anlehnung an de Melo/Robinson (1989), S. 58.
Abbildung E.4 Erhöhung von ausländischen Transfers
Beispiel: Erhöhung der Terms ofTrade und der Transfers bei Variation der Handelselastizitäten In diesem Abschnitt werden die in den vorherigen beiden Abschnitten graphisch dargestellten Szenarien der Erhöhung der Terms of Trade und eines gestiegenen Transfers ausländischen Kapitals für das Ein-Sektor-Modell quantitativ dargestellt. Anschließend werden die Ergebnisse einer Sensitivitätsanalyse diskutiert, in der die Handelselastizitäten systematisch variiert
x. Funktionsweise des Modells
121
werden. Im folgenden sollen die Substitutionselastizität zwischen Importen und nachgefragten Gütern aus heimischer Erzeugung und die Elastizität der Transformation von Exportgütern in Güter, die auf dem Binnenmarkt abgesetzt werden sollen, unter dem Begriff Handelselastizität zusammengefaßt werden. Für beide Elastizitäten wurde der gleiche (absolute) Wert angenommen. Tabelle E.6 stellt die Ergebnisse für die Simulation der Steigerung der ausländischen Transfers dar. In dem Szenario wurde der Verbraucherpreis P als Numeraire gewählt. Die Produktionsmenge X ist aufgrund der Annahme eines gegebenen Arbeitsangebotes und Kapitalstockes fixiert!2 Die ausländischen Transfers machen 10% des Bruttoinlandsproduktes der Ausgangssituation aus. Bei Interpretation der Variablen Q (gesamtwirtschaftliche Nachfragemenge) als Wohlfahrtsindikator entspricht im Grenzfall die Steigerung der Wohlfahrt dem Zuwachs an ausländischen Transfers. Tabelle E.6 Wohlfahrts- und Wechselkursänderungen bei Anstieg der ausländischen Transfers Werte der Wohlfahrt a) nominaler HandeIsWechselkurs b) elastizitäten (I) (2)
0,375 0,75 1,50 3,00 6,00 12,00 00
c)
107,1 108,4 109,2 109,6 109,8 109,9 110,00
0,49 0,71 0,84 0,92 0,96 0,98 1,00
realer Wechselkurs ERlPD b) (3)
0,44 0,67 0,82 0,90 0,95 0,98 1,00
nominaler Wechselkurs / Erzeugerpreis (4)
0,48 0,70 0,84 0,92 0,96 0,98 1,00
a) Basislauf= 100. b) Nominaler und realer Wechselkurs in der Ausgangssituation = 1,00. c) Die Werte der Elastizitäten waren größer als 10000. Quelle: Eigene Berechnungen.
Die Steigerung der Transfers führt je nach Höhe der Handelselastizität zu einem Anstieg des Konsums (Wohlfahrt) und einer Aufwertung des realen Wechselkurses. Im Grenzfall - bei einem Wert der Handelselastizitäten gegen 00 - ist das für den inländischen Markt bestimmte Produkt vollständig sowohl gegen das importierte als auch gegen das für den Export bestimmte Gut substituierbar. In diesem Fall werden die Kurven des zweiten bzw. vierten Quadranten der oberen Abbildungen zu Geraden, und der gestiegene Transfer 42 Aufgrund der Darstellung einer Ein-Sektor-Volkswirtschaft entspricht die Produktionsmenge X dem Bruttoinlandsprodukt.
122
E. Entwicklung eines EAG-Modells
entspricht bei unverändertem Preisniveau und konstantem nominalen Wechselkurs (Spalte 2) der Wohlfahrtssteigerung. In der Krümmung der Substitutionskurve fC und der Transformationskurve 29C kommt der fur das jeweilige Modell angenommene Grad der Homogenität zwischen Gütern inländischer und ausländischer Herkunft zum Ausdruck. Bei geringen Handelselastizitäten, d.h. starker Krümmung, bewirkt eine Änderung in dem Preisverhältnis zwischen Exportpreis und heimischem Güterpreis PE / PD nur eine geringe Änderung in der Relation des Exportangebotes E und des Angebotes auf heimischem Markt D. Geringe Handelselastizitäten mindern daher den Einfluß von nominalen Wechselkursänderungen - die eine Änderung der Exportpreise in heimischer Währung PE zur Folge haben - auf das Preisniveau der im Inland angebotenen Güter PD. Die mit steigenden Werten der Handelselastizitäten zunehmende Homogenität zwischen inländischen und ausländischen Gütern fuhrt somit im zunehmenden Maße auch zu einer Bestimmung des inländischen Preisniveaus durch exogene Änderungen - wie in diesem Beispiel eine 10%ige Erhöhung ausländischer Transfers. Die Veränderung des inländischen Güterpreises PD, der die realen Wechselkursänderungen beschreibt, ist somit abhängig von der Krümmung der Substitutions- bzw. Transformationskurve. Bei starker Krümmung, d.h. geringer Transformations- bzw. Substitutionselastizität, ist die Aufwertung des realen Wechselkurses wesentlich größer als bei gering gekrümmten Kurven, wobei im Grenzfall die Aufwertung gleich Null ist. Bei Handelselastizitäten mit einem Wert von kleiner Eins hat die Exportangebotskurve (29C) in Abbildung E.3 eine negative Steigung. In dieser Situation überwiegt der Einkommenseffekt der durch die TOT-Verbesserung ausgelösten Wohlfahrts steigerung den Substitutionseffekt und fuhrt zu einem gesunkenen Exportangebot. Bei einem Elastizitätswert von Eins wäre die Angebotskurve vertikal, und der Wert in Spalte c (Tabelle E.7) wäre unendlich. Handelselastizitäten von größer Eins bedingen eine positive Steigung der Exportangebotskurve. Mit steigenden Elastizitätswerten sinkt der Wert der Angebotselastizität und tendiert im Grenzfall gegen den Wert Eins. Einhergehend mit der Verbesserung der Terms of Trade erfolgt eine Aufwertung des realen Wechselkurses (siehe Spalte b in Tabelle E.7).43 Jedoch wird die Aufwertung mit steigenden Werten der Handelselastizität, ähnlich wie bei dem vorherigen Beispiel, immer geringer. Im Grenzfall bleiben der nominale und der reale Wechselkurs durch die Verbesserung der Terms of Trade unverändert. 43 Das Modell wurde für die Ausgangssituation so kalibriert, daß die Variablen PE,
PM, PD sowie der (nominale) Wechselkurs den Wert Eins hatten.
123
X. Funktionsweise des Modells
Tabelle E.l Wohlfahrts- und Wechselkursllnderungen bei Verbesserung der Terms of Trade HandeIselastizitäten
0,375 0,75 1,50 3,0 6,0 12,0 >120
Wohlfahrt a) 103,41 103,76 104,13 104,72 105,97 108,99 131,17
Wechse1kurs nominaler realer b) b) 0,69 0,65 0,79 0,76 0,85 0,82 0,88 0,86 0,90 0,87 0,91 0,88 0,98 0,89
Exportangebotselastizität c) -2,72 -8,42 5,76 2,21 1,50 1,24 1,03
a) Basislauf= 100. b) Wert des nominalen und des realen Wechselkurses = I. c) Die Exportangebotselastizität beschreibt die relative Änderung der Exportmenge in bezug auf die relative Änderung der Preisrelation PE / PD. Zu der algebraischen Herleitung siehe de Melo/Robinson (\ 989). Quelle: Eigene Berechnungen.
Abschließend ist festzuhalten, daß die Modellergebnisse gravierend durch die Wahl der Handelselastizitäten bestimmt werden. Wie bereits erläutert, wird bei der Auswahl der Handelselastizitäten für die einzelnen Sektoren des endgültigen Modells auf die in der Literatur veröffentlichten Werte für andere Länder zurückgegriffen. Eine ökonometrische Schätzung der Elastizitäten für Ungarn ist aus Gründen mangelnder Datenverfügbarkeit und der strukturellen Umbrüche des ungarischen Außenhandels im Laufe der wirtschaftlichen Transformation nicht möglich. Daher scheint es zwingend erforderlich, für die einzelnen Simulationen des EAG-Modells Sensitivitätsanalysen zu erstellen, was unten geschehen soll.
F. Erweiterungen des EAG-Modells Das bisher dargestellte komparativ-statische Empirische Allgemeine Gleichgewichtsmodell entspricht der Standardversion eines Empirischen Allgemeinen Gleichgewichtsmodells. Das Ziel dieser Arbeit ist es jedoch, mit Hilfe eines EAG-Modells Teile des Transformationsprozesses der ungarischen Volkswirtschaft empirisch zu analysieren. Dabei läßt sich die Analyse - wie bereits in Abschnitt B.III. erwähnt - in zwei Bereiche unterteilen, zum einen die Untersuchung der internen auf den Binnenmarkt orientierten Umstrukturierung und zum anderen die Analyse der Entwicklung der ungarischen Außenwirtschaftsbeziehungen. Zu der erstgenannten Gruppe sind folgende Fragestellungen zu zählen: 1. Welche gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen hat der Übergang von einem System vorbestimmter Kapitalentlohnungsraten ("mark-up pricing") zu einem Wirtschafts system Gewinnmaximierung bei vollständigem Wettbewerb' ("zero-profit" Annahme)? 2. Im Rahmen der Preisliberalisierung und der Privatisierung von Unternehmen erfolgt eine Steigerung der intersektoralen Faktormobilität, die zu einer Senkung von sektoralen Lohndifferenzen führt. Welche Implikationen hat diese Entwicklung auf das Beschäftigungsniveau einzelner Sektoren, die sektoralen Kapitalrenditen und das gesamte Bruttoinlandsprodukt? 3. Im Rahmen der Reprivatisierung der LPGen ist eine Änderung des Produzentenverhaltens zu vermuten. Bei Annahme einer Entlohnung der Arbeit entsprechend dem Durchschnittsprodukt in LPGen und entsprechend dem Grenzprodukt in privaten Betrieben ist mit einer Änderung der Arbeitsnachfrage und der Preise für Agrarprodukte zu rechnen. Welche Auswirkungen hat diese Verhaltensänderung auf die ungarische Agrarproduktion bzw. den Einkommens- und Beschäftigungsbeitrag des Agrarsektors? Auf der Seite der Änderungen im Bereich des Außenhandels hat der Zusammenbruch der Handelsbeziehungen mit den ehemaligen RGW-Partnerländern und das Assoziierungsabkommen der EU mit Ungarn zu einer starken Ausrichtung des Außenhandels mit den Ländern der EU geführt. Welche , Anwendungen für EAG-Modelle mit unvollständigem Wettbewerb siehe Harris (1984).
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
125
gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen hat das Assoziierungsabkommen auf Ungarn gehabt, und welche Konsequenzen hätten weitergehende Zugeständnisse der EU beim Handel mit Agrarprodukten als die in dem Assoziierungsabkommen gewährten? Diese Fragen lassen sich nur dann im Rahmen einer EAG-Analyse beantworten, wenn das EAG-Modell in der bisher beschriebenen Fassung um wesentliche Elemente erweitert wird, die zum einen grundlegender Art sind und u.v. in jedes EAG-Modell eingefügt werden können, zum anderen aber spezifisch transformationsbezogene Ergänzungen beinhalten.
I. Allgemeine Erweiterungen des Standard-Modells In diesem Abschnitt sollen die Erweiterungen dargelegt werden, die unabhängig von der speziellen Fragestellung bzw. Auswahl eines Landes vorgenommen werden können, um empirisch beobachtete Vorgänge realistischer im Rahmen eines Mehr-Sektoren-Modells analysieren zu können. So lassen sich die folgenden Punkte in diese Kategorie einordnen: - die Aufnahme eines ökonometrisch geschätzten Systems von Nachfragegleichungen in das EAG-Modell und - die Erweiterung des komparativ-statischen Modells zu einem sequentiell lösbaren dynamischen EAG-Modell. Im Standard-EAG-Modell wird die Nachfrage der privaten Haushalte auf der Grundlage einer Cobb-Douglas- oder Stone-Geary-Nutzenfunktion beschrieben, die beide eine differenzierte Darstellung der Nachfrage nach verschiedenen Gütern bzw. Gütergruppen nur sehr eingeschränkt ermöglichen. Die Annahme ist jedoch berechtigt, daß die ungarischen Konsumenten bei Absinken bzw. Anstieg des verfügbaren Einkommens und bei Änderung der Preisrelationen die Nachfrage nach verschiedenen Gütern (wie bspw. Nahrungsmittel, Verbrauchsgüter oder langlebige Konsumgüter) unterschiedlich einschränken bzw. ausdehnen. Daher soll die Aufnahme eines ökonometrisch geschätzten Systems von Nachfragegleichungen in das EAG-Modell dazu beitragen, die Auswirkungen des im Zuge des Transformationsprozesses gesunkenen Realeinkommens, die Veränderung der Güterpreisrelationen und das zu erwartende wiederansteigende Einkommen auf den Konsum verschiedener Gütergruppen differenziert analysieren zu können. Aufgrund der bisherigen statischen Modellformulierung sind Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere die Entwicklung der Sektorstruktur der Volkswirtschaft im Transformations- und Wachstumsprozeß, nur eingeschränkt empirisch analysierbar. Durch die unten beschriebene Endoge-
126
F. Erweiterungen des EAG-Modells
nisierung der Nachfrage nach Investitionsgütern ist es jedoch möglich, den für den Transformationsprozeß wichtigen Bereich der Kapitalakkumulation zu erfassen und in einem sequentiell dynamischen Modell zwischen den einzelnen Perioden miteinander zu verknüpfen. Durch diese, wenn auch nicht vollständige, Dynamisierung des Modells lassen sich die gesamtwirtschaftlichen Implikationen des strukturellen Wandels der einzelnen Sektoren empirisch analysieren. 1. Schätzung eines Gleichungssystems der privaten Nachfrage
Die Darstellung der Nachfrage der privaten Haushalte basierte in der oben beschriebenen Fassung des EAG-Modells auf einer Cobb-DouglasNutzenfunktion mit den entsprechenden Konsequenzen (Nachfrageelastizität des Einkommens und des Eigenpreises gleich Eins bzw. minus Eins und das Fehlen jeglicher Kreuzpreisbeziehungen). Die Entwicklung der privaten Nachfrage nach Agrarprodukten hat entscheidende Bedeutung für die künftige gesamtwirtschaftliche Relevanz des landwirtschaftlichen Sektors und der Ernährungsindustrie. Daher wird in der vorliegenden Arbeit der Versuch unternommen, die private Nachfrage mittels ökonometrisch geschätzter Nachfragegleichungen abzubilden und in das EAG-Modell zu integrieren. Bei der Wahl der zu schätzenden Gleichungen wurde ein Modell ausgewählt, mit dem sich sowohl superiore als auch inferiore Güter darstellen lassen: die linearisierte Form des Nahezu Idealen Nachfragesystems (Almost Ideal Demand System) von Deaton/Muellbauer(1980a). Bei der Beschreibung der Vorgehensweise sollen einleitend die grundlegenden Eigenschaften von Nachfragegleichungen und ihre Einhaltung bei empirischen Schätzungen erörtert werden. Im Anschluß werden die "traditionelle" Darstellung der Nachfrage privater Haushalte in EAG-Modellen und ihre Restriktionen dargelegt. Dieser Abschnitt endet mit der Beschreibung des Systems der Nachfragegleichungen und dessen ökonometrischer Schätzung.
a) Grundlegende Eigenschaften von Nachfragegleichungen In diesem Abschnitt werden zusammen mit den "traditionellen" Nachfragesysternen deren grundlegende Eigenschaften dargestellt. In dem "traditionellen" Ansatz der Bestimmung von Nachfragegleichungen wird von einer Nutzenfunktion ausgegangen, die eine bestimmte Präferenzordnung darstellt. Durch Maximierung dieser direkten Nutzenfunktion
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
127
wird bei gegebenen Preisen und Einkommen ein System von Nachfragegleichungen ermittelt. In den so bestimmten Nachfragegleichungen wird die nachgefragte Menge von der Höhe des Einkommens, dem Eigenpreis des nachgefragten Gutes und den Kreuzpreisen determiniert. Aus der Nutzentheorie lassen sich vier allgemeine Bedingungen ableiten, denen alle Systeme von Nachfragegleichungen genügen müssen: - Adding-up: Die Anteile der Ausgaben für die einzelnen Güter und Dienstleistungen müssen sich bei allen Einkommens- und Preiskonstellationen zu Eins aufaddieren. - Homogenität: Die nachgefragten Mengen bleiben unverändert, wenn sowohl Preise als auch Einkommen um den gleichen Prozentsatz variieren (Freiheit von Geldillusion). - Negativität: Die kompensierten Eigenpreiseffekte sind negativ bzw. die Hessesche Matrix ist semi-defmit. 2 - Symmetrie: Die kompensierten Kreuzpreiseffekte sind einander gleich, d.h. die Hessesche Matrix ist symmetrisch.
Ein Nachfragesystem, das aus der Maximierung einer algebraisch explizit formulierten Nutzenfunktion abgeleitet wird, erfüllt diese genannten Bedingungen automatisch. l Bei der Wahl spezifischer Nutzenfunktionen haben die resultierenden Nachfragesysteme zum Teil weitere besondere Eigenschaften. So ermöglicht z.B. die Annahme der Separabilität die Aggregation von verschiedenen Gütern und Dienstleistungen zu bestimmten Gütergruppen. So wird etwa unterstellt, daß der Nutzen, den der Konsum von Schuhen (Aggregat: Kleidung) stiftet, unabhängig ist vom Nutzen der anderen Aggregate (z.B. Nahrungsmittel, Energie oder Dienstleistungen). Ein Beispiel für ein aus diesem Ansatz ermitteltes System simultaner Nachfragegleichungen ist das Linear Expenditure System (LES), das von Stone (1954) vorgestellt wurde. Werden Nachfragefunktionen geschätzt, die nicht explizit aus Nutzenfunktionen abgeleitet sind, so besteht größerer Spielraum in der Wahl der Funktionsformen. Allerdings sind dann die genannten vier allgemeinen Bedingungen nicht mehr automatisch erfiillt. In diesem Zusammenhang liegt der große Vorteil der Anwendung des Konzeptes der Dualitätstheorie darin, daß unter Verwendung von sog. flexiblen Funktionsformen die Einhaltung der genannten allgemeinen Bedingungen getestet werden kann. 2 Eine umfassende Beschreibung und Herleitung dieser Bedingungen findet sich in DeatonlMuellbauer (I 980b) und Phlips (1983). l Siehe Phlips (1983), S. 36.
128
F. Erweiterungen des EAG-Modells
In der Formulierung der flexiblen Funktionsform einer Nutzenfunktion ist für jeden zu schätzenden Parameter der Nachfragefunktion (Eigenpreis-, Kreuzpreis- und Einkommenskoefflzient) ein unabhängiger Parameter vorgesehen. Für die Darstellung der Nachfrage der privaten Haushalte in dem EAGModell wurde ein Nachfragesystem gewählt, das von einer solchen flexiblen Funktion abgeleitet wurde. b) Das "Nahezu Ideale Nachfragesystem" (Almost Ideal Demand System)
Das Nachfragesystem des vorliegenden EAG-Modells wurde in der ursprünglichen Form von DeatonlMuellbauer (1980a) entwickelt. Es basiert auf einem Modell von Working (1943) und Leser (1963), in dem die Ausgabenanteile Wj als eine Funktion der gesamten Ausgaben x wie folgt dargestellt werden: Dieser Ansatz wurde um die Aufnahme der Kreuzpreise und des Eigenpreises erweitert. Für die Bestimmung des Nachfragesystems unterstellten Deaton und Muellbauer die folgende flexible Kostenfunktion4 :
lnC(u,p)=aO+Laklnpk+tL L a~lnpklnp/+ußoTIp/', k
k
I
k
wobei C den Ausgaben und Pb k = 1,... ,N den Preisen entsprechen. lXo, ~, a\" sind die Parameter der Ausgabenfunktion. Aufgrund der Annahme der Homogenitätsbedingung der Ausgabenfunktion C(u,p) in den Preisen müssen die Parameterrestriktionen gelten,
ßo und A
La N
k
= 1 und
k=1
N
N
N
1=1
k=1
La~=La~=Lßk=O.
Eine der grundlegenden Eigenschaften der Kostenfunktionen liegt darin, daß nach Shepard's Lemma die Nachfragefunktionen aus den Ableitungen der Kostenfunktion nach den Preisen resultierens:
4 Diese Kostenfunktion wurde von einem Präferenzsystem der PIGLOG-Klasse abgeleitet. Sie gibt die notwendigen minimalen Ausgaben an, die nötig sind, ein bestimmtes Nutzenniveau bei gegebenen Preisen zu erzielen. S Siehe Diewert (1974).
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
129
Aus der Ableitung der logarithmischen Ausgabenfunktion nach den logarithmischen Preisen lassen sich die Ausgabenanteile als Funktion der Preise und des Nutzens darstellen:
olnC olnPj
qj Pj =w. C(u,p) I
Angewendet auf die Kostenfunktion von DeatonlMuellbauer ergibt sich: wj = a j + Laij lnPj + A ußoTIp/1 j
,
j
wobei der Parameter aij durch aij = Yl*(a·ij + a·jj) bestimmt ist. Für einen nutzenmaximierenden Konsumenten entsprechen die Gesamtausgaben den Kosten C(u,p). Aufgrund dieser Annahme läßt sich der Nutzen u als Funktion von P und C in der indirekten Nutzenfunktion darstellen. DeatonlMuellbauer haben aus der obigen Gleichung unter Verwendung der indirekten Nutzenfunktion die entsprechenden Nachfragefunktionen in Form von Ausgabenanteilen hergeleitet. wj = a j + Laij lnPj + ßj
l{~).
(15)
}
wobei Wj den Ausgabenanteil des Gutes i an den Gesamtausgaben und P den Preisindex beschreiben. Der Preisindex wurde von Deaton und Muellbauer durch folgende Gleichung bestimmt:
lnP=ao+Lajlnpj+tL L aijlnpjlnpj j
j
j
(16)
Das durch die Gleichungen (15) und (16) beschriebene Modell ist das ,Almost Ideal Demand System" von DeatonlMuellbauer (1980a). Gleichung (15) ist linear und kann mittels der Methode der kleinsten Quadrate oder durch andere ökonometrische Methoden geschätzt werden, wohingegen Gleichung (16) in ihrer nicht-linearen Form empirische Probleme besonders bei der Verwendung von aggregierten Zeitreihendaten aufwirft. 6 Um die Vorzüge der Schätzung von linearen Gleichungssystemen nutzen zu können, schlagen DeatonlMuellbauer daher vor, den Preisindex in Gleichung (16) durch eine linearisierte Form, den Preisindex von Stone (1954), zu ersetzen
lnp· = L wj lnPj' j
6
Siehe dazu DeatonlMuellbauer (1980a), S. 316 und GreenlAIston (1990).
9 Banse
(17)
130
F. Erweiterungen des EAG-Modells
Beide Indizes stehen bei weitgehend kollinearem Verlauf der Preisreihen annähernd in einer Proportionalitätsbeziehung. 7 Das unter Verwendung von Gleichung (17) resultierende Nachfragesystem wird in der Literatur nach Blanciforti/Green (1983) als lineare Approximation des Almost Ideal Demand System (LAIAIDS) bezeichnet.
c) Eigenschaften des linear approximierten AIDS-Modells Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Grundstruktur des linear approximierten AIDS-Modells dargelegt wurde, sollen im folgenden Abschnitt die Eigenschaften des LA/AIDS-Modells kurz skizziert werden. Das vorliegende Nachfragemodell schließt die Bedingungen flexibler Funktionsformen ein, wonach die Anzahl der zu schätzenden Parameter bei Berücksichtigung der theoretischen Eigenschaften von Nachfragefunktionen genau der Anzahl unabhängiger ReaktionskoeffIzienten zuzüglich der unabhängigen Niveauparameter entspricht. Die sich daraus ergebenden Eigenschaften der LAIAIDS lassen sich anband der Bestimmung der Preis- und Einkommenselastizitäten ausgehend vom Logarithmus des Ausgabenanteils verdeutlichen. 8 Durch Ableitung des logarithmierten Ausgabenanteils (In qi = In Wi - In Pi + In C) nach dem Eigenpreis läßt sich die gewöhnliche Nachfrageelastizität llii bestimmen 8Inqi 8In Pi
= TZ = 8Inwi -1+ 11
81n Pi
8InC . 8In Pi
(18)
Die Ableitung der Kosten bzw. Einkommen des Haushalts nach dem Eigen. 8InC Ist . N u, 11 d a von emem . preIS gegeb enen Eink ommen ausgegangen 8Inpi wird. Die Ableitung des Logarithmus des Ausgabenanteils Wi nach dem Eigenpreis Pi ergibt
a. - /3; 81n p. 81nwi 11 '81nPi - - - = -----=-.:... 8Inpi wi
(19)
Deaton/Muellbauer(1980a), S. 316. Auf die Details der Ableitung der Preis- und Einkommenselastizitäten soll in diesem Kapitel nicht eingegangen werden, siehe dazu Green/Alston (1990) und Grings (1993). 7
8
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
131
Unter der Annahme, daß die Preisänderung des Gutes i keinen Einfluß auf den Ausgabenanteil des Gutes k hat, hat der zweite Summand der Gleichung (20) den Wert Null.
O'ln p. -- =W
j
O'ln Pj
'" ln O'ln w. + ~ W. Pk - - • O'ln PI
V
k'
(20)
~I
Bei Ableitung der logarithmierten Ausgabenanteile lassen sich die Kreuzpreiselastizitäten bestimmen: O'lnqj
O'ln wj
O'ln Pj
O'ln C
O'lnPj
O'lnPj
O'lnPj
O'lnPj
--=77v=-----+--.
Wj
nach dem Kreuzpreis Pj (21)
Unter der Annahme gegebenen Einkommens und voneinander unabhängiger Preise haben die letzten beiden Terme in Gleichung (21) den Wert Null, womit die Höhe der Kreuzpreiselastizitäten ausschließlich durch die Ableitung der (logarithmierten) Ausgabenanteile nach den (logarithmierten) Kreuzpreisen bestimmt wird, d.h.
_ O'ln wj _
a .. - ß.. O'ln p. IJ
17ij - O'lnPj -
l.:::ll l/ npj
wj
(22)
Aus den Gleichungen (18) und (19) lassen sich dann die Eigenpreiselastizitäten und aus Gleichung (22) unter Bezug auf Gleichung (20) die Werte der Kreuzpreiselastizitäten wie folgt herleiten:
17jj =
17y=
a jj -Awj - 1 wj
aij
-Awj
(23)
wj
Die Ausgabenelastizität E:j der Nachfrage nach Gut i läßt sich entsprechend der Herleitung der Eigen- und Kreuzpreiselastizitäten aus der Ableitung der logarithmierten Ausgabenanteile nach den Ausgaben C bestimmen:
Gj = O'lnqj = 1+ O'lnwj = 1+ A . O'ln C O'ln C wj
(24)
Aus der Gleichung (24) geht hervor, daß die Ausgabenelastizität E:j bei steigendem Einkommen sinkt oder bestenfalls gleichbleibt, denn die Ableitung von E: j nach den Ausgaben C ist kleiner oder gleich Null.
F. Erweiterungen des EAG-Modells
132
06i
oC
=-~ 1 oder ein Sättigungsgut bzw. inferiores Gut mit Ej < 1. Für ßj > 0 wird der Ausgabenanteil Wj mit den Ausgaben C steigen, so daß Gut i ein Luxusgut ist, während fiir ßj < 0 der Wert der Ausgabenelastizität zwischen Eins und Null liegt bzw. kleiner Null ist. Somit ist das LNAIDS geeignet, sowohl Luxus- als auch Sättigungsgüter und darüber hinaus auch inferiore Güter bei der Beschreibung der Nachfrage darzustellen. Jedoch ist das Nachfragesystem nicht in der Lage, den Übergang in der Klassiftkation eines Gutes abzubilden, d.h., ein Luxusgut kann sich nicht in ein Sättigungsgut wandeln und umgekehrt. 9
d) Ökonometr;sche Schätzung des LA/AIDS SchätzverJahren
Ausgehend von Gleichung (15) wurde bei der ökonometrischen Schätzung der Nachfragefunktionen des LNAIDS eine Trendvariable t und ein Störterm U j hinzugefiigt. Die Trendvariable t soll den Teil der Änderungen in der Nachfrage repräsentieren, der nicht durch Variation von Preisen und Einkommen erklärt werden kann. Diese autonomen Änderungen können dadurch begründet sein, daß sich die Verbrauchsgewohnheiten, der Geschmack, die Zusammensetzung der privaten Haushalte usw. in dem betrachteten Zeitraum verändert haben. Nach Addition der Trendvariable und des Störterms wird der Ausgabenanteil des Gutes i wie folgt dargestellt: W;,
=~ +Laij lnPj, +ß.~~) J
+Y;f+ui ,' TI i=I, ... ,Nund t=l, ... ,T,
(25)
I
wobei Yj den Parameter der Trendvariable t darstellt. Wegen der adding-up
2>i
Bedingung muß die Restriktion gelten, daß = 0 ergibt. Ferner wird angenommen, daß der Erwartungswert des Störterms U j den Wert Null hat und daß keine intertemporale Korrelation vorliegt. Allerdings kann wegen der unterstellten simultanen Optimierung über sämtliche Gütergruppen eine Korrelation zwischen den Störtermen verschiedener Gütergruppen nicht ausgeschlossen werden. Eine weitere Interdependenz besteht zwischen den 9 Auf die Problematik der Einhaltung der Negativitätsbedingung, die über die Cholesky-Zerlegung der Slutzky-Matrizen getestet werden kann, soll hier nicht eingegangen werden, siehe dazu Grings (1985) und (1993).
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
133
Gleichungen dann, wenn, wie in diesem System von Gleichungen, die Symmetrieeigenschaft von Systemen bei der Schätzung der jeweiligen Funktionen durch Parameterrestriktionen vorgegeben wurde. Deshalb stellt (25) ein System von "scheinbar beziehungslosen" Gleichungen dar, das mit Hilfe der Generalized Least Square-Methode nach dem von Zellner (1962) entwickelten Verfahren geschätzt werden kann. Aufgrund der linearen Abhängigkeit zwischen den Gleichungen ist dabei zur Vermeidung einer singulären Kovarianzmatrix der Störterme eine der zu schätzenden Gleichungen zu eliminieren. 10 Bei Anwendung der oben beschriebenen linearen Schätzmethode lassen sich die Adding-up, die Homogenitäts- und die Symmetriebedingung durch geeignete Parameterrestriktionen gewährleisten. Allerdings läßt sich eine weitere oben genannte Bedingung, die Negativität, nicht durch Restriktionen bei der Schätzung der Parameterwerte garantieren. Die Negativitätsbedingung ist dann gegeben, wenn die Slutzky-Matrix, d.h. die Matrix der ersten partiellen Ableitungen der kompensierten Nachfragefunktionen nach den Preisen, negativ-semidefmit ist. Gleichzeitig stellt die Einhaltung dieser Eigenschaft eine notwendige und ausreichende Bedingung für die Konkavität der Kostenfunktion C dar. 11 Da die Semidefmitheit der Slutzky-Matrix nicht als unterstellte Hypothese bei der Schätzung berücksichtigt werden kann, läßt sich diese Eigenschaft nur im nachhinein mit Hilfe der Cholesky-Zerlegung überprüfen, bei der die Slutzky-Matrix in drei Teilmatrizen dargestellt wird. 12 Die Slutzky-Matrix ist dann negativ-semidefmit, wenn die Werte der mittleren Teilmatrix, einer Diagonalmatrix, kleiner oder gleich Null sind. 13 Bei der Durchführung der Dekomposition ergaben sich für alle Gütergruppen Werte von kleiner Null, so daß die Konkavität und damit die Negativitätsbedingung gewährleistet sind. Einschränkend ist allerdings anzumerken, daß die Überprüfung mit Hilfe der Cholesky-Dekomposition jeweils nur für einen Beobachtungszeitpunkt gilt. Hierfür wurde diejenige Beobachtung gewählt, für die die verwendeten Preis indizes den Wert Eins annehmen. Im vorliegenden Fall gilt das für das Jahr 1990, da sich die anderen Daten des EAG-Modells ebenfalls auf dieses Jahr beziehen. Bei der Prüfung der geschätzten Werte für die Jahre 1988, 1989 und 1991 waren ebenfalls sämtliche Cholesky-Werte kleiner als Eins, so daß die Negativitätsbedingung auch für diese Jahre gegeben ist. Die Gleichungen Siehe dazu z.B. Judge et al. (1985), S. 497-503. Eine ausführliche Diskussion der Konkavitätseigenschaften von Kostenfunktionen findet sich in Morey (1986), S. 217. 12 Siehe Lau (1978). Ein Anwendungsbeispiel für eine Cholesky-Dekomposition ist in Grings (1985) enthalten. 13 Die Cholesky-Werte der Matrix D sind in Tabelle F.1 angegeben. 10 11
134
F. Erweiterungen des EAG-Modells
des Nachfragesystems wurden mit der im Programmpaket SAS/ETS (1988) enthaltenen linearen Seemingly Unrelated Regressions-Methode geschätzt. 14
Schätzergebnisse Die Ergebnisse der simultanen Schätzung sind im Anhang in Tabelle A-5 ausgewiesen. Eine zusammenfassende Übersicht ist in der Tabelle F.l gegeben, die einige statistische Testmaße enthält. Dabei sind neben den Werten des Bestimmtheitsmaßes in Form des korrigierten R 2 die Werte des DurbinWatson-Koefftzienten und auch die Cholesky-Werte wiedergegeben. Die letzte Spalte enthält den Anteil der geschätzten Parameter mit t-Werten größer bzw. gleich dem tabellierten Wert der t-Verteilung mit einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5%. Gemessen an den R 2-Werten liegt bei der Schätzung für alle Gütergruppen eine im wesentlichen zufriedenstellende Anpassungsgüte vor. Bis auf die Produktgruppe der langlebigen Konsumgüter liegen alle R 2-Werte über 0,90. Die errechneten Durbin-Watson-Koefftzienten deuten darauf hin, daß außer für die Produkte Getränke und Tabakwaren sowie Kleidung die Autokorrelation der Residuen keine Rolle spielt. Die in der folgenden Spalte ausgewiesenen Cholesky-Werte sind alle kleiner als Null und stellen somit sicher, daß die Negativitätsbedingung erfüllt ist. Tabelle F.l Kennzahlen zur statistischen Beurteilung des geschätzten Nachfragemodells Produkt Nahrungsmittel Getränke und Tabakwaren Kleidung Energie und Brennstoffe langlebige Konsumgüter sonstige Verbrauchsgüter
R2 a)
DWb)
0,9808 0,9120 0,9819 0,9445 0,8079 0,9289
1,579 0,945 0,145 2,341 1,784 2,156
CholeskyWerte -0,058 -0,062 -0,051 -0,031 -0,122 -0,036
Anteil t ~ t* (in %) 57 43 29 43 57 71
a) Adjustierte R2-Werte. b) Durbin-Watson-Koeffizient. Quelle: Eigene Berechnungen.
Obwohl die t-Werte einiger Parameter relativ gering sind, sind 50% aller geschätzten Parameter signiflkant von Null verschieden. Bei der Interpretation der t- Werte ist zu berücksichtigen, daß, anders als bei der Schätzung von Einzelgleichungen, bei der Schätzung dieses Systems simultaner Gleichungen 14 Eine weitere Darstellung des Programmpakets ist in SAS Institute (1988) enthalten.
135
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
die Eliminierung oder das Hinzufiigen von Variablen aus Gründen der internen Konsistenz nicht möglich ist. Eine weitere Einschränkung bei der Auswahl der Variablen besteht darin, daß in diesem Fall der Schwerpunkt der Schätzung in der Einhaltung der Konsistenz mit der ökonomischen Theorie der Nachfrage liegt. Denn die Schätzergebnisse sollen als Parameter in die Nachfragegleichungen des EAG-Modells einfließen, deren Variablen nur Preise und Einkommen sein können, die in dem EAG-Modell endogen ermittelt werden. Zur Interpretation der Schätzergebnisse wurden die gewöhnlichen Preiselastizitäten sowie die Ausgabenelastizitäten bezogen auf das Jahr 1990 errechnet und in der Tabelle F.2 dargestellt. Tabelle F.2 Preis-, Einkommenselastizitllten und autonome Wachstumsraten der Nachfrage ungarischer Haushalte
Nahrungsmittel Getränke u. Tabakwaren Kleidung Energie und Brennstoffe langlebige Konsumgüter sonstige Verbrauchsgüter Dienstleistungen
Eigenpreiselastizität
Einkommenselastizität
-0,43 -0,91 -0,93 -0,51 -2,29 -0,54 -0,72
0,40 1,98 1,51 0,75 2,21 1,54 0,53
autonome Wachstumsraten (in %) 0,4 -2,8 -5,2 3,6 -4,4 0,4 2,3
Quelle: Eigene Berechnungen.
Die Werte in Tabelle F.2 weisen fiir drei der sieben Gütergruppen Einkommenselastizitäten kleiner Eins aus. Nahrungsmittel, Energie und Brennstoffe sowie Dienstleistungen fallen in diese Gruppe. Vor dem Hintergrund des Engelschen Gesetzes ist der Wert fiir Nahrungsmittel von ca. +0,4 noch relativ hoch, jedoch dürfte in diesem Fall das hohe Aggregationsniveau mit dazu beigetragen haben, daß der Wert nicht niedriger ausfiel. Der mit +0,75 fiir Energie und Brennstoffe niedrigste Wert in dieser Schätzung ist möglicherweise auch dadurch zu erklären, daß diese Gütergruppe im Vergleich zu den anderen diejenige mit den höchsten Subventionen in Ungarn war. Bemerkenswert an den Ergebnissen fiir Kleidung und langlebige Konsumgüter ist, daß bei relativ hohen Einkommenselastizitäten gleichzeitig sehr hohe negative autonome Wachstumsraten vorliegen. Bei langlebigen Gütern kompensiert die Einkommenselastizität die negative Wachstumsrate, wohingegen fiir das Aggregat Kleidung die negative autonome Wachstumsrate die mengenmäßige Nachfrage insgesamt sinken läßt.
136
F. Erweiterungen des EAG-Modells
Unter den betrachteten Gütergruppen sind Nahrungsmittel, Energie und Brennstoffe und die Gruppe der sonstigen Verbrauchsgüter mit Eigenpreiselastizitäten von absolut unter 0,6 als relativ preisunelastisch ausgewiesen. Die mit ca. 2,3 höchste absolute Eigenpreiselastizität für langlebige Konsumgüter ist auf die starke Heterogenität dieses Aggregates zurückzuführen. 1s In Tabelle A-6 im Anhang sind ergänzend die berechneten Werte der unkompensierten und der kompensierten Kreuzpreiselastizitäten aufgeführt. Von den 21 dargestellten Beziehungen von Güterpaaren liegt bei fünf eine komplementäre Beziehung (mit negativen kompensierten Kreuzpreiseffekten) vor, und die restlichen 16 Güterpaare sind durch substitutive Beziehungen gekennzeichnet. Die Dominanz der Substitutionsbeziehung ist in dieser Schätzung durch das relativ hohe Aggregationsniveau zu erklären. Ergänzend wurden den Elastizitäten die autonomen Wachstumsraten als Indikatoren für mögliche Präferenzänderungen hinzugefügt. Dabei wurden die Wachstumsraten in Prozent wie folgt kalkuliert:
olnq. olnw 1 - - ' ----, - y 01
-
01
-
,
i W .•
Bei der Betrachtung der prozentualen Wachstumsraten sind bei emlgen Gütern relativ hohe Werte zu verzeichnen. So liegen die Werte für dauerhafte Konsumgüter bei -4,4%, für Kleidung bei -5,2% und für Energie und Brennstoffe bei 3,6% p.a. Diese hohen Werte deuten darauf hin, daß in dem Konsumverhalten der privaten Haushalte Ungarns bei einigen Gütergruppen Entwicklungen vorliegen, die durch die diesem Nachfragesystem zugrundeliegenden ökonomischen Variablen nicht erfaßt werden können. So können diese Werte als Indikatoren für mögliche Präferenzänderungen der Haushalte bei der Transformation Ungarns von dem System der Zentralverwaltungswirtschaft in ein marktwirtschaftlich orientiertes Wirtschaftssystem interpretiert werden. Zusammenfassend läßt sich für die Schätzung des Nachfragesystems festhalten, daß sich die ermittelten Werte der Einkommens- und Eigenpreiselastizitäten deutlich vom Wert Eins bzw. minus Eins unterscheiden. Damit ist zu vennuten, daß der .,Realitätsgrad" des vorliegenden EAG-Modells unter Einbeziehung eines ökonometrisch geschätzten Systems von Nachfragegleichungen gegenü~er der Anwendung einer Cobb-Douglas-Nutzenfunktion signifIkant ansteigt.
IS
Zu dieser Plausibilitätsüberlegung siehe Deaton (1988), S. 421.
I. Allgemeine ElWeiterungen des EAG-Modells
137
e) Die Einbeziehung des geschätzten Nachfragesystems im EAG-Modell
Da sich die Abgrenzung der Gütergruppen des geschätzten LAIAIDSModells von der Güterabgrenzung in Übersicht D.3 unterscheidet, müssen neben den eigentlichen Nachfragegleichungen zusätzliche Gleichungen in das erweiterte EAG-Modell eingefügt werden, die die Übertragung der verschiedenen Güterabgrenzungen ermöglichen. Diese Problematik wird in dem folgenden Abschnitt dargelegt, bevor abschließend die eigentlichen Nachfragegleichungen des EAG-Modells beschrieben werden. Datengrundlage
Die private Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen wird in den amtlichen Veröffentlichungen des CSO in Budapest in zwei unterschiedlichen Aggregationsschemata publiziert. Zum einen sind dies Input-Output-Tabellen mit 21 Warengruppen, zum anderen handelt es sich um Zusammenstellungen der Journale der stichprobenweise erhobenen Einkommen und Ausgaben privater Haushalte. Bis 1990 wurden in den jährlich erhobenen Ausgabenstatistiken 196 Produkte erfaßt und veröffentlicht. Seit 1991 beschränkt sich die Erhebung auf die Anzahl von 108 verschiedenen Gütern bzw. Gütergruppen. Die Daten dieser umfangreichen Erhebungen auf der Ebene der privaten Haushalte flossen zu sieben Gütergruppen aggregiert in die Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR) ein. Die Güteraggregate sind 1. Nahrungsmittel 2. Getränke und Tabakwaren 3. Kleidung 4. Energie und Brennstoffe 5. langlebige Konsumgüter 6. sonstige Verbrauchsgüter 7. Dienstleistungen. 16 Das oben beschriebene Nachfragesystem wurde auf der Grundlage der Daten aus der Ausgabenstatistik der privaten Haushalte geschätzt. Tabelle F.3 stellt die Ausgaben der privaten Haushalte für 1990 in beiden Aggregationsarten vergleichend gegenüber. Die Werte der linken Spalte entsprechen denen der adjustierten Daten aus Tabelle D.7. Die Differenz der beiden Spaltensum16 Eine ausführliche Beschreibung der Güteraggregate befindet sich in Übersicht A-2 im Anhang.
138
F. Erweiterungen des EAG-Modells
men resultiert aus der Konsumsteuer, die in der ursprünglichen Input-OutputTabelle nur als Gesamtgröße ausgewiesen ist. 17 Tabelle F.3
Nachfrage der privaten Haushalte im Schema der Input-Output-Tabelle und der Ausgabenstatistik privater Haushalte (1990, in Mrd. Ft) Input-Output-Tabelle Primärindustrie Landwirtschaft Nahrungsmittelindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbestimmte Dienstlg. Nichtmarktbestimmte Dienstlg. Gesamt
57,4 134,5 225,5 76,4 59,2 86,0 0,8 336,7 279,2 1255,7
Haushaltsbudget Nahrungsmittel Genußmittel Kleidung Treibstoffe und Energie langlebige Konsumgüter sonstige Verbrauchsgüter Dienstleistungen
319,7 155,5 79,8 51,2 101,8 156,9 417,5 1282,4
Quelle: CSO (I 992a) und (I 992c), eigene Zusammenstellung.
Die Übertragung des neun Güter umfassenden Schemas der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung in das sieben Konsumgüter umfassende Schema erfolgt in dem erweiterten EAG-Modell mit Hilfe einer Koeffizientenmatrix. Diese Matrix Z, in Tabelle FA beschrieben, überträgt die Konsumgütemachfrage der privaten Haushalte in die Gleichgewichtsbedingung der Gütermärkte (siehe Abbildung F.l). Die Preise rur die von den privaten Haushalten nachgefragten Güter entsprechen den mit den jeweiligen Koeffizienten der Spalte gewichteten Preise Pi' Dabei lassen sich die Werte in Tabelle FA so interpretieren, daß bspw. ein einprozentiger Anstieg des Preises rur Agrarprodukte einen Anstieg des Preises rur Genußmittel um ca. 0,2% zur Folge hat.
17 Bei der Übertragung der Konsumsteuer im Schema der folgenden Tabelle F.2 wurden die Umsatzsteuerbefreiung für Nahrungsmittel und die ermäßigten Umsatzsteuersätze für Dienstleistungen mit berücksichtigt. Zu den unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen siehe OECD (1991), S. 156 ff.
139
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
9x7
7xI
Z-Koeffizientenmatrix der 9 Sektoren und 7 Konsumgüter
Nachfragevektor der sieben Konsumgüter
x
9xI Vektor der abgeleiteten Konsumgüternachfrage der privaten Haushalte
Quelle: In Anlehnung an Ballard el al. (\ 985), S. 80, eigene Darstellung.
Abbildung F.l Ableitung der Konsumgütemachfrage mit Hilfe der Z-Matrix Tabelle F.4 Transformationsmatrix Z zur Abbildung der Konsumgüter im Schema der Input-Output-Tabelle
rimärind. Agrarsektor Ernährgsind. rhemie iMasch.bau Verbr.güter Baugewerbe markt-DL iNichtM-DL Summe
Nahrungs- Genußmittel mittel
-
0,305 0,479
-
0,162 0,054 1,000
-
0,203 0,494
-
Kleidung
-
0,712
-
0,284 0,256 0,019 0,032 1,000 1,000
Energie
0,529
-
0,195
-
0,218 0,058 1,000
langlebige sonstige VerKonsumgüter brauchsgüter
Dienstleistungen
-
0,036
0,032
0,019 0,095 0,406 0,110
0,015 0,362 0,157 0,126
0,014 0,025
0,245 0,089 1,000
0,238 0,070 1,000
0,387 0,574 1,000
-
-
-
-
Quelle: Revesz (1993) und eigene Berechnungen.
Da die Güter der Input-Output-Tabelle zu Ab-Werk-Preisen ausgewiesen sind, dient die Transformationsmatrix Z u.a. dazu, die Handelsspanne auf die Konsumgüter zu übertragen. Die Einträge in der Zeile der marktbestimmten Dienstleistungen (markt-DL) der Matrix Z entsprechen den Handelsspannen der jeweiligen Güter, die für die Gütergruppe der Nahrungsmittel 16,2% und für Dienstleistungen 38,7% betragen. Für die Schätzung der Nachfragegleichungen wurde der Zeitraum von 1970 bis 1991 ausgewählt. Der Zeitraum von 1960 bis 1969 wurde als Datengrundlage verworfen, da für diesen Zeitraum Rationierungen oder Angebotsengpässe in den sieben Gütergruppen nicht ausgeschlossen werden können. I' 18 Zu den Problemen der Schätzung von Nachfragesystemen unter Rationierung siehe Grings (1993).
140
F. Erweiterungen des EAG-Modells
So wird in dem vorliegenden Modell angenommen, daß zu den jeweiligen Preisen ein vollständig elastisches Angebot vorlag, so daß unter Einhaltung der Budgetrestriktion jede Gütermenge nachgefragt werden konnte. Die Summe der Ausgaben der privaten Haushalte für diese sieben Gütergruppen entspricht dem verfügbaren Einkommen nach Abzug der Sparsumme. Im folgenden werden daher die Ausdrücke Einkommen und Gesamtausgaben synonym verwendet. Die mengenmäßige Nachfrage qi wird in dem LAIAIDSModell als wertrnäßige Pro-Kopf Nachfrage zu konstanten Preisen dargestellt. Die in das Nachfragemodell einfließenden Preise entsprechen daher nicht unmittelbar den erhobenen Marktpreisen sondern den impliziten Preisen. Sie sind die Quotienten aus den Ausgaben zu laufenden Preisen und diejenigen zu konstanten Preisen des Jahres 1988. Diese Vorgehensweise stellt sicher, daß für jedes Jahr die Ausgaben dem Betrag aus mengenmäßiger Nachfrage multipliziert mit den Preisen gleichen. Bei der Berechnung der Pro-Kopf Ausgaben wurde die Bevölkerungszahl am 1. Januar des jeweiligen Jahres zugrundegelegt. 19 Die Werte der Ausgabenanteile und der impliziten Preise für die sieben Gütergruppen sind in den Tabellen A-3 und A-4 im Anhang aufgeführt. Abbildung A-l im Anhang stellt den Verlauf der Ausgabenanteile der einzelnen Aggregate dar. Nachfragegleichungen des EA G-Modells
Bedingt durch die Funktionsform des geschätzten Nachfragesystems erfolgt die Darstellung der Nachfrage des privaten Haushaltes in Form von Ausgabenanteilen (KSHR k ). Dabei beschreibt der Index k, k=1, .. ,7, die relative wertrnäßige Nachfrage entsprechend der Güterabgrenzung in Tabelle F.3. Die Struktur der Gleichung, die in das EAG-Modell einfließt, entspricht Gleichung (21) und lautet wie folgt: KSHR k
, ((1 - yst)(1- spar) Y)
= kabsk + t"k1 lnP~ + &k ~
PIe
+ trendk ,l990
•
(26)
Dabei beschreibt die Variable KSHR k den Ausgabenanteil am für den Konsum bestimmten Einkommen, kabs k entspricht dem absoluten Glied des LAIAIDS, der Parameter 1tkl stellt die Kreuz- und EigenpreiskoeffIzienten und Ck den EinkommenskoeffIzienten dar. Die autonome Nachfrageentwicklung fmdet in dem letzten Term der Gleichung (26) Berücksichtigung, dabei wurde der in der ökonometrischen Schätzung ermittelte Wert des Jahres 1990 in die Gleichung aufgenommen. In der dynamischen Version des EAG-Modells wird 19
Siehe dazu CSO (l992b), S. 180.
I. Al1gemeine Erweiterungen des EAG-Model1s
141
dieser Wert fortgeschrieben. Entsprechend der Gleichung (17) ist der Preisindex unter der Annahme konstanter Ausgabenanteile KSHRO k in Gleichung (26) defmiert als 7
ln PIC = L KSHRO k ln PCk .
(27)
k=1
In der dynamischen Version des EAG-Modells fließen die Ausgabenanteile der Vorperiode als KSHRO k in die Bestimmung des Preisindexes der nächsten Periode ein. Die ökonometrische Schätzung des Nachfragesystems erfolgte auf der Grundlage einer zu der Sektorabgrenzung der Input-Output-Tabelle unterschiedlichen Defmition der Gütergruppen. Die Daten der Input-Output-Tabelle basieren auf ab-Werk-Preisen, die der Ausgabenstatistik des privaten Konsums auf der Basis von Einzelhandelspreisen. Daher werden in Gleichung (28) die Mengen der privaten Haushaltsnachfrage in das Güterschema der InputOutput-Tabelle mit Hilfe der Matrix Z und deren Parameter trans ik übertragen, um so die private Nachfrage in die jeweiligen Marktgleichgewichtsbedingungen aufnehmen zu können. 10 Neben dieser Umformung des Schemas der sieben Gütergruppen der privaten Nachfrage in das Neun-Güter-Schema des EAG-Modells erfolgt umgekehrt die Transformation der Preissignale in das Sieben-Güter-Schema. 2 \
_~
CDi-~transik k=1 9
KSHR k (1- yst)(l-spar)r PC
PCk = LtranSik P; i::;:l
k
'if k
'ifi=1, ... ,9
= 1, ... ,7
(28)
(29)
2. Dynamisierung des EAG-Modells
Das oben beschriebene Modell ist statisch. Die zeitliche Komponente spielt keine Rolle. Bei der Erweiterung des statischen Modells in ein dynamisches tritt die Frage nach der Natur der Bildung des Marktgleichgewichtes auf dem Kapitalgütermarkt auf; oder mit anderen Worten: Es wird danach gefragt, wie der Vektor der Bruttoinvestitionen zwischen den einzelnen Sektoren verteilt wird. Diese Übertragung ist in Abbildung F.! auch graphisch dargestel1t. Ein negativer Effekt dieser Form der Übertragung von Preissignalen aus dem einen Aggregationsschema in ein anderes beruht auf der Tatsache, daß die Preissignale gedämpft werden. 10 1\
142
F. Erweiterungen des EAG-Modells
Bisher wird angenommen, daß der Kapitalstock jedes Sektors gegeben ist und sich in seiner Zusammensetzung von denen anderer Sektoren unterscheidet. Die einzelnen Sektoren fragen Kapitalgüter entsprechend der Zusammensetzung ihrer Kapitalstöcke nach. Die nachgefragte Menge an Investitionsgütern hat allerdings keinen Einfluß auf die Höhe der produzierten Gütermenge. Im bisher beschriebenen Modell fmden also zwar Investitionen statt. Sie werden aber (gedanklich) erst in einer späteren, im Modell nicht mehr erfaßten Periode produktionswirksam. Ganz anders ist die Situation beim Faktor Arbeit, der als vollständig mobil angenommen wird und unmittelbar produktionswirksam ist, dessen Gesamtangebotsmenge jedoch fixiert ist. Der produktive Effekt von Investitionen in nachfolgenden Perioden soll nun in einer dynamischen Erweiterung des EAG-Modells berücksichtigt werden. Bei der Aufnahme der zeitlichen Komponente wird weiterhin angenommen, daß in einem Sektor installierte Anlagen und Maschinen teilweise wieder veräußert werden können und somit anderen Sektoren zur Ausdehnung ihrer Produktionskapazitäten zur Verfügung stehen. Trotz dieser gewissen Mobilität bereits installierter Kapitalstöcke wird auch in der dynamischen Version angenommen, daß irmerhalb einer bestimmten Periode die Kapitalbestände der einzelnen Sektoren gegeben sind. 22 Diese Annahme von Kapital als intratemporal fixem Faktor führt auch weiterhin zu verhältnismäßig steilen kurzfristigen Angebotskurven. Deren Verschiebung wird jedoch entscheidend von den Auswirkungen des technischen Fortschrittes (im Modell als exogen angenommen) und der Akkumulierung des Kapitalstocks (im Modell endogen beschrieben) bestimmt. Der technische Fortschritt wird in dem vorliegenen Modell als Hicks-neutraler technischer Fortschritt in Form einer (für jedes Jahr konstanten) Verschiebung der sektoralen Produktionsfunktion implementiert. Dabei wird der Skalenparameter ßi aus Gleichung (1) durch Multiplikation mit einer sektorspezifischen Konstante (1 +tfsy erweitert, wobei t die betreffende Periode darstellt. Für den Parameter tfsi werden die Werte 0,005 für die beiden Dienstleistungssektoren und das Baugewerbe, 0,01 für die Sektoren der Primär-, Nahrungs-, Chemie-, Maschinen- und Konsumgüterindustrie sowie 0,02 für den Agrarsektor angenommen. Diese Erweiterung des Skalenparameters ßi fließt ebenfalls in die Gleichung der Arbeitsnachfrage und der Investitionsnachfrage ein. So werden durch die Investitionsentscheidungen in Periode t die Produktionsmöglichkeiten der folgenden Perioden determiniert. Dabei stellt sich die Frage: Wie werden in einem EAG-Modell Investitionen optimal auf die verschiedenen Sektoren alloziert? 22 Die Veräußerung von gebrauchtem Kapital wirkt daher wie eine Sonderabschreibung der bestehenden Kapitalbestände am Ende einer Produktionsperiode.
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
143
In einem idealtypischen neoklassischen Modell entsprächen sich Marktpreis und Produktionskosten eines Kapitalgutes zu jedem gegebenen Zeitpunkt, die Kapitalrenditen wären in allen Sektoren gleich, und die betreffende Volkswirtschaft würde sich in vollständiger Kenntnis zukünftiger Preise entwickeln. Dieser Prozeß der intertemporalen Allokation von Kapitalgütern würde gewährleisten, daß die Produktionskosten den diskontierten Erlösen entsprechen. Im zeitlichen Ablauf würden so Sektoren, deren Produktionskosten den Marktpreis übersteigen, weniger Investitionen zufließen, um deren Produktionsmenge zu drosseln, wobei der umgekehrte Fall rur expandierende Sektoren zutrifft. In einem idealtypischen Modell dieser Art wäre der gesamte Entwicklungspfad durch alle Perioden hindurch jederzeit bekannt. Es gäbe vollkommene Voraussicht auf die Zukunft und deshalb zu keinem Zeitpunkt die Notwendigkeit, früher getroffene Entscheidungen zu revidieren. Bei der Implementierung eines solchen vollständig dynamischen Modells müßten Start- und Endpunkte exogen vorgegeben werden, d.h., der jeweilige Kapitalstock der Basisperiode als Startwert und der Kapitalstock der Endperiode als Zielwert im dynamischen Anpassungsprozeß wären von vornherein festzulegen. Diese Art der Vorgehensweise wäre insbesondere in Hinblick auf das hier betrachtete Untersuchungsobjekt, die ungarische Wirtschaft im Transformationsprozeß, als nicht angebracht zu bezeichnen, da zum jetzigen Zeitpunkt nicht einmal vage die zukünftigen Entwicklungstrends absehbar sind. Es besteht jedoch eine andere, realistischere Möglichkeit der ansatzweisen Dynamisierung des Modells durch Verwendung eines rekursiven Ansatzes. Dabei ergeben sich die Startbedingungen einer jeden Periode aus den Resultaten der vorausgegangenen Periode. Innerhalb der laufenden Periode hat das Modell dann im wesentlichen den Charakter des statischen Systems, das oben beschrieben wurde. Aufgrund der Wirtschaftsergebnisse, insbesondere der Investitionen der laufenden Periode werden dann die veränderten Startbedingungen rur die nächste Periode festgelegt. Mit einem solchen rekursiven Ansatz läßt sich der Wirtschaftsablauf dann über mehrere Perioden hinweg verfolgen. Der Grundsatz dieses rekursiven EAG-Modells geht zurück auf ein EAG-Modell, das Adelman/Robinson (1978) rur Korea entwickelt haben. Es wird weiterhin angenommen, daß innerhalb einer Periode t die Höhe der sektoralen Kapitalstöcke fixiert ist. Am Ende der Periode wird die Verteilung der Investitionen auf die einzelnen Sektoren intern in dem EAG-Modell geregelt. Der Ablauf dieses Verteilungsprozesses ist in Abbildung F.2 dargestellt. Die Teilschritte in der Periode t sind innerhalb des Rahmens dargestellt und sollen im folgenden erläutert werden. Wie in Kapitel D dargelegt, wird in dem EAG-Modell von intersektoral immobilen Kapitalstöcken ausgegangen. Deshalb wird in dem Modell keine markträumende,
F. Erweiterungen des EAG-Modells
144
gleichgewichtige Kapitalrendite bestimmt, die die Höhe der optimalen sektoralen Kapitalstöcke detenninieren könnte. Bei der Modellierung eines dynamischen Modells müssen in einem Unterschritt die eigentlichen optimalen Kapitalstöcke bestimmt werden.
exogene Bestimmung eines 0 Zinssatzes r
Isenkung von r
9-Sektoren-Modell mit gegebenen Kapitalstöcken Kj
:
Bestimmung der optimalen Kapitalstöcke KOP\ gemäß:
Bestimmung der gleichgewichtigen Arbeitsnachfrage
Übernahme des gleichgewichtigen Zinssatzes r
Periode t+1
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung F.2 Grundstruktur eines rekursiv-dynamischen EAG-Modells
Dieser Teilschritt erfolgt nach dem Abschluß der jeweiligen Produktionsperiode. Gemäß der Optimalbedingung, daß sich Faktorpreis (r·PKj ) und Wertgrenzprodukt entsprechen müssen, lassen sich die optimalen Kapitalstöcke ermitteln, wenn zunächst ein Startwert für den gesamtwirtschaftlichen Zinssatz r (der dann iterativ anzupassen ist) vorgegeben wird. Sektoren, deren optimaler Kapitalstock größer ist als der gegebene, sind potentielle Empfanger von Investitionen. Umgekehrt werden bei Sektoren, deren gegebener Kapitalstock größer ist als der optimale, die Nettoinvestitionen DKj gleich Null gesetzt.
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
145
Neben der Bestimmung der optimalen Kapitalstöcke und der Ableitung der jeweiligen Investitionsnachfrage muß jedoch in einem Allgemeinen Gleichgewichtsmodell die makroökonomische Identität der Summe der Investitionsausgaben und der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme gewährleistet sein. Dies wird durch iterative Anpassung des gesamtwirtschaftlichen Zinssatzes r herbeigeführt. In dem Modell wird die Summe aller Investitionsausgaben mit der Höhe der gesamten Sparsumme, die bei der hier gewählten Modellformulierung unabhängig von der Höhe des durchschnittlichen Zinssatzes ist, verglichen. Falls die Investitionsausgaben größer sind als die Sparsumme, wird der Zinssatz r angehoben. Bei einer Nichtausschöpfung der gesamten Sparsumme erfolgt eine Senkung des durchschnittlichen Zinssatzes r. Diese Teilschritte werden solange durchlaufen, bis sich die Werte der gesamtwirtschaftlichen Investitionen und Sparsumme entsprechen. Die sektoralen Kapitalstöcke der Periode t werden um die jeweiligen Netto-Investitionen (nach Abzug der Abschreibungen) erhöht und ergeben so die Kapitalstöcke der Periode t+ 1. Sektoren, denen in der Periode t keine Investitionen zuflossen, produzieren in der folgenden Periode mit ihren um die Abschreibungen verminderten Kapitalstöcken. Abbildung F.3 veranschaulicht diesen Prozeß am Beispiel dreier Sektoren. 23 Bei gegebenen Kapitalstöcken weisen die Sektoren A, Bund C unterschiedliche Kapitalrenditen KR A , KR B und KR e auf. Die Höhe der optimalen Kapitalstöcke liegt in der Abbildung im Schnittpunkt der gestrichelten Linie, die dem Niveau des gesamtwirtschaftlichen Zinssatzes r entspricht, und der jeweiligen sektoralen Wertgrenzproduktkurven. In diesem Beispiel sind die Kapitalrenditen der Sektoren B und C größer als die gesamtwirtschaftliche Kapitalrendite r. Beide Sektoren weisen optimale Kapitalstöcke auf, die größer sind als die aktuellen. Anders in Sektor A. Mit einer unterdurchschnittlichen Rendite liegt hier der Wert des optimalen Kapitalstocks unterhalb des aktuellen. Die Summe aus (KBoPt_ K B )·PKB + (Keopt_ Ke ).pKe entspräche im vorliegenden Fall der Höhe der gesamtwirtschaftlichen Investitionsausgaben. Im anschließenden iterativen Prozeß wird der Wert der durchschnittlichen Rendite r solange angepaßt, bis sich Investitionsausgaben und Sparsumme entsprechenY
23 Die sektorspezifischen Preise der Kapitalgüter bleiben bei dieser graphischen Darstellung aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. 2< In der Periode t+ 1 beginnt der iterative Prozeß mit einem Startwert flir r, der der gleichgewichtigen Kapitalrendite in t entsprach.
10 Banse
146
F. Erweiterungen des EAG-Modells
SektorA
SektorB
SektorC
Quelle: Eigene Darstellung.
Abbildung F.3 Beispiel der Allokation der Investitionen auf verschiedene Sektoren
Im folgenden sollen die Gleichungen der dynamischen Modellkomponenten beschrieben werden. Wenn nicht anders erwähnt, bleiben alle anderen Modellgleichungen von der Dynamisierung des EAG-Modells unberührt und entsprechen der Darstellung in den Übersichten E.2 bis E.5 in Kapitel E. In der bisherigen Version des vorliegenden Modells wurde die wertmäßige Kapitalgüternachfrage entsprechend den Anteilen '1/ in der Basisperiode auf die einzelnen Sektoren verteilt.
PK, DK = 'l/j INVEST. j
Aus dieser fixierten Aufteilung der gesamten Investitionssumme (= Sparsumme) wurde mittels einer Investitionsmatrix der Vektor der Bruttoinvestitionen ID abgeleitet.
IDj
= l)matij DKj
•
j
Ziel der Dynamisierung des EAG-Modells ist die endogene Bestimmung der Anteilsparameter '1/. Gemäß Abschnitt E.1 wird in der vorliegenden Arbeit eine CES-Funktion bei der Beschreibung der sektoralen Produktionsfunktionen angenommen. Die Produktionsmenge X; wird durch die Faktoreinsatzmengen Li und Ki bestimmt. Wie bereits erwähnt, ist die Einsatzmenge an Kapital gegeben. Intersektoral mobil ist dagegen der Faktor Arbeit, der so
1. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
147
lange zwischen den einzelnen Sektoren ausgetauscht wird, bis sich sektorale Wertgrenzprodukte und Lohnsatz entsprechen. Die sektorale Produktionsfunktion und die Bedingung erster Ordnung für die Nachfrage nach Arbeitskräften lauten daher wie folgt: 25 Xi
=.4 (ai Li-p, + (1- a i ) Ki
a· X ) wdist i W = -;- ( - '
.4
Li
-pI;' I
I+P'
. PVA i •
Beide Gleichungen bestimmen die optimale Einsatzmenge an Arbeitskräften und den marktgleichgewichtigen Lohnsatz bei einem gegebenen Gesamtarbeitsangebot. Aus der folgenden Gleichung läßt sich unter Einbeziehung der gegebenen optimalen Arbeitseinsatz- und Produktionsmenge die Höhe des optimalen Kapitalstocks bestimmen, wobei diese optimale Kapitaleinsatzmenge keine Auswirkungen auf die Höhe der Produktionsmenge in der laufenden Periode hat. Da die simultane Bestimmung des optimalen Outputs bei Variation der Arbeitseinsatzmenge und gegebenem Kapitalstock und die Bestimmung eines optimalen Kapitalstocks bei gegebener Produktionsmenge nicht möglich sind, wurde in der folgenden Gleichung die Produktionsmenge X; und der Wertschöpfungspreis PVA i der Vorperiode eingesetzt. Diese Vorgehensweise unterstellt bei den Produzenten myopische Erwartungen hinsichtlich der Produktionsmenge und des Netto-Güterpreises PVA i• Auf der Seite der Kapitalkosten r . PKi hingegen werden die in der jeweiligen Periode bestimmten Größen angewandt. Bei der Darstellung in Abbildung F.3 bestimmt der relative Abstand zwischen dem Wert der durchschnittlichen Rendite r und den jeweiligen sektoralen Kapitalrenditen die Höhe der Investitionen in den einzelnen Wirtschaftsbereichen. Bei der Implementierung des Allokationsalgorithmus in das EAGModell werden jedoch - entsprechend den sektoralen Lohndifferenzen wdisti bei der Arbeitsnachfrage - sektorale Renditedifferenzen rdisti bei der Berechnung der Investitionsnachfrage in den einzelnen Sektoren mit einbezogen. 26 Entsprechend der Bedingung erster Ordnung muß daher für die Höhe des optimalen Kapitalstocks folgende Gleichung gelten:
25 Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird auf die oben erwähnte Erweiterung des Skalenparameters Pi um die Komponente (1 + tfs;)' in der Darstellung folgender Gleichungen dieses Abschnitts verzichtet. Bei der Implementierung der Gleichungen in das EAG-Modell werden diese Parameter mit aufgenommen. 26 Die Werte der Parameter rdis(i und deren Herleitung werden in Abschnitt G.II.2. erläutert.
10*
148
F. Erweiterungen des EAG-Modells
l-a. -Xi Jl+ P' - rdist,,·r·PKi = - - ' (- ·PNVAi, RP, K~PI Pi
,
wobei die Variable PNVA i den Preis der Nettowertschöpfung in Sektor i in der Vorperiode beschreibt, d.h. unter Abzug der Abschreibungen. Bei der Bestimmung des optimalen Kapitalstocks sollen neben der Höhe des gesamtwirtschaftlichen Zinssatzes r sowie des Niveauparameters rdist j auch die Einflüsse der sektorspezifischen Zusammensetzung des Kapitalstocks zur Geltung kommen. Bei intersektoral unterschiedlichem Aufbau des Kapitalstocks wirken somit mögliche Unterschiede in der Entwicklung der Endnachfragepreise P j auf die Höhe der optimalen Kapitalstöcke. Die Höhe des optimalen Kapitalstocks K"pt läßt sich aus der oberen Gleichung bei einem gegebenen Zinssatz r und gegebenen sektorspezifischen Preisen der Kapitalgüternachfrage PKj durch einfache Umformung berechnen. Die Investitionsnachfrage wird, wie in Abbildung F.3 beschrieben, als Differenz aus dem gegebenen (Netto-)Kapitalstock K j und dem optimalen Kapitalstock KjOpt ermittelt, so daß die sektoralen Investitionsausgaben Zj wie folgt lauten:
Bei der bisherigen Darstellung der Verteilung der Investitionen auf die einzelnen Sektoren blieben Desinvestitionen der einzelnen Sektoren unberücksichtigt. So fließen Sektoren deren optimaler Kapitalstock kleiner ist als der gegebene keine Investitionen zu. Der Kapitalstock dieser Sektoren mit unterdurchschnittlichen Kapitalrenditen bleibt bis auf die Abschreibungen unverändert. Hingegen werden Sektoren mit überdurchschnittlichen Kapitalrenditen Finanzmittel rur neue Investitionen anziehen. Für diese Sektoren liegen dementsprechend positive Werte rur Zj vor. Bei einem gegebenen Zins r wird die Summe der positiven Z-Werte (gewünschte wertmäßige Kapitalgüternachfrage) mit dem zur Verfiigung stehenden Betrag der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme verglichen. In einem iterativen Prozeß wird der Wert r so lange angepaßt, bis sich die geplanten Investitionsausgaben und die gesamtwirtschaftliche Sparsumme der Vorperiode entsprechenY Aus so bestimmten realen Investitionen DKj werden anschließend die sektoralen Anteile an den gesamten Investitionen \Vi bestimmt. Diese endogen ermittelten Parameter
27 Der Iterationsprozeß bricht ab, wenn die Differenz kleiner ist als 0,01 % der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme,
1. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
149
fließen in die folgende Periode t+ 1 ein und bestimmen die Verteilung der Gesamtinvestitionen. 28 Die den jeweiligen Sektoren zufließenden realen Investitionen DKj sind jedoch erst mit einer einperiodischen Verzögerung produktionswirksam. Die gesamtwirtschaftliche Kapitalakkumulation läßt sich daher wie folgt beschreiben:
Der Kapitalstock einer Periode t (Kj •t ) wird durch den Nettokapitalstock der Vorperiode und durch die Investitionen der Vorperiode bestimmt. Dabei beschreibt der Parameter afa j die Abschreibungsrate in Sektor i. Die gesamtwirtschaftliche "Dynamik" eines so defmierten Modells wird durch die (exogen) festgelegte Sparquote der privaten Haushalte, das Sparvolumen der Unternehmen, das staatliche Budgetdeftzit und durch den Leistungsbilanzsaldo determiniert. Die Expansion von Branchen mit überdurchschnittlichen Kapitalrenditen ist durch diese gesamtwirtschaftliche Sparsumme begrenzt und in ihrer sektoralen Ausprägung durch die jeweiligen sektoralen Wertgrenzprodukte geprägt. Ein solcher Modellansatz trägt jedoch der gegenwärtigen Transformation der ungarischen Volkswirtschaft nur sehr eingeschränkt Rechnung. Um mehr über die rapiden sektoralen Anpassungsprozesse aussagen zu können, wurde in die dynamische Version des EAGModells eine gewisse Kapitalmobilität zwischen Sektoren eingeführt, die es den einzelnen Sektoren erlaubt, schneller zu expandieren bzw. Produktionskapazitäten abzubauen. Dieser Ansatz geht auf ein EAG-Modell von Burniaux et al. (1992) zurück. Dazu wurden die sektoralen Kapitalstöcke in einen veräußerlichen und einen unveräußerlichen Teil aufgeteilt (siehe Tabelle F.5). So kann der Kapitalstock eines jeden Sektors über die sektorspeziftschen Abschreibungsraten hinaus abgebaut werden, indem das mobile Kapital als veräußerliches Kapital auf einem "Gebrauchtkapitalmarkt" verkauft wird. Gleichzeitig können jene Sektoren, die das Kapital erwerben, schneller ihre Produktionskapazitäten ausweiten, als das durch die gesamtwirtschaftliche Ersparnis vorgegeben ist. 21 Dabei hat sich gezeigt, daß die ausschließliche Einbeziehung der Verteilungsparameter 1/1; des vorherigen Teilschrittes zu großen Schwankungen in der darauffolgenden Periode fUhrt. Aus diesem Grund werden in der dynamischen Version zur Glättung dieser Schwankungen nicht nur die Verteilungsparameter des vorherigen Teilschrittes mit einbezogen, sondern mit einer abnehmenden Gewichtung auch die Verteilungsparameter der Perioden 1-1, 1-2 und 1-3 berücksichtigt.
150
F. Erweiterungen des EAG-Modells
Tabelle F.5 Aufteilung der sektoralen Kapitalstöcke in veräußerliches und unveräußerliches Kapital Zusammensetzung Kapitalstock (in Mrd. Ft) veräußerlicher Teil a) unveräußerlicher Teil a) (5,0) (95,0) Schwerindustrie 595,19 29,8 565,4 (20,0) (80,0) Landwirtschaft 515,34 103,1 412,3 (84,8) Nahrungsmittelindustrie 164,37 25,0 (15,2) 139,4 (5,1) (94,9) Chemie 204,48 10,4 194,0 (14,5) (85,5) Maschinenbau 219,76 31,9 187,9 Konsumgüterindustrie 21,3 (15,4) 116,9 (84,6) 138,16 63,4 (84,7) (15,3) Bauleistungen 74,84 11,5 (65,0) 951,7 Marktbest. DL 1464,12 512,4 (35,0) (75,0) 576,4 Nichtrnarktbest. DL 192,1 (25,0) 768,58 3207,4 (77,4) (22,6) Summe 4144,84 937,5 a) Werte in Klammern geben den prozentualen Anteil wieder. Quelle: CSO (I 992a) und (I 992c), eigene Berechnungen.
Die Aufteilung des Kapitalstocks in einen verkäuflichen und einen unverkäuflichen Teil wurde abweichend von der herkömmlichen Definition von mobilem und immobilem Kapital getroffen. Als veräußerliches Kapital gilt insbesondere der Bestand an Gebäuden, der vor allem im Dienstleistungsbereich einen großen Anteil am Kapitalstock hat. Dagegen wurde angenommen, daß der z.T. stark veraltete Bestand an Anlagen- und Maschinenvermögen unveräußerlich ist. Die Neuinvestitionen DK und das mobile gebrauchte Kapital werden als homogen angesehen. Die Konsequenz ist, daß in schrumpfenden Sektoren kein Kapital akkumuliert wird, daß aber die Produktivität des gebrauchten mobilen Kapitals durch intersektoralen Transfer erhöht wird. Die sektorale Kapitalakkumulation wird somit bestimmt durch K i•t = (1 - afaJ K i•t - 1 + DKi•t _1 -
L'li.t-l,
wobei L'lj.t_l das in der Vorperiode t-l veräußerte Gebrauchtkapital des Sektors i beschreibt. Diese Form der "Sonderabschreibung" des Kapitalbestandes erhöht den Betrag der gesamtwirtschaftlichen Abschreibung und somit die gesamtwirtschaftliche Sparsumme. Das in der Periode t veräußerte Gebrauchtkapital steht dem verkaufenden Sektor in der Periode t noch zur Verrugung und mindert erst in der Folgeperiode das sektorale Produktionspotential. Ebenso wirkt sich die Erhöhung des Kapitalstockes auf der Seite der Gebrauchtkapitalkäufer erst in der Folgeperiode produktionssteigernd aus. Das Angebot an Gebrauchtkapital des Sektors i, L'lj, wird durch die Relation von sektoraler Kapitalrendite KR i zu dem mit dem sektorspezifischen Parame-
I. Allgemeine Erweiterungen des EAG-Modells
151
ter rdistj adjustierten Zinssatz r bestimmt und durch folgende Angebotsfunktion defmiert: (30)
1
1
flirK,"P'>K,
RR= , _KR _i_< 1 flirK.°P' -
Emährungsindustric
--e- Konsumgüter ____ Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.2 Entwicklung der sektoralen Produktion während des Basislaufes (1990 = 100)
Nach Periode 1 sinkt das Angebot an Bauleistungen kurzfristig ab, um anschließend bis Periode 5 eine Verdopplung des Produktionsniveaus gegenüber 1990 aufzuweisen. Der kurzfristige Rückgang des Angebotes an Bauleistungen ist auf einen starken Anstieg von Investitionen in der Primärindustrie und im Agrarsektor sowie auf einen Rückgang in den Dienstleistungssektoren zurückzuführen. Tabelle D.8 weist für die beiden erstgenannten Bereiche nur geringe Anteile der Bauleistungen an der sektoralen Kapitalgüternachfrage aus, wohingegen der überwiegende Anteil der Kapitalgüternachfrage in den Dienstleistungsbranchen auf Bauleistungen entfallt. Die einzelnen Sektoren lassen sich hinsichtlich der Entwicklung der Nachfrage in drei Bereiche gliedern: In den ersten Bereich fallen Sektoren mit hohem Anteil am Kapitalgüterangebot (Primärindustrie, Maschinenbau und Bauleistungen). Diese Branchen verzeichnen, wenn auch großen Schwankungen unterliegend, insgesamt eine steigende Nachfrage. Der zweite Bereich betrifft Güter, die relativ hohe Einkommenselastizitäten der privaten Nach-
I. Basislauf
177
frage aufweisen (chemische Erzeugnisse, Konsumgüter und marktbestimmte Dienstleistungen). Die Nachfrage nach diesen Gütern steigt infolge des gestiegenen Einkommens der privaten Haushalte. Als dritter Bereich sind Güter mit relativ geringen Einkommenselastizitäten zu nennen, wie die Erzeugnisse der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie. 13 Die beiden letztgenannten Branchen weisen dementsprechend eine nur geringe Steigerung gegenüber dem Basisjahr 1990 auf. Jedoch ist dabei zu berücksichtigen, daß beide Sektoren in dem Vorlaufszenario sowohl auf der Produktions- als auch auf der Nachfrageseite die größten Rückgänge zu verzeichnen haben. 260 , -________, -____________________________________________, 240+---------+---------------------~~~~r_------------~~
220+-________+-____________~~----------------------------~ 200+-________+-~--~~L-----------------------------------~ 180+-____~~------------------------------~~~~~~
14°tE~~~
120
100
80~~~3E~~~~~~~~~~~~~~~~~~~ '90 '91 '92 '93 '94 1
2
3
4
5
6
7
8
9
10 II 12 I3 14 15 16 17 18 19 20
_
Primärindustrie Chemie
-+- Landwirtschaft ___ Maschinenbau
-G- Ernährungsindustrie ___ KonsumgOler
......&-
Baugewerbe
......... Markt-Dienstleistungen
___ Nichtrnarkt-Dienstlstg .
-EI-
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.3 Entwicklung der Nachfrage während des Basislaufes (1990 = 100)
Die schwankende Nachfrage in den Sektoren, die Kapitalgüter produzieren, wie die Primärindustrie, der Maschinenbau und das Baugewerbe, ist in erster Linie durch die von Jahr zu Jahr variierende Kapitalgüternachfrage einzelner Branchen bestimmt (siehe Abbildung G.3).14
13 Wobei Nahrungsmittel in der Aufteilung entsprechend der LA/AIDS-Nachfragegleichungen eine nur geringe absolute Einkommenselastizität aufweisen. Die ebenfalls von der Ernährungsindustrie produzierten Genußmittel hingegen zeichnen sich durch eine sehr hohe absolute Einkommenselastizität aus. 14 Die Entwicklung der Kapitalstöcke wird am Ende dieses Abschnitts erläutert. 12 Banse
G. Szenarioanalyse
178
Die Entwicklung der ungarischen Ausfuhren (siehe Abbildung GA) ist zwischen 1990 und 1994 durch die starke Aufwertung des realen Wechselkurses geprägt. Hiervon sind im besonderen Maße die Branchen der Chemie-, Konsumgüter- und Primärindustrie betroffen. Die Agrar- und die Nahrungsmittelexporte sinken infolge des Abbaus der Exportsubventionen in den Vorlaufperioden besonders stark. Dabei verstärkt die gleichzeitige Wechselkursaufwertung den Rückgang in den Agrarexporten zusätzlich. 180,-________, -________________________________________- - .
+-______________________________
160+-________
~~--~~~
140+-______~--------------~~~~~~~~~~==~
80+-~~~--~~~L-------------~~~=---------------~
40+-____~~~__~~----------------------------------~ 20~~~~~~~7_~~~-L~~~~~~~~~~~-L-L-L~
'90 '91 '92 '93 '94 1
2
3
4
5
6
7
8
-E3-
Primärindustrie
-+- Landwirtschaft
~
Chemie Baugewerbe
___ Maschinenbau
-6-
-V-
9
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Markt-Dienstleistungen
-e- Ernährungsindustrie -lBI-
Konsumgüter
-I-
Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.4 Entwicklung der Exporte während des Basislaufes (\ 990 = 100)
Die Höhe des Rückganges der Ausfuhren wird neben den erwähnten Exportanteilen am Produktionsvolumen durch die Aufwertung des Forints und durch die Änderung des Preises auf dem Inlandsmarkt PD bestimmt (siehe dazu Abschnitt E.VI). Aufgrund der Annahme des kleinen Landes mit gegebenen Weltmarktpreisen vermindert sich der Exportpreis im Zeitraum von 1990 bis 1994 bei allen Sektoren um die Höhe der nominalen Aufwertung um 17,1%. Je nach Höhe der sektoralen Exportanteile und der Transformationselastizität löst das Absinken des Exportpreises eine Verlagerung der Produzenten auf die inländischen Märkte aus. Dieser Prozeß wird jedoch durch die billiger gewordenen Importe begrenzt.
I. Basislauf
179
Der Anstieg der Maschinenexporte im Jahr 1992 ist durch einen Rückgang des heimischen Preises (siehe Abbildung A -12 im Anhang) bei gleichzeitig geringerem Absinken des Exportpreises zu erklären. Auffällig ist jedoch im weiteren Verlauf des Basisszenarios, daß die Exporte der Landwirtschaft und der Ernährungsindustrie auf dem niedrigen Niveau bleiben, die Ausfuhren der anderen Branchen hingegen bis auf den Bereich der Konsumgüterindustrie über das Ausgangsniveau von 1990 ansteigen. Tabelle G.4 weist nach einem Rückgang während des Vorlaufszenarios ftir die Chemieexporte und die Ausfuhren der Primärindustrie einen kontinuierlichen Anstieg mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 5,1% bzw. 4,1% aus. Die Entwicklung im Handel mit Agrargütern ist von einem starken Anstieg der Importe zwischen 1990 und 1994 gekennzeichnet. In den Perioden 1-20 folgen die Zunahmen bei den Agrareinfuhren einem im Vergleich zu anderen Sektoren unterdurchschnittlichen Verlauf. Auf der Seite der Exporte weist die Ernährungsindustrie zwischen Periode I und 20 Steigerungsraten von 1,6% p.a. auf. Der landwirtschaftliche Sektor steigert seine Ausfuhren - nach einem Rückgang zwischen 1990 und 1994 - im weiteren Verlauf des Szenarios um durchschnittlich 2,0% p.a. Dabei erhebt sich die Frage, wodurch der sektoral unterschiedliche Verlauf der Exporte zu erklären ist. Tabelle G.4 Änderung der Exporte und der Importe im Basislauf in % p.a.
Exporte
Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. Nichtrnarktbest. Dienstlg.
Importe
1990 - 1994 1994 - Periode 20 1990 - 1994
-10,4 -16,1 -20,7 -7,2 -2,9 -12,6 2,2 -2,8 -2,2
5,1 2,0 1,6 4,1 3,2 2,6 1,2 1,4 0,8
4,1 3,8 5,4 1,4 9,9 1,6 25,2 2,4 4,1
1994 - Periode 20
1,5 1,2 1,3 1,1 1,2 1,8 1,0 1,7 1,6
Quelle: Eigene Berechnungen.
Um diese Frage zu beantworten, muß die Entwicklung der Preise heimisch angebotener Waren PD und ftir den Export bestimmter Waren PE in die Betrachtung einbezogen werden. Gemäß Gleichung (15) in Übersicht E.2 bestimmt das Preisverhältnis PE/PD die Relation von Exporten und heimischem Angebot. Bei der Betrachtung der Entwicklung von Angebot und Nachfrage in der Primärindustrie zeichnet sich dieser Sektor in den Perioden 1 12*
G. Szenario analyse
180
bis 20, gegenüber der relativen Änderung der Nachfrage von 2,0% p.a., durch eine höhere jährliche Steigerungsrate der Produktion (2,5%) aus (siehe Tabelle G.3). Diese Entwicklung führt im Inland zu einem Rückgang des heimischen Güterpreises für Erzeugnisse der Primärindustrie um 1,3% p.a. (siehe Tabelle G.5). Die rückläufige Preisentwicklung auf dem Inlandsmarkt und die leichte Abwertungstendenz zwischen den Perioden 1 und 20 führen zu einem relativ hohen Anstieg der Ausfuhren bzw. zu einer relativ geringen Steigung von Einfuhren von Produktion in der Primärindustrie. 350 300
250 200
150 100
50
/
/
A
~
~~
~
-=-
~
--
-=
=-=
------
--
~-
~
'90 '91 '92 '93 '94 1
2
-e- Prirnärindustrie
-a- Chemie -6-
Baugewerbe
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
-+- Landwirtschaft ___ Maschinenbau --9-
Markt-Dienstleistungen
Ernährungsindustrie ___ Konsumgüter
-E>-
___ Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.5 Entwicklung der Importe während des Basislaufes (1990 = 100) Die übrigen Sektoren weisen für die Entwicklung der Importe einen ähnlichen Verlauf auf, jedoch mit relativ hohen Steigerungen, die in der Periode 20 gegenüber 1990 zwischen ca. 31 % in der Chemieindustrie und 85% in der Maschinenbauindustrie betragen. Die Ursache dieser hohen Zunahmen in den Einfuhren ist durch die Aufnahme des exogenen technischen Fortschrittes bedingt. Der technische Fortschritt bewirkt ein Wachstum des gesamten Volkseinkommens, wobei die dadurch gestiegene Nachfrage nur z.T. aus heimischer Produktion befriedigt wird. Den hohen prozentualen Änderungen im Außenhandel mit Bauleistungen liegen aufgrund der geringfügigen Außenhandelstätigkeit dieser Branche nur kleine absolute Werte zugrunde. 15
181
I. Basislauf
Abbildung G.6 beschreibt die Arbeitsnachfrage der einzelnen Sektoren. Dabei zeichnen sich die beiden Dienstleistungsbereiche nach einem Rückgang im Bereich der marktbestimmten Dienstleistungen bis Periode 2 und einem Wiederanstieg bis Periode 8 durch eine nahezu konstante Arbeitsnachfrage über den restlichen Zeitraum aus. 200
180 160 140 120 100 80 60 40
I /
f
/ ~ =-= ~
/~ ~
~
~
~ ~
=-=
~
~
=--
~
=-=
~
-s-
~
90 91 92 93 94 I
~
2
--s- Primärindustrie --Ho- Chemie --6- Baugewerbe
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
-+- Landwirtschaft ___ Maschinenbau --9-
Markt-Dienstleistungen
--a- Emähnmgsindustrie -e- Konsumgüter
-I-
Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.6 Entwicklung des Arbeitseinsatzes während des Basislaufes (1990 = 100)
Die Arbeitsnachfrage im Baugewerbe, die stark schwankt, verläuft in etwa parallel zu der Entwicklung der Produktion. Alle übrigen Branchen reduzieren ihre Arbeitsnachfrage. Dabei sinkt der Arbeitseinsatz in der Konsumgüterindustrie um ca. 25% gegenüber 1990, wohingegen die übrigen Bereiche, bedingt durch die Lohnsteigerung von ca. 78% zwischen 1990 und der Periode 20, ihre Arbeitsnachfrage noch weiter einschränken.
15 So lag der Wert der Importe an Bauleistungen 1990 bei 4,4 Mrd. Ft bei einer Gesamtnachfrage von 277,3 Mrd. Ft (siehe Tabellen A-1 und A-2 im Anhang). Bedingt durch die Aufwertung und die Steigerung des inländischen Preises PD für Bauleistungen (siehe Tabelle G.5) steigen die Importe stärker als die Gesamtnachfrage dieser Warengruppe.
G. Szenarioanalyse
182
Aufgrund des starken Anstiegs des Lohnsatzes kommt es in vielen Branchen zu Substitutionsreaktionen in der Zusammensetzung der Faktornachfrage. Nur in den Dienstleistungsbereichen und im Baugewerbe kommt es zu einem Anstieg sowohl der Beschäftigung als auch des Kapitaleinsatzes. 800,-________,-____________________________________________-, 700+----------r------------------------------~~~~~~~~ 600+---------1-----------------------~~~------~~-------1
500+---------1-----------------~~----_.~------------~~~
400+---------1-----------__6---~~--------~z_~~~~~--_1
O~~~L_~~_L~~_J~L-L-J-J--L-L~~~L-~~-L~~~--LJ
'90 '91 '92 '93 '94 I
2
--E>- Primärindustrie -H- Chemie -6-
Baugewerbe
3
4
5
6
7
8
9
-+- Landwirtschaft
___ Maschinenbau --9-
Markt-Dienstleistungen
10 11
12 13 14 15 16 17 18
19 20
-e- Ernährungsindustrie -H-
Konsumgüter
--.- N ichtrnarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.7 Entwicklung der Kapitalstöcke während des Basislaufes (1990 = 100)
In der folgenden Tabelle G.5 sind die Änderungen der Verbraucherpreise und der Preise heimisch erzeugter Güter dargestellt. Bedingt durch die Aufwertung ist der Wert der jährlichen Änderung der Verbraucherpreise bei allen Gütern kleiner als die Änderungsrate der Preise heimischer Güter. Der Abstand zwischen Verbraucherpreis und heimischem Angebotspreis ist ein Indikator fiir die Bedeutung des Außenhandels bei den einzelnen Gütergruppen. Beim Verlauf der Verbraucherpreise in den einzelnen Sektoren sind drei Gütergruppen zu identifIzieren: Der ersten Gruppe sind die nichtmarktbestimmten Dienstleistungen mit einem jährlichen Anstieg von 0,9% p.a. zuzurechnen. Der kontinuierliche Anstieg in der Nachfrage (siehe Abbildung G.3) ist durch den vollkommen preisunelastischen staatlichen Konsum bedingt, der entsprechend dem Wachstum des BIP kontinuierlich zunimmt. Der zweiten Gruppe lassen sich Güter mit ansteigenden Verbraucherpreisen zuordnen. Die Preise dieser Güter steigen ca. 10% über das Niveau des Aus-
1. Basislauf
183
gangswertes. Zu dieser Gruppe gehören die marktbestimmten Dienstleistungen, die Bauleistungen und die Nahrungsmittel. Die dritte Gruppe enthält Güter, deren Preise im Verlauf bis Periode 20 unter das Niveau von 1990 fallen. In diese Gruppe fallen neben Produkten der Konsumgüterindustrie bei Erzeugnisse der Maschinenbau-, Primär- und Chemieindustrie, deren Verbraucherpreise um 6% (Konsumgüterindustrie) bis 18% (Chemieindustrie) fallen. Tabelle G.5
Änderung des Verbraucherpreises und des heimischen Preises PD in % p.a.
Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie. Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. Nichtmarktbest. Dienstlg.
Verbraucherpreis 1990 - 1994 1994 - Periode 20 -0,9 -0,4 -0,1 0,9 0,1 1,4 -2,9 -0,5 -0,3 -2,4 -0, I -1,2 2,2 0,1 0,4 0,4 1,4 0,9
heimischer Preis (PD) 1990 - 1994 1994 - Periode 20 1,3 -1,3 1,0 -0,1 2,1 0,0 -2, I -0,7 -0,2 -0,6 -0,1 -0,2 2,3 0,1 0,6 0,4 1,5 0,9
Quelle: Eigene Berechnungen.
Die Verbraucherpreise werden durch die Gewichtung des Preises inländischer Güter PD und der Einfuhrpreise PM mit ihren jeweiligen Anteilen an der Gesamtnachfrage bestimmt. Verbraucherpreise von Waren mit geringen Importanteilen (Dienstleistungen, Baugewerbe und Landwirtschaft) sind daher zum überwiegenden Teil von der Entwicklung des Preises PD abhängig. Substitutionsvorgänge bei den genannten Gütern finden zwar statt und bewirken sehr hohe relative Steigerungen der Importe (siehe Abbildung G.5), diese können jedoch nur begrenzt den Anstieg der Verbraucherpreise dämpfen. Das Ausmaß der Substitutionsreaktion und dessen Einfluß auf das Verbraucherpreisniveau werden durch die Importsubstitutionselastizitäten (siehe Abschnitt E.IX.1.b» determiniert.
184
G. Szenarioanalyse
130~
120
________. -________________________________________- - .
1-______~--------------------~__Z=~~~~------~
1l0+-~~~~~~~~
____________________________
~~~~
80~~__L-L-~~~~-L-L-L~~~~L-L-L-~~~~-L-L~~
'90 '91 '92 '93 '94 1
2
~ Prim~ndustric
3
4
5
6
7
8
9 10 II 12 13 14 15 16 17 18 19 20
-+- Landwirtschaft
-H-- Chemie
_
Maschinenbau
- ö - Baugewerbe
-9- Markt~Djenstleistungen
--G- Ernahrungsindustrie -H- KonsumgDter
___ Nichtmarkt-Dienstleistg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.8 Entwicklung der Verbraucherpreise während des Basislaufes (1990 = 100)
Im bisherigen Verlauf der Analyse des Basislaufes lag der Blickpunkt auf dem Vergleich der Änderung von sektoraler Produktion, Nachfrage und den Preisen während des Vorlaufszenarios und der folgenden 20 Perioden des Basislaufes. Die Analyse der Dynamik der erweiterten komparativ-statischen Version trat dabei in den Hintergrund. Im folgenden soll jedoch die Funktionsweise des rekursiv-dynamischen EAG-Modells im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Da der treibende Mechanismus der dynamischen Version für alle Sektoren gleich ist, soll die Entwicklung des Faktoreinsatzes und seiner hauptsächlichen Determinanten hier am Beispiel nur eines Sektors, nämlich der Ernährungsindustrie, dargelegt werden. Die Entwicklung der Kenngrößen ist in Abbildung G.9 abzulesen. Die Produktion dieses Sektors sinkt während des Vorlaufszenarios um ca. 26% gegenüber dem Ausgangsniveau. Der folgende Verlauf der Produktion in der dynamischen Phase ist durch einen nahe~ konstanten Anstieg von 1,4% p.a. gekennzeichnet.
185
I. Basislauf
200~--------'-----------~~=9~~~--__________________,
150+---------t--,~------------------------------~~==~~
O~~~~~~7_7-~~~~_7~~~~~~~~~~~~~--w '90 '91 '92 '93 '94 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
-e- Arbeitseinsatz -H-
Kapitalrendite
-+- Kapitalbestand ......... Produktion
-€>-
Wertschöpfungspreis
Quelle: Eigene Berechnungen .
Abbildung G.9 Entwicklung der Produktion und des Faktoreinsatzes in der Ernährungsindustrie während des Basislaufes (1990 = 100)
Bei der Beurteilung der jährlichen Steigerung der Produktion muß einbezogen werden, daß in dieser Branche die autonome Steigerung infolge des technischen Fortschritts 1% p.a. beträgt. Diesem stetigen Wachstum der Nahrungsrnittelproduktion stehen jedoch gegenläufige Entwicklungen in der Faktomachfrage gegenüber. Die Entwicklung des Faktoreinsatzverhältnisses in der Ernährungsindustrie wird im EAG-Modell durch die Substitutionselastizität zwischen Arbeit und Kapital determiniert. Im vorliegenden Modell beträgt der Wert in der Ernährungsindustrie 0,8 (siehe Tabelle D.2), wodurch dieser Sektor nur relativ inflexibel auf steigende Löhne reagieren kann, um Arbeitskräfte freizusetzen bzw. durch Kapital in Form von Investitionen zu substituieren. Die starke Zunahme des Kapitalstocks in den Jahren zwischen 1992 und 1994 und in dem darauf folgenden Zeitraum ist von einem Rückgang der Kapitalrenditen auf ca. 1/3 des Niveaus von 1990 begleitet. Dabei sei erwähnt, daß der Anstieg des Kapitalstocks zwischen 1990 und 1994 exogen vorgegeben ist. Der fortgesetzte Anstieg bis Periode 8 ist jedoch von einem nahezu unveränderten Arbeitseinsatz begleitet. Erst die rückläufige Entwicklung des Kapitalstocks zwischen Periode 8 und 18 bewirkt einen leichten Anstieg in der Beschäftigung von ca. 5% während dieser Perioden. Diese positive Entwicklung des Beschäftigungsniveaus kann jedoch, bedingt durch den Rückgang des
G. Szenarioanalyse
186
Kapitalstocks, dem kontinuierlichen Anstieg des Wertschöpfungs- oder NettoPreises von 21 % zwischen Periode 8 und 18 nur unzureichend entgegenwirken.
11. Simulationsszenarien und ihre Ergebnisse Nach der Darstellung des Basislaufs des rekursiv-dynamischen EAGModells werden im folgenden Abschnitt die Simulationen beschrieben, die die zu Beginn des Kapitels F erläuterten Teilaspekte des ungarischen Transformationsprozesses quantitativ nachzeichnen sollen. In Kapitel F wurden dabei zwei Bereiche unterschieden. Der erste erstreckt sich auf die Analyse der internen strukturellen Transformation, wohingegen der zweite Bereich Fragen bezüglich der externen, außenwirtschaftlichen Änderungen wie die Analyse der Assoziierung Ungarns mit der EU beantwortet. Übersicht G.i Simulationsläufe der EAG-Analyse Nr.
0
I 2
3 4 5
6
Simulationslauf Basislauf Abbau der Preisaufschläge (mark-ups) Übergang zur Entlohnung der landwirtschaftlichen Arbeitskräfte nach ihrem Wertgrenzprodukt Abbau der sektoralen Lohn- und Renditedifferenzen (wdist und rdist) Kombination der Läufe I, 2 und 3 Auswirkungen der bestehenden Assoziierungsabkommen Auswirkungen eines Assoziierungsabkommens mit stärkerer Liberalisierung des Agrarhandels seitens der EU
Referenzlauf Nr.
-
0 0 0 0 4 4
Quelle: Eigene Zusammenstellung.
Diese Zweiteilung der quantitativen Analyse schlägt sich bei der Formulierung der Simulationen insofern nieder, daß die Ergebnisse des ersten Teils ("interne Transformation") auf den oben beschriebenen Basislauf bezogen werden. Der zweite Anwendungsbereich, die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Assoziierungsabkommens Ungarns mit der EU, wird nicht auf den Basislauf bezogen, sondern auf das Resultat aller im ersten Teil untersuchten Veränderungen (also auf Lauf 4 in Übersicht G.I). In Übersicht G.l wird die Abfolge der einzelnen Simulationsläufe tabellarisch dargestellt.
II. Simulationsszenarien und ihre Ergebnisse
187
In den Szenarien 1 bis 3 werden jeweils die betreffenden Parameter getrennt variiert. So erfolgt beispielsweise in Lauf 1 ausschließlich der stufenweise Abbau der mark-ups. Die sektoralen Lohn- und Renditedifferenzen bleiben weiterhin bestehen, ebenso die Annahme der Entlohnung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte nach dem Wertdurchschnittsprodukt. Dagegen wird in Lauf 2 der Übergang in der Entlohnung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte vom Wertdurchschnitts- zum Wertgrenzprodukt unter der Annahme bestehender markups analysiert. Der Lauf 4 vereinigt alle bisher getrennt vollzogenen Aspekte der internen Transformation in einem Szenario. 1. Abbau der Preisaufschläge (mark-ups)
Dieser Simulationslauf soll dazu dienen, die Wirkungen einer zunehmenden Erhöhung des Wettbewerbes im Rahmen der wirtschaftlichen Transformation zu analysieren. Wie bereits erwähnt, wurden in dem erweiterten EAG-Modell mark-ups aufgenommen, die die Wirkung einer Umverteilung der sektoralen Wertschöpfung zugunsten der Kapital- und zu Ungunsten der Arbeitsentlohnung simulieren sollen. Ziel des vorliegenden Szenarios ist die Analyse der Auswirkungen eines stufenweisen Abbaus der mark-ups. Im folgenden Abschnitt wird der Ablauf des ersten Simulationslaufes beschrieben. Daran schließt sich die Darstellung der Ergebnisse dieses Szenarios an. a) Beschreibung des Szenarios
Die Simulation eines Abbaus der Preisaufschläge (mark-ups) erfolgt in dem rekursiv-dynamischen Modell nicht abrupt innerhalb einer Periode, sondern innerhalb eines Zeitraums von zehn Perioden, mit linearer Degression. Der Beginn der simulierten Reduktion der mark-ups setzt bereits in der ersten Vorlaufperiode (1991) ein und erstreckt sich mit jährlichen 10%igen Abnahmen des Ausgangswertes bis in die sechste Periode. Im Basislauf wurde angenommen, daß neben der Kapitalertragsteuer (Basis-Satz), die in der Input-Output-Tabelle (siehe Tabelle A-l im Anhang) ausgewiesen ist, die mark-ups mit einer zusätzlichen Steuer von 50% belegt werden. Bei einem sukzessiven Abbau der Preisaufschläge wird diese zusätzliche Kapitalertragsteuer ebenfalls gesenkt, so daß die Kapitalertragsteuer in Periode 7 des Simulationslaufes dem Wert des Basis-Satzes entspricht. In Tabelle G.6 werden der Wert des Basislaufes (Basis steuer plus zusätzliche Steuer) des Jahres 1990 und der Wert der Kapitalertragsteuer nach Abbau der Preisaufschläge angegeben.
188
G. Szenarioanalyse Tabelle G.6 Höhe und Wert der Preisaufschillge in den einzelnen Sektoren
mark-up Primärindustrie Landwirtschaft Emährungsindustrie. Chemische Industrie Maschinenbau Konsumgüterindustrie Baugewerbe Marktbest. Dienstlg. Nichtrnarktbest. Dienstlg. Summe bzw. Durchschnitt
a) 8,0 8,0 8,0 8,0 5,0 5,0 8,0 5,0 5,0 6,5 d)
Wert in Mrd. Ft 40,01 53,47 34,71 30,20 21,66 15,69 23,06 46,44 25,94 291,18
Wertschöpfungsanteil b) 24,4 20,0 27,1 28,0 15,4 11,2 17,7 10,3 8,2 15,8
Kapitalertragsteuer c) 1990 7. Periode 64,6 69,2 51,5 14,9 43,5 19,5 36,4 33,1 43,1 20,2 38,6 20,2 56,1 29,6 70,4 67,1 73,0 70,3 54,6 37,4
a) Wert in der Basisperiode in Prozent nach Hare et al. (1992). b) Anteil an der sektoralen Wertschöpfung. Angaben in Prozent. c) in Prozent der Kapitalerträge abzüglich Abschreibungen vor Steuern. d) gewichtet mit den sektoralen Anteilen am Gesamtproduktionswert. Quelle: CSO (I 992a) und (I 992c), eigene Berechnungen.
Im Agrarsektor werden in diesem Szenario die mark-ups nicht vollständig abgebaut, sondern nur um 50% gesenkt. Der Grund dafür liegt darin, daß die landwirtschaftlichen Arbeitskräfte nicht wie in den anderen Sektoren nach dem Wertgrenzprodukt entlohnt werden, sondern aufgrund der in diesem Sektor vorherrschenden genossenschaftlichen Betriebe nach dem Durchschnittsprodukt. Bei einem vollständigen Abbau der Preisaufschläge würde dadurch die Kapitalentlohnung gleich Null gesetzt werden. Daher erfolgt nur eine unvollständige Senkung der mark-ups im Agrarsektor, wobei der verbleibende Aufschlag von 4% erst im Laufe des Szenarios Nr. 4 stufenweise abgebaut wird. Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen eines simulierten Abbaus der Preisaufschläge sind in hohem Maße von der Art der Einbeziehung dieser mark-ups in das EAG-Modell bestimmt. In dem vorliegenden Modell haben die Preisaufschläge einen zwangssparenden Charakter. Den privaten Haushalten wird durch die Minderung der Wertschöpfung Lohneinkommen vorenthalten, und gleichzeitig werden die Kapitaleinkommen erhöht. Aus diesen gestiegenen Gewinnen wird zwar ein Teil in Form von Dividenden an die Haushalte verteilt, jedoch verbleibt der größte Teil bei den Unternehmen und erhöht die für Investitionen verfügbaren Mittel. Durch die Besteuerung der Kapitaleinkommen aus den Preisaufschlägen steigen gleichzeitig die Staatseinnahmen. In dem vorliegenden Modell bestimmt der Staat seine Güternachfrage nicht durch Maximierung einer Nutzenfunktion, sondern paßt seine
II. Simulationsszenarien und ihre Ergebnisse
189
mengenmäßige Nachfrage entsprechend der Änderung des realen BIP der Vorperiode an. Daher führen zusätzliche Einnahmen durch die Einführung neuer Kapitalertragsteuern nicht zu einer Steigerung der Staatsausgaben, sondern zur Verminderung des staatlichen DefIzits und damit zu einem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Sparsumme. Mit dem Abbau der zusätzlichen Kapitalertragsteuer steigt dann das DefIzit des Staatshaushaltes und entsprechend sinkt die gesamtwirtschaftliche Sparsumme. Dieser negative Effekt eines Abbaus schaftliche Sparsurnme wird durch den haltseinkommens z.T. kompensiert, da Konsum bei einer gegebenen Sparquote ansteigt.
der mark-ups auf die gesamtwirtAnstieg des realen privaten Hausneben einem verstärkten privaten die Höhe der privaten Sparsurnme
Die Auswirkungen der Reduktion der mark-ups auf die sektoralen Produktionsmengen und die Nachfrage nach Arbeitskräften lassen sich aus der Umverteilung der Wertschöpfung in den einzelnen Sektoren durch die Preisaufschläge folgern. Die Gesamthöhe der sektoralen Wertschöpfung bleibt durch die mark-ups unverändert, aber ein bestimmter Teil wird statt dem Arbeitseinsatz nun dem Kapitaleinsatz zugewiesen. Die mark-ups wirken auf die Produktion wie direkte Produktionssteuern (siehe Gleichung 5 in Übersicht D.l) als Minderung der "effektiven" (Wertschöpfungs-) Preise. Da die einzelnen Sektoren unterschiedliche Wertschöpfungsanteile aufweisen, wirkt sich z. B. der Abbau des 8%igen Preisaufschlags in der chemischen Industrie wesentlich stärker aus als im Baugewerbe. Nach Tabelle G.6 ist daher zu vermuten, daß die Faktornachfrage und damit die Produktion in den Bereichen Primär-, Ernährungs- und Chemie industrie am stärksten ansteigen werden. b) Darstellung der Ergebnisse
Der Abbau der mark-ups bewirkt keine Erhöhung des gesamten Volkseinkommens, sondern eine Erhöhung des Arbeitseinkommens bei einer Senkung des gesamten Kapitaleinkommens, das sich vorher aus dem Einkommensanteil an der Wertschöpfung und aus den mark-ups zusammensetzte. Da die erhöhten Arbeitseinkommen im privaten Haushalt nur teilweise gespart werden, folgt aus dem Abbau der mark-ups bei einem Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Sparsurnme und der Investitionen ein verringertes volkswirtschaftliches Wachstum. Wie in Abbildung G.10 dargestellt, beläuft sich der Rückgang der Investitionen infolge eines vollständigen Abbaus bis zur Periode sechs um ca. 13% gegenüber dem Basislauf. Diese Verminderung setzt sich in den folgenden drei Perioden noch fort, so daß die gesamtwirtschaftlichen Investitionen in
190
G. Szenarioanalyse
Periode neun um 14% gegenüber dem Basislauf gesunken sind. 16 Das Sinken der Gesamtinvestitionen ist begleitet von einem Anstieg des verftigbaren Einkommens der privaten Haushalte um ca. 9% gegenüber dem Basislauf. Diese Einkommenssteigerung, von der ein Teil wiederum gespart wird und ftir investive Zwecke verftigbar ist, bewirkt eine Verschiebung der Struktur der gesamten Endnachfrage gegenüber dem Ausgangslauf.
10
~
o -5 -10
~ ~~ ~
~- _.-
-15 -20
-
'90 '91 '92 '93 '94 I
2
3
4
5
6
-a- Bruttoinlandsprodukt ~ realer Wechselkurs
7
8
-
9
-- 10 11
:
12 \3 14 15 16 17 18 19 20
- t - Haushaltseinkommen -H-
Investitionen
a) Bei dieser Darstellung ist das Ergebnis einer Periode nicht in Bezug zum Wert der Basisperiode gesetzt worden, sondern in Relation zum jeweiligen Ergebnis der gleichen Periode des Basislaufs. Die vertikale Linie deutet den Übergang von der exogen bestimmten Verteilung der Investitionen zur endogenen Allokation der Investitionen im Rahmen des dynamischen Modells an. Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.1 0 Relative Entwicklung einiger makroökonomischen Größen gegenüber dem Basislauf bei Abbau der mark-ups (in %, Basislauf= 0) a)
In Abbildung G.ll ist die Entwicklung der relativen Nachfrage gegenüber dem Basislauf wiedergegeben. Dabei verzeichnen die Sektoren mit einem hohen Anteil an der Produktion von Kapitalgütern (Primärindustrie, Maschinenbau und Baugewerbe) in diesem Lauf einen starken Nachfragerückgang.
16 Diese um drei Perioden fortlaufende Abnahme der Investitionen ist dadurch begründet, daß die Allokation der Gesamtinvestitionen nicht ausschließlich von den Werten der betreffenden Periode bestimmt ist, sondern auch von den zwei vorherigen Perioden abhängig ist (siehe dazu Abschnitt F.1.2).
II. Simulationsszenarien und ihre Ergebnisse
191
Wurden im Basislauf besonders Erzeugnisse der Maschinenbauindustrie und des Baugewerbes nachgefragt, steigt in diesem Szenario besonders die Nachfrage nach Waren der Konsumgüter- und der Ernährungsindustrie. 10
~
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-15
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90 91 92 93 94 I
2
-a- Primärindustrie
3
4
----
~5
6
7
8
9
-€>-
-B- Konsumgüter
Chemie
___ Maschinenbau
-&-
Baugewerbe
-9-
--
10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
-+- Landwirtschaft
-Ho-
~
Markt-Dienstleistungen
Ernährungsindustrie
___ Nichtrnarkt-Dienstlstg.
a) siehe Abbildung G.lO. Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung G.II Relative Entwicklung der gesamten Nachfrage gegenüber dem BasisJauf bei Abbau der mark-ups (in %, BasisJauf= 0) a)
Neben dem Anstieg der privaten Einkommen und einer gegenüber dem Basislauf geringeren Erhöhung des Bruttoinlandsproduktes liegt in diesem Szenario während des gesamten Laufes eine leichte Aufwertung des Forint vor, die in Periode 20 einer Aufwertung um ca. 3% gegenüber dem Basislauf entspricht. Da die mark-ups die Höhe der sektoralen Wertschöpfungspreise PVA mindern, ist in diesem Simulationslauf die Entwicklung dieser Preise von entscheidender Bedeutung. Dabei werden die Auswirkungen beim Abbau der Preisaufschläge von der Höhe der mark-ups, dem Anteil der Wertschöpfung am Produktionswert und von der bereits dargelegten Änderung der Nachfrage bzw. Produktion bestimmt. In Tabelle G.6 ist der Anteil des Wertes der markups an der Wertschöpfung der einzelnen Sektoren wiedergegeben. Die Sektoren der Chemie-, Ernährungs- und Primärindustrie weisen mit 28%, 27,1% und 24,4% die höchsten Anteile auf. Daher ist bei einem stufenweisen Abbau der Preisaufschläge in diesen Sektoren C.p. mit einem besonders hohen
192
G. Szenarioanalyse
Anstieg der Wertschöpfungspreise zu rechnen, in dessen Folge es zu einem Anstieg der Arbeitsnachfrage und bei gegebenen Kapitalstöcken zu einer Ausdehnung der Produktion kommt. 35,-________, -________________________________________- - ,
30+-______~--------~~~~~~~----------~ 25t-------~~----~~------------------~~~~--~~
1O+-______~~~~~----------------------------------~
O~~~~~~~~2~3~4~5L-6~~7~8~9~1O~lLl~1~2~1~3-1~4~15~16~17~1L8-1L9-2~O -a-- Primärindustrie -H- Chemie --.&-
Baugewerbe
--
Pnmärindustrie
Chemie ___ Baugewerbe
~
-+- Landwirtschaft
___ Maschinenbau ___ Markt-Dienstleistungen
___ Emährung/lindustrie ___ Konsumgilter ____ Nichtmarkt-DienstJstg
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-12 Entwicklung der Preise des inländischen Güterangebotes während des Basislaufes (1990 = 100)
265
Anhang
160 , -__________. -________________________________________________- ,
140 +-----------r-----------------------------------------~~~:-~
40 ~.970~.9~1-=.9~2~.9~3~.9~4-7~~~-4~~~~7~~7-~170-711~1~2~13~1~4~15~1~6~1~7-1~8~179-720~ -Et-
Primärindustrie
_ _ Landwirtschaft
_____ Ernährunglindustrie
___ Maschinenbau
___ KCIlsumgilter
Baugewerbe
......- Markt-Dienstleistungen
___ Nichbnarlct-Dienstlstli:.
___ Chemie --6-
Quelle: Eigene Berechnungen.
AbbildWlg A-13 EntwicklWlg der Netto-Preise (Wertschöpfungspreise) während des Basislaufes (1990 = 100) 130 , -________- ,______________________________________________- ,
120
+-________~------------------~~=_~~~~~----------~
110~~~ l00~ -a-
Primr.inWs1ric ___ O\emie
--+- L51dwirtschaft
- b - Baugt'Nt'l'bc
.............. Markt-Dienstleistungen
~
Mes::hincnbau
-Go-
Bmahnmgsinck&s1ric
___ Konsumgflter
___ Nich."u..kt-Dionstlstg .
Quelle: Eigene Berechnungen.
AbbildWlg A-14 EntwicklWlg der Erzeugerpreise während des Basislaufes (1990 = 100)
266
Anhang
250
~
________- ,__________________________________________________,
200
+-__-+____~~------------------------------------------------~
150
+--+______~--~~--------------------------------------------~
l00~~~~~~~~~~
-a-
Primirindustrie
~ Chemie
--6-
Saua eworbe
______________________________~
~
Landwirtschaft
....:>-
Emiiluunpindustti.
___ Maschinenbau
___ Konsumgüter
-..- Mazkt-Dicnstlci.stungcn
~
Nichtmarkt-Diensdst,.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-15 Entwicklung der Kapitalrenditen während des Basislaufes (1990 = 100)
15 , -__________________________________________________________- ,
-10
1---------===--~;;;:::;;;::::::::;:=::=:;:::::~;:::::;s::==6::~j
-15
~.9~0~.~91~.9~2~.~93~.9~4~~~~~4~5~~6~7~~-9~710~1~1~1~2~13~1~4~15~1~6~17~1~8~1~9-2~0~ -er- Primärindustrie ~
Chemie
___ Baugewerbe
--+- Landwirtschaft
___ Maschinenbau
___ Bmähnm~industrie ___ Konsumgüter
........... Markt-Dienstleistungen
___ Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-16 Relative Entwicklung der Importe gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
267
Anhang 20
~
=-________-.
__________________________________________________
1O+-______________
~~~~~~~~~~~--------------~
+-______________~~~----------------------------------------~
-10
-20~_L~~~_L~~~~~~~~~~~~~~~~~~ '90 '91 '92 '93 '94
1
2
3
-e- Primarindustrie -B--
4
5
6
7
9
10 11
-+- Landwirtschaft
--...- Baugewerbe
16 17
18
19 20
Emilhrungsindustrie ___ KonsumgUter
-Q-
___ Maschinenbau ___ Marlet-Dienstleistungen
Chemie
12 13 14 15
___ Nichbnarlet-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-17 Relative Entwicklung der Exporte gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
6 ~
2
o -2
~ ~
~
-4
-
--
~~
-6 -8
- 10
-
...,.....::-:
~
'90 '91 '92 '93 '94
1
2
3
4
5
~
6
7
8
-er Primarindustrie ___ Chemie
-+- Landwirtschaft ___ Maschinenbau
-...- Baugewerbe
-"i'-
9
10 11
Marlet-Dienstleistungen
~
~
12 13
-"'---.....,
----
~~
-'R
~
14 15 16 17 18 19 20
Emilhrungsindustrie ___ KonsumgUter
-Q-
___ Nichbnarlct-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-18 Relative Entwicklung der inländischen Güterpreise PD gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
268
Anhang
-2+-__________~~------------------------------------------------~
-e- Primärindustrie --11-
Chemie
-+- Landwirtschaft ___ Maschinenbau
-ob-
Baugewerbe
-'0'-
Markt-Dienstleistungen
___ Ernährun~industrie _____ Kcmsumgilter ___ Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-19 Relative Entwicklung der Erzeugerpreise gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
20,-__________________________________________________________-,
-5 ~'970~'9~1~'972~'~93~'9~4-71~2~7--4L-~~~7L-~~9L-1~0~ILI~12~1~3~14~1~5~16~1~7~1~8-1~9~2~0 ___ N ahrungsrnittel
___ Getränke und Tabakwaren
-+- Energie und Brennstoffe
-0-
langlebige Konsumgilter
Kleidung ___ sonstige Verbrauchsgilter
-..!r-
-e- Dienstleistungen
Quelle: Eigene Berechnungen_
Abbildung A-20 Relative Entwicklung der privaten Nachfrage gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
269
Anhang 6
~
______________________________________________________________•
-2+-____________~~--------------------~~~----~ ~ ~'9~0~'9~1~'9~2~'793~'9~4~1--2~~-4~~~~7~7-~9~~10~1~1~12~1~3~IL4~15~1~6~17~1~8~1~9-2~0~ ___ Nahrungsmittel ~
Energle und Brennstoffe
___ Getränke und Tabakwaren
-.!r-
-- langlebige Konswngüter
___ sonstige Verbrauchsgüter
Kleidung
-e- Dienstleistungen
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-21 Relati ve Entwicklung der Preise der privaten Konsumgüter gegenüber dem Basislauf bei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0) 20 , -__________________________________________________________--, 15+-______________~~~~~~~~--------~~
-10 -15
+-__________________~~~~--------------------------------~
+-________________________________________________________
~
-20 ~'~90~'9Ll~'~92~'9L3~'~94~~~2~3~4~~5~6~~7~8~~9--1~0~11~1~2~13~IL4~15~IL6-1~7~IL8-1~9~2~0 -Q--
Primärindustrie
-H-
Chemie
__ Landwirtschaft ____ Maschinenbau
--6-
Baugewerbe
-9-
Markt-DienstleIstungen
- 0 - Emährungsindustrie _____ KoosuIDgüter
___ Nichtrnarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-22 Relative Entwicklung der sektoraJen Beschäftigung gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
Anhang
________________________________________________________-,
-
,
o
270
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-5
-10 -15
+-________________________
-20
+-________________________________
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-25 ~.9~0~.9~1~.9~2~.9~3-.~94~~~2~3~~4--5L-~6~7L-~8~9L-I~0--11L-1~2~13L-I~4~15L-I~6~17L-I~8~19L-2~0 Primärindustrie Chemie Baugewerbe
--i3-
~ -..0.---
-+- Landwirtschaft
____
_____ Maschinenbau
-&-
....;.- Markt-Dienstleistungen
Emährun~industrie
Konsumgilter ____ Nichtrnarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-23 Relative Entwicklung der sektoralen Kapitalstöcke gegenüber dem Basislaufbei Abbau der mark-ups (Angaben in %, Basislauf= 0)
4
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2
Primärindustrie
3
4
5
6
7
8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
-+- Landwirtschaft
-a- Chemie
___ Maschinenbau
-...- Baugewerbe
....;.- Markt-Dienstleistungen
-Q-
Bmährun~industrie
Konsumgilter ____ Nichtmarkt-Dienstlstg.
-B-
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-24 Relative Entwicklung der Importe in Lauf 2 gegenüber dem Basislauf (Angaben in %, Basislauf = 0)
Anhang
271
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-2
+-____~~~--------------------~~~~~-----------=~
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-+- Landwirtschaft
__ Emährunglindustrie
___ Maschinenbau
-a- Konsumgüter
____ Markt-Dienstleistungen
--iIE--
Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-25 Relative Entwicklung der Exporte in Lauf 2 gegenüber dem Basislauf (Angaben in %, Basislauf= 0)
4 ,-____________________________________________________________,
2
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Prirnärindustrie
-H-
Chemie Baugewerbe
--6--
-+- Landwirtschaft
___ Emährungsindustrie
____ Maschinenbau
-a- Konsumgüter
____ Markt-Dienstleistungen
--iIE--
Nichtmarkt-Dienstlstg.
Quelle: Eigene Berechnungen.
Abbildung A-26 Relative Entwicklung der inländischen Güterpreise PD in Lauf 2 gegenüber dem Basislauf(Angaben in %, Basislauf= 0)
Anhang
272
4 , -________________________________________________________- ,
2+-________~------------------~~--------------------~
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-2
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'90 '91 '92 '93 '94 1
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