Die Eigentumsgewährleistung als Grenze der Besteuerung [1 ed.] 9783428525201, 9783428125203

Markus Klawonn untersucht vor dem Hintergrund der unbefriedigenden Verfassungsrechtsprechung die Bedeutung der Eigentums

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German Pages 258 Year 2007

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Die Eigentumsgewährleistung als Grenze der Besteuerung [1 ed.]
 9783428525201, 9783428125203

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1063

Die Eigentumsgewährleistung als Grenze der Besteuerung Von

Markus Klawonn

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

MARKUS KLAWONN

Die Eigentumsgewährleistung als Grenze der Besteuerung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1063

Die Eigentumsgewährleistung als Grenze der Besteuerung

Von

Markus Klawonn

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 29 Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-12520-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Ich danke meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Schachtschneider und seiner Sekretärin Frau Hirschmann von Herzen für ihr Engagement im Rahmen meiner Promotion. Ich war vom ersten Tag begeistert von der Offenheit, die sie mir entgegengebracht haben. Ich widme diese Dissertation meiner geliebten Ehefrau. Sie hat nicht nur durch ihre Unterstützung schon seit meinem Studium dieses Buch erst ermöglicht. Sondern sie ist für unsere zwei Töchter und mich die Sonne in unserem Leben. Ich danke Dir für all diese Kraft, die Du uns täglich gibst. Im Bewusstsein unserer tiefen, starken Liebe werden wir alle Aufgaben, die uns das Leben noch stellen wird, gemeinsam meistern. Hilpoltstein, im Januar 2007

RA Markus Klawonn

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 I. Aufzeigen der Problematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . I. Erfordernis einer teleologischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eigenverantwortliche Lebensführung im vermögensrechtlichen Bereich . . . III. Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt und Schranken als dem Eigentum wesensimmanent . . . . . . . . . . . 2. Eigentum aus einfachem Gesetz oder der Verfassung? . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingriffsqualität der Eigentumsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inhalts- und/oder Schrankenbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vermögenswerte Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sacheigentum und Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Öffentliches Recht und Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusammenwirken von öffentlichem Recht und Privatrecht . . . . . . . . b) Öffentliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Dynamik im Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

14 14 15 17 17 19 20 21 23 24 25 25 27 27 28 30

C. Steuererhebungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsrechtlicher Steuerbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begründung der Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozialbindung des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzierungsbedarf des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Privatnützigkeit des Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Grundgesetzliche Finanzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Parlamentsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34 34 36 37 39 40 44 45 47

D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG . . . . 1. Fiskal- oder Steuervorbehalt versus Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 51 51 60

8

Inhaltsverzeichnis II. Mittelbare Eingriffe auf das konkrete Vermögensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 III. Steuerinterventionismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 1. Steuern als Instrument der Verhaltenslenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 2. Lenkung als Voraussetzung des Steuereingriffs in Grundrechte? . . . . . . 71 3. Grenzen der Verhaltenslenkung durch Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 IV. Abgrenzung zu den Wirkungsgrundrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 1. Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 a) Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Belastung der Erwerbsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Existenzminimum und Gebrauchsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Art. 6 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 V. Güterumverteilung durch Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 VI. Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 VII. Besteuerung als Vermögenseingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 1. Erfordernis der Gegenständlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 2. Problem der Geldsummenverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 a) Geldvermögen als Schutzobjekt i. S. von Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . 111 b) Kein konkreter Eingriff in das Geldvermögen durch die Steuerforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Annäherung über Vermögenswertschutz (i. V. m. Bestand) . . . . . . . . . 117 4. Freiheitsrechtliche Argumentation zum Eigentumsschutz des Vermögens auch gegenüber Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung? . . . . . . . I. Leerlaufen der Eigentumsgewährleistung mangels praktischer Umsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Instituts- und Bestandsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gewährleistung der Eigentumsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuergesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrung des Vermögensbestands des Einzelnen, Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wesensgehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des konsolidierten Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grenzen der Besteuerung des Bestands von Vermögen . . . . . . . . . . b) Sollertragsteuern (Verwirklichung der Substanzgewährleistung) . . c) Härteklauseln als Korrektiv der typisierten Grundrechtsprüfung . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Steuern und Geldentwertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

133 133 134 134 134 137 139 141 143 145 146 150 154 154 156 162

Inhaltsverzeichnis aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsrechtliche Anpassungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung in der Erwerbslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Substanz und Ertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Eigentumsgewährleistung über den Totalentzug hinaus . . . . . . . . . c) Gewährleistung einer gegenstandsunabhängigen Eigentumsneubildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bedeutung der Leistungsanknüpfung im Eigentumsschutz . . . . . . . e) Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung der Eigentumsübertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfügender . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Erwerber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schenker und Beschenkter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Reduzierte Schutzintensität des Eigentumsgebrauchs . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines und Geeignetheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wirtschaftlichkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnismäßigkeit i. e. S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freiheitsrechtliche Argumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung der sozialen Beziehung im Eigentumsschutz . . . . bb) Privatnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesamtsteuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Belastungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verstoß gegen den Grundsatz des judicial self-restraint? . . . . . . . . . . . 2. Bindungswirkung der Vermögensteuerentscheidung? . . . . . . . . . . . . . 3. Halbteilungsgrundsatz aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG? . . . . . . . . . . . . . a) Inhaltliche Reaktion der Rechtsprechung und der Literatur . . . . . . b) Rechtsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Gemeinschaftsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeiner Gemeinschaftsrechtsgrundsatz des Eigentumsgrundrechts . . III. Grundrechtecharta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 162 164 167 168 172 175 177 182 183 184 186 188 189 193 193 195 195 198 202 202 204 204 206 211 211 213 213 217 218 220 221 222 222 224 228 229 231 231

10

Inhaltsverzeichnis IV. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtfertigungsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gesamtbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

G. Zusammenfassung

233 233 233 238

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255

A. Einleitung I. Aufzeigen der Problematik Die weit reichende Aufgabenübernahme durch den deutschen Sozialstaat haben die Bürger insbesondere durch eine erhebliche Steuerbelastung zu tragen 1. Denn der Staat greift zur Finanzierung seiner Sozialaufgaben in beträchtlichem Maße auf die Einkommen und die Vermögen seiner Bürger zu 2. Die Steuerlasten sind demnach die Folgen einer politisch kaum noch revidierbaren Aufgabenkonzentration und Aufgabenüberbürdung auf den Staat 3. Der Ausbau des modernen Sozialstaates führt damit zu der Gefahr übermäßiger Belastung der privaten Vermögenssphäre durch Steuern 4. Zum Anwachsen der Steuerlast durch Aufblähung der öffentlichen Haushalte, Aufgabenkonzentrationen beim Staat und Ausdehnung der Staatszwecke treten die umfangreichen wirtschafts- und sozialpolitischen Gestaltungserwartungen an das Steuerrecht hinzu 5. Eine übermäßige Steuerlast hat jedoch schwerwiegende finanz-, wirtschaftsund staatspolitische Folgen für die Bürger und die Wirtschaft 6. Sie bremst die Leistungs- und Investitionsbereitschaft der Steuerzahler sowie verleitet zur Abwanderung in die Schattenwirtschaft und in Länder mit einer geringeren Steuerbelastung. Soweit hohe Steuerlasten in die Preise und Löhne eingehen, tragen sie zu Arbeitsplatz- und Wachstumsverlusten bei und belasten die öffentlichen Haus1 Vgl. Staatsquote als Anteil der staatlichen Ausgaben im Verhältnis zur gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) bei L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 124; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 3; A. Boss, Zahlen und Fakten zur Entwicklung der öffentlichen Finanzen, S. 14 f.; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 142; K. Vogel, in: Besteuerung und Eigentum, Diskussion VVDStRL 39 (1981), S. 362; ders., Der offene Finanzund Steuerstaat, S. 606; Staatsquoten 2004 lt. OECD: BRD 48,2 %, vgl. z. B. Spanien 39,1%, Irland 35,8%, Japan 36,6%. 2 Lt. Steuerspirale 2005: insgesamt fast EUR 490 Milliarden Steuereinnahmen. 3 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 146; ders., DVBl. 1980, S. 797 „entfesselter Steuerstaat“; L. Schemmel, StuW 1995, S. 52 über Abgabenquote, S. 53 Steuerquote; lt. Bund der Steuerzahler betrug die Einkommensbelastungsquote des Hochsteuerlands Deutschland im Jahr 1960 41,5% und erhöhte sich bis auf den historischen Rekordstand von 56,9% im Jahr 2000 und betrug im Jahr 2005 trotz StSenkG rund 54,8 %. 4 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 93. 5 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 141, F. Klein, in: Festschrift für Fritz Neumark, S. 238 f. 6 L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 83 f.

12

A. Einleitung

halte 7. Vor allem die mit dem Steuerniveau verbundenen hohen Lohnstückkosten in der Bundesrepublik Deutschland bewirken eine erhebliche Belastung der Unternehmen. Eine Verlagerung ins Ausland wird daher für viele Unternehmen zur Alternative. Insbesondere diese wirtschaftlichen Folgen verlangen daher eine Begrenzung der staatlichen Steuergewalt. Eine tragbare Belastung des Steuerzahlers ist sogar ergiebiger, weil sie wirtschaftliches Wachstum fördert und somit eher zu steigenden Steuereinnahmen führt 8. Übermäßige Steuern bewirken aber nicht nur ein Sinken der Leistungsanreize und eine Kapitalflucht, sondern verleiten auch zur Steuerverkürzung, zumindest zu ihrer Vermeidung oder Umgehung. Zudem gibt die mit der hohen Steuerbelastung verbundene Politik- und Staatsverdrossenheit Anlass, der staatlichen Besteuerungsgewalt in quantitativer Hinsicht Grenzen zu setzen. Da die staatliche Steuergewalt den Vermögensbereich im Vergleich zu anderen grundrechtlich geschützten Rechten am stärksten tangiert, muss die Eigentumsgewährleistung als das zentrale Grundrecht der Vermögenssphäre einen wesentlichen Maßstab gegen eine übermäßige Steuererhebung als des praktisch bedeutsamsten staatlichen Eingriffs in das Vermögen der Bürger bilden 9. Die Frage nach dem „Wieweit“, inwiefern diesem weit reichenden Steuerzugriff eigentumsrechtliche Grenzen gesetzt werden können, wird also stets dringender und ist dennoch weiterhin, insbesondere zwischen Rechtsprechung und Literatur umstritten. Es besteht demnach ein erhöhtes Bedürfnis, die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums gegenüber dem Steuergesetzgeber, aber auch der Rechtsprechung und Finanzverwaltung zu stärken. Die größte Versuchung für den Staat, den verfassungsmäßigen Eigentumsschutz zu unterlaufen, liegt eben gerade auf dem Gebiet der Steuerpolitik 10. Wenn die Eigentumsgewährleistung Wirkung entfalten soll, darf sie nicht ausgerechnet an der am stärksten bedrohten Flanke des privaten Eigentums bedeutungslos werden. Eine Unwirksamkeit der Eigentumsgewährleistung gegenüber der Besteuerung wird insoweit ideenreich umschrieben als „offene Flanke der Eigentumsgewährleistung“ 11, „Indolenz der Eigentumsgewährleistung gegenüber der Besteuerung“ 12,

7

K. Barth, DStR 1976, S. 302 f.; T. Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht, S. 87. T. Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht, S. 87. 9 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 300, 320; W. Leisner, NJW 1995, S. 2591 f.; ders. Wertzuwachsbesteuerung, S. 129. 10 E. Benda / K. Kreuzer DStZ (A), 1973, S. 49 (56). 11 Schon K. Ballerstedt, in: K. A. Bettermann / H. C. Nipperdey / U. Scheuner, Die Grundrechte, Band III/1, S. 38 f.; „Achillesferse“ lt. W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 178. 8

II. Gang der Arbeit

13

„terra incognita des Verfassungsrechts“ 13 und „trojanisches Pferd im Rechtsstaat des Grundgesetzes“ 14. Das Verhältnis von Besteuerung und Eigentumsgewährleistung stellt sich damit als eine Grundfrage der modernen Finanzverfassung dar, als eine der bedeutendsten Herausforderungen an das heutige Steuerverfassungsrecht 15.

II. Gang der Arbeit Ziel der Arbeit ist es daher, auch vor dem Hintergrund der unbefriedigenden Verfassungsrechtsprechung die Bedeutung der Eigentumsgewährleistung gegenüber der Steuererhebung darzulegen. Hierzu soll zunächst der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff dargestellt werden. Dabei ist insbesondere auf dessen teleologische Auslegung und die Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen einzugehen. Danach ist zu klären, woraus sich ein Steuererhebungsrecht überhaupt ergibt und inwieweit der Steuergesetzgeber damit in das Eigentum eingreift. In der Folge wird ausgehend von der objektiven und subjektiven Eigentumsgewährleistung, materialisiert über die unterschiedlich geschützten Eigentumslagen, das Übermaßverbot für eine Begrenzung der Steuererhebung anwendbar gemacht. Dabei ist insbesondere auf den so genannten Halbteilungsgrundsatz einzugehen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden europarechtlichen Orientierung wird abschließend der Schutz des Eigentums vor Steuern auf Gemeinschaftsebene dargestellt.

12 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (791); „Exemtion“ lt. W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 178 und H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 27. 13 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 182; für Vergleich mit außersteuerlichem Bereich H. Sendler, DÖV 1971, S. 22 und K. H. Friauf , JurA 1970, S. 319; „Ozonloch des Rechtsstaates“ lt. K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 88; anachronistische Schwäche lt. H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 29. 14 K. M. Hettlage, VVDStRL 14 (1956), S. 2 (5); von H.-J. Papier, KritV 1987, S. 155 als Überzeichnung gesehen. 15 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 287; R. Wendt, NJW 1980, S. 2112; M. Kloepfer, StuW 1972, S. 180; Schicksalsfrage lt. K. H. Friauf , DÖV 1980, S. 480.

B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung I. Erfordernis einer teleologischen Auslegung Dass die Eigentumsgewährleistung gegenüber der Steuergewalt geltend gemacht werden kann, setzt zunächst voraus, dass überhaupt ihr Schutzbereich berührt wird. Angesichts des hohen Abstraktionsgrads der Bestimmung verweist gerade die Eigentumsgewährleistung auf eine dem Sinn und Zweck entsprechende Interpretation 1. Der Gewährleistungsbereich der Eigentumsgewährleistung ist also, da eine andere Auslegung in der Regel zu kurz greift, im Wesentlichen vom Ziel des Grundrechts her zu bestimmen 2. Bei der Beantwortung der Frage nach dem gegenständlichen Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, d. h. welche Güter als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anzusehen sind, muss deshalb auf die Bedeutung der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung im Gesamtgefüge der Verfassung zurückgegriffen werden 3. Im Sinne dieser teleologischen Auslegung muss somit darauf abgestellt werden, worauf die Eigentumsgewährleistung abzielt, um dann feststellen zu können, welche Objekte als Eigentum im Sinne des Art. 14 GG anzusehen sind und inwieweit das Eigentum gegenüber der staatlichen Hoheitsgewalt zu schützen ist 4. Die Bedeutung des Eigentums ist damit schon bei dessen Begriffsbestimmung zu beachten.

1 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 304; P. Badura, in: Verh. des 49. DJT, T 21; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 287; kritisch zu einer funktionellen Auslegung O. Lepsius, JZ 2002, S. 320 f. 2 BVerfGE 6, 55 (71); 32, 54 (68 f.); 36, 281 (290); 39, 1 (37 f.); 42, 64 (76); 42, 263 (292 f.); 46, 325 (334); 51, 97 (110); 53 , 257 (290); 83, 201 (208 f.); R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 440 m. w. N. 3 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 117; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 494; H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 529, ders., DVBl. 1980, S. 789; kritisch W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 44 f., der konkretisiert, dass die einzige Aufgabe des Eigentums der Freiheitsschutz, die Privatnützigkeit, darstellt, der Staat aber nicht bestimmen darf, was zur deren Sicherung vonnöten sei. 4 BVerfGE 36, 281 (290); 42, 64 (76); 42, 263 (292 f.).

II. Eigenverantwortliche Lebensführung im vermögensrechtlichen Bereich

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II. Eigenverantwortliche Lebensführung im vermögensrechtlichen Bereich Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in seinem normativen Gehalt durch die Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den jeweiligen Vermögensgegenstand aus 5. Art. 14 GG schützt das Eigentum als eine der Grundlagen menschlicher Existenz und Selbstentfaltung und ist im Grundrechtssystem der Verfassung von zentraler Bedeutung 6. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein 7. Dem Charakter der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG als subjektiv-öffentlichem Recht entspricht die herausragende Rolle ihrer personalen oder individuellen Bedeutung, dem Träger des Grundrechts durch Zubilligung von Nutzungs- und Verfügungsrechten für den privaten Bereich und für die wirtschaftliche Betätigung einen „Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich“ sicherzustellen und dem Einzelnen damit auf der Grundlage privater Initiative die Entfaltung und „eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens“ zu ermöglichen 8. Sie ergänzt insoweit die Handlungs- und Gestaltungsfreiheit, indem sie dem Einzelnen vor allem den durch eigene Arbeit und Leistung erworbenen Bestand an vermögenswerten Gütern anerkennt 9. Das Grundrecht des Art. 14 Abs. 1 GG ist damit als besondere Ausprägung der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) das Recht zur persönlichen Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich, die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit 10. Die Eigentumsgewährleistung hat demnach ihre Bedeutung insbesondere als privat verfügbare ökonomische Grundlage individueller, vergegenständlichter Freiheit 11. Insoweit steht die Eigentumsgewährleistung in einem inneren Zusammenhang mit der Gewährleistung der persönlichen Freiheit des Einzelnen und genießt als Element deren Sicherung einen besonders ausgeprägten Schutz 12. Aus der Feststellung, dass das Grundgesetz in Art. 1 GG und Art. 2 GG eine grundsätzliche Wertentscheidung 5 BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 42, 263 (294); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 100, 226 (241); 79, 292 (303 f.); 83, 201 (209); 88, 366 (377); s. a. K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 8; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 3; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 112. 6 BVerfGE 36, 281 (290); B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 494 f. 7 BVerfGE 100, 226 (241). 8 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339); 51, 193 (217 f.); 52, 1 (3); 53, 257 (290); 55, 249 (257); 58, 300 (345); 61, 82 (108); 68, 361 (367 f.); 71, 230 (246); 78, 58 (73); 79, 174 (191); 79, 283 (289); 79, 292 (303 f.); 83, 201 (208); 97, 350 (370 f.). 9 BVerfGE 14, 288 (293); 30, 292 (334 f.); H. Sendler, DÖV 1974, S. 75, 82. 10 BVerfGE 100, 226 (239 ff.) m. w. N.; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 772. 11 BVerfGE 97, 350 (371); P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 635, 637.

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

zugunsten der Person und ihrer Entfaltung zur Persönlichkeit getroffen hat, folgt, dass ein Zusammenhang zwischen Eigentums- und Freiheitsgewährleistung auch unter dem geltenden Verfassungsrecht herzustellen ist 13. Das verfassungsrechtliche Bekenntnis zu persönlicher Entfaltung des Einzelnen, subjektiver und selbstverantwortlicher Lebensführung sowie individueller Existenzgestaltung ist eine konkrete Ausformung des dem Grundrecht des Eigentums immanenten Gedanken der personalen Freiheit 14. Das Bundesverfassungsgericht formuliert insofern, „Eigentum ist nicht zunächst Sach-, sondern Rechtsträgergarantie“ 15. Damit gehört die Eigentumsgewährleistung zum freiheitlichen, durch Gründe der praktischen Vernunft gerechtfertigten Privatheitsprinzip und stärkt den auf das Freiheitsprinzip gestützten Grundsatz der substantiellen Privatlichkeit der Lebensbewältigung 16. Sie soll dem Menschen seine vermögenswerten Güter gewährleisten, um ihm die materiale Möglichkeit der Freiheit, der Persönlichkeitsentfaltung, zu sichern. Das Eigentumsgrundrecht hat somit der Sicherung der persönlichen Freiheit zu dienen, indem es dazu die wirtschaftlichen Voraussetzungen schützt 17. Die Verbindung zwischen Freiheit und Eigentum besteht demnach darin, dass das Eigentum die Voraussetzung wesentlicher Bereiche der Freiheit bildet 18. Infolge der Grundrechtsstützung befähigt das Eigentumsgrundrecht als Grundlage zur Ausübung anderer Freiheitsrechte 19. Für den Einzelnen ist das Eigentum damit eine materiale Sicherung des Daseins, der Unabhängigkeit und der Freiheit 20. Demnach hat das Eigentum seinem rechtsethischen Gehalt nach seine eigentliche Bedeutung als materiale Grundlage des selbständigen Lebens in Freiheit 21. Das Eigentum als Bedingung des modernen Staates ermöglicht dem Bürger Un12

BVerfGE 14, 288 (293 f.); 42, 64 (77); 50, 290 (340); 53, 257 (292); 70, 191 (201); BVerfG NJW 2000, S. 2574; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 744 ff., 766 f.; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 278. 13 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 71 f. mit weiteren Ausführungen. 14 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 117 f. 15 BVerfGE 24, 367 (400). 16 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 780 f., der aber darauf hinweist, dass die Freiheit als Autonomie des Willens und das diese fördernde Eigentum als Recht am Eigenen begrifflich zu trennen sind (S. 744, 753, 772). 17 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 754; H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 155; R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 441. 18 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 766; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 278. 19 H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 60 f. 20 O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 278.

III. Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen

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abhängigkeit von diesem Staat und vermittelt dem Grundrechtsberechtigten die Fähigkeit, seine Freiheit tatsächlich auszuüben 22. Durch die Betonung dieser Aufgabe eines flankierenden Schutzes der Freiheitsgewährleistung wird die unabdingbare Notwendigkeit einer wirkungsvollen Eigentumsgewährleistung deutlich.

III. Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen Durch die Inhalts- und Schrankenbestimmungen i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden die beschriebene Bedeutung des Eigentums materialisiert und die Schutzgüter als Objekte möglicher Eingriffe bestimmt. 1. Inhalt und Schranken als dem Eigentum wesensimmanent Das Grundgesetz hat dem einfachen Gesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausdrücklich die Aufgabe übertragen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums zu regeln. Der einfache Gesetzgeber hat gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den aktuellen Bestand an vermögenswerten Rechten als dem zurzeit maßgeblichen Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts zu gewährleisten 23. Diese Normen konkretisieren generell und abstrakt die Rechte und Pflichten des Eigentümers, den Gesamtinhalt des Eigentums. Unter einer Bestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wird dabei jede Fixierung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter verstanden, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind 24. Diese Aufgabe ist demnach auf die Schaffung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentumsrechts vom Inkrafttreten des Gesetzes an für die Zukunft in allgemeiner Form regeln, d. h. wie weit die Rechte aus Art. 14 Abs. 1 GG überhaupt reichen. Diese Regelungsbefugnis gilt selbstverständlich nicht unbegrenzt, sondern hat sich an den verfassungsrechtlichen Grenzen zu orientieren. Dabei ist das natürliche Eigentum, das Eigene, zu unterscheiden vom Eigentumsrecht, dem Recht am Eigentum, das erst durch das allgemeine Gesetz geschaffen wird 25. Zwar kann es ein natürliches, vorstaatliches Mein und Dein und insofern Eigentum i. w. S. als Menschenrecht geben 26. Doch das Eigentumsrecht 21 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 766; H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 60 f., 155; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 278 f. 22 O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 279. 23 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 556; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 214; P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 643. 24 BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (144); 58, 300 (330); 72, 66 (76). 25 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 751 ff. 26 W. Leisner, HbStR VI, § 149 Rn. 18 f.; s. a. BVerfGE 15, 126 (144); 50, 290 (344 f.).

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

als gesetzlicher Anspruch wird erst durch die Rechtsordnung geschaffen 27; demnach sind Schutzobjekte der Eigentumsgewährleistung insbesondere die durch Gesetz oder aufgrund Gesetzes eingeräumten Rechte. Auf die Schaffung einer Rechtsordnung, die dieses Eigentum gewährleistet und ein Recht auf ausreichenden Eigentumsschutz gibt, hat der Einzelne allerdings einen Anspruch (vgl. Art. 17 AEMR) 28. Aus der Tatsache, dass es keinen statischen Begriff des Eigentums gibt, folgt notwendigerweise, dass der gegenständliche und umfängliche Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung durch die Rechtsordnung konkretisiert werden muss 29. Die Abhängigkeit vom einfachen Gesetzgeber resultiert also gerade daraus, dass dem Verfassungseigentum kein fester Begriffsinhalt zugeordnet werden kann, sondern die einzelnen Handlungsmöglichkeiten durch die Rechtsordnung näher auszugestalten sind. Das Eigentum als Objekt des Grundrechts, als Zuordnung eines Rechtsgutes an einen Rechtsträger, bedarf, um als solches in der Rechtsordnung anerkannt zu werden, zwingend der rechtlichen Ausformung 30. Es ist notwendig vom Gesetzgeber in den Gesetzen zu bestimmen 31. Der Umfang der im Rahmen des Eigentumsgrundrechts geschützten Rechte ergibt sich demnach wesentlich aus den zu einer bestimmten Zeit gültigen Gesetzen im materiellen Sinne 32. Weil es somit nach dem Eigentumsverständnis des Grundgesetzes zwar faktisches, natürlich vorgegebenes, vorstaatliches Eigenes, nicht aber Eigentumsrecht i. e. S. gebe und die Verfassung auf eine rechtliche Verfestigung einzelner Kategorien von Vermögenswerten verzichtet hat, muss der Gesetzgeber Rechtssätze schaffen, wie die Rechtsstellung des Eigentümers in Bezug auf einen Vermögenswert begründet wird und welche Befugnisse in welchen Grenzen dem Inhaber gewährt werden 33. Im Unterschied zu den üblichen Gesetzesoder Regelungsvorbehalten greift der Gesetzgeber hier nicht zum Schutz von Allgemeinwohlbelangen ausnahmsweise in einen gesellschaftlichen Lebensbereich reglementierend ein. Die Eigentumsordnung als Ganzes wird danach von ihm vielmehr notwendigerweise ausgeformt. Eigentum ist begrifflich abhängig vom allgemeinen Gesetz; es gibt nur Eigentum nach Gesetz. 34

27 P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 643; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 282. 28 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 753 ff. vorstaatliches „Recht auf Recht“. 29 BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (396); 31, 229 (240); 53, 257 (292); J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 215, 547 f. 30 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 765. 31 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2571. 32 BVerfGE 4, 7 (17); 14, 263 (277); 15, 126 (143); 18, 85 (91); 18, 121 (131); 20, 31 (34); 20, 350 (356); 24, 367 (396); 58, 300 (330, 336); BVerfG NJW 2000, S. 413, 414. 33 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 556, aber S. 331.

III. Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen

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Die material offenen Grundrechte bedürfen als politische Leitentscheidungen somit notwendig der gesetzlichen Materialisierung (Gesetzlichkeit des Eigentums) 35. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG ist der Formulierung nach sogar ein klassischer Fall einer Leitentscheidung, welche der gesetzlichen Regelung bedarf 36. Diese berechtigenden Gesetze begründen die subjektiven Rechte, welche das Eigene schützen. Wie K. A. Schachtschneider mit Immanuel Kant 37 formuliert, wird damit aus dem provisorischen Eigenen das peremtorische Eigentum 38. Eigentum ist im Rechtsstaat also schon begrifflich abhängig vom allgemeinen Gesetz. Die Materie des Rechts auf Eigentum ist Sache der Gesetze 39. Nur so erfolgt die individuelle Güterzuordnung durch den gemeinschaftlichen Willen aller Rechtspersonen 40. 2. Eigentum aus einfachem Gesetz oder der Verfassung? Der einfache Gesetzgeber ist somit zwar nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG berufen, den Inhalt und die Schranken des Eigentums auszugestalten. Die Grenze dieser gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist aber immer die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung; d. h. die gesetzliche Nachzeichnung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs bestimmt nicht den Gegenstand, sondern die zulässigen Randkorrekturen der Verfassungsgewährleistung 41. Schon nach dem Prinzip des Vorranges der Verfassung hat der Eigentumsbegriff des Art. 14 Abs. 1 GG einen eigenständigen Gehalt 42. Die Verfassung umgrenzt mit dem Begriff „Eigentum“ das Schutzobjekt des Art. 14 GG abschließend und hinreichend; d. h. das Eigentum im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bezeichnet den Gegenstand, an dem zu messen ist, ob eine gesetzliche Eigentumsbestimmung zutreffend und zulässig ist 43. Die verfassungsrechtliche Beurteilung des

34 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 765, gegen W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 59. 35 BVerfGE 100, 226 (241); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 655 ff.; ders., Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 346; ders., in: Festschrift für W. Leisner, S. 755 ff.; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 281, 289, 291, spricht von Rechtsgeprägtheit aufgrund Rücksichtnahme auf fremdes Eigentum. 36 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 845. 37 I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 366 f., 374 ff., 430 f. 38 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 753. 39 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 6.; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 773. 40 O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 282 mit Hinweis auf I. Kant. 41 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 21; ders., in: Festschrift für W. Leisner, S. 651. 42 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2571. 43 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 72.

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

Rechtsbegriffs Eigentum, der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums, muss damit ausschließlich aus dem Verfassungsrecht selbst entwickelt werden 44. Der einfache Gesetzgeber hat nur das Recht, den Eigentumsinhalt durch gesetzgeberische Entscheidung – verfassungsgemäß – rechtlich auszugestalten 45. Aus Normen des einfachen Rechts, die im Rang unter der Verfassung stehen, kann damit weder der Begriff des Eigentums im verfassungsrechtlichen Sinn abgeleitet werden, noch kann aus der privatrechtlichen Rechtsstellung der Umfang der Gewährleistung des jeweiligen Eigentums bestimmt werden 46. Der Eigentumsbegriff des Grundgesetzes ist demnach nicht dem einfachen Gesetzesrecht zu entnehmen. Erst aus dem eigenständigen verfassungsmäßigen Eigentumsinhalt ergibt sich, wie das Eigentum im Einzelnen gesetzlich auszuformen ist, welches dann den Gegenstand der Eigentumsgewährleistung bildet 47. 3. Eingriffsqualität der Eigentumsbestimmungen Wenn Gegenstand und Umfang der Eigentumsgewährleistung demnach gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ausgestaltet werden, ist es gerade die Aufgabe des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums unter Beachtung der Grundsatzentscheidung des Verfassungsgebers festzulegen. Macht der Gesetzgeber hiervon in verfassungsmäßiger Weise Gebrauch, so liegt darin keine Einschränkung des Grundrechts 48. Denn das durch Gesetze ausgeformte Eigentum bildet den Gegenstand des geschützten Eigentums; das Eigene wird nach Maßgabe der Eigentumsgewährleistung geordnet. Diese Gesetze engen das Eigentumsgrundrecht weder ein noch erweitern sie es, sie machen vielmehr verbindlich, was für das gute Leben aller in allgemeiner Freiheit als richtig erkannt ist und verwirklichen in dem Maße ihrer praktischen Vernünftigkeit die Freiheit 49. Werden Vorschriften, die generelle Grenzen des Eigentums statuieren, angewendet, so greift die Verwaltung nicht in das Eigentum ein, sondern verweist den Eigentümer in die Schranken, die seiner Rechtsstellung aus Gründen des Gemeinwohls gezogen sind; denn der Einzelne muss sich auch im Bereich der Vermögensordnung die Schranken gefallen lassen, die zur Pflege des menschlichen Zusammenlebens er44 BVerfGE 24, 367 (389); 58, 300 (335 f.); 89, 1 (6); H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 110. 45 O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 283, der den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff als den ersten, abstrakten bezeichnet; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 58. 46 BVerfGE 58, 300 (335). 47 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 72. 48 BVerfGE 21, 92 (93); 24, 367 (396); 58, 137 (144); 58, 300 (330); 100, 226 (239 ff.). 49 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 484, 494 ff.; ders., Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, S. 263 ff.; ders., Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 376; ders., Freiheit in der Republik, 9. Kap., III.

III. Bedeutung der Inhalts- und Schrankenbestimmungen

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forderlich sind. Die durch das Gemeinwohl legitimierten Vorschriften, welche die subjektiven Rechte und Pflichten des Eigentümers festlegen, sind demnach den Inhalt des Eigentums bestimmende Normen 50. Art. 14 GG enthält auch keinen Vorbehalt zur Einschränkung der Eigentumsgewährleistung durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes. Die Befugnis, die Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dem Gesetzgeber verleiht, ist nicht eine Befugnis zur Einschränkung eines Grundrechts, sondern eine Befugnis, Gegenstand und Umfang der Eigentumsgewährleistung unter Beachtung der Grundentscheidung des Verfassungsgesetzgebers für die Privatheit und die personale Freiheit festzulegen. Das Gesetz, das Inhalt und Schranken bestimmt, ist sonach kein Eingriff im Sinne des rechtsstaatlichen Grundrechteschutzes 51. Es kann aber zugleich Eingriffe in bestehende, nach der bisherigen Rechtslage entstandene Rechte bewirken. Auch in der Anwendung der im öffentlichen Steuerrecht begründeten Schranken liegt demnach vom Grundsatz her kein Eingriff, sondern die Zurückweisung des Eigentümers in die Schranken, welche die Rechtsordnung ihm im Interesse des allgemeinen Zusammenlebens dem Eigentum immanent zieht 52. 4. Inhalts- und/oder Schrankenbestimmungen Weil eine Eigentumsregelung somit vom Grundsatz her nicht als Eingriff begriffen werden kann, sind ihr auch nicht spezifisch Schranken gesetzt 53. Die vom Verfassungsgeber sorgfältig unterschiedenen Schranken haben Bedeutung nur für die durch die Grundrechte unmittelbar geschützten oder begründeten subjektiven Rechte. Die grundgesetzliche Eigentumsgewährleistung fällt aus dem Rahmen dieses in einzelnen Grundrechten verankerten Spannungsverhältnisses von Gewährleistungsbereich und Schranke heraus 54. Diese Sonderrolle innerhalb des Grundrechtskatalogs manifestiert sich in dem nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG eindeutigen Auftrag an den Gesetzgeber, dem Handeln des Grundrechtsträgers innerhalb des erfassten Lebensbereichs nicht nur Schranken aufzuzeigen, sondern ihm den Schutzbereich dieses Grundrechts inhaltlich vorzugeben 55. Inhalt und Schranken i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sind damit als

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BVerfGE 21, 73 (79). BVerfGE 20, 351 (356); 21, 92 (93); 24, 367 (396); 58, 137 (144); 58, 300 (330); 100, 226 (239 ff.). 52 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2570, 2572. 53 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 823. 54 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 309, Fn. 90; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 85. 55 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 23. 51

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

Begriffspaar mit einheitlichem Bedeutungsgehalt zu verstehen; der Gegenstand der individuellen Eigentumsgewährleistung bemisst sich aus der Zusammenschau der im Zeitpunkt der zu prüfenden staatlichen Maßnahme gültigen eigentumsberührenden privat- und öffentlich-rechtlichen Gesetze 56. Das Bundesverfassungsgericht fasst Inhalt und Schranken des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ohne weiteres zu einem einheitlichen Regelungsauftrag für den einfachen Gesetzgeber zusammen 57. Die Deutung des Verfassungseigentums als Rechtsposition und die Zusammenfassung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG als einheitlicher Gestaltungsauftrag an die einfache Rechtsordnung führen dann zwangsläufig dazu, dass zwischen einem eigentumsgewährenden und -begrenzenden legislativen Akt nicht getrennt werden kann 58. Die Inhaltsbestimmungen einerseits und die Schrankenbestimmungen andererseits lassen sich demnach nicht inhaltlich voneinander unterscheiden, die Besteuerung lässt sich nicht als Inhalts- oder Schrankenbestimmung des Eigentums charakterisieren 59. Zwar könnte man formal differenzieren, dass Inhaltsbestimmungen die Eigentümerstellung regeln oder definieren und Schrankenbestimmungen in ein bestehendes Recht eingreifen 60. Walter Leisner selbst gesteht aber zu, dass die Sozialverpflichtung bereits bei der Inhaltsbestimmung des Eigentums zu berücksichtigen ist: „In diesem Sinne bilden die Regelung in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG und die inhaltliche Orientierung in Art. 14 Abs. 2 GG vielmehr einen einheitlichen Gesetzesvorbehalt.“ 61 Die Befugnisse und Pflichten werden auch nicht getrennt normiert. Eine materiale Unterscheidung von Inhalt und Schranken lässt sich daher praktisch nicht durchführen 62. Mit jeder Inhaltsbestimmung wird Eigentum auch abgegrenzt und damit notwendig Schranken gezogen und umgekehrt kann gerade die Schrankenziehung zur Substantiierung beitragen 63. Der Schutzbereich ist nicht vorstellbar ohne gleichzeitige Schrankenziehung. Dem Gesetzgeber steht ein Vollrecht der Ausgestaltung der Eigentumsrechte zu, das er 56

BVerfGE 58, 300 (336); E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 22. BVerfGE 14, 263 (278); 18, 85 (90); 18, 121 (132); 21, 73 (79); 24, 367 (396); 25, 112 (117 f.); 58, 300 (330); aA M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 156 f.; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 310 f. 58 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 32; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 297 für den Fall der erstmaligen Konstitution neuer Eigentumstitel. 59 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 309, Fn. 90; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 85; aA H. Draschka S. 125 f. m. w. N.; H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 102 f.; s. a. bei K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 26 Fn. 43. 60 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 134. 61 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 136. 62 D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 225. 63 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 255, Fn. 129 m. w. N. 57

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte

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ebenfalls durch Schrankenziehung ausübt. Er ist nicht gehalten, die Rechtsstellung im Sinne einer quasi schrankenlosen Gewährleistung zu definieren, um anschließend bestimmte Befugnisse wieder von ihnen auszuschließen. Dieses stringente Zusammenspiel von Schutzbereich und Eingriff liegt bei Art. 14 GG gerade nicht vor. Das absolute dingliche Eigentumsrecht kann nicht als unbeschränktes Herrschaftsrecht verstanden werden, schon weil es am absoluten Recht eines anderen seine Grenze finden muss; die Gebundenheit jeden Rechts in der Gemeinschaft ist vorgegeben 64. Deshalb enthält § 903 BGB auch einen tatbestandlichen Vorbehalt zugunsten anderweitiger Gesetze und Rechte Dritter. Mit der Einbeziehung aller vermögenswerten Rechte in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff wird die Vorstellung von einem absoluten Eigentumsbegriff gänzlich relativiert. Auch nach der Immanenz- oder Innentheorie sind alle Einschränkungen im Eigentumsbegriff selbst angesiedelt 65. Inhalt und Schranken eines Rechts sind in einer Einheit zu sehen. Die Schranken der Rechtsausübung sind Beschränkung des Rechtsinhalts. Die Innentheorie sieht bei der Bestimmung der Rechtsstruktur somit kein Eingriffselement; für sie gibt es keine Beschränkung eines Rechts, sondern nur eine Determinierung. Sie vertritt im Ergebnis die Deckungsgleichheit von Inhalt und Schrankenbestimmungen. Der Gegenstand der Eigentumsgewährleistung darf aber nicht über die Inhaltsbestimmung entleert werden, bevor es überhaupt zur Schrankenbestimmung kommt. Die Inhaltsabgrenzung darf in ihrer Wirkung nicht zur übermäßigen Eigentumsschranke werden; denn Eigentum kann gar nicht mehr zugleich dem Wohl der Allgemeinheit und als materiale Grundlage der Freiheit dienen, wenn es schon vorher durch die Inhaltsbestimmung total eliminiert worden ist. Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darf demnach nicht so verstanden werden, dass der Schutzbereich der Disposition des Gesetzgebers überantwortet ist. Die Schrankenbestimmung ist nicht notwendig nur ein Aspekt eines weitergehenden Inhaltsbestimmungsrechts 66. Wie bereits betont, gilt diese Regelungsbefugnis damit selbstverständlich nicht unbegrenzt, sondern hat sich an den, weiter unten darzulegenden, verfassungsrechtlichen Grenzen zu orientieren.

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte Das Grundrecht des Art. 14 GG gewährleistet das Eigentum nicht nur als Rechtsgut, sondern umgrenzt die Möglichkeiten, die dem Eigentümer bei sei64 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 9. Kap., III., 3., mit Verweis auf das Sittengesetz; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 68 f. 65 H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 87 auch zur Außentheorie, S. 104. 66 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 63.

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

nem Handeln zur Verfügung stehen 67. Dabei begründet Eigentum im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG vor allem einen verfassungsrechtlichen Anspruch des Inhabers eines vermögenswerten Rechts gegen den Staat auf Unterlassung von Eingriffen in Rechtspositionen, die sich aus diesem Recht ergeben 68. Die Verfassung sichert als Eigentum in diesem Sinne einen Abwehranspruch des Bürgers gegen den Staat, einen ihm von der Rechtsordnung zugeordneten Vermögensgegenstand innezuhaben und die Befugnis des Eigentümers, das Seine den allgemeinen Gesetzen nach zu nutzen 69. 1. Vermögenswerte Rechte Das grundgesetzliche Eigentumsobjekt wird in diesem Sinne allgemein definiert als vermögenswertes Recht, das von der Rechtsordnung privatnützig, d. h. zur Ausübung zum eigenen Vorteil, gewährleistet wird 70. Unter den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fallen diese vermögenswerten Rechte, wenn sie „ihrem Inhaber von der Rechtsordnung in der Weise zugeordnet sind, dass er die damit verbundenen Befugnisse nach eigenverantwortlicher Entscheidung zu seinem privaten Nutzen ausüben darf“ 71. Die inhaltliche Ausgestaltung erfolgt über die Inhalts- und Schrankenbestimmungen gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und die Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 2 GG. Art. 14 GG schützt demnach jeden Handlungsmöglichkeiten vermittelnden Vermögenswert, den die staatliche Rechtsordnung einem einzelnen Bürger gewährt, jedes individualdienliche vermögenswerte Recht 72. Der Gegenstand der Eigentumsgewährleistung wird damit nach der herrschenden Meinung bestimmt durch den konkreten Bestand an durch die Rechtsordnung ausgeformten vermögenswerten Rechten. Diese Rechte entfalten über Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG als Transformationsnorm eine Tatbestandswirkung im Verfassungsrecht 73.

67 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 753; W. Böhmer, NJW 1988, S. 2563. 68 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 3.; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 3. 69 D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 214; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 754. 70 BVerfGE 53, 257 (290); 58, 300 (330). 71 BVerfGE 24, 367 (389); 31, 229 (239); 42, 263 (294); 53, 257 (290); 83, 201 (208 f.); 89, 1 (6); 95, 267 (300). 72 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 20; ders., in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 39; ders., in: P. Kirchhof / H. Söhn, EStG, zu § 2 A 154. 73 D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 214.

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte

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2. Sacheigentum und Forderungen Als veranschaulichendes Beispiel ist zunächst das Recht am Sacheigentum, d. h. beweglichen und unbeweglichen Sachen, zu nennen. Der damit angesprochene Eigentumsbegriff des bürgerlichen Rechts bezieht sich auf diese körperlichen Gegenstände (§§ 903, 90 BGB). Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht darüber hinaus. Er umfasst insbesondere die Rechte an Vermögensgegenständen, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um dingliche Rechte, Mitgliedschaftsrechte oder Forderungen handelt 74. Neben dem Eigentum an Immobilien und Mobilien fallen demnach auch Forderungsrechte und andere vermögenswerte Rechte, wie etwa gewerbliche Schutzrechte (Patente, Warenzeichen 75), Vorkaufsrechte 76 und das Besitzrecht des Wohnungsmieters 77, in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG. Auch das Anteilseigentum gewährt typisch eigentumsrechtliche Ausschlussrechte an den Gesellschaftsgütern zusammen mit anderen Eigentümern, z. B. über eine Aktie 78. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff reicht damit erheblich weiter als das zivilrechtliche Eigentum und erstreckt sich auch auf nicht körperlich greifbare vermögenswerte Rechtspositionen, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger privatnützig zugeordnet sind und als materiale Grundlagen der Persönlichkeitsentfaltung dienen 79. 3. Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb Als sonstiges Recht i. S. von § 823 Abs. 1 BGB ist auch der eingerichtete und ausgeübte Gewerbebetrieb von der Rechtsordnung anerkannt 80. Hierdurch soll die Fortsetzung der bisher rechtmäßig ausgeübten Tätigkeit auf Grund der schon getroffenen betrieblichen Dispositionen gesichert werden 81.

74

BVerfGE 45, 142 (179); 70, 248 (285); 78, 58 (71); 79, 174 (191). BVerfGE 51, 193 (216). 76 BVerfG 83, 201 (208 f.). 77 BVerfGE 89, 1 (7). 78 BVerfGE 50, 290 (339 ff.); 100, 289 (301 f.); BVerfG DStR 2000, S. 1659; R. Wendt, AöR 104 (1979), S. 442; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 112 (Das Eigentum an den Unternehmensgegenständen gehöre der Gesellschaft selbst); P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, V. 2. 79 BVerfGE 40, 65 (82 f.); 45, 142 (179); 69, 272 (300); 70, 278 (285); 83, 201 (208 f.); 97, 350 (371). 80 BGHZ 43, 359; 45, 296 (307); 92, 34 (37); BVerwGE 62, 224 (226); s. a. W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 108; H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rn. 95. 81 BGH, NJW 1969, S. 1207; NJW 1992, S. 41. 75

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

Die sich in einem eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellende Sach- und Rechtsgesamtheit des Einzelnen, die Unternehmensfreiheit, genießt verfassungsrechtlich nicht anders als das reine Sacheigentum den Eigentumsschutz des Art. 14 GG 82. Würde der Gewerbebetrieb als solcher keinen Eigentumsschutz erlangen, sondern nur die Rechte an den in ihm zusammengefassten Betriebsmitteln, so würde dies eine entscheidende Schutzabschwächung darstellen, indem eigentumsrechtlich die organische Betriebseinheit in einzelne Rechtspositionen aufgelöst wird. Dies betont Walter Leisner unter Hinweis darauf, dass der Wert des Betriebseigentums in der Regel gerade in der Zusammenfassung der Mittel und einer bestimmten Form ihres Einsatzes, nicht im einzelnen Grundstück oder Patent besteht 83. Da regelmäßig erst die Gesamtheit den besonderen Wert des Unternehmens ausmacht, geht der Schutz vielmehr über die Summe der ohnehin gewährleisteten Einzelrechte hinaus. Eigentum im Sinne von Art. 14 GG ist gerade auch das Produktivvermögen selbst, die Rechtsgesamtheit eines wirtschaftlichen Unternehmens, als Grundlage ökonomischer Tätigkeit. Das Unternehmenseigentum umfasst demnach neben dem zivilrechtlich verstandenen Eigentum auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als solchen 84. Der Gesetzgeber hat diese wesentliche Bedeutung des Eigentums zu berücksichtigen, die dem Grundrechtsträger das ungestörte Betreiben des Unternehmens gewährleistet und ihm ermöglicht, von der in dem Gewerbebetrieb verkörperten Organisation sachlicher und persönlicher Mittel bestimmungsgemäßen Gebrauch zu machen. Auf den Schutz des Gewerbebetriebs aus Art. 14 GG können sich seinem Wesen nach auch juristische Personen berufen (Art. 19 Abs. 3 GG) 85. Ein gleiches gilt für Personenhandelsgesellschaften, soweit die Eingriffe sich auf gesamthänderisch gebundenes Eigentum beziehen 86. Als Grundrechtsträger sind neben den Unternehmen und Unternehmern aber ebenfalls die Anteilseigner zu berücksichtigen 87 .

82 P. Badura, AöR 98, S. 11 ff.; K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 344; v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 274; F. Klein, BayVBl. 1980, S. 528; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 498; ders., in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rn. 95, 98; O. Depenheuer, in: H. v. Mangoldt / F. Klein, GG, Art. 14, Rn. 135; B. Schmidt-Bleibtreu, Steuerrecht unter Verfassungskontrolle, Tz. 178; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 215; offen in BVerfGE 1, 264 (277 f.); 45, 142 (173); 51, 193 (221 f.); 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); 77, 84 (118); 81, 208 (227 f.) vielleicht wegen Überschneidung von Art. 12 und 14 GG. 83 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 109 f. 84 G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 119. 85 BVerfGE 1, 264 (277). 86 BVerfGE 4, 7 (17). 87 G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 119; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 789.

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte

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4. Öffentliches Recht und Privatrecht a) Zusammenwirken von öffentlichem Recht und Privatrecht Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums gegen Entzug und Belastung schließt eng an das Sachenrecht an 88. Dem Eigentum im Sinne des Verfassungsrechts sind zunächst, wie vorstehend beschrieben, die vermögenswerten Rechte des Privatrechts zuzurechnen. Die Inhalts- und Schrankenbestimmung ist nicht auf eine Regelung nur im Verhältnis des Eigentümers zur öffentlichen Gewalt verwiesen 89. Ihr Wesen liegt gerade darin, der horizontalen Abgrenzung privatrechtlicher Befugnisse zu dienen und Interessenkonflikte zwischen Privaten zu entscheiden 90. Der durch das Bürgerliche Gesetzbuch auf private Beziehungen eingeengte Eigentumsbegriff bestimmt aber nicht allein den Eigentumsbegriff des grundgesetzlichen Eigentumsgrundrechts und beinhaltet demnach keine abschließende Regelung von Inhalt und Schranken des Eigentums 91. Der Eigentumsbegriff ist zwar zunächst ein wesentliches Element der Abgrenzung der Vermögenssphären der Menschen untereinander, von Mein und Dein. Die Gewährleistung des Eigentums im Sinne des Grundgesetzes ist jedoch seinem Wesen nach ein Abwehrrecht des Inhabers gegenüber Einschränkungen durch die öffentliche Gewalt. Demnach kann auch sein Inhalt nicht nur aus dem zivilrechtlichen Eigentumsverständnis abgeleitet werden. Das Privatrecht hat nur die Verhältnisse zu regeln, in welchen die Privatpersonen untereinander stehen, die Rechtssphären der Einzelnen gegeneinander abzugrenzen; in § 903 BGB ist nicht die Einordnung des Eigentümers in die Rechtsgemeinschaft abschließend normiert. Die Formel des § 903 BGB ist zwar Grundlage der verfassungsrechtlichen Lehre vom Eigentum, auf der der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff aufbaut 92. Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff reicht vom Regelungsbereich her aber erheblich weiter als das zivilrechtliche Eigentum. Im sozialen Leben der Rechtsgemeinschaft sind Regeln über die Beziehungen zur Allgemeinheit erforderlich. Da die Verfügungsrechte des Eigentümers nach § 903 BGB auch durch die Sozialbindung beschränkt werden können, ist es demnach ein gleichrangiges Zusammenwirken von bürgerlichem und öffentlichem Recht im Bereich der Eigentumsordnung, das den Umfang der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung 88

W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 102. H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 93. 90 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 749; H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 93. 91 BVerfGE 58, 300 (335 f.); H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 87; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 749. 92 H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 88; BVerfGE 58, 300 (334). 89

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

definiert, die verfassungsrechtliche Rechtsstellung des Eigentümers bestimmt 93. Welche Befugnisse einem Eigentümer in einer bestimmten Lage zustehen, folgt aus einer Zusammenschau aller in dieser Lage geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften. Dieser Bestand an Normen beschreibt das grundgesetzliche Eigentum 94. Die vom Gesetzgeber auf der Ebene des objektiven Rechts geschaffenen Rechtssätze, die die Rechtsstellung des Eigentümers begründen und ausformen, können privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Natur sein. Art. 14 GG gewährleistet Gegenstand und Umfang des Individualeigentums so, wie es sich aus der Gesamtheit der verfassungsmäßigen Gesetze bürgerlichen und öffentlichen Rechts i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ergibt 95. Der eigenständige Verfassungsbegriff des Eigentums ist also nicht einfach der des bürgerlichen Rechts, sondern das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG wird auch durch öffentliches Recht bestimmt. Art. 14 GG schützt nicht nur das Privateigentum, sondern das auch öffentlich-rechtlich geregelte Eigentum Privater 96. Das Eigentum als Menschenrecht des Individuums gegenüber dem Staat kann eben nicht nur aus dem Eigentumsverständnis des Zivilrechts abgeleitet werden 97. Dabei werden dem öffentlichen Recht insbesondere die im allgemeinen Interesse erforderlichen Beschränkungen überantwortet. Beispielsweise sind die aus dem Polizei- und Ordnungsrecht hervorgehenden Erfordernisse der Gefahrenabwehr dem Eigentum auferlegte Bestimmungen der Rechtsausübung 98. In welchem Maße ein Eigentumsrecht genutzt werden kann, hängt vielfach auch von öffentlichrechtlichen Vorschriften des Verwaltungsrechts ab, die öffentliche und soziale Erfordernisse gegenüber dem Eigentümer zur Geltung bringen 99. Öffentliche Begrenzungen als Elemente des Eigentumsbegriffs sind aber insbesondere auch steuerrechtlicher Natur. b) Öffentliche Rechte Zunächst wurden die öffentlich-rechtlichen Ansprüche aus dem Schutzbereich von Art. 14 GG herausgenommen 100. Für den ganz überwiegenden Teil der Men93

W. Böhmer, NJW 1988, S. 2568. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 1.; BVerfGE 26, 215 (222); 50, 290 (340); 58, 300 (336); 74, 129 (148). 95 P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 651; BVerfGE 58, 300 (335 f.); 74, 129 (148). 96 BVerfGE 61, 82 (100 f.); O. Depenheuer / B. Grzeszick, NJW 2000, S. 388. 97 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 110. 98 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 3. 99 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 1. 100 BVerfGE 1, 264 (276 f.); 2, 380 (399 f.). 94

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte

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schen kann jedoch Sacheigentum allein Daseinssicherung und Altersvorsorge nicht mehr leisten. Da diese Aufgabe jetzt typischerweise durch vom Arbeitsverhältnis abgeleitete arbeits- und sozialrechtliche Rechtstitel erfüllt wird, wurde der Eigentumsschutz dahingehend erweitert, dass nunmehr grundsätzlich auch subjektive vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts in den Grundrechteschutz einbezogen sind 101. Demnach war es bald ständige Rechtsprechung, dass öffentlich-rechtliche Rechtspositionen in den Gewährleistungsbereich einbezogen werden, wenn deren Erwerb auf einer eigenen Leistung beruht und die vom öffentlichen Recht vermittelte Rechtsposition der eines Eigentümers entspricht oder nahe kommt 102. Die Einbeziehung vermögenswerter subjektiver Rechte des öffentlichen Rechts in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentum hängt sonach insbesondere davon ab, in welchem Umfang sich das betreffende Recht ausschließlich auf eine staatliche Gewährung zurückgeht oder als Äquivalent eigener Leistung des Berechtigten erweist (Leistungseigentum) 103. Eigentumsschutz wird grundsätzlich nicht für solche öffentlich-rechtlichen Leistungen gewährt, bei denen keinerlei eigene Leistung des Empfängers hinzutritt 104. Je höher dabei der Anteil eigener Leistung ist, desto stärker tritt der verfassungsrechtlich wesentliche personale Bezug hervor. Der Staatszuschuss zu den Einzahlungen des Arbeitnehmers und Arbeitgebers in die Rentenversicherung etwa ist eine soziale Gegenleistung, die zur Leistung der Versicherten nur hinzutritt 105. Auch für eine Steuervergünstigung als subjektives öffentliches Recht im Sinne von Art. 14 GG ist Voraussetzung, dass sie sich als Folge eigenen Arbeits- oder Kapitaleinsatzes darstellt 106. Dieses Leistungskriterium erfährt allerdings im Rahmen des Bedarfseigentums Einschränkungen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit es nicht mehr zulässt, auf die Arbeitsleistung als wesentlichem Prinzip der Zuteilung des Eigentums zurückzugreifen 107. Unabhängig von seiner Arbeit oder seiner sonstigen Leistung muss jedem Menschen Eigenes als Recht zuge-

101 BVerfGE 40, 65 (84); 53, 257 (294); 69, 272 (300); K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 775 ff.; H. Sendler, DÖV 1974, S. 75 ff. 102 BVerfGE 4, 219 (Ls. 3); 11, 221 (226); 12, 264 (278, 279); 14, 288 (294); 15, 167 (200); 22, 241 (253); 69, 272 (300); s. a. B.-O. Bryde, in: I. v. Münch, GG, Art. 14, Rn. 25; nicht bei Genehmigungen, W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 110; Rn. 166 f.: kritisch gegenüber Sozialbindungs/Solidarvorbehalt. 103 BVerfGE 18, 392 (397); 24, 220 (225 f.); 48, 403 (412 f.); 53, 257 (291 f.); W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 120 f. 104 BVerfGE 72, 175 (195). 105 BVerfGE 69, 272 (300). 106 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 189; B. Schmidt-Bleibtreu, BB 1980, S. 57. 107 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 779 f.

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

messen werden, welches ihm die Möglichkeit der Willensautonomie gibt und darum seiner Würde gemäß ist 108. Wenn der Eigentumsschutz ein Stück Freiheitsschutz enthält, insofern er dem Bürger die wirtschaftlichen Voraussetzungen einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung sichert, so muss er sich folglich auch auf die öffentlich-rechtlichen Berechtigungen erstrecken, auf die der Bürger in seiner wirtschaftlichen Existenz zunehmend angewiesen ist 109. Alle Werte, welche der Existenzsicherung dienen können, sind demnach eigentumsfähig und genießen, nachdem sie erworben wurden, als Sicherungseigentum Schutz 110. Der Sozialhilfeanspruch ist allerdings auf das menschenwürdige Minimum, freiheitsbegründendes Mindesteinkommen, zu begrenzen 111. Denn das Prinzip der Selbständigkeit macht jeden Bürger dafür verantwortlich, dass er die Chancen der Eigentumsverteilung, welche die allgemeinen Gesetze geben, insbesondere durch eigene Leistung nutzt. Auch das Bundesverfassungsgericht ist der Ansicht, allerdings unter Verwendung auch des Leistungskriteriums, dass im Rahmen des Sozialversicherungsrechts nur einigermaßen verfestigte Positionen als grundgesetzliches Eigentum erscheinen. Für die Einstufung als vermögenswerte Rechte i. S. von Art. 14 GG müssten sie dem Berechtigten folglich ebenso ausschließlich wie Sacheigentum zur privaten Nutzung und zur eigenen Verfügung zugeordnet sein 112. Eigentum erfordere bei einer sozialversicherungsrechtlichen Anwartschaft daher neben dem Leistungskriterium, dass sie als wichtige Grundlage der Daseinssicherung des Berechtigten zu dienen bestimmt ist, d. h. der Versicherte sie zu seiner existentiellen Vorsorge rechnen kann 113. 5. Dynamik im Eigentumsbegriff Beim Bundesverfassungsgericht ist zudem eine deutliche Betonung eines offenen Begriffs des Eigentums zu bemerken 114. Das Gericht ging von einem allzu statischen Denken zu einer dynamischen Betrachtungsweise der Eigentumsverfassung über und lässt sich nicht mehr so sehr von einem zivilistisch geprägten

108

K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 767 f. G. Dürig, AöR 81 (1956), S. 143; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 768; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 340 mit Differenzierung zwischen Markt/Leistungs- und Sozialeinkommen als kein Eigentum (S. 342 f.). 110 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 90; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 767 ff. 111 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 772. 112 BVerfGE 48, 403 (412); 53, 257 (289); 89, 1 (6); 89, 272 (300). 113 BVerfGE 69, 272 (300). 114 BVerfGE 24, 367 (400); 31, 248 (251). 109

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte

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Unabänderlichkeitsdenken leiten. Nach seiner ständigen Rechtsprechung ist für den Eigentumsbegriff des Grundgesetzes das Rechtsinstitut des Eigentums maßgebend, so wie es die Rechtsordnung und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben 115. Damit existiert kein absoluter verfassungsrechtlicher Begriff des Eigentums, sondern es ist eine Entwicklung im Verständnis der Eigentumsgewährleistung vorhanden, die dem Wandel der Eigentumsauffassung Rechnung trägt 116. Auf den Umstand, dass der Inhalt und die Grenzen des Eigentums nicht ein für allemal etwas Feststehendes und Starres sind, sondern dass sie dem Wandel der jeweiligen gesellschaftlichen Verhältnisse und sozialen Anschauungen unterliegen, weist auch das Grundgesetz selbst hin, indem es, ebenso wie die Weimarer Verfassung eine Sozialbindung des Eigentums enthält und für die Festlegung des Inhalts den Gesetzgeber für zuständig erklärt 117. Die Inhaltsbestimmung des Eigentums durch den einfachen Gesetzgeber ist hierfür das als Korrektiv wirkende Element der Eigentumsverfassung. Diese Vorschrift gibt dem Gesetzgeber auch die Befugnis, den Inhalt neuer Rechte zu bestimmen, also solche Rechte zu begründen, die die Gesetze bisher nicht kannten. Inhalt und Schranken des Eigentums sind somit von der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung und von den dominierenden Anschauungen über die gerechte Sozialordnung abhängig 118. Die Eigentumsgewährleistung entfaltet eine unterschiedliche Intensität, erzeugt jedenfalls keine statische Wirkung, sondern kann in einem dynamischen Prozess die Bedeutung wiederholt neu festlegen 119. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich die Bedeutung der Inhaltsbestimmung nicht in der Schaffung neuen Eigentums erschöpft. So führt das Bundesverfassungsgericht aus: „Sie ermächtige den Gesetzgeber auch, in bereits begründete Rechte einzugreifen und diesen einen neuen Inhalt zu geben, d. h. unter Aufrechterhaltung des Zuordnungsverhältnisses neue Befugnisse und Pflichten festzulegen. Die Eigentumsgewährleistung und das konkrete Eigentum sollen keine unüberwindliche Schranke für die gesetzgebende Gewalt bilden, wenn Reformen sich als notwendig erweisen. Der Gesetzgeber sei nicht vor die Alternative gestellt, die nach dem bisherigen Recht begründeten subjektiven Rechte entweder zu belassen oder unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG zu enteignen; er könne individuelle Rechtspositionen umgestalten, ohne damit gegen die Eigentumsgewährleistung zu verstoßen“ 120. Die Eigentumsgewährleistung sichert demnach kei115

BVerfGE 1, 264 (278); 24, 367 (389); 65, 196 (209); H. Sendler, DÖV 1974, S. 80. M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 86 f.; H. Sendler, DÖV 1974, S. 75, 85; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 747 ff. 117 K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 24. 118 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 1. 119 H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 156. 116

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B. Inhalt der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung

neswegs die Aufrechterhaltung der zur Zeit des Inkrafttretens des Grundgesetzes bestehenden Rechtssätze über den Inhalt und die Schranken des Eigentums, die Unantastbarkeit einer Rechtsposition für alle Zeiten; sie besage auch nicht, dass jede inhaltliche Veränderung einer geschützten Rechtsposition unzulässig wäre, sondern der Gesetzgeber ist berechtigt, das Eigentum neu zu definieren, d. h. inhaltlich neu zu bestimmen und dem Eigentum neue Schranken zu ziehen 121. Die konkreten, dem einzelnen Eigentümer zugeordneten und durch die Verfassung gewährleisteten Rechte unterliegen nach Maßgabe des Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG der Disposition des Gesetzgebers. Dies bringt das Bundesverfassungsgericht auch mit dem Satz zum Ausdruck, „Inhalt und Bedeutung des Eigentums sind der Anpassung an die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse fähig und bedürftig“ 122. Der eigentumsrechtliche Bestandsschutz sichert das Eigentum also nicht als umfassendes Nutzungs- und Verfügungsrecht derart, dass alle rechtlich oder technisch denkbaren Gebrauchs-, Nutzungs- oder Verfügungsmöglichkeiten gestattet, jede denkbare rechtliche Verwertungsmöglichkeit zugelassen oder der jeweilige Wert oder Ertrag erhalten werden müssten 123. Der Gesetzgeber trifft in dieser Hinsicht nicht auf einen unangreifbaren Bestand verfassungsrechtlicher Qualität 124. Der Grundsatz, dass die sich als notwendig erweisende Fortentwicklung des Rechts Sache der politischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist, gilt demnach auch gegenüber den bestehenden Rechten der Eigentümer 125. Diese Rechte sind nicht schlechthin unantastbar oder keiner inhaltlichen Veränderung zugänglich 126. Der Gesetzgeber darf bestehende Rechte inhaltlich umformen und auch schmälernd in bestehende Rechte eingreifen, sofern die Rechtsbeeinträchtigung einer sachlich begründeten Zielsetzung des öffentlichen Interesses dient, zur Erreichung dieses Ziels erforderlich und nach Art und Ausmaß verhältnismäßig ist 127. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes kann dabei je nach den Umständen angemessene und zumutbare Übergangsregelungen erzwingen 128.

120

BVerfGE 31, 248 (251). BVerfGE 24, 367 (389); zum Vertrauensschutz und zur Rückwirkung im Steuerrecht auch BVerfG, NJW 1998, S. 1547; P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 652. 122 BVerfGE 24, 367 (389). 123 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 3. 124 P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 652; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 3. 125 BVerfGE 31, 275 (284 ff.); 36, 281 (293); 42, 263 (294); 58, 300 (351); 83, 201 (208 f.); P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, III. 1. 126 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, III. 1. 127 BVerfGE 36, 281 (293); 42, 263 (294); 49, 382 (392 f.); 70, 191 (200 f.); H. Sendler, DÖV 1974, S. 81 f. 128 BVerfGE 31, 275 (293); 58, 81 (121). 121

IV. Gewährleistung konkreter Eigentumsrechte

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Die Eigentumsgewährleistung ist demnach mit einer Hypothek des wandlungsfähigen Inhalts und der Anpassungsbedürftigkeit an die gesellschaftlichen Verhältnisse belastet 129. Gegenüber anderen Grundrechten, die einen festeren Bestand aufweisen und auf eine stetige Entwicklung zurückblicken können, ist der Schutz des Eigentums also in weit höherem Maße vom Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse abhängig 130.

129 130

H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 63 f. H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 63 f.

C. Steuererhebungsrecht Nachdem der gegenüber der Steuergewalt bestehende Gewährleistungsbereich des Eigentums beschrieben wurde, ist im Folgenden das Steuererhebungsrecht selbst verfassungsrechtlich zu begründen. Hierzu soll zunächst der Steuerbegriff des Grundgesetzes dargestellt werden

I. Verfassungsrechtlicher Steuerbegriff Der Text des Grundgesetzes selbst enthält keine nähere Bestimmung des Begriffs der Steuer. Auf einfachgesetzlicher Ebene findet sich aber in § 3 Abs. 1 AO eine Legaldefinition. Steuern sind danach Geldleistungen 1, denen keine Gegenleistung entspricht und die aufgrund eines Tatbestandes hoheitlich auch zur Erzielung von Einnahmen auferlegt werden 2. Die Gegenleistungsfreiheit grenzt die Steuern insbesondere von Beiträgen und Gebühren ab, die für die mögliche oder tatsächliche Inanspruchnahme einer staatlichen Leistung erhoben werden. Die zur Finanzierung der staatlichen Aufgabenerfüllung im Interesse der Allgemeinheit erhobenen Steuern bedürfen damit keiner Rechtfertigung durch eine der Steuerbelastung korrespondierende staatliche Leistung 3. Dabei führt auch nicht der gegebenenfalls mit einer Steuer verfolgte Zweck zu einer Gegenleistung i. S. eines Austauschverhältnisses. Soweit gleichzeitig wirtschafts- und sozialpolitische Motive mit der Abgabenerhebung verfolgt werden, schließt dies die Qualifizierung als Steuer nicht aus 4. Wenn das Wesen der Steuer dadurch gekennzeichnet ist, dass sie dem Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben dient, so verlangt dies vielmehr, dass nicht jede andere Zweckbestimmung unzulässig wäre. Es ist kaum denkbar, eine Steuer so auszugestalten, dass sie nicht mindestens mittelbar wirtschafts- und sozialpolitische Auswirkungen hätte 5. Der Staat bedient sich der Steuer demnach nicht nur als Mittel der Geldbeschaffung, sondern

1 Eine befremdliche Ausnahme findet sich in § 224a AO, wonach auch Kunstgegenstände zur Begleichung von Steuerschulden an Zahlungs Statt hingegeben werden können. 2 Von öffentlich-rechtlichem Gemeinwesen typischerweise durch den Steuerbescheid als Verwaltungsakt; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 31; Grundlage ist der auf Otto Mayer zurückgehende Steuerbegriff des § 1 RAO. 3 J. Isensee, in: FS für H. P. Ipsen, S. 416; M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 78; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 16; K. Tipke / J. Lang, § 3 Rz. 14. 4 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 18 f.

I. Verfassungsrechtlicher Steuerbegriff

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ebenfalls als Werkzeug zur Ordnung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Auch die Verfolgung anderer Gemeinwohlinteressen neben der Einnahmeerzielung des Staates kann somit die Abgabeverpflichtung rechtfertigen. Insbesondere zum Zwecke der Wirtschaftslenkung und Konjunktursteuerung sowie mit dem Ziel einer gewissen Vermögensumverteilung kann der Staat etwa an den Erträgen aus der Eigentumsnutzung partizipieren 6. Nicht entscheidend dafür, ob es sich um eine Steuer oder andere Abgabe handelt, ist die Klassifizierung oder Bezeichnung durch den einfachen Gesetzgeber 7. Auch die haushaltsmäßige Behandlung ist unmaßgeblich. Der Steuerbegriff ist ein objektiver, der nicht dem, gegebenenfalls von Kompetenzüberlegungen getragenen, Willen des Gesetzgebers zur Disposition steht 8. Es ist aus der Begriffsdefinition heraus zu bestimmen, ob von einer Steuer auszugehen ist oder nicht 9. Es kommt demnach auf den materialen Gehalt der Geldleistungspflicht an 10. Teilweise wird vertreten, man kann den insoweit maßgeblichen Steuerbegriff der Abgabenordnung nicht als den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff verstehen. Dieser sei vielmehr entwicklungsoffen 11. Dem ist zuzugestehen, dass grundgesetzliche Begriffe nicht durch einfaches Recht bestimmt werden können. Formelles Verfassungsrecht außerhalb des Grundgesetzes ist nicht möglich (Art. 79 Abs. 2 GG). Eine einfachgesetzliche Bestimmung kann demnach den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff nicht regeln. Doch geht das Grundgesetz hier wie in vielen anderen Bestimmungen von einem vorgegebenen Begriff aus, ohne dass dieser selbst zu formellem Verfassungsrecht wurde 12. Die Verfassungsnormen werden vielmehr durch die einzelnen Gesetze ausgefüllt. Auch bleibt offen, inwiefern sich die Begriffe wesentlich unterscheiden sollen. Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff stimmt demnach grundsätzlich mit der Begriffsbestimmung der Steuer nach § 3 Abs. 1 AO überein 13. Diese Vorschrift bildet die mangels entsprechender Abweichungen maßgebliche Grundlage für den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff 14. Die abgabenrechtliche Regelung bleibt aber wegen des Vorrangs der Verfassung nur Ansatzpunkt und wichtigstes Ausle5 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 35, 41 f. mit Hinweis auf das Stabilitätsgesetz. 6 K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 523 m. w. N.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 33 f.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 83; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 499; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 48 f. 7 BVerfGE 55, 274 (304 f.). 8 BVerfGE 3, 407 (435); 7, 244 (251); P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 17 f. 9 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 17 f. 10 BVerfGE 55, 274 (304 f.). 11 v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 270. 12 Z. B. Begriff der „Ehe“ in Art. 6 GG, aber etwa auch die Begriffe „Währungs- und Notenbank“ oder „Rechnungsprüfung“ werden vom jeweiligen Fachgebiet näher bestimmt. 13 F. Klein, BayVBl. 1980, S. 530; K. Tipke / J. Lang, § 3 Rz. 10.

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C. Steuererhebungsrecht

gungskriterium im Rahmen der eigenständigen Ableitung des Steuerbegriffs des Grundgesetzes aus der Verfassungsordnung 15. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in ständiger Rechtsprechung den legaldefinierten Steuerbegriff zur Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs übernommen 16. Das Bundesverfassungsgericht spricht sogar davon, dass das Grundgesetz denselben Steuerbegriff wie die Abgabenordnung verwendet 17.

II. Begründung der Steuerpflicht Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Begründung des Steuererhebungsrechts wird angeführt, das Grundgesetz setze das Anfordern von Geld im Wege der Abgabenerhebung durch den Staat und andere öffentlich-rechtliche Gemeinwesen voraus; das Erheben von Abgaben werde durch einen ungeschriebenen Verfassungssatz stillschweigend sanktioniert 18. Die Abgabenhoheit gehöre als prägendes Merkmal zum Wesen des Staates und verleiht Finanzgewalt über die im Staatsgebiet befindlichen Personen und Sachen 19. Es ergebe sich nur aus dem Gebot der Rechtssicherheit, dass es der gesetzlichen Festlegung der Besteuerung als Begrenzung des Eigentumsschutzes überhaupt bedürfe 20. Anders als die Weimarer Reichsverfassung in Art. 134 enthält das Grundgesetz zwar keine ausdrückliche Bestimmung der Ermächtigung zur Steuererhebung. Im Verfassungsauftrag zur Errichtung einer Eigentumsordnung allein können Steuereingriffe jedoch nicht gerechtfertigt werden. Eine Steuerpflicht als eigenständige ungeschriebene Grundpflicht für bestimmte Steuern ist dem Grundgesetz im Zweifel nicht zu entnehmen 21. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Rechtsgrund14 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 184, Fn. 33; aA H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 311, Fn. 99. 15 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 30 f., 36 ff.: aus Begriff keine Beschränkung der Steuergewalt; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 15 m. w. N., 20. 16 BVerfGE 3, 407 (435); 7, 244 (251); 29, 402 (408 f.); 36, 66 (70); 38, 61 (79 f.); 42, 223 (227 f.); 49, 343 (353); 84, 239 (269). 17 BVerfGE 3, 407 (435); 7, 244 (251). 18 F. Klein, StuW 1966, S. 459, 481; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 82, 89; kritisiert von W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 184 f., und J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 29 f. 19 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 48 m. w. N. 20 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 290. 21 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 158 ff.

II. Begründung der Steuerpflicht

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lagen. Diese ergeben sich neben der Sozialbindung des Eigentums auch aus dem Finanzierungsbedarf des Sozialstaats, der strukturellen Privatnützigkeit des Eigentums und den Steuerkompetenznormen der Art. 105 f. GG 22. Die verfassungsmäßige Ermächtigung, auf dem Weg der Steuergesetzgebung in das Eigentum des Einzelnen einzugreifen, d. h. aufgrund von Gesetzen durch einen Hoheitsakt eine Geldleistungspflicht zu begründen, ergibt sich damit insbesondere aus der Gegenüberstellung von Art. 14 GG einerseits und Art. 105 GG andererseits 23. 1. Sozialbindung des Eigentums Gemäß Art. 14 Abs. 2 GG kann der Eigentümer nicht unbeschränkt über sein Eigentum verfügen, sondern ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Die Gesamtheit der in den gesetzlichen Normen i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sichtbar werdenden Beschränkungen der Dispositions- und Nutzungsbefugnisse des Eigentums spiegelt diese Gemeinwohlorientierung wider und lässt sich in den Begriffen der Sozialbindung oder Sozialpflichtigkeit zusammenfassen 24; sie ziehen der umfassenden Gebrauchs- und Verfügungsbefugnis des Eigentümers allgemein geltende Grenzen; diese werden sodann von Exekutive und Judikative im Einzelfall konkretisiert 25. Vereinzelt wird versucht, die Sozialbindung und damit die Steuerpflicht getrennt von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu sehen 26. Die Sozialgebundenheit des Eigentums bestehe unabhängig von den inhalts- und schrankenbestimmenden Gesetzen 27. Sie werde vom einfachen Gesetzgeber nicht geschaffen, sondern in Art. 14 Abs. 2 GG als immanent vorgefunden. Es gebe demnach nur ein von vornherein sozialgebundenes Privateigentum. Zumindest in formeller Hinsicht wird damit das Verhältnis von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 Abs. 2 GG verkannt. Der oben beschriebene einheitliche Regelungsvorbehalt der Inhalts- und Schrankenbestimmungen setzt sich im Verhältnis zu Art. 14 Abs. 2 GG fort 28. Dies lässt sich dadurch kennzeichnen, dass Art. 14 22 K. Vogel, HbStR I, § 27, Rn. 52, 59; ders., Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 638; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 232 ff.; v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 268; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 161 f. 23 S. a. M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 62; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 10 ff., 63, 71 ff. 24 BVerfGE 20, 351 (356); auch K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 774; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (791). 25 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 133. 26 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 1.; J. Wieland, in: H. Dreier, GG, Art. 14, Rn. 81 f.; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch, GG, Art. 14, Rn. 68. 27 O. Kimminich, BK, GG Art. 14, Rn. 174 ff.

38

C. Steuererhebungsrecht

Abs. 1 Satz 2 GG durch Art. 14 Abs. 2 GG in eine bestimmte Richtung gewiesen wird, nämlich die gesellschaftliche Struktur mit dem Ziel größerer sozialer Gerechtigkeit zu verändern 29. Art. 14 Abs. 2 GG richtet demnach die gesetzliche Inhaltsbestimmung des Eigentums aus; er determiniert die öffentlichen Interessen, aus denen Regelungen nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG motiviert und legitimiert werden können 30. Art. 14 Abs. 2 GG dirigiert den Regelungscharakter des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (Direktivenwirkung) 31. Beide Sätze des Art. 14 Abs. 2 GG sind als Ermächtigung des Gesetzgebers aufzufassen, dass das Sozialprinzip positivlösend den Weg der Gesetzgebung bestimmt. Die Verpflichtung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 GG meint die Sozialbindung als die Gesamtheit der Schranken des Eigentums, wie sie durch die allgemeinen Gesetze formuliert sind (Gesetzlichkeit) 32. Die Sozialbindung in Art. 14 Abs. 2 GG erstreckt sich dabei nicht nur auf Nutzungsbeschränkungen, sondern wird auch durch Lasten geltend gemacht. Bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums kann also nicht nur ein Dulden oder Unterlassen von Eigentümern verlangt werden, sondern auch ein positives Tun. Hiermit hat der Gesetzgeber eine erhebliche Befugnis zur Einwirkung auf das private Eigentum und Vermögen des Einzelnen erhalten 33. Das Eigentum kann zudem nicht nur durch die allgemeine Gesetzgebung, sondern auch durch Steuergesetze Einschränkungen erfahren. Gemäß Art. 14 Abs. 2 GG muss sich der einzelne Bürger im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums daher ebenfalls die Besteuerung der Einnahmen oder des Gewinns gefallen lassen 34. Die Ermächtigung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zur gesetzlichen Bestimmung des Eigentumsinhalts berechtigt damit grundsätzlich zur steuergesetzlichen Deckung des allgemeinen staatlichen Finanzbedarfs. Die Freiheit zu privatnützigen Eigentümerhandeln ist also durch eine allgemeine Steuerbarkeit des Eigentumsgebrauchs gebunden 35. Die Pflicht zur Steuerzahlung des Einzelnen ist demnach Ausfluss der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14

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R. Seer, FR 1999, S. 1284; i. d. S. auch BVerfGE 50, 290 (340). K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 781; H. Limpens, Funktion und Grenzen der Inhaltsbestimmung des Eigentums, S. 146. 30 H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 93 ff. 31 Zum Verhältnis zwischen Art. 14 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 Abs. 2 GG s. a. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 75. 32 BVerfGE 20, 351 (356); so auch K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 765 f., 774. 33 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 123 f. m. w. N. 34 BVerfGE 31, 8 (32); 38, 61 (102); H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 498 f.; ders., DVBl. 1980, S. 787 (791). 35 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 281 ff. 29

II. Begründung der Steuerpflicht

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Abs. 2 GG. Der Eigentumsschutz wird durch die Besteuerung begrenzt 36. Daher bewegt sich der Gesetzgeber, der die Einnahmen oder die Gewinne seiner Bürger aus der Nutzung ihres Eigentums besteuert, grundsätzlich im entschädigungs- und ausgleichsfreien Regelungsbereich, weil er die Sozialpflichtigkeit des Eigentums aktualisiert. Damit sind der Steuerstaat und die Sozialbindung begrifflich keine Gegensätze, sondern ergänzen einander 37. 2. Finanzierungsbedarf des Staates Auch wegen der Gemeinwohlorientierung der staatlichen Aufgaben ist es nahe liegend, das Steueraufkommen aus Mitteln zu finanzieren, die von der Allgemeinheit erbracht werden. Ist ein Staat von Verfassungs wegen berechtigt und verpflichtet, die Staatszwecke zu verwirklichen, so müssen für ihn auch das Recht und gegebenenfalls sogar die Pflicht begründet sein, sich die notwendigen Mittel für die zu verwirklichenden Staatszwecke zu beschaffen 38. Man kann nicht annehmen, das Grundgesetz habe dem Staat verboten, seine Bürger in die Finanzierung der Staatsaufgaben einzubeziehen; denn damit würde man dem Staat seine finanzielle Grundlage entziehen 39. Das Eigentum verpflichtet vielmehr dazu, den Staat durch Zahlung von Steuern in die Lage zu versetzen, die öffentlichen Aufgaben, die ja im Interesse jedes Einzelnen liegen, zu erfüllen 40. Der Sozialstaat kann nur verteilen, was er als Steuerstaat eingenommen hat; er ist unausweichlich auf den Steuerstaat angewiesen 41. Die Verwirklichung des in Art. 20 Abs. 1 GG enthaltenen Sozialprinzips muss sich also des Instruments der Steuer bedienen 42.

36 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 290; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz 1973, S. 24–26; ders. StuW 1975, S. 357 (359); H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (788). 37 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 132 f.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 231, andererseits S. 226: „Die Steuer gelte nach herrschender Auffassung begrifflich überhaupt nicht als rechtliche Sozialpflichtigkeit, weil sie nicht das Eigentum, sondern den Eigentümer trifft“. 38 F. Klein, StuW 1966, S. 480; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 82; M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 78 f., die die Steuerrechtfertigung gleichheitsrechtlich begründet. 39 F. Klein, StuW 1966, S. 480; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 82. 40 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 124 f. m. w. N., 132. 41 K. Tipke, Steuerrechtsordnung I, § 8 1.; J. Isensee, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, S. 410; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 129 f. m. w. N. 42 BFH BStBl III 1963, S. 415 f.; zum sozialstaatlichen Prinzip bei Steuern s. a. K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 67; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 153 f.; W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 230; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 132 f.

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C. Steuererhebungsrecht

Wegen der Verknüpfung von Privateigentum und individueller Wirtschaftsfreiheit einerseits, bedarfsdeckender Partizipation des Steuerstaates andererseits, ist die Abgabenerhebung zum Zwecke der Befriedigung des staatlichen Finanzbedarfs damit prinzipiell als gerechtfertigt zu erachten 43. Der Staat darf durch Besteuerung des Eigentums die Geldmittel erheben, die er zur Finanzierung der entstehenden Aufwendungen braucht, um einen wirksamen Schutz von Freiheit und Eigentum zu gewährleisten 44. Gerade auch diese Gewährleistung grundrechtlich geschützten Handelns für die Bürger setzt die Finanzierung des notwendigen Staatsbedarfs durch Steuerleistungen der Bürger somit voraus 45. Der Staat, der das private Eigentum anerkennt und schützt, muss am Ertragswert des privaten Eigentums teilhaben dürfen 46. Er ist darauf angewiesen, Ergebnisse privater Wirtschaftstätigkeit abzuschöpfen, um seine verfassungsmäßigen Aufgaben als Sozialstaat, neben seiner Schutz- und Gewährleistungsaufgabe als Rechtsstaat, erfüllen zu können. Er muss Steuerstaat sein, damit er Rechtsund Sozialstaat sein kann. Die Steuerhoheit, die Befugnis zur zwangsweisen Auferlegung von Steuerpflichten zur Deckung des erforderlichen staatlichen Finanzbedarfs, ist daher vom modernen Staat nicht zu trennen, sondern mit seiner Anerkennung zwingend verbunden 47. Die Steuerpflicht ist zur Finanzierung der allgemeinen öffentlichen Aufgaben eine unverzichtbare Grundbedingung der modernen staatlichen Existenz. Die Steuer erklärt sich insoweit doch als eine Art Gegenleistung für die Leistungen des Staates 48. 3. Privatnützigkeit des Eigentums Paul Kirchhof ergänzt aber zu Recht, dass das Finanzierungserfordernis legitimer Staatsaufgaben nicht begründet, warum diese Geldmittel gerade mit dem Instrument der Besteuerung erhoben werden sollen, warum also von der Finanzierungsaufgabe auf die Besteuerungsbefugnis geschlossen werden dürfe 49. Die 43 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 143, nur besondere Rechtfertigung der Lenkungsteuern; DVBl. 1980, S. 789. 44 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 289; H. Sendler, DÖV 1971, S. 22; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 24. 45 K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 3; P. Kirchhof , VVDStRL (1981), S. 232 f.; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 289. 46 D. Birk, StuW 1980, 361. 47 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 32. 48 R. Seer, FR 1999, S. 1284; P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 28; ders., in: DStJG 15 (1993), S. 21; teilweise werden die Begriffe Parasit, Prämie, Preis, conditio sine qua non verwandt.

II. Begründung der Steuerpflicht

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Existenz des Staates und die Erfüllung seiner Aufgaben könnte ebenso durch die Erträge aus staatseigener Erwerbswirtschaft, vorübergehend auch durch Kredit oder staatliche Geldabschöpfung finanziert werden. Mit Paul Kirchhof ist daher zu berücksichtigen, dass Steuern nicht Gegensatz, sondern finanzstaatliche Voraussetzung für privates Eigentum sind 50. Denn jeder Staat braucht Verfügungsgewalt über Finanzmittel zur Erfüllung seiner Aufgaben. Auf der anderen Seite sichert aber Art. 14 GG dem Eigentümer Möglichkeiten für eigenverantwortliche Betätigungen, d. h. seine persönlichen Anliegen nach eigenen Entscheidungen wirtschaftlich zu erfüllen. Diese Privatnützigkeit des Eigentums, die die Befriedigung des Eigenbedarfs aus eigenem Vermögen dem Eigentümer vorbehält, ist aber der wesentliche Inhalt des Eigentums. Der Staat muss diese in Art. 14 GG angelegte Verteilung der Güter auf Privatpersonen möglichst weitgehend achten. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Privateigentums setzt somit zwar einen finanziell handlungsfähigen Rechtsstaat voraus, fordert aber eine eigentumsschonende Deckung des staatlichen Finanzbedarfs. Der Eigentumsschutz verweist demnach auf eine finanzielle Ausstattung des Staates in einer das Privateigentum möglichst weitgehend respektierenden Weise, die gerade eine intensivere Teilhabe des Staates an der Verfügungsmacht über Sachgüter verhindert. Als Form indirekter Steuerung erhöht aber gerade die Steuer den Freiheitsspielraum der Betroffenen, da der Einzelne, im Gegensatz zur unmittelbar angeordneten Zahlungspflicht, die Entscheidung für oder gegen das mit Steuer belegte Verhalten behält 51. Wenn sich der Finanzstaat also für die steuerliche Teilhabe am individualnützigen, aus einer privaten Erwerbsgrundlage erzielten Einkommen entscheidet, so vermeidet er zugleich eine Verstaatlichung des ertragsfähigen und verbrauchbaren Eigentums, der Erwerbsgrundlagen und ihrer Erträge, wählt demnach die eigentumsschonendste Form der Finanzausstattung. Das Grundgesetz hat sich mit der Gewährleistung des Privateigentums grundsätzlich gegen die staatliche Bewirtschaftung ertragsfähiger Wirtschaftsgüter entschieden. Denn die Grundrechte verbürgen dem einzelnen Bürger das Recht, sich durch Teilnahme am Markt erwerbswirtschaftlich zu betätigen, sie stehen aber ihrem Wesen nach nicht dem Staat zu, weil dieser nicht Mensch oder Bürger ist 52. Wenn der Staat dem Einzelnen für seine Berufs- und Eigentumssphäre Freiheit vom Staat gewährleistet, er also Erwerbsgrundlagen und Erwerb in privater Hand

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P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 53. P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 232; s. a. I. Kant, Metaphysik der Sitten, S. 365 ff. 51 U. Sacksofsky, NJW 2000, S. 2624. 52 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 267; grundlegend als Kritik der Fiskustheorie ders., Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 281 ff. 50

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C. Steuererhebungsrecht

gewährleistet, ist es ihm vielmehr verwehrt, sein eigenes Finanzierungssystem auf staatseigene Erwerbswirtschaft, auf Zwangswirtschaft oder auch prinzipiell auf inflationäre Enteignung des Geldeigentums zu stützen. Damit ist der Kreis der Marktteilnehmer ab- und der Staat im Grundsatz aus diesem Kreis ausgegrenzt. Ihm fehlt nicht nur die Grundrechtsträgereigenschaft als Rechtsgrundlage schlicht erwerbswirtschaftlicher Betätigung ohne unmittelbaren Gemeinwohlbezug 53. Der Staat ist schon aufgrund des Privatheitsprinzips kein Unternehmer 54. Solange eine Verfassung den Besitz, die Nutzung und die Verfügungsbefugnis ertragsfähiger Wirtschaftsgüter prinzipiell in private Hand gibt, so kann und muss der Staat seinen Finanzbedarf durch steuerliche Teilhabe am Erfolg privaten Wirtschaftens schöpfen 55. Der grundsätzliche Verzicht auf eine Verstaatlichung des Wirtschaftswesens und staatseigene Erwerbswirtschaft hat damit notwendigerweise zur Folge, dass der Staat am wirtschaftlichen Nutzen und Ertrag privaten Eigentümerhandelns teilhaben muss 56. Der Steuerstaat finanziert seine Aufgabenerfüllung, indem er weitgehend den Erwerb und die Nutzung von Produktionskapital, eine wesentliche staatliche Teilhabe an dem innerhalb eines Staates verfügbaren Eigentum unterlässt und stattdessen am ökonomischen Erfolg des privatwirtschaftlichen Handelns partizipiert 57. Das Privatheitsprinzip steht dem Eigentümer- und Unternehmerstaat grundsätzlich entgegen und muss deshalb den Steuerstaat fordern 58. Die staatliche Besteuerung setzt die Grundrechtsbetätigung des Bürgers voraus, hat aber Anteil an den Leistungen und Erträgen des grundrechtlich gewährleisteten, privatautonomen Wirtschaftens. Der auf privates Eigentum aufgebaute Rechtsstaat ist somit dadurch gekennzeichnet, dass er seinen Staatshaushalt im Wesentlichen durch Steuern finanziell ausstattet, die die Einzelnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu leisten vermögen. Das private Eigentum ist demnach das verfassungsrechtliche Leitprinzip, das grundsätzlich eine Deckung des verfassungsrechtlich legitimen Finanzbedarfs durch Steuern fordert, den Steuerzugriff auf eine Teilnahme am Nutzen des Eigentumsgebrauchs verweist 59. Der Rechtsstaat des Grundgesetzes, dessen prinzipiell privatwirtschaftliche Ordnung in den freiheitsrechtlichen Gewährleistungen zum Ausdruck kommt 53

R. Wittmann, StuW 1993, S. 41 f. K. A. Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, S. 329 ff.; ders., Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 36 f., 67. 55 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 5 f. m. w. N.; P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 33. 56 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 92; ders., in: Festschrift für H. Sendler, S. 73. 57 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 92; ders., Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 24 f.; ders., JZ 1979, S. 155; P. Kirchhof , in: P. Kirchhof / H. Söhn, EStG, § 2 A 156 f. 58 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 215; ders., NJW 1987, S. 3224. 59 W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 349; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 280. 54

II. Begründung der Steuerpflicht

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und der die individuelle Wirtschaftsbetätigung gewährleistet, ist daher seinem Wesen nach notwendigerweise auch Steuerstaat 60. Die grundsätzliche Steuerpflicht gehört damit zum Inhalt einer privatnützigen Eigentumsordnung und bildet die typische Einnahmequelle zur Finanzierung von allgemeinen Staatsaufgaben 61. Während die Grundrechte als Abwehrrechte gegen die steuerliche Staatsgewalt zu aktualisieren sind, ist es aus einer integrativen Sicht letztlich die Konzeption einer privatnützigen Grundrechtsordnung selbst und die damit vorgezeichnete Rollenverteilung zwischen Staat und Bürger, in der die Steuer ihre causa findet und den Grundrechten und dem mit ihnen geschützten Handlungsmöglichkeiten i. S. einer Grundpflicht gegenübertritt. Die staatliche Besteuerungsgewalt ist somit in eine freiheitliche Wirtschaftsordnung gebunden, die dem Erwerbswilligen eine möglichst erfolgreiche Erwerbstätigkeit in der Rechtsgemeinschaft sichert und den Staat auf die steuerliche Teilhabe an diesen Erwerbserfolgen verweist. Die Steuer erschließt sich im Gegenschluss aus dem Gewährleistungsgehalt der wirtschaftsgerichteten Grundrechte als verfassungsnotwendige Form der staatlichen Einnahmeerzielung. Rolf Wittmann ist daher zuzustimmen, wenn er zum Steuerstaat schreibt: „Ist es dem Staat versagt, zum Zweck der Einnahmeerzielung Wertschöpfung durch erwerbswirtschaftliche Betätigung am Markt zu betreiben, bleibt ihm auf diese Weise die Einnahmequelle verschlossen, die einer marktwirtschaftlichen Ordnung als originäre vorgegeben ist. Der marktwirtschaftlich organisierte, auf Privatnützigkeit des Eigentums gegründete Staat ist damit von Verfassungs wegen grundsätzlich auf derivative Formen der Einnahmeerzielung angewiesen, um den zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Finanzbedarf zu decken. Da aber derivative Einnahmeerzielung Partizipation am ökonomischen Erfolg privater Wirtschaftstätigkeit durch steuerliche Teilhabe meint, wird man anerkennen müssen, dass Steuerpflicht und Privatwirtschaft insofern komplementäre Tatbestände sind.“ 62 Die Eigentumsgewährleistung steht zur staatlichen Besteuerungsgewalt damit nicht in einem Verhältnis ursprünglicher und ausschließlicher Antinomie, sondern in einem notwendigen Zusammenhang; die Steuer ist Kennzeichen einer privatnützigen Eigentumsordnung 63. Besteuerung und Eigentum sind nicht durch Widerspruch gekennzeichnet, sondern Steuerstaat und staatliche Besteuerungsermächtigung entsprechen den rechtsstaatlichen Freiheitsgewährleistungen des Grundgesetzes; Steuer- und Rechtsstaatlichkeit sind Attribute ein und dessel-

60 J. Isensee, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, S. 409 ff., K. H. Friauf , DÖV 1980, S. 481. 61 E. Denninger, AG 1978, S. 74; G. Reiner, DStZ 1999, S. 812; J. Isensee, in: Festschrift für Hans Peter Ipsen, S. 409 f.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 24 f.; ders., JZ 1979, S. 155. 62 R. Wittmann, StuW 1993, S. 41 f. 63 D. Birk, StuW 1980, S. 361.

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C. Steuererhebungsrecht

ben Gemeinwesens 64. Die Steuer widerspricht deshalb nicht der Gewährleistung des Privateigentums, sondern sie bestätigt die prinzipielle Privatnützigkeit der Eigentums- und Erwerbsordnung. Die eigentumsschonende Besteuerung dient damit dem eigennützigen Interesse der Eigentümer selbst, ist notwendige Folge der Eigentumsgewährleistung. Die Grundsatzentscheidung für die Privatwirtschaft und gegen die Staatswirtschaft macht die steuerliche Teilhabe der öffentlichen Hand an privatem Ertrag und privater Nachfrage des Bürgers zum notwendigen Gegenstück unserer privatnützigen Eigentums- und Wirtschaftsordnung 65. Die Steuerpflicht ergibt sich somit aus der wirtschaftlichen Zugehörigkeit des Steuerpflichtigen zu der Rechtsgemeinschaft, die in einem einheitlichen Freiheitsgedanken Erwerbstätigen und Staat zu einer Erwerbsgemeinschaft im Erfolg privaten Wirtschaftens zusammenfügt 66 . Die Steuerpflicht ermöglicht insoweit wirtschaftliche Freiheit. Art. 14 GG fordert in diesem Sinne die Steuer. Die Rechtfertigung der staatlichen Besteuerungsgewalt ergibt sich daher nicht schon allein aus der Sozialbindung und dem Finanzierungsbedarf des Staates, sondern auch dem Gebot eines das Eigentum möglichst schonenden Staatshandelns. 4. Grundgesetzliche Finanzordnung Der Steuerstaat ist zudem durch die Art. 105 f. GG vorgezeichnet. Aus der Aufnahme eines selbständigen Abschnitts über das Finanzwesen in die Verfassung ist zu entnehmen, dass auch die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes von einem Steuererhebungsrecht des Staates ausgehen 67. Das Grundgesetz trifft hiermit eine Grundsatzentscheidung für die Beteuerung, es erwartet die wesentliche Finanzausstattung der öffentlichen Hand von dem Steueraufkommen. Diese Vorschriften der Finanzverfassung des Grundgesetzes orientieren die Finanzierung

64 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 140, 144; ders., DVBl. 1980, S. 788; J. Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 414 ff., S. 425, 435 zum Eigentum („Kormoran-Unternehmer“); H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 290; M. Jachmann, StuW 1996, S. 98; H. P. Ipsen, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 367; K. H. Friauf ; DÖV 1980, S. 480 ff.; K. H. Friauf , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 368 „siamesische Zwillinge“; zum Steuerstaat s. a. K. Vogel, HbStR I, § 27, Rn. 51 ff. 65 K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 3; R. Wendt, NJW 1980, S. 2111; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 173. 66 Weitergehend, von „Gemeineigentum“ des Staates sprechend, K. A. Schachtschneider, Eigentümer globaler Unternehmen, in: Festschrift für H. Steinmann, S. 414 ff.; ders., Grenzen der Kapitalverkehrsfreiheit, S. 319 ff. 67 B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 490; E. Benda / K. Kreuzer, DStZ (A) 1973, S. 57; K. H. Friauf , StBJb 1971/1972, S. 426; F. Klein, StuW 1966, Sp. 482.

III. Parlamentsvorbehalt

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der staatlichen Aufgabenerfüllung damit grundsätzlich an der Steuererhebung; sie sehen die Steuer als generellen Weg der Staatsfinanzierung vor. Ihre grundlegende verfassungsrechtliche Grundlage erfährt die Deckung des staatlichen Finanzbedarfs durch Steuern demnach auch in der grundgesetzlichen Entscheidung für die Steuerstaatlichkeit 68.

III. Parlamentsvorbehalt Dieses verfassungsrechtlich verankerte Steuerbewilligungsrecht stand schon im konstitutionell-monarchischen Staat des 19. Jahrhunderts zum Schutz der Freiheit der Gesellschaft gegenüber der Staatsgewalt der Volksvertretung als dem Repräsentanten der Gesellschaft zu 69. Es war gerade die entscheidende Aufgabe der gewählten Vertreter, durch ihre Mitwirkungsbefugnisse den bürgerlichen Freiheitsbereich gegenüber der monarchischen Gewalt zu sichern und unangemessene Übergriffe und Belastungen zu verhindern. Auch noch heute ist es ein demokratischer Grundsatz, dass alle für die Verwirklichung der Grundrechte bedeutsamen Maßnahmen durch den formellen Gesetzgeber selbst getroffen werden müssen, also nicht auf untere Instanzen delegiert werden können, sog. Wesentlichkeitslehre 70. Der demokratische Rechtsstaat behält demnach die wesentlichen Entscheidungen dem parlamentarischen Gesetzgeber vor. In einem durch Grundrechte bestimmten Verfassungsstaat ist insoweit die hoheitliche Einwirkung auf das grundrechtlich geschützte Rechtsgut nur zulässig, wenn und soweit ein formelles Gesetz diesen Eingriff ausdrücklich gestattet. Dieser Wesentlichkeitslehre, aber auch Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG, folgend kann eine Steuerschuld nur kraft förmlichen Gesetzes entstehen, d. h. nur das Parlament ist berechtigt, eine Steuerlast zu begründen 71. Steuern dürfen also nur erhoben werden, wenn ein Parlamentsgesetz dies ausdrücklich gestattet. Der Bürger hat hierbei einen grundrechtlichen Anspruch, nur aufgrund solcher Steuernormen

68 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 5 f. m. w. N.; dies., in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 78 m. w. N. 69 E. Benda / K. Kreuzer, DStZ 1973, S. 50; Bsp. deutscher Verfassungen: §§ 109 ff. Württemberg (1819), §§ 143 ff. Kurhessen (1831), Art. 99 ff. Preußen (1850), VII §§ 3 ff. Bayern (1818). 70 BVerfGE 33, 1 (11); 33, 125 (157 ff.); 41, 251 (260); G. Reiner, DStZ 1999, S. 817; s. a. K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 120 f. 71 P. Kirchhof , StuW 1975, S. 357; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuerund Abgabenlast, S. 71; H.-J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, S. 45 ff.; K. Vogel, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 363 mit Hinweis auf den Grundsatz „no taxation without representation“; vgl. „nullum tributum sine lege“, steuerrechtlicher Gesetzesvorbehalt bei K. Tipke / J. Lang, § 4 Rz. 151.

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C. Steuererhebungsrecht

zur Steuerleistung verpflichtet zu werden, die auch formell mit der Ordnung der Steuergesetzgebungskompetenzen in Einklang stehen 72. Durch diese Verschärfung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts im Steuerrecht zum Parlamentsvorbehalt und den damit erhöhten demokratischen Legitimationsgrad und die Etaisierungspflicht sämtlicher öffentlicher Einnahmen und Ausgaben in den öffentlichen Haushaltsplänen soll eine relative Indolenz und Ineffizienz materiell-rechtlicher Eingriffsschranken eine gewisse Kompensation erfahren 73. Es wird auch von einem mittelbaren Eigentumsschutz durch organisatorischverfahrensmäßige Vorkehrungen gesprochen 74. Außerdem stelle auch das haushaltsrechtliche Kontrollinstrumentarium (Zustimmungsvorbehalt der Bundesregierung bei ausgabenerhöhenden Gesetzen des Parlamentes, Art. 113 GG; Bindung der Regierung an das Haushaltsgesetz und den Haushaltsplan; Rechnungsprüfung und Entlastung, Art. 114 GG) einen verfassungsrechtlich gebotenen Bezug zwischen der Abgabenerhebung und dem Gemeinwohl her 75. Der Zugriff des Staates auf das Geld seiner Bürger bedürfe der Legitimation durch die Haushaltsplanung 76. Öffentliche Abgaben ohne Abgabenbudget wären verfassungswidrig. Eine finanzwirksame Funktionskontrolle sei auch vom Zusammenwirken zwischen Bundestag und Bundesrat, ministerieller Entscheidungsvorbereitung und begleitender oder nachfolgender Rechnungsprüfung zu erwarten 77. Dem ist zuzugestehen, dass das Erfordernis einer formell-gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bei der Besteuerung von größerer Bedeutung ist, da aufgrund des weiten Zwecks der Maßnahme, den öffentlichen Finanzbedarf zu decken, eine materiale Begrenzung Schwierigkeiten bereitet. Der Schutz des Vermögens vor dem steuerlichen Zugriff liegt aber grundsätzlich nicht im Verfahren der Abgabenbewilligung 78. Das Zustandekommen der Steuergesetze im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren bedeutet für sich allein nur eine formelle Verrechtlichung. Organisatorische Vorkehrungen wie die Gewaltenverschränkung bei Haushaltsplanung, Haushaltsvollzug und Haushaltskontrolle (Art. 110–115 GG) mäßigen die Ausgabebereitschaft des Staates und stützen damit die Eigentumsrechte des Steuerzahlers, gehören aber nicht zum wesentlichen Inhalt der Eigentumsgewähr72

BVerfGE 9, 3 (11); 31, 145 (173). G. Reiner, DStZ 1999, S. 817; H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rz. 181. 74 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 354. 75 R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 277; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 793 m. w. N. in Fn. 43. 76 R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 276 ff. 77 P. Kirchhof , JZ 1979, S. 158; R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 277. 78 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 297 Fn. 41. 73

IV. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung

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leistung 79. Dieser ergibt sich vielmehr aus den später zu beschreibenden materialen Grenzen, deren Anwendung auf Steuergesetze zwar Schwierigkeiten bereitet, die aber zur Gewährleistung des Eigentums überwunden werden müssen.

IV. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung Der beschriebene Parlamentsvorbehalt ist für das Steuerrecht im Prinzip der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung verdeutlicht worden, das einen hinreichend bestimmten Steuertatbestand (insb. Steuergegenstand oder -bemessungsgrundlage) fordert und insoweit eine Delegation auf den Verordnungsgeber ausschließt, vgl. §§ 38, 85 AO. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit wird demnach allgemein als Folge dieses Parlamentsvorbehalts oder des (steuerrechtlichen) Legalitätsprinzips verstanden 80. Dieser ist dabei auch im Wortlaut des § 3 Abs. 1 AO angelegt: „( . . . ) allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft ( . . . )“. Der Verfassungssatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung verlangt somit, dass der abstrakte Tatbestand der Eingriffsnorm in einem tatsächlich gegebenen, konkret festgestellten Lebenssachverhalt verwirklicht sein muss. Entsprechend dem Legalitätsprinzip ist die Verwaltung auch verpflichtet, die jeweilige Steuer tatbestandsmäßig und vollständig zu erheben. Doch ebenfalls im Sinne einer ausreichenden Bestimmtheit der Steuergesetze soll der Steuerpflichtige seine langfristigen Planungen auf die dauerhafte Regel des Gesetzes stützen können (Vertrauensgrundsatz) 81. Auch das Rechtsstaatsprinzip verlangt insoweit, dass grundrechtsrelevante Vorschriften in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so klar formuliert sein müssen, dass die Rechtslage für den Betroffenen erkennbar ist, der Bürger im Gesetz ablesen kann, was von ihm gefordert werden darf und er sein Verhalten danach einrichten kann 82. Der Gesetzgeber muss den die Besteuerung rechtfertigenden Belastungsgrund mit hinreichender Deutlichkeit regeln. Die grundrechtliche Bestimmung und Mäßigung der Steuerlast fordern insoweit den voraussehbaren und verständlichen Belastungsgrund. Dieser dem Legalitätsprinzip folgende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung wird aber zusehends infolge Durchbrechungen gefährdet. Viele Steuergesetze treffen nur fragmentarische Regeln, die auf eine Vervollständigung und Ergänzung durch Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften angelegt sind 83. Eine Fülle steuerlicher Richtlinien ist heute vielfach allein 79 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 253. 80 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 793; K. Tipke / J. Lang, § 4, Rn. 158. 81 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 120; K. Tipke / J. Lang, § 4, Rn. 167 f.; P. Kirchhof , Stbg 1995, S. 68. 82 BVerfGE 21, 73 (79); BVerfGE 52, 1 (41).

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C. Steuererhebungsrecht

maßgebend (zwei eigene Beck-Texte-Sammlungen für Erlasse und Richtlinien). Darin übernimmt die Finanzverwaltung Rechtsprechungsergebnisse oder spricht ihnen in Nicht-Anwendungserlassen die rechtsgestaltende Autorität ab. Ein Berufen auf das Gesetz wird häufig als befremdlich, gelegentlich sogar als störend empfunden. Die Finanzverwaltung verengt darüber hinaus die Perspektive der Sachverhaltsbeobachtung vom Gesetzeserheblichen zum verwaltungstechnisch leicht Fassbaren, die Sachverhaltsaufklärung kann und soll nur noch teilweise geleistet werden 84. Durch mangelnde behördliche Sachverhaltsaufklärung und Praktikabilität löst man sich vom gesetzlich vorgeschriebenen Amtsermittlungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 AO) 85. Wenn Verwaltungsvorschriften oder dienstliche Weisungen vertretbare Verwaltungsvorgänge nach zählbaren und messbaren Rechtsmaßstäben automatisieren und nur noch eine überschlägige Prüfung fordern, führt die Finanzverwaltung durch diese Einschränkung der Darlegungs- und Beweispflichten oder Nichtbeanstandungsgrenzen jedoch inhaltlich Freibeträge und Freigrenzen ein. Richtsätze und Stichproben stützen Ermittlungen auf Vermutungen statt auf Erkenntnisse und ersetzen den Beweis durch allgemeine oder behördeninterne Erfahrung 86. Die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit sind aber nicht mehr erfüllt, wenn das rechtsanwendende Organ statt des tatsächlichen einen lediglich typisierten oder schlicht vom Pflichtigen behaupteten Sachverhalt zugrunde legt 87. Der Steuerpflichtige wird damit nicht mehr gemäß den tatsächlichen Gegebenheiten, sondern dem subjektiv Erklärten veranlagt und besteuert. Hinzu kommen Erörterungen zwischen Steuerpflichtigem und Behörde, §§ 201 Abs. 2, 364a AO. Eine Verständigung über rechtserhebliche Tatsachen wäre aber nur statthaft, wenn die rechtlich zulässigen und organisatorisch vertretbaren Ermittlungsverfahren den gesetzlich gemeinten Sachverhalt nicht hinreichend aufklären können 88. Die tatsächliche Verständigung dürfte erst recht nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen 89.

83

H.-J. Papier, KritV 1987, S. 151. P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 268; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 796 unter Hinweis auf die GNOFÄ (1981 ersetzt durch die Organisation der Finanzämter und Neuordnung der Besteuerungsverfahren; hier: Arbeitsweise in den Veranlagungsstellen, z. B. in Baden-Württemberg vom 19. November 1996, BStBl. I 1996, 1391); H. Soell, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 394. 85 J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 415; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 150; ders., DVBl. 1980, S. 788. 86 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 268. 87 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 796 m. w. N.; K. Tipke / J. Lang, § 4, Rn. 161 f. 88 P. Kirchhof , Stbg 1995, S. 73. 84

IV. Gesetzmäßigkeit der Besteuerung

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Um die Steuerlasten vor dem Unerträglichen zu bewahren, wird zudem ein Dickicht von steuerermäßigenden Spezialnormen geschaffen und führt so zur Aufblähung und Kompliziertheit des geltenden Steuernormensystems (z. B. im Rahmen der Abschreibung oder Subventionen, etwa der Investitionszulage). Die Spezialisierung im Rechtsleben zergliedert also auch die Gesetze; Kodifikationen werden durch Fach- und Gruppengesetze verdrängt. Die Allgemeinheit des Gesetzes verkümmert zur Allgemeingeltung des Spezialgesetzes 90. In einer solchen Situation wird der Grundsatz der Besteuerung allein durch Parlamentsgesetz und nicht nach Maßgabe administrativen Ermessens nicht mehr realisiert. Denn ein unvollziehbar gewordener Normenüberhang zwingt die normausführende Exekutive, nur noch Teile der geltenden Gesetze und Verordnungen auszuführen 91. Auch infolge des Vielsteuersystems ist die jeweilige Steuerbelastung undurchsichtig und ein endgültiges Ergebnis lässt sich erst nachträglich ungefähr feststellen. Von der Vorstellung der Erhebung einer einzigen Steuer für alle Einkunftsarten hat man sich schon früh verabschiedet 92. Durch die Komplexität und Undurchsichtigkeit wird das Steuerrecht sogar vielfach widersprüchlich und nicht mehr handhabbar 93. Hierdurch wird die Akzeptanz der Besteuerung immer weiter herabgesetzt. Die Folgen sind Steuerflucht oder -minimierung und vermehrt bedenkenlose Steuerhinterziehung 94. Ein Beleg hierfür ist die hohe Quote an Steuerprozessen 95. Das ungünstige Steuerklima und der große Steuerwiderstand sind demnach auch begründet in der Chaotisierung des Steuerrechts. Insoweit besteht nach wie vor ein Reformbedarf des Steuerrechts 96. Eine solche Vereinfachung des Steuerrechts würde auch der Voraussehbarkeit, Berechenbarkeit und Planbarkeit zukünftiger Steuerlasten dienen 97. Paul Kirchhof kritisiert zu Recht, dass die Unternehmenssteuerreform die Chance einer Vereinfachung nicht genutzt hat 98. Das Steuerrecht 89

BFH – Urteil vom 12. August 1999, DStRE 2000, S. 380; OFD Frankfurt a. M., Rundverfügung vom 12. April 2000, DStR 2000, S. 1476 f. 90 P. Kirchhof , NJW 1987, S. 3217 f. 91 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 796. 92 K. Barth, DStR 1976, S. 299. 93 L. Schemmel, StuW 1995, S. 51 mit Forderung nach Verständlichkeit. 94 U. H. Schneider, StuW 1994, S. 58. 95 J. Lang, NJW 2000, S. 458; K. Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 644, gegen Heuschreckenschwärme (Steuervorschriften in ständig sich erneuernder Flut); Der ehemalige BFH-Präsident Klaus Offerhaus wird im Editorial des Hefts 45/99, Der Betrieb, damit zitiert, dass er bei seiner Verabschiedung von einem Steuerrecht träumte, das nicht nach Belieben heute für dieses Ziel und morgen für jene außerfiskalische Aufgabe eingesetzt wird, um lenkend die wirtschaftlichen Vorgänge zu beeinflussen, einem Steuerrecht mit weniger Ausnahmen und Vergünstigungen und wohl mit niedrigeren Steuersätzen, übersichtlicher und gerechter gestaltet, damit die Bürger die in Betracht kommenden Steuervorteile tatsächlich erkennen und nutzen können. 96 J. Lang, in: Festschrift für M. Kriele, S. 966 f. 97 S. a. P. Kirchhof , NJW 1987, S. 3221 f. zu den Anforderungen an Steuergesetzestext.

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C. Steuererhebungsrecht

veranlasse nach wie vor den Pflichtigen zu Dispositionen, die er ohne steuerliche Vorgaben so nicht getroffen hätte und begrenzt so dessen Eigentümerfreiheit. Die Freiheit zur eigenen ökonomischen Vernunft werde dem Bemühen um Verluste, der Hoffnung auf Wertverzehr oder komplizierten Vertragsgestaltungen geopfert.

98 P. Kirchhof , DStR 3/2001, S. III; Unter seiner Leitung ist u. a. der Karlsruher Entwurf eines Einkommen- als Teil eines vereinfachten Bundessteuergesetzbuches entstanden, s. hierzu ders., DStR 2001, S. 913 ff.; ders., DStR 2003, Beihefter 5; kritisch H. WeberGrellet, ZRP 2003, S. 285 ff.

D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG Inwieweit nun dieses Steuererhebungsrecht in den beschriebenen Gewährleistungsbereich des Art. 14 GG eingreifen, ob die Steuererhebung als Eingriff in ein Eigentumsrecht qualifiziert werden kann, wird von Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. 1. Fiskal- oder Steuervorbehalt versus Art. 1 Abs. 3 GG Ernst Forsthoff hat formuliert, dass im Steuerstaat die Steuerhoheit von dem grundrechtlichen Schutz des Eigentums abzugrenzen sei 1. Der Finanzbedarf und die zu finanzierende Zwecke lägen demnach außerhalb des Schutzbereichs der Eigentumsgewährleistung. Würde diese Unterscheidung von (schrankenlosem) steuerlichem Eingriff und Eingriff in das Eigentum fallen, so würden Entschädigungsansprüche ausgelöst, die dem Sozialstaat die verfassungsrechtliche Grundlage weithin entzögen 2. Diese Abgrenzung sei vielmehr ein tragendes Element des sozialen Rechtsstaates. Unterstützt wurde er von Karl Maria Hettlage, der zwar zugestand, dass der staatliche Steueranspruch grundsätzlich der gleichen rechtsstaatlichen Begrenzung und Formalisierung wie sonstige Eingriffe unterworfen werden müsse 3. Aber der Rechtsstaat als Steuerstaat beruhe doch auf einer spezifischen, in der rechtsstaatlichen Verfassung enthaltenen, Abgrenzung der Finanzhoheit von dem grundrechtlichen Schutz des Eigentums.

1 E. Forsthoff , VVDStRL 12 (1954), S. 32; später einschränkend in VVDStRL 14 S. 84 f.; s. N. bei P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 113; H.-W. Bayer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 366, kritisiert von K. H. Friauf , S. 368 f. und K. J. Partsch, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 385 f.; w. N. bei H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 58 Fn. 70; s. a. kritisch W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 76 f.; ders., Wertzuwachsbesteuerung, S. 124 „Steuerstaat“. 2 E. Forsthoff , VVDStRL 12 (1954). S. 8 ff., 32. 3 K. M. Hettlage, VVDStRL 14 (1956), S. 4 f.; Parlamentsvorbehalt auch bei H.J. Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte und das grundgesetzliche Demokratieprinzip, 1973, S. 76 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Ähnlich schrieb Ernst Rudolf Huber, lediglich die hoheitliche Auferlegung von Geldleistungen außerhalb des finanzrechtlichen Systems der verfassungsmäßig zulässigen Abgaben (Steuern, Gebühren, Beiträge) stelle einen Eingriff in die Eigentumssphäre dar 4. Auch Joseph Kaiser war der Ansicht, nur die Auferlegung von Geldleistungspflichten, die nicht auf der staatlichen Abgabenhoheit beruhen, müsse an Art. 14 GG gemessen werden 5. Das Erheben von Abgaben wäre demnach weder als Enteignung i. S. von Art. 14 Abs. 3 GG noch als Maßnahme zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu werten. Soweit die Figur dieses allgemeinen Steuervorbehalts als ungeschriebener Verfassungssatz lediglich zur Begründung dafür dient, dass dem Bürger Steuerpflichten auferlegt werden können und damit das Steuererhebungsrecht als solches gemeint ist, kann man dem zustimmen 6. Die These, dass der Rechtsstaat als Steuerstaat auf der Abgrenzung der Steuerhoheit von dem grundrechtlichen Schutz des Eigentums beruhe, ist demnach insoweit zutreffend, als Steuern heute den Grundstock der öffentlichen Finanzen bilden und deshalb eine Notwendigkeit sind. Denn ein Ergebnis, die Erhebung von Steuern sei wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG nicht nur in Fällen des Übermaßes, sondern generell unzulässig, wäre abwegig und entspräche nicht dem Willen der Verfassungsväter 7. Die Steuerpflicht ist vielmehr Prototyp einer materialen Grundpflicht, die verfassungsrechtlich insbesondere in den Prinzipien der Sozialbindung und Steuerstaatlichkeit fundiert ist. Der Gesetzgeber entscheidet dann hinsichtlich der Steuerwürdigkeit sowie der Abwägung des Nutzens hieran 8. Dies darf aber nicht dazu verleiten, den Grundrechteschutz durch Art. 14 GG grundsätzlich zu verneinen und Steuern als unbeschränkte staatsbürgerliche Pflicht zu bezeichnen. Dieser weitergehenden Ansicht würde als abschließender Maßstab das Bild des oben beschriebenen Parlamentsvorbehalts zugrunde liegen. Unter dem Verfassungsgefüge des Grundgesetzes kann aber eine ausreichende individuelle Gewährleistung gegen den Zugriff durch die parlamentarische Abgabenbewilligung nicht mehr angenommen werden 9.

4

E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 22; ders. DÖV 1956, S. 172. J. Kaiser, Beiträge zum Ausl. öff. Recht und VölkerR, Heft 34 (1960), S. 21. 6 W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 881; F. Klein, StuW 1966, Sp. 481; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 310 f.; R. Herzog, EvStl, Sp. 384. 7 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 114 m. w. N. 8 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 63; D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 231 f.; zum Steuererfindungsrecht, U. Sacksofsky, NJW 2000, S. 2623 f. m. w. N. (Ehesteuer, Demonstrationssteuer) und R. Wittmann, StuW 1993, S. 44 f. 5

I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG

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Denn im Gegensatz zur konstitutionellen Monarchie ist das Parlament heute weniger Gegengewicht zur als selbständiger Apparat begriffenen Exekutive, sondern selbst aktiver, demokratisch legitimierter, Gestalter der sozialen Wirklichkeit 10 . Bestand die Funktion des Parlaments früher im Schutz der Rechtssphäre der Bürger gegen Übergriffe der Steuer- und Staatsgewalt durch Zurückweisung zu weit gehender Ausgabenwünsche der Regierung, ist es heute selbst Träger einer bewilligungs- und subventionsfreudigen Ausgabenneigung, neigt dabei zu steter Vermehrung staatlichen Finanzpotentials und ist damit zum natürlichen Antagonisten der individuellen Rechte geworden 11. Die Ansicht, Steuern berührten die Eigentumsgewährleistung nicht, ist eine überkommene liberal-rechtsstaatliche Auffassung 12. Die formale Begrenzung der staatlichen Besteuerungsgewalt durch das Prinzip der parlamentarischen Mehrheitsentscheidung gibt dem Parlament die Macht, den Steuerbedarf durch seine Ausgabenplanung zu regeln 13. Die fiskalische Zielsetzung, Lenkungszwecke oder Gruppeninteressen gewinnen dabei nur allzu oft die Oberhand gegenüber den Grundrechten. Die Tatsache, dass der Parlamentsvorbehalt leer läuft, ist demnach größtenteils auf einen strukturellen Mangel unserer politischen Institutionen zurückzuführen. Maßgeblich für diese Entwicklung ist, dass das klassische System der Gewaltenteilung 14, das zur Kontrolle und Mäßigung der Exekutive durch die Legislative führte, nicht mehr besteht 15. Das Parlament übt als oberster politischer Entscheidungsträger durch seine Mehrheitsentscheidungen selbst Staatsgewalt aus und steht in seiner Mehrheit mit der Regierung in einer Interessengemeinschaft 16 . Im heutigen System werden die Regierungen von den Regierungsparteien mit ihrer 9 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 55. 10 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 71; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 56 f.; P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 51 f.; L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 64 ff. 11 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 313; W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 132; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 296; P. Kirchhof , JZ 1979, 158; R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 277. 12 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 290. 13 R. Mußgnug, JZ 1991, S. 995; aber K. Vogel, in: Festschrift für T. Maunz, S. 424 gegen qual. Mehrheiten. 14 Zur Gewaltenteilungslehre beispielhaft K. Stern, Staatsrecht I, S. 92 ff., Staatsrecht II, S. 511 ff. 15 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 180 ff.; ders., Res publica res populi, S. 863 ff.; ders., DSWR 2004, S. 326 ff.; S. F. Seeger, DStR 2000, S. 10, 14; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 296 f. 16 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 71; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 56 f.; P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 51 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Parlamentsmehrheit in der Regel unterstützt und vor Kritik und Änderungsbegehren der Opposition geschützt. Die jeweilige Mehrheit versteht sich als Stütze der Regierung und bringt deren Vorlagen sicher durch das Abstimmungsverfahren. Damit erweist sich diejenige Institution des politischen Verfahrens als weitgehend unwirksam, die aus historischen Gründen und wegen ihrer Zusammensetzung den Schutz der Steuerzahler vor den fiskalischen Interessen und den Expansionstendenzen der Regierung quasi automatisch zu gewähren schien. Aufgrund dieser verfassungsrechtlich andersartigen Stellung kann das Parlament nicht mehr die Freiheit vom Staat garantieren, den es aufgrund seiner legislatorischen Macht quasi selbst verkörpert 17. Seitdem der Gesetzgeber nicht mehr einen ausgabewilligen Herrscher kontrolliert, sondern selbst durch Planungen und Versprechungen immer größere Ausgaben hat, gewährleisten die demokratische Legitimation der parlamentarischen Abgabebewilligung und das öffentliche Verfahren der parlamentarischen Steuergesetzgebung für sich allein dem Bürger keine eigentumsgerechte Besteuerung mehr und damit keinen hinreichenden Schutz gegen übermäßige Steuerlasten 18. Ein allgemeiner Steuervorbehalt würde alle formellen Freiheitsgewährleistungen weit stärker als ein Gesetzesvorbehalt begrenzen und nicht mehr ein System grundsätzlicher Wirtschaftsfreiheit ermöglichen 19. Die Herausnahme der Finanzgewalt des Staates aus dem grundrechtlichen Eigentumsschutz würde damit eine wesentliche Durchbrechung des ganzen staatlichen Schutzsystems darstellen. Mit dem Vorrang der Steuererhebung vor der Eigentumsgewährleistung würden die Steuervorschriften zu material unbeschränkten Eingriffsbefugnissen, die staatliche Finanzgewalt würde dadurch von der grundrechtlichen Eigentumsgewährleistung freigestellt 20. Wenn man den Steuergesetzgeber durch Anerkennung der unbeschränkten Finanzgewalt insoweit ungebunden gegenüber der allgemeinen Rechtsordnung machen würde, gäbe man dem Staat die Möglichkeit, sich auf diesem Umweg über alles hinwegzusetzen, was sich an Grenzen gesetzgeberischer Handlungsmöglichkeiten aus der Eigentumsgewährleistung ergibt 21. Damit ließe sich unser auf freiheitsförderndes Eigentum basierendes System ohne weiteres und ohne jegliche Verfassungsänderung seines Inhalts entwerten 22.

17

H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums,

S. 55. 18

H.-J. Papier spricht von Superfiskalismus, KritV 1987, S. 147, DVBl. 1980, S. 789. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 647, F. Klein, StuW 1966, S. 467. 20 K. H. Friauf , DÖV 1980, S. 482. 21 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 28; W. Weber, VVDStRL 14 (1956), S. 81 f. 22 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 8. 19

I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG

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Auch durch Steuergesetze darf der Staat jedoch nicht über das hinausgehen, was er kraft der Sozialpflichtigkeit des Eigentums ansonsten gegenüber der Privatwirtschaft und dem Bestand der Einzelwirtschaften anordnen könnte 23. Die Eigentumsgewährleistung bedeutet, dass das Eigentum als Grundlage einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung Fundament der Freiheitlichkeit unserer Wirtschafts- und Sozialordnung sein soll, und das schließt aus, dass man auf dem Wege über eine Finanzgesetzgebung nun doch dieses Fundament unserer Wirtschafts- und Sozialordnung umstößt. Infolgedessen müssen die Grundrechte, sollen sie nicht weithin leer laufen, auch gegenüber Eingriffen des Steuergesetzgebers Schutz bieten und ist die Steuerhoheit in die Grundrechtsordnung einzugliedern 24. Die Parlamentarier bedürfen daher der Kontrolle durch die Steuerzahler 25. Insoweit benötigt der einzelne Bürger in einer parlamentarischen Demokratie grundrechtlichen Schutz gegen die Gesetzgebungshoheit des Parlaments und die Steuergesetzgebung darf hiervon am wenigsten eine Ausnahme machen. Ansonsten würden in der Frage der Eigentumsrelevanz des Vermögenseingriffs Lücken verbleiben 26. Auch vor dem Hintergrund zunehmender Ausgaben bietet der Parlamentsvorbehalt keinen ausreichenden Schutz. Es wäre unter heutigen Gegebenheiten eine Illusion, den Schutz der Eigentumssphäre der Steuerpflichtigen etwa in der Begrenztheit des staatlichen Finanzbedarfs zu suchen 27. Vielmehr kommen die Parlamente ihrer klassischen Aufgabe, ein Zuviel an Ausgaben zu verhindern, kaum mehr nach und haben sich vom Ausgabenbremser mehr zum Ausgabenschrittmacher gewandelt. Die heutige Bewilligungspraxis der gewählten Volksvertreter hat durch den vermehrten Einsatz der Steuer zur Sozialgestaltung und Wirtschaftslenkung sowie der Vermengung beinahe aller Steuern zur fiskalischen und außerfiskalischen Zwecksetzung sogar die Gefährdung des Eigentums durch die Besteuerung in Gang gesetzt. Die Gesellschaft hat an den Staat so hohe Leistungserwartungen gerichtet, dass der Abgeordnete in Reaktion auf diese Erwartungen der Menschen sich weniger als Garant geringer staatlicher Steuerbelastung versteht, sondern mehr als Vordenker staatlicher Leistungsprogramme handelt und damit einen Beitrag zur stetigen Erhöhung der Abgabenlast leistet 28 . Je mehr aber der Gesetzgeber die Besteuerungslast an die Belastungsobergrenze heranführt, 23 24 25 26 27

W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 349. K. H. Friauf , JurA 1970, S. 313; W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 132. K. Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 647. R. Wendt, NJW 1980, S. 2113. H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums,

S. 43. 28 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 71; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 56 f.; P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 51 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

desto mehr muss sich das Steuerverfassungsrecht gegenüber diesem Gesetzgeber bewähren. Die Aufblähung der Staatsaufgaben weist damit auf die Notwendigkeit von Regelungen zur Beschränkung des Staatsanteils hin und begründet diese anhand wesentlicher Ursachen. Aus diesem Grunde ist die Steuergesetzgebung auch aus finanz- oder wirtschaftspolitischen Erwägungen heraus nicht von dem allgemeinen Vorbehalt der Grundrechte befreit 29. Zudem birgt das Unvermögen des Steuergesetzgeber, nach über 50 Jahren die Bedeutung der Grundrechte für seine Arbeit vollständig zu erfassen und ein durchweg mit den Grundrechten zu vereinbarendes Steuerrecht zu schaffen, die Gefahr, dass sich der Bürger vom Staat entfremdet und sein Vertrauen in die Grundrechte als unmittelbar geltende Rechte beschädigt wird 30. Der Gesetzgeber hat sogar verfassungswidrige Regelungen und Gesetze auch dann beschlossen oder nicht korrigiert, wenn er deutliche Hinweise von Verfassungsexperten bekam 31. Hinzu kommen bei vielen Abgeordneten mangelnde Sachkenntnis in finanz- und steuerrechtlichen Fragen, Verpflichtungen gegenüber Interessengruppen und ideologische Verkrustungen. Das Bemühen um die Wiederwahl bringt es schließlich mit sich, dass Interessen von Gruppen berücksichtigt, stellt aber nicht sicher, dass die Interessen aller beachtet werden 32. Vielmehr erfolgt eine Ausgabenausweitung im Wählerinteresse. Politisch ist es meist leichter, eine vielleicht vergleichsweise kleine Gruppe von Eigentümern anzugreifen, als einer großen Masse potentieller Wähler stärkere Steuerlasten zu verheißen. Gefördert werden diese Unzulänglichkeiten durch die Abhängigkeit des Abgeordneten von seiner Partei. Unter dem Aspekt einer erneuten Kandidatur für den Bundestag zahlen sich dabei kommunikative Fähigkeiten und die Durchsetzung gruppenorientierter Steuervergünstigungen weit mehr aus als eine Kampagne für Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung, zumal dann, wenn damit Vorteile für die Allgemeinheit der Steuerzahler und Nachteile für die eigene Klientel verbunden sind. Die parlamentarische Steuerbewilligung, die besondere gesetzesförmliche demokratische Legitimation, kann demnach keinen Fiskalvorbehalt bedeuten, sondern nur eine zusätzliche, zum Grundrechteschutz hinzutretende, demokratische Sicherung individueller Freiheitssphäre. Die Spielregeln der Demokratie schützen nur vor einer Besteuerung, die insgesamt dem Mehrheitswillen im Parlament widerspricht 33. Sie beschränken den Steuergesetzgeber jedoch nicht bei der

29 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 26. 30 L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 64 f. 31 K. Tipke, GmbHR 1996, S. 9. 32 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 627 f.

I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG

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individuellen Steuerschuld. Der Minderheitenschutz muss dann aber im Wege praktischer Konkordanz gewahrt werden 34. An die Stelle der parlamentarischen Kontrollfunktion ist die materielle Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte getreten 35. Soweit der Gesetzgeber die Steuerpflicht im einzelnen Steuergesetz aktualisiert, unterliegt er somit einer Grundrechtsbindung. Greift er in Freiheitsgrundrechte ein, so bedarf er insoweit einer Rechtfertigung. Diese freiheitsrechtliche Begrenzung der Steuererhebung ist zu unterscheiden von der allgemeinen verfassungsrechtlichen Basis der Steuerpflicht als materialer Grundpflicht. Die außer Frage stehende Zulässigkeit der Steuererhebung besagt aber nichts über ihr Verhältnis zu den Grundrechten, speziell zur Eigentumsgewährleistung 36. Die u. a. aus der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung ableitbare prinzipielle Zulässigkeit der Steuererhebung steht demnach unter dem Vorrang der materialen Verbürgungen des Grundgesetzes 37. Die Aliud-Konstruktion erklärt damit in Wahrheit nichts. Es fehlt vielmehr an jeder Erklärung dafür, warum die Auferlegung von Steuern nicht eine Inhaltsbestimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sein soll und dazu noch eine der wichtigsten 38. Das demokratische Prinzip der Mehrheitsentscheidung befreit den Gesetzgeber demnach nicht von der Verpflichtung, bei seiner Entscheidung über die Erhebung von Steuern das Eigentumsgrundrecht zu beachten. Vielmehr kann sich aus diesem gerade eine Begrenzung des Steuerzugriffs ergeben. Die Justiziabilität etwaiger Verstöße des Steuergesetzgebers gegen die Eigentumsgewährleistung ist damit trotz des gesetzgeberischen Spielraums gegeben. Soweit für die Begründung des allgemeinen Steuervorbehalts auch vorgebracht wird, dass die Regelungen des X. Abschnitts des Grundgesetzes über das Finanzwesen im Verhältnis zu Art. 14 GG Spezialvorschriften seien und deshalb die Eigentumsgewährleistung beschränken, geht diese These von einem falschen Verständnis von Grundrechten und Kompetenznormen aus 39. Denn nicht die letzteren sind in der Lage den Grundrechten vorzugehen, vielmehr können alle von der Verfassung vorgesehenen Kompetenzen nur in dem von den Grundrechten zugelassenen Rahmen ausgeübt werden 40. Die Grundrechte gelten nicht im Rahmen der staatsbürgerlichen Pflichten, sondern die staatsbürgerlichen Pflichten bestehen

33 34 35 36 37

R. Mußgnug, JZ 1991, S. 995. H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (237). H. H. v. Arnim, VVDStRL S. 298. K. H. Friauf , StBJb 1971/1972, S. 434. H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums,

S. 60. 38

P. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, 1961, S. 179. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 113; H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 213. 39

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

nur im Rahmen der Grundrechte. Für eine Auffassung von einer geschlossenen, durch den X. Abschnitt des Grundgesetzes konstituierten Finanzgewalt, die als gleichsam vierte Gewalt ihre Grenzen lediglich in den Normen des X. Abschnitts findet, ist daher kein Raum 41. Einzelne Bestimmungen des Grundgesetzes können zudem nicht für sich ausgelegt werden, vielmehr muss die Verfassung als eine sinnvolle Einheit angesehen werden 42. Diese Einheit der Verfassung gebietet es, zu berücksichtigen, dass die Steuergesetzgebung auch Eigentumsgesetzgebung und darum, wie jede andere Form staatlichen Handelns, an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen ist 43. Die Besteuerungsgewalt steht deshalb nicht unverbunden neben dem Eigentumsschutz, sondern das Steuererhebungsrecht des Staates steht in einem Sinnzusammenhang mit den übrigen Vorschriften der Verfassung, insbesondere den Grundrechten. Jede Verfassungsbestimmung muss so ausgelegt werden, dass sie mit den elementaren Verfassungsgrundsätzen und Grundentscheidungen des Verfassungsgesetzgebers vereinbar ist. Dem Eigentumsschutz und der Steuergewalt des Staates ist in angemessener Weise Rechnung zu tragen, so dass weder Art. 14 GG noch die Besteuerungsgewalt absolut gesetzt werden 44. Die Grundrechte, insbesondere Art. 14 GG, setzen dem Steuergesetzgeber zu beachtende Schranken 45. Das Grundgesetz ist eine Rahmenordnung für Gesetzgebung und Politik, die erprobte Werte und verlässliche politische Erfahrungen rechtsverbindlich an nachfolgende Generationen weitergibt 46. In dieser Funktion enthält das Grundgesetz „klare“ Grenzen, in denen Grundentscheidungen für die Finanzierung des Staates angelegt und Vorgaben für das Belastungsobermaß geregelt sind. Eine Sonderstellung der Steuererhebung außerhalb der Eigentumsgewährleistung kann auch nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Steuern durch ein Geben, nicht durch ein Nehmen gekennzeichnet seien und hierdurch ein fundamentaler Unterschied zu anderen Eingriffen des Staates in das Eigentum bestehe. Es entspricht nicht der Wirklichkeit, dass die Steuerzahlungen der Bürger durch ein freiwilliges Geben bestimmt sind, die Steuer wird im Gegenteil als stärkster

40 Daher zu Recht das Bundesverfassungsgericht, BVerfGE 105, 279 ff. = NJW 2002, 2726 ff., „Osho“, kritisierend, K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 180. 41 H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 213. 42 W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 349. 43 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 792; F. Klein, BayVBl. 1980, S. 529; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 38 ff. 44 W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 349. 45 F. Klein, BayVBl. 1980, S. 527; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 144. 46 K. Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 647.

I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG

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Eingriff in Freiheit und Eigentum empfunden, der auch im Wege des Verwaltungszwangs durchsetzbar ist 47. Die maßgebliche Aussage für die Eigentumsrelevanz des Steuereingriffs finden wir vielmehr in Art. 1 Abs. 3 GG, der sämtliche Akte der hoheitlichen Gewalt an die Grundrechte bindet und damit dem Bürger Grundrechteschutz gegenüber jeglicher Äußerung der Staatsgewalt bietet. Die staatliche Machtäußerung, die wie die Steuererhebung in die Rechts- und Lebenssphäre des Bürgers eingreift, wird in allen ihren Erscheinungsformen, durch die Art. 1 Abs. 3 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG unmittelbar in die Pflicht genommen und damit unter die Verantwortung für die Wahrung der Grundrechte und der gesamten verfassungsmäßigen Ordnung gestellt 48. Das Parlament ist nach Art. 1 Abs. 3 GG beim Erlass eines Steuergesetzes in gleicher Weise wie bei jedem anderen Gesetz den Grundrechten – einschließlich der Eigentumsgewährleistung – unterworfen 49. Für alle Hoheitsakte der Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung und jede Art von hoheitlich veranlasstem Geldtransfer vom Bürger auf den Staat gilt somit, dass staatliches Handeln nur im Rahmen der Grundrechte möglich ist (s. a. Art. 2 Abs. 1 GG) 50. Für die Anerkennung eines besonderen Freiraumes für die Steuergewalt, eine Ausnahme für das Verhältnis von Finanzgewalt und Art. 14 GG, einen unbeschränkten Steuervorbehalt gegenüber der Verfassung, eine Vorstellung, dass die Steuerhoheit begrifflich nicht zur Eigentumsverletzung führen könne, bestehen dabei keine Anhaltspunkte im Grundgesetz; eine solche Auslegung ist weder dem Wortlaut noch dem Sinn der Eigentumsgewährleistung zu entnehmen 51. Die Steuergesetzgebung genießt in dieser Hinsicht kein Privileg 52. Die Eigentumsgewährleistung verliert nicht ihre Verbindlichkeit, wenn der Rechtsstaat seine Gewalt mit finanzstaatlichen Mitteln ausübt 53. Die in Art. 14 GG enthaltene Gewährleistung der Privatnützigkeit des Eigentums beschränkt jeden hoheitlichen Zwang.

47

H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 215 verweist diese Ansicht C. Bellstedts, Wirtschaftslenkung durch Steuern, S. 123 f., nach Utopia; kritisch auch E. Denninger, AG 1978, S. 73 f. und H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 290, Fn. 21. 48 Auch W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 178; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 491; M. Take, BB 1999, S. 1791; K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 85 m. w. N.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 87; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 13, S. 17 Fn. 15 f. m. w. N.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 79. 49 K. H. Friauf , StBJb 1971/1972, S. 434. 50 G. Reiner, DStZ 1999, S. 820 f. 51 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 116 f. m. w. N.; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 311; W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 80. 52 K. H. Friauf , StBJb 1971/1972, S. 434. 53 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 280.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Die Bindung des Steuergesetzgebers an andere Grundrechte ist nie bestritten worden, so dass es auch nicht verständlich erscheint, weshalb für Art. 14 GG etwas anderes gelten sollte 54. Die Lehre einer von der Bindung an die Grundrechte oder wenigstens an die Eigentumsgewährleistung freien Finanzgewalt ist angesichts des Art. 1 Abs. 3 GG bereits formal-dogmatisch nicht haltbar und widerspruchsfrei begründbar. Die verfassungsmäßige Steuergesetzgebung als Inhaltsbestimmung des Eigentums muss demnach Art. 14 GG sowie den grundlegenden Wertentscheidungen des Grundgesetzes entsprechen. 2. Verfassungsrechtsprechung Demnach ist in der herrschenden Literatur die Anwendbarkeit des Art. 14 GG auf Steuergesetze inzwischen nahezu unumstritten 55. Es ist damit heute weitgehend anerkannt, dass die in der individuellen Verfügungsgewalt über ein Wirtschaftsgut begründete steuerliche Zahlungspflicht an Art. 14 GG zu messen ist. Laut der These des Investitionshilfeurteils des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954 bestand aber angeblich Einmütigkeit darüber, dass Geldleistungspflichten das Eigentum nicht berühren können, weil sie vom Steuerschuldner nicht aus dem steuertatbestandlichen Wirtschaftsgut, sondern aus seinem Vermögen zu erfüllen sind 56. Die Geldleistungen seien gerade nicht mittels eines Eigentumsobjekts zu erfüllen, sondern werden aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten 57. Da dieses Vermögen als solches nicht gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sei, schütze Art. 14 Abs. 1 GG auch nicht vor der staatlichen Auferlegung von Geldleistungspflichten. Sie seien als eine objektive Abgabe angesehen, deren Zulässigkeit durch die 54

P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 116 f. K. A. Schachtschneider, Sozialistische Schulden nach der Revolution, S. 177; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 299; ders. StuW 1977, S. 59; ders. DStJG 12 (1989), S. 3, 19 ff.; R. Wendt, NJW 1980, S. 2111; P. Badura, WiR 1974, S. 7; D. Birk, StuW 1980, S. 361; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 310; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 881 Fn. 3; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 491 Fn. 35; K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 525 m. w. N.; differenziert E. Denninger, AG 1978, S. 70; H.J. Papier, KritV 1987, S. 145 f., 155. 56 BVerfGE 4, 7 (17); sachlich übereinstimmend BVerfGE 6, 290 (298); 8, 274 (330); 10, 89 (116); 10, 354 (371); 11, 105 (126); 14, 221 (241); 19, 119 (128 f.); 23, 288 (315); 26, 327 (338); 27, 111 (131), 326 (343); 28, 119 (142); 29, 402 (413); 30, 250 (271 f.); 38, 61 (102); 45, 272 (296); 65, 196 (209); 70, 219 (230); 74, 129 (148); 78, 214 (230); 81, 108 (122); 89, 24 (61); 91, 207 (220); 95, 267 (300); BVerfG HFR 1969, S. 347; w. N. bei P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 227 f. und F. Klein, StuW 1966, S. 438; s. a. bei G. Reiner, DStZ 1999, S. 819; H. Spanner, Der Steuerbürger und das BVerfG; H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 174 f. 57 BVerfGE 95, 267 (300). 55

I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG

61

Eigentumsgewährleistung des Grundgesetzes nicht berührt wird. Damit wurde und wird die aus der Jahrhundertwende stammende These Max Layers vertreten, die Steuer sei ein Eingriff in das Vermögen ohne Eingriff in das konkrete Eigentumsrecht 58. Diese Auffassung beruht darauf, dass das gegen staatliche Ingerenzen geschützte Eigentum durch den Enteignungsbegriff abgegrenzt wurde; diesem aber die Bindung an sachlich vergegenständlichtes konkretes Eigentum wesensmäßig war 59. Eine ohne nähere Begründung aufgestellte Lehre ist aber nicht schon objektives Recht und gewinnt nicht an Überzeugungskraft dadurch, dass sie als Dogma wiederholt wird und als ständige Rechtsprechung benannt wird 60. Der gängige Hinweis darauf, dass Art. 14 Abs. 1 GG zwar vermögenswerte Rechte, nicht aber das Vermögen als solches schütze, vermag nicht zu begründen, warum Steuern nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG eingreifen sollen. Das Argumentationsdefizit wiegt besonders schwer, weil hier nicht irgendein Grundrecht von der Beurteilung des steuerlichen Zugriffs auf das Vermögen des Steuerpflichtigen ausgeklammert wird, sondern gerade das zentrale Grundrecht der Vermögenssphäre. Ausgerechnet dieses Grundrecht würde gegenüber dem bei weitem intensivsten und nachhaltigsten Mittel der hoheitlichen Einwirkung auf den privaten Vermögensbereich leer laufen 61. Sicher wird niemand die Steuererhebung als solche mit Art. 14 GG generell unvereinbar halten, weil sie dem Steuerpflichtigen Geldbeträge aus seinem Vermögen entzieht. Jedoch ist es weder notwendig noch wäre es dogmatisch begründbar, zur Vermeidung eines derartigen Ergebnisses umgekehrt die Relevanz der Eigentumsgewährleistung für das Steuerrecht insgesamt zu leugnen. Die Steuererhebung aus dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts zu verbannen, hieße, die Entwicklung zur modernen Gesellschaft und die damit einhergehende Erweiterung des Eigentumsbegriffs zu negieren. Wegen der besonderen Struktur des in Art. 14 GG gewährleisteten Grundrechts bereitet seine Anwendung auf Steuergesetze gewiss Schwierigkeiten, die aber gelöst werden können und in Anbetracht der umfassenden Geltung des Art. 1 Abs. 3 GG auch für die Eigentumsgewährleistung gelöst werden müssen. Das Bundesverfassungsgericht hat selbst gemerkt, dass eine solche Rechtsprechung dem Eigentumsschutz jegliche Bedeutung nehmen würde, da er durch die Steuer ausgehöhlt werden könnte. Seit dem Fremdrentenurteil vom 24. Juli 1962 wird daher in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, dass ausnahmsweise auch ein Abgabengesetz das Eigentumsgrundrecht verletzen kann, wenn die

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M. Layer, Principien des Enteignungsrechts, S. 63. H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 299 Fn. 52. 60 R. Seer, FR 1999, S. 1282; H. Spanner, DStR 1975, S. 480. 61 F. Oswald, Die WP, 1976, S. 385; K. H. Friauf , DStZ 1975, S. 361; K.-G. Loritz, BB 1993, S. 228. 59

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Geldleistungspflichten den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen (sog. Erdrosselungswirkung, Konfiskation) 62. Durch diese Übermaßklausel versteht das Bundesverfassungsgericht die Eigentumsgewährleistung in Extremfällen doch als Ausprägung der Garantie der persönlichen Freiheit und sieht in Art. 14 GG einen Schutz zumindest gegen übermäßige Abgaben. Es akzeptiert damit bedingt Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab und räumt ein, dass auch die Steuergesetzgebung in den Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung fallen kann 63. Damit erteilt das Bundesverfassungsgericht dem extremen US-amerikanischen Verfassungsverständnis „the power to tax involves the power to destroy“ eine Absage 64. Erdrosselnde Geldleistungspflichten kommen dabei in zwei Varianten in Betracht. Zum einen kann die Belastungswirkung einer Steuer ein privatwirtschaftliches Handeln als nicht mehr sinnvoll erscheinen lassen, ohne dass der Abgabe gleichzeitig die Ertragswirksamkeit abzusprechen wäre. Zum anderen kann eine Steuer konfiskatorisch wirken, indem sie auf den Bestand eines Eigentumsrechts zugreift. So hat das Bundesverfassungsgericht den Eingriff in die Kapitalsubstanz bei der Besteuerung von Zinseinnahmen zumindest vor diesem Hintergrund überprüft 65. Wenn das Gericht dennoch im Grundsatz feststellt, dass die Auferlegung von Geldleistungspflichten den Art. 14 GG tatbestandlich noch nicht tangiert und nicht etwa, dass die Abgabenerhebung zwar in den Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts fällt, dieses jedoch in den entscheidenden Fällen nicht verletzt wurde, handelt es sich aber um eine apodiktische Position, einen unauflöslichen Widerspruch in sich 66. Das Bundesverfassungsgericht beachtet bei dieser Rechtsprechung nicht den grundlegenden Unterschied zwischen der allgemeinen Grundrechtsrelevanz einer staatlichen Maßnahme einerseits und ihrer Verfassungswidrigkeit wegen einer spezifischen Verletzung des in Betracht kommenden Grundrechts andererseits. Eingriffe, die von vornherein nicht in den Schutzbereich eines Grundrechts fallen, können an diesem Grundrecht auch bei gesteigerter Intensität nicht gemessen

62 BVerfGE 14, 221 (241); sachlich übereinstimmend BVerfGE 19, 119 (128 f.); 19, 253 (267 f.); 23, 288 (314 f.); 26, 327 (338); 27, 111 (131); 29, 402 (413); 30, 250 (271 f.); 36, 383 (400); 37, 121 (131); 38, 61 (102); 63, 312 (327); 67, 70 (88); 70, 219 (230); 77, 308 (339 f.); 78, 214 (230); 78, 232 (243); 82, 159 (190); 87, 153 (169), als Wende/Wandel bez. bei M. Rosenthal, NJW 1998, S. 1110; s. aber schon preußisches OVG lt. K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 524; zur Abgrenzung M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 82. 63 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 303. 64 Zitat bei B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 489. 65 BVerfGE 50, 57 (104 ff.); 63, 343 (368). 66 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 181; H. Spanner, Der Steuerbürger und das Bundesverfassungsgericht, 1967 S. 100; H. Draschka S. 26, 104 f. m. w. N.; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 301 f.; differenzierend P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 302.

I. Bindung des Steuergesetzgebers nach Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG

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werden und es folglich auch nicht verletzen, da hierbei auf eine quantitative Unterscheidung abgestellt wird, obwohl nur bei einer qualitativen Veränderung der Sachlage ein anderes Ergebnis einer Grundrechtsprüfung und -verletzung erzielt werden könnte. Bei der Beschränkung des Eigentumsschutzes nach Art. 14 GG auf konkrete Eigentumsrechte wird also nicht klar, warum eine Steuer dann unzulässig sein soll, wenn sie gar kein bestimmtes Eigentumsobjekt betrifft, aber das Vermögen so belastet, dass etwa die Vermögensverhältnisse grundlegend oder übermäßig beeinträchtigt werden 67. Wenn die Erhebung von Steuern den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG nicht berührt, dann kann die Eigentumsgewährleistung auch bei Überschreitung einer bestimmten Steuerhöhe nicht verletzt werden. Wenn ein Grundrecht thematisch nicht betroffen ist, kann es ungeachtet der Intensität des Eingriffs auch nicht verletzt sein. Man würde den Umfang des Schutzbereichs von der Qualität des Eingriffs her bestimmen, wenn zwar nicht das Vermögen als solches von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sein soll, aber ein besonders intensiver Zugriff auf das Vermögen einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts darstellen würde. Diese Rechtsprechung ist in sich unlogisch. Entweder fällt Art. 14 GG als Prüfungsmaßstab aus, dann kann auch bei übermäßig hohen Steuern nicht auf die Eigentumsgewährleistung zurückgegriffen werden oder auch Geldleistungspflichten unterliegen immer dem Anwendungsbereich des Art. 14 GG; es ist dann eine zweite, hiervon unabhängige Frage, ob nur konfiskatorische Steuern Art. 14 GG verletzen können 68. Der Weg des Bundesverfassungsgerichts, bei der Frage, ob Steuern in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen, auf die Höhe der Steuer abzustellen, ist jedoch nicht gangbar. Diese Rechtsprechung wird demnach teilweise so ausgelegt, dass das Gericht nicht auf das „Ob“, sondern das „Wieweit“ der Anwendbarkeit des Art. 14 GG abzielen wollte 69. Der Satz soll nur besagen, dass eine Steuer im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums zu erbringen ist. Insbesondere Hans-Jürgen Papier legt die These im Investitionshilfeurteil so aus, dass der Steuereingriff die Eigentumsfreiheit zwar betreffe und beeinträchtige, die Auferlegung einer Geldleistungspflicht den Tatbestand einer Eigentumsbeschränkung also schlechthin erfülle, das Grundrecht grundsätzlich aber nicht verletze, weil er vom Regelungsvorbehalt des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt sei 70. Diese wechselseitige Bedingtheit von Privateigentum und Steuerfinanzierung setze das Bundesverfassungsgericht in der Feststellung voraus, die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG schütze nicht

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B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 108 f.; s. a. die bedenkliche, da die Eingriffsfrage vernachlässigende, Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Februar 2004, 1 BvR 1103/03. 69 F. Klein, BayVBl. 1980, S. 529; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 490 Fn. 30. 70 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 484. 68

64

D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

vor einer Auferlegung von Geldleistungspflichten. Jede andere Auffassung würde eben den Unterschied zwischen Tatbestandsmäßigkeit und Rechtswidrigkeit des Grundrechtseingriffs verkennen. Erst im Beschluss des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Januar 2006 wird diese Auslegung zumindest teilweise bestätigt, indem dieser nun ausdrücklich feststellt, dass jedenfalls die Einkommen- und Gewerbesteuer als Beeinträchtigung konkreter Rechtspositionen zu qualifizieren sind 71. Ob damit eine Abweichung von der Erdrosselungsrechtsprechung des Ersten Senats vorliegt, lässt der Zweite Senat allerdings offen, da die Verfassungsbeschwerde im Ergebnis als unbegündet abgelehnt wurde 72.

II. Mittelbare Eingriffe auf das konkrete Vermögensrecht Wenn dem Bundesverfassungsgericht folgend das abstrakte Vermögen nicht für den Schutz gegenüber der Besteuerung zur Verfügung steht, könnte die Steuererhebung schon im Vorfeld einer Erdrosselung aber nach Maßgabe ihrer Wirkung als solcher grundrechtsrelevanter Eingriff in konkrete Eigentumsrechte zu werten sein 73. Will man nicht das Vermögen im Sinne der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit zum Eigentumsobjekt küren, ist also zu fragen, in welchen Modalitäten sich der Steuerzugriff als Grundrechtseingriff hinsichtlich eines bestimmten Eigentumsgegenstandes darstellt. Wenn Art. 14 GG nicht das Recht auf einen bestimmten Bestand von Werten, das Vermögen als solches, sondern nur die Zuordnung bestimmter, einzelner Eigentumsgegenstände zur Person des Inhabers schützt, könnte demnach entscheidend die enge, wesentliche Verbindung zwischen Steuerforderung und Innehabung des Eigentums sein, also ob ein Konnexverhältnis zwischen der Steuer und der Innehabung gewisser Güter besteht 74. Durch die Bejahung einer entsprechenden mittelbaren Grundrechtsberührung könnte gegebenenfalls die offene Flanke des Eigentumsschutzes aufgefangen werden. Rein reflexhafte Eingrenzungen der Freiheitssphäre können dabei grundsätzlich nicht als individualrechtsrelevante Eingriffe in die Grundrechte angesehen werden 75. Bloße faktische Beeinträchtigungen können nicht als geeignet zur Auslösung des jeweiligen Grundrechteschutzes anerkannt werden, wenn sie nicht ein 71

BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1192 f.). BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1193). 73 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 306 f.; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 179 f.; H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 49 ff.; Nachweise bei H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 36; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 68. 74 W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 117 f. 72

II. Mittelbare Eingriffe auf das konkrete Vermögensrecht

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Mindestmaß an sachlicher Nähe zur Grundrechtssphäre aufweisen 76. Ein bloß faktisch herbeigeführter Zwang zur Aufgabe einer eigentumsfähigen Position durch ihren Inhaber infolge gesetzlicher Umgestaltung ohne ausdrückliche Anknüpfung an sie im Tatbestand reicht auch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts als mittelbare und nur wirtschaftlich fühlbare Beeinträchtigung nicht aus 77. Bei der Erweiterung des Begriffs des Grundrechtseingriffs auf sog. mittelbare Einwirkungen muss vielmehr an dem Erfordernis einer Beeinträchtigung der grundrechtlich gewährleisteten Freiheit festgehalten werden. Hierunter ist nicht jeder beliebige Nachteil oder jede bloße Belästigung zu verstehen. Eine wertende Vergleichbarkeit mit dem klassischen imperativen Grundrechtseingriff muss gewahrt bleiben. Nur solche Gestaltungswirkungen sind demnach grundrechtsrelevant, die den grundrechtlichen Schutzbereich in einer gewissen Intensität berühren und die sich der Steuergesetzgeber zurechnen lassen muss 78. Wenn der Gesetzgeber etwa das Eigentum an einem bestimmten Gegenstand zur Grundlage der Besteuerung nimmt (Steuerobjekt), die Höhe der Steuerschuld nach dem Wert eines konkreten Vermögensrechts richtet oder eine bestimmte Vermögensposition (oder deren Erträge) als Steuerquelle ausschöpft, bilden diese den Steuermaßstab oder die Bemessungsgrundlage 79. Einzelne Steuertatbestände, z. B. die Grundsteuer oder die Einkommensteuer für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, knüpfen damit an bestimmte vermögenswerte Rechte an, deren Innehaben oder Nutzung durch den Steuerzugriff beeinflusst werden kann 80. Auch die im Quellenabzugsverfahren erhobene Lohnsteuer oder Kapitalertragsteuer belasten mittelbar den Steuergegenstand, die Lohn- oder Kapitalforderung 81.

75 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 49 ff. 76 R. Wendt, NJW 1980, S. 2114 kritisiert U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 133 ff.; D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 261 f.; H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 43 ff. 77 BVerfGE 10, 354 (371). 78 K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 130 ff., U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 74 ff.; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 222; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 127 f.; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 245. 79 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 53 im Folgenden mit Anführung mittelbarer Eingriffe durch verschiedene Steuerarten (GrSt, GewSt, ESt, KSt, ErbSt, USt, einschränkend für GrESt S. 69 Fn. 82). 80 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4.; W. Rüfner, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 372 „Scheinproblem“; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 351. 81 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 60.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Der durch den Gesetzgeber als Steuerobjekt in Anspruch genommene Gegenstand, von dessen wirtschaftlichem Wert die Steuer erhoben wird, stellt sich seinerseits häufig als eine Vermögensrechtsposition dar, die als solche in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fällt. Die Steuererhebung ist insoweit ein grundrechtsrelevanter Eingriff in diejenigen konkreten Vermögensrechte, die als Steuerquelle betroffen sind 82. Wenn der auf Einnahmeerzielung bedachte Gesetzgeber auf einen ihm als Steuerquelle ergiebig anmutenden Vermögensrechtskomplex eine Steuer legt, bleibt zwar die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Rechtsträgergewährleistung grundsätzlich unberührt. Die Steuer greift insoweit jedoch nicht nur auf das Gesamtvermögen zu, sondern vermittelt die staatliche Teilhabe am Ertrag einer Eigentumsnutzung oder an der Substanz, an dem nach dem Stichtagsprinzip ermittelten Augenblickswert, konkreter Vermögensgüter, schreibt also ein konkretes privatnütziges Vermögen in einer Momentaufnahme für den steuerlichen Zugriff tatbestandlich fest 83. Durch diese wird das wirtschaftliche Interesse an den steuerlich erfassten Gegenständen zwangsläufig beeinträchtigt. Es ist nicht zu leugnen, dass Steuern, die an bestimmte Bestandteile des Vermögens anknüpfen, den Wert der erfassten Vermögensrechte im wirtschaftlichen Ergebnis mindern (vgl. Steuersparmodelle). Für die Eingriffsqualifizierung kommt es insoweit auch auf die objektiven, tatsächlichen Auswirkungen der Steuer auf eine bestimmte Vermögensposition an 84. Denn die Grundrechte als Abwehrrechte gewähren dem einzelnen Freiheit auch von jeder hoheitlich bewirkten tatsächlichen Einwirkung oder Störung durch Steuergesetze, soweit das in den Grundrechten abgesicherte Handeln und der vom Steuertatbestand erfasste Vorgang durch Vermögenseinbußen für den Handelnden wirtschaftlich belastet wird 85. Wenn die Abgabe unmittelbar vom wirtschaftlichen Wert einer Sache oder eines Rechts erhoben wird, handelt es sich bei der Steuererhebung dann nicht nur um eine eingriffsneutrale Auswirkung einer in ganz andere Richtung zielenden staatlichen Maßnahme, sondern eine Beschränkung des jeweiligen Eigentumsgegenstands, eine Art Wegezoll 86. Die durch Zahlung des Schuldners vermittelte Belastung des Steuergegenstandes ist demnach an Art. 14 GG zu messen, da die nach dem Steuergegenstand bemessene Summenschuld die Alternative begründet, die Schuld aus Geldvermögen zu begleichen oder den Steuerzugriff auf den konkreten Gegenstand zu dulden 87. 82

W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 117; „Korrelation“ bei D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 280 ff.; Nachweise bei H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 91 und R. Wendt, NJW 1980, S. 2112 f. 83 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 88. 84 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 192 f. 85 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 494 f. m. w. N. und Auseinandersetzung mit O. Bachof; K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 135. 86 W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 117; kritisiert von R. Wendt, NJW 1980, S. 2113 m. N.

II. Mittelbare Eingriffe auf das konkrete Vermögensrecht

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Die Möglichkeit einer mittelbaren Beeinträchtigung konkreter Eigentumsrechte dadurch, dass eine Besteuerung an die Inhaberschaft, eine bestimmte Nutzung oder einen bestimmten Gebrauch einer konkreten Vermögensrechtsposition anknüpft, ist zur Berührung der Eigentumsgewährleistung folglich ausreichend 88. Eine mittelbare Betroffenheit eines Eigentumsgegenstandes durch ein Steuergesetz liegt demnach immer dann vor, wenn der Gesetzgeber an die Nutzung, ein bestimmtes Gebrauchmachen oder die Innehabung einer subjektiven vermögenswerten Eigentumsobjekts des Steuerschuldners eine Rechtsfolge knüpft und mit Besteuerung belegt 89. Auch im Kuponsteuerurteil wird bei der Auferlegung einer Geldleistungspflicht nicht auf das Gesamtvermögen, sondern auf einzelne Rechtsgüter und deren Nutzung abgestellt, die durch die Leistungspflicht mittelbar betroffen sind 90. Das Bundesverfassungsgericht greift damit auf die durch die Nutzung und Verfügung erzielten oder erzielbaren Einnahmen aus den konkret herangezogenen Vermögensbestandteilen, die einzelnen vermögenswerten Rechte zurück 91. Insoweit kann auch die Einführung der Übermaßformel als Zugeständnis zu betrachten sein, dass mittelbar auf das Eigentum wirkende Regelungen grundrechtsberührend sein können 92. Das Bundesverfassungsgericht anerkennt damit den möglichen Eingriffscharakter gesetzlicher Bestimmungen in konkrete Vermögenspositionen durch rechtlich mittelbare oder tatsächliche Auswirkungen, insbesondere für die freiheitsbeschränkende Wirkung von Abgabengesetzen. Die rechtliche Würdigung der Auferlegung von Geldleistungspflichten als einer bloßen Vermögensbeeinträchtigung schließt also nicht eo ipso zugleich aus, dass, wenn nicht alle Geldabschöpfungsvorgänge selbst, so doch diesen etwa innewohnende Durchgriffswirkungen auf die Eigentumssphäre relevante Beeinträchtigungen der in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG statuierten Rechtsstellungsgewährleistung sein können. Die Eigentumsgewährleistung steht insbesondere einem Staatswirken entgegen, das sich auf Formen mittelbarer Eingriffe zurückzieht, um ungestört im grundrechtsfreien Raum wirken zu können. Die Grundrechte schützen prinzipiell nicht nur gegen unmittelbar gezielte Eingriffe, sondern gewähren dem Einzelnen in weitem Umfang auch Schutz gegen die mittelbar freiheitsbeschränkende Wirkung staatlicher Maßnahmen, wie sie gerade für das Steuerrecht charakteristisch ist 93. Es liegt eine mittelbare eingriffsartige Einflussnahme auf den Gebrauch, die Benutzung und die Ausnutzbarkeit dieser Rechte vor. Eine 87

P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 238. M. Rosenthal, NJW 1998, S. 1110; K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 525; diese Auffassung endlich bestätigend BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1193). 89 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 237. 90 BVerfGE 19, 119 (129). 91 BVerfGE 19, 119 (128 f.); 38, 61 (102); 63, 343 (368). 92 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 236 f., 244 f. 88

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Verfassung, die sich und ihre Grundrechte ernst nimmt, muss sich gegenüber solchen mittelbaren, deshalb aber nicht weniger effizienten Beeinträchtigungen des durch die Grundrechte geschützten Freiheitsraums wehrhaft erweisen 94. Die Eigentumsgewährleistung muss gerade wegen ihrer freiheitsfördernden Bedeutung einen umfassenden Schutz des Bürgers gegenüber aller Form staatlicher Machtausübung umfassen. Die Mittelbarkeit der Wirkung enthebt den Steuergesetzgeber daher nicht der Verantwortung, zu beurteilen, welche Auswirkungen der Steuer auf die vermögensrechtliche Sphäre der Betroffenen gerechtfertigt werden können.

III. Steuerinterventionismus 1. Steuern als Instrument der Verhaltenslenkung Eine intendierte mittelbare Wirkung der Steuer ist zudem bereits in ihrer Definition angelegt. Zwar ist die Erhebung von Steuern das wichtigste Finanzierungsmittel des Staates 95. Der Steuerbegriff i. S. von § 3 Abs. 1 AO lässt aber ausdrücklich neben dem Einnahmeerzielungszweck die Verfolgung weiterer Zwecke der Besteuerung zu. Danach kann das Steuern mit der Steuer die Einnahmeerzielung auch zum Nebenzweck werden lassen 96. Im Gegensatz zur reinen Fiskalsteuer könnte bei den außerfiskalisch motivierten Ordnungssteuern also der Hauptzweck der Einnahmeerzielung aufgegeben werden 97. Entsprechend werden die Steuergesetze üblicherweise in Finanz- oder Fiskal und Lenkungs- oder Ordnungssteuern eingeteilt 98. Es ist demnach zu unterscheiden zwischen sozial-politischer Umverteilungsbesteuerung, deren Ziel die Verbesserung der finanziellen Lage der Begünstigten ist, und der Lenkungsbesteuerung, welche die Betroffenen, insbesondere aus wirtschaftlichen Gründen, zu einem bestimmten Verhalten veranlassen will 99.

93 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 299; H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 546 f.; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 75. 94 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 190 f. m. w. N. 95 U. Sacksofsky, NJW 2000, S. 2620 mit Hinweis auf den Liberalismus entgegen Kameralisten, denen Lenkung durch Steuern selbstverständlich war. 96 D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 195; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 336 ff.; R. Hendler / J. Heimlich, ZRP 2000, S. 325 mit Lenkungsbeispielen. 97 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 48 f. 98 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 59 ff.; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 143; P. Badura, WiR 1974, S. 8. 99 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 324.

III. Steuerinterventionismus

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Die einen dienen in erster Linie dazu, den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zu decken. Die anderen greifen auf konkrete Rechtsstellungen durch und verfolgen vornehmlich den Zweck, auf den Willen oder das Verhalten des Steuerpflichtigen bei der Verwendung und Nutzung von Wirtschaftsgütern Einfluss zu nehmen 100. Die Steuergesetzgebung ist damit über die Funktion der staatlichen Mittelbeschaffung hinausgewachsen und erweist sich als ein bedeutsames Instrument zur Verfolgung anderer staatlicher Ziele, insbesondere gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitischer Art 101. Eine wirtschaftspolitische Lenkungsteuer definiert etwa nicht mehr die durch Eigentum schlechthin vermittelte Rechtsposition, sondern nimmt einzelne Eigentümer je nach wechselnden wirtschaftspolitischen Zwecken in Pflicht. Der Steuerinterventionismus stellt auch eine notwendige Folge der aus dem Sozialprinzip resultierenden staatlichen Verantwortung für solche Lebensbereiche dar, die früher ausschließlich der Gesellschaft selbst überlassen wurden 102. Denn anders als der liberale Ordnungsstaat versucht der republikanische Sozialstaat, den Wirtschaftsprozess vielfach zu korrigieren. Zu diesem Zweck bedient er sich auch der öffentlichen Finanzen. Durch die Sanktion eines Steuernachteils wird versucht, den Gebrauch der vom Eigentum umfassten Rechte im Sinne des Staates zu lenken und damit in den Dienst des Allgemeinwohls zu stellen. Durch die größere Belastung wirtschaftlich unerwünschter Tatbestände wird mittelbar ein Zwang zur gewünschten, sozial nützlichen wirtschaftlichen Betätigung ausgeübt. Es findet damit eine sozialstaatliche Instrumentalisierung der öffentlichen Finanzen zur Intervention statt. Die Steuererhebung erweist sich als ein geeignetes Mittel, die Erfüllung des sozialen Auftrags von Eigentum und Eigentümer zu begünstigen. Unter dem sozialstaatlichen Prinzip des Grundgesetzes wird die Steuer daher planmäßig zur Steuerung gesellschaftlicher Prozesse und zur Sozialpolitik verwendet 103. Die objektiven Auswirkungen einer Sonderbesteuerung können den Steuerpflichtigen veranlassen, den sonderbesteuerten Tatbestand möglichst zu vermeiden. Die Besteuerung stellt sich aus der Sicht des betroffenen Rechtsinhabers demnach als eine auf der Innehabung oder Nutzung seines Rechts beruhende in100 K. H. Friauf , Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 20 f.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 93 f.; R. Mußgnug, JZ 1991, S. 996 f. 101 K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 523 m. w. N.; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 178; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 33 f.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 83; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 499; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 48 f. 102 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 179. 103 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 41 f. m. w. N. Wohlfahrts- und Vorsorgestaat; weitere Hinweise in Fn. 573.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

direkte Belastung dar, die ihn vor die Alternative stellt, entweder den besteuerten Umstand zu unterlassen oder eine wirtschaftliche Einbuße hinzunehmen 104. Das imperative Staatshandeln wird somit durch die Anpassungsfähigkeit der betroffenen Rechtsinhaber ersetzt 105. Unterwirft sich der Einzelne diesem Zwang, so ist die bezweckte Verwendung der Mittel erreicht. Wirtschaftet der Abgabepflichtige ohne Rücksicht auf diesen Ordnungszwang, so ist die dadurch ausgelöste erhöhte Belastung der Preis dafür, dass er die Belange der Allgemeinheit bei der Verwendung seiner Mittel vernachlässigt 106. Eine Ordnungssteuer erreicht also ihren Zweck gerade dann, wenn sie weniger Einnahmen erzielt und deswegen den Lenkungseffekt bewirkt 107. Diese Gegenläufigkeit von Lenkungs- und Fiskalzweck ist kein Argument gegen Lenkungsteuern. Vielmehr erreicht eine sinnvoll konzipierte Ordnungssteuer ein Ausmaß, das als vertretbar angesehen wird und fördert Substitutionsprozesse 108. Umweltabgaben z. B. nutzen den Marktmechanismus der Verteilung über den Preis und bieten den Anreiz für eine technologische Fortentwicklung im Interesse des Umweltschutzes. Ein Wirtschaftsunternehmen wird etwa prüfen, ob es billiger ist, eine Umweltsteuer zu entrichten oder die Umweltbelastung durch Umstrukturierungsmaßnahmen zu verringern. Die Unterscheidung zwischen Fiskalzweck- und Lenkungsteuern kann allerdings keine absolute Grundlage einer verlässlichen verfassungsrechtlichen Argumentation abgeben 109. Denn die Begriffe Finanzsteuer und Ordnungssteuer spiegeln ideale Konträrtypen wider, die im geltenden Steuerrecht nur in differenzierten Kombinationen feststellbar sind. Die in erster Linie auf Bedarfsdeckung ausgerichteten Steuern des Einkommens weisen vielfältige Elemente der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung (z. B. Sonderabschreibung, Sonderausgaben, Freibeträge) auf. Es gibt kaum eine Steuer mehr, die nicht auch nichtfiskalische, wie etwa wirtschafts- und sozialpolitische Wirkungen bezweckt und tatsächlich verwirklicht 110. Umgekehrt bezwecken selbst eindeutig als Lenkungs-

104

J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 400. R. Hendler / J. Heimlich, ZRP 2000, S. 326. 106 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 84. 107 E. Denninger, AG 1978, S. 74; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 48. 108 U. Sacksofsky, NJW 2000, S. 2623 f. 109 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 143 m. w. N.; ders., in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 371; ders., DVBl. 1980, S. 789, 793 als abgestufte Indolenz; D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 265; R. Herzog, EvStl, Sp. 684; Gegenkritik R. Wendt, NJW 1980, S. 2114 f. und H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 94. 110 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 141; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 35, 41 f.; F. Klein, in: Festschrift für Fritz Neumark, S. 229, 238 f. 105

III. Steuerinterventionismus

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oder Ordnungssteuern zu qualifizierende Abgaben auch die Einnahmeerzielung durch den Staat, d. h. die Zuführung von Geldmitteln in die öffentlichen Haushalte – nur so kann vielfach der intendierte Lenkungserfolg überhaupt erreicht werden. Dass der Fiskalzweck einer Steuer nicht vollständig fehlen darf, belegt auch das Verfassungsverbot erdrosselnder Steuern. Denn wenn eine Lenkungsteuer wegen ihrer Höhe typischerweise kein Steueraufkommen mehr dadurch erwarten lässt, dass die Steuerpflichtigen den Steuertatbestand erfüllen, entfällt in der Konsequenz die Eigenschaft als Steuer 111. Soll eine Lenkungsteuer „Steuer“ sein, muss sie demnach auf Lenkung und Finanzierung abzielen. Die heutige Steuerbelastung der Bürger stellt demnach keine auf den reinen Finanzierungszweck begrenzte Belastung dar. Einziger Zweck der Besteuerung ist nicht mehr, den Staat mit den notwendigen Finanzmitteln auszustatten. Sondern es ist nur ein durch Auslegung ermittelbarer Unterschied, ob eine Steuer über den Finanzierungszweck hinaus eine gezielte Gestaltung der wirtschaftlichen, sozialen oder allgemeinpolitischen Ordnung gerichtet ist 112. 2. Lenkung als Voraussetzung des Steuereingriffs in Grundrechte? Vereinzelt wird vertreten, solange der Steuergesetzgeber nicht mit diesen gezielten interventionistischen Steuernormen auf subjektive Vermögensgegenstände durchgreift, handele es sich bei der staatlichen Steuergewalt überhaupt nicht um einen Eingriff in Einzelvermögensrechte 113. Nicht der Finanzierungszweck, sondern nur der Lenkungszweck sei überprüfbar 114. Die für die Auslösung des Grundrechteschutzes zu fordernde konkrete staatliche Ingerenz liege erst dann vor, wenn eine hoheitliche Maßnahme ihrer sachlichen Eigenart nach und damit typischerweise dem betroffenen Bürger in einem bestimmten Bereich die Möglichkeit der freien Selbstbestimmung nimmt, sich also spezifisch gegen den gewährleisteten Grundrechtsbereich richtet 115. Lediglich die zweckbewusste Einplanung verhaltensregulierender Wirkungseffekte durch den Steuergesetzgeber aktualisiere demnach den Schutzgehalt der individuellen Freiheitsverbürgungen 111

M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 34 ff. P. Selmer, Steuerinterventonismus und Verfassungsrecht, S. 61 ff.; R. Wendt, NJW 1980, S. 2115. 113 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 92; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 304; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493. 114 P. Badura, WiR 1974, S. 8 f. 115 R. Wendt, NJW 1980, S. 2114; P. Selmer, Steuerinterventonismus und Verfassungsrecht, S. 218; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493 f.; K. H. Friauf , Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 40 f., 44 f. 112

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

des Grundgesetzes. Eine in diesem Sinn finale Ausrichtung auf die Freiheitsbeeinträchtigung als zwingende Voraussetzung der Eingriffsqualität läge also nur vor, wenn der Steuergesetzgeber Art oder Umfang der Steuererhebung gezielt einsetzt, um eine grundrechtliche Freiheitsausübung zu beschränken und so eine bestimmte Sachaufgabe zu erfüllen. Dabei sei die lediglich hingenommene faktische Entwicklung jedoch noch keine Lenkung 116. Ihre konsequente Anwendung auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG würde bedeuten, dass diese Verfassungsvorschrift immer nur als Maßstabsnorm im Sinne eines subjektiven Grundrechts relevant wird, wenn die steuerliche Regelung in concreto das Mittel bildet, um über die Vermögenssphäre hinaus auf bestimmte, per se enteignungsfähige Rechtspositionen durchzugreifen und in irgendeiner Weise Einfluss auf ihre Verwendung oder Nutzung zu nehmen, ohne dass es freilich darauf ankäme, ob daneben auch fiskalische Implikationen des Gesetzgebers bei der Schaffung der Regelung eine Rolle gespielt haben 117. Nur der gezielt fiskalische Eingriff in das Vermögen, die im Steuertatbestand vorgenommene Zuordnung von privatem und öffentlichem Vermögensinteresse, bedürfte der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung 118. Erst wenn der Gesetzgeber darauf abzielt, den Zusammenhang des Vermögens zu durchbrechen und mit Hilfe des auf den Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Drucks auf die Verwendung oder Veräußerung bestimmter einzelner Gegenstände einzuwirken, stellte diese gezielte Einwirkung auf bestimmte Objekte innerhalb des Gesamtvermögens einen Zugriff auf dieses Eigentum dar 119. Daher würde zwar der gezielt verhaltensregulierende, steuerinterventionistische Zugriff auf Inhaberschaft, Nutzung oder Gebrauch als Durchgriffswirkung eines konkreten Eigentumsrechts einen Schutz aktivieren, nicht aber bereits der keine derartige Einwirkung darstellende fiskalische Zugriff auf das finanzielle Ergebnis der Ausübung eigentumsgrundrechtlich geschützter Freiheit, die bloße tatbestandliche Anknüpfung hieran 120. Eine steuerliche Gestaltungswirkung wäre also nur und erst dann als Beschneidung der Privatnützigkeit privatwirtschaftlicher Ertragserzielung zu betrachten, wenn sich aus der Auslegung der fraglichen Steuernorm ein spezieller Verwaltungszweck ergibt, der unmittelbar durch die Besteuerung eines grundrechtsgeschützten Rechts gefördert wird, ihre Belastungswirkung gerade diese Ertragserzielung trifft 121.

116

W. Leisner, NJW 1995, S. 2595; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 152 m. w. N. P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 336 ff. 118 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 143; ders., DVBl. 1980, S. 789. 119 K. H. Friauf , Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 43 ff. 120 R. Wendt, NJW 1980, S. 2114; P. Selmer, Steuerinterventonismus und Verfassungsrecht, S. 218; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493 f. 121 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 21 ff. m. w. N. 117

III. Steuerinterventionismus

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Die von den Steuergesetzen ausgehenden mittelbaren Wirkungen auf bestimmte ökonomische oder rechtliche Verhaltensweisen belasten den Einzelnen zwar im allgemeinen nicht vorrangig, um diese grundrechtlich geschützte Betätigung einzuschränken, sie auszuschließen oder zu erschweren, sondern um deren Ausnutzung zum Zwecke der staatlichen Einnahmeerzielung 122. Eine Eingrenzung eigentumsbelastender Gesetze auf solche, die auf die Motivationslage des Rechtsinhabers zielgerichtet einwirken, lässt sich in dieser pauschalen Form aber schon deshalb nicht halten, weil auch ein Gesetz, das lediglich auf der Tatbestandsseite an einen eigentumsrelevanten Umstand anknüpft, dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ohne weiteres eine neue Schranke zieht und eine bewusste Entscheidung des objektivierten Gesetzgebers voraussetzt, dies zumindest als ungewollte Nebenfolge hinzunehmen 123. Daher muss auch eine solche Anknüpfung diesem Grundrecht als Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit unterworfen werden. Aus dem Charakter des Eigentumsgrundrechts zum Schutz der Handlungsalternativen im Vermögensbereich folgt zudem, dass es für die Frage einer Schutzbereichstangierung nicht darauf ankommen kann, ob die getroffene Regelung mit dem Ziel der Erschwerung oder nur anlässlich anderer Zwecksetzungen auf den Entscheidungsprozeß der betroffenen Rechtsinhaber einwirkt. Maßgeblich ist allein die grundrechtsverletzende Wirkung einer gesetzlich auferlegten Abgabe dadurch, dass durch die Ausgestaltung des Tatbestands bei der Auferlegung von entsprechenden Steuern die wirtschaftlichen Verwertungs- und Nutzungsmöglichkeiten gemindert oder aber durch entsprechende Anreize die Handlungsfreiheit durch den unmittelbar ausgeübten Druck, den geforderten Kriterien zu entsprechen, belastet werden 124. Aus dem den Grundrechten innewohnenden Freiheitsgehalt ergibt sich demnach, dass der Schutz der Grundrechte nicht auf Eingriffe beschränkt bleiben kann, welche ein bestimmtes Recht ganz oder teilweise unmittelbar beseitigen 125. Die grundrechtlich gewährleisteten Rechte des Bürgers können gleichermaßen durch gezielte und gewollte Einwirkungen der Staatsgewalt wie durch unbeabsichtigte Folgewirkungen andere Ziele verfolgender Hoheitsakte verkürzt werden 126. Die Finalität als Absicht der Grundrechtsbeeinträchtigungen ist demnach kein Begriffs122 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 494; ders. DVBl 1980, 787 (790) m. w. N. in Fn. 25. 123 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 411 f.; D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 280 f.; M. Kloepfer, StuW 1972, S. 177; H.U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 21 ff., 49 ff. 124 W. Leisner, NJW 1996, S. 1511 (1513); K. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 439. 125 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 69. 126 K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 130 ff.; H.-J. Papier, DVBl 1980, S. 787 (790); ders. AöR 98 (1973), S. 542 ff.; K. Vogel, JbFAfStR 1968/1969, S. 232; Friauf, JurA 1970, S. 299 f.; D. G. Bodenheim, Der Zweck der Steuern, S. 280 f.; M. Kloepfer, StuW 1972, S. 177; H.-U. Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen im Bereich der Grundrechte, S. 21 ff., 49 ff.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

erfordernis für die Annahme des Eigentumseingriffs 127. Mangelnde Finalität oder Unmittelbarkeit der Einwirkung mögen den Ausschluss des Entschädigungsanspruchs nach Art. 14 Abs. 3 GG rechtfertigen, können aber nicht das aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG folgende Recht auf Abwehr rechtswidriger Beeinträchtigungen ausschließen. Für den durch Art. 14 GG gewährten Schutz hat es dabei ohne Relevanz zu bleiben, ob und inwieweit der Gesetzgeber mit einer Steuernorm eigentumsregulierende Funktionen verfolgt 128. Insoweit sind alle durch hoheitliches Handeln verursachten oder drohenden Rechtsstörungen erfasst. 3. Grenzen der Verhaltenslenkung durch Steuern Der Einsatz der Lenkungsbesteuerung kann zwar umstritten sein, etwa im Rahmen der viele Bürger betreffenden Benzinpreise 129. Wenn Steuern etwa als Instrument der politischen Lenkung eingesetzt werden, ist das jedoch für sich verfassungsrechtlich nicht bedenklich und stellt keinen Formenmissbrauch dar 130. Steuerrechtliche Vorschriften, die vornehmlich auf die Erzielung interventionistischer Wirkungen angelegt sind, stellen nicht schon eo ipso unzulässige Eigentumsbeeinträchtigungen dar. Ansonsten würde der Lenkungseingriff nicht als selbständig zu würdigender Teilaspekt steuerinterventionistischer Vorschriften begriffen, sondern vielmehr einseitig nur auf den formal-steuerrechtlichen Vorgang des Anforderns von Geld abgestellt. Dies führte überdies zu dem merkwürdigen Ergebnis, dass der Lenkungsaspekt immer dann grundsätzlich unzulässig ist, wenn der Einnahmeerzielungszweck ebenfalls eine, wenn auch noch so geringe Rolle beim Erlass der Regelung gespielt hat. 1980 erkannte das Bundesverfassungsgericht ebenfalls für den verfassungsrechtlichen Steuerbegriff an, „dass die Steuer in der modernen Industriegesellschaft zwangsläufig auch zum zentralen Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geworden ist“ 131. Der Gesetzgeber ist demnach nicht gehindert, das Steuerrecht zur lenkenden Einflussnahme auf das Verhalten der Bürger und der Wirtschaft einzusetzen. So ist es nicht zu beanstanden, dass die Tabak- und Branntweinsteuer den Tabak- und Spirituosengebrauch aus gesundheitspolitischen Gründen nachhaltig verteuert oder die Hundesteuer die Zahl der Hunde auf das Maß des Erträglichen zurückdämmen will 132. Fraglich kann allerdings sein, ob dies die jeweils

127 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 21 ff.; s. a. W.R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 191; K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 84. 128 W. R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 190 f.; E. Benda / K. Kreuzer DStZ (A), 1973, S. 49 (53). 129 U. Sacksofsky, NJW 2000, S. 2619. 130 BVerfGE 6, 55 (81); 13, 331 (345 f.); 16, 147 (161); 19, 101 (114); 30, 250 (264); 31, 8 (16, 24); 55, 274 (299); s. a. E. Benda / K. Kreuzer, DStZ 1973, S. 51. 131 BVerfGE 55, 274 (299).

III. Steuerinterventionismus

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zweckmäßige Alternative im Vergleich zu anderem staatlichen Handeln ist und inwieweit eine Differenzierung etwa zu anderen Genussmitteln gerechtfertigt ist. Notwendig wäre ein ordnungsrechtliches Verbot allerdings nur, falls ein Verhalten gänzlich unterbunden werden soll. Auch ist der Einsatz der Lenkungsteuern natürlich nur sinnvoll, wenn sie auch tatsächlich ihre Lenkungsziele erreichen können. Da das Verhältnismäßigkeitsprinzip das Gebot umfasst, dass grundrechtsbeschränkende Gesetze zunächst geeignet sein müssen, um den mit ihnen verbunden Zweck zu erreichen, verstößt etwa eine Gesamtbesteuerung durch sich offensichtlich in den Zielsetzungen widersprechende Lenkungsteuergesetze hiergegen und ist daher verfassungswidrig 133. Die Verfassungswidrigkeit muss hierbei jedes der betroffenen Lenkungsteuergesetze erfassen, auch wenn die erlassenen Steuergesetze für sich geeignet wären, den mit dem Steuergesetz verfolgten Zweck zu erreichen. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem für die Verpackungsteuer entschieden, dass ein Lenkungsteuergesetz auch zu Regelungen des Sachgesetzgebers in Widerspruch stehen und hierdurch aufgrund formeller Verfassungswidrigkeit das Eigentumsgrundrecht verletzen kann 134. Zwar setze eine Lenkungsteuer selbst „keine zur Steuergesetzgebungskompetenz hinzutretende Sachkompetenz voraus“ 135. Die Kompetenz zur Lenkung in einem anderweitig geregelten Sachbereich sei jedoch nur dann „zulässig, wenn dadurch die Rechtsordnung nicht widersprüchlich wird. Greift die steuerliche Lenkung auf eine Sachmaterie über, darf der Steuergesetzgeber nicht Regelungen herbeiführen, die den vom zuständigen Sachgesetzgeber getroffenen Regelungskonzepten widersprechen“ 136. Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes und dem Rechtsstaatsprinzip darf der Abgabengesetzgeber „aufgrund etwa seiner Steuerkompetenz des Art. 105 Abs. 2a GG nur insoweit lenkend und damit mittelbar gestaltend in den Kompetenzbereich eines Sachgesetzgebers übergreifen, als die Lenkungswirkungen weder der Gesamtkonzeption der sachlichen Regelung noch konkreten Einzelregelungen zuwiderläuft“ 137. Besteht also z. B. eine Kompetenz sowohl für ein Bundes- als auch für ein Landesgesetz, so kann sich ein Widerspruch ergeben, wenn einerseits der Bundesgesetzgeber eine Sachregelung trifft, andererseits der Landesgesetzgeber eine Steuer erhebt. In einem solchen Fall trifft der Abgabengesetzgeber in den vom Sachgesetzgeber erlassenen rechtsverbindlichen Vorgaben des Bundesgesetzes auf eine Grenze der Kompetenzausübung.

132 133 134 135 136 137

R. Mußgnug, JZ 1991, S. 997. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 45. BVerfGE 98, 106 ff. – kommunale Verpackungsteuer und Landesabfallgesetze. BVerfGE 98, 106 (118). BVerfGE 98, 106 (118). BVerfGE 98, 106 (119).

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Die verfassungsrechtlichen Grenzen der Verhaltenslenkung im Steuerrecht variieren darüber hinaus in Abhängigkeit davon, ob die Verhaltenslenkung mit Hilfe von steuerlichen Vergünstigungen für das erwünschte Verhalten oder mit Steuerverschärfungen für das unerwünschte Verhalten betrieben wird 138. Denn Interventionen bedienen sich vor allem zweier Mittel: Sie veranlassen den Bürger durch ökonomische Erleichterungen oder Erschwerungen zu bestimmten Verhaltensweisen. Das Steuerrecht bewirkt also wirtschaftliche Anreize, indem es einerseits Entlastungstatbestände anbietet und andererseits Belastungen auferlegt. So wird mit einer ökologischen Steuerreform zumindest beabsichtigt, durch spezielle Steuervergünstigungen oder –belastungen ein umweltschonendes Verhalten fördern 139. Das Steuern mit der Steuer erfolgt dabei ganz überwiegend durch Gewährung von Steuervergünstigungen (z. B. Abschreibungen). Die Steuerbegünstigung eines bestimmten Verhaltens ist der Anreiz, das Verhalten nach dem begünstigten Tatbestand auszurichten 140. Die Bürger kommen nur in den Genus der Vergünstigungen, wenn sie der Direktive folgen. Im Falle von Steuervergünstigungen soll damit zwar wie bei der Auferlegung steuerlicher Sonderlasten Einfluss auf das Verhalten von Bürgern ausgeübt werden. Im Gegensatz zur Lenkung mittels Auferlegung von Sonderlasten liegt hier jedoch grundsätzlich keine Einschränkung der entsprechenden Freiheitsgrundrechte vor, weil der ökonomische Anreiz dem Betreffenden lediglich eine zusätzliche Handlungsmöglichkeit verschafft 141. Ein unmittelbarer Eingriff der Besteuerung in durch Art. 14 GG geschützte konkrete vermögenswerte Rechte wäre etwa erst bei der Beseitigung einer individuellverfestigten Steuervergünstigung in Betracht zu ziehen 142. Im Rahmen einer Steuerbelastung beeinträchtigt jede Lenkungsteuer insofern das Eigentum, als sie zur Hergabe von Geld verpflichtet. Diese Wirkung ist aber nur das Mittel zu einer Einflussnahme auf den Willen des Steuerpflichtigen, von seiner grundrechtlichen Freiheit in bestimmtem Sinne Gebrauch zu machen. Zu unterscheiden ist deshalb zwischen dem Grundrechteschutz, insofern er die Eigentumsbeeinträchtigung als Mittel und insofern er das angestrebte 138 H. Stang, Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Besteuerung, S. 141 mit weiteren Ausführungen; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 230 ff. 139 Gesetz zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999, BGBl. I, S. 378; Gesetz zur Fortführung der ökologischen Steuerreform vom 16. Dezember 1999, BGBl. I, S. 2432. 140 K. Tipke / J. Lang, § 20 Rz. 1 ff.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 48 f. 141 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 325, Fn. 153. 142 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 189; B. Schmidt-Bleibtreu, BB 1980, S. 57; zum Vertrauensschutz und zur Rückwirkung im Steuerrecht auch BVerfGE NJW 1998, S. 1547.

III. Steuerinterventionismus

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Verhalten des Steuerpflichtigen, die beabsichtigte Wirkung, betrifft 143. Würde man die grundrechtliche Würdigung steuerinterventionistischer Eingriffe in das Eigentumsgrundrecht nur an der Qualität des den Lenkungsadressaten nahe gelegten Ausweichverhaltens als solchem ausrichten, würde übersehen, dass der verfassungsrechtlichen Beurteilung der Eingriffsintensität steuerlicher Vorschriften grundsätzlich auch die Inzidenzwirkungen für den Adressatenkreis zugrunde zu legen ist, der die Steuern trägt 144. Das gilt für außerfiskalisch orientierte Wirkungszwecksteuern nicht anders als für solche, die im Dienste der staatlichen Mittelbeschaffung stehen, mag auch bei den ersteren das in der möglichst weitgehenden Steuervermeidung aufgehende Verhalten der potentiell Pflichtigen den legislatorischen Intentionen am besten entsprechen. In dieser Einsicht der doppelten Rechtfertigung liegt zugleich eine Crux der Verwendung des Steuergesetzes als eines außerfiskalischen Eingriffsinstruments begründet und macht die Handhabung der Steuer als Lenkungsinstrument zur gesetzgeberischen Feinarbeit, soll nicht der Eingriff in concreto wesentlich erfolglos bleiben oder aber in die Verfassungswidrigkeit abgleiten 145. Denn einerseits lässt sich das Lenkungsziel nur dann in zufrieden stellender Weise erreichen, wenn der Anreiz zu der unerwünschten Betätigung oder Eigentumsnutzung unter das normale Maß gesetzt wird. Andererseits muss aber der steuerliche Druck, den der Gesetzgeber zur Erzielung des Lenkungserfolges ausübt, so dosiert werden, dass auch für diejenigen, die sich durch die Einflussnahme auf ihre Motivation nicht zu einem Verhalten zwingen lassen wollen, die weitere Ausübung der Eigentümerrechte noch ökonomisch sinnvoll bleibt, d. h. nicht ganz unrentabel wird. Bei diesen belastenden Steuerinterventionstatbeständen müssen also beide Elemente, sowohl der Steuertatbestand als ein an Art. 14 GG zu messender Vermögensentzug als auch die Lenkung als Einschränkung von Verhaltensfreiheiten, z. B. der Berufsausübungsfreiheit, gerechtfertigt werden 146. Stellen sich steuerliche Gestaltungswirkungen als unmittelbare Erfüllung staatlicher Sachaufgaben dar und greifen sie so in Freiheitsgrundrechte ein, so bedürfen sie insoweit einer zusätzlichen selbständigen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung 147. Die Ordnungssteuer, derer sich der Staat primär als Werkzeug zur Ordnung des wirtschaftlichen und sozialen Lebens bedient, bedarf von Verfassungs wegen also 143

K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 525. P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 346 f. 145 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 346 f. 146 So auch P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 377; K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 525; H. Soell, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 394. 147 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 21 f. m. w. N.; P. Kirchhof , DStR 3/2001, S. VI. 144

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

einer besonderen, nur aus den speziell betroffenen Freiheitsrechten ableitbaren Rechtfertigung 148. Der Steuereingriff als solcher, das Mittel, das motivierende Hinwirken, die Lastenverteilungswirkung selbst muss die Grenzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips insbesondere in Bezug auf Art. 14 GG beachten 149. Insofern besteht kein Unterschied zu den allgemeinen Grenzen gegen Steuereingriffe, die weiter unten dargelegt werden. Soweit die Steuer als Mittel der Lenkung eingesetzt wird, ergibt sich der relevante Grundrechtseingriff jedoch zusätzlich aus der jeweiligen Lenkung. Bei der Auferlegung einer steuerlichen Sonderlast muss auch der damit verbundene Lenkungszweck die Steuerbelastung rechtfertigen 150. Soll die Grundrechtsrelevanz der Lenkungsfunktion einer Steuernorm als Sondertatbestand gegenüber der Finanzierungsfunktion beurteilt werden, so ist maßgeblich auf die außerfiskalische Zweckzuordnung abzustellen 151. Zwischen einer außerfiskalischen Funktion einer Steuernorm im dargelegten Sinn und der durch sie bewirkten Motivationsbeeinflussung beim Steuerpflichtigen kann dabei ebenso eine Mittel-Zweck-Relation im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hergestellt werden wie zwischen einem unmittelbaren Ge- oder Verbot und dem damit verfolgten Zweck. Im Einzelfall sind Zweck und Gestaltungswirkung der jeweiligen staatlichen Intervention nach allgemeinen Grundsätzen in Ausgleich zu bringen. Maßgebend für die verfassungsrechtliche Beurteilung des Lenkungseingriffs ist dabei das für die bezweckte Wirkung einschlägige Grundrecht 152. Dabei kann das Lenkungsobjekt durch den Zugriff auf das grundrechtsstützende Eigentum ein durch andere Grundrechte geschützter Freiheitsbereich sein. Selbstverständlich kann der Gesetzgeber durch eine Lenkungsteuer auch einen bestimmten Gebrauch von Eigentumsgegenständen durch den Pflichtigen beeinflussen wollen; dann ist Art. 14 GG als das Wirkungsgrundrecht heranzuziehen 153; es gilt nichts anderes als für motivationsbestimmende Eingriffe in andere Grundrechte. 148 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 143 m. w. N.; H. Soell, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 393; P. Kirchhof , NJW 1987, S. 3219; K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 6. 149 K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 86. 150 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 333; K. Tipke / J. Lang, § 4 Rz. 125 f.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 52, der geringere Anforderungen an den Vergleich stellt. 151 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 21 f. m. w. N. 152 K. H. Friauf , Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 45; K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 525. 153 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 330; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 49 f.; K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 85; ders., BayVBl. 1980, S. 525.

III. Steuerinterventionismus

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Soweit durch eine Lenkungsteuer motivationsbestimmend auf die Art der Eigentumsnutzung eingewirkt wird, geht es dann nicht nur um den Ertragsnutzen. Soll zur Förderung eines Verwaltungszwecks eine bestimmte Art der Nutzung eines Eigentumsobjekts beeinflusst werden, so liegt darin vielmehr eine weitergehende Eigentumsbeeinträchtigung. Von den partikularen, nur bestimmte Gruppen erfassenden, Regelungen sind allerdings allgemeine, lastengleiche Lenkungsteuern zu unterscheiden, die allen Steuerzahlern die verfügbaren Mittel kürzen, um ihren ökonomischen Spielraum für Konsum und Investitionen zu beschneiden; letztere beeinträchtigen nur Art. 14 GG 154. Da z. B. der Konjunkturzuschlag in seiner Wirkung auf den Betroffenen nicht über den Steuerentzug hinausging, berührte er allein Art. 14 GG. Eine Einzelfallprüfung eines interventionistischen Steuergesetzes auf seine Geeignetheit ist jedoch schwierig 155. So besteht bei den Lenkungsteuern, mit denen der Gesetzgeber mit dem Mittel der Steuer bewusst Lenkungszwecke erreichen will, hinsichtlich der Messbarkeit und Berechenbarkeit eine Unschärfe des Eingriffs, in welchen Fällen und in welcher Weise die Intervention konkret wirksam werden soll. Bei der Beurteilung, ob das eingesetzte Mittel geeignet zur Erreichung des gesetzgeberischen Zweckes sei, muss jedenfalls von den Verhältnissen zur Zeit des Erlasses ausgegangen werden. Ein Gesetz ist geeignet, wenn der Gesetzgeber aus seiner Sicht davon ausgehen durfte, dass die Maßnahmen zur Erreichung des gesetzten Zieles geeignet waren, dass also seine Prognose bei der Beurteilung wirtschaftspolitischer Zusammenhänge sachgerecht und vertretbar war. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt bei der Überprüfung der Geeignetheit vor allem auf die subjektive Vorstellung des Gesetzgebers bei Erlass des interventionistischen Steuergesetzes ab und kommt nur bei einem schlechthin untauglichen Mittel zum Verdikt der Ungeeignetheit 156. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass ökonomische oder monetäre Steuerinterventionen grundsätzlich weniger freiheitsbeeinträchtigend wirken als Gebote oder Verbote in Gestalt des Nehmens konkreter Wirtschaftsgüter oder der Bindung personaler Freiheit, da sie dem Betroffenen eine Ausweichmöglichkeit belassen. Die Auferlegung von steuerlichen Sonderlasten begründet demnach zwar einen ökonomischen Druck auf die Betroffenen, von ihren Freiheitsgrundrechten Gebrauch zu machen 157 . Der Betroffene hat aber die Wahl, entweder die Zahlung durch das erzwungene Verhalten zu vermeiden oder

154

H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 337. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 29 f., kritisch für objektivierte Prüfung; K. H. Friauf , Verfassungsrechtliche Grenzen der Wirtschaftslenkung und Sozialgestaltung durch Steuergesetze, S. 33 ff. 156 BVerfGE 16, 147 (181, 183); 30, 250 (271 f.); 30, 292 (318); 33, 171 (187); 38, 61 (82). 155

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

sich freizukaufen. Die Lenkungsteuer stellt sich im Vergleich zum Ordnungsrecht damit grundsätzlich als Alternative dar, da der Einzelne wählen kann, ob er den durch den finanziellen Druck gesetzten Anreizen folgt. Dies gilt freilich nur, wenn der Betroffene das fragliche Verhalten auch tatsächlich vermeiden, der Steuerpflicht ausweichen kann 158. Würde etwa die Produktion bestimmter Güter derart besteuert, dass eine Gewinnerzielung für die betroffenen Unternehmen unmöglich gemacht würde, so wäre dies mit der Eigentumsgewährleistung nur vereinbar, wenn die Umstellung auf die Produktion anderer Güter ohne erhebliche Kosten erfolgen könnte und daher zumutbar wäre 159. Die steuerliche Belastung oder Verschonung einzelner Verhaltensweisen hat daher individuell vermeidbare Sachverhalte zum Tatbestand und begründet die Wahlschuld, dem steuergesetzlichen Verhaltensvorschlag zu folgen oder den Nachteil der Steuerlast in Kauf zu nehmen 160. Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, dass die Nutzungsbeeinträchtigung als Ausdruck der Sozialgebundenheit des Eigentums aus Gründen des allgemeinen Wohls erfolgen muss, Art. 14 Abs. 2 GG 161. Ihre absolute Grenze finden die wirtschaftsinterventionistischen Einwirkungsmöglichkeiten des Steuergesetzgebers damit jedenfalls z. B., wenn der Wesensgehalt unternehmerischen Eigentums angetastet wird. Hiervon wird man nicht erst zu sprechen haben, wenn die interventionsbetroffenen Unternehmen nur unter Inkaufnahme von Verlusten weitergeführt werden können. Das dem verfassungsrechtlichen Eigentum immanente Prinzip der Privatnützigkeit ist vielmehr in seinem Kern berührt, wenn die durch den Steuergesetzgeber provozierten Lenkungseffekte die Unternehmer oder einzelne von ihnen nicht nur kurzfristig außerstande setzen, ihren Betrieb als Sach- und Rechtsgesamtheit funktionsgerecht, d. h. aber angemessen gewinnbringend, im Wirtschaftsleben einzusetzen 162.

IV. Abgrenzung zu den Wirkungsgrundrechten Der allgemeine steuerliche Zugriff auf Vermögensgüter ist demnach insbesondere als Eingriff in das Eigentumsgrundrecht zu rechtfertigen, ein damit 157

H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 330; W. Leisner, NJW 1996, S. 1511 (1513); K. Tipke, Steuerrechtsordnung I, S. 439. 158 K. Vogel, BayVBl. 1980, S. 525; P. Kirchhof , JZ 1979, S. 157; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 23. 159 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 71. 160 P. Kirchhof , JZ 1979, S. 157; ders., NJW 1987, S. 3226; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493. 161 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 499 mit Hinweis auf die Wirtschaftslenkung. 162 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 346 f.

IV. Abgrenzung zu den Wirkungsgrundrechten

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verbundener steuerlicher Zugriff auf andere Rahmenbedingungen freiheitlichen Handelns betrifft die für jene Freiheitsausübungen maßgeblichen Grundrechte 163. Lenkungs- oder Ordnungssteuern greifen demnach nicht nur in die finanzielle Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ein, sondern die über den bloßen Geldentzug hinausgehenden Gestaltungswirkungen auf bestimmte Lebensbereiche können eine Reihe anderer Rechtsgüter berühren 164. Die Durchgriffswirkungen von Steuergesetzen beschränken sich also nicht auf den Bereich des Art. 14 GG, sondern betreffen darüber hinaus den Schutzbereich sonstiger Grundrechte 165. Maßstab verfassungsrechtlicher Zulässigkeitsprüfung ist also nicht mehr allein die Gewährleistung des Eigentums. Vielmehr kann der Schutz des Privateigentums durch andere Grundrechte verfestigt werden, die weitere grundrechtliche Besteuerungsgrenzen darstellen 166. Der Gesetzgeber kann sich somit nicht dadurch seiner Grundrechtsbindung entziehen, dass er für die Verfolgung von sachlichen Verwaltungszwecken den Weg der mittelbaren Einwirkung durch die Steuerbelastung wählt. Vielmehr kommt das fragliche Freiheitsrecht dann als so genanntes Wirkungsgrundrecht zum Tragen. Die Auferlegung einer Steuerpflicht kann etwa an ökonomisch-soziologische oder rechtliche Lagen, Vorgänge und Gestaltungen anknüpfen, die durch Spezialgrundrechte, vor allem durch Art. 12 GG und Art. 6 GG, gegen Beschränkung durch öffentlich-rechtliche Ge- und Verbote geschützt sind, und belastet die damit geschützte Freiheitsbetätigung des Bürgers 167. Das belastete Eigentum soll dann Einwirkungen etwa auf berufliche Entscheidungen vermitteln. Soweit das andere Grundrecht dem steuerrechtlichen Zwang zur Tatbestandsvermeidung nicht entgegensteht, ist grundsätzlich auch Art. 14 GG nicht verletzt 168. Der Gesetzgeber hätte hier auch das angestrebte Verhalten durch unmittelbare gesetzliche Regelung anordnen können. Wählt er den weniger einschneidenden steuerrechtlichen Zwang, so steht der Bürger eigentumsrechtlich nicht schlechter. Die Steuer ist dann zulässig, weil sie zugunsten des Steuerpflichtigen der zulässigen Beschränkung seiner Entschließungsfreiheit die Alternative hinzufügt, durch Geldhingabe die sonstige Entscheidungsfreiheit wiederzugewinnen. Soweit die steuerrechtliche Regelung den Steuerpflichtigen aber in eine gegen andere Grundrechte verstoßende Zwangslage bringt und schon die ökonomische Verhaltensbeeinflussung grundrechtswidrig ist, so ist grundsätzlich auch der im Steuerentzug liegende Eingriff in die Eigentumsgewährleistung verfassungswidrig 169. 163

P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 52. H. Stang, Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Besteuerung, S. 88 f. 165 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 50. 166 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 97. 167 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 492. 168 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 51. 164

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Das Bundesverfassungsgericht ordnet dabei das Verhältnis von Art. 14 GG zu den Wirkungsgrundrechten nicht nach einem abstrakten Spezialitätsgrundsatz, sondern nach der stärkeren sachlichen Beziehung des Grundrechts zu dem zu prüfenden Sachverhalt 170. 1. Art. 12 GG a) Abgrenzung Das Verhältnis von Art. 12 Abs. 1 GG zu Art. 14 GG ist also grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, welche Schutzbereiche von beiden Grundrechten umfasst werden. Maßgeblich für die Abgrenzung der Anwendungsbereiche der Berufsfreiheit und des Eigentumsgrundrechts auch im Zusammenhang mit steuerrechtlichen Eingriffen ist demnach die soziale Bedeutung der jeweiligen Ertragserzielung 171. Art. 14 Abs. 1 GG schützt dabei als objektbezogene Gewährleistung insbesondere das Erworbene, das in vermögenswerten Rechten verkörperte wirtschaftliche Ergebnis der Betätigung, den materiellen Erfolg der Entfaltung 172. Begrenzt also der Gesetzgeber mehr die Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter, so kommt der Schutz des Art. 14 GG in Betracht 173. Die Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG schützt dagegen den Erwerb, die berufliche Betätigung selbst, als eine spezifische Ausprägung der individuellen Leistungstätigkeit 174. Greift somit ein Akt der öffentlichen Gewalt eher in die Freiheit der individuellen Erwerbs- und Leistungsfähigkeit ein, so ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG berührt. Da Art. 12 Abs. 1 GG das Recht gewährleistet, eine bestimmte Tätigkeit als Beruf zu wählen und so eine wirtschaftliche Basis der eigenen Lebensführung zu schaffen 175, kommt er demnach als Maßstabsnorm für solche Steuergesetze in Betracht, die in Form von Zulassungsvoraussetzungen die Ausübung des Berufs bei ihrem Beginn oder bei ihrer Beendigung regeln, die als so genannte reine Ausübungsregelungen die Art und Weise bestimmen, wie die Berufsangehörigen ihre Berufstätigkeit im einzelnen zu gestalten haben

169 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 334 mit Beispiel Fn. 200; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 51. 170 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 277 m. w. N. 171 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 40 f. mit weiteren Ausführungen. 172 BVerfGE 1, 264 (277 f.); 14, 288 (293); 30, 292 (334 f.); 31, 229 (239). 173 S. a. G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 135 f. „Eigentümer als Beruf“. 174 S. a. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 1. 175 BVerfGE 7, 377 (397); 30, 292 (334); s. a. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 39 f.

IV. Abgrenzung zu den Wirkungsgrundrechten

83

oder die in engem Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz, etwa das Abzielen auf die Eindämmung bestimmter beruflicher Betätigungen, deutlich erkennen lassen (Sondersteuern gegen Berufstätige) 176. Dies sei insbesondere nicht der Fall, soweit es lediglich um eine Ertragserzielung durch eigene Arbeitsleistung geht, die nur zufällig mit einer Lenkung zusammen trifft 177. Abgaben, die somit lediglich in einem solchem losen Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen und eben auch bei beruflicher Tätigkeit erhoben werden, sind regelmäßig nicht an Art. 12 GG zu messen 178. Da jedoch die Eigentumsgewährleistung die Berufsfreiheit nicht verdrängt, kann ein Gesetz in den Schutzbereich beider Grundrechte eingreifen, wenn es durch die Reglementierung einer Erwerbstätigkeit zugleich die wirtschaftliche Nutzung vermögenswerter Rechte beeinträchtigt 179. Die unterschiedlichen Bedeutungen von Berufsfreiheit und Eigentumsgewährleistung stehen sich somit nicht in strikter Alternativität gegenüber 180. So sind z. B. hinreichend stabilisierten Erwerbsmöglichkeiten unternehmerischer Betätigung auch mittels Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt 181. Denn der unternehmerische Erwerbsschutz wird als privatnütziger Eigentumsgebrauch von der Eigentumsgewährleistung umfasst 182. Art. 14 Abs. 1 GG erfasst zudem etwa einen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als Sach- und Rechtsgesamtheit, rechtlich fundierten Gesamtbestand von sachlichen und persönlichen Mitteln, welche gerade seinen Wert ausmachen 183. Erzielt der Unternehmer nun Erträge, indem seine eigene Arbeits176 BVerfGE 52, 42 (54); 70, 191 (214); s. a. M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 41; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 135; H. Stang, Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Besteuerung, S. 83 f. 177 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 67. 178 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 493; aA u. a. K. H. Friauf , DStJG 12 (1989), S. 25 f.; R. Seer, FR 1999, S. 1281: Steuerbelastungen, die an berufliche Tätigkeiten anknüpfen, berühren das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auch ohne berufsregelnde Tendenz. 179 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 1.; kritisch K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 778 m. w. N. 180 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 40 f. mit weiteren Ausführungen. 181 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 110; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 772; ders., Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 189 ff., 346, 471. 182 K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 346. 183 P. Badura, AöR 98, S. 11 ff.; ders., HVerfR, S. 387 f.; K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 344; v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 274; F. Klein, BayVBl. 1980, S. 528; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 498; ders., in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rn. 95, 98; O. Depenheuer,

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

leistung im Sinne seiner persönlichen unternehmerischen Fähigkeiten wie auch der Einsatz der in seinem Eigentum stehenden Betriebsgrundlagen zusammenwirken, so ist die Ertragserzielung Art. 12 Abs. 1 GG und auch Art. 14 Abs. 1 GG zuzuordnen 184. Ist eine hoheitliche Beschränkung dann sowohl tätigkeits- als auch objektbezogen, so sind Art. 12 Abs. 1 und Art. 14 GG grundsätzlich nebeneinander anzuwenden, es sei denn, nach der sozialen Bedeutung der beschränkten Freiheitsausübung stünde die individuelle Erwerbs- und Leistungsfähigkeit derart im Vordergrund, dass dahinter der Aspekt der Innehabung und Verwendung vorhandener Vermögensgüter zurückträte 185. Dort etwa, wo schon Art. 12 Abs. 1 GG wirtschaftsinterventionistischen Einwirkungsmöglichkeiten Grenzen setzt, könnte die freiheitssichernde Bedeutung des Art. 14 GG in den Hintergrund treten 186. Denn Steuern, die tatbestandlich an berufliche Aktivitäten und ihren finanziellen Nutzen anknüpfen sowie infolge ihrer gewinn- und einkommensschmälernden Wirkung den Betroffenen die wirtschaftlich sinnvolle Ausübung ihrer Tätigkeit unmöglich machen, verstoßen insbesondere gegen die in Art. 12 Abs. 1 GG enthaltene Wertentscheidung des Verfassungsgebers zugunsten einer freiheitlichen Berufsordnung 187. Die strittige Steuernorm berührt dann scheinbar eher die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Freiheit der Erwerbs- und Leistungsfähigkeit und nicht das Ergebnis dieser Betätigung 188. Dennoch tritt Art. 14 Abs. 1 GG nicht hinter die berufsfreiheitsrechtlichen Gesichtspunkte zurück. Vielmehr steht die tatbestandlich ebenfalls einschlägige und durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Gebrauchs- und Unternehmensfreiheit hierzu in Idealkonkurrenz 189. Grundsätzlich dürften Eingriffe, die unter berufsfreiheitsrechtlichem Aspekt durch entsprechende Gemeinwohlpostulate legitimiert sind, regelmäßig aber auch einer am Schutzbereich des Art. 14 GG orientierten Prüfung standhalten. Aller-

in: H. v. Mangoldt / F. Klein, GG, Art. 14, Rn. 135; B. Schmidt-Bleibtreu, Steuerrecht unter Verfassungskontrolle, Tz. 178; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 215; R. Seer, FR 1999, S. 1283 f.; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 109 f.; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 119; offen in BVerfGE 1, 264 (277 f.); 45, 142 (173); 51, 193 (221 f.); 66, 116 (145); 68, 193 (222 f.); 77, 84 (118); 81, 208 (227 f.). 184 M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 81; R. Seer, FR 1999, S. 1284. 185 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 40 f. 186 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 344 f. 187 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 317. 188 BVerfGE 31, 8 (32); 38, 61 (102). 189 K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 199, 471 f.; s. a. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 1.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 508.

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dings verbietet sich eine pauschale Verallgemeinerung des Schlusses, durch übergeordnete Gemeinwohlinteressen gerechtfertigte Eingriffe in die Berufsfreiheit bewegten sich zugleich auch im Rahmen zulässiger Schrankenziehung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 GG 190. Anlass zu einer von Art. 12 Abs. 1 GG unabhängigen Prüfung dürfte insoweit etwa dann bestehen, wenn der steuerliche Lenkungseingriff seiner Zielrichtung und Intensität nach auf die tunliche Reduzierung einzelner unerwünschter Betriebsteile gerichtet ist, ohne indes die erfolgreiche Fortführung des Gesamtunternehmens als solche ernstlich zu gefährden. b) Belastung der Erwerbsfähigkeit Im Zusammenhang mit dem Grundrechteschutz der beruflichen Betätigung ist auch zu berücksichtigen, dass sich eine Belastung des Einzelnen in seiner Erwerbsfähigkeit schon nicht im Rahmen des Art. 106 GG hielte (vgl. auch Art. 12 Abs. 2 GG) 191. Zwar belasten die gegenwärtigen Sollertragsteuern, wie die Grundsteuer, die Ertragsfähigkeit, nicht den Ertrag 192. Auffällig ist in diesem Steuersystem aber, dass nur die Ertragsfähigkeit des Vermögens, nicht auch die der Arbeitskraft belastet wird. Das deutsche Steuerrecht belastet ausschließlich die individuelle Zahlungsfähigkeit durch das Erworbene, das Privatvermögen oder die in der Vermögensverwendung bekundete Nachfragekraft, nicht aber die individuelle Erwerbsfähigkeit oder Fähigkeit zur Vermögensbildung 193. Das Grundgesetz regelt eine besondere finanzstaatliche Sozialbindung des Eigentums, jedoch keine entsprechende finanzstaatliche Bindung der Berufsfreiheit. Der Staat wird nicht durch den Bürger, sondern den Eigentümer finanziert 194. Die Grundrechte verweisen staatliches Finanzbegehren demnach auf den jeweiligen Ist-Bestand an individuellem Einkommen und Vermögen, hindern also den Zugriff auf die zugrunde liegenden Erwerbshandlungen und damit auf die Arbeitskraft. Eine Person kann nur zur Geldzahlung verpflichtet werden, weil sie über Geldvermögen verfügt oder weil sie Geldvermögen erwerben kann. Wer aber nicht über Einkommen, Vermögen oder Nachfragekraft verfügt, braucht steuerlich nicht zur Finanzausstattung des Staates beizutragen 195. Selbst wer mutwillig sein Talent zum Erwerb

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P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 344 f. S. aber Art. 168 Abs. 2 BV. 192 P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 55. 193 P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 12 f.; ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 226; ders., HbStR IV, § 88, Rn. 95; ders., in: Festschrift für H. U. Scupin, S. 785. 194 Ungleichbehandlung zum sollertragbesteuerten Vermögen kritisiert von K. Tipke / J. Lang, § 4, Rn. 102. 195 P. Kirchhof , in: Festschrift für H. Sendler, S. 74. 191

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brachliegen lässt, wird nicht zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen. Der Finanzstaat nimmt es also hin, dass ein leistungsfähiger Bürger sich dem Arbeiten und Produzieren entzieht und dadurch dem Finanzstaat einen ihm möglichen Beitrag zur Finanzierung der staatlichen Aufgaben vorenthält 196. Das Steuerrecht fragt nicht nach der Chancengleichheit, die bei freiheitlicher Wahrnehmung der Chance notwendigerweise zu individuellen Unterschieden führen muss, sondern es beobachtet allein die Zielungleichheit im individuellen Einkommen und Vermögen und knüpft an diese Unterschiedlichkeit differenzierende Steuerlasten. Andererseits wäre es denkbar, eine Personalsteuer ohne Rücksicht auf einen Arbeitsvertrag zu erheben, bei der lediglich die Arbeitsfähigkeit des Belasteten tatbestandliche Voraussetzung wäre, und mit dieser Steuer etwa vorhandenes Vermögen zu belasten 197. Das Freiheitsprinzip widerspräche einer solchen Besteuerung nach der Maxime der Kameralisten nicht, wonach jeder seine individuelle Erwerbsfähigkeit angemessen im Dienst des Gemeinwohls einsetzen muss 198. Diese Steuer würde den Satz „Arbeitskraft verpflichtet“ aktualisieren, ebenso wie die Vermögensteuer den Satz „Eigentum verpflichtet“. Voraussetzung wäre aber auch hier, dass ein die Steuerbelastung übersteigender Ertrag bei zumutbarer Anstrengung erzielt werden könnte. 2. Existenzminimum und Gebrauchsvermögen Neben Art. 12 GG, der vor allem im Rahmen der Lenkungsbesteuerung zu beachten ist, kommen für die allgemeine Wirkung der Besteuerung noch weitere Grundrechte in Betracht. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass die Verfassung grundsätzliche Wertentscheidungen enthält, die bei der Bestimmung des Inhalts und der Tragweite des einzelnen Grundrechts herangezogen werden müssen. Ausgangs- und Mittelpunkt jeder Grundrechtsinterpretation ist dabei der Einzelmensch und sein Recht zur Selbstbestimmung, zu eigenverantwortlichem Handeln. Denn mit der Existenz des Menschen, seinem „Personsein“, ist die Grundlage vorgegeben, auf der er in freier Entscheidung seine Fähigkeiten entwickeln, seine Persönlichkeit entfalten kann 199. Aus Art. 1 i. V. m Art. 2 Abs. 1 GG, aber 196 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 38 f.; K. Vogel, Der offene Finanzund Steuerstaat, S. 608: „Wer sich Muße leisten kann, darf müßig bleiben“. 197 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 84. 198 P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 55; K. Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 609, 611, bei Scholastik und Kameralwissenschaft im Gegensatz zur Staatsvertragslehre Steuerrechtfertigung im Einzelfall. 199 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 71 f.

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auch Art. 22 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO ergibt sich demnach, dass dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung verfassungskräftig vorbehalten ist, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist 200. Ihre Ausstrahlungswirkung auf das Eigentumsgrundrecht gewährleistet ein Mindestmaß ökonomischer Sicherheit als notwendige Voraussetzung der geistigen und sittlichen Entfaltung des Einzelnen 201. Denn unabhängig von eines anderen nötigender Willkür, also äußerlich frei, kann der Mensch nur sein, wenn er selbständig ist 202. Der Mensch wird durch die, auf dem Eigentum beruhende, Selbständigkeit erst zum Bürger und der Autonomie des Willens fähig 203. Als Verwirklichung des Sozialprinzips gibt das freiheitliche Prinzip der Selbständigkeit der verteilenden Eigentumsordnung damit die wesentliche Orientierung. Im Sinne des Interessenausgleichs muss daher jeder Bürger so viel an Gütern haben können und haben, dass er selbständig ist 204. Daraus ist demnach abzuleiten, dass dem Einzelnen gegenüber jedem staatlichen Eingriff, also auch gegenüber der Steuererhebung, ein Existenzminimum verbleiben muss 205. Ein Gesetz, das in diesen letzten unantastbaren Bereich menschlicher Freiheit eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung sein. Es berührt z. B. diesen geschützten Bereich, wenn der Staat den Staatsbürger zu Höchstleistungen aufruft und ihm im Wege der Besteuerung alles wegnimmt, was er erarbeitet hat. Denn wenn Steuern der Preis für die Freiheit sind, so folgt aus dem Übermaß der Steuern der Verlust der Freiheit 206. Daher hat das Bundesverfassungsgericht unter Bezugnahme neben Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG auf das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG im Beschluss vom 25. September 1992 zum Grundfreibetrag bei der Einkommensteuer die Steuerfreiheit des Existenzminimums als wirtschaftliche Grundlage persönlicher Lebensführung anerkannt 207. Der Gesetzgeber habe dem Einkommensbezieher somit von seinen Erwerbsbezügen zumindest das zu belassen, was 200

H. v. Wallis, JbFAStR 1976/1977, S. 29. H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 72 ff. 202 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 767 f.; ders., Res publica res populi, S. 234 ff.; ders. Freiheit in der Republik, 7. Kap., V. 203 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 234 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 7. Kap., V. 204 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 759 ff.; s. a. ders., Res publica res populi, S. 619, 626 „Freiheitliche Gesetzgebung ist notwendig Interessenausgleich“. 205 K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 8; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 3; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 71 f. mit weiteren Ausführungen. 206 v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, 1973, S. 267. 201

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stelle (Freibeträge, § 88 BSHG). Die Allgemeinheit könne einen legitimen Anteil nur an dem Teil des erworbenen Einkommens beanspruchen, den der Steuerpflichtige zur Deckung seines notwendigen Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie nicht benötigt. Dem Steuerpflichtigen muss ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich, die grundsätzliche Privatnützigkeit des Erworbenen und Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleiben 208. Von Privatnützigkeit kann jedenfalls dann nicht mehr die Rede sein, wenn das für den existentiellen Bedarf erforderliche Jahreseinkommen weggesteuert wird. Das existenznotwendige, freiheitsbegründende Mindesteinkommen, die Ausgaben zur Erhaltung der Erwerbsquelle und zwangsläufige persönlich bedingte Aufwendungen für die Entfaltungsfreiheit des Steuerpflichtigen sind unverzichtbar und für einen Steuerzugriff nicht zugänglich 209. Im Vermögensteuerbeschluss hat das Bundesverfassungsgericht zudem formuliert, dass im Rahmen der Besteuerung ein zusätzlicher Freiheitsraum durch Wirtschaftsgüter, die der persönlichen Lebensführung dienen, die wirtschaftliche Grundlage individueller Lebensgestaltung (sog. Gebrauchsvermögen), gewährleistet bleiben muss 210. Damit hat der steuerlich zu belassende Individualbedarf deutlich höher anzusetzen, als die Bedarfsgrenze, die von der Sozialhilfe gewährt wird. Denn über das Existenzminimum hinaus ermögliche dieses Gebrauchsvermögen dem Steuerpflichtigen einen weiteren schutzbedürftigen Freiheitsraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seines persönlichen Lebensbereichs mit einem vergleichbaren Wert an Individualbedarf 211. Der Vorrang der privaten Eigentumsnutzung aktualisiere sich beide Male in der Bedeutung des Eigentums als Element der Sicherung der persönlichen Freiheit, in der es einen besonders ausgeprägten Schutz genießt 212. Es sichere die persönliche Freiheit des Einzelnen in Ergänzung der im Wesentlichen durch Arbeitseinkommen (Ertragsexistenz207 BVerfGE 87, 153 (169); s. a. BVerfGE 93, 121 f.; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 57; P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 51 f.; Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 EStG ab 2004 EUR 7.664,- (verdoppelt für Verheiratete). 208 BVerfGE 24, 367 (389); 26, 215 (222); 31, 229 (240); 37, 132 (140); 42, 263 (294); 50, 290 (339); 52, 1 (30); 100, 226 (241); 79, 292 (303 f.); 83, 201 (209); 88, 366 (377); K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 8; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 3; M. Jachmann, StuW 1996, S. 98 mit Ableitung aus Art. 3 Abs. 1 GG, S. 100. 209 D. Birk, StuW 1980, S. 362; P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 420; W. Schick, JZ 1974, S. 331 unter Hinweis auf Vermögensmindestschutz. 210 BVerfGE 93, 121 (141). 211 BVerfGE 93, 121 (140). 212 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (340 f.); 58, 81 (112); 79, 283 (289); BVerfG NJW 2000, S. 2574.

IV. Abgrenzung zu den Wirkungsgrundrechten

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minimum) und Sozialversicherungsansprüche sowie durch Gewerbe und andere selbständige Tätigkeit gewährten Sicherheit 213. Diese Bedeutung des Eigentums als wirtschaftliches Fundament freiheitlicher Daseinsgestaltung fordert damit, den Steuerzugriff des Staates auf das Maß zu begrenzen, dass mit dem verbleibenden Ertrag nach Steuern eine Ausgestaltung des verfassungsrechtlich gewährleisteten autonomen privaten Lebensbereichs verwirklicht werden kann 214. Die Steuergesetzgebung hat hier die von Verfassungs wegen gewährleistete Anerkennung einer persönlichen und ökonomischen Sphäre individueller Lebensgestaltung zu wahren 215. Das Bundesverfassungsgericht fordert diese steuerliche Freistellung privaten Gebrauchsvermögens auch deshalb, weil hierfür typischerweise keine erzielbaren Sollerträge in Ansatz gebracht werden können. Das der persönlichen Lebensgestaltung dienende Vermögen könne und dürfe keiner Sollertragsteuer (z. B. Vermögensteuer, Grundsteuer) unterworfen werden 216. Denn die Sollertragsteuer greift auf die Gewährleistung zur Nutzung des Eigentums zu. Hinsichtlich des Gebrauchsvermögens würde es dabei auf die Entscheidung zur nicht ertragbringenden Anlage zugreifen. Im Bereich der persönlichen Lebensführung ist diese Entscheidung aber absolut zu achten, so dass eine Besteuerung der typischerweise zu erwartenden Erträge ausscheiden muss. Die Freistellung des vom Steuerpflichtigen zur Grundlage seiner individuellen Lebensgestaltung bestimmten Vermögens von einer Sollertragsteuer wird zudem mit dem Vorbehalt der Berücksichtigung der steuerlichen Vorbelastung des Vermögens verknüpft 217. Denn schon eine steuerliche Vorbelastung nimmt auf das in dieser Weise zu wahrende Gebrauchsvermögen insoweit Einfluss, als sie ebenfalls die Widmung von erzielten Erträgen für die persönliche Lebensführung betrifft. Zu berücksichtigen wäre etwa eine Einkommensbesteuerung des selbstgenutzten Wohnraums vergleichbar § 21 Abs. 2 EStG a. F.. Gleiches gilt für die Umsatzsteuer, die beim Erwerb von Gütern des Gebrauchsvermögens zu tragen ist. Interessanterweise bezieht das Bundesverfassungsgericht die Freistellung der ökonomischen Grundlagen individueller Freiheit von der Sollertragsteuerlast nicht auf konkrete Wirtschaftsgüter. Das Gebrauchsvermögen soll vielmehr typisierend an Eigentumsobjekten, die der einzelne Steuerpflichtige der individuellen Lebensführung gewidmet hat, bemessen werden. Das Bundesverfassungsgericht

213 BVerfGE 93, 121 (141); s. a. K. Tipke, GmbHR 1996, S. 11; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 57. 214 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 169. 215 K. Stern, Staatsrecht I, S. 924. 216 BVerfGE 93, 121 (141 f.). 217 BVerfGE 93, 121 (141).

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

ist wie bei der Beurteilung des steuerfrei zu haltenden Existenzminimums davon ausgegangen, dieses könnte im Wege zulässiger Typisierung in einem für alle Steuerpflichtigen einheitlichen Betrag bestimmt werden, der aber so zu bemessen sei 218. Es erklärt, dass dieses Lebensführungsvermögen sich exemplarisch verkörpert im Wert eines durchschnittlichen Einfamilienhauses 219. Dies sei der Anhaltspunkt dafür, bis zu welchem Vermögenswert die Freistellung von einer Sollertragsteuer von Verfassungs wegen geboten ist. Zu dem freizustellenden Gebrauchsvermögen dürfen dabei auch Hausrat oder Wohnungsausstattung zu zählen sein. Dabei kann der Gesetzgeber die ökonomische Grundlage individueller Freiheit etwa im Wege eines Freibetrags von der Steuer begrenzen. Schwankungen im Preisniveau von Immobilien können vergleichend mit dem einheitlichen einkommensteuerlichen Grundfreibetrag dann nicht zu berücksichtigen sein. Zu kritisieren ist allerdings, dass im Hinblick auf das auf dem Wohnungsmarkt bestehende Preisgefälle der angebotene Ansatz, sich bei der Bemessung des Grundfreibetrags insoweit an einem allgemeinen Wert zu orientieren, obwohl zugleich zur ergänzenden Bedarfsdeckung nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld, zur Verfügung stehen, auf die Bemessung der Eigentumsbasis für die individuelle Lebensgestaltung nicht übertragbar ist 220. Das Existenzminimum, dessen Wahrung der Grundfreibetrag dient, steht zur Vermögensbildung gerade nicht zur Verfügung. Die darüber hinausgehende freiheitliche Lebensgestaltung auf der Basis von Eigentum ist demgegenüber ganz erheblich abhängig davon, ob ein Einfamilienhaus TEUR 500 oder TEUR 200 kostet. Eine Nivellierung würde hier nach Zahl der Betroffenen und Ausmaß der Ungleichbehandlung die Grenzen zulässiger Typisierung überschreiten. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für eine Neuregelung der Erbschaftsteuer hinsichtlich der Freistellung eines angemessenen persönlichen Gebrauchsvermögens (werthaltige Wirtschaftsgüter der persönlichen Lebensgestaltung) der Familie waren im Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung der Vermögensteuer und Erbschaftsteuer u. a. (neben der Absenkung der Steuersätze auf max. 50 v. H.) durch die Neuschaffung eines Gebrauchsvermögensfreibetrags in Höhe von DM 300.000,– oder 500.000,– berücksichtigt 221. Tatsächlich umgesetzt wurden entsprechende Freibeträge im ErbStG in der Steuerklasse I mit EUR 307.000,– und EUR 205.000,–.

218

BVerfGE 87, 153 (172). BVerfGE 93, 121 (141); zur GrSt s. a. K. Tipke, GmbHR 1996, S. 8, 11. 220 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 63; dies., in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 84. 221 BR-Drs 423/96 vom 5. Juni 1996. 219

V. Güterumverteilung durch Steuern

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3. Art. 6 GG In seinen Entscheidungen vom 10. November 1998 zum Kinderfreibetrag betonte das Bundesverfassungsgericht zudem, dass die Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 1 GG gebieten, dass bei Besteuerung einer Familie das Existenzminimum sämtlicher Familienmitglieder steuerfrei bleiben muss 222. In seinen Einheitswertentscheidungen führt das Gericht außerdem aus, dass auch bei der Bemessung des persönlichen Gebrauchsvermögens und darüber hinaus Art. 6 Abs. 1 GG Rechnung zu tragen sei 223. Der Gesetzgeber habe dabei zum einen zu berücksichtigen, dass Kinder aufgrund ihres Unterhaltsanspruchs gegen ihre Eltern an deren Vermögensverhältnissen und an deren Lebensgestaltung teilhaben und insoweit auch der individuelle Lebenszuschnitt der Familie erweitert wird 224. Zum anderen gebietet es der Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 Abs. 1 GG aber auch, dass der Steuergesetzgeber die Kontinuität des Ehe- und Familiengutes achtet, wenn sich Steuerpflichtige innerhalb ihrer Ehe oder Familie auf eine gemeinsame erhöhte ökonomische Grundlage individueller Lebensgestaltung eingerichtet haben 225. Dem Steuerpflichtigen muss also das Vermögen verbleiben, das der Altersversorgung dient, die Kontinuität des Lebensstandards zu gewährleisten. Art. 6 GG kumuliert und stabilisiert in diesem Sinn das Gebrauchsvermögen.

V. Güterumverteilung durch Steuern Über die mittelbaren und lenkenden Eingriffe hinaus wird die Besteuerung aber auch zur Umverteilung genutzt. Für die Gesellschaft bedeutet die Existenz privaten und privatwirtschaftlich nutzbaren Eigentums ebenfalls den staatlichen Auftrag der Sozialbindung und Machtkontrolle gegenüber den Gefahren und Nachteilen einer privatautonomen Eigentumsnutzung und Güterallokation 226. Schon die Tatsache, Eigentümer zu sein, verpflichtet (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG). Diese Pflicht kann nicht nur den Gebrauch, sondern muss auch die bloße Verfügungsmacht über Eigentum meinen (e cont. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) 227. Der Staat ermög-

222 BVerfGE zum Kinderleistungsausgleich und Existenzminimum, Haushaltsfreibetrag und zu Kinderbetreuungskosten, NJW 1999, S. 557 f.; s. a. BMF-Schreiben vom 14. März 2000, DStR 2000, S. 555 f.; M. Take, BB 1999, S. 1793. 223 BVerfGE 93, 121 (140 ff.); 93, 165 (174 f.); M. Jachmann, StuW 1996, S. 103; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 56 f. 224 BVerfGE 93, 121 (141 f.). 225 BVerfGE 93, 121 (142); s. a. bei H.-J. Papier, KritV 1987, S. 148 Fn. 35; M. Take, BB 1999, S. 1793; P. Selmer, AöR, S. 437 f.; H. Stang, Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Besteuerung, S. 81 f. 226 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 1.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

licht mit der Gewährleistung seiner Rechtsordnung und den Instrumentarien ihrer Durchsetzung erst die Bestimmung von Rechtsgütern, deren Zuordnung zu einem Rechtssubjekt. Insofern ist es richtig, dass der Staat grundsätzlich auch auf den Vermögensbestand zugreifen darf 228. Deswegen bietet Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG i. V. m. dem Sozialprinzip zumindest Anhaltspunkte für eine behutsame steuerrechtliche Umverteilung. Die Steuern entziehen dabei dem Steuerpflichtigen Erworbenes, um es der Verwendung zu einem staatlich bestimmten Zweck oder zur sozialpolitisch motivierten Subventionierung Dritter, zuzuführen. Durch eine Umverteilung wird die durch den Marktprozess und die überkommenen Besitzverhältnisse bestimmte Verteilung der Einkommen oder Vermögen von Staats wegen korrigiert. Die praktisch wichtigste abschichtbare Form der Umverteilung ist dabei die Verwendung von Steuermitteln zur Zahlung von Sozialeinkommen 229. Umverteilende steuerliche Maßnahmen regeln demnach nicht den generellen Eigentumsinhalt, sondern bestimmen, wer Eigentümer wird, ändern die Zuordnung von Eigentumsrechten 230. Eine Umverteilung kann dabei erfolgen durch: – eine allgemeine Steuererhöhung zur Gewinnung von Mitteln für sozial indizierte staatliche Leistungen einschließlich solcher zur Eigentumsstreuung, – eine Verschärfung der Progression unter weiterer Entlastung der wirtschaftlich Schwächeren, gegebenenfalls gekoppelt mit ergänzenden Finanzdienstleistungen; das System progressiver, proportionaler Besteuerung ist dabei das wesentliche Mittel für eine beträchtliche Umverteilung der Einkommen 231, und – eine zweckgebundene Zusatzbesteuerung von Spitzeneinkommen und -gewinnen zur Speisung eines Eigentumsbildungsfonds unter staatlicher Verwaltung 232. Von diesen Wirkungsmöglichkeiten ist der erstere Weg verfassungsrechtlich am wenigsten problematisch. Denn dort werden die Begünstigten in gewissem Umfang selbst an der Mittelaufbringung beteiligt, weswegen jener Weg freilich auch für gravierendere Sozialinterventionen steuerlicher Natur letztlich ausscheiden dürfte. 227

P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 41 f. P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 57. 229 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 340 mit weiteren Beispielen. 230 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 26 f., 40 f.; ders., in: Festschrift für H. Sendler, S. 76. 231 F. A. v. Hayek, Die Verfassung der Freiheit, S. 389 ff, kritisch; s. a. H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 90 f. 232 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 318 f. 228

V. Güterumverteilung durch Steuern

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Wichtiger erscheint es vielmehr, für die beiden anderen Abschöpfungsmodalitäten, die sich der Sache nach als Formen direkter oder indirekter monetärer sozialer Umverteilung darstellen, äußerste Grenzpunkte zu markieren, die auch unter Zugrundelegung einer ausgleichsbedürftigen Situation nicht ohne Verfassungsverletzung überschritten werden könnten. Bislang hat die Steuergesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland einkommens- und gewinnschmälernde Geldleistungspflichten zur Umverteilung mit ausgesprochen eigentumsinstitutsbedrohenden Wirkungen zwar nicht gezeigt. Die Regelungen waren recht weit davon entfernt gewesen, die Eigentumsgewährleistung im institutionellen Sinne oder als wertentscheidende Grundsatznorm der Verfassung in Frage zu stellen. Die Besonderheit umverteilungsorientierter Steuerpolitik, der einen Gruppe Geld zu nehmen, um es einer anderen zukommen zu lassen, darf aber bei deren verfassungsrechtlicher Würdigung nicht außer Betracht gelassen werden 233. Das kann unter Umständen auch solche Steuern vom Einkommen und Gewinn in ein verfassungsrechtliches Zwielicht rücken, deren Auferlegung für den allgemeinen Finanzbedarf des Staates unter dem Gesichtspunkt der Eigentumsgewährleistung noch unbedenklich wäre. Die entsprechenden Grenzen ergeben sich vor allem aus dem Zusammenhang des Art. 14 GG mit der Sozialisierungsklausel des Art. 15 GG, denen beide ersichtlich das Bild einer Eigentums-, Wirtschafts- und Sozialordnung zugrunde liegt, die tief greifende Umgestaltungen der Eigentumsordnung auch unter Berücksichtigung des Sozialprinzips nur gegen Entschädigung zulässt. Damit besteht ein allgemeines Hindernis dagegen, dass eine wirtschaftliche Umverteilung des Eigentums von Vermögen durchgeführt wird 234. Die Eigentumsgewährleistung verbietet somit grundsätzlich eine Entziehung oder Belastung vermögenswerter Rechte zum bloßen Zweck der Umverteilung des vorhandenen Vermögens aus sozialpolitischen Gründen, im Wege der Besteuerung eine Umschichtung im Sozialen vorzunehmen, da hier der Begriff der Steuer überdehnt wird und der Sache nach Enteignung bedeutet 235. Andernfalls ließen sich die in Art. 14 GG und Art. 15 GG gefällten Wertentscheidungen des Verfassungsgebers zugunsten eines auf Privatinitiative, Privateigentum und Privatnützigkeit gegründeten freiheitlichen Gesellschaftssystems schon im Ansatz ad absurdum führen.

233

P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 318 f. W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 201; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 131; kritisiert von J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 33; W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 354; R. Herzog, EvStl, Sp. 684 f. „kalte Sozialisierung“; F. Klein, StuW 1966, S. 437 m. w. N.; W. Weber, VVDStRL 14 (1956), 81 ff. 235 W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 886 f.; E. v. Hippel, VVDStRL 10 (1952), S. 21; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 247, Fn. 108. 234

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Zur schematischen Gleichmacherei tendierende Streuungen des Volkseinkommens durch den Einsatz der staatlichen Besteuerungsgewalt sind mit dem Grundgesetz demnach nicht in Einklang zu bringen 236. Die legitimierende Kraft des Sozialprinzips endet auch im Abgabenrecht, wenn soziale Gerechtigkeit in eine einseitig klassen- und gruppenorientierte Umverteilung umschlägt. Wenn der Staat über die Verstärkung der Sozialbindung des Eigentums ohne Gegenleistung Vermögenswerte an sich ziehen oder verteilen dürfte, so hätte das eindeutigen Nivellierungseffekt 237. Das Grundrecht des Art. 14 GG handelt aber allein von der Eigentumsminderung zur Erzielung staatlicher Einkünfte, nicht von einer Vermögensangleichung 238. Die Umverteilungsfrage hat vielmehr erst an der Ausgabenseite des Staates anzusetzen. Mit dem Instrument der staatlichen Finanzausstattung kann somit kein Privateigentümer gegen den anderen eingetauscht werden; die Steuer verteilt Lasten unter Steuerpflichtigen, nicht Eigentum unter Bürgern 239. Der Staat würde die Grenzen seiner Besteuerungshoheit überschreiten, wenn er mit ihrer Hilfe das Gefälle zwischen dem Einkommen der gut und der weniger gut Verdienenden einebnet. Auch das Leistungsfähigkeitsprinzip deckt keine Besteuerung, die den Wohlstand kappt, anstatt ihn zu besteuern. Die Steuerbemessung nach dem Prinzip relativer Gleichheit darf somit nicht mit einer allgemeinen Ermächtigung zur umverteilenden Steuer verwechselt werden 240. Eine Umverteilung würde nur die Differenz sehen, also eine steuerliche Belastung vom individuellen Einkommensbedarf eines Mitbürgers abhängig machen. Die relative Gleichheit je nach individueller Entbehrlichkeit des Privateinkommens dient dagegen der Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben und anerkennt verdiente Unterschiede durch individuelle Anstrengung. Staatliche Hilfe bei privater Vermögensbildung ist deshalb kein Thema eines allgemein umverteilenden Steuerrechts, sondern ein Thema der Verwendung staatlicher Ausgaben. Wenn das Grundgesetz das Recht am Eigentum gewährleistet, gibt es auch kein Recht auf ein bestimmtes Eigentum gegen ein Recht eines anderen Grundrechtsberechtigten am Eigentum 241. Das Grundgesetz bringt eine Wertentscheidung zwar für ein sozial gebundenes Eigentum, nicht jedoch für eine bestimmte Eigentumsumverteilung 242. Das Steuerrechtsverhältnis stellt keine Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und dem zukünftigen Empfänger einer Staatsleis-

236 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 318 ff.; H. Sendler, DÖV 1974, S. 77. 237 W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 227; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 132 f. 238 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 249. 239 P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362; ders., in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 46. 240 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 43 f. 241 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 1.; nicht zu verwechseln mit dem allgemeinen Recht auf Eigentum, vgl. K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 756.

V. Güterumverteilung durch Steuern

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tung her, sondern fordert Steuerleistungen für anonyme Finanzierungsaufgaben (z. B. Subventionen) 243. Die Sozialbindung des Eigentums begründet nur eine Allgemeinwohlverpflichtung, nicht den Anspruch des anderen auf Verschaffung von Eigentum und damit auf Bindung eines Steueraufkommens 244. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung die Ursachen für die Vermögensunterschiede nicht zur Kenntnis nimmt; ihr entgeht insbesondere der Freiheitswert einer Betätigung wie der Muße oder des Vermögensverbrauchs. Solange das Steuerrecht aber nur den Ist-Bestand an individuellem Einkommen, Vermögen und Nachfragekraft zum Gegenstand wählt, also nicht die Frage aufnimmt, warum die tatbestandlichen Unterschiede entstanden sind, also ob Vermögensgüter vom Eigentümer unter besonderer Anstrengung infolge Einsatzes persönlicher Arbeitskraft oder erheblichen Freiheitsverzichts erworben oder durch Tausch mit anderen Wirtschaftsgütern, durch bloße Vermögensnutzung erzielt worden sind, kann die gegenwärtige Einkommensund Vermögensverteilung rechtlich nicht abschließend bewertet werden und findet eine allgemeine finanzielle Umverteilung durch Steuern im Eigentum keinen ausreichenden Belastungsgrund 245. Soweit ein Einkommen nur Äquivalent für eigene Arbeit ist, müsste bei der umverteilenden Steuer vielmehr auch zu berücksichtigen sein, dass eine zusätzliche Leistung auch zusätzliches Eigentum ermöglichen soll 246. Eine Eigentumsdifferenzierung nach unterschiedlichem Einsatz von Arbeitskraft dürfte also nicht gehindert werden. Die umverteilende Steuer darf nicht die sinnvolle Verwertungsmöglichkeit hindern, sondern muss die Privatnützigkeit des Eigentums achten. Denn soweit das Vermögen aus Erträgen eigener Tätigkeit angespart worden ist, nimmt es an der Gerechtigkeitsvermutung der Vermögensverteilung teil 247. Aus dem Fehlen der eigenen Leistung des Erben kann der Gesetzgeber allerdings wegen der Erbrechtsgewährleistung in Art. 14 Abs. 1 GG keine Umverteilung ansetzen. Unter Geltung des Grundgesetzes darf die Umverteilung deshalb nicht nur beobachtend davon ausgehen, wem was gehört, sondern müsste die individuellen Gründe für ein Eigentumsgefälle suchen, jedoch ebenfalls aus Gründen der 242

K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 773; ders., Res publica res populi, S. 374 f. 243 H. Sendler, DÖV 1974, S. 77; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 248. 244 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 43 ff. 245 P. Kirchhof , in: Festschrift für H. Sendler, S. 78; ders., in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 46. 246 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 143 m. w. N.; H. Soell, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 393; P. Kirchhof , NJW 1987, S. 3219. 247 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 349.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Sozialstaatlichkeit prüfen, wem die Gesundheit, die berufliche Ausbildung, der Arbeitsplatz oder die Existenzgrundlage fehlt, um am privaten Verteilungsverfahren teilnehmen zu können 248. Wegen der fehlenden Gleichwertigkeit von Leistungs- und Sozialeinkommen kann der Staat aber auch aus sozialstaatlichen Gründen eine steuerliche Umverteilung nur aufgrund einer besonderen Rechtfertigung vornehmen 249 . Bei der Beurteilung dieser Besteuerung anhand der Eigentumsgewährleistung muss somit insbesondere die Art der Verwendung der abgeschöpften Geldmittel in Betracht gezogen werden 250. Die Einkommensumverteilung hat also im Wege der Abwägung mit den Eingriffszielen zu erfolgen 251. Die Sozialbindung des Eigentums rechtfertigt hierbei vor allem eine staatlich vermittelte Zuwendung entsprechender Sozialleistungen an den Bedürftigen 252. Die erforderliche besondere Rechtfertigung ist also gegeben, wenn der Markt offenbar versagt, etwa wenn bestimmte Personen (wie Alte, Arbeitslose, Kranke, Behinderte etc.) überhaupt kein Markteinkommen beziehen können. Eine spezielle Rechtfertigung kann sich im Extremfall auch aus einer besonderen Bedarfssituation des Staates ergeben 253. Geeignet für die Begründung einer Umverteilung etwa mittels einer besonderen Zwecksteuer ist dabei die Finanzierung eines staatlichen Sonderbedarfs, der die finanzielle Gesamtsituation des Staates in massiver Weise nachteilig beeinflusst. Dies verlangt aber eine eindeutige Zuordenbarkeit des Steueraufkommens zu einer speziellen staatlichen Sonderaufgabe. Stets muss der staatliche Sonderbedarf aus einer Aufgabenerfüllung resultieren, welcher der Vorrang vor der Privatnützigkeit der Ertragserzielung zukommt. Dem genügt jedenfalls nicht der bloße Hinweis auf eine sozialstaatliche Aufgabe. Vielmehr ist ein solcher Bedarf speziell durch eine Sondersituation zu begründen, in der sich der Staat befindet (z. B. Wiedervereinigung, Kriegsfolgen). Daher ist insbesondere in Not- und Krisenzeiten eine höhere Besteuerung zulässig als in Zeiten ohne wesentliche Störung ablaufender Staatstätigkeit 254. In Ausnah-

248

P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 46. H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 345; H. F. Zacher, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 415 f.; W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 352. 250 H. H. v. Arnim, VVDStRL 39 (1981); H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14, Rn. 48. 251 H. H. v. Arnim, StuW 1980, S. 364. 252 P. Kirchhof , JZ 1982, S. 308. 253 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 79. 254 BVerfGE 52, 1 (30); 93, 121 (138 f.) unter Hinweis auf Reichsnotopfergesetz; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 885; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 200; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke 249

V. Güterumverteilung durch Steuern

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mesituationen darf der Staat somit von seinen Bürgern größere Opfer verlangen und muss die Substanz der erworbenen Vermögen nicht unbedingt schonen 255. Unter diesem Blickwinkel ist auch der sachliche Anwendungsbereich der in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG genannten einmaligen Vermögensabgaben zu determinieren, will man nicht in ihrer Zulassung durch das Grundgesetz eine partielle Freistellung von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung angelegt finden. In der Regelung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG kann also keine grundsätzliche Zustimmung der Verfassung zu einer umverteilungsbestimmten Vermögensabschöpfungsabgabe gesehen werden. Eine solche zwangsweise Übertragung vorhandenen Vermögens von einer Gruppe auf eine andere, die sich auf nichts anderes als auf die Verfolgung einer nicht notstandslegitimierten, sondern allgemeinen sozial-intendierten Politik der Eigentumsstreuung berufen könnte, ist unzulässig. Eine derartige Vermögensverschiebung wäre weder mit Sinn und Zweck des in Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG Gemeinten noch mit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung in Einklang zu bringen. Zwar handelt es sich beim dort normierten Lastenausgleich um die wichtigste und bisher einzige Vermögensumschichtung klassischen Ausmaßes, die auch in Art. 120 a GG stillschweigend als verfassungsmäßig vorausgesetzt wird 256. Dem kann aber nicht entnommen werden, dass es andere Vermögensabgaben größten Stils im Zusammenhang mit der Politik der Eigentumsstreuung geben könnte. Peter Selmer weist zu Recht darauf hin, dass der Lastenausgleich sich gegenüber den Postulaten der Eigentumsgewährleistung entscheidend vor allem aus seiner besonderen Zwecksetzung gerechtfertigt habe, nämlich der Durchführung eines Schadensausgleichs zwischen denjenigen Personen, die in ihrem Vermögen oder ihrer wirtschaftlichen Stellung durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse schwer getroffen worden waren, und denjenigen, die ihren Besitzstand ganz oder überwiegend bewahrt hatten 257. Eine solche Interpretation des Begriffs der einmaligen Vermögensabgaben im Rahmen von Not- und Ausnahmesituationen entspreche auch allein ihrem vorkonstitutionellen Stellenwert in der deutschen Finanzverfassungspraxis, die sie ausschließlich als Instrument zur fiskalischen Bewältigung nationaler Ausnahmelagen betrachtete (v. a. Wehrbeitrag von 1913 sowie das Reichsnotopfer von 1919). Freilich wird verfassungsrechtlich nichts dagegen eingewendet werden können, wenn die dem Begriff der einmaligen Vermögensabgabe innewohnende Bindung an Sondersituationen einem zeitgerechten Verständnis erschlossen wird. So dürfte eine einmalige Vermögensabgabe zur Gewinnung von Mitteln

der Besteuerung, S. 114 f. mit Beispielen (z. B. Lastenausgleich); P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 39. 255 W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 355 mit Hinweis auf den Lastenausgleich. 256 R. Herzog, EvStl, Sp. 675 ff. 257 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 330 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

für die allmählich in krisenhafte Dimensionen hineinwachsenden Probleme des Umweltschutzes zu Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Widerspruch stehen, sofern die Misere in diesem Bereich notstandsähnliche und in absehbarer Zeit mit den üblichen Haushaltsmitteln in keiner Weise befriedigend zu lösende Formen annähme. Ansonsten müsste eine sozial-determinierte finanzielle Umverteilung aber, um nicht in den Einzugsbereich einer Quasi-Sozialisierung zu geraten, darauf beschränkt bleiben extreme Polarisierungen zur Mitte hin anzugleichen, etwa wenn die bestehende Vermögens- und Eigentumsverteilung ganz erhebliche Diskrepanzen aufweist und einer breiteren Bevölkerungsschicht die Bildung von Werten in einer zu ihrem faktischen Beitrag zum Nationaleinkommen in Widerspruch stehenden Weise verwehrt ist, während andere Gruppen nicht nur zu einer ihrer Leistung entsprechenden Lebenshaltung, sondern auch zur relativ kurzfristigen Bildung großer Vermögen in der Lage sind 258. Beim Umfang der umverteilenden Besteuerung spielt eine gewichtige Rolle, ob sich Steuern auf den Vorgang des Eigentumserwerbs oder auf den finanziellen Nutzwert bereits konsolidierter, d. h. von Steuern bereits erfasster und noch nicht konsumierter Vermögenswerte beziehen 259. Denn eine Annäherung der in Art. 14 GG angelegten widerstreitenden Prinzipien erreicht die umverteilende Besteuerung am ehesten, wenn sie das auf Dauer einem Eigentümer zugewiesene Vermögen verschont, den status quo der Eigentumszuteilung anerkennt und nur auf das in den Rechtsverkehr gebrachte, durch Willensakt des Eigentümers aus seiner individuellen Zuordnung gelöste, aufzugebende Eigentum zugreift 260. Die Umverteilungspolitik des Sozialstaats mit steuerlichen Mitteln sollte sich demnach auf die Verteilung des Vermögenszuwachses beschränken 261. Denn das ruhende Vermögen hat vorher die Kontrollstellen der progressiven Einkommen sowie Erbschaft- und Schenkungsteuern mit ihrer derzeitigen Belastungsintensität passiert, trägt also das steuerstaatliche Prüfsiegel und ist nach Zahlung der Steuern auf das Einkommen in die Privatheit entlassen worden. 262 Die individuelle Verfügungsbefugnis über Vermögensgegenstände ist damit zunächst in ihrer Substanz einschließlich einer freilich nicht sonderlich hoch zu veranschlagenden Nettorendite grundsätzlich gegen staatliche Eigentumsumverteilung geschützt 263. Angesichts dieses durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG auch gegenüber Steuergesetzen gewährleisteten Schutzes erweist sich unter dem Regime 258 H. Sendler, DÖV 1974, S. 77; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 318 f. 259 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 319. 260 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 44. 261 W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 886 f.; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 356. 262 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 46.

V. Güterumverteilung durch Steuern

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des Grundgesetzes eine forciert substanzmindernde Besteuerung des bereits bestehenden Vermögens daher nur in beschränktem Umfange als geeignetes Instrument einer monetären sozialen Intervention zur Verhinderung einer Ansammlung von Riesenvermögen in den Händen Einzelner, wie sie sich etwa die Bayerische Verfassung von 1946 in Art. 123 zum Ziel setzte 264. Dies gilt insbesondere für die Gestaltung der Erbschaftsbesteuerung, die sich immer mehr zum Instrument einer Auflösung des vermögenswertigen gesellschaftlichen status quo zu entwickeln scheint. Der Gesetzgeber wird dafür zu sorgen haben, dass es jedenfalls den erbenden Ehegatten und Abkömmlingen bei tätigem Einsatz oder sinnvoller Vermögensanlage und bezogen auf einen langfristigen Zeitraum nach wie vor regelmäßig möglich bleibt, die Substanz zu erhalten und noch einen gewissen Ertrag zu erwirtschaften. Das auf Dauer zugeordnete Vermögen ist deshalb seinem Wesen nach als Bemessungsgrundlage für eine Umverteilungssteuer fragwürdig. Der sein Eigentum wahrende Eigentümer ist somit gegen steuerliche Umverteilung gesichert, der über sein Eigentum verfügende Eigentümer hingegen muss im Rahmen seines zur Vermögensmehrung eingesetzten Eigentums eine zu anderweitiger Eigentumsbildung dienende Substanzeinbuße in den oben beschriebenen Grenzen hinnehmen 265. Die Beschwer liegt dann nicht in der Wegnahme eines Objekts, sondern nur in der Minderung des Äquivalents; es wird disponierbares Eigentum neu zugeteilt. Der Steuergesetzgeber darf damit auf Eigentumssubstanzen zugreifen, sobald sie von dem Eigentümer zur Disposition des privatrechtlichen Geschäftsverkehrs gestellt sind. Deshalb differenziert die Steuerprogression regelmäßig auch nicht nach dem Wert des individuell zugeordneten Eigentums, sondern nach der Höhe des zufließenden Einkommens 266. Diese typisierende Regelung ist Folge der Trennung von fest angelegtem und disponierbarem Eigentum. Dann erscheint es gerechtfertigt, den zur Egalisierung tendierenden Postulaten des Sozialstaatsgrundsatzes wie auch des Demokratieprinzips speziell hier einen verhältnismäßig breiten Streifen der Entfaltung zu überlassen. Die der Eigentumsgewährleistung innewohnende, auf Eigentumsverbreitung und -streuung hinwirkende Komponente hat somit vorzüglich im Entstehungsprozess des Eigentums ihren legitimen Standort 267. 263 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 498; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 44; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 66 f. 264 W. Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 94 f.; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 328 f. 265 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 198; R. Wittmann, StuW 1993, S. 45; R. Wendt, NJW 1980, S. 2118; E. Denninger, AG 1978, S. 75 m. w. N.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 44 f.; K. H. Friauf , StuW 1977, S. 63. 266 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 46 f. 267 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 316; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 323 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Der Schwerpunkt der verfassungsrechtlichen Problematik finanzieller Umverteilungen, die über das korporative Beitragsrecht ins Werk gesetzt werden, dürfte im übrigen grundsätzlich weniger beim Komplex der Eigentumsgewährleistung als bei der Frage liegen, ob angesichts der Eigenart der mit der Umverteilung jeweils verfolgten Gemeinwohlaufgabe die Abgrenzung des Kreises der Leistungsund Umverteilungspflichtigen mit den Postulaten des allgemeinen Gleichheitssatzes in Übereinstimmung steht 268. Denn die Entscheidung des Verfassungsgebers zu Gunsten des Steuerstaates gebiete es auch, alle gleichmäßig zu den öffentlichen Lasten heranzuziehen 269.

VI. Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung Nachdem festgestellt wurde, dass die Besteuerung in das durch Art. 14 GG gewährte Eigentumsrecht eingreifen kann, ist zu prüfen, ob dieser Eingriff eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG darstellen kann 270 . Es wäre das weitestgehend und faktisch bedeutendste Ergebnis, wenn Steuern als Enteignung zu klassifizieren wären. Steuern könnten dann aufgrund der Entschädigungsklausel in Art. 14 Abs. 3 GG keine Einnahmequelle des Staates darstellen 271. Doch wurde ein entsprechender Eigentumsschutz vor einer Geldenteignung verweigert, da eine Geldentschädigung wegen Geldabschöpfung ein Widerspruch in sich sei 272. Eine Enteignung sei unzulässig, weil sie nicht mehr erreicht als den bloßen Vermögensübergang von der privaten auf die öffentliche Hand 273. Die Prüfung der Besteuerung an Art. 14 Abs. 3 GG würde dazu führen, dass mit der anderen Hand das zurückgewährt werden müsste, was mit der einen genommen wurde 274. Da dem Betroffenen eine angemessener Wertersatz nach Art. 14 Abs. 3 Sätze 2 und 3 GG zu leisten wäre, hätte der Staat einen entsprechenden Geldbetrag zurückzuzahlen, womit der ganze Vorgang sinnlos werden würde 275. Die 268

P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 319 f. W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 227; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 132 f. 270 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 369 f.; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 43 f. 271 v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 275; Nachweise bei H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 103. 272 F. Klein, StuW 1966, S. 451, 471; E. Forsthoff , BB 1953, S. 422; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 881 Fn. 4 m. w. N.; „Taschenspielertrick“ lt. H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 215 („Art. 14 Abs. 3 GG kann nichts beitragen“). 273 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 240. 274 F. Klein, BayVBl. 1980, S. 528. 275 F. Klein, StuW 1966, S. 471; w. N. bei W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 207 Fn. 138; P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 94; E. Denninger, AG 269

VI. Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung

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Steuergesetze könnten, da sie ihrer Natur nach eine Entschädigung im staatsrechtlichen Sinne mit ihren Schranken und ihren Rechtsfolgen ausschließen, nur unter Art. 14 Abs. 1 GG fallen oder verfassungswidrig sein 276. Die Tatsache des gegenläufigen Geldflusses ist aber kein Grund, dem Eigentum an Geld den Schutz des Art. 14 GG, vielleicht sogar insgesamt, zu versagen. Auch wenn es für den Entzug von Geld keine Entschädigung geben soll, bedeutet das nicht, dass für den Zugriff des Staates auf das Geld des Bürgers etwas anderes zu gelten hätte als für die Enteignung von Sach- und Vermögenswerten 277. Die Besonderheit der Entschädigung über Aufrechnung entspricht allgemeinen Grundsätzen des Zivilrechts, wenn sich Forderungen gegenüberstehen. Dieser Umstand, dass im Falle einer Enteignung der Staat das als Steuer vereinnahmte Geld als Entschädigung wieder an die Steuerpflichtigen zurückerstatten müsste, kann also nicht von vornherein die Qualifizierung der Steuer als Enteignung verhindern, da die Frage des Sinns einer solchen Enteignung aufgrund der Entschädigungspflicht nicht mit dem Problem der rechtlichen Einordnung verknüpft werden darf 278. Es ist daher auch nicht zulässig, die Möglichkeit des Enteignungscharakters von Steuern mit dem Argument zu verneinen, dass die Steuer ihrer Natur nach eine Entschädigung ausschließt oder es sich um qualitativ unterschiedliche Vorgänge handele 279. Die Entschädigungspflicht ist die Rechtsfolge einer bestimmten rechtlichen Qualifizierung; diese darf nicht mit Blick auf die möglichen Folgen, seien sie noch so unerwünscht, geschehen, sondern allein durch Überprüfung, ob die notwendigen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Die Einstufung der Steuer als Enteignung wurde zudem mit der Begründung abgelehnt, dass die Enteignung eine exzeptionelle Maßnahme ist, die nicht zur Vermehrung des Staatsvermögens eingesetzt werden darf 280. Der Besteuerung dagegen fehle der für die Enteignung typische Charakter des Exzeptionellen. Der Zweck der Enteignung müsse im Nutzbarmachen eines Rechts bestehen, das unmittelbar für eine bestimmte öffentliche Aufgabe erforderlich ist. Eine Enteignung zum Zwecke der Vermögensmehrung des Staates könne aber niemals unmittelbar den Zweck i. S. von Art. 14 Abs. 3 GG „zum Wohle der Allgemeinheit“ erfüllen. Ein Gemeinwohlinteresse für die Entziehung von Geld gegen Zahlung einer Geldentschädigung sei regelmäßig nicht vorstellbar, so dass die begrifflichen Vor1978, S. 72; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 486; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 310 unter Hinweis auf den allgemeinen Rechtsgrundsatz „Dolo agit qui petit, quod statim redditurum est“ und m. w. N. 276 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 486, Fn. 13 m. w. N.; H. Schumacher, NJW 1951, S. 53 ff.; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 112, aber S. 116. 277 R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 277. 278 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 117 f. m. w. N. 279 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 121. 280 BVerfGE 38, 175 (180); R. Mußgnug, JZ 1991, S. 994.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

aussetzungen einer Enteignung nicht vorliegen können. Das hoheitliche Anfordern von Geld durch das Erheben von Steuern könne demnach keine Enteignung darstellen 281. Zwar schreibt Art. 14 Abs. 3 GG vor, dass eine Enteignung nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig ist. Der Ansicht, dieses Merkmal könne bei Steuern nie erfüllt sein, weil die Entziehung von Geld, die reine Vermögensmehrung des Staates, keinen unmittelbaren Nutzen bringe, sondern erst weitere Umstände hinzutreten müssen, um einen Nutzen für eine bestimmte Aufgabe zu ermöglichen, muss jedoch widersprochen werden 282. Es ist gerade der Sinn der Steuern, den Staat in die Lage zu versetzen, die öffentlichen Aufgaben zu erfüllen, d. h. zum Wohle der Allgemeinheit tätig zu werden. Die Unterscheidung zwischen unmittelbarem und mittelbarem Nutzen kann hierbei kein entscheidendes Kriterium sein, diese Auslegung des Merkmals zum „Wohle der Allgemeinheit“ wäre zu eng. Insbesondere wurde und wird außerdem versucht die Dogmatik von sozialbindenden oder schrankenziehenden Steuernormen einerseits und einem enteignend wirkenden Steuergesetz andererseits anhand der Auswirkungen auf das jeweils tangierte subjektive Vermögensrecht anzuwenden 283. Für die Abgrenzung von Sozialbindung und Enteignung sei das Ziel der Eigentumsbeeinträchtigungen ohne Bedeutung, entscheidend hierfür sei allein die Tiefe des Eingriffs, das, was nach ihm an Eigentum noch bleibe 284. Ob Eigentumsrechte verletzt werden, bemesse sich nach dem Druck der Vermögensumschichtung oder dem Verkaufsdruck, den die Steuer auf die Betroffenen ausübe 285. Auch Walter Leisner ist der Ansicht, an der Enteignungsschwelle habe der Nassauskiesungsbeschluss nichts geändert 286. Nur die Folgen seien anders bestimmt worden. Fehlt eine Entschädigungsklausel, so hebe der Verfassungsrichter das verfassungswidrige Enteignungsgesetz auf; aber nur das enteignende, nicht das sozialbindende Gesetz bedürfe der Entschädi-

281

F. Klein, StuW 1966, S. 470. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 119 ff. 283 BGHZ 72, 2111 (216); 73, 161 (170); BVerwGE 47, 126 (131); 49, 365 (368); Der Bundesfinanzhof sieht in seinen Entscheidungen vom 20. März 1952, 14. Januar 1959, 26. April 1963 (LAG), 10. Mai 1963 (LAG) die Steuerpflicht als eine auf dem Eigentum ruhende Inhalts- und Schrankenbestimmung und nicht als Enteignung an, allerdings unter Hinweis auf seine Opfertheorie, BFH BStBl III 1952, S. 140 f.; 1959, 131 f.; 1963, 413; 1963, 415; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 197; auf Seite 207 f. plädiert er sogar für einen Entschädigungsanspruch für steuerliche Enteignungen; R. Wendt, in: M. Sachs, GG, Art. 14, Rn. 150. 284 W. Leisner, Sozialbindung des Eigentums, S. 232. 285 W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 81 ff. mit weiteren Ausführungen; kritisiert von E. Denninger, AG 1978, S. 72. 286 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 148 f. mit Ausführungen zu Sonderopfertheorie und Schwerekriterium sowie Eigentumsbeispielen, S. 151 f. für restriktive Situationsgebundenheit; s. a. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, III. 1. 282

VI. Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung

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gungsklausel. Es müsse nach wie vor, vom einzelnen Eigentumsgegenstand her, die Schweregrenze zulässiger Sozialbindung bestimmt werden. In vielen Fällen würde dies im vermögensrechtlichen Vergleich von Entzogenem und Verbleibendem möglich sein, und Art. 14 Abs. 2 GG weise dabei auf die Schwelle des zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienenden Eigentums hin. Die Grenze zur Enteignung sei demnach überschritten, wenn die gewinnbringende Nutzbarkeit für den Eigentümer gänzlich ausgeschlossen, das Eigentum also durch Erdrosselung zu einem „nudum ius“ geworden sei 287. Der Eigentümer kann sein Recht dann ausschließlich noch im Allgemein- oder Staatsinteresse nutzen. Das Eigentum verliere seine Privatnützigkeit durch Zweckentfremdung oder den Ausschluss aufgaben- und verfassungsgemäßer Verwendung z. B. durch die völlige Entziehung des Gewinns aus der Eigentumsnutzung im Wege der Steuergesetzgebung. Ein Gesetz, das private Eigentums- und Vermögensrechte aufhebt und nicht nur den Gebrauch oder die Nutzungsmöglichkeit einschränkt, könne nicht mehr als nur inhalts- und schrankenbestimmendes Gesetz angesehen werden, da eine Inhalts- und Schrankenbestimmung schon begrifflich einen Eigentümer voraussetze, der sein Eigentum innehabe 288. Derartige übermäßige öffentliche Abgaben schlagen dann in eine verfassungswidrige Geldenteignung um 289. Soweit eine schrittweise Konfiskation ausgeschlossen werden solle, sei dies dogmatisch unmittelbar bei Art. 14 Abs. 3 GG anzusiedeln. Klaus Vogel etwa hält deshalb Substanzsteuern für unzulässig, weil Art. 14 Abs. 3 GG nicht zur Auferlegung von Geldleistungspflichten ermächtige 290. Teilweise wird hinzugefügt, dass die übrigen Voraussetzungen einer Enteignung, insbesondere das unzumutbare Sonderopfer durch eine Verletzung des Gleichheitssatzes bei Steuereingriffen in aller Regel nicht gegeben seien 291. Das Grundgesetz kategorisiert Eigentumsbeeinträchtigungen aber abschließend als Enteignung oder Inhalts- und Schrankenbestimmung 292. Die enteignenden und die nur Inhalt und Schranken des Eigentums bestimmenden Gesetze sind wesensverschieden 293. Die Enteignungsgrundsätze sind in der völlig anders gelagerten Struktur des Steuerrechts nicht anwendbar 294. Schon im Beschluss des Ersten Senats vom 24. April 1953 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden,

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G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 116; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 501 f. 288 F. Klein, StuW 1966, S. 475. 289 R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 278. 290 K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 85. 291 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 119 ff. 292 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 46. 293 H. Schumacher, NJW 1951, 53 ff.; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 112, aber S. 116.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

dass das Auferlegen einer Verpflichtung zu Zahlung laufender Beiträge durch das Hypothekensicherungsgesetz keine Enteignung darstelle 295. Im Beschluss desselben Senats vom 22. Mai 1962 hat das Gericht entschieden, dass eine Branntweinabgabe keine Enteignung sei 296. Der Anspruch entstehe bereits mit der Herstellung des Branntweins. Insofern ist das Eigentum bereits bei Entstehung durch diese Pflicht begrenzt. Endgültig hat der Nassauskiesungsbeschluss vom 15. Juli 1981 klargestellt, dass Legal- oder Administrativenteignungen einerseits und Inhalts- und Schrankenbestimmung andererseits formalbegrifflich zu trennende, eigenständige Institute sind, die das Grundgesetz deutlich voneinander absetzt 297. Die Erstgenannten greifen in die Eigentumsordnung ein und gefährden sie, wohingegen die Zweitgenannten die Eigentumsordnung nur in Rechtsnormen festlegen und damit verfestigen. Das Grundgesetz versteht unter Inhalts- und Schrankenbestimmung die generelle und abstrakte Festlegung von Rechten und Pflichten durch den Gesetzgeber hinsichtlich solcher Rechtsgüter, die als Eigentum im Sinne der Verfassung zu verstehen sind 298. Sie sind damit auf die Normierung objektiv-rechtlicher Vorschriften gerichtet, die den Inhalt des Eigentumsgrundrechts in allgemeiner Form bestimmen 299. Eine Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG ist demgegenüber auf die vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumsrechte, die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützt sind, für einen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben gerichtet 300. Die in Art. 14 Abs. 3 GG zugelassene Enteignung ist demnach begrifflich dadurch gekennzeichnet, dass das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum des Einzelnen, die konkreten subjektiven Rechtspositionen ganz oder teilweise im Interesse der Allgemeinheit entzogen wird (voller Rechtsverlust) 301. Es geht dem Staat dabei nicht um die Beschaffung von fungiblen, d. h. am Markt käuflichen, Gütern durch Einsatz von Steuergeldern, sondern er greift auf bestimmte einzelne Güter zu, die ihre Eigentümer nicht freiwillig zu verkaufen bereit sind,

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H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 130. 295 BVerfGE 2, 237 (258 f.). 296 BVerfGE 14, 105 (120). 297 BVerfGE 58, 300 (330 f.). 298 BVerfGE 70, 191 (199); 72, 66 (76). 299 BVerfGE 52, 1 (27); 58, 137 (144 f.); 72, 66 (76). 300 BVerfGE 79, 174 (191); 83, 201 (211); 100, 226 (239 f.); BVerfG NJW 2000, S. 414; NJW 2000, S. 2574. 301 BVerfGE 52, 1 (27).

VI. Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung

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die der Staat aber zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt 302. Der Entzug und der dadurch bewirkte Rechts- und Vermögensverlust – nicht aber die Übertragung des entzogenen Objekts – ist das entscheidende Merkmal 303. An einer solchen Entziehung fehlt es bei der Besteuerung, ja diese ist ihrerseits gerade auch zur Finanzierung der Enteignungsentschädigung, also zur Sicherung der Eigentumsgewährleistung, unerlässlich 304. Weil der Steuerzugriff damit auf die Rechtsträgerschaft der einzelnen konkreten Eigentumsrechte typischerweise gerade nicht eingriffsartig Einfluss nimmt, fällt er aus dem Institut der Enteignung heraus 305. Der Minderung des Vermögens durch Begründung einer abstrakten Summenverpflichtung bei der Auferlegung einer Steuer bedeutet demnach keine Enteignung, die immer den Zugriff auf eine inhaltlich ausgeformte Rechtsposition zum Gegenstand hat. Die fiskalische Zwecksetzung, die bloße Vermögensvermehrung der öffentlichen Hand erfüllt nicht den Enteignungstatbestand, der einen final bezogenen Eingriff voraussetzt 306. Die Enteignung unterscheidet sich von der Besteuerung also gerade dadurch, dass sie einen weitergehenden zusätzlichen Eingriff darstellt 307. Die zu einer schrittweisen Konfiskation führende Steuer ist auch nicht deshalb unzulässig, weil sie im Ergebnis einer Enteignung gleichkomme und die Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG nach der ratio der Besteuerung nicht erfüllt sein können; denn der dargelegte enge Enteignungsbegriff hat gerade den Zweck, den Anwendungsraum des Art. 14 Abs. 3 GG zu begrenzen 308. Dass eine Inhaltsbestimmung, die Eigentümerbefugnisse über das verfassungsrechtlich zulässige Maß hinaus einschränkt, wegen des unterschiedlichen Charakters nicht eine Enteignung umgedeutet werden kann, gilt auch, wenn das Eigentum völlig entwertet wird 309 Auch die übermäßige, konfiskatorische Steuer ist nicht auf den Entzug von Vermögenssubstanz ausgerichtet. Vielmehr ist die konfiskatorische Wirkung unvermeidbare Konsequenz der nicht aus den Vermögenserträgen zahlbaren Steuer 310. In diesem Sinne stellt auch die auf die Vermögenssubstanz zugreifende Steuer eine Inhaltsbestimmung dar. 302

H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 291 f. BVerfGE 24, 367 (394). 304 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 291 f. 305 R. Wendt, NJW 1980, S. 2113 ff. 306 E. Denninger, AG 1978, S. 72; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass / B. Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 56; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 46. 307 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 300; H.J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 490 f. 308 F. Klein, BayVBl. 1980, S. 531; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 46; R. Mußgnug, JZ 1991, S. 993, H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 558. 309 BVerfGE NJW 2000, S. 2574 allerdings unter Hinweis auf besondere verfassungsrechtliche Anforderungen. 303

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Eine unzumutbare Inhaltsbestimmung kann durch die Zusprechung einer Entschädigung auch nicht geheilt oder in eine Enteignung umgedeutet werden 311. Gesetzliche Vorschriften, die entweder nicht den Voraussetzungen von Art. 14 Abs. 1 GG entsprechen oder grundgesetzwidrig angewendet werden, erhalten keinen enteignenden Charakter 312. Auch wenn die Inhaltsbestimmung wegen der Intensität der den Eigentümer treffenden Belastung für gewisse Sachverhalte nicht mit dem Grundgesetz in Einklang steht, weil sie die verfassungsrechtlichen Grenzen verletzt, wird die Inhaltsbestimmung nicht dadurch zu einer rechtmäßigen Enteignung 313. Tastet eine Regelung nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG den Wesensgehalt des Eigentums an oder überschreitet die Verwaltung bei der Anwendung einer das Eigentum beschränkenden Vorschrift ihre Befugnis, so ist die Beeinträchtigung ein rechtswidriger Eingriff sowie die gesetzliche Regelung verfassungswidrig, aber keine verfassungsrechtliche Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, die zur Entschädigung verpflichtet 314. Zwischen dem durch die legitimen Gesetze ausgeformten Eigentum und der Enteignung gibt es also keine Übergänge oder Schwellen 315. Inhalts- und schrankenbestimmende Vorschriften i. S. von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG, welche den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entsprechen und die von der Verfassung gezogenen Grenzen überschreiten, verletzen die Eigentumsgewährleistung und schlagen nicht in eine entschädigungspflichtige Enteignung um 316. Soweit es auf die Entziehung subjektiver Rechte ankommt, beeinflussen Fragen der Schwere des Eingriffs, der Zumutbarkeit der Belastung oder des auferlegten Sonderopfers damit nicht die Entscheidung darüber, ob der Tatbestand der Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG erfüllt ist 317. Der Anwendungsbereich einer Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG hängt nicht vom Sonderopfercharakter oder dem Ausmaß der Belastung für den Eigentümer ab, ist also nicht schon deshalb eröffnet, weil in schutzfähige Rechtspositionen schwer und unerträglich eingegriffen wird 318. Die Enteignungstheorien stellen zu sehr auf den Einzelfall als konkreter Eigentumsbeeinträchtigung ab. Das Wesen

310

M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 46. BVerfGE 52, 1 (27 f.); 58, 300 (320); 70, 191 (199); 79, 174 (192); 84, 366 (367); 100, 226 (240). 312 BVerfGE 83, 201 (212); 100, 226 (240). 313 BVerfGE 58, 137 (145). 314 BVerfGE 52, 1 (27); H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 96. 315 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2572. 316 BVerfGE 16, 147 (187) zuerkennt z. B. der Werkfernverkehrsteuer, die zu mittelbaren Betriebsbeschränkungen und in Einzelfällen zu wirtschaftliche motivierten Stillegungen bestehender Gewerbebetriebe führt, inhaltsbegrenzende Wirkungen, die in keinem Fall in einen enteignenden Substanzeingriff umschlagen können; W. Böhmer, NJW 1988, S. 2567 m. w. N.; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 319. 317 BVerfGE 49, 174 (192); 58, 137 (145). 318 H. D. Jarass, NJW 2000, S. 2842. 311

VI. Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung

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der Steuer im Verhältnis zum Wesen des Eigentums kann daher mit ihnen nicht erfasst werden. Denn es soll nicht nur die Steuerbelastung im Einzelfall untersucht werden, sondern auch die Beeinträchtigung durch die Steuergesetze als allgemeiner Regelung; hierauf sind die Enteignungstheorien jedoch nicht zugeschnitten 319. Die Ausgestaltung bestehender Rechte nach der Richtschnur der Sozialgebundenheit kann im Einzelfall zwar zu unzumutbaren Auswirkungen führen. Die unterschiedliche tatbestandliche Zuordnung behält aber auch in den Fällen ihre Gültigkeit, in denen eine Inhaltsbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG in so hohem Maße belastet, dass sie auch unter Berücksichtigung der sozialen Gebundenheit des Eigentums vom Betroffenen nicht mehr hingenommen werden muss und deswegen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nur dann in Einklang gebracht werden kann, wenn ein Ausgleichsanspruch eine Abmilderung der Belastung ermöglicht 320. Die Inhaltsbestimmung wird vor allem unter dem Einfluss des Grundsatzes des Vertrauensschutzes und des Art. 3 Abs. 1 GG dadurch verfassungsmäßig, dass ein finanzieller Ausgleich vorgesehen ist 321. Der Ausgleich im Rahmen einer Inhaltsbestimmung dient damit lediglich unter Übermaßgesichtspunkten dazu, die Verfassungsmäßigkeit einer Inhaltsbestimmung i. S. des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sicherzustellen 322. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit kann der Gesetzgeber demnach gezwungen sein, eine aus Gemeinwohlgründen für erforderlich gehaltene Inhalts- und Schrankenbestimmung durch einen finanziellen Ausgleich abzumildern 323. Anders als bei der Enteignung geht es in solchen Fällen jedoch nicht um eine Durchbrechung der Eigentumsordnung gegen Entschädigung, sondern um die Wahrung der Eigentumszuordnung verbunden mit einer Kompensation, welche die Belastung auf ein erträgliches Maß reduziert 324. Wegen des Vorrangs des Bestandsschutzes dürfen finanzielle Zuwendungen allerdings stets nur das letzte Mittel sein, um an sich unverhältnismäßige Regelungen vor dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu retten. Unzumutbare Belastungen sind vornehmlich durch Übergangsregelungen, Ausnahme- und Befreiungsvorbehalte oder sonstige administrative oder technische Vorkehrungen soweit wie möglich zu vermeiden 325. Die Besteuerung unterliegt deshalb weder den Regeln über die Enteignung noch dem Sozialisierungsartikel (Art. 15 GG) 326. Die Steuererhebung kommt nicht als eine besondere Form der Enteignung in Betracht 327.

319 320 321 322 323 324 325

P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 135 f. BVerfGE 49, 174 (192); 58, 137 (145). BVerfGE NJW 1998, S. 367 (368). J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 496 f. BVerfGE 79, 174; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 232 m. w. N. H. D. Jarass, NJW 2000, S. 2841 f.; W. Schmidt, NJW 1999, S. 2849. BVerfGE 100, 226 (246 f.).

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff Man könnte der Ansicht sein, da sich die Besteuerung mittelbar als Beeinträchtigung konkreter Eigentumsrechte auswirke, bestehe kein Bedürfnis für eine weitergehende Effektuierung des Eigentumsschutzes 328. Die hinsichtlich des Steuergegenstandes an Bestand, -nutzung oder -erwerb bestimmter, dem Eigentumsschutz unterfallender Gegenstände anknüpfende Besteuerung könne dann als mittelbarer Eingriff in diejenigen Eigentumsrechte gewertet werden, auf denen die Steuer liege. Der Schutz vor mittelbaren Eingriffen in konkrete Vermögensrechte bietet jedoch nur einen unzureichenden Schutz vor dem Steuerzugriff 329. Mitunter könnte sich nicht feststellen lassen, welches konkrete Eigentumsrecht im Einzelfall durch die Steuer betroffen wird. Die Modalitäten staatlichen Handelns dürfen aber nicht die Intensität des Grundrechteschutzes bestimmen. Da die Einstufung als mittelbare Eigentumsbeeinträchtigung in ihren Voraussetzungen zudem umstritten ist, gilt es für die Effektuierung des Eigentumsschutzes gegenüber Steuern, sich doch mit dem Dogma des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzen, das Vermögen als Steuerobjekt sei nicht durch Art. 14 GG geschützt. Der unzureichende Schutzgehalt der Eigentumsgewährleistung sollte dabei als Aufforderung verstanden werden, die Dogmatik des Art. 14 GG so weiterzuentwickeln, dass sie auch gegenüber Steuereingriffen effektiv schützt. 1. Erfordernis der Gegenständlichkeit? In der Tradition der Investitionshilfeentscheidung ist das Bundesverfassungsgericht der Ansicht, die Eigentumsgewährleistung schütze nur erworbene und bestehende Rechte einschließlich ihrer Nutzbarkeit und ihrer Ertragsfähigkeit, nicht hinsichtlich des Vermögens 330. Soweit ein mittelbarer Eingriff nicht feststellbar

326 P. Badura, WiR 1974, S. 7; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 111. 327 F. Klein, StuW 1966, S. 479, Fn. 158 m. w. N.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 486, Fn. 13 m. w. N., aber S. 501: Besteuerung wird zur Enteignung mit Kritik an Sonderopfertheorie. 328 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 304 ff.; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 49 ff., 94 ff.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483 ff.; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 195; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch, GG, Art. 14, Rn. 23. 329 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 94 (aber nicht Vermögen, S. 87); R. Wendt, NJW 1980, S. 2113; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 299 f.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 98 f., m. w. N. S. 95, Fn. 51; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 39 (Vermögensschutz).

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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ist, misst es ein Steuergesetz zwar vereinzelt auch unter dem Gesichtspunkt der Auferlegung von Geldleistungspflichten an Art. 14 GG 331. Das Gericht verzichtet somit in diesen Fällen auf den Nachweis der Beeinträchtigung einer bestimmten Rechtsposition. Letztlich im Vermögensteuerbeschluss sehen Walter Leisner und Hermann Butzer daher auch die Anerkennung des Vermögensschutzes 332. Allerdings ist der erste Senat im Altschuldenurteil nach wie vor der Ansicht, dass das Vermögen selbst nicht von Art. 14 GG geschützt werde und davon gehe auch die Vermögensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus 333. Auch eine beachtliche Literaturmeinung nimmt den Schutz des Vermögens aus Art. 14 GG heraus 334. Nach der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage biete die Eigentumsgewährleistung keinen Schutz gegen Vermögensbeeinträchtigungen 335. Der abstrakte Vermögensstand als Summe aller vermögenswerten Rechte werde nicht durch Art. 14 GG geschützt. Andernfalls wäre jede vermögensmindernde Maßnahme des Hoheitsträgers unzulässig, da jede den Einzelnen belastende oder beschwerende Inhalts- und Schrankenbestimmung einer Rechtsposition sich hinsichtlich der allgemeinen Gesamtvermögenslage des betroffenen Rechtsinhabers als eine Vermögensminderung oder ein Vermögensentzug darstellt 336. Das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG gewährleiste nicht die Gesamtheit der wirtschaftlichen Güter des Einzelnen, seine gesamte wirtschaftliche Potenz, irgendein abstraktes Eigentum, das Vermögen als Ganzes, das selber kein Recht darstellt, sondern nur die konkreten vermögenswerten Rechtspositionen 337. Der 330 BVerfGE 30, 250 (271 f.); 45, 272 (296); 65, 196 (209); 74, 129 (148); immer noch offen gelassen in BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1193). 331 BVerfGE 19, 119 (128 f.) ; 38, 61 (102); 63, 343 (368). 332 W. Leisner, NJW 1995, S. 2594; ders., HbStR VI, § 149, Rn. 127; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 50; ders., StuW 1999, S. 228; vorsichtiger: H. P. Bull, NJW 1996, S. 283; J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 414. 333 BVerfGE 95, 267 (300). 334 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 195; v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 274; M. Kloepfer, StuW 1972, S. 180; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 216, 224; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 3.; R. Mußgnug, S. 276; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 21 f.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 53 f.; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 881 Fn. 6; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 492 Fn. 44 f. 335 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 307. 336 So auch W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 187. 337 BVerfGE 95, 267 (300); R. Wendt, NJW 1980, S. 2115; P. Kirchhof , in: P. Kirchhof / H. Söhn, EStG, § 2 A 161 (diff.); H. D. Jarass, in: H. D. Jarass / B. Pieroth, GG, Art. 14 GG, Rn. 12; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch, GG, Art. 14, Rn. 23; H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 532 f.; ders. Der Staat 11 (1972), S. 490 f., diff. S. 508: Vermögen als Summe aller vermögenswerten Rechte; ders. DVBl. 1980, S. 790 mit Ablehnung einer reinen Wertgarantie; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 202; P. Selmer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 408 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

als Inbegriff aller in ihm zusammengefassten Vermögensgegenstände einer Person konstituierte Gesamtwert Vermögen stelle keine mit den Verfügungsbefugnissen des verfassungsrechtlichen Eigentums ausgestattete, rechtssatzmäßig geprägte und anerkannte Rechtsposition dar 338. Wenn der Grundrechteschutz auf mittelbare Grundrechtseingriffe ausgedehnt würde, bliebe nach wie vor erforderlich, dass ein Eingriff in Bezug auf konkrete grundrechtlich geschützte Rechtspositionen erfolgt 339. Der Gedanke, wenn das Eigentumsgrundrecht einzelne vermögenswerte Rechte schütze, dann müsse dies erst recht für deren Summe, also das Gesamtvermögen, gelten, vernachlässige den Bezug zu einem bestimmten im Bestand garantierten subjektiven Vermögensrecht 340. Nicht faktische, sich im gesetzesfreien Raum entwickelnde und der normativen Prägung entbehrende Vermögenslagen betreffe Art. 14 GG, sondern die durch das Normensystem konstituierten vermögenswerten Rechtspositionen 341. Die gesetzliche Inhaltsbestimmung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sowie die Sozialbindung gemäß Art. 14 Abs. 2 GG seien nur in Bezug auf konkrete Eigentumsrechte vorstellbar 342. Art. 14 GG schütze als Individualrecht lediglich Rechtspositionen, die einem Rechtssubjekt bereits zustehen, also nur das durch die Gesetze ausgeformte Eigentum, die zur Rechtsstellung erhobene und verdichtete Vermögensposition bildet den Gegenstand der Eigentumsgewährleistung 343. Die Gleichstellung des dinglichen Eigentumsverlustes mit der Auferlegung der obligatorischen Verpflichtung zur Eigentumsübertragung durch Hoheitsakt setze voraus, dass sich die Übertragungspflicht auf eine bestimmte Sache oder ein bestimmtes Recht bezieht 344. Auch Art. 14 Abs. 3 GG enthalte nur hinsichtlich der speziellen nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten klar konturierten subjektiven Rechte eine Vermögensgarantie 345. Damit wird am Erfordernis der konkreten Gegenständlichkeit des Schutzobjekts festgehalten 346.

338

R. Wendt, NJW 1980, S. 2115. BVerfGE 95, 267 (300); F. Klein, StuW 1966, 473. 340 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 187 f. mit Hinweis auf Folgeproblem Abgrenzung Enteignung-Sozialbindung; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 37; dies., in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 79; H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rn. 23. 341 H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rn. 150. 342 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 187, 197. 343 BVerfGE 20, 31 (34); 28, 119 (141 f.); 30, 292 (334 f.); 31, 212 (221); 45, 142 (180); 68, 193 (222); 78, 205 (211); H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 GG, Rn. 150. 344 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 487 f. 345 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 187 f.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 490 f. 346 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 87 m. w. N. 339

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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2. Problem der Geldsummenverpflichtung a) Geldvermögen als Schutzobjekt i. S. von Art. 14 Abs. 1 GG Im Zusammenhang mit der Auferlegung von Steuern als Geldleistungspflichten könnte man zudem argumentieren, Geld selbst sei ohne unmittelbaren Eigenwert. Der Eigentumsschutz des Geldes ergebe nur Sinn, wenn man den Blick auch auf die gegen das Geld eintauschbaren realen Güter und Dienstleistungen richtet. Nur sie könnten die genannte Eigentumsbedeutung erfüllen und letztlich Schutzgegenstand der Eigentumsgewährleistung sein. Im Rahmen der Dynamik des Eigentumsbegriffs erfolgte im Bereich der individuellen Rechtstellungsgewährleistung aber ein grundlegender Bedeutungswandel 347. Mit der zunehmenden Mobilisierung und Austauschbarkeit der Güter ist es zu einem Bedeutungszuwachs des Geldes als hierfür verwendetem Tauschmittel und zu einer verstärkten Monetarisierung der Bedarfsdeckung gekommen. In unserer heutigen Gesellschaft ist an die Stelle des eigenen Produkts als Ergebnis der Arbeit immer mehr das Entgelt hierfür getreten. Als Folge trat die freiheitssichernde Bedeutung von bürgerlich-rechtlichem Sacheigentum zugunsten eines Bedeutungszuwachses von Geld, Geldforderungen oder leicht in Geld umsetzbarer, sonstiger vermögenswerter Rechte in den Hintergrund. In der heutigen Gesellschaft sichert die große Mehrzahl der Menschen die wirtschaftliche Grundlage ihrer Existenz, die materielle Lebensgrundlage für die Freiheitsbetätigung in vermögensrechtlicher Hinsicht, weniger durch privates Sacheigentum oder gleichwertige private Rechtstitel, als durch obligatorische Ansprüche auf Geldleistungen, die überwiegend aus der eigenen Arbeitsleistung resultieren 348, oder, soweit es hier zu Defiziten kommt, aus sozialrechtlichen Leistungen der daran anknüpfenden solidarisch getragenen Daseinssicherung 349. Das Eigentum würde zudem seine lebensstützende Bedeutung verfehlen, wenn Art. 14 GG nur den staatlichen Zugriff auf Sachgüter mäßigen sollte, den Zugriff auf bares oder bargeldloses Leistungsentgelt hingegen nicht 350. Die Ausschließung der Eigentumsgewährleistung ist bei Geld und Geldforderungen untragbar, weil unter den heutigen sozialen und ökonomischen Verhältnissen den Geldwerten eine existentielle Bedeutung für die Individualentfaltung zukommt. Die geldwerte Vermögensposition, die Ertragsgröße Geldeinkommen, das Geldvermögen 347

M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 88 f. m. w. N. Insbesondere das Arbeitseinkommen, und die davon abgeleiteten arbeits- und sozialrechtlichen Rechtstitel aus versorgungs- oder versicherungsrechtlichen Ansprüchen; H. Sendler, DÖV 1974, S. 75. 349 BVerfGE 40, 65 (84); 53, 257 (290); 69, 272 (300); 97, 350 (371); H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 112 f. m. w. N. 350 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 88; ders., in: Festschrift für W. Leisner, S. 638 f. 348

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

ist eine entscheidende wirtschaftliche Bedingung personaler Rechtsausprägung, ein bestimmender Faktor menschlicher Willensverwirklichung und ökonomische Voraussetzung selbständiger Lebensführung, material-fundamentale Lebensbasis und Grundstück einer eigenverantwortlichen und freien Existenzgestaltung im modernen Sozialstaat 351. Wenn der Eigentümer sich im Bar- oder Buchgeld die Entscheidungsmöglichkeit über die Anlage des Geldes in die von ihm erwünschten Sachgüter vorbehält, diese liquide macht oder sich Leistungen in Geld statt in Sachwerten entgelten lässt, übt er seine Eigentümerbefugnis aus und verliert nicht wegen dieser Entscheidung den Schutz, der gerade zur freien Disposition über die vermögenswerten Rechtspositionen berechtigt 352. Es wäre unverständlich und mit dem Sinn der Eigentumsgewährleistung als Grundrecht zur Sicherung der Privatsphäre und der Privatautonomie nicht vereinbar, wenn das Vermögen desjenigen, der sein Geld in Grund und Boden, Sachwerten oder Aktien angelegt hat, vor Eingriffen des Staates geschützt sein sollte, wohingegen das aus Geldforderungen, wie etwa aus Darlehen, Spareinlagen oder sonstigen Obligationen, bestehende Vermögen dem Zugriff des Staates schutzlos preisgegeben wäre. Andernfalls wäre der Staatsbürger nur solange geschützt, wie er sein Geld in Sachwerten angelegt oder von seinem Kreditinstitut oder einem Privatschuldner zu fordern hätte; sobald er es aber in die Hand bekäme, stände es dem Staat zum freien Zugriff zur Verfügung 353. Er müsste ansonsten allein wegen dieser freiheitlichen Vernunft auf den Grundrechteschutz verzichten. Eine Grundlage der Handlungsfreiheit sind jedoch sowohl Geld als auch Sachwerte 354. Würde Art. 14 GG nur den steuerlichen Zugriff auf Sachgüter und Naturalien mäßigen, den Zugriff auf bares oder bargeldloses Entgelt hingegen nicht beschränken, so würde das Eigentum seine freiheitsfördernde Bedeutung verfehlen 355. Zudem lässt sich aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine solche unterschiedliche Behandlung der einzelnen Vermögen nicht rechtfertigen, weil an einem bestimmten Geldstück oder Geldschein ebenso gut Eigentum im privatrechtlichen Sinn erworben werden kann wie an einem sonstigen körperlichen Gegenstand 356. Die Eigentumsgewährleistung umfasst auch alle Zahlungsmittel. Bargeld ist ein selbständiges Gut ebenso wie andere bewegliche Vermögensgegenstände 357. Das Bar351 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 112 f. m. w. N. 352 P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 69. 353 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 35 ff. 354 E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 21, P. Kirchhof , JZ 1982, S. 307; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 38. 355 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 88. 356 F. Klein, StuW 1966, S. 473; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 64.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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vermögen ist der „flüssige“ Teil des Gesamtvermögens. Ein konkreter Geldschein oder eine Münze ist als Eigentum im Sinn des Art. 14 GG zu qualifizieren. Die Eigentumsgewährleistung schützt die privat verfügbare ökonomische Grundlage individueller Freiheit und damit auch das fungible Geldvermögen. Sie gewährleistet das Recht, Sach- und Geldeigentum zu besitzen, es zu nutzen und über es zu verfügen. Daher führt das Bundesverfassungsgericht im Eurobeschluss aus: „Eine wesentliche Freiheitsgarantie des Eigentums liegt auch gerade darin, Sachgüter und Geld gegeneinander austauschen zu können. Die Gleichwertigkeit von Sach- und Geldeigentum ist eine der Grundlagen des Art. 14 GG. Geld ist geprägte Freiheit.“ 358 Für die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung ist somit nicht allein die bürgerlichrechtliche Vorstellung vom Geld als beweglicher Sache und als Objekt der Sachenrechtsordnung, sondern auch seine wirtschaftliche Bedeutung als Träger von Kaufkraft oder eines bestimmten Tauschwertes maßgeblich. Geld erweitert die individuellen Handlungsmöglichkeiten und verschafft die Möglichkeit, auf den Willen anderer einzuwirken 359. Das Geld verleiht daher nicht nur die Innehabung einer Eigentümerposition, sondern es ist vor allem Eigentum von höchster Disponibilität. Auch und gerade dem disponiblen Eigentum am Geld kommt eine freiheitssichernde Bedeutung zu. Denn das Kaufkraft (Tauschwert) verkörpernde Geld ermöglicht es dem Einzelnen erst, sich den Gebrauchswert aller der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Wünsche materieller Art dienenden Güter und Dienstleistungen zu beschaffen. Ein entscheidendes Merkmal des Eigentums ist gerade seine Fähigkeit, dem Rechtsträger die selbstbestimmte Teilnahme am allgemeinen Gütertauschverkehr durch seine Kaufkraft zu ermöglichen 360. Für den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz muss es somit unerheblich sein, ob die Einkünfte in Sachgütern oder geldwerten Gütern bestehen 361. Art. 14 GG bietet die personenrechtliche Gewährleistung für jedes privatnützige, zu Eigentümerhandeln befähigende Wirtschaftsgut, d. h. ebenfalls für das Geldvermögen in seinem wechselnden, je nach Stichtag fassbaren Bestand 362. Auch dieses Geldvermögen gehört zu den in Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtspositio-

357 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 35 f. 358 BVerfGE 97, 350 (371); s. a. H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, Art. 14 Rn. 221 ff.; H. D. Jarass, in: H. D. Jarass / B. Pieroth, GG, Art. 14, Rn. 13; R. Wendt, in: M. Sachs, GG, Art. 14, Rn. 43; P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 639 ff. 359 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 788; ders., Freiheit in der Republik, 9. Kap., VI.; K. Vogel, HbStR I, § 27, Rn. 12. 360 E. Denninger, AG 1978, S. 73; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 12. 361 P. Kirchhof , in: P. Kirchhof / H. Söhn, § 2 EStG, A 164 mit weiteren Erläuterungen. 362 P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 46.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

nen 363. Eine Differenzierung des Eigentumsschutzes nach Sachvermögen und Geldvermögen verfehlt in der Voraussetzung wie in der Rechtsfolge die Aufgabe eines Eigentumsschutzes in einer Geldwirtschaft. Es ist heute hinsichtlich des prinzipiellen verfassungsrechtlichen Schutzes kein vernünftiger Grund für die Differenzierung zwischen Sach- und Geldvermögen zu sehen, da gegenständliches und Geldvermögen zudem leicht auswechselbar sind 364. Weil durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG jedes vermögenswerte Recht geschützt wird und Geld in einer modernen Wirtschaftsverfassung das Vermögen schlechthin ist, wird folglich auch das in das privatrechtliche Eigentum des Einzelnen übergegangene Geld von diesem Schutz gegen Eingriffe des Staates umfasst 365. Unter Eigentum i. S. des Art. 14 GG ist jedes vermögenswerte Recht zu verstehen, also muss auch das Eigentum an Geld, sei es als Bargeld oder als Inhaberschaft von Geldforderungen, von diesem Schutzbereich erfasst sein 366 . Geldwerte Erträge aus Vermögen und Arbeitskraft, die zu einer gesicherten Anwartschaft, d. h. erkennbar selbständigen Rechtsposition erstarkt sind (z. B. Forderungen auf Kapitalzinsen, Dividenden, Miet- und Pachteinnahmen, Gehaltsansprüche), müssen damit auch selbständige Vermögensrechte darstellen 367. Geld repräsentiert eine reale Güterposition des Einzelnen und ist in die Grundrechtsgewährleistung des Art. 14 GG einzubeziehen 368. Geld als solches gehört zu den gegen Entziehung und sonstige Beeinträchtigung durch das Eigentumsgrundrecht gewährleisteten Gegenständen 369. Das Geldvermögen genießt damit den Schutz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG gegen hoheitliche Zugriffe 370.

363 H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 535; s. a. H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 39 f.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 20. 364 E. Benda / K. Kreuzer, DStZ 1973, S. 56. 365 F. Klein, StuW 1966, S. 473; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 64; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 38–42. 366 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 301; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 35 f. 367 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 37. 368 D. Birk, StuW 1980, S. 363; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 301. 369 W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 78; ders., Wertzuwachsbesteuerung, S. 121. 370 F. Klein, StuW 1966, S. 433.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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b) Kein konkreter Eingriff in das Geldvermögen durch die Steuerforderung Geht man aber vom Erfordernis der Gegenständlichkeit aus, dass für die Beurteilung der steuerlichen Auswirkungen auf das jeweils durch das Steuergesetz tangierte konkrete vermögenswerte Recht abgestellt werden müsse, so können Steuern in der Tat keinen unmittelbaren, rechtlichen Eingriff in die Eigentumsgewährleistung darstellen. Die Annahme, der Steuereingriff ist als Voll- oder Teilentzug des durch Art. 14 GG geschützten Geldes des Bürgers stets eine Eigentumsbeeinträchtigung, ist daher in Zweifel zu ziehen 371. Weil die Steuerforderung nach ihrem rechtlichen Inhalt nicht auf Übertragung bestimmter Geldstücke gerichtet ist 372, sondern nur eine Geldsummenverpflichtung darstellt, fehlt ihr grundsätzlich der Bezug zu einem konkreten Vermögensrecht und erweist sich ein Rückgriff auf das Geld als Schutzobjekt als unmöglich 373. Die Steuerhebung beansprucht einen abstrakten Geldbetrag, beinhaltet also eine bloße Geldforderung des Staates gegen den Steuerpflichtigen; sie greift damit nicht unmittelbar auf einzelne konkrete Vermögensgegenstände zu 374. Die Auferlegung der Steuerpflicht greift nicht auf konkrete vermögenswerte Gegenstände in der Hand des Steuerpflichtigen zu und begründet insoweit auch keine auf solche konkreten Gegenstände gerichteten Leistungspflichten. Steuergesetze normieren keine Ansprüche auf Übertragung konkreter Geldmittel und damit auf sachlich vergegenständlichte Vermögenswerte 375. Die Steuergesetze begründen ausschließlich ein staatliches Forderungsrecht auf eine abstrakte Geldschuld, deren Erfüllung in ihren Modalitäten weitgehend in die Wahl des Steuerpflichtigen gestellt ist 376. Es bleibt dem Steuerpflichtigen unbenommen, die abzuführende Summe durch Veräußerung oder Belastung aus jedem beliebigen Gegenstand herauszuziehen 377. Es ist dem Staat gleichgültig, mit welchen ihm verfügbaren Mitteln der betroffene Steuerschuldner die ihm auferlegte Geldleistungspflicht 371

H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 487. So aber H. P. Ipsen, AöR 78 (1952/1953), S. 322; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 241. 373 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 183 m. w. N.; R. Wendt, NJW 1980, S. 2113; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 87 m. w. N.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 88; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 301, Fn. 61 m. w. N. 374 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 304. 375 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 304. 376 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 304; R. Wendt, NJW 1980, S. 2113. 377 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 48 mit Hinweis auf Vollstreckung. 372

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

erfüllt 378. Bei der Verpflichtung zur Zahlung bleibt es dem Steuerpflichtigen freigestellt, mit welchen konkreten an Vermögenswerten einzusetzenden Objekten er das Wertopfer aus seinem Vermögen bewirkt, welche Bestandteile seines Vermögens er zur Tilgung seiner Steuerschuld einsetzen will, nämlich etwa durch Übereignung von vorhandenem Bargeld, durch Übertragung von Bankguthaben, evtl. nach Umschichtung seines Vermögens durch Veräußerung von ihm auszuwählenden Gegenständen usw. 379. Deshalb erweist sich die Steuererhebung nicht als Eingriff in das Rechtsgut Eigentum des Bürgers an bestimmten Geldscheinen oder –stücken, sondern begründet eine Geldzahlungsschuld 380. In der Steuerforderung ist die Anforderung eines Vermögenswerts und damit eine betragsmäßige Belastung des Gesamtvermögens als solchem, nicht aber ein Güterbeschaffungsvorgang, ein direkter Zugriff auf konkrete geschützte Vermögensrechte und damit die Entziehung einzelner Eigentumsrechte am Geld zu sehen 381. Sie zielt im Grundsatz allein auf den in konkreten Eigentumsgegenständen verkörperten Vermögenswert 382. Die Steuerforderungen des Staates sind demnach in ihrer rechtlichen Belastungswirkung nicht unmittelbar auf die Übertragung oder Beeinträchtigung konkreter Vermögensrechte gerichtet, sondern belasten unmittelbar nur den gleichsam hinter der Person stehenden und durch die Person verkörperten Vermögenskomplex, die Summe einer Vielzahl von einzelnen geschützten Vermögenspositionen 383. Diese sind nicht mittels eines bestimmten Eigentumsobjekts zu erfüllen, sondern werden aus dem fluktuierenden Vermögen bestritten 384. Die Steuer ist ihrer Eigenart und unmittelbaren Wirkung nach ein das Vermögen des Pflichtigen treffender Liquiditätsentzug, Ausdruck eines Kampfes um Vermögensmacht zwischen Staat und Privatem 385. Die Besteuerung bedeutet, dass von dem Steuerpflichtigen ausschließlich ein Opfer aus seinem Vermögen abverlangt wird 386.

378 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 487 f.; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 48; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4. 379 B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493. 380 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 487 f. 381 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 49; S. 50 Fn. 2: Art. 14 Abs. 2 GG; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 48. 382 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 306 ff. 383 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 106; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 45. 384 BVerfGE 95, 267 (300). 385 R. Wendt, NJW 1980, S. 2113. 386 B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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Aus dem Erfordernis der Gegenständlichkeit würde also folgen, dass Art. 14 Abs. 1 GG nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt, diese als Belastung des Vermögens des Steuerpflichtigen die Eigentumsgewährleistung unberührt ließen 387. Ein individueller Grundrechteschutz gegenüber dem Steuergesetz bestünde nach der gegenwärtigen Verfassungsrechtslage nicht 388. 3. Annäherung über Vermögenswertschutz (i. V. m. Bestand) Im Zusammenhang mit der Bindung an konkrete Rechtspositionen wird vorgebracht, nur die Innehabung von Eigentumsgegenständen werde durch Art. 14 GG geschützt, der Eigentumswert allenfalls für den Fall der Enteignung 389. Eine Steuererhebung berühre nur ein wirtschaftliches Interesse an dem steuerlich erfassten Gegenstand, das keineswegs geschützt sei. Eigentum sei nicht der wirtschaftlich errechenbare Wert eines einzelnen Vermögensgegenstandes oder eines Rechts 390. Nur unter der Voraussetzung einer zulässigen Enteignung subjektiver Rechte (Art. 14 Abs. 3 GG) oder Sozialisierung (Art. 15 GG) wandele sich die Bestandsgewährleistung in eine Tauschwertgewährleistung 391. Grundsätzlich erstreckt sich die Eigentumsgewährleistung nicht auf den unterschiedlichen Schwankungen unterliegenden allgemeinen (Verkaufs-) Wert von Wirtschaftsgütern und wirtschaftlichen Positionen (z. B. Kursschwankungen bei Börsenpapieren, Devisenkursänderungen) 392. Sie bietet keinen Schutz gegen abstrakte, insbesondere nicht rein durch den Staat beeinflussbare, Vermögensminderungen 393. Schon laut der Entscheidung zum Hamburgischen Deichordnungsgesetz erschöpft sich der Eigentumsschutz der Verfassung aber nicht in der Entschädigungspflicht bei Eigentumsentziehungen, sondern das Grundrecht gewährt vor allem die Befugnis, jede ungerechtfertigte Einwirkung auf den Bestand der geschützten Güter abzuwehren 394. Grundsätzlich greift die Eigentumsgewährleistung danach nicht erst bei der Entziehung, sondern schon bei der Belastung 387

M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 38. P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 306. 389 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 308 f.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 490 f. 390 W. Rüfner, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 372; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 351; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 3. 391 Ausgenommen Geld, H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 537 f. 392 BVerfG 97, 350 (371); P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 644, 646, 653 mit Differenzierung zwischen Geldwert und Einlösungsvertrauen hinsichtlich der Kaufkraft; E. Denninger, AG 1978, S. 72 f.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 490 f. 393 R. Wendt, NJW 1980, S. 2114. 394 BVerfGE 24, 367 (400). 388

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

ein 395. Der Eigentumsschutz ist nicht auf die bloße Sicherung eines Bestandes beschränkt 396. Denn das Eigentum wird durch Art. 14 Abs. 1 GG auch als Wertaufbewahrungsmittel geschützt 397. Der Wert eines Gegenstandes ist nicht nur ein wirtschaftliches Interesse des Eigentümers, sondern Bestandteil seines Eigentumsrechts. Die eigentumsgrundrechtliche Sicherung des Wertes von Individualrechtsgütern vor dem Staat zurechenbaren Eingriffen ergibt sich aus dem Schutz der konkreten zum Vermögen gehörenden Eigentumsgegenstände. Eine Trennung zwischen Bestands- und Wertschutz ist im Bereich der Eigentumsfreiheit nicht denkbar; sie bilden eine Einheit 398. Die grundgesetzliche Eigentumsgewährleistung schützt nicht nur die äußere Erscheinungsform des Eigentums und des Vermögens, also Vermögensgegenstände als solche, sondern auch und gerade den tatsächlichen Vermögenswert des nach außen in Erscheinung tretenden Eigentums- und Vermögensobjekts vor dem Staat zurechenbaren Eingriffen 399. Aus der Wertgewährleistung des Art. 14 Abs. 3 GG folgt vielmehr, dass auch Art. 14 Abs. 1 GG nicht nur die Innehabung von Positionen, sondern ebenfalls ein Recht auf deren Wert gewährleistet, andernfalls dürfte ein Wertersatz auch bei Entzug nicht vorgesehen sein. Es wäre eine unerträgliche Ungleichbehandlung von Entzug der Rechtsposition und deren Entwertung in der Hand des Eigentümers. Der Schluss von der grundgesetzlichen Entschädigungspflicht auf einen WertSubstanzschutz des Eigentums ist also zwingend. Dieser Vermögenswertschutz als summarische Position der durch das Eigentumsgrundrecht geschützten einzelnen konkreten Rechte hat angesichts der fungiblen Wertigkeit der meisten Wirtschaftsgüter eine essentielle Bedeutung für die Bürger bekommen; ein alleiniger Bestandsschutz greift daher zu kurz. Denn der grundrechtlichen Eigentumsgewährleistung wird auch die freiheitssichernde Aufgabe zugedacht, dem Individuum die Verfügbarkeit über Vermögensgegenstände zu gewährleisten, die es ihm ermöglicht, in eigener Entscheidung am allgemeinen Güteraustauschverkehr teilzunehmen 400. Die freiheitssichernde Bedeutung des Eigentums, dem Träger des Grundrechts eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens, äußert sich unter den Gegebenheiten der heutigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation primär nicht nur in der Möglichkeit, bestimmte einmal vorhandene Gegenstände zu gebrauchen, sondern in der Chance, durch 395 W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 118 f. „neues Eigentumsverständnis, Mutation“. 396 E. Denninger, AG 1978, S. 72. 397 P. Kirchhof , in: Festschrift für W. Leisner, S. 640 f. 398 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 604. 399 F. Klein, StuW 1966, S. 473; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 97 m. w. N. 400 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 97 m. w. N.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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Einsatz des zur Verfügung stehenden Tauschwerts die am Markt erhältlichen Güter und Dienstleistungen zu erwerben und begründet daher die Überzeugung, dass Art. 14 GG mit dem Schutz der Eigentumsgegenstände auch den Tauschoder Vermögenswert jedes einzelnen zum Vermögen gehörenden Gegenstandes schützt 401. Das Eigentumsrecht Art. 14 Abs. 1 GG beinhaltet damit nicht lediglich einen konkret-objektbezogenen Bestandsschutz, sondern zugleich einen Eigentumswertschutz 402. Art. 14 GG schützt Innehabung und Wert der Eigentumsgegenstände; wollte man diese nicht annehmen, so wäre sie allerdings kaum etwas wert 403. Der Staat könnte dann die Eigentumsobjekte in der Hand des Eigentümers durch beliebige Belastungen bis herunter zum nudum ius entwerten, dies wäre stets zulässig, solange kein Recht entzogen würde. Der Schutz aller vermögenswerter subjektiver Rechte wäre unvollkommen und aushöhlbar, wenn zwar jeder einzelne Gegenstand und jede Forderung durch Art. 14 GG geschützt würde, der hierin verkörperte Vermögenswert aber nicht 404. Eine Absicherung des Steuerpflichtigen durch die Eigentumsgewährleistung erfordert deshalb neben der Gewährleistung des Gebrauchswerts eines Gegenstandes, insbesondere auch den Schutz des in ihm verkörperten Eigentumswerts. Art. 14 GG kann nicht lediglich als Gewährleistung der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsbefugnis über einzelne zum Vermögen einer Person gehörende Gegenstände angesehen werden, sondern schützt zugleich auch den in diesen Gegenständen verkörperten Vermögenswert gegen staatliche Eingriffe. Er enthält insoweit eine Vermögenswertgewährleistung. Damit ist auch der Tauschwert jedes Gegenstandes geschützt 405. Das Eigentum an Vermögensgegenständen manifestiert sich demnach in ihrem Gebrauchswert und ihrem Tauschwert. Der Gebrauchswert äußert sich in der Innehabungs- und Nutzungsbefugnis; der Tauschwert dagegen verkörpert die Möglichkeit des Eigentümers, seine Sache im Rechtsverkehr zu verwerten und sie als Äquivalent für andere von ihm begehrte Gegenstände hinzugeben. Die Eigentumsgewährleistung schützt somit nicht nur das Recht zum Haben- und Behaltendürfen, einen Gegenstand zu besitzen, verwalten und zu gebrauchen, sondern vermittelt zugleich die Befugnis, über ihn zu verfügen, seinen Tauschwert 406. Die mit dem Gut verbundenen Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten sind damit auf das Engste miteinander verflochten. Entscheidend für die Bestimmung eines Vermögenswer-

401 402 403 404 405 406

K. H. Friauf , JurA 1970, S. 308; R. Wendt, NJW 1980, S. 2113 m. w. N. K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 23. W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 118 f. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 110. R. Wendt, NJW 1980, S. 2113 f. m. w. N. E. Denninger, AG 1978, S. 73; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 307.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

tes ist gerade der in Geld messbare Wert der Position, in den sich die einzelnen aus der Position fließenden Nutzungs- und Verwertungsbefugnisse zusammenfassen lassen 407. Die Besteuerung zielt typischerweise auf diesen Tauschwert, der im Vermögen des Steuerpflichtigen angesammelt ist 408. Sie zwingt den Steuerpflichtigen, einen Teil des ihm zustehenden Tauschwerts auf den Staat zu übertragen, wobei ihm die Wahl zwischen den Gegenständen, auf deren Tauschwert er verzichten will, vorbehalten bleibt. Die Auferlegung einer Geldleistungspflicht, die den Betroffenen zur Zahlung und damit zur Minderung des Tauschgesamtwerts seiner Geldmittel zwingt, stellt damit eine dem Staat zurechenbare eigentumsrelevante Maßnahme dar 409. Soweit ein Wertschutz anerkannt ist, wird als Konsequenz der Ansicht, dass nur konkrete Objekte unter den grundgesetzlichen Eigentumsschutz fallen, allerdings die Bindung an konkrete Vermögensgegenstände und der darauf ruhenden bloßen Substitutionsfunktion der Wertgarantie betont. Es sei absolut nur der Eigentumswert jedes einzelnen Vermögensrechts garantiert, da dieser eine gegenständliche, konkrete unter die Eigentumsgewährleistung fallende Beziehungsgröße, den Vermögensgegenstand besitzt 410. Das Gewährleistungs- und Schrankensystem des Art. 14 GG basiere demnach auf einer Bestandsgewährleistung, die auch zu einer Wertgewährleistung relativiert werden kann 411. Auch wenn sich diese Garantie nicht nur auf den Wert spezifischer Gegenstände, sondern den sämtlicher Sachen und Rechte bezieht, die zum Vermögen des Grundrechtsträgers gehören, und sich im Falle der Enteignung die grundrechtliche individuelle Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG in eine Eigentumswertgewährleistung verwandelt, liege hierin nicht zugleich der Rückschluss begründet, dass demzufolge auch der Grundrechteschutz selbst einen allgemeinen Vermögensschutz impliziert, d. h. den Vermögenswert als solchen oder das Vermögen schlechthin im Sinne der materiellen Grundlage der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Einzelnen gegen staatliche Eingriffe sichert. Wie der einzelne Eigentumswert nicht mit dem Eigentum identisch ist, so ergebe auch die Summierung von Eigentumswerten noch kein konkretes Eigentum, das per se gegenüber staatlichen Ingerenzen ausgegrenzt ist. Die Vermögenswertgarantie könne von der Bindung an die konkreten Einzelgegenstände des Vermögens nicht losgelöst und zum selbständigen Teilinhalt der 407 BVerfGE 14, 263 (276); 21, 73 (83); 31, 229 (239); 31, 248 (251); 31, 270 (272); J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 524 f. 408 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 307. 409 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 406. 410 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 305 f. in Auseinandersetzung mit K. H. Friauf. 411 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 37; dies., in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 79.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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Rechtsstellungsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG erhoben werden, ohne den Schutzgehalt des verbürgten individuellen Grundrechts zu denaturieren. 4. Freiheitsrechtliche Argumentation zum Eigentumsschutz des Vermögens auch gegenüber Steuern Die Ansicht, die Gewährleistung des Art. 14 GG könne nur für einen aufzuopfernden Rechtsbestand zugestanden werden, dieses Postulat der Gegenständlichkeit, ist allerdings in Zweifel zu ziehen. Denn mit dem Erfordernis der Beeinträchtigung einer konkreten Rechtsposition wird im Ergebnis der Enteignungsbegriff zur Abgrenzung des Schutzbereichs von Art. 14 GG insgesamt verwendet. Bei der Beurteilung des Eigentumsschutzbereichs darf man aber nicht auf den Enteignungsbegriff des Art. 14 Abs. 3 GG abstellen. Die Identifizierung des Enteignungsbegriffs mit dem Umfang des verfassungsrechtlichen Eigentumsschutzes ist nicht gerechtfertigt 412. Dies zeigt gerade die These von der Geldenteignung, wonach Geld sinnvoll nicht enteignet werden kann 413. Auch das Geld selbst und die damit verbundene Freiheit fallen gerade unter den Eigentumsschutz. Die geschilderte Auffassung berücksichtigt die Eigenart des abgabenrechtlichen Eingriffs nicht hinreichend 414. Diese Meinung hätte die Konsequenz, dass Steuern niemals mit der Geltendmachung eines Verstoßes gegen Art. 14 GG angegriffen werden könnten, unabhängig von Höhe oder Ausgestaltung. Vielmehr muss auch bei der Frage, ob die Steuergewalt als Belastung des Vermögens das Grundrecht des Art. 14 GG zu beachten hat, die Schutzaufgabe der Eigentumsgewährleistung betrachtet werden 415. Der Bedeutungswandel und die gesellschaftlichen Aufgaben des Eigentums verlangen gerade nach einer solchen zweckentsprechenden Erweiterung des Eigentumsbegriffes. Mit dem Bundesverfassungsgericht ist dabei zu berücksichtigen, dass das Eigentum nicht zunächst Sach-, sondern Rechtsträgergarantie ist 416. Erst, wenn man den Eigentümer als Träger der Gebrauchs- und Tauschbedeutung und als Schutzadressat betrachtet, wird der wesentliche Zusammenhang zwischen dem Schutz des Privateigentums und der Sicherung der persönlichen Freiheit sichtbar. Ansonsten würde der personale Bezug der Eigentumsgewährleistung vernachlässigt 417. Dabei steht die Eigentumsgewährleistung in einem inneren Zusammenhang mit

412

H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 545 f. mit weiteren Ausführungen. J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 37 f. 414 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff. m. w. N. 415 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 307. 416 BVerfGE 24, 367 (400). 417 R. Seer, FR 1999, S. 1283. 413

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

der Gewährleistung der persönlichen Freiheit des Einzelnen und genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um deren Sicherung geht 418. Auch das verfassungsrechtliche Bekenntnis zu persönlicher Entfaltung des Einzelnen, subjektiver und selbstverantwortlicher Lebensführung sowie individueller Existenzgestaltung ist eine konkrete Ausformung des dem Grundrecht des Eigentums immanenten Gedanken der personalen Freiheit. Die Bedeutung der Eigentumsgewährleistung zielt dabei vermehrt darauf ab, dem Einzelnen einen Handlungsfreiraum in ökonomischer Hinsicht als allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit, privat verfügbare ökonomische Grundlage individueller Freiheit zu gewährleisten 419. Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeichnet sich das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum in seinem normativen Gehalt durch Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis des Eigentümers über den Vermögensgegenstand aus 420. Dem Charakter der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG als subjektiv-öffentlichem Recht entspreche die herausragende Rolle ihrer personalen oder individuellen Aufgabe, dem Träger des Grundrechts durch Zubilligung von Nutzungs- und Verfügungsrechten für den privaten Bereich und für die wirtschaftliche Betätigung einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und dem Einzelnen damit auf der Grundlage privater Initiative und zum privaten Nutzen die persönliche Entfaltung und eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen. Die bekannte Formulierung, dass dem Steuerpflichtigen ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleiben müsse, wird dabei auch im Vermögensteuerbeschluss wiederholt 421. Um den konkreten steuerlichen Grundrechtseingriff festzustellen, ist demnach stets darauf abzustellen, auf welche durch Art. 14 GG geschützte Art der grundrechtlichen Freiheitsausübung die Steuer zugreift 422. Problematisch ist insofern nicht, ob ein Vermögen als ganzes eigentumsfähig ist, sondern inwieweit sich die Besteuerung als Beschränkung der Eigentumsfreiheit darstellt, und zwar im Hinblick auf einzelne Eigentumsobjekte oder auch auf eine Vielzahl oder Gesamtheit von Eigentumsobjekten (Vermögen i. e. S.). Art. 14 GG bietet weniger

418

BVerfGE 50, 290 (340); BVerfG NJW 2000, S. 2574; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 744 f., 766 f. 419 BVerfGE 97, 350 (371); 100, 226 (239 ff.) m. w. N.; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 f. m. w. N. 420 BVerfGE 71, 230 (246); 78, 58 (73); 79, 174 (191); 79, 283 (289); 79, 292 (303 f.); 83, 201 (208); 87, 153 (169); 97, 350 (370 f.); 100, 226 (241); s. a. K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 8; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 3. 421 BVerfGE 93, 121 (137). 422 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 38.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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sachenrechtlichen Bestandsschutz, sondern mehr personenrechtliche Freiheitsgewährleistung. Weil zudem ein Besitz an den besteuerbaren Geldmitteln in Zeiten bargeldlosen Zahlungsverkehrs meist überhaupt nicht gegeben, jedenfalls aber wirtschaftlich bedeutungslos ist, muss die grundrechtliche Grenze für das Steuerrecht von den einzelnen Vermögensgegenständen absehen 423. Wie die Steuerlast nur den Eigentümer als Person, nicht den einzelnen Eigentumsgegenstand belastet, so richtet sich der von Art. 14 GG gewährte Schutz gegen eine übermäßige Besteuerung somit nicht nur auf die Erhaltung einzelner Vermögensgegenstände, sondern auf die Gewährleistung der jeweiligen Eigentümerstellung insgesamt. Die mit der Steuerpflicht verbundene Vermögensbelastung beschränkt den Steuerpflichtigen aber der Möglichkeit, derartig frei und autonom nach Maßgabe seiner individuellen Präferenzen über sein Eigentum zu verfügen 424. Die Eigentumsmerkmale der Privatnützigkeit und Verfügungsbefugnis werden beeinträchtigt, wenn der Gesamtbestand an vermögenswerten Rechten durch Steuerzahlungen dezimiert wird. Die Eigentumsfreiheit findet ihren Sinn in der Wahrung eines individuellen Freiheitsraums auf vermögensrechtlichem Gebiet oder in der Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, und dieser Sinn ist durch den Steuereingriff unmittelbar betroffen 425. Dies ist jenseits der gezielten Lenkung der Eigentumsnutzung in Gestalt des Zugriffs auf einen bestimmten Eigentumsbestand wie auch in der Form des Entzugs von Erträgen der Eigentumsnutzung denkbar. Selbst wenn der Staat durch die Steuer keinen sachenrechtlichbestimmten Gegenstand, sondern nur fungibles Geldvermögen entzieht, wird damit die Eigentümerfreiheit beschränkt. Zudem hat Rudolf Wendt gezeigt, dass die Steuer auch im Fall des mittelbaren Eingriffs ihrer Intention und unmittelbaren Wirkung nach ein die vermögenswerten Positionen des Pflichtigen treffender Liquiditätsentzug bleibt 426. Die in diesen zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wolle sich der Staat zunutze machen. Die Anknüpfungspunkte der Steuer blieben als formale Tatbestandsmerkmale lediglich Indikatoren dieser Leistungsfähigkeit und sagen für sich allein noch nichts über die tatsächlichen Wirkungen der Steuer aus, der Steuerzugriff habe Rechtsträgerschaft, Nutzung und Gebrauch der einzelnen konkreten Vermögenspositionen, an die er anknüpft, typischerweise nicht im Auge. Der eigentumsrechtlich geschützte Freiheitsbereich werde durch eine Steuer, die an andere Merkmale anknüpft, ebenso verkürzt. Einer Verneinung der Möglichkeit einer Eigentumsverletzung durch Steuern mit Hinweis darauf, dass die Eigentumsgewährleistung auf einzelne, konkrete

423

P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 21 ff. H.-J. Papier, KritV 1987, S. 144. 425 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 144; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 38. 426 R. Wendt, NJW 1980, S. 2113. 424

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

Vermögensgegenstände gerichtet sein müsse, der Steueranspruch nur auf einen abstrakten Geldbetrag gerichtet ist, der folglich nur eine Forderung des Staates beinhalte, ist nicht zuzustimmen 427. Auch wenn es sich bei Steuerforderungen des Staates nicht um ein unmittelbares Entziehen von Geldstücken und Geldscheinen handelt, kann hieraus keine unterschiedliche rechtliche Behandlung gefolgert werden. Zu widersprechen ist also der Ansicht, im letzteren Fall sei eine Reduzierung des Schutzgehalts, Verringerung der Schutzintensität gegeben. Die Tatsache, dass es dem Bürger überlassen bleibt, welche Gegenstände seines Vermögens er opfern möchte, um den staatlichen Steueranspruch zu befriedigen, vermag die betreffenden Vermögensopfer nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG zu entziehen und diese Eigentumsbeeinträchtigung nicht zu neutralisieren. Der Eingriffscharakter einer staatlicherseits erzwungenen Weggabe von Vermögen darf nicht davon abhängen, dass der Staat dem Bürger in bestimmten Grenzen eine Wahlmöglichkeit hinsichtlich des betroffenen Gegenstands gewährt 428. Die abweichende Modalität des Steuerzugriffs, die dazu führt, dass im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht noch nicht feststeht, welche konkreten Vermögensgegenstände zu deren Befriedigung verwendet werden und dem Pflichtigen insoweit ein Wahlrecht zukommt, muss somit bei der Betrachtung der Eigentumsgewährleistung unbeachtet bleiben 429. Das Ausmaß des Freiheitsschutzes darf hiervon nicht abhängen. Der Unterschied nämlich, dass ein Zugriff auf ein konkret bestimmtes Recht erfolgt, bei der Geldanforderung dagegen die Art und Weise der Aufbringung dem Leistungspflichtigen überlassen bleibt, ist rein formal. Die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen ist gleich, wenn der Staat ihn mit einer Steuer belastet oder auf einen Vermögensgegenstand direkt zugreift. Zwar handelt es sich bei der staatlichen Gelderhebung um keine unmittelbare Entziehung von bestimmten Gegenständen, sondern lediglich um eine hoheitliche Anforderung einer bestimmten Geldsumme, jedoch kann dies keinen Unterschied machen, da es gleichgültig sein muss, ob der Staat Vermögensgegenstände des Einzelnen unmittelbar entzieht und selbst festlegt, welcher konkrete Vermögensgegenstand für die Bezahlung der Steuerschuld geopfert werden muss, oder ob er kraft seiner staatlichen Gewalt eine obligatorische Pflicht zur Rechtsübertragung eines Vermögensgegenstandes begründet und über die rechtliche Konstruktion der Zahlungsverpflichtung das gesamte Vermögen, d. h. die Gesamtheit aller rechtlich geschützten Vermögensgegenstände hierfür haften lässt und dem Schuldner dabei zunächst die Wahl des zu opfernden Vermögensgegenstands gestattet, freistellt zu entscheiden, welche seiner rechtlich geschützten Vermögensgegenstände er zur Begleichung seiner Steuerschuld ver427

P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 119 ff. m. w. N. G. Reiner, DStZ 1999, S. 820 f. 429 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 98 f. m. w. N. 428

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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wenden möchte 430. Die Vorstellung, dass zwar die Gesamtheit der einer Person zustehenden Einzelwerte grundrechtlich gewährleistet sei, der Gesamtwert aber gleichwohl außerhalb des Grundrechts stehe, hält weder einer logischen noch einer wertenden, teleologischen Überprüfung stand; eine solche Konsequenz ist aber vom Standpunkt eines umfassenden Grundrechteschutzes nicht vorstellbar 431. Der Staat darf sich also auf die Unbestimmtheit, welche konkreten vermögenswerten Rechte beeinträchtigt werden, nicht berufen, um so grundrechtlichen Bindungen zu entgehen. Wenn nun trotzdem behauptet wird, die Auferlegung von bloßen Geldleistungspflichten könne, da sie ja nur das Vermögen belaste, als Eingriff in das nämliche Grundrecht schon tatbestandlich gar nicht in Frage kommen, so muss darin ein juristisches Missverständnis ökonomischer Tatsachen gesehen werden, welches zu ungleichen Behandlungen wirtschaftlich völlig gleichwertiger Vorgänge führt, wofür auch nicht der geringste sachliche Grund besteht 432. Gerade die wirtschaftliche Betrachtungsweise, welche ja das Steuerrecht beherrscht, muss sich auch die Steuergewalt entgegenhalten lassen. Sie darf beim Bürger zugreifen, ohne Rücksicht auf dessen rechtsdogmatische Konstruktionen, mit Blick allein auf das ökonomische Ergebnis. Dann aber darf sie sich auch selbst nicht hinter dogmatischen Konstruktionen zurückziehen, um einen Steuereingriff, der wirtschaftlich belastend wirkt, mit dogmatisch-konstruktiven Begründungen der Eigentumskontrolle der Verfassung zu entziehen 433. Würde der Staat die Steuern in der Weise erheben, dass er von vornherein bestimmen würde, welche Vermögensgegenstände der Bürger zur Bezahlung seiner Steuern zu opfern hat (vgl. Abzugsteuern), z. B. gezielt eine Darlehensforderung eines Steuerpflichtigen einziehen oder einen Gegenstand konfiszieren, würde wohl niemand bezweifeln, dass Steuern in das Eigentumsrecht eingreifen 434. Begründet nun aber der Staat eine Steuerschuld zu Lasten des Steuerpflichtigen und überlässt er dem Bürger nach geltendem Steuerschuldrecht die Wahl, mit welchem Vermögensgegenstand er die Schuld begleichen möchte, so würde die bloße Zahlungsverpflichtung insofern keine Eigentumsbeeinträchtigung darstellen, als die zur Begleichung der Steuerschuld konkret eingesetzten Objekte nicht hoheitlich entzogen werden; diese Tatsache kann den Zwangscharakter der Besteuerung 430 K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 43 ff., 53, 68; F. Klein, StuW 1966, S. 468, 476; O. Depenheuer, in: H. v. Mangoldt / F. Klein, GG, Anm. VII zu Art. 14; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 43–50; W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 129 f. 431 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 110; K. H. Friauf , StBJb 1971/1972, S. 433. 432 H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 226 ff. 433 W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 131. 434 G. Reiner, DStZ 1999, S. 820 f.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

nicht ausschließen 435. Es wäre widersinnig, die Entziehung von Geld anders als die Auferlegung von Geldleistungspflichten zu behandeln 436. Es wird zwar unmittelbar nur auf das Vermögen, indirekt aber auf die Gesamtheit der vermögenswerten Rechte oder auf Einzelpositionen zugegriffen. Das Steuergesetz verlangt vom Pflichtigen auch nicht, dass er sich von bestimmten Gegenständen, die unter der Gewährleistung des Art. 14 GG stehen, zu trennen. Aber es hängt nur von der Ausgestaltung des Steuertatbestands und –tarifs ab, ob das Gesetz diesen Effekt in der Praxis doch weitgehend erreicht und durch Ausnahmetatbestände, Freigrenzen usw. lässt sich dieser Effekt beliebig steuern und dosieren 437. Die Annahme, die durch die Besteuerung erfolgende Schmälerung des Vermögens als Inbegriff der Vermögenswerte, die sich in den einzelnen dem Vermögensinhaber zugeordneten Vermögensgegenständen verkörpern, löse den Eigentumsschutz des Art. 14 GG aus, bedeutet auch nicht, dass der eigentumsrechtliche Wertschutz gegenüber dem Gegenstandsschutz verselbständigt würde. Denn als Folge wird nicht nur der ziffernmäßige Wert des abstrakten Vermögens, sondern letztlich auch der Bestand an werthaltigen Vermögensgütern gemindert 438. Bei den Vermögenswerten, zu deren Aufgabe sich der Steuerpflichtige gezwungen sieht, handelt es sich nicht um frei vagabundierende Werte, nicht um faktische, sich im gesetzesfreien Raum entwickelnde Vermögensvorteile 439; vielmehr entspricht dem Gesamtvermögenswert, auf den die steuerliche Gewalt Zugriff nimmt, ausnahmslos die Summe der einzelnen konkreten rechtssatzmäßig konstituierten Eigentumsrechte des Bürgers 440. Die Steuererhebung verlangt dem einzelnen Bürger kraft staatlicher Hoheitsgewalt Leistungen aus seinem Vermögen ab, die er nur durch Hingabe bestimmter Werte und damit zumindest eines Teils seines Eigentums oder Vermögens erbringen kann. Der Eigenart des Steuerzugriffs entspricht es, dass die im Ausgleich der Abgabenschuld durch Banküberweisung vom Konto (Forderung gegen Bank) oder nach Veräußerung eines Sachwertes liegende Wertminderung des Vermögens zwangsläufig eine Verringerung des Bestandes konkreter subjektiver Rechte zur Folge hat. Denn die Steuersummenschuld kann der Pflichtige nicht aus dem Abstraktum Vermögen leisten, sondern nur dadurch, dass er einzelne Vermögensgegenstände aufgibt, von denen jeder für sich unter dem Schutz der Eigentumsgewährleistung steht 441. Die Bezahlung der Steuerschuld führt zur Aufgabe eines individuellen Eigentumsrechts und zu ihrem Ausscheiden aus dem Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung. 435

M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 38. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 119 f. m. w. N. 437 K. H. Friauf , DStZ 1975, S. 360. 438 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff. 439 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 490. 440 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 98 f. m. w. N. 436

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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Die Anforderung von Geldleistungen greift demnach zwar nicht auf bestimmte Gegenstände zu, jede Abgabepflicht belastet aber insofern das Eigentum, als sie grundsätzlich die Herausgabe von Bargeld oder Forderungen verlangt, die Eigentum der Bürger i. S. des Art. 14 GG sind 442. Art. 14 GG gewährleistet dem Eigentümer Verfügungsbefugnis über jedes privatnützige, zu Eigentümerhandeln befähigende Wirtschaftsgut, d. h. vor allem auch über das Geldvermögen in seinem wechselnden, je nach Stichtag fassbaren Bestand 443. Es ist demnach davon auszugehen, dass die Auferlegung von Geldleistungspflichten insbesondere deshalb als tatbestandlicher Eingriff in das Eigentumsgrundrecht zu werten ist, da auf das unter dessen Schutz stehende Rechtsgut Geld zugegriffen und das gleichfalls geschützte, in Geldwert zu messende Vermögen als Zusammenfassung aller vermögenswerten Rechtspositionen eines Rechtsträgers geschmälert wird 444. Für den Eigentumsschutz kommt es danach auf die Art der Verkörperung des Geldeswertes nicht entscheidend an. Im Grunde sind daher beim Geld, das einen Gebrauchswert nicht besitzt, auch nicht die Art und Zahl der Münzen oder Banknoten in ihrer konkreten Körperlichkeit als solcher Schutzbefohlene des Art. 14 GG, sondern ihre Bedeutung erschöpft sich von vornherein ausschließlich in ihrer Eigenschaft als jederzeit auswechselbare Vertreter des durch sie repräsentierten Wertes, der sich in Kaufkraft ausdrückt, der letztlich Schutzgut der Grundrechtsgewährleistung ist. Denn Geld und Geldforderungen erfüllen nicht per se Eigentumsinhalte, sondern nur mittelbar durch die realen Güter, die man potentiell jederzeit dafür eintauschen kann. Diese Möglichkeit wird durch die Entziehung von Zahlungsmitteln gleichermaßen beschränkt, egal ob sie durch Auferlegen von Geldleistungspflichten oder Entzug von Bargeld oder Geldforderungen erreicht wird. Zwar auferlegt die Steuer dem Pflichtigen nur unspezifisch die Zahlung eines Geldbetrages, und belässt das Steuerrecht dem Eigentümer die Freiheit, seine Steuerschuld aus beliebigem eigenen Vermögen zu erfüllen 445. Art. 14 GG entfaltet gegenüber Eingriffen in bestimmte Rechtspositionen auch effektivere Abwehrmöglichkeiten als gegenüber Eingriffen in die Vermögenssphäre, die dem Betroffenen eine Wahlfreiheit darüber belassen, welcher Eigentumsgegenstand letztendlich betroffen wird 446. Der beim Steuereingriff zur Aufgabe eines Teils 441 R. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 38 ff.; ders., in: M. Sachs, GG, Art. 14, Rn. 38; O. Depenheuer, in: H. v. Mangoldt / F. Klein, GG, Art. 14, Rn. 89, 173; R. Seer, FR 1999, S. 1283; E. Denninger, AG 1978, S. 73. 442 K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 85; W. Rüfner, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 372 „Scheinproblem“; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 351. 443 P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 46. 444 H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 226 ff. 445 R. Seer, FR 1999, S. 1283. 446 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff.

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

der in seinem Vermögen akkumulierten, durch Art. 14 GG lückenlos geschützten Vermögenswerte gezwungene Steuerpflichtige, besitzt aber keine für die rechtliche Bewertung relevante und damit einer Aktivierung des Grundrechteschutzes aus Art. 14 GG entgegenstehende Wahlfreiheit hinsichtlich der Auswahl des aufzugebenden Vermögenswertes, die es rechtfertigen könnte, die Auferlegung von Steuern nicht als Zugriff auf die von Art. 14 GG geschützten Vermögenswerte zu qualifizieren 447. Denn der Unterschied zu einem unmittelbaren Zugriff auf subjektive Vermögensrechte besteht allein in der Wahlfreiheit hinsichtlich der aufzugebenden konkreten Rechtsstellung. Das Wahlrecht bietet lediglich eine freiheitsschonende Alternative zum Objektzugriff. Verzichtet wird nur auf die Feststellung, welche konkreten Rechtspositionen betroffen werden. Hinsichtlich des Ob des Opfers zwingt die Steuer aber mit gleicher Intensität wie der direkte Zugriff auf einen einzelnen Gegenstand 448. Die Steuergewalt begründet eine individuelle Forderung, einen Passivposten gegen einen Eigentümer, der sein Vermögen insgesamt verringert 449. Die Erfüllungsmodalitäten nehmen der Steuerpflicht somit nichts von ihrer Belastungswirkung. Der Steuerpflichtige kann in keinem Fall dem Zwang entgehen, dass er einen mehr oder weniger großen Teil der als Eigentum geschützten Objekte aus seinem Bestand abgeben muss 450. Dieser Vorgang wird für die Zeit, in der die Steuerschuld noch nicht erfüllt ist oder die Erfüllung durch Umschuldung, also durch Eingehen anderweitiger Verbindlichkeiten, erfolgt, nur hinausgezögert. Eine Eigentumsbeeinträchtigung ist damit nicht nur in Rechtsübertragungen, sondern auch in der Begründung obligatorischer Pflichten zur Rechtsübertragung eines Vermögensgegenstandes zu sehen 451. Ebenso wie ein eigentumsrechtlicher Schutz gegen eine Entziehung der Gläubigerstellung einer Geldforderung gegeben ist, wird der Handlungsfreiraum durch die Auferlegung einer Steuerleistungspflicht beschränkt 452. Der Schutzgedanke, der zu einer Ausweitung des Eigentumsbegriffs auf obligatorische Rechte führte, gilt ebenso gegenüber dem Steuerzugriff. Die Feststellung, die Eigentumsgewährleistung biete keinen Schutz gegen Vermögensbeeinträchtigungen, mag daher für abstrakte Vermögenswertmin447

R. Wendt, NJW 1980, S. 2113. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4. 449 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 91. 450 K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 23. 451 W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 78; W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 121; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 119 ff. m. w. N.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 53, 68; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff. m. w. N.; einschränkend H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 487 f. 452 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 301; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff.; H.-J. Holzer, Die unterstaatliche Umverteilung – unter Umgehung der Verfassung?, S. 226 ff. 448

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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derungen, denen keine Bestandsminderung korrespondiert, berechtigt sein – so etwa für Wertminderung, denen ein Wertpapierbesitz aufgrund der Kursschwankungen ausgesetzt ist –, für den Steuerzugriff des Staates gilt sie nicht 453. Der Steuerschuldner wird belastet, weil er Einkommen bezieht, Forderungen hat oder Eigentum bildet, nicht weil er über bestimmte Geldsummen verfügt 454. Wenn der Staat durch die Steuer auf dieses Einkommen zugreift, dann ist das wirtschaftlich gleichbedeutend damit, dass dem Steuerpflichtigen die einzelnen als Eigentum geschützten Rechtspositionen entzogen werden 455. Die imperative Abgabenerhebung ist somit stets an Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu messen, weil der Eigentümer genötigt wird, eine vermögenswerte Rechtsposition in Anspruch zu nehmen 456. Insofern, als der Eigentümer notwendig einen Teil seiner Rechte an den Fiskus abgeben muss, belastet und beeinträchtigt die Steuerpflicht das konkrete Vermögen, wenn auch nicht feststehen mag, welcher konkrete Vermögenswert zu ihrer Befriedigung verwendet werden soll. Die mit den Belastungswirkungen der Steuer einhergehende Einschränkung dieses Handlungsfreiraums (mit seiner persönlichen und sozialen Bedeutung) stellt sich somit als Beeinträchtigung der Eigentumsfreiheit dar, die sich vor Art. 14 GG zu rechtfertigen hat 457. Daher stellt Art. 14 GG einen legitimen Prüfungsmaßstab für sämtliche steuerrechtlichen Eingriffe dar, auch wenn sie nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände gerichtet sind, sondern lediglich eine Geldforderung beinhalten. Dies bewirkt eine bereichsspezifische Modifizierung des Art. 14 GG, der vermögenswerte Rechtspositionen schützt 458. Die Verbindung von Freiheit und Eigentum erfordert eine Aktivierung des grundrechtlichen Eigentumsschutzes gegenüber der Zugriffsmöglichkeit des Steuergesetzgebers 459. In diesem Zusammenhang ist nicht verständlich, warum konkrete Eigentumsobjekte sorgfältig unter Abwägung der Interessen des Einzelnen und des Gemeinwohls vor tatsächlichen unmittelbaren und gezielten mittelbaren Einwirkungen geschützt sind, das für die Betroffenen viel bedeutsamere Vermögen als solches und im ganzen jedoch ohne Schutz wäre 460. Wenn sich die fiskalische Steuerauflage wegen ihrer Rechtsnatur als bloße Vermögensbeeinträchtigung darstellt, so ist die Zurechnung des Vermögens zum gegenständlichen Schutzbereich der Ei-

453

R. Wendt, NJW 1980, S. 2114. P. Kirchhof , in: P. Kirchhof / H. Söhn, EStG, zu § 2 A 163. 455 R. Seer, FR 1999, S. 1283. 456 D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 224. 457 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 98 f. m. w. N. 458 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff. m. w. N. 459 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 116 f. 460 B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 495. 454

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

gentumsgewährleistung vielmehr die rechtslogische Prämisse 461. Wenn der Staat nach dem ganzen Vermögen der Bürger greift, so muss die Eigentumsgewährleistung auch das ganze Vermögen der Bürger decken 462. Jede Steuer beeinträchtigt damit allein schon durch ihre Belastungswirkungen das Eigentum und berührt den Schutzbereich der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, weil sie das Vermögen schmälert 463. Nach der im Vordringen befindlichen Ansicht, ist das Schutzgut des Eigentums somit auch das Vermögen als ganzes, die Menge der Rechte am vermögenswerten Eigenen 464. Eine solche Vermögensgewährleistung schließt den Wert sämtlicher Sachen und Rechte ein, die überhaupt zum Vermögen des Grundrechtsträgers gehören. Der Schutz des Vermögens bedeutet dabei nicht mehr und nicht weniger als dass nicht nur der konkrete Gegenstand, sondern auch der Inbegriff aller Gegenstände als Gesamtheit geschützt wird 465. Sind in diesem Sinne die einzelnen Vemögensbestandteile für sich betrachtet von Art. 14 GG erfasst, dann verlieren sie diesen Schutz auch nicht, wenn ein staatlicher Eingriff gleichzeitig mehrere Eigentumsgegenstände betrifft 466. Denn wenn Art. 14 GG jede einzelne vermögenswerte Rechtsposition schützt, ist nicht einzusehen, weshalb nicht die Summe, ihre Zusammenfassung geschützt sein soll 467. Damit verlangt die existenzsichernde Bedeutung des Eigentums, der Grundgedanke des Eigentums als Gewährleistung selbstgestaltender Lebensführung eine Einbeziehung des durch die abstrakte Steuerforderung bedrohten Vermögens i. e. S. als Inbegriff aller in ihm zusammengefassten Werte in den Schutzbereich des Art. 14 GG 468. Der 461 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 102 unter Ablehnung des Kriteriums der Enteignungsfähigkeit. 462 GSZ BGH Beschluss vom 10. Juni 1952, BGHZ 6, 278. 463 K. A. Schachtschneider, Das Sozialprinzip, S. 67; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 92 ff. 464 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 753; ders., Freiheit in der Republik, 9. Kap., II.; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 305 ff. m. w. N.; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 38 ff., 50; W. Rüfner, DVBl 1970, S. 881 ff.; w. N. und Ausführungen bei H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 96 Fn. 51; H. Sendler, DÖV 1971, S. 22; Nachweise bei W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 126, Fn. 330; K. H. Friauf , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 369 „Popanz“; ders. StBJb 1971/1972, S. 433; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 20; Nachweise bei H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 300, Fn. 54; R. Wendt, NJW 1980, S. 2113 f. Fn. 41 f „wachsende Anhängerschaft“, aber abgrenzend zum Vermögen als vom Gegenstand losgelöstes Ganzes (z. B. Wertpapierschwankungen). 465 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 111 f.; W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 73. 466 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 307. 467 E. Denninger, AG 1978, S. 72 f. 468 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 110; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 118 f.

VII. Besteuerung als Vermögenseingriff

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Vermögensschutz muss jedenfalls eingreifen, wenn es zum Schutz des Freiheitsraums des einzelnen Bürgers geboten ist 469. Wenn das Eigentum den vermögensrechtlichen Bereich überhaupt sichern soll, muss es schon notwendigerweise auch gegen die Besteuerung gelten. Denn eine Abgrenzung der Steuerhoheit von der Eigentumsgewährleistung i. o. S. würde Eingriffe in Einkommen und Vermögen ermöglichen, die, wenn sie mit gleicher Intensität gegen das gegenständliche Eigentum gerichtet würden, eine Eigentumsverletzung darstellen würden 470. Ein Vermögensschutz ist somit schon deshalb erforderlich, damit nicht das, was beim konkreten Objekt über die Rechtsstellungsgewährleistung 471 relativ sorgfältig geschützt wird, beim Vermögen als Summe der vermögenswerten Rechte um so intensiver weggenommen werden kann. Allein ein eigentumsrechtlicher Vermögensschutz in diesem Sinne verhindert eine weitgehende Entwertung der in den subjektiven Rechtsstellungen verankerten Bestandsgewährleistung. Wenn das Vermögen dem schrankenlosen Zugriff des Staates unterliegen würde, so könnte die Eigentumsordnung durch einfache Gesetze völlig umstrukturiert werden, die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung nach Belieben umgangen werden. Die besondere Struktur des Steuerrechts, nicht auf einzelne Gegenstände zuzugreifen, sondern die Vermögenssphäre des Grundrechtssträgers zu belasten, darf aber nicht die eigentumsrechtliche Verbürgung obsolet werden lassen. Nur wenn Art. 14 GG auch bei einem Eingriff in das Vermögen als solches als Prüfungsmaßstab dient, kann daher ein allumfassender Eigentumsschutz gewährt werden 472. Die Sicherung von Anspruchspositionen, die Grundlage der Summenverpflichtung sind, und der selbstverantwortlichen individuellen Lebensgestaltung gebieten demnach das Vermögen als solches in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit zu integrieren, damit diese Bedeutung nicht infolge des ausschließlich die Vermögenssphäre tangierenden Steuerzugriffs durch Zwang zur Versilberung leer läuft, die Eigentumsfreiheit nicht mit Hilfe der Besteuerung unterlaufen werden kann 473. Der Bürger darf nicht gerade in dem Bereich ohne effektiven Verfassungsschutz sein, wo er der verfassungsrechtlichen Gewährleistung am dringendsten bedarf. Wird die Eigentumsgewährleistung nicht generell auf das Vermögen erstreckt und dadurch eine eigentumsrechtliche Kontrolle der Steuergewalt ermöglicht, so steht über die Besteuerung die Bestandsgewährleistung für konkrete Rechtspositionen

469

B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 495. J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 28. 471 Begriff kritisiert von W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 12. 472 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 111 f.; W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 73; H.-W. Arndt / A. Schumacher, NJW 1995, S. 2603 f. 473 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 120 ff. 470

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D. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

der Staatsgewalt weitgehend zur Disposition, weil über den vermögenswerten Belastungseffekt der Steuer der Besitzstand der individuellen Rechtsstellungen tangiert ist. Mit der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, dass nicht das Vermögen gegen Eingriffe durch Geldleistungspflichten geschützt sei, erfolgt die Aufgabe der Eigentumsgewährleistung 474. Eine auf konkrete Eigentumsrechte beschränkte Eigentumsgewährleistung bietet keinen Schutz gegen Steuern, die den Steuerpflichtigen außerhalb gezielter Einwirkung auf konkrete Eigentumsrechte als die Vermögensverhältnisse beeinträchtigende Passiva belasten 475. Nimmt man den Grundrechtscharakter von Art. 14 GG ernst, so wird daher sein Freiheitsraum grundsätzlich durch Steuern berührt. Das schließt aber nicht aus, dass sich daneben auch noch Gestaltungswirkungen einer Steuer nachweisen lassen, die sich als mittelbare Eingriffe in konkrete Eigentumsrechte darstellen können. Ein Steuergesetz kann somit durch die Ausgestaltung oder Bemessung des Steuerzugriffs den Verfassungsschutz des Eigentums berühren, wenn die Privatnützigkeit übermäßig beeinträchtigt werden 476. Auf die sich anschließende Frage, inwieweit durch Steuergesetze die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG tatbestandlich berührt wird, weist zutreffend Wolf-Rüdiger Schenke hin 477. Es hilft nicht weiter, die Privatnützigkeit des Eigentums als Grenze der Besteuerung zu sehen. Es muss gleichzeitig deren erforderlicher Grad gegenüber steuerrechtlichen Eingriffen angegeben werden 478. Es ist Sache der Verfassungsinterpretation und ein Ziel dieser Arbeit zu ermitteln, wo diese Grenze zwischen Eigentumsgewährleistung und Besteuerung, den Eigentumsinhalten der Privatnützigkeit und der Sozialbindung, verläuft 479.

474 475 476 477 478 479

H. Spanner, DStR 1975, S. 482. B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 495. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4. W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 183. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 116 f. K. H. Friauf , JurA 1970, S. 311.

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung? Nachdem der Schutzbereich des Eigentums und die Möglichkeiten dessen Beeinträchtigung durch Steuern dargestellt wurden, sollen nun deren Grenzen aufgezeigt werden. Dabei ist zu fragen, inwieweit das Grundgesetz konkrete verfassungsrechtliche Schranken des Steuerzugriffs auf die Gesellschaft ausgestaltet. Es geht darum, eine Obergrenze für die jeweilige steuerliche Vermögensbelastung zu finden, die als Konkretisierung der Eigentumsgewährleistung verstanden werden kann.

I. Leerlaufen der Eigentumsgewährleistung mangels praktischer Umsetzbarkeit Sicherlich ist es schwierig, zu bestimmen, wann eine mit der Eigentumsgewährleistung vereinbare verfassungsrechtlich zulässige Steuerlast in eine unzulässige Steuer umschlägt 1. Die wenig aussagekräftigen Leitsätze der Verfassungsrechtsprechung zum Verhältnis Eigentum und Steuern können aber nicht als ein bedeutsames Regulativ gegen die Steuergewalt des Staates betrachtet werden und sind bislang nicht geeignet, eine Aushöhlung der privaten Eigentumsordnung durch das Steuerrecht als klassisches Eingriffsrecht zu verhindern 2. Denn nicht in einem Fall konnte die Erdrosselungsrechtsprechung Anwendung finden 3. Die Schutzwirkung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG als das Hauptgrundrecht des Vermögensbereichs bleibt durch diese zu sehr auf extreme Konstellationen abgestellten Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts in der Rechtswirklichkeit für die Bestimmung der verfassungsrechtlichen Überprüfung des bei weitem nach1 H.-J. Papier, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 371 f. 2 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 175. 3 W. Leisner, NJW 1995, S. 2592; R. Mußgnug, JZ 1991, S. 994, 997; K.-G. Loritz, NJW 1986, S. 9; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 180; B. SchmidtBleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 490; R. Wendt, NJW 1980, S. 2112; H. Stang, Auswirkungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Besteuerung, S. 77; R. Seer, FR 1999, S. 1282; E. Denninger, AG 1978, S. 71; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 28; G. Reiner, DStZ 1999, S. 822; die „Erdrosselungssteuer“ wird mitunter sogar als das steuerrechtliche Ungeheuer von Loch Ness; keiner habe es gesehen, aber alle schreiben darüber.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

haltigsten Eingriffs in die private Vermögenssphäre gänzlich ausgeschlossen 4. Der Steuergesetzgeber kann insoweit frei die Steuerhöhe bestimmen. Hinsichtlich der Grenze, an der die Eigentumsgewährleistung durch das Steuersystem verletzt wird, lassen sich aber entgegen dieser bisherigen Verfassungsrechtsprechung mehr als Randkorrekturen der Sozialbindung aus Art. 14 GG ableiten 5. Ohne dass der Verstoß des Steuergesetzgebers gegen das Übermaßverbot notwendig auf die Fälle der Erdrosselung bzw. einer Konfiskation beschränkt wäre, können Überbesteuerungen weniger extremen Grades zu verzeichnen sein, die ebenfalls zu Bedenken Anlass geben, weil sie sich als unverhältnismäßig erweisen. Die These, dass eine Besteuerung erst verfassungsrechtlich bedenklich wäre, wenn sie etwa das Einkommen fast vollständig entzöge, kann nur als Abstecken eines äußersten Rahmens gewertet werden, innerhalb dessen die verfassungsmäßig gebotenen Grenzen enger zu ziehen sind 6. Diese sind sowohl der Instituts- als auch der Bestandsgewährleistung unter Berücksichtigung der verschiedenen Eigentumslagen und Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu entnehmen.

II. Instituts- und Bestandsgewährleistung 1. Gewährleistung der Eigentumsordnung a) Allgemeine Gesetzgebung Das Bundesverfassungsgericht spricht erstmals im Lüth-Urteil davon, dass die Grundrechte nicht nur als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sondern auch als Wertsystem objektiver Normen, als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts zur Geltung zu bringen sind 7. Die politischen Grundrechte bestimmen die Staatlichkeit als Gesetzlichkeit und damit zugleich die Grenzen zwischen staatlicher und privater Lebensbewältigung, sie sollen die gestaltenden gesetzlichen Regelungen leiten, welche allgemeinverbindliche Maximen des Handelns festlegen 8. Sie verwirklichen besondere Freiheitsideen, die durch die Grundrechte zu Rechtsgütern werden und gehören mit Verfassungsrang zur objektiven Ordnung. Die Grundrechte bilden insoweit eine objektiv-rechtliche Wertordnung der Verfassung für das gemeinsame Leben, auf 4

H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast. S. 34. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 647; F. Klein, StuW 1966, S. 467. 6 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 318 ff. 7 BVerfGE 7, 198 (204 f.); s. a. K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 753 f. mit Hinweis auf die (Carl) Schmitt’sche Institutsgarantie. 8 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 461 f., 822 ff. 5

II. Instituts- und Bestandsgewährleistung

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deren bestmögliche Verwirklichung durch die Gesetze jeder Mensch Anspruch hat, nämlich das Recht auf Recht nach Maßgabe der Menschenrechte, die in den Grundrechten formuliert sind 9. Dies wird von den Grundrechten als subjektiven Rechten des Einzelnen unterschieden. Auch die Eigentumsgewährleistung bezieht sich nicht nur auf jedes konkret vorhandene Vermögensrecht des Einzelnen, sondern will daneben auch den Fortbestand des Privateigentums als Bestandteil eines grundgesetzlich objektiven Wertgefüges, einer Grundeinrichtung des Rechts- und Wirtschaftslebens schützen 10. Die Gesetze bestimmen nicht nur den Inhalt dessen, was Eigentum ist, also die Materie der Rechte des Eigenen, und die Schranken dieser Rechte, sondern gewährleisten auch Eigentum, ordnen somit auch das Mein und Dein 11. Diese objektiv-rechtliche Gewährleistung des Eigentums als Rechtseinrichtung gewinnt aber Bedeutung wiederum im Rahmen der Grundrechtsansprüche. Sie soll nicht nur die Geltungskraft des subjektiven Grundrechts verstärken, sondern dient zur Absicherung und als notwendige Voraussetzung für das individuelle Grundrecht des Eigentums 12. Denn die Eigentumsgewährleistung als subjektivöffentliches Recht setzt eine Norm des objektiven Rechtsinstituts „Eigentum“ voraus, die geeignet ist, entweder unmittelbar oder durch Vermittlung eines von der Norm mit Rechtswirkungen ausgestatteten Aktes ein Recht des Einzelnen zu begründen 13. Die objektive Schutzaufgabe der Eigentumsgewährleistung ist insofern akzessorisch, als die Gewährleistung des personalen Grundrechts der Rechtseinrichtung Eigentum bedarf, damit der Einzelne am Aufbau und an der Gestaltung der Wirtschaftsordnung eigenverantwortlich, autonom und mit privatnütziger Zielsetzung mitwirken kann 14. Die Institutsgewährleistung geht sogar teilweise über die Schutzwirkung des in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG enthaltenen Individualgrundrechts z. B. insofern hinaus, als sie unabhängig von der Frage, ob ein Inhaber eines

9 K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 304; ders., Res publica res populi, S. 448 f., 819 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 4. Kap. III., 7. Kap. IV., 9. Kap. II. 10 BVerfGE 24, 367 (389); s. a. H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 64 f.; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 502 m. w. N.; P. Selmer, Steuerinterventionismus, S. 313 f.; ders., AöR 101 (1976), S. 429, der nur die Institutsgarantie zum Schutz vor Besteuerung heranzieht; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882 f.; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 352 ff.; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 192; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 477 f. 11 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 765. 12 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 7. Kap., III.; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 15 f. 13 BVerfGE 24, 367 (389); 51, 193 (211); 70, 278 (285); P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 3. 14 BVerfGE 24, 367 (389); 50, 290 (339, 344); P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 2.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

konkreten Rechts durch die gesetzliche Regelung betroffen wurde, auch bei der erstmaligen Schaffung einer neuen Rechtsposition einen Prüfungsmaßstab erlaubt. Der Gesetzgeber hat insoweit zunächst eine Politik einer Eigentumsordnung der praktischen Vernunft zu verwirklichen, welche es jedem Menschen ermöglicht, Eigentum zu haben 15. Die in Art. 14 Abs. 1 GG enthaltene Institutsgewährleistung als besondere Ausprägung des objektivrechtlichen Gehalts des Art. 14 Abs. 1 GG verpflichtet den Gesetzgeber, einen Kernbereich von Normen zur Verfügung zu stellen, der die Existenz und hierbei den Erwerb, die Nutzbarkeit und die Verfügbarkeit vermögenswerter Rechte überhaupt ermöglicht und damit die reale Geltung der Eigentumsgewährleistung sichert 16. Das Rechtsinstitut „Eigentum“ als besondere Ausprägung des objektivrechtlichen Gehalts des Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet damit einen Mindeststandard von einfachgesetzlichen Normen, welche als Eigentumsregelungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bezeichnet werden können 17. Die grundlegende Wertentscheidung des Grundgesetzes zugunsten der Gewährleistung vermögensrechtlicher Handlungsmöglichkeiten bindet im Sinne eines politischen Leitprinzips die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, den Bestand und die privatautonome Verwendung des Eigentums anzuerkennen, so dass diese nicht einfach zur Disposition des Staates und seines Gesetzes stehen 18. Dieses Menschenrecht materialisiert somit objektiv-rechtlich dessen Eigentumspolitik, die bestehenden wesentlichen Regelungen des grundrechtlich erfassten Schutzbereichs bei der zukünftigen Umgestaltung und Präzisierung zu respektieren 19. Der Gesetzgeber hat bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums diese Institutsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG zu wahren, d. h. er darf solche Elemente der Eigentumsordnung auch nicht beseitigen, die zum notwendigen qualitativen Bestand grundrechtlich geschützter persönlicher Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich gehören 20. Die jeweils geltenden Regelungen und die Ausgestaltung des Rechtsinstituts im Einzelnen genießen dadurch Schutz gegen eine gesetzliche Fortentwicklung, Anpassung oder sonstige Änderung, sofern die mit der Gewährleistung festgelegte institutsbewahrende Leitlinie nicht gewahrt wird 21. 15

K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 753 f., S. 773; insofern auch der Eurobeschluss BVerfGE 97, 350 (376), der aber die Subjektivierung des objektiven Grundrechtsgehalts der Stabilitätsgewährleistung verweigert. 16 D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 216. 17 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 79; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 216. 18 BVerfGE 14, 263 (277 f.); 24, 367 (389). 19 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 461 ff., 819 ff.; ders. Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 310; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 342 f. m. w. N., S. 583. 20 BVerfGE 24, 367 (389); 58, 300 (339).

II. Instituts- und Bestandsgewährleistung

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Die als objektive Richtschnur zu beachtenden Strukturmerkmale, die dem Eigentumsbegriff von Verfassungs wegen als gewährleistete Eigenschaften zukommen, sind vor allem die Zuordnung des Rechtsgutes zu dem von der Rechtsordnung berufenen Rechtsinhaber und die Privatnützigkeit als grundsätzliche Verfügungsbefugnis hinsichtlich des jeweiligen Eigentumsobjekts 22. Das Rechtsinstitut des Eigentums wird dabei besonders durch den Grundsatz der freien privatautonomen Verfügungsmöglichkeit des Rechtsinhabers über das Eigentum bestimmt 23. Die Gewährleistung einer Kernnutzung muss verfassungsfest sein, sonst kann der gesamte Eigentumsschutz unterlaufen werden. Das schließt nicht nur ein, dass es überhaupt noch Eigentum im eigentlichen Sinne geben muss, sondern das Eigentum muss seinem Rechtsträger auch ein gewisses Maß an Entscheidungsfreiheit hinsichtlich seiner Verwendung und Ausnutzung sichern 24. Die Grenze der Gestaltungsvollmacht des Gesetzgebers ist damit zumindest überschritten, wenn geschützte Rechte ihrer wirtschaftlich wesentlichen Nutzungs- und Ertragsmöglichkeiten entkleidet werden oder die rechtliche Verfügbarkeit für den Eigentümer verlieren. b) Steuergesetzgebung Dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Instituts Privateigentum als einer die gesamte Rechtsordnung durchdringenden wertentscheidenden Grundsatznorm lassen sich auch Richtpunkte für das Verhältnis speziell zur Steuergesetzgebung entnehmen. Maßgeblich scheint allgemein die Erwägung zu sein, dass der Gesetzgeber auch auf steuerlichem Wege das Prinzip der Privatnützigkeit nicht vollständig ausschalten darf, ohne gegen die institutionelle Gewährleistung des Eigentums herkömmlichen Verständnisses zu verstoßen. Die Steuer betrifft nicht nur das subjektive Grundrecht des Einzelnen, sondern verletzt sogar das Institut Eigentum, wenn sie etwa solch hohe Steuersätze vorschreibt, dass sie generell bestandsbeeinträchtigend wirkt. Die Steuergesetzgebung gefährdet dann institutionell die eigentumsmäßige Sozialität des Gemeinwesens 25.

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P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 2. BVerfGE 24, 367 (389); 25, 112 (118); 50, 290 (340 f.); 70, 278 (285); 100, 226 (241); 102, 1 (15); K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 461 f.; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 81 f.; s. a. P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 31; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 23. 23 G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 126; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 1. 24 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 64. 25 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 793. 22

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Ebenfalls wäre ein System von Ordnungssteuern verfassungswidrig, bei dem allgemein den Eigentümern in Bezug auf den Einsatz ihrer Mittel im Wirtschaftsprozess keine Wahl mehr bliebe, weil jede Abweichung von einem bestimmten Verwendungszweck des Eigentums eine wirtschaftlich untragbare Belastung auslösen müsste 26. Weil der Staat die Privatwirtschaft von Grundgesetz wegen, insbesondere in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, voraussetzt und schützt, bestimmt die Gewährleistung des Eigentums als Rechtsinstitut zudem, dass er und andere öffentlich-rechtliche Gemeinwesen durch das Erheben von Steuern die Eigentumsbeschränkung im Sinne einer Sozialbindung nicht so anspannen darf, dass das Eigentum als grundlegende Rechtseinrichtung unserer Wirtschaftsordnung insgesamt angetastet wird 27. Die Verfassung gewährleistet die Existenz frei verfügbarer Vermögensrechte und damit insoweit auch eine freie unternehmerische Wirtschaft. Eine Gesetzgebung, die das unternehmerische Handeln dem Grundsatz nach von dem privaten Eigentum und der privatautonomen Eigentumsnutzung ablösen und dadurch den privatwirtschaftlichen Charakter der Wirtschaftsordnung aufheben würde, könnte mit der Eigentumsgewährleistung nicht in Einklang gebracht werden 28. Für diese auf private Initiative und Energieentfaltung angewiesene Wirtschaftsordnung ist die grundsätzliche Möglichkeit der Gewinnerzielung zwingende Voraussetzung. Wird durch die Besteuerung von Einkünften und Gewinnen die Rentabilität bestimmter Gruppen von Eigentumsrechten unter das ökonomisch noch vertretbare Maß herabgesenkt, sodass der mögliche Gewinn aus Eigentumsnutzung im Verhältnis zum Wert des eingesetzten Eigentums sowie zu den in anderen Wirtschaftszweigen üblichen Renditen unangemessen ist, dann kann die Möglichkeit der Gewinnerzielung ihre ökonomische Bedeutung nicht erfüllen, die verfassungsrechtlich geschützte Einrichtung einer freien unternehmerischen Wirtschaft nicht mehr existieren. Die durch Art. 14 GG gebotenen absoluten Grenzen der Vermögensbelastung mittels Steuern bestehen insofern darin, dass dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der angemessenen Neubildung von Eigentum verbleibt 29.

26 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 64. 27 B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 492; F. Klein, StuW 1966, S. 437, 483; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 314 ff.; H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 557 f.; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 64 f. 28 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, V. 1. 29 W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 349; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 60.

II. Instituts- und Bestandsgewährleistung

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2. Wahrung des Vermögensbestands des Einzelnen, Vergleich zur Weimarer Reichsverfassung Umgekehrt kann es aber nicht zulässig sein, wenn ausschließlich in der Rechtsinstitutsgewährleistung des Eigentums eine Begrenzung für den Steuerzugriff des Staates zu sehen ist und den einzelnen Steuerbürger gegenüber einer Aushöhlung seines individuellen Privateigentums schutzlos zu stellen, solange nur der steuerliche Eingriff der Staatsgewalt nicht durch exorbitante Auflagen die Grundlagen der privaten Eigentums- und Wirtschaftsordnung insgesamt zu beseitigen droht 30. Die Steuerbelastung kann daher nicht nur die objektive Institutsgewährleistung, sondern vor allem auch die individuelle Abwehraufgabe des subjektiven Grundrechts des Art. 14 GG berühren und hat diese verhältnismäßigen Grenzen zu berücksichtigen 31 . Hinsichtlich der Reichweite dieser individuellen Eigentumsgewährleistung vollzog (und vollzieht) sich in Deutschland eine Entwicklung. Denn dieser verfassungsrechtliche Schutz des subjektiven Eigentums bedeutete etwa in Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) nur die Gewährleistung des im Gegenstand verkörperten Vermögenswertes und wurde daher als Entschädigungsgarantie verstanden 32. Der Eigentumsschutz war also nicht Bestandsschutz gegen staatliche Eingriffe, sondern ein Eigentumsgegenstand konnte weggenommen werden, wenn nur eine Entschädigung geleistet wurde. Trotz des vergleichbaren Wortlauts hat Art. 14 GG gegenüber Art. 153 WRV eine elementare Neuordnung der Begriffsbedeutung der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Eigentums vollzogen 33. Art. 14 GG kommt im Gegensatz zu Art. 153 WRV nicht in erster Linie die Aufgabe zu, die entschädigungslose Wegnahme von Eigentum zu verhindern, sondern als personenbezogene Bestandsge-

30 Hierzu F. Klein, StuW 1966, S. 483; U. Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 141 f.; hierzu auch H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 94 f. m. w. N.; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 315; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 105 ff.; B. Schmidt-Bleibtreu, Steuerrecht unter Verfassungskontrolle, Tz. 178; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 68 f.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 18; H. Spanner, DStR 1975, S. 481; v. d. Heydte, F. A., Frhr., in: Festschrift für H. Paulick, S. 271; R. Mußgnug, JZ 1991, S. 993; M. Jachmann, StuW 1996, S. 101; dies., in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 82. 31 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 307; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 26, 114 f. 32 W. Böhmer, NJW 1988, S. 2562. 33 Art. 153 Abs. 1 WRV: „Das Eigentum wird von der Verfassung gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen“. Art. 153 Abs. 3 WRV: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste“.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

währleistung die umfassendere Bedeutung, vor allem die konkrete Befugnis in der Hand des einzelnen Berechtigten zu gewähren, die als Eigentum geschützten Güter zu sichern 34. Die Bestandsgewährleistung vermittelt das subjektive Recht, das auf die Erhaltung und Wiederherstellung des verfassungsmäßigen Zustands gerichtet ist, jede nicht gerechtfertigte Einwirkung auf sein Eigentum abzuwehren 35. Das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum muss insoweit in seiner personenhaften Bezogenheit gesehen werden. Im Deichurteil des Bundesverfassungsgerichts wurde ausdrücklich klargestellt: „Die Eigentumsgewährleistung ist nicht zunächst Sach- sondern Rechtsträgergarantie“ 36. Damit wurde das Eigentum als persönliches Recht betont. Demnach sichert die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG in ihrer Eigenschaft als subjektiv-öffentliches Recht zumindest gleichrangig neben der Rechtseinrichtung des Eigentums die individuelle Rechtsstellung in vermögensrechtlicher Hinsicht, das Eigentum in seiner konkreten Gestalt 37. Sie schützt den erworbenen privaten Eigentumsbestand an allen zustehenden persönlichen vermögenswerten Rechten, wie sie sich aus den Gesetzen, die das Eigentum rechtlich ausgestalten, ergeben, in der Hand des jeweiligen Eigentümers vor ungerechtfertigten Beeinträchtigungen durch die öffentliche Gewalt 38. Durch die individuelle Bestandsgewährleistung wird ein Recht zur Lebensgestaltung außerhalb jeder Einwirkung der öffentlichen Gewalt sichergestellt, das einschließt, dass dem Eigentum seine Privatnützigkeit wesentlich ist, es nämlich in erster Linie den Zwecken des Eigentümers und erst in einer weiteren Bedeutung den Zwecken der Allgemeinheit dient 39. Während die objektive Dimension der Grundrechte die Gesetzgebung zum Recht leiten soll und darum Materialisierung der praktischen Vernunft ist, findet in dieser subjektiven Dimension daher vor allem die Privatheit des einzelnen Menschen oder Bürgers ihren Schutz, aber auch ihre Grenzen 40. Die Eigentumsgewährleistung beinhaltet in dieser rechtsbewahrenden Bedeutung auch das Vertrauen des einzelnen Bürgers in das durch die verfassungsmäßigen Gesetze ausgeformte Eigentum, den Bestand seiner vermögenswerten Rechte als Daseins- und Wirtschaftsgrundlage zu schützen, ihm Rechtssicherheit

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BVerfGE 24, 367 (400); 58, 300 (400); 74, 264 (281); 83, 201 (208); 102, 1 (23). BVerfGE 38, 175 (181); 45, 63 (76); 56, 249 (266); 97, 89 (97). 36 BVerfGE 24, 367 (404). 37 BVerfGE 20, 351 (355); 24, 367 (386, 400); 26, 206 (222); 70, 191 (199); 71, 137 (143); 74, 264 (280). 38 BVerfGE 24, 367 (400); 58, 300 (400); 74, 264 (281); 83, 201 (208); 102, 1 (23). 39 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 123. 40 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 464 f. 35

II. Instituts- und Bestandsgewährleistung

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hinsichtlich der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anerkannten Vermögensrechte zu gewährleisten 41. Rechte Privater, auf deren Zuordnung sich der Bürger mit Blick auf die Eigenart des Rechtsgutes an sich hat verlassen dürfen, welche ihrem Wesen nach nicht zentral dem Zugriff des Staates oder anderer Bürger ausgesetzt sind, werden insoweit vom Grundgesetz als Vertrauenseigentum geschützt und sind in den Eigentumsbegriff einzubeziehen 42. Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes hat damit durch die vermögenswerten Güter im Eigentumsgrundrecht eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren 43. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geht aber über den rechtsstaatlichen Vertrauensschutz hinaus, der lediglich einen Rückwirkungsschutz begründet 44. Die Inhalts- und Schrankenbestimmung darf das Bürgervertrauen in die Beständigkeit der Rechtsordnung nicht erschüttern; was der Gesetzgeber mit der inhaltsgestaltenden Hand zu Eigentum gemacht hat oder hat werden lassen, darf er nicht mit der Eingriffshand nehmen, daran hält ihn das Vertrauenseigentum fest 45. Demnach ist zu beachten, dass auch der Steuergesetzgeber nicht beliebig auf Privatvermögen zugreifen darf, der jeweilige Grundrechtsträger oder Steuerpflichtige vielmehr von Verfassungs wegen einen Anspruch darauf hat, dass das Grundrecht nur so weit beschränkt wird, dass die Zuordnung der vermögenswerten Rechte zum Eigentümer sowie ein Erfolg eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich als Ausdruck der grundsätzlichen Privatnützigkeit der geschaffenen oder erworbenen vermögenswerten Rechte gewahrt wird 46. Angemessen ist also die staatliche Teilhabe am Privatvermögen, die dem Eigentümer die in seinem Eigentum angelegte Handlungsfreiheit und eine Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs belässt 47. 3. Wesensgehalt Die Befugnis des Gesetzgebers, den Eigentumsinhalt näher festzulegen, findet auch in der ausdrücklichen Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG ihre

41 BVerfGE 45, 142 (168); 51, 193 (218); H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 306. 42 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 94. 43 BVerfGE 14, 263 (278); 18, 121 (132); 20, 351 (355 f.); 21, 73 (79); 21, 150 (155); 34, 139 (146); 36, 281 (293); 37, 132 (140); s. a. P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 234, Fn. 66 m. w. N. 44 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 97. 45 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 96; K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 349 ff. 46 BVerfGE 42, 263 (295); 50, 290 (341); 100, 226 (239 ff.). 47 P. Kirchhof , JZ 1982, S. 307.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Grenzen 48. Art. 1 Abs. 3 GG könnte für sich allein den Gesetzgeber nur binden, soweit der Schutzbereich der einzelnen Grundrechte reicht. Art. 19 Abs. 2 GG stellt hingegen insoweit ausdrücklich klar, dass der Gesetzgeber daran gehindert ist, etwa die Eigentumsgewährleistung durch einfaches Gesetz ihres Inhalts zu entleeren. Ihm ist es verwehrt, festzulegen, wie weit der Wesensgehalt des Eigentums reicht oder was darunter zu verstehen ist, denn eine solche Berechtigung würde den Sinn der Gewährleistung illusorisch machen. Die sich aus Art. 19 Abs. 2 GG ergebende Rechtsfolge, dass der Wesensgehalt des Eigentums durch ein auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG ergehendes Gesetz nicht angetastet werden darf, gilt dabei sowohl allgemein für die Gewährleistung des Eigentums als Rechtseinrichtung als auch konkret für das Eigentumsgrundrecht als subjektiv-öffentliches Grundrecht des Einzelnen auf Eigentum, da beide untrennbar zusammenhängen und ein Antasten des Wesensgehaltes des subjektiven Grundrechts auch ein solches des Wesensgehaltes des objektiven darstellt 49. Demnach genügt es nicht, dass vom Grundrecht noch eine gewisse Bedeutung für die Allgemeinheit übrig bleibt, während individuelle Rechte nicht unmittelbar mit umfasst und daher vernichtet werden können. Sondern die Begriffe lassen sich so gar nicht trennen und es wäre unhaltbar, wenn auf diese Weise viele Staatsbürger völliger Grundrechtsvernichtung preisgegeben würden; der Schutz des Art. 19 Abs. 2 GG ist auch auf die Rechtspositionen des Einzelnen ausgedehnt 50. Die im Grundgesetz durch Art. 19 Abs. 2 GG für den Gesetzgeber aufgerichtete positivrechtliche Wesensgehaltssperre, diese wesentliche Schutzfunktion gibt gerade der subjektiv-rechtlichen Seite der Grundrechte die erstrebte Wertfestigkeit im Verfassungsrecht. Als Wesensgehalt des Eigentumsgrundrechts ist ein dem einzelnen Staatsbürger verfassungskräftig vorbehaltener, unantastbarer letzter vermögensrechtlicher Bereich zu begreifen, welcher der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist 51. Diese verfassungsrechtliche Gewährleistung fordert insbesondere, dass die allgemeine Substanz des Eigentumsrechts erhalten bleiben muss, d. h. es wäre nicht wirksam gewährleistet, wenn der Gesetzgeber an die Stelle des Privatei48 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 71 f.; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 26 f.; F. Klein, StuW 1966, S. 437, 474; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 171 f. m. w. N.; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 344 f.; allgemein zur Wesengehaltsgarantie P. Häberle, Die Wesengehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, S. 58 ff. 49 F. Klein, in: Festschrift für Fritz Neumark, S. 244; ders., StuW 1966, S. 486; M. Jachmann, StuW 1996, S. 102. 50 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 134 f.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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gentums etwas setzen dürfte, was den Namen „Eigentum“ nicht mehr verdient 52. Die äußerste Grenze der Sozialbindung ist erreicht, wenn dieser Kernbereich des Eigentums, sei es als subjektives Recht oder als Institution betroffen ist 53. Eine Schmälerung dieser Substanz durch eine Gesetzgebung der quasi-totalen Sozialbindung, bei der man vor lauter Schranken das Eigentum nicht mehr sieht, wäre in jedem Fall unverhältnismäßig. Art. 19 Abs. 2 GG bezeichnet insoweit richtigerweise nichts anderes als die aus der Aufgabe der praktischen Konkordanz resultierenden Schranken der Begrenzung von Grundrechten 54 . Der konkrete Wesensgehalt des Art. 14 GG stellt demnach nicht eine für alles Eigentum konstante Größe dar, sondern lässt sich von dem Gedanken der Erhaltung der Substanz und der Privatnützigkeit des Eigentums her gegenüber staatlichen Eigentumsbeschränkungen richtig abgrenzen. Wenn diese Substanz der Vermögensverhältnisse als einer Gesamtposition angetastet wird, greift die Eigentumsgewährleistung in jedem Falle ein. Bei der Bestimmung der Grenze der Sozialbindung des Eigentums und damit auch der Grenze der Steuererhebung ist von diesem Wesensgehalt des Eigentums auszugehen 55. Dieser darf auch durch eine steuergesetzliche Inhaltsund Schrankenbestimmung nicht angetastet werden.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen? Innerhalb des einem Berechtigten zustehenden grundsätzlichen Vollrechts, dessen Zuordnung und Privatnützigkeit zu wahren ist, verleiht das Eigentum eine Fülle von einzelnen Rechten und Pflichten 56. Insbesondere das Steuerrecht bildet in den Steuergegenständen eigenständig konkrete Eigentumslagen 57. Denn der Steuerzugriff hängt insoweit von einem die Zahlungsfähigkeit vermittelnden Belas51

BVerfGE 27, 344 (350 f.); 32, 373 (379); 34, 238 (245 ff.); 35, 202 (232); einen solchen uneindringlichen Raum bezweifelnd K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 978 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 6. Kap., II., m. w. N. 52 F. Klein, StuW 1966, S. 459. 53 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 134 f. 54 K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der BRD, Rz. 332; K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 819 ff.; ders., Prinzipien des Rechtsstaates, S. 384 f.; G. Reiner, DStZ 1999, S. 817. 55 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 38. 56 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 104 f., 139. 57 BVerfGE 93, 121 (134 ff.); W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 494; H.-J. Papier, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 371; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 100 f.; P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 256, 375; ders., NJW 1987, S. 3225; R. Wendt, NJW 1980, S. 2116 f.; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 41 Fn. 27; W. Frenz, StuW 1997, S. 121; W. Leisner, HbStR

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

tungsgrund ab und beschwert den Steuerpflichtigen als Bezieher von Einkommen, als Eigentümer eines Vermögens oder als Beteiligten eines Leistungsaustausches. Der Gesetzgeber kann das Privateigentum tatbestandlich beim Eigentümerwechsel oder während seiner dauernden Zuordnung zu einem Eigentümer erfassen 58. Der private Vermögenserwerb, die Innehabung des konsolidierten Vermögens oder auch die private Vermögensverwendung sind Anknüpfungspunkte für steuerliche Belastungswirkungen. Diese Differenzierungen sind grundsätzlich nur unselbständige Elemente, das Eigentum bleibt aber ein einheitliches Grundrecht 59. Der Eigentumsschutz bedarf keiner nach Eigentumsgegenständen unterschiedlichen Begründung. Der Zufluss, das Innehaben und die Verwendung von Vermögenswerten werden in diesem Zusammenhang als Grundkategorien wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit verstanden, die als Einkommen, Vermögen und Konsum im Wirtschaftskreislauf permanent ineinander übergehen und daher eine im Kern einheitliche Bezugsgröße lediglich in verschiedenen Aggregatzuständen abbilden 60. Auch Klaus Tipke bezeichnet es als Grundsachgesetzlichkeit des Steuerrechts, dass alle Steuern nur aus dem Einkommen oder aus dem Vermögen als gespeichertem Einkommen entrichtet werden, es gebe aus steuerlicher Sicht nur eine Steuerquelle 61. Das Eigentum gibt dem Eigentümer einen abgesicherten Vermögensbereich, der sich regelmäßig in der Befugnis zum Erwerb, zur Nutzung und zur Verfügung von Gütern äußert. Wird eines dieser Wesensmerkmale dem Eigentümer völlig entzogen, so liegt im Normalfall ein Eingriff in das Eigentumsgrundrecht vor, den Art. 14 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 GG nicht mehr rechtfertigen kann. Es entspricht allerdings auch dem gegenwärtigen Steuersystem, dass die Steuerlast auf die jeweilige Eigentumslage abzustimmen ist 62. Die Eigentumssubstanz ist schon gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG gegenüber dem Eigentumszufluss ein eigentumsverfassungsrechtliches aliud in der Sozialbindung. Daher ist mit der Feststellung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs auf alle vermögenswerten Güter noch nicht entschieden, inwieweit in jeweils damit verbundene Rechte eingegriffen werden darf. Die Erzielung von Einkünften etwa kann einer anderen Verhaltensweise zuzuordnen sein als das reine Halten eines Gutes. Es könnte insofern zwischen Eingriffen in konsolidiertes und anderes Vermögen zu unterscheiden sein 63. Aus dem Erfordernis der verfassungsrechtlichen RechtferVI, § 149, Rn. 129; B.-O. Bryde, in: I. v. Münch, GG, Art. 14, Rn. 23; G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 92 f. 58 P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 13 f. 59 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 52; O. Depenheuer, in: Festschrift für W. Leisner, S. 296; K. Tipke / J. Lang, § 4, Rn. 95, Indikatoren bestimmen nur Zugriffszeitpunkte. 60 R. Wittmann, StuW 1993, S. 44. 61 K. Tipke, Steuerrechtsordnung II, S. 533, 547. 62 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 283.

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tigung eines Grundrechtseingriffs via Steuer in den Eigentumsbestand oder das Recht zur Ertragserzielung könnten für den Steuergesetzgeber insoweit entsprechende unterschiedliche verfassungsrechtliche Grenzen erwachsen 64. 1. Schutz des konsolidierten Vermögens Die Zulässigkeit der grundsätzlichen Teilhabe des Staates auch an der Innehabung von Vermögen folgt aus Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG und dem Begriff des Eigentums selbst. Der Staat ermöglicht mit der Gewährleistung seiner Rechtsordnung und den Instrumentarien ihrer Durchsetzung erst die Bestimmung von Rechtsgütern, deren Zuordnung zu einem Rechtssubjekt, also setzt jedes geschützte Wirtschaftsgut Staat und Recht voraus 65. Da demnach auch der ruhende Bestand eines Privatvermögens verpflichtet, ist es insofern grundsätzlich richtig, dass der Staat zu seiner Finanzierung auch auf den Vermögensbestand zugreifen, der Gesetzgeber diese Substanz als Anknüpfungspunkt für die Finanzausstattung des Staates heranziehen darf 66. Die rechtliche Zuordnung von Vermögenswerten begründet für die Person die Steuerpflicht 67. Der ruhende, nicht individuell am Markt gebrauchte Eigentumsbestand wird nach geltendem Steuerrecht insbesondere durch die Realsteuern (vgl. Art. 106 Abs. 6 GG) und die Aufwandsteuern 68 belastet. Die Grundsteuer etwa knüpft als reine Besitzsteuer an das bloße Innehaben vermögenswerter Rechte an. Dadurch, dass sie in erster Linie die Ertragsfähigkeit von Grund und Boden besteuern will, wird mittelbar auf das Grundvermögen als konsolidiertes Vermögensrecht in erheblichem Maße eingewirkt 69. Auch die Kraftfahrzeugsteuer beinhaltet eine Besteuerung der Innehabung von Vermögen. Besteuerungsobjekt ist hier die rechtliche Zuordnung, das Halten von Kraftfahrzeugen und dessen Ersatztatbestände gemäß § 1 KraftStG.

63 BVerfGE 43, 1 (7), wonach unfundiertes Arbeitseinkommen stärker besteuert werden kann, als fundiertes Vermögenseinkommen (Funduslehre). 64 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 45 ff. 65 Zum peremtorischen Eigentum (nach I. Kant) s. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 2. Kapitel, III.; ders., in: Festschrift für W. Leisner, S. 753. 66 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 241 f.; P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 57; ders., JZ 1979, S. 156. 67 G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 107 f. 68 Vgl. etwa kommunale Getränke-, Jagd-, Hundesteuer; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 51. 69 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 54; s. a. K. Tipke, MDR 1995, S. 1178.

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a) Grenzen der Besteuerung des Bestands von Vermögen In seiner Entscheidung vom 17. November 1972 war der Bundesfinanzhof der Ansicht, es bestehe keine Rechtspflicht des Staates, eine Vorschrift zu erlassen, welche die Besteuerung in den Fällen, in denen sie zu wiederholten Eingriffen in die Substanz führe, auf einen bestimmten Höchstsatz begrenze 70. Der Vorprüfungsausschuss des Bundesverfassungsgerichts beschloss in demselben Verfahren am 27. Oktober 1975, dass insbesondere angesichts des Vergleichs mit dem Lastenausgleich, der Erbschaftsteuer und den Zöllen dem Grundgesetz kein unbedingtes „Nein“ zur Vermögensminderung durch Besteuerung zu entnehmen und es daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass eine den Gewinn übersteigende steuerliche Belastung eintritt, die Vermögenssubstanz angegriffen wird 71. Allerdings kann dieser Grundsatz schon formal nicht ohne weiteres auf die Grenzen der Ausgestaltung der laufenden Steuern übertragen werden, da sich die einmaligen Vermögens- oder Ausgleichsabgaben (Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG, Art. 120a GG) und die Erbschaftsteuer (Art. 106 Abs. 2 Nr. 2 GG) schon durch ihre Außerordentlichkeit von den periodisch erhobenen Steuern unterscheiden 72. Der Lastenausgleich war eine Folge der weiten Zerstörung unseres Landes im Zweiten Weltkrieg (Krisenzeit) und beruhte auf dem Gedanken, dass es ungerecht wäre, wenn nur ein Teil der Bevölkerung die wirtschaftlichen Folgen tragen müsste. Auch die Erbschaftsteuer ist gekennzeichnet durch den Charakter des Außerordentlichen, der aber verbietet es, diese Belastung mit laufenden Steuern in Vergleich zu setzen 73. Eine steuerliche Überlastung ist ebenfalls nicht aus dem Vergleich mit den Zöllen (Art. 106 Abs. 1 Nr. 1 GG) zu rechtfertigen, die gerade z. T. den Verbrauch treffen sollen 74. Das Ausmaß der den Berechtigten bei der Nutzung ihres Vermögens zumutbaren steuerlichen Vermögensminderung zugunsten des Staates muss vielmehr mit vorsichtiger Zurückhaltung beurteilt werden 75. Summieren sich die laufenden Steuern zu einem Eingriff in die Vermögenssubstanz, ist diese Belastung grundsätzlich nicht mehr zu rechtfertigen. Denn dieser Zugriff auf die Substanz ist einer auf die Besteuerung von Einkünften abgestellten Steuer wesensfremd und kann daher nicht aus dem Vorhandensein von Steuern gerechtfertigt werden, die einen solchen Zugriff erlauben 76. 70

BFH BStBl. 1973 II, S. 163 f. BVerfGE NJW 1976, S. 101. 72 F. Oswald, Die WP, 1976, S. 381; W. Schick, JZ 1974, S. 331; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 493; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 151 f. m. w. N. 73 W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 884; P. Selmer, AöR 101 (1976), S. 430. 74 F. Oswald, Die WP, 1976, S. 382, 385; ders., DStZ 1977, S. 265, 266. 75 G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 115. 71

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Hierdurch würde auch die spezielle Schrankensystematik unterlaufen, in der Art. 14 Abs. 2 Satz 1 GG abschließend durch Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG und Art. 14 Abs. 3 GG oder Art. 15 GG konkretisiert wird 77. Das Grundgesetz hat in Art. 14 Abs. 3 für die Enteignung und in Art. 15 enge Voraussetzungen formuliert und damit einen wirksamen Bestandsschutz des jeweiligen Eigentums geschaffen 78. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG selbst ist mittelbar die Aussage zu entnehmen, dass die Angewiesenheit des Staates auf einen ertragbringenden Einsatz ihres Vermögens durch die Bürger den Steuerzugriff auf die Vermögenssubstanz im Sinne des konkreten Eigentumsbestandes nicht rechtfertigen kann. Ein Eingriff in den Eigentumsbestand ist danach grundsätzlich nur in Gestalt der Enteignung gegen Entschädigung vorgesehen, nicht aber auch für den Bereich der Inhalts- und Schrankenbestimmung 79. Hoheitliche Einwirkungen in den Eigentumsbestand, also Substanzeingriffe oder Veränderungen der Zuordnungsverhältnisse überschreiten diese Grenze. Beispielhaft am Bodeneigentum zeigt sich dieser wichtige Bestandsschutz, in dem sich das einmal legal Geschaffene gegen spätere, auch gesetzliche, Änderungsversuche verfassungsrechtlich auf Dauer durchsetzt 80. Es gehört zudem zum Begriff der Steuer, den Steuergegenstand zu erhalten, nicht zu vernichten 81. Denn auch beim verfassungsrechtlichen Steuerbegriff ist der Einnahmeerzielungszweck zu betonen. Die Wirkung würde diesem steuerlichen Hauptzweck der fiskalischen Mittelbeschaffung zuwiderlaufen, wenn der Steuertatbestand so ausgestaltet ist, dass die Steuerquelle zerstört wird, die Steuern das Eigentum bewusst aufzehren 82. Geldleistungsanforderungen des Staates im Wege der Abgabenerhebung, die nicht mehr einem öffentlichen Finanzierungszweck zu dienen bestimmt, sondern ausschließlich darauf gerichtet sind, ein bestimmtes Verhalten zu unterbinden, sind keine Steuern i. S. des § 3 Abs. 1 AO, sondern verletzen die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG 83. Der Steuerpflichtige wird auf kaltem Wege enteignet, wenn er gezielt dazu gezwungen ist oder die Steuer in aller Regel zur Folge haben muss, im Laufe eines überschaubaren Zeitraums sein Eigentum aufzugeben 84. Die Steuer ist daher verfassungswid76 H. Spanner, DStR 1975, S. 481; kritisch auch H. v. Wallis, DB 1973, S. 842 (846); ders., JbFAfStR 1976/1977, S. 15 f. 77 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 47. 78 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 9. Kap., II.; zur Abgrenzung der Steuererhebung zur Enteignung s. o. unter D. VI. 79 H.-J. Papier, DVBl 1980, S. 787 (791); H. Spanner, DStR 1975, S. 481. 80 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 104 f., 139. 81 W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882 Fn. 22; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 415; insoweit ist der Begriff der Erdrosselungsteuer ein Widerspruch in sich. 82 E. Benda, DStZ 1973, S. 53; E. Denninger, AG 1978, S. 74 m. w. N. 83 Beispiele bei W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 190; zu den davon zu unterscheidenden Lenkungsteuern s. unter D. III.

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rig, wenn sie nach ihrer Ausgestaltung und Höhe die Absicht erkennen lässt, die für steuerpflichtig erkannten Vorgänge ökonomisch unmöglich zu machen. Zudem würde die private Nutzung ausgeschlossen, wenn die Besteuerung einen wesentlichen Teil des Erworbenen einziehen und dem Berechtigten auch noch den Bestand des Eigentums wegnehmen würde 85. Dies führt zur völligen oder nahezu vollständigen Beseitigung der Privatnützigkeit. Dann ist es für den Einzelnen nicht mehr sinnvoll, Vermögen zu bilden. Damit wird das Privateigentum sowie die Güterverteilung, wie sie sich als das entscheidende Strukturelement der allgemeinen Rechtsordnung ergibt, und damit diese selbst, nicht mehr respektiert, sondern in Frage gestellt 86. Auch das Bundesverfassungsgericht spricht ansonsten in ständiger Rechtsprechung davon, dass die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich die Erhaltung des Zuordnungsverhältnisses und des Bestands des konsolidierten Eigentums, d. h. der Substanz der nicht konsumierten Eigentumsobjekte fordere 87. Die Feststellung vom 21. Januar 1969, dass die Vermögenssubstanz durch die Besteuerung unangetastet bleiben müsse, bestätigt diesen Ansatz 88. Im Vermögensteuerbeschluss hat es ebenso die Auffassung vertreten, Steuern greifen zumindest in die in der Verfügungsgewalt und Nutzungsbefugnis über ein Vermögen (!) angelegte Möglichkeit der persönlichen Entfaltung im vermögensrechtlichen Bereich ein (Art. 14 GG) 89. Der Vermögensbegriff wird insoweit als eigentumsdogmatische Präzisierung des Substanzkriteriums verstanden 90. Der Steuerstaat ist zudem dadurch gekennzeichnet, dass er das Wirtschaften den Privatinitiativen überlässt und seine Einnahmen im Wesentlichen durch Steuern erzielt, die die Einzelnen aufgrund ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit zu leisten vermögen 91. Hieraus folgt, dass der Staat bereits aus Eigeninteresse die Steuerbelastung nicht so hoch schrauben darf, dass die Einzelnen den Anreiz am Wirtschaften verlieren. Hier begegnen sich das staatliche und private Interesse an andauernder Erwerbsfähigkeit und Erwerbsfreude des Steuerpflichtigen. 84 Frhr F. A.. v. d. Heydte, in: Festschrift für H. Paulick, S. 274; K. H. Friauf , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 370; E. Denninger, AG 1978, S. 74; R. Mußgnug, JZ 1991, S. 993. 85 F. Klein, StuW 1966, S. 446 ff.; W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 352. 86 BVerfGE 100, 226 (239 ff.); W. Flume, in: Festgabe für Rudolf Smend, S. 61 f.; F. Klein, StuW 1966, S. 463. 87 BVerfGE 19, 119 (128 f.); 23, 288 (315); 42, 263 (295); 50, 290 (341); 52, 1 (29); 72, 66 (67 f.); 68, 361 (368); 84, 382 (385); s. a. K. Vogel, NJW 1996, S. 1258; ders., HbStR IV, § 87, Rn. 85; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882 m. w. N. in Fn. 21. 88 BVerfG HFR 1969, S. 347. 89 BVerfGE 93, 121 (137). 90 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 127 f. 91 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 131.

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Der Steuerstaat will eine stetige Steuerquelle erhalten, der Bürger seine private Erwerbsgrundlage verteidigen 92. In dem Maße der gesetzlichen Bindung verwirklicht der Eigentümer durch seinen Eigentumsgebrauch weitgehend das gemeine Wohl, nämlich in dem Maße der gesetzlichen Bestimmung des Handelns 93. Der Staat ist daher gehindert, die Erwerbsgrundlage und damit die Steuerfähigkeit des Schuldners zu gefährden 94. Er muss den Egoismus der Wirtschaftssubjekte schonen, da der Steuerstaat die Substanz verzehrt, wenn er sich nicht mit der Partizipation begnügt, sondern zur Konfiskation übergeht 95. Die Sozialbindung rechtfertigt es nicht, dass die Ausübung eines als Grundlage der Lebensführung dienenden Gewerbes ernstlich wirtschaftlich gefährdet oder gar unmöglich gemacht wird 96. Insoweit das Unternehmen nichtabzugsfähige Ausgaben i. S. von § 10 KStG und § 12 EStG nicht durch einen versteuerten Gewinn decken kann, schlägt die Besteuerung des Ertrages in eine Besteuerung der Substanz um. Wird in der Handelsbilanz bereits ein Verlust ausgewiesen, so bewirkt die Besteuerung der nichtabzugsfähigen Ausgaben, insbesondere der der Personensteuern, einen echten Substanzverlust. Dieser führt zu einer Kapitaleinbuße mit der Folge, dass Unternehmen allein aus steuerlichen Gründen in wenigen Jahren zur Liquidation oder zum Insolvenzverfahren gezwungen sein können 97. Eigentumsschutz bedeutet danach gegenüber einem Steuerzugriff insbesondere eine Bestandsgewährleistung zugunsten des vorhandenen Vermögens. Der Eigentumsschutz verbietet eine Zerschlagung oder eine Sozialisierung von Privatvermögen im Wege der Besteuerung 98. Es ist daher im Grundsatz verfassungsrechtlich nicht zulässig, durch die steuerliche Belastung das ruhende Vermögen in seiner Substanz anzugreifen, die nach der Vorbelastung auf den Vermögenszuwachs verbleibt 99. Vielmehr besteht insoweit ein grundsätzliches Besteuerungsverbot, als die Steuer diese wirtschaftlichen Voraussetzungen der Eigentumsgewährleistung, den Steuergegenstand selbst, entzieht. Das Grundgesetz schützt das Privateigentum als kontinuierlich in der Hand des Einzelnen verbleibende Steuerquelle 100. 92

P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 57. K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 774; ders., Freiheit in der Republik, 9. Kap., III.; ders., Res publica res populi, S. 219 ff. 94 BVerfGE 6, 247 (266 f.); M. Rosenthal, NJW 1998, S. 1110 m. w. N.; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 886; H. v. Bockelberg, BB 1973, S. 669. 95 J. Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409, 418; P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 36, 49; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 145; ders., DVBl. 1980, S. 788; K. Vogel, HbStR I, § 27, Rn. 61. 96 BVerfGE HFR 1969, S. 347; E. Benda, DStZ 1973, S. 57. 97 K. Barth, DStR 1976, S. 304. 98 G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 115. 99 BVerfGE 93, 121 (137 f.); K. Tipke, GmbHR 1996, S. 8 (11). 100 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 281 f. 93

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Eine Verletzung der Bestandgewährleistung ist daher gegeben, wenn Steuern zu wiederkehrenden Eingriffen in die Eigentumssubstanz nötigen. Umgekehrt ist eine Besteuerung geeignet, wenn die Belastung die konkrete Substanz des Steuergegenstandes, die Besteuerungsquelle, erhält, diese also für zukünftige private Nutzung und staatliche Besteuerung verfügbar bleibt. b) Sollertragsteuern (Verwirklichung der Substanzgewährleistung) Bei der steuerlichen Anknüpfung an bereits konsolidiertes Vermögen oder einzelne seiner Bestandteile ist demnach grundsätzlich nicht zu leugnen, dass dies zu Ergebnissen führen kann, die einer Konfiskation, wirtschaftlich gesehen, recht nahe kommen 101. Von einer solchen Konstellation wird man zumindest sprechen können und die Grenze des Verstoßes gegen Art. 14 GG ist überschritten, wenn die Steuer ohne Rücksicht auf den Ertrag erhoben wird und die Erträgnisse des besteuerten Vermögensteils im Regelfalle nicht mehr hinreichen, dass aus ihnen die Steuerlast erbracht werden kann. In der Folge sind die Betroffenen nolens volens gezwungen, entweder die Substanz des einmal erworbenen konsolidierten Eigentums anzugreifen und auf diese Weise allmählich fremdnützig aufzuzehren, den besteuerten Gegenstand zu veräußern oder vorzeitig selbst zu konsumieren oder aber zur Erhaltung des besteuerten Vermögensteils andere Vermögensteile oder Einkünfte in Anspruch zu nehmen 102. Die Steuer darf also nicht so hoch sein, dass zu ihrer Bezahlung der Bestand eines vorhandenen Vermögens angegriffen oder gar andere Einkünfte, die nicht aus dem Vermögen erzielt wurden, aufgewendet werden müssen. Dispositionen und Umschichtungen des Vermögens, die mit Substanzeinbußen verbunden sind oder gravierende Rückwirkungen auf die übrige Vermögenslage implizieren, dürften den Betroffenen im Allgemeinen nicht zumutbar sein. Ausgehend von der Anerkennung eines eigentumsrechtlichen Substanzschutzes für besteuertes Vermögen fordert auch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss zur Vermögensteuer vom 22. Juni 1995, dass die Steuerbelastungen den Steuerpflichtigen nicht übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse nicht grundlegend beeinträchtigen, sondern aus den üblicherweise zu erwartenden Erträgen des Vermögensstammes finanziert werden können müssen 103. Von einem Eingriff in die Bestandsgewährleistung des Eigentums ist demnach nicht auszugehen, solange sich der Zugriff einer finanzzweckorientierter Steuer im Rahmen der realen Ertragsfähigkeit der Nutzung des jeweiligen Eigentumsobjekts hält 104. 101

P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 324 f. K.-G. Loritz, NJW 1986, S. 10. 103 BVerfGE 93, 121 (137); s. a. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 52. 102

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Die Besteuerung von Vermögen darf daher grundsätzlich insgesamt nicht höher sein als dessen möglicher Ertrag, der nach Abzug des durch die Abnutzung des Vermögens entstandenen Kosten und der Existenz der Individuen unbedingt lebensnotwendigen Kosten verbleibende Anteil 105. Für die Besteuerung des Vermögensbestandes ergibt sich insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht, dass nicht der Vermögensstamm, sondern nur die erwarteten Sollerträge eines Eigentums Besteuerungsgegenstand sein dürfen 106. Jenseits dieser Zugriffsgrenze einer aus der typischerweise zu erzielenden Ertragskraft des Eigentums finanzierbaren Steuer würde auf längere Sicht zu einer schrittweisen Liquidation des besteuerten Eigentumsgegenstandes führen 107. Somit hebt eine Besteuerung des gesamten oder von Teilen des konsolidierten Vermögens, die aus dem potentiellen Ertrag nicht gedeckt werden kann, die Privatnützigkeit des Eigentums auf; sie geht über die allein legitime Teilhabe des Staates am Vermögen seiner Bürger hinaus 108. Bisher wahrt der Steuergesetzgeber die vorgegebenen Verfassungsgrenzen dadurch, dass er die Bestandsteuern nicht als Substanzsteuer, sondern als Konzept der Sollertragsteuern ausgestaltet, also den üblicherweise erwarteten Vermögensertrag belastet 109. Diese Ertragsfähigkeit zeigt sich zunächst im tatsächlich erzielten Ertrag. Soweit es an einem solchen fehlt, könnte die Ertragsbesteuerung auf den typischerweise zu erzielenden Ertrag zugreifen. Die Nutzungsgewährleistung umfasst jedoch neben dem positiven Recht zum Eigentumsgebrauch nach Wahl des Eigentümers auch dessen Recht, den Eigentumsgegenstand ungenutzt zu lassen. Ausgehend hiervon könnte die Besteuerung des bloßen Haltens eines ungenutzten Eigentumsgegenstands, der keine Erträge bringt, als Verletzung der Nutzungsgewährleistung zu begreifen sein. Aber das Eigentum ist, auch wenn es in erster Linie den Zwecken des Eigentümers dient, zugleich der Allgemeinheit dienstbar zu machen. Diese Verantwortung ist in den beiden Sätzen des Art. 14 Abs. 2 GG ausgesprochen; daneben wird sie ergänzt und erweitert durch die Sozialstaatsklausel der Art. 20 und Art. 28 GG, die als Auslegungsprinzip für die einzelnen Grundrechte heranzuziehen ist 110.

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W. Leisner, NJW 1995, S. 2594. W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 129; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 91. 106 H. P. Bull, NJW 1996, S. 282; P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 13. 107 Zur spanischen Verfassung und Völkerrecht s. K. Tipke, GmbHR 1996, S. 11; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 175. 108 K. H. Friauf , StuW 1977, S. 62 f.; R. Wendt, NJW 1980, S. 2117. 109 R. Seer, FR 1999, S. 1288; P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 102. 110 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 81 f. 105

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Zudem ergibt sich schon aus Art. 2 Abs. 1 GG, dass die Freiheit des Einzelnen immer nur die gebundene Freiheit sein kann. Dies bedeutet, dass die Bürger untereinander und gegenüber dem Staat zur Verantwortung aufgerufen sind, dass ihre Freiheit dem Ganzen verpflichtet und in dieser Verpflichtung von vorneherein begrenzt ist 111. Die soziale Verantwortlichkeit des Einzelnen schließt auch ein, dass er seine Mittel überhaupt im Wirtschaftsprozess einsetzt und damit zugleich der Allgemeinheit dienstbar macht. Soweit zudem die Eigentumsgewährleistung den steuerlichen Zugriff grundsätzlich auf das Privateigentum lenkt, kann der Staat nicht darüber hinaus auch die steuerliche Nutzbarkeit des Privateigentums in das Belieben des Berechtigten stellen. Der Staat, der grundsätzlich ertragsfähiges Vermögen selbst nicht bewirtschaftet, sondern am Ertrag einer privaten Vermögensnutzung steuerlich teilhat, ist darauf angewiesen, dass jeder sein ertragsfähiges Vermögen auch ertragbringend nutzt. Die Sollertragsteuern sind daher verfassungsrechtlich gerechtfertigt, weil der Steuern erhebende Staat grundsätzlich von der Voraussetzung ausgehen und die Erwartung bestehen darf, dass der Bürger sein Eigentum produktiv nutzen und dem Staat dadurch eine steuerliche Erfolgsteilhabe ermöglichen wird 112. Das Steuerrecht verpflichtet die Eigentümer somit nicht zu einem bestimmten Eigentumsgebrauch, sondern wählt die schonendere Lösung, lediglich bestimmte Erträge als steuerliche Bemessungsgrundlage zu unterstellen. Eine typisierende Steuergesetzgebung schafft eine Distanz zwischen Steuerrecht und Eigentumsrealität und zwingt den Eigentümer nicht, sein Recht nach sozialen Standards auszuüben, legen aber für Zwecke der Besteuerung zugrunde, der Eigentümer habe sich sozialtypisch ökonomisch verhalten 113. Deshalb wäre die verfassungsfreundlichste und rechtssystematisch treffendste Lösung, auf die Sollertragsteuern bei hinreichend individuellen Eigentumserträgen zu verzichten, also bei einer solchen Besteuerung von Sollerträgen die tatsächlich erwirtschafteten Erträge anzurechnen 114. Umgekehrt wäre die Grundsteuer als Sollertragsteuer auf die Ertragsteuern anzurechnen 115. Im Ergebnis folgt daraus, dass die Steuererhebung unter Umständen auch einen Teil des fundierten Vermögens antasten kann. Nutzt jemand sein Vermögen nicht entsprechend den spezifischen Möglichkeiten aus, lebt er nur von seinem Vermögen, ohne sich am Wirtschaftsleben zu beteiligen, so ist auch eine dauernde und

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K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 334 ff; s. a Art. 168 Abs. 2 BV. D. Birk, StuW 1980, S. 362; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 274. 113 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 205 f.; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 265. 114 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 46. 115 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88 Rn. 75. 112

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schließlich zur Aufzehrung des Vermögens führende Steuerbelastung des Sollertrags nicht als von vorneherein unzulässiger Substanzeingriff zu werten. Dieser Substanzeingriff bewegt sich danach im Rahmen der Nutzungsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG, d. h. die Besteuerung des Vermögensbestands ist grundsätzlich mit der Verfassung vereinbar, wenn ein ertragbringender Mindestgebrauch des Vermögens unterstellt wird und der Eigentümer auf eine typischerweise zu erwartende, ertragbringende Nutzung eines Eigentumsobjekts verzichtet. Wird ein Steuertatbestand durch einen vermeidbaren Aufwand oder etwa dadurch ausgelöst, dass der Leistungspflichtige sich dem Zwang einer Ordnungssteuer nicht unterwirft, obwohl dies dem Bürger durch Dispositionen zumutbar ist, so muss die Mehrbelastung des Vermögens hinsichtlich der Grenzen der Abgabenerhebung außer Betracht bleiben. Bei der Besteuerung des potentiellen Nutzens aus konsolidierten Vermögenswerten braucht sich der Gesetzgeber daher nicht am Einzelfall zu orientieren. Er darf vielmehr bei der Prüfung der Frage, ob eine bestimmte steuerliche Regelung noch einen gewissen Mindestnettoertrag garantiert, von einer normalerweise möglichen wie zumutbaren Anlage oder Nutzungsmodalität ausgehen 116. Entscheidend ist lediglich, dass der Steuerpflichtige einen derartigen Ertrag bei sachgerechtem Einsatz seines Vermögens und seiner Arbeitskraft erzielen könnte, wobei es auch hier auf die durchschnittlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten der in gleicher Lage befindlichen Steuerschuldner ankommt 117. Dementsprechend wird etwa die Besteuerung der Erträgnisse von Kapitalanlagen eine Bruttoverzinsung zugrunde legen können, die sich um die Sätze für nicht ganz kurzfristig festgelegte Spareinlagen und festverzinsliche Wertpapiere bewegt. Dabei ist ein vorübergehendes Ansteigen des allgemeinen Zinsniveaus außer Betracht zu lassen, weil insbesondere die Inhaber der festverzinslichen Nominalwerte eine entsprechende Anpassung in der Regel nur unter Inkaufnahme von Verlusten vornehmen könnten. Für unbebaute Grundstücke kommt eine Bebauung in Betracht, welche zu Mieterträgen führen kann. Der Hauseigentümer könnte leerstehenden Wohnraum vermieten. Insoweit kann von einem Sollertrag ausgegangen werden. Hierbei wären freilich die notwendigen Baukosten in Ansatz zu bringen. Bei landwirtschaftlichem Grund ist an eine Verpachtung zu denken. In einen Eingriff in den Eigentumsbestand und damit in eine konfiskatorische Steuer schlägt die Besteuerung real nicht erzielter Erträge jedoch dann um, wenn sie nicht an eine reale Möglichkeit zur Ertragserzielung anknüpft. Hiervon kann bei einer Besteuerung von Eigentumsobjekten, die nach der ihnen eigenen Struktur nicht zur 116 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 83; zu den Grenzen dieser typisierenden Betrachtungsweise s. im Folgenden. 117 K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 91.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Ertragserzielung geeignet sind, ausgegangen werden. Dem trägt das Konzept des Bundesverfassungsgerichts insoweit Rechnung, als diejenigen Vermögensteile, die entsprechend der subjektiven Verwendung üblicherweise keine Erträge erbringen, schon vorab von der Besteuerung auszunehmen sind 118. Dies betrifft z. B. die Verwendung privater Wirtschaftsgüter des persönlichen Gebrauchsvermögens 119. Entsprechend ist auch bei sonstigen Wertschöpfungen für den privaten Eigenbedarf zu verfahren. Allgemein kann sich die Bemessung einer Sollertragsteuer auch nicht danach richten, welche Erträge auf dem Kapitalmarkt in Gestalt von Zinsen für das Geld zu erzielen wären, welches durch die Veräußerung der zu besteuernden Eigentumsobjekte erlangt werden könnte. Werden tatsächlich nicht erzielte Erträge besteuert, so bedeutet dies im Einzelfall insoweit einen Steuerzugriff auf die Substanz des fraglichen Eigentumsgegenstandes, als dieser in der aktuellen Situation mangels anderweitiger ertragbringender Nutzung zur Begleichung der Steuer veräußert werden müsste. Eine Sollertragsteuer greift daher jedenfalls in die Bestandsgewährleistung zugunsten des Eigentums ein, wenn lediglich die Veräußerung eines Eigentumsobjekts eine Wertsteigerung realisieren und den angesetzten Sollertrag bringen könnte. Im Vorfeld einer unterstellten Veräußerung könnte die Ertragsfähigkeit etwa von unbebauten Grundstücken auch in der Beleihbarkeit dieser Eigentumsobjekte gesehen werden. Die Beleihung allein führt aber ebenfalls zum schrittweisen Vermögensverzehr. Auch eine Bodenwertzuwachssteuer, die nicht aus den Erträgen des Grund und Boden erwirtschaftet werden könnte, sondern nicht realisierte Wertsteigerungen abschöpfte und deshalb den Eigentümer faktisch zum Verkauf zwänge, wäre eine unzulässige Steuer 120. c) Härteklauseln als Korrektiv der typisierten Grundrechtsprüfung aa) Grundsatz Jedoch ist zu fragen, ob der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des Grundrechteschutzes dessen steuerliche Grenzen tatsächlich auch typisierend bestimmen darf, z. B. die Nutzungen eines Grundstücks, soweit sie sich bei vernünftiger und wirtschaftlicher Betrachtungsweise objektiv anbieten (Sollertrag). Festzustellen ist, dass der gesetzliche Vorgriff auf die Zukunft Einschätzungen und Prognosen notwendig macht. Jede gesetzliche Regelung beinhaltet zwangs118 119 120

BVerfGE 93, 121 (138). S. a. M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 85 ff. W. Leisner, Wertzuwachsbesteuerung, S. 133 ff.; K. Tipke / J. Lang, § 4 Rz. 107.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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läufig eine Abstrahierung 121. Der Gesetzgeber muss mit einer typisierenden Betrachtungsweise von der für die gesamte Eigentumsgewährleistung maßgeblichen Normallage ausgehen 122. Ebenfalls für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit einer steuerrechtlichen Regelung ist entsprechend diesem Wesen des Gesetzes auf seine generellen Auswirkungen abzustellen, nicht wie die in jedem Einzelfall möglicherweise auftretenden Härten sich auf den Leistungspflichtigen auswirken. Denn auch der Steuergesetzgeber ist nur sehr beschränkt gehalten, auf die Kompliziertheit aller Lebensverhältnisse einzugehen. Gerade im Steuerrecht werden immer wieder Gestaltungen auftreten, die nicht in das typische vom Gesetzgeber ins Auge gefasste Erscheinungsbild passen 123. Die Vorstellung, die Erhebung von Steuern müsse sich an den spezifischen Umständen und Verhältnissen jedes Einzelnen orientieren, könnte durchaus seltsam anmuten. Der Steuergesetzgeber muss zur Ordnung von Massenverfahren immer generalisierende Tatbestände zugrunde legen 124. Es kann sich nur um eine verhältnismäßig grobe Regelung handeln, bei der wünschenswerten, sachgemäßen Differenzierungen nicht in dem erforderlichen Maße Rechnung getragen werden kann. Daher muss für die Prüfung, wann eine Belastung unzumutbar wird, eine Betrachtung angestellt werden können, wie sie den Durchschnitt der den vergleichbaren Voraussetzungen unterliegenden Abgabeschuldner belastet 125. Der Gesetzgeber darf bei der Bemessung der Steuerlast etwa auf Vermögensanlagen mit einem normalen Vermögens(soll)ertrag abstellen und muss die Steuerlast nicht so niedrig halten, dass auch noch besonders ungünstig angelegte Vermögen die Substanz in jedem Fall erhalten und/oder einen angemessenen Ertrag erwirtschaften können 126. Die allgemeine Regelung des Steuergesetzes hat damit vor allem zur Folge, dass der Staat grundsätzlich nicht etwa für die persönliche Unfähigkeit des Steuerschuldners einzustehen hat 127. Solange z. B. eine Vermögensanlage mög121 P. Kirchhof , NJW 1987, S. 3220; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 202 Fn. 118 m. w. N.; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 227. 122 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 509; ders., DVBl. 1980, S. 787 (792); P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 327; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 883. 123 BVerfGE 14, 76 (101); 16, 147 (165, 187); 31, 8 (29); 38, 61 (85 ff.). 124 BVerfGE 44, 282 (288); 51, 115 (122); 63, 312 (326); 65, 325 (354); 78, 214 (227); 81, 228 (237); B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 495; P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362. 125 W. Leisner, NJW 1996, S. 1511 (1514); H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 58 f. 126 BVerfG HFR 1976, 31 = NJW 1976, 101; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 883 m. w. N.; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 353 f.; W. Schick, JZ 1974, S. 331; E. Denninger, AG 1978, S. 75; K. H. Friauf , StuW 1977, S. 61.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

lich und sinnvoll ist, deren Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis zur Steuer steht, ist gegen sie nichts einzuwenden, selbst wenn im Einzelfall die Dividende durch die Steuer ganz aufgezehrt wird. Dann ist die tatbestandliche Erfassung der vom Durchschnittstypus abweichenden Konstellation noch von der zugrunde liegenden Steuerwürdigkeitsentscheidung gedeckt und die übermäßig erscheinende Besteuerung mehr auf ein objektiv unwirtschaftliches Verhalten des Betroffenen zurückzuführen 128. 1976 entschied der Bundesfinanzhof, dass bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Kapitalzinsen am Maßstab des Art. 14 GG auf den typischen vom Gesetzgeber ins Auge gefassten Normalfall und nicht auf die Auswirkungen für die Vermögenssubstanz im Einzelfall abzustellen sei 129. Dass tatsächlich niedrigere Zinsen erzielt werden, habe auf die verfassungsrechtliche Beurteilung keinen Einfluss. Ebenfalls sei eine im Grundsatz verfassungsgemäße steuergesetzliche Regelung nicht allein deshalb verfassungswidrig, weil sie im Einzelfall bei einem bestimmten unternehmerischen Verhalten zu einer überhöhten Belastung führt, etwa einen ohnehin schon ertragsschwachen Betrieb zum Erliegen bringt 130. Dies gelte auch, wenn das betreffende Verhalten bei einer ganzen Gruppe von Unternehmern generell anzutreffen sein sollte. Im entschiedenen Fall ergebe sich die über den Ertrag hinausgehende Belastung aus dem besonderen Sachverhalt, dass die Genossenschaften das Halten von Vermögen als fast einziges Ziel ihrer gewerblichen Tätigkeit gewählt habe und damit keine Ausschüttung mit Steuerminderung und -anrechnung verbunden war; diese besonderen Gestaltungen des Einzelfalles brauche der Gesetzgeber nicht generell zu berücksichtigen. bb) Einzelfall Wenn das Eigentum des einzelnen Staatsbürgers, der durch die ihn treffende Überbesteuerung in seinem Eigentum verletzt wird, so erscheint es jedoch nicht recht befriedigend, ihn nur darauf zu verweisen, dass sein Fall von den dem Gesetzgeber vorschwebenden Regeln abweiche oder dass er nicht mehr unter normalen Umständen arbeite, damit sich objektiv unwirtschaftlich verhalte und die Folge besonders hoher Besteuerung sich selbst zuzuschreiben habe. Man darf sich nicht aus Praktikabilitätsgründen allein mit einer Art Typengerechtigkeit begnügen. Dem betroffenen Einzelnen wird der Grundrechteschutz versagt, wenn nur auf die Auswirkungen im Regelfall abgestellt wird und eine 127 128 129 130

P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 313 f. P. Selmer, AöR 101 (1976), S. 437. BFH BStBl. 1976 II, S. 599 f. BFH BStBl. 2001 II, S. 178, 261.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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atypisch übermäßige Steuerlast im Einzelfall nicht auch an der Verfassung zu messen wäre 131. Das Wesen des Grundgesetzes gebietet es, dass Verstöße gegen die Verfassung, in besonderem Maße Verletzungen der Grundrechte, wenn sie erkennbar sind, auch tatsächlich geltend gemacht werden, denn nur auf diese Weise ist es denkbar, dass die Grundrechte zu voller Wirkkraft gelangen. Das Grundgesetz und die darin enthaltenen Grundrechte sind in unserer Verfassungsordnung gerade in erster Linie Individualrechte, die dem einzelnen Staatsbürger gegenüber um seiner selbst und seiner eigenen Freiheit willen zu wahren sind und stehen nicht unter dem ungeschriebenen Vorbehalt, dass sich der Einzelne normal verhält oder seine Situation am Leitbild irgendeiner fiktiven Normalität ausrichtet 132. Die Grundrechte geben jedermann ein Recht auf Mäßigung oder auch Abwehr staatlicher Belastungen. Ebenfalls das Bundesverfassungsgericht selbst hat anerkannt, dass auch bei verfassungsgemäßer genereller Regelung in besonders gelagerten Fällen ein Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter möglich ist 133. Nimmt man daher den Individualschutz ernst, dann kann der den einzelnen Bürger treffende Grundrechtseingriff nicht allein mit dem Hinweis versagt werden, die Umstände oder das Verhalten würden vom jeweils angelegten Normalmaßstab abweichen. Die Wahl des Maßstabs der Normalität würde andernfalls praktisch über den Umfang des Grundrechteschutzes entscheiden. Dieser Ansatz allein kann daher nur insoweit befriedigen, als es sich um die Wahrung der objektiv institutionellen Seite der Grundrechte handelt 134. Dagegen gerät er in seiner Absolutheit zwangsläufig in Konflikt zur subjektiv-individuellen Gewährleistung des jeweils betroffenen Grundrechts 135. Eine Gleichgültigkeit der verfassungsrechtlichen Eigentumsgewährleistung lässt sich ebenfalls gegenüber dem steuerlichen Einzelfall dogmatisch schwerlich überzeugend rechtfertigen, da es sich auch bei der Auferlegung von Steuerpflichten um beschränkende Eingriffe in individuelle Rechte handelt 136. Als solche haben sie sich nicht nur generell, sondern auch im Verhältnis zu jedem einzelnen Pflichtigen im Rahmen des Angemessenen und Zumutbaren zu halten. Mit einer moderaten allgemeinen Steuerlastquote können hohe Belastungen im Einzelfall verbunden sein 137. Maßstab des Abgabenrechts sind deshalb die individuellen Grundrechte, die Privateigentum für den Einzelnen sichern, den Schutz der Fa131

H. Spanner, DStR 1975, S. 482; H. v. Wallis, DB 1973, S. 842 (846 f.). P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 183; K. H. Friauf , StuW 77, S. 59 f. 133 BVerfG NJW 1976, S. 101. 134 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 178 f. 135 F. Oswald, DStZ 1977, S. 267; K. H. Friauf , StuW 1977, S. 59 f. 136 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 313 f. 137 L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 84. 132

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

milie gewährleisten, die Gleichheit jedermanns in der Steuerlast gewährleisten. Wer sich dazu bekennt, dem Bürger gegenüber dem Steuergesetz den subjektiven Grundrechteschutz des Art. 14 GG zuzubilligen, wird bei der Frage der Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG auf der Verfassungsrelevanz auch des Einzelfalles beharren müssen. Auch der Eigentumsschutz ist Individualrechtsschutz und fordert deshalb eine Prüfung je im Einzelfall. Peter Jungnickl beschreibt dessen Sozialbindung als Einzelfallentscheidung, in der unsere Richter Mut beweisen und aufzeigen müssen, wie die quantitativen Grenzen der Sozialbindung und damit der Besteuerung verlaufen; durch Gesetze ist dies schwerlich möglich 138. Dies gilt umso mehr, wenn nicht die Besteuerung aufgrund eines Steuergesetzes zur Diskussion steht, sondern die Gesamtbesteuerung aufgrund mehrerer Gesetze. Hier muss die Grenze von Sozialbindung oder Besteuerung vor allem von den Gerichten gezogen werden. Die eventuell verfassungswidrige Grenzbelastung lässt sich auch nur individuell ermitteln, da etwa für die Einkommensteuer Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen sowie für die Gewerbesteuer die unterschiedlichen Hebesätze von Bedeutung sind 139. Die nach ihren generellen Wirkungen fehlerfreie Norm ist daher in diesen typisierten Fällen nur nicht zu beanstanden, wenn das einfache Recht auch Härteklauseln vorsieht, die die Erfüllung dieser verfassungsrechtlichen Pflicht ermöglichen 140. Insbesondere Billigkeitsregelungen müssen den verfassungsrechtlich gebotenen Ausgleich dieser Härtefälle materialisieren 141. Der Steuergesetzgeber hat daher für atypische, etwa durch betriebliche Besonderheiten gekennzeichnete, unbillige Einzelfälle Härteklauseln getroffen, bei dessen Auslegung der Wirkkraft der Grundrechte, insbesondere auch des Art. 14 GG, Rechnung zu tragen ist 142. Die §§ 163, 222, 227 AO über die Stundung und den Erlass von Steuern bieten sich an, um diese offensichtlichen Unbilligkeiten im Einzelfall abzuwenden. Der unbeabsichtigt unangemessenen Besteuerung beugen die Steuergesetze außerdem inhaltlich etwa durch Tarifermäßigungen (z. B. § 34 EStG), den Abzug außergewöhnlicher Belastungen, Steueranrechnungen (z. B. § 34c EStG, Art. 23b OECD-Muster-DBA) oder spezielle Steuererlasse (z. B. § 33

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P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 139. H.-P. Schneider, Stbg 1997, S. 200. 140 B. Schmidt-Bleibtreu, BB 1980, S. 57. 141 BVerfGE 58, 137 (149 f.); 79, 174 (192); 83, 201 (212 f.); 100, 226 (239 ff.); zu verfahrensrechtlichen Regelungen im übrigen M. Take, BB 1999, S. 1794 f.; s. a. P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 60 f. 142 BVerfGE 16, 147 (177); 21, 54 (71); 31, 8 (26); 32, 78 (86); 38, 61 (95); BVerfG HFR 1976, S. 31; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (792); B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 495 f. 139

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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GrStG für Leerstände, § 28 ErbStG für Betriebe) vor. Anders als mit starren, perfektionistischen Gesetzesbestimmungen lässt sich mit diesen bewährten Normen im Einzelfall entscheiden. Trotzdem würde Art. 14 GG leer laufen, wenn man sich nur mit dem Hinweis zufrieden geben müsste, dass er bei der Verwaltung um den Ausweg eines Billigkeitserlasses nach §§ 163, 227 AO bitten könne 143. Die Verweisung allein auf eine Ermessenshärteklausel gerade in den Fällen, in denen der einzelne Steuerpflichtige den Schutz der Verfassung am nötigsten hat, kann nicht genügen. Es ist nicht in das Ermessen der zuständigen Steuerbehörde gestellt, ob sie im Einzelfall von ihren eventuell zur Verfügung stehenden Möglichkeiten der Stundung oder des Erlasses Gebrauch macht. Denn bei der konkreten Anwendung eines Steuergesetzes kann der Spielraum für die Ermessensentscheidung aus verfassungsrechtlichen Gründen so eingeengt sein kann, dass nur eine Alternative verbleibt, während jede andere Ermessensausübung fehlerhaft wäre. Dann ist die Finanzbehörde verpflichtet, von den Dispensvorschriften der Abgabenordnung Gebrauch zu machen 144. Der Maßstab der Billigkeit bestimmt insoweit Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens. Härten, die bei der Anwendung eines Steuergesetzes als Folge zulässiger Typisierungen auch von Verfassungs wegen hinzunehmen sind, können demnach im abnorm gelagerten Einzelfall je nach Intensität der Beeinträchtigung durch verfassungsrechtliche Akzentuierung unter dem Postulat des Übermaßverbots steuerliche Billigkeitsmaßnahme verlangen 145. Die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen einer Härteklausel (§§ 163, 227 AO) kann daher im Einzelfall nicht nur im Rahmen der Billigkeit und des Ermessens der Behörde stehen, sondern durch Art. 14 Abs. 1 GG geboten sein. Wenn also in besonderen Härtefällen der Eigentümer aus seinem ertragbringenden Eigentümerrecht verdrängt, die Steuer die Liquidation vorhandener Vermögensbestände fordern würde, hat der Steuerpflichtige einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Erlass der Steuerschuld, um den Substanzeingriff zu vermeiden 146. Das Rechtsprinzip der Zumutbarkeit im Einzelfall muss dazu führen, den Billigkeitserlass aus sachlichen Gründen zu gewähren 147. Dieser für den Gesetzgeber unvorhersehbaren und von einzelnen Betroffenen nicht abzuwendenden Überlastung durch Steuergesetze muss demnach durch Här143

H. v. Wallis, DB 1973, S. 842 (846); ders., JbFAfStR 1976/1977, S. 15 f. M. Take, BB 1999, S. 1795 zitiert auch die Familienleistungsausgleichsentscheidungen; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 290; H.-P. Schneider, Stbg 1997, S. 200. 145 BVerfGE 16, 147 (177); 21, 54 (71); 43, 1 (12); 48, 102 (114); 50, 57 (86). 146 BVerfGE 21, 54 (71); P. Kirchhof , in: Festschrift für H. U. Scupin, S. 786 f., 794. 147 F. Oswald, Die WP, 1976, S. 384. 144

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

teklauseln begegnet werden 148. Wenn es sich um solche für den Normgeber unvorhersehbare Überbelastung einzelner Betroffener handelt, sind die Steuerbehörden aufgerufen, ihr im Wege von gesetzeskorrigierenden Billigkeitsmaßnahmen abzuhelfen 149. Sollten Besonderheiten des Einzelfalls dazu führen, dass ein generell verfassungskonformes Steuerrecht individuell zu einer übermäßigen Steuerbelastung führt, so muss dieser gesetzlich ungewollte Überhang schematisierender Belastung durch den Billigkeitserlass vermieden werden 150. Insoweit ist sicher richtig, dass selbst der ideale Gesetzgeber den verfassungsrechtlichen Konflikt im Einzelfall nicht vermeiden kann. Er hat einen entsprechend weitgehenden Prognosespielraum. Die steuerlichen Härteregelungen kommen dabei aber nur in Betracht, wenn verschieden gelagerte, atypische individuelle Sonderfälle zur Debatte stehen, an die der Gesetzgeber bei Erlass dieser Vorschrift „nicht gedacht“ hat oder die er überhaupt nicht berücksichtigen konnte, wenn er den Charakter eines Gesetzes als allgemeiner Regelung beibehalten will, nicht aber, wenn eine Regelung bereits in einer Betrachtung ex ante offensichtlich und schlechthin als untauglich erscheint 151. Der Gesetzgeber darf sich somit grundsätzlich am Regelfall orientieren sowie mit Generalklauseln und Ausgleichsregelungen arbeiten, solange die durch die Typisierung eintretenden Härten nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen 152. Es ist demnach zu unterscheiden, ob dem Steuergesetz bereits durch seine Gestaltung eine verfassungswidrige Wirkung zukommt, ob es generell gegen das Eigentums- oder sonstige Grundrechte verstößt oder ob es nur im Einzelfall zu einer nicht im Wesen der betreffenden Steuer angelegten Härte führt 153. Der Gesetzgeber darf daher nicht, obwohl sich die Besonderheiten tatbestandlich ohne ungerechtfertigten gesetzgeberischen Aufwand hätten berücksichtigen lassen, einen generell wirkenden Mangel, d. h. typischerweise Grundrechte verletzende Steuernorm mittels Billigkeitsmaßnahmen heilen und zur Ersatzregelung für vorhersehbare Eingriffe in die Grundrechtssphäre ganzer Gruppen nehmen 154. Wenn der Gesetzgeber die übermäßige Steuerbelastung in typischen Minderheitskonstellationen erkennen musste, aber bei seiner generellen Regelung notwendige Ausnahmevorschriften nicht beachtet, ist kein Raum für die Anwendung der Billigkeitsvorschriften.

148

W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 205 f. BVerfGE 16, 147 (177); 27, 375 (385); 32, 78 (86); 35, 363 (365); 38, 61 (95); 48, 102 (114); 50, 57 (86). 150 BVerfGE 48, 102 (116); P. Kirchhof , in: Festschrift für H. U. Scupin, S. 789 f.; ders., HbStR IV, § 88, Rn. 103. 151 K. H. Friauf , DStZ 1975, S. 362. 152 P. Kirchhof , Stbg 1995, S. 69. 153 P. Selmer, AöR 101 (1976), S. 435; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 509; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 883; E. Benda, DStZ 1973, S. 53. 154 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 205. 149

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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Dies dürfte etwa der Fall sein, wenn die Folgen einer Lenkungsteuer unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen wirtschaftspolitischen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind, insbesondere, wenn es dem potentiell übermäßig Betroffenen unmöglich oder unzumutbar ist, der Steuerbelastung durch ein Verhalten im Sinne der gesetzgeberischen Lenkungszielsetzung auszuweichen 155. Würde langfristig der reale Ertrag der meisten Aktien unter die Steuerbelastung sinken, so könnte man den Steuerpflichtigen ebenfalls nicht mehr zumuten, den Substanzverzehr durch eine bessere Anlage zu vermeiden. Ein Art. 14 GG verletzender Steuereingriff liegt daher vor, wenn für einen vernünftig wirtschaftenden Eigentümer die bestehende Steuerlast unter normalen Umständen aus dem Ertrag nicht mehr aufgebracht werden kann 156. Entscheidend ist, ob dies von der großen Mehrheit der Betroffenen noch ohne Schwierigkeiten bewältigt werden kann. Der Steuererlass würde hier vielmehr über den Einzelfall hinaus auf einen unbestimmten Adressatenkreis übergreifen, den zu erfassen allein, dem Gesetzgeber zukommt (Parlamentsvorbehalt). Die Härteklausel erhält hier die Bedeutung, die Besteuerung vor dem Vorwurf des Verfassungsverstoßes zu bewahren, indem die Exekutive durch diese Dispensermächtigung in die Lage versetzt werden soll, in atypischen Einzelfällen, in denen die Besteuerung zu einem unzumutbaren Eingriff in die Grundrechte führen würde, selbst abzuhelfen. Hierdurch würde diese in einer nicht mehr vertretbaren Weise in den Dienst der Steuererhebung gestellt werden. Der Billigkeitserlass gäbe der Verwaltung die Erlaubnis, an sich gesetzlich angeordnete Rechtsfolgen zu beseitigen oder zumindest abzuschwächen. Der Hinweis auf die Möglichkeit einer Belastungskorrektur nach §§ 163, 227 AO kann den Gesetzgeber nicht aus der Verpflichtung entlassen, selbst durch entsprechende Ausgestaltung und Differenzierung der gesetzlichen Tatbestände den grundrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen; die Korrektur von Belastungskonstellationen, die der gesetzliche Tatbestand zwangsläufig erzeugt, ist stets Sache des Gesetzgebers 157. Solche Mängel müssen zur Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung führen, ohne dass Billigkeitsmaßnahmen Abhilfe schaffen könnten 158. Diese setzten daher ein gültiges Gesetz voraus, so dass ein nichtiges Gesetz nicht dispensbedürftig und dispensfähig ist. Ihre Anwendung ist also zu verneinen, wenn bei einer verfassungswidrigen Besteuerung im Einzelfall eine Nichtigkeit der Norm gegeben ist 159.

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P. Selmer, AöR 101 (1976), S. 437. H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 503; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 327; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 883. 157 H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (233). 158 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 290 f.; K. H. Friauf , StuW 1977, S. 65. 156

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Diese generellen Verstöße können von der Verfassungsrechtsprechung im Wege der abstrakten Normenkontrolle festgestellt oder von den Rechnungshöfen gerügt werden 160. In dem Maße, in dem die staatlichen Stellen versagen, die Gesetze verfassungsgemäß zu gestalten, wächst aber die Notwendigkeit der Popularklage und muss das Volk die Verwirklichung verfassungsgemäßer Gesetze selbst in die Hand nehmen. Angesichts der Allgemeinheit der Gesetze spricht alles dafür, dass jeder Bürger die gesetzliche Verletzung der Verfassung zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts führen darf 161. d) Steuern und Geldentwertung Ein weiteres Problem des Besteuerungszugriffs auf die Substanz ist im Falle der Geldentwertung zu sehen. aa) Grundsatz Dem geltendem Einkommensteuerrecht ist das Nominalwertprinzip immanent, wonach insbesondere die Erträge von verzinslichen Werten ungeachtet der bestehenden Inflationsrate besteuert werden (§ 20 Abs. 1 EStG) 162. Eine unveränderte Besteuerung trotz andauernder Geldentwertung bei festverzinslichen Wertpapieren bedeutet aber eine real höhere Belastung der Zinsen, die bis zu Eingriffen in die Substanz führen kann. Allerdings stellte der Bundesfinanzhof in seiner Grundsatzentscheidung vom 27. Juli 1967 fest, dass die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG aufgrund einer unveränderten Besteuerung trotz Geldentwertung nicht verletzt sein kann, da in der Besteuerung von Nominalzinsen gemäß dem Wortlaut des § 20 EStG kein Zugriff auf die Vermögenssubstanz, sondern deren Zinsen liege 163. Später entschied er, eine vom Nominalprinzip abweichende und auf Realeinkünfte abstellende Auslegung der in Frage stehenden Begriffe „Einnahmen“ oder „Zinsen“ sei verfassungsrechtlich nicht geboten 164. 159

P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 334 f. BVerfGE 20, 56 (92 f.); H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 317; K. Vogel / P. Kirchhof , Art. 114 GG, Rn. 94. 161 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 931. 162 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 505 m. w. N.; ders., DVBl 1980, S. 787 (792); W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 883; H. Spanner, DStR 1975, S. 475, 481 Fn. 81; P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362; ders., Gutachten für den 57. DJT 1988, F 37 f.; G. Stuhrmann, BB 1972, S. 1438. 163 BFH BStBl. III 67, S. 690 f.; bei H. H. v. Arnim, Die Besteuerung von Zinsen bei Geldentwertung, S. 68 f. 164 BFHE 112, 546 f. 160

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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In seinem Beschluss vom 21. Januar 1969 nahm das Bundesverfassungsgericht zu den Konsequenzen der Geldentwertung für das Steuerrecht Stellung und führte ebenfalls aus, dass durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten auf Nominalzinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach den maßgeblichen Vorschriften des Einkommensteuergesetzes trotz der im jeweiligen Veranlagungszeitraum eingetretenen Geldentwertung die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG nicht verletzt werde, weil die Substanz durch die Besteuerung unangetastet bleibe 165. Die Zinsen in Zeiten höherer Inflationsraten enthielten sicherlich zum Teil auch eine Geldentwertungsprämie, eine Trennung zwischen Geldentwertung und Verzinsung sei nicht möglich. Dies entbinde jedoch nicht von der Verpflichtung, scharf zwischen dem Vermögen als Kapitaleinsatz und dem Zinsertrag zu unterscheiden. Der Substanzverlust durch die Geldentwertung trete auf der Vermögensseite und unabhängig von der Besteuerung eventueller Erträge aus dem Vermögen ein. Die Nichtbesteuerung würde eine Systemdurchbrechung unseres Einkommensteuerrechts darstellen, das generell auf die erzielten Einkünfte zu ihrem Nominalbetrag abstellt; die Berücksichtigung der Inflationseinflüsse könnte sich daher nicht auf eine Einkunftsart beschränken. Das Bundesverfassungsgericht hat es zudem in seiner grundlegenden Entscheidung vom 19. Dezember 1978 zur Einkommensbesteuerung der Zinseinkünfte aus Kapitalvermögen abgelehnt, in der Besteuerung der Kapitalzinsen nach dem Nennwert und ohne Geldentwertungsabschlag eine Verletzung der Eigentumsgewährleistung zu sehen 166. Auch wenn Sparguthaben einem inflatorischen Wertverlust ausgesetzt sind, den ihre Verzinsung nicht ausgleicht, lasse die Zinsbesteuerung des Einkommensteuerrechts das angesparte Kapital außer Betracht und seien die Zinserträge nicht auf die Vermögenssubstanz anzurechnen. Da die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung stets allein ein Bruchteil der Zinseinnahmen seien, würde nur dieser an den Staat abgeführt und müsse damit die auf die Zinsen entfallende Einkommensteuer auf keinen Fall aus der Substanz des angelegten Kapitals entrichtet werden. Es dürfe nicht übersehen werden, dass es nicht eigentlich der Steuereingriff, sondern die die Geldentwertung verursachenden Maßnahmen und Verhaltensweisen sind, die dazu führen, dass Forderungsrechte ertraglos bleiben oder gar an Wert verlieren. Der Steuergesetzgeber erfasse einen im Nominalwert unveränderten Vermögensertrag. Dass dieser wegen der Preissteigerung für Waren und Dienstleistungen realiter weniger wert geworden ist und insbesondere Spargelder langfristig einer Entwertung und einem Kaufkraftverlust ausgesetzt sind, habe nicht die Steuergesetzgebung zu vertreten, daran trägt allein die wirtschaftliche Entwicklung die Schuld. Es bestehe kein verfassungsrechtlicher Anspruch darauf, dass der Staat einen Ausgleich der Geldentwertung gerade 165 BVerfGE HFR 1969, 347; 36, 383 (400); 37, 121 (131); hierzu B. Schmidt-Bleibtreu, BB 1980, S. 53. 166 BVerfGE 50, 57 (106 f.); hierzu P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

durch Verzicht auf Steuereinnahmen herbeiführt. Mit Besteuerung der Kapitalzinsen würde gerade nur ein Element der vielgesichtigen Ursachen und Wirkungen einer Geldentwertung herausgegriffen, das keiner isolierten Erledigung zugänglich ist. In diesem Zusammenhang könnte auch vorgebracht werden, dass eine entsprechende Verpflichtung der zuständigen Staatsorgane praktisch kaum durchgesetzt werden kann. Die Annahme, dass die Inflation mit der Abgabenbelastung kumulieren kann, würde voraussetzen, dass sie nicht auch auf der internationalen wirtschaftlichen Marktverflechtung beruhe, sondern lediglich eine unmittelbare Folge einer staatlichen Politik darstelle 167. Hiervon könnte nur in Ausnahmefällen ausgegangen werden. Auch auf nationaler Ebene selbst könnte man, abgesehen von der Frage der Justiziabilität, angesichts der Komplexität der Einwirkungsfaktoren und der allenthalben auftretenden wirtschafts- und sozialpolitischen Zielkonflikte allenfalls in besonderen Extremfällen zu einem eindeutigen verfassungsrechtlichen Verdikt kommen. bb) Verfassungsrechtliche Anpassungspflicht Dennoch wird zu Recht die Frage aufgeworfen, ob eine unveränderte Besteuerung trotz andauernder Geldentwertung das Eigentum verletzen kann 168. Zwar könnte es aus steuertechnischer Sicht zum Nominalwertprinzip wohl keine handhabbare Alternative geben. Dies bedeutet aber nicht, dass der besonderen Struktur des Nominalwertprinzips nicht im Hinblick auf die Vermeidung einer Übermaßsteuer Rechnung zu tragen wäre. Das Nominalwertprinzip hat keinen Verfassungsrang 169. Es geht darum, steuerliche Mehr- und verfassungsrechtliche Überbelastungen, die aus der Ignorierung der Geldverluste entständen, zu verhindern 170. Denn bleibt die Geldentwertung wirtschaftliche Realität, so trägt sie steuerrechtsfremde Differenzierungen in das Steuerrecht hinein und der Steuerzahler wird durch sie betroffen. Durch die Geldentwertung wird die reale Ertragskraft des jeweils besteuerten Eigentumsobjekts als eigentlich maßgebliches Besteuerungskriterium typischerweise gesenkt 171. Die strikte Gleichbehandlung von Geld- und 167

W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 131. P. Selmer, AöR 101 (1976), S. 432; H. Spanner, DStR 1975, S. 475 Fn. 2, S. 483; H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 540 f.; L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 88 f.; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 884 Fn. 37; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 358 mit Berechnung. 169 H. Spanner, DStR 1975, S. 476. 170 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 145. 171 M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 86. 168

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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Sachvermögen wird insbesondere fragwürdig, wenn ein Ausweichen auf die Sachwertanlage nicht für jedermann zumutbar ist 172. Die Bedeutung vor allem des Kapitalzinses muss daher in diesem Zusammenhang ausreichend berücksichtigt werden 173. Bei Geldanlagen verschaffen diese als Zinsen gezahlten Beträge dem Sparer einen der Vermögenssphäre zurechenbaren und deshalb einkommensneutralen Ersatz für die Inflationsverluste durch die reale Geldentwertungsrate des Kapitals 174. Infolge des Nominalwertprinzips müssen die Bezieher von Einkünften aus Geldvermögen die Zinserträge versteuern, auch wenn hierdurch nur der Wertverlust des Kapitals ausgeglichen wird 175. Sind die Kapitalzinsen aber kein Nutzungsgewinn oder Vermögensertrag mehr, sondern weitgehend ein Ersatz für Vermögenssubstanzentwertung, so liegt die Annahme eines substanzmindernden Steuereingriffs nahe. Da die Zinsen, die diesen Substanzverlust ausgleichen könnten, weggesteuert werden und soweit die Steuer deshalb, weil der Zinssatz in der Inflationsrate aufgeht, notwendig aus dem Kapital zu entrichten ist, erleidet das Vermögen des einzelnen Steuerpflichtigen daher einen Substanzverlust 176. Wird durch die Zinsbesteuerung im Ergebnis der gesamte Ertrag weggesteuert und damit die Möglichkeit ausgeschlossen, Sparvermögen gewinnbringend zu nutzen, so wird im übrigen auch die Eigennützigkeit des Eigentums aufgehoben. Dies könnte zumindest anzunehmen sein, wenn die jährliche Geldentwertungsquote mindestens die Zinssätze für langfristige Sparkapitalanlagen übersteigt und damit eine quantitative Überschreitung zu qualitativer Veränderung führt 177. Bei der Besteuerung real erzielter Erträge ist die Berücksichtigung der Inflationsrate zudem nicht nur bei Kapitaleinkünften, sondern ebenfalls bei Lohnforderungen und Unternehmergewinnen geboten. Denn das Steuerrecht führt infolge der Geldentwertung auch insoweit zu problematischen und vor allem im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG verfassungsrechtlich zweifelhaften Ergebnissen. Freigrenzen etwa werden vermindert und progressive Tarife erhöht. Insbesondere unselbständig Tätige, deren Lohnerhöhungen zum Teil nur die Geldentwertung ausgleichen, geraten aufgrund der progressiven Tarifgestaltung in Bereiche mit höheren Steuersätzen. Die Frei- und Höchstbeträge, die

172

W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 359. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 145 f. m. w. N.; K. H. Friauf , StuW 1975, S. 266. 174 G. Stuhrmann, BB 1972, S. 1439; H. H. v. Arnim, Die Besteuerung von Zinsen bei Geldentwertung, S. 71 ff.; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 148. 175 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 140 f. 176 S. a. M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 86. 177 H. Spanner, DStR 1975, S. 481 f. 173

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

insbesondere zur Entlastung der kleineren und mittleren Schichten eingeführt wurden, verlieren beständig an Wert 178. Soweit ein Steuerpflichtiger seinen Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, lösen inflationsbedingt vielfach nominelle Scheingewinne eine Steuerpflicht der Unternehmen aus. Es karikiert etwa den Steuergegenstand und -schuldner, wenn die Bemessung der Absetzung für Abnutzung nur auf der Grundlage der ursprünglichen Anschaffungskosten trotz erheblich gestiegener Wiederbeschaffungskosten erfolgt. Dann sind die Abschreibungsvolumina nicht mehr Ausdruck tatsächlichen Wertverzehrs, sondern wären vor der Besteuerung zu eliminieren. Dies führt ansonsten zu einem laufenden Substanzverzehr. Zudem ist zu beachten, dass der Vorbehalt und die Öffentlichkeit parlamentarischer Steuergesetzgebung unverzichtbare Instrumente des Schutzes der Steuerbürger sind 179. Aber bei anhaltenden Geldwertveränderungen werden die Tarifbestimmungen und die sonstigen normativen Vorgaben des Parlaments durch ein System der variablen Steuerlastindexierung und des parlamentsfreien, von Beliebigkeit und Systemlosigkeit bestimmten, Automatismus geprägt, an den keine Überantwortung der Steuerlastentwicklung erfolgen darf 180. Nicht genügend berücksichtigt wird damit die Möglichkeit der Überbesteuerung im Wege der kalten Progression 181. Die Belastungsstruktur von Steuern durch die Auswirkungen der schleichenden Geldentwertung folgt insoweit aus dem Silentium, nicht dem Dictum des Gesetzgebers. Mit die gewaltigsten Steuererhöhungen mussten hingenommen werden, weil das Parlament geschwiegen hat. Der Gesetzgeber darf sich aber nicht der ständigen Verschärfung der Individualund Gesamtsteuerlasten, der permanenten Verschiebung der Steuerverteilung verschweigen. Der Steuergesetzgeber hat den Belastungsgrund laufend zu überprüfen. Wenn bei inflations- und wachstumsbedingten Steigerungen der Einkommen und Vermögen die Geldentwertung die Aussage eines gleich bleibenden Gesetzestextes, ändert, hat sich der Steuergesetzgeber daher mit dem Tarifsystem zu befassen 182. Er muss gegebenenfalls entweder die Änderungen unterbinden

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P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 140 f. H.-J. Papier, KritV 1987, S. 152. 180 H. Spanner, DStR 1975, S. 483; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 788, 794 f.; ders., in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 372; ders., KritV 1987, S. 153 gehört nicht zum Arsenal der Traumfabrik des Staatsrechts (K. M. Hettlage, VVDStRL 14, S. 8 f.) m. w. N. und Beispielen; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 884; M. Kloepfer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 373; P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 377; R. Wendt, NJW 1980, S. 2117; H. H. v. Arnim, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 378; R. Breuer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 385; H. Meyer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 410. 181 D. Dziadkowski, FR 2000, S. 558, 559. 179

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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oder aber in planmäßiger, verfassungsbewusster Entscheidung Steuerschuldner und Steuergegenstände interventionsrechtlich als Stabilisatoren gegen inflationäre Entwicklungen in die Pflicht nehmen 183. Erreicht die Störung der Geldwertstabilität eine solche Intensität, dass faktisch der Erwerb und die Erhaltung insbesondere von Geldwerten unter dem nominalistischen Geldschuldensystems und die Wiederherstellung relativer Geldwertstabilität für dauernd oder für unabsehbare Zeit unmöglich werden, so zwingt die Eigentumsgewährleistung den Gesetzgeber daher zur Aufgabe des strikten Nominalprinzips und zur Einführung eines begrenzten Valorismus 184. Wegen des Leistungsfähigkeitsprinzips muss die Steuer nicht auf den Nominalwert, sondern auf das Realvermögen, die Realeinkünfte anknüpfen 185. Von der Ertragsteilung zwischen Erwerbenden und Steuergläubiger ist der Ertrag oder Sollertrag um die Inflationsrate zu kürzen, soweit diese Einfluss nimmt auf die steuerlich relevante Art der Ertragserzielung. Das Steuerrecht müsste sich den Anlagebedürfnissen der Bevölkerung anpassen und insbesondere Zinsen so besteuern, dass trotz Geldentwertung ein angemessener Ertrag aus dem Eigentum übrig bleibt, dessen Gewährleistung die Eigentumsgewährleistung auch enthalte. Die Freibeträge müssten so hoch angesetzt werden, dass auch bei hohen Inflationsraten Erträge aus festverzinslichen Anlagen in angemessener Höhe steuerfrei bleiben. Bereits die in Art. 14 Abs. 1 GG enthaltene Institutsgewährleistung verpflichtet den Gesetzgeber, ein Normensystem zur Verfügung zu stellen, das die Existenz, den Erwerb, die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit auch von Geld und Geldforderungen ermöglicht. Die Sichtweise, es bestehe kein verfassungsrechtlicher Anspruch auf einen staatlichen Ausgleich der Geldentwertung durch Verzicht auf Steuereinnahmen, ist deshalb zu korrigieren. Die schleichende „Enteignung“, die Steuern bereits aus der Substanz bezahlen zu müssen, ist daher im Einzelfall nicht nur ein unbilliges Ergebnis, sondern als Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1GG anzusehen 186. 2. Besteuerung in der Erwerbslage Nachdem festgestellt wurde, dass der Eingriff des Steuergesetzgebers in die Substanzgewährleistung des Eigentums grundsätzlich verfassungswidrig ist, ist 182 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 794; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 44 f. 183 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 259. 184 H.-J. Papier, AöR 98 (1973), S. 566 f.; ähnlich W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 883 Fn. 35; R. Wendt, in: M. Sachs, GG, Art. 14, Rn. 145. 185 K. Tipke / J. Lang, § 4, Rn. 104, 120. 186 W. Hartz, DB 1973, S. 1522.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

nun zu fragen, unter welchen Voraussetzungen sich der steuerliche Zugriff auf die Eigentumsnutzung und -übertragung als verfassungsgemäße Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellt 187. Der Substanzschutzgedanke bei den Grundrechten könnte bedeuten, dass im Zusammenhang mit dem konsolidierten Vermögen und seiner Besteuerung von einem absoluten Schutz des Bestands die Rede ist, während in den Randbereichen durchaus Beeinträchtigungen hingenommen werden müssten 188. Diese Randbereiche könnte bei Art. 14 GG theoretisch mit den Erträgen aus der Nutzung und Übertragung von Eigentum identisch sein, so dass das fundierte Vermögen durch die Besteuerung nicht angegriffen werden dürfte, Substanz des Art. 14 GG also identisch wäre mit dem konkreten Vermögensbestand 189. Die gravierende Frage, ob und in welcher Weise auch der aus dem fundierten Vermögen tatsächlich oder potentiell zu ziehende Ertrag als solcher gegen Entziehung geschützt ist, ist von der Judikatur bisher nicht explizit geklärt 190. In der Tradition der Investitionshilfeentscheidung ist das Bundesverfassungsgericht trotz Vermögensteuerentscheidung im Altschuldenurteil der Ansicht, die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG schütze nur erworbene und bestehende Rechte einschließlich ihrer Nutzbarkeit (Ertragsfähigkeit und Verfügungsbefugnis), gerade nicht hinsichtlich des gegebenen Nutzens oder Ertrages (Einkommen) 191. a) Substanz und Ertrag Durch die verfassungsrechtliche Gewährleistung nur des vorhandenen Vermögens des Einzelnen wird der Anteil des Einzelnen am Vermögen aber innerlich ausgehöhlt, denn der Eigentümer wäre genötigt, im Extremfall seinen Unterhalt aus der Vermögenssubstanz zu bestreiten, was eine allmähliche Vernichtung jeglichen Privateigentums zur Folge hätte 192. Dass zudem ein Vermögensgegenstand insbesondere durch die Art und Höhe seiner etwaigen Erträgnisse geprägt wird, ist allgemein kaum in Abrede zu

187 Hierzu u. a. K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 346; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 54 f. m. w. N.; W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 194 f., S. 198; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 49 f. 188 W. Schick, JZ 1974, S. 331. 189 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 149. 190 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 325. 191 BVerfGE 42, 263 (294); 45, 272 (296); 52, 1 (30); 65, 196 (209); 74, 129 (148); ähnlich BVerfGE 30, 250 (271 f.); 88, 366 (377); 95, 267 (300). 192 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 42.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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stellen. Die Gleichung, ein Wirtschaftsgut ganz ohne Ertrag sei ein Vermögensgegenstand ohne wesentlichen Inhalt, gehört zum gesicherten Bestand der Auseinandersetzung um die Verfassungskonformität der Ertragsbesteuerung 193. Das einzelne geschützte Vermögensrecht gewinnt seine Bedeutung für den Eigentümer in weitem Maße erst aus der Sicht des zu erwartenden Ertrags. Dieses Recht darf nicht durch eine Wegsteuerung des Bestands und dessen Zuwachs illusorisch gemacht werden. Würde die materielle Nutzungs- und Verfügungsbefugnis oder der potentielle wirtschaftliche Ertrag entzogen, so bliebe von der Substanz eines Wirtschaftsgutes nur noch eine Hülle, die dem Wesen der Eigentumsgewährleistung nicht gerecht würde. Würde die Eigentumsgewährleistung nur bestehende Vermögensrechte in ihrer Substanz schützen, so wäre das Ziel der in Art. 14 GG enthaltenen Gewährleistung des Eigentums nicht erreicht 194. Das gilt auch für die Abschöpfung von Erträgen aus der Veräußerung eines Eigentumsobjekts. Der Veräußerungserlös ist Äquivalent des veräußerten Eigentumsbestandes. Hatte der Eigentümer das fragliche Eigentumsobjekt dem Zweck gewidmet, Erträge zu erwirtschaften, so ist die Veräußerung sozialtypisch als letzter Akt der ertragswirksamen Nutzung zu begreifen. Soweit die Steuer den Veräußerungserlös über den typischerweise zu erzielenden oder einen etwaigen höheren realen Ertrag hinaus mindern wollte, würde sie ebenfalls auf die Eigentumssubstanz zugreifen. In allen Fällen muss dem Eigentümer der Ertrag verbleiben, der zur Erhaltung der Eigentumssubstanz erforderlich ist 195. Wenn der verfassungsmäßige Schutz der Vermögenssubstanz gewährleistet werden soll, muss er daher notwendigerweise den Ertrag mit einschließen. Die Eigentumsgewährleistung schützt bei der Belastung des Einkommens indirekt auch die Erwerbsgrundlage. Folglich kann tatsächlich auch eine übermäßige Besteuerung der jeweils gezogenen Erträge eines subjektiven Rechts auf die Substanz des primären Rechts durchschlagen und sie entsprechend mindern und zu Beeinträchtigungen führen 196. Daher ist auch eine Verletzung der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG anzunehmen, wenn der Steuergesetzgeber dem Eigentümer keinen Ertrag aus der Eigentumsnutzung des zu besteuernden Vermögensgegenstands belässt, sondern die Erträge im Regelfalle und auf die Dauer völlig abschöpft 197. Die Belastung des Vermögens darf nicht so hoch werden, dass es diese nicht mehr

193 U. a. P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 325; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 316. 194 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 42. 195 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 34 f. 196 H. H. v. Arnim, Die Besteuerung von Zinsen bei Geldentwertung, S. 71; W.R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 199.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

abwirft 198. Dann handelt es sich um eine Erdrosselung im Sinn der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 199. Beispiel Gewerbe und Ertrag: Diese Aussagen gelten insbesondere für den Gewerbetrieb. Die diesen belastende Gewerbesteuer (Realsteuer im Sinne von Art. 106 Abs. 6 GG) erfasst in ihrem Bemessungsfaktor Gewerbeertrag die wirtschaftliche Ertragsfähigkeit eines Unternehmens 200. Sie ist demnach losgelöst von den persönlichen Verhältnissen des Unternehmers jeweils auf ihr Objekt zu beziehen, danach zu beurteilen, inwieweit sie dessen Erträge in Anspruch nimmt. Die Eigentumsgewährleistung erstreckt sich nun darauf, die im Unternehmen zusammengefassten Rechte behalten und vor allem nutzen zu dürfen 201. Das Bundesverfassungsgericht selbst betont, dass das Eigentum den vermögensrechtlichen Handlungsspielraum des Einzelnen gerade auch für seine wirtschaftliche Betätigung schützt 202. Das Bundesverfassungsgericht ist allerdings der Ansicht, es sei kein Eigentumseingriff in einer aus staatlichen Maßnahmen resultierenden Minderung der Rentabilität einschließlich ihrer betrieblichen Folgewirkungen zu sehen 203. Ebenso sei die Liquidität des Betriebes zwar eine wirtschaftliche Position, aber kein der Eigentumsgewährleistung unterliegendes selbständiges Recht 204. Wiederholt wird zudem angeführt, dass bloße Erwerbsaussichten, reine Gewinnerwartungen und Verdienstmöglichkeiten grundsätzlich nicht dem Schutz durch Art. 14 Abs. 1 GG unterlägen 205. Dieses Grundrecht umfasst aber den gesamten gewerblichen Tätigkeitsbereich des Einzelnen. Insofern gewährt Art. 14 GG dem Eigentümer auch das Recht, sein Eigentum gewinnbringend zu nutzen. Soweit die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens staatlich veranlasst beeinträchtigt wird, muss auch diese durch 197

W. Rüfner, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 372; ders., in: Festschrift für J. Broermann, S. 351. 198 W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882; dies dürfte bei einem rechnerischen Steuersatz von rd. 100 % anzunehmen sein, den ein Praxisbeispiel in DB 2001, S. 119 f. ergibt. 199 BVerfGE 87, 153 (169); 93, 121 (137). 200 Zur Gewerbeertragsteuer vgl. u. a. BVerfG-Beschluß vom 17. November 1998, BStBl. 1999 II, S. 509. 201 D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 215; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, V. 2. mit weiteren Ausführungen. 202 BVerfGE 50, 290 (341 f.); 51, 193 (218); 78, 58 (303 f.). 203 BVerfGE 16, 147 (156, 187); kritisiert von H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 91. 204 BVerfGE 4, 7 (17); 13, 225 (229); kritisiert von H. P. Ipsen, AöR 91 (1966), S. 92. 205 BVerfGE 45, 121 (173); 68, 193 (222); 74, 129 (148); 77, 84 (118); 83, 201 (208 f.); 105, 252 (278); W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 187 mit Hinweis auf Widerspruch zu reinem Vermögensschutz; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 3. (günstige Wettbewerbslagen).

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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Art. 14 GG geschützt sein. Bei der Abgrenzungsproblematik des Eigentums von einer Gewinnchance ist zudem auch das Vertrauen als ein wichtiges Kriterium zu berücksichtigen 206. Daher ist etwa den unternehmerischen Möglichkeiten Eigentumsschutz zuzuerkennen, sobald sie, z. B. wie der Kundenstamm und die Geschäftsbeziehungen, Vertrauensschutz verdienen 207. Die hinreichend stabilisierten Erwerbsmöglichkeiten unternehmerischer Betätigung werden demnach auch mittels Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützt 208. Der unternehmerische Erwerbsschutz wird als Eigentumsgebrauch, als Privatnützigkeit, von der Eigentumsgewährleistung umfasst. Die Bezugnahme auf den Gewerbeertrag als Bemessungsgröße bedeutet daher einen Zugriff auf den Gewerbebetrieb als konkretes vermögenswertes Recht und nicht auf eine nur wirtschaftliche Position 209. Denn auch der Bestand eines Unternehmens lässt sich nicht isoliert von der Ertragsfähigkeit beurteilen, sondern stellt sich wesentlich als Verkörperung des von ihm erwarteten Ertrages dar, so dass sich jeder Gewinn sowie die Verkürzung desselben auf den Betrieb auswirkt 210 . Wäre es zulässig die erzielten und noch zu erzielenden Erträge völlig wegzusteuern und die Rentabilität auf diesem Wege zu vereiteln, so würde damit zugleich der Schutz des Gewerbebetriebes seinen Sinn verlieren. Die Auferlegung der Steuerpflicht stellt sich bei der Erdrosselung im wirtschaftlichen Ergebnis als Eingriff in die Substanz des Gewerbebetriebs dar. Dieser Zusammenhang zwischen Ertrag und Unternehmenssubstanz verbietet eine Abschöpfung des Gewinns, die die Ertragskraft und die Fortführung des Betriebes gefährdet 211. Der Erwerbstätige, der den Zuerwerb von Einkommen sucht, unterliegt mit den Ertragsteuern einer Aktivitätsabgabe, die unzulässig ist, wenn sie den Gewinn vollständig wegsteuert und damit zur allmählichen Aufgabe des Betriebs nötigt, die berufliche Aktivität sinnlos macht.

206

W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 95. W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 109 f.; K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 189 ff., 347 f.; BGHZ 78, 41 (42 ff.); 98, 341 (351 f.). 208 K. A. Schachtschneider, Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 189 ff, 346; ders. in: Festschrift für W. Leisner, S. 772. 209 G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 110; s. a. R. Seer, FR 1999, S. 1287. 210 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 115 f.; K. H. Friauf, JurA 1970, S. 315 f.; W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 79; F. Klein, StuW 1966, Sp. 484 f.; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 55. 211 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f.; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 123 f. 207

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

b) Eigentumsgewährleistung über den Totalentzug hinaus Über die Substanzerhaltung hinaus ist der Sinn und Zweck der Eigentumsgewährleistung ohne die Befugnis des Vermögensinhabers, Nutzen aus seinem konkreten Vermögensobjekten zu ziehen, nicht erreichbar 212. Für die Eigentumsgewährleistung ist entscheidend, dass der Einzelne etwas mit seinem Eigentum ausrichten kann, indem er darüber verfügt, es nutzt, um sich hierdurch eine gesicherte und vom Staat unabhängige Existenz zu erhalten. Dieser freiheitliche Status der Eigentümerstellung, die Befugnis des Einzelnen, sein Eigentum im Eigeninteresse zu verwenden, ist die Grundlage des Eigentums überhaupt. Die verfassungsrechtliche Bedeutung des Eigentums ist nur verwirklicht, wenn es auch privatnützig eingesetzt werden kann 213. Die wesentliche Bedeutung des privaten Vermögens besteht gerade darin, durch die Nutzung des Eigentums nennenswerte Erträge erzielen zu können. Neben dem bloßen Innehaben von Eigentum kommt insoweit vor allem die ertragsorientierte Eigentumsnutzung in Betracht. Dabei ist der bisherige Nutzungsumfang zu berücksichtigen und müssen überhaupt Nutzungsmöglichkeiten verbleiben. Jeder Einzelne muss das Recht besitzen, sich Erträge aus dem wirtschaftlichen Einsatz seines Eigentums anzueignen. Der Ausgangspunkt der Beurteilung des Verhältnisses von Steuern und Eigentumsgebrauch muss von dieser Bedeutung der Eigentumsgewährleistung her beurteilt werden. Die Besteuerung darf dem Bürger den wirtschaftlich sinnvollen Ertrag seiner verfassungsrechtlich geschützten Rechte in ihrer Substanz nicht unmöglich machen; und zwar je nach Zweckbestimmung der Sache durch persönliche Nutzung oder durch Ertragsschöpfung 214. Dies bedeutet keine Ausdehnung des Schutzbereichs der Eigentumsgewährleistung auf bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder in der Zukunft liegende Verdienstmöglichkeiten. Es soll nicht ein Vermögensbestandteil dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG zugeordnet werden, bevor er in der Verfügungsmacht des Grundrechtsträgers steht. Es geht primär nicht um die Ertragserzielung als Ergebnis der eigenen Leistung, sondern um den Einsatz des Eigentums für eine ertragsorientierte Leistung. Dies führt erst in der Konsequenz zum Schutz des zu erwerbenden Vermögens.

212

J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 40 f., 108. 213 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 772 m. w. N.; ders., Res publica res populi, S. 370 ff.; ders., Freiheit in der Republik, 10. Kap., III. 214 W. Leisner, NJW 1995, S. 2594; M. Jachmann, StuW 1996, S. 104; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 82, S. 74 ; K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 85; ders., in: Bitburger Gespräche Jb. 1972/1973, S. 127; ders., BayVBl. 1980, S. 525; ders., Finanzverfassung und politisches Ermessen, S. 36 ff.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 34 f.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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Der Wirkungsbereich der Eigentumsgewährleistung reicht daher durchaus über seine bestandssichernde Kraft hinaus. Gegenstand des Art. 14 GG ist nicht nur das schlichte Haben-Dürfen als solches. Diese verfassungsrechtliche Konzeption der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG begrenzt nicht nur das Ausmaß zulässiger Inanspruchnahmen bereits konsolidierter finanzieller Werte, sondern als Recht der privatwirtschaftlichen Nutzung des Eigentums, wenngleich mit geringerer Kraft, vor allem auch eine Abschöpfung von Erwerbseinkommen 215. Der Begriff des vermögenswerten Gutes kann nicht auf den konkreten Bestand beschränkt werden 216. Der Eigentumsschutz verbürgt insoweit nicht nur schematisch den Schutz des bereits geschaffenen Eigentumsobjekts, sondern auch das über den faktischen Ver- oder Gebrauch hinausgehende Recht zur Nutzbarmachung in der Form der ertragbringenden Bewirtschaftung. Die allgemeine Substanz ist daher nicht deckungsgleich mit dem konkreten Bestand an Vermögensgegenständen 217. Die strikte Trennung zwischen Vermögensbestand und Ertrag ist nicht möglich. Grundrechtlich relevante Eingriffe in das Eigentum können bereits im Vorfeld der konkreten Bestands der jeweils betroffenen Rechte in Betracht kommen, etwa in Gestaltung von Verfügungsbeschränkungen, teilweiser Beschneidung des Nutzungsertrages usw., und schon hier muss die Frage nach einer Tangierung der Eigentumsgewährleistung aufgeworfen werden 218. Demgemäß nimmt auch das erworbene Ergebnis der privatwirtschaftlichen Betätigung aus dem konsolidierten Eigentum an der verfassungsmäßigen Gewährleistung der vermögenswerten Rechte als Grundlage individueller Freiheit teil 219. Auch der Gewinn wird in bestimmtem Umfang durch die Eigentumsgewährleistung geschützt 220. Zielobjekt des Steuerzugriffs ist ebenfalls der privatnützige Gebrauch vorhandenen Eigentums zur Ertragserzielung nach der Entscheidung des Eigentümers. Dieses Eigentum wird auch gerade als Ergebnis der ertragsorientierten Freiheitsausübung besteuert. Insoweit ist eine Eigentumsverletzung nicht nur bei der Pflicht, Steuern aus dem Vermögensbestand zu entrichten, sondern auch bei einer Schmälerung des 215

K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 772; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (791). 216 W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 79. 217 K. H. Friauf , StuW 1977, S. 62; F. Klein, StuW 1966, S. 486; P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 422. 218 F. Oswald, DStZ 1977, S. 267; K. H. Friauf , StuW 1977, S. 59 f. 219 E. Denninger, AG 1978, S. 75; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 316 f.; F. Klein, StuW 1966, Sp. 477 f. 220 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 56.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Ertrages durch Besteuerung denkbar. Ein steuerlicher Eingriff in das Recht zur Eigentumsnutzung kann über den Substanzeingriff hinaus dann vorliegen, wenn an seine ertragsorientierte Eigentumsnutzung eine steuerliche Pflicht geknüpft wird, die im Entzug eines erzielten Ertragsanteils besteht. Eine Freistellung einer Besteuerungsart kommt nicht in Betracht. Einer rigorosen Unterscheidung der Besteuerung zwischen Steuern auf das durch Art. 14 GG geschützte konsolidierte Vermögen und der ansonsten unbeschränkten Besteuerung, sodass der Entzug des Ertrages allgemein möglich, die Vermögenssubstanz aber grundsätzlich geschützt wäre, kann nicht zugestimmt werden. Der Staat darf zwar gegebenenfalls intensiver, aber auch über die Steuergesetzgebung den Gebrauch des Eigentums des Einzelnen nicht grenzenlos beschränken, der ausschließlichen Fremdnützigkeit unterstellen 221. Dieses Nutzungsrecht bleibt nur gewahrt, wenn der Staat seine Nutzungsteilhabe so bemisst, dass die verfassungsmäßige Verwendung des Privateigentums steuerrechtlich nicht vereitelt wird, sondern die Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs erhalten bleibt 222. Die jeweilige Grenzziehung zwischen Privatheit und staatlicher Ingerenz durch Gesetz, also zwischen privatem Willkürrecht und staatlicher Kompetenz zur Gemeinwohlverwirklichung ist allein eine Frage der praktischen Vernunft, der Verhältnismäßigkeit 223. Eine Gewinnabgabe muss daher den Unternehmen auch unter Berücksichtigung der gemeinsamen Wertschöpfung der Produktionsfaktoren in jedem Falle einen angemessenen Teil des Ertrages oder Gewinnes zur sinnvollen und privatnützigen Eigentumsverwendung belassen. Die Steuergesetze müssen einen angemessenen Anteil der Erträge belassen, der ausreicht, die Eigentumsverwendung insgesamt als privatnützig anzusehen. Handlungsmöglichkeiten der Wirtschaft bestehen nur solange, wie die formellen wirtschaftlichen Grundrechte benutzt werden können, um ohne Verstoß gegen die Steuergesetze aus erfolgreicher wirtschaftlicher Arbeit einen entsprechenden Ertrag zu erzielen 224. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG setzt dem steuerlichen Zugriff daher neben dem auf die Substanz auch beim Erwerb Schranken. Die Grenze zwischen verfassungswidriger Bestandssteuer und durch die Sozialbindung des Eigentums zu rechtfertigender Ertragsteuer verläuft parallel zu der zwischen Bestands- und Nutzungsgewährleistung.

221 222 223 224

E. Denninger, AG 1978, S. 75. H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 787 (791). K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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c) Gewährleistung einer gegenstandsunabhängigen Eigentumsneubildung Darüber hinaus könnten aber auch Erträge geschützt sein, die nicht aus einem Sachobjekt gewonnen werden, das bereits im Eigentum des Steuerpflichtigen steht. Für diese entstehenssichernde Bedeutung der Eigentumsgewährleistung spricht insbesondere, dass Sinn und Zweck der Fundamentalentscheidung des Verfassungsgebers zugunsten des Eigentums, dem Bürger einen vermögensrechtlichen Bereich und damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu gewährleisten, sich erst in ihrer vollen Breite entfalten, wenn jene Entscheidung als Leitbild einer in jeder Beziehung zuwachs- und erweiterungsoffenen Eigentumsordnung begriffen wird 225. Die Eigentumsordnung und damit die eigentumsgewährenden Gesetze müssen allen Menschen als Notwendigkeit der Freiheit ein ausreichendes Eigentum gewährleisten, eine autonomiegemäße, freiheitliche Selbständigkeit verschaffen, sich an diesem Prinzip orientieren 226. Der Staat darf daher nicht die Entstehung von neuem Eigentum in unzumutbarer Weise erschweren oder gar ausschließen; er ist darüber hinaus gehalten, die Bildung von Eigentum bei möglichst vielen seiner Bürger durch geeignete Maßnahmen aktiv zu fördern (Zuschüsse, Vermögensbildung). Die Eigentumsgewährleistung erfährt vor allem, wenn es primär um die Bildung neuen Eigentums und Vermögens in den Händen derer geht, die bisher solches nicht besessen haben, ihre inhaltliche Ausrichtung maßgeblich durch die zielbestimmende Kraft des Sozialprinzips (Art. 20, 28 GG) 227. Diese Betrachtung des grundrechtlichen Eigentums ergibt eine Verbürgung des Rechts des Eigentumserwerbs und dessen verfassungsrechtlicher Verankerung in der grundgesetzlichen Eigentumsgewährleistung. Insofern weist die Eigentumsgewährleistung als wertentscheidende Grundsatznorm auch einen betont zukunftsorientierten positiven Charakter auf. Rechtlich gefestigte Ansprüche auf Vermögensübertragung fallen insoweit nicht nur als Nutzungserträge vorhandenen Eigentums, sondern ebenso als eigenständiges Eigentum in den Schutzbereich des Art. 14 GG 228. Zur Privatnützigkeit des Eigentums gehört grundsätzlich auch das Recht, Eigentum und Vermögen zu erwerben und neu zu bilden.

225

P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 315 Fn. 74 m. w. N. K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 744, 766. 227 P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 315 Fn. 74. 228 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 302 f.; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 34 f.; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882. 226

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Besteuerung tatsächlich hinzuerworbenen Eigentums (Einkommen/Erträge) und des freiwillig einer Neubewertung durch Tausch unterworfenen Eigentums (Umsatz) nicht werdendes Eigentum erfasst, sondern das individuell erworbene, einem Einzelnen bereits zugeordnete Privateigentum, das rechtlich verfestigte Wirtschaftsgut belastet 229. Das Eigentum wird erst besteuert, wenn der Empfänger es erzielt hat, der Umsatz erst, wenn der Leistungstausch rechtlich vollzogen ist. Im Augenblick seines Anfalls gehört ein derart geschaffener Wert ebenso ab ovo zum Vermögen, das gegen Beeinträchtigung geschützt wird 230. Der verfassungsrechtliche Schutz des erworbenen Vermögensbestandes wirkt für das leistungsabhängige Entgelt, bevor die personenabhängige Steuerforderung entsteht 231. Für die Frage der Besteuerung von Erträgen und sonstigen Einkünften kommt es also nicht darauf an, ob der Erwerb von Eigentum durch Art. 14 GG geschützt wird, sondern allein darauf, dass das bereits Erworbene (z. B. Forderung) nicht unangemessen geschmälert wird. Deshalb ist auch der steuerliche Zugriff auf erworbenes Einkommen als Eingriff in den Schutzbereich verfassungsrechtlicher Eigentumsgewährleistung zu rechtfertigen. Gerade um der im besonderen Maße durch die staatliche Steuergewalt bedingten Gefährdung der eigenständigen Erarbeitung der erforderlichen wirtschaftlichen Grundlagen der persönlichen Freiheitsverwirklichung der Bürger entgegenzuwirken, ist eine Ausdehnung der Eigentumsgewährleistung auf den Ertragsschutz vielmehr notwendig. Es verbietet sich eine Steuer, die den Vermögenszuwachs nahezu ganz abschöpft und die Bildung neuen Vermögens weitgehend verhindert 232. Die Besteuerung muss zumindest einen angemessenen Teil des Jahreseinkommens in privater Hand verschonen 233. Wenn Fremdes erstmals zu Eigenem wird, muss dem Erwerber auch nach steuerlicher Minderung des Erworbenen ein Zuwachs an persönlicher Handlungsmöglichkeit verbleiben 234.

229

P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 96. K. H. Friauf , JurA 1970, S. 316; W. Leisner, Erbschaftsbesteuerung, S. 79; E. Denninger, AG 1978, S. 75. 231 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 42 f. 232 R. Wendt, NJW 1980, S. 2116 mit Hinweis auf Progression. 233 P. Kirchhof , in: Festschrift für H. Sendler, S. 72; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 61 f.; ders., HbStR IV, § 88, Rn. 99. 234 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 270; ders., StuW 1980, S. 362. 230

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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d) Bedeutung der Leistungsanknüpfung im Eigentumsschutz Für die sachgerechte Differenzierung der Steuererhebung könnte es insbesondere auch darauf ankommen, wie der Einzelne mit seinen Fähigkeiten und Mitteln disponiert hat, welche Leistung und welchen Sozialwert der Gegenstand verkörpert, an den die Abgabepflicht anknüpft. Denn das Grundrecht des Art. 14 GG soll dem Menschen seine vermögenswerten Güter erhalten, um ihm die ökonomische Basis der Freiheit zu sichern und will Eigentum auch als das Ergebnis einer bestimmten Art von Persönlichkeitsentfaltung, nämlich der auf den ökonomischen Erfolg gerichteten privatinitiierten Leistung bewahren, Primat der Eigennützigkeit 235. Die Wirksamkeit dieses Gedankens, die zur Entfaltung gekommene eigene Leistung zum Maßstab für die Schutzwürdigkeit zu nehmen, lässt sich in der Eigentumslehre vielfach nachweisen 236. In der Frage des Schutzes subjektiv-öffentlicher Rechte durch Art. 14 GG wird die eigene Leistung durch Einsatz von Arbeit oder Kapital, das Sicherdienen, als causa, das Erworbene als Niederschlag einer eigenen Leistung oder eines eigenen Opfers gewertet 237. Der Leistungsgedanke hat auch zum gesetzlichen Schutz des geistigen Eigentums geführt. Das Institut des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs als Inbegriff sachlicher und persönlicher Mittel beruht ebenfalls auf dem Leistungsgedanken, ebenso wie die „Inswerksetzung“ als Grenze der Widerruflichkeit des rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes. Es entspricht den heute allgemein herrschenden gesellschaftlichen Auffassungen, dass ein Recht dem Schutzbereich des Art. 14 GG unterfällt, wenn es der Einzelne als Ergebnis eigener Leistung erworben hat 238. Das Rechtsprinzip rechtfertigt insoweit begrenzte Unterschiede der Möglichkeiten des Handelns, welche die Verantwortung des Einzelnen für sich, für sein Leben und Handeln, und die Verantwortung jedes Bürgers für das gemeine Wohl fördern sollen 239. Leistung als Erfüllung der Pflichten gegenüber einer Gemeinschaft bedeutet etwa, dass der Bürger seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaftet, damit er nicht der Gemeinschaft zur Last fällt und diese mehr als unerlässlich in Anspruch nimmt. Wenn der Einzelne mehr leistet, als für seine Daseinssicherung unbedingt notwendig 235

W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 85, 88 f.; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 762; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 304; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 77. 236 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 174 f. 237 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 9. Kap., III. 238 BVerfGE 1, 264 (277 f.); 14, 288 (293); 24, 220 (226); 30, 292 (334); 50, 290 (340); 58, 81 (112); 69, 272 (300); 97, 271 (284); 100, 1 (33). 239 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 762.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

ist, so muss dies in der Eigentumsordnung anerkannt werden. Die Leistung als der unterschiedliche Beitrag des einzelnen Menschen zum gemeinen Wohl ist ein Grund für die Unterschiede in der Güterverteilung. Die Erfolge am Markt sind unternehmerische Leistungen, welche die Eigentumsverteilung in den Grenzen der Gesetze rechtfertigen. Das Privatheitsprinzip verwirklicht sich am Markt und im Wettbewerb, der die unterschiedliche Güterverteilung insoweit zu begründen vermag, als die Wirtschaftsverfassung auf Privateigentum gestellt ist und das Privatheitsprinzip gemeinverträglich ist 240. Die Eigentumsgewährleistung fordert daher auch nur einen sozialpolitisch grenzkorrigierten Markt. Die Notwendigkeit, der eigenen Leistung grundsätzlich eine angemessene, ihr gebührende Anerkennung in der Eigentumsordnung zuzubilligen, gründet sich auf das unmittelbar aus Art. 14 GG folgende Prinzip der Selbstverantwortung und Eigenständigkeit der Person 241. Der Bürger muss grundsätzlich über die Mittel seiner bloßen Existenzsicherung hinaus Ertrag erwirtschaften können. Die Eigenständigkeit des Einzelnen hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Betätigung ist nur gegeben, wenn er sie in einer seinen Anlagen und Fähigkeiten entsprechenden Weise erfolgreich einsetzen kann. Der Eigentümer muss insofern nicht nur eine gewisse Entscheidungsfreiheit über den Einsatz seiner Mittel im Wirtschaftsleben haben, sondern er muss auch so verfügen können, dass er dadurch einen seiner Leistung und seinem Risiko entsprechenden Ertrag erzielen kann. Nur so ist seiner Initiative ein erstrebenswerter Anreiz gesetzt; zugleich ist dies in einer privaten Wirtschaftsordnung der einzige Weg, das persönliche Eigentum weitgehend der Gesamtwirtschaft und damit der Allgemeinheit nutzbar zu machen. Der Eigentümer muss soviel an Entscheidungsbefugnissen haben, dass hiermit die dem Eigentum obliegende Bedeutung, die Initiativkraft für die Wirtschaft, erfüllt werden kann. Sozialpflichtigkeit des Eigentums kann damit nie bedeuten, dass die gewinnbringende Nutzbarkeit für den Eigentümer gänzlich ausgeschlossen wird. Denn nur ein angemessener verbleibender privater Anteil am Ertrag ist ein dem verfassungsrechtlich anerkannten eigennützigen Erwerbsstreben gebührendes Äquivalent, macht die private Anstrengung lohnend und vermeidet eine Zerstörung des individuellen Leistungsdenkens. Um der Anreize willen muss das Eigentum derer, die sich der Leistung und damit ihres Beitrags für das gemeine Wohl verweigern, schmaler sein als das derer, die sich mühen 242. Dies ist nicht nur ein volkswirtschaftliches Gebot, weil für die produktiven Kräfte des wirtschaftenden Menschen ein Anreiz vorhanden sein muss, durch den schließlich seine Produktivität der Gesamtwirtschaft zugute

240

K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 780 ff. K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 9. Kap., III.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 177. 242 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 760. 241

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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kommt. Der Lohn für den erheblichen Konsumverzicht muss im Verhältnis zum laufenden Einkommen fühlbar sein 243. Ist Leistungseigentum primär privatnützig, dann notwendig auch seine Erzielung. Dabei bemisst sich der Verdienst der persönlichen Leistung sowohl nach dem Einsatz sachlicher Mittel als auch der Arbeitskraft. Diese beiden Leistungselemente müssen in einem gleichberechtigten Verhältnis zueinander gesehen werden. Wie die Privatnützigkeit als Wesensmerkmal des Eigentumsbegriffs gewährleistet, dass Eigentum als Kapital gewinnbringend angelegt werden kann, so muss auch die Arbeitskraft dem natürlichen Erwerbsstreben dienstbar gemacht werden. Nachdem die Arbeit weitgehend die Grundlage der materiellen Daseinssicherung bildet, muss auch insoweit dem Gedanken des Leistungseigentums zur Geltung verholfen werden. Wenn Art. 14 GG die wirtschaftliche Lebensbasis aller natürlichen und juristischen Personen gewährleisten will, dann müssen neben dem Ertrag aus dem Kapital in gleicher Weise auch die Arbeitskraft als wirtschaftliche Existenzgrundlage der Gehaltsempfänger und die aus ihr erwachsenden potentiellen Erträge geschützt werden, denn die weitaus überwiegende Zahl der Bevölkerung findet heute ihre Lebensgrundlage nicht in den Sachwerten (Grund und Boden, Gewerbebetrieb, Kapital), sondern sie ist zur Bestreitung des Unterhalts sowie zur Schaffung und Mehrung von Eigentum auf den Ertrag aus ihrer Arbeitskraft angewiesen 244. Vor allem die Arbeit ist das soziale Äquivalent des Eigentums und der Anspruch auf das Arbeitsentgelt, der Lohnanspruch, die am Markt als Ergebnis eigener wirtschaftlicher Leistung erwirtschaftete Einkommensforderung, bildet auch und gerade einen besonderen Anerkennungsgrund für das Eigentümerrecht und ethisches Leitbild des Eigentums 245. Aus der Gleichwertigkeit von sachlicher und persönlicher Leistung ergibt sich, dass die Neubildung von Eigentum nicht nur im Rahmen eines Gewerbebetriebes möglich bleiben muss, sondern auch für die freiberuflichen Tätigkeiten und für den Arbeiter, der nichts außer seiner Arbeitskraft im Wirtschaftsleben einsetzen kann. Auch für sie bedeutet die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit, dass ihr Fleiß und ihre Arbeitsfreude einen angemessenen Lohn finden können. Demnach schließt die Gewährleistung der wirtschaftlichen Entfaltungsfreiheit mit Bezug auf Art. 14 GG ein, dass insbesondere der Einsatz persönlicher Mittel, 243

W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882. K A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 9. Kap., IV.; P. Häberle, VVDStRL 30 (1972), S. 85, 100 f.; K.. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 78. 245 BVerfGE 50, 290 (340); 53, 257 (291 f.); 58, 81 (112 f.); 69, 272 (301); 72, 175 (193); 97, 350 (371); K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 776, S. 777 mit einklagbarem Recht auf Arbeit aus Art. 14 Abs. 1 GG, weil Arbeit immer noch die stärkste Rechtfertigung für den Erwerb von Eigentum ist; hierzu s. a. ders., K. A. Schachtschneider, GS J. G. Helm, S. 827 ff. 244

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

also der Einsatz der Arbeitskraft, seine Anerkennung in der Eigentumsordnung findet 246. Das Grundgesetz sichert das durch eigene Arbeit erworbene Individualeinkommen gegen einen staatlichen Zugriff, der die Bedeutung dieses Einkommens als ökonomische Grundlage individueller Existenz gefährden würde 247. Damit fällt nicht nur der Ertrag der Arbeit unter den Schutz von Art. 14 GG, sondern wird die Bedeutung der persönlichen Leistung als wesensbestimmendes Merkmal des Eigentumsbegriffs hervorgehoben. In dem Augenblick, in welchem der Staatsbürger von seinem Recht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit Gebrauch macht, löst Art. 14 GG gleichsam die Art. 2, 12 GG in seiner Schutzfunktion ab 248. Während bei den Erträgen aus dem Vermögen eine der Eigentumsgewährleistung unterfallende Grundsubstanz, eine vergegenständlichte Erscheinungsform menschlicher Freiheit zugrunde liegt, verwandelt sich das bestehende Persönlichkeitsrecht, die allgemeine wirtschaftliche Handlungsfreiheit, die Berufsausübungsfreiheit durch den Einsatz der Arbeitskraft in einen materiellen Wert, eine Lohnforderung, die in den Schutzbereich des Art. 14 GG einzuordnen ist 249. Es zeigt sich damit, dass insbesondere für die Verstärkung vorhandener Rechte und für den Eigentumserwerb aus Arbeitskraft das Leistungskriterium wesentliche Bedeutung hat 250. Einkommen ist Leistungseinkommen soweit es aus dem Vollzug von Leistungsaustauschverhältnissen oder einkommensteuerlich gewendet aus der Ausübung steuerbarer Tätigkeiten erwächst. Soll eine steuerbare Tätigkeit Einkünfte hervorbringen, muss der Steuerpflichtige zunächst in Vorlage treten, durch eigene Anstrengung, durch Nutzung höchstpersönlicher Kräfteressourcen und sachlichen Potentials, oder kurz: durch Erbringung einer eigenen Leistung. Diesem Leistungsgedanken muss auch die Ausgestaltung des Steuersystems Rechnung tragen. Es würde sich um „peremptorische Steuergesetze“ handeln, wenn durch die Steuerbelastung die individuelle Leistungsbereitschaft und den und Erwerbswillen weitgehend beseitigt, sich zusätzlicher Eigentumserwerb nicht mehr lohnt und damit die wirtschaftlichen Vorbedingungen für eine freie Eigentumsbildung schlechthin verhindern 251. Die Besteuerung darf nicht dieses indi-

246 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 173. 247 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 281 f. 248 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 42 f. 249 R. Seer, FR 1999, S. 1286 Ertrag aus Vermögen und Leistung (Einkommen). 250 P. Kirchhof , in: P. Kirchhof / H. Söhn, EStG, zu § 2 A 154: Bei der gesetzlichen Bestimmung von Inhalt und Schranken der Eigentumsgarantie tritt der verfassungsrechtliche Schutz des individualnützigen Eigentums um so stärker hervor, je mehr der betroffene individuelle Vermögenswert Ergebnis eigener Leistung ist. 251 H.-P. Schneider, in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 133.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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viduelle Erwerbsstreben bis an die Grenze der Privatnützigkeit belasten 252. Jede Steuererhebung, die diese Eigenständigkeit der Person antastet, ist daher unvereinbar mit Art. 14 GG. Art. 14 GG fordert generell ein Steuerrecht, das die private finanzielle Vorsorge und die eigene Sicherung des Lebensunterhalts nicht durch staatliche Planung und Vorsorge ablöst. Wäre eine übermäßige Abschöpfung etwa des Ertrages aus Arbeitskraft durch Besteuerungsmaßnahmen zulässig, könnte auf diesem Wege der größte Teil der Staatsbürger seines verfassungsmäßigen Rechts beraubt werden, dem Einzelnen im wirtschaftlichen und politischen Bereich eine materiell gesicherte, vom Staat möglichst unabhängige Existenz sowie eine eigenverantwortliche und freiheitliche Lebensgestaltung auf der Grundlage des Privateigentums zu erhalten, was von jeher in Ergänzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Bedeutung der Eigentumsgewährleistung war 253. Es würde ein Steuersystem, das den Ertrag aus Arbeit (oder Kapital) bis auf den lebensnotwendigen Bedarf entziehen dürfte, dem Leistungselement im Eigentumsbegriff nicht gerecht werden und damit auch den Wesensgehalt des Eigentums antasten. Art. 14 GG sichert, dass ein aus privater Leistung erworbenes Vermögensrecht auch nach Besteuerung noch deren Äquivalent bleibt. Daraus ergibt sich für die Steuererhebung, dass der Steuerpflichtige nicht nur das Existenzminimum für sich und seine Familie und einen Ausgleich für die Abnutzung seines Vermögens im Wirtschaftsprozess erwirtschaften können, sondern die Steuergesetzgebung ihm die Möglichkeit lassen muss, Eigentum leistungsangemessen neu zu bilden. Die Wegsteuerung des Großteils des Erwerbs oder auch die bloße Freilassung einer Abnutzungsquote wäre daher grundsätzlich verfassungswidrig. Das steuerstaatliche Gebot der Ausgewogenheit des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft kann allerdings auch bei ganz massiven Steuerbelastungen gewahrt sein, wenn etwa der Wirtschaft bei hoher Produktivität trotz der hohen Steuerbelastung immer noch ein hinreichender Gewinnanteil verbleibt, so dass die Belastbarkeit der Wirtschaft mit steigender Produktivität nicht nur absolut, sondern auch relativ steigt.

252

K. H. Friauf , JurA 1970, S. 316 f.; F. Klein, StuW 1966, S. 459; H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 508; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 55; R. Herzog, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 390; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 49. 253 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 44; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 121.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

e) Bemessungsgrundlage Aus dem grundsätzlichen Vorrang der privaten Nutzung des Erwirtschafteten kann nicht unmittelbar gefolgert werden, inwieweit die Besteuerung das privat Erwirtschaftete belasten darf, ohne zu klären, auf welche Ausgangsgrößen abzustellen ist. Im Rahmen einer Besteuerung kommt als Bezugsgröße zwangsläufig nur dasjenige Einkommen in Betracht, das die Leistungsfähigkeit des Steuerzahlers zum Ausdruck bringt 254. Ob ein ausreichender Nutzungsgewinn belassen ist, betrifft damit vor allem zunächst die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage 255. Denn nur bei solchen Einkommensteilen, die dem Steuerpflichtigen zur eigenen und freien Verfügung bleiben, kann steuerliche Leistungsfähigkeit vorausgesetzt werden. Dass es hierbei entscheidend auf die Nettovermehrung ankommt, folgt daraus, dass es sich nicht um eine Besteuerung des vermögenswerten Inhalts der Umsatzakte handelt, sondern die Besteuerung von der Vermögensmehrung des Erwerbers ausgeht. Nur die Differenz zwischen dem Bruttozufluss von Vermögen und dem mit diesem verbundenen Abfluss von Vermögen ergibt als Nettozufluss einen Zugang des beim steuerpflichtigen Erwerber vorhandenen Vermögens. Entscheidend ist, dass es sich bei diesem Erwerb um eine positive Veränderung des Gesamtbestandes des Erwerbenden im Hinblick auf den Bestand seines Vermögens handelt. Hat der Eigentümer etwa Geldmittel einzusetzen, um sein Eigentum zur Ertragserzielung nutzen zu können, so bildet der so erzielte oder typischerweise zu erzielende Ertrag nur in der um die aufgewandten Geldmittel verminderten Höhe die reale Ertragskraft des Eigentums ab 256. Die Steuerlast muss sich auf den Reinertrag als realistische Größe beziehen 257. Das Bundesverfassungsgericht spricht deutlich vom Erfolg einer Betätigung, also von einem Saldo aus Bruttoerträgen und Aufwendungen 258. Für die Bestimmung einer Obergrenze einer Steuerbelastung sind diese adäquate Grundlage demnach nicht die Einnahmen oder Roherträge, sondern das 254 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 74; zum Leistungsfähigkeitsprinzip s. a. K. Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 475 ff.; K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 90 f.; K. A. Schachtschneider, Betriebsaufspaltung und verdeckte Gewinnausschüttung, S. 73 ff. 255 D. Dziadkowski, FR 2000, S. 558, 559; P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 99. 256 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 72. 257 K. Tipke, GmbHR 1996, S. 12; G. Rose, StuW 1999, S. 15; ders. in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 92; P. Wollny, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 97 f. rechtsvergleichend; R. Märkle / R. Franz, Stbg 1996, S. 241, 244; zum Rein/Roheinkommen s. a. P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 40 f. 258 BVerfGE 93, 121 (137).

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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verfügbare Einkommen oder der Gewinn 259. Die maßgebliche Ausgangsgröße ist daher das Einkommen nach Abzug der Erwerbsaufwendungen. Demnach sind auch die Entlastungstatbestände in den Maßstab der Teilung einzubeziehen 260. Bereits durch die Bestimmungen über die Ermittlung des Gewinns einschließlich der über die Abschreibung für die Abnutzung von Wirtschaftsgütern, ferner durch die Vorschriften über Werbungskosten und Sonderausgaben, über Freibeträge oder sonstige abzugsfähige Belastungen trifft der Gesetzgeber wesentliche Entscheidungen über die finanzielle Belastung der Eigentumsnutzung. Zu dem für den Erwerb notwendigen Aufwand, der nicht in der realen Ertragskraft des Eigentums etwa bei Unternehmen aufgeht, sind auch Betriebsteuern, etwa Lenkungsteuern, Umsatzsteuer und Aufwandsteuern, die die Ertragserzielung belasten, zu zählen. Dies bedeutet nun freilich nicht, dass dem notwendig das Einkommen im Sinne des geltenden Einkommensteuerrechts zugrundezulegen wäre 261. Dieser Bezugsgröße für die Ermittlung der steuerlichen Belastung kommen die gesetzlichen Regelungen über das zu versteuernde Einkommen, § 2 Abs. 5 EStG, allerdings am nächsten 262. Da jedoch bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens auch Steuervergünstigungen zu berücksichtigen sind, müssen steuerfreie Abzüge dieser Art rückgängig gemacht oder nicht steuerbare Einkünfte mit einbezogen, d. h. dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet werden 263. Staatliche Unterstützungsleistungen an Haushaltungen wie Eigenheimzulage oder an Unternehmen wie Investitionszulage und Sonderabschreibungen, die dem Steuerpflichtigen individualisierbar zufließen, sind ebenso relevantes Ertragspotential und mindern die maßgebliche Steuerlast 264. 3. Besteuerung der Eigentumsübertragung Problematisch ist die grundrechtliche Begrenzung der Besteuerung der Vermögensübertragung, soweit sie sich nicht ohnehin schon als Lenkung darstellt. Es wird sogar vertreten, dass eine Einbeziehung der Verkehr- und Verbrauch259

K. Tipke, GmbHR 1996, S. 13; ders., MDR 1995, S. 1179; ders., in: Festschrift für M. Kriele, S. 961. 260 P. Wollny, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 97. 261 H.-P. Schneider, Stbg 1997, S. 199; G. Rose, StuW 1999, S. 15; K. Tipke, MDR 1995, S. 1179. 262 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 503; H.-W. Bayer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 411; R. Seer, FR 1999, S. 1291. 263 G. Rose, StuW 1999, S. 15. 264 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 77; R. Seer, FR 1999, S. 1289 f.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

steuern, die an die Übertragung des Eigentums anknüpfen, zur Bestimmung der verfassungsrechtlich angemessenen Besteuerung ausscheide 265. Doch könnte nach Verfügenden und Erwerbenden differenziert werden. a) Verfügender Zum Grundbestand von Normen, die das Eigentum im Sinne des Art. 14 GG ausmachen, gehört das Recht des Eigentümers, sein Eigentum übertragen zu dürfen 266. Das Übertragungsrecht als Bestandteil des Nutzungsrechts ist Ausfluss des bestehenden, umfassenden, das Haben und Gebrauchmachen erfassenden Eigentumsrechts. Das Recht zur Veräußerung ist dieser Nutzungsgewährleistung des Eigentums ebenso zuzuordnen wie sie das Recht zur unentgeltlichen Übertragung, zu vererben und zu verschenken, umfasst. Art. 14 Abs. 2 GG ist danach grundsätzlich auch auf das Erb- und Schenkungssteuerrecht anzuwenden. Bei den den Verfügenden treffenden Besteuerungsarten ist eine durch das Steuerrecht vollzogene Einschränkung in der unbegrenzten Verfügung über erworbenes Vermögen und damit über den Gebrauch von Vermögen gewollt. Aus der Sicht der Person des Weggebenden handelt es sich um einen Abgang von Vermögenswerten, der dann der Besteuerung des Vermögensgebrauchs unterliegt, nachdem diese zuvor beim Erwerb und im Rahmen der Innehabung besteuert worden sind 267. Die Umsatzbesteuerung als auch die speziellen Verkehrsteuern 268 und die Verbrauchsteuern 269 sind in der Hinsicht gleichartig, dass das Steuerrecht an die tatsächliche Verwendung von Vermögen anknüpft. Steuergegenstand der Umsatzsteuer ist grundsätzlich die entgeltliche Leistung des Unternehmers und damit eine Betätigung im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 GG. Insoweit stellt die Umsatzsteuerpflicht des Unternehmers eine Inhaltsbestimmung des Eigentums dar. Der Zufluss von Vermögen steht von vornherein unter dem Vorbehalt steuerlicher Abschöpfung und somit Partizipation des Staates zum Zeitpunkt der 265 J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 416; ähnlich M. Jachmann, StuW 1996, S. 104; G. Reiner, DStZ 1999, S. 823, Fn. 112. 266 BVerfGE 26, 215 (222); 52, 1 (31); s. a. J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 238 f. 267 G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 119 f. 268 Grunderwerbsteuer und Versicherungsteuer. 269 Mineralölsteuer, Tabaksteuer und Stromsteuer; BVerfGE 98, 106 (123): „Verbrauchsteuern sind Warensteuern, die den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs belasten. Als Besteuerung des Verbrauchs werden sie in der Regel bei demjenigen Unternehmer erhoben, der das Verbrauchsgut für die allgemeine Nachfrage anbietet, sind aber auf Überwälzung auf den Verbraucher angelegt. Die Verbrauchsteuer knüpft an das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr an, ohne aber, wie die Verkehrsteuern, im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner zu erfassen“.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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Verwendung 270. Bei der Besteuerung etwa des Kaufpreises sind die besteuerten Forderungen mit ihrer Entstehung einer steuerlichen Last unterworfen. Würde die Umsatzsteuer eine Höhe erreichen, die sich insoweit etwa merklich negativ auf die Nachfrageentscheidung der Endverbraucher und damit die Wettbewerbssituation der Unternehmen auswirkt, kann es dabei nicht nur um einen Steuerzugriff auf die Privatnützigkeit der Ertragserzielung gehen, sondern um eine Beschränkung der Möglichkeit, überhaupt ertragswirksame Geschäfte abzuschließen. Die Umsatzsteuer darf aber die unternehmerische Betätigung nicht wirtschaftlich sinnlos machen. Die hierin liegende Freiheitsbeschränkung wird freilich durch die Möglichkeit der Überwälzung abgemildert. Denn ein Eingriff in das geschützte Eigentum des umsatzbesteuerten Unternehmers liegt regelmäßig nicht vor, wenn und soweit der Unternehmer die Steuerbelastung abwälzen kann. Eine Steuer, die auf den Abnehmer des Steuerpflichtigen vorgewälzt oder auf seinen Lieferanten rückgewälzt wird, lässt den Ertrag des Steuerpflichtigen unverändert (durchlaufender Posten); denn er ist nicht der Steuerträger 271. Bei Gelingen der Überwälzung wird weder das Vermögen des Steuerschuldners als Ganzes geschmälert, noch in mittelbarer Weise in eines seiner konkreten Eigentumsrechte eingegriffen. Die Angemessenheit vor allem der Umsatzsteuerlast bestimmt sich daher insbesondere nach der Überwälzbarkeit auf den Nachfrager 272. Steuerüberwälzungen sind dabei zu berücksichtigen, wenn keine gewichtigen Anzeichen vorhanden sind, dass sie aufgrund der Marktsituation nicht gelingen 273. Bei den nicht offen überwälzten indirekten Steuern auf konkrete Vermögensgegenstände kann wohl durchweg davon ausgegangen werden, dass Steuerschuldner und Steuerträger auseinander fallen. Es dürfte hier der Durchschnitt der unter gleichen Voraussetzungen wirtschaftenden Abgabenpflichtigen den Maßstab für die rechtliche Beurteilung setzen. Es ist aber die steuertechnische Besonderheit zu berücksichtigen, dass die Überwälzbarkeit der Steuerlasten auf den Durchschnittsnachfrager zwar markttypische Vermutung, nicht aber immer rechtsstaatlich verbindliche Wirklichkeit ist. Bei dem einzelnen Steuerpflichtigen kann im konkreten Fall eine andere Be-

270 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 198; R. Wendt, NJW 1980, S. 2118 m. w. N. 271 G. Rose, StuW 1999, S. 16 f., J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 65. 272 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 44.; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 69. 273 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 167; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 65.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

trachtungsweise anzuwenden sein, wenn die indirekten Steuern tatsächlich nicht überwälzt werden können und dies nicht auf schlechtem Wirtschaften beruht. Wenn die Überwälzung im Regelfall misslingt und der Steuerschuldner zugleich Steuerträger wird, ist die Belastung denen zuzurechnen ist, von denen die Abgabe unmittelbar erhoben wird. Wird eine derartige Steuer eingeführt oder erhöht, so stellt sie keinen durchlaufenden Posten mehr dar 274. Der Unternehmer ist gezwungen, einen Teil seines Gewinns aus jedem Erwerbsgeschäft an den Staat zu übertragen. Die vom Unternehmer letztlich zu tragende Umsatzsteuer belastet den Ertrag seines Unternehmens 275. Soweit dies der Fall ist, ist sie in die Gesamtbelastung der Ertragserzielung des jeweiligen Unternehmers einzubeziehen. Verlaufen die Überwälzungsvorgänge demnach anders als vorgestellt, so kann die dafür ursächliche Fehleinschätzung der Marktverhältnisse nicht zu Lasten des endgültig Betroffenen gehen; er muss vielmehr auch insoweit die Verletzung der Eigentumsgewährleistung rügen können. Dann greift die Steuer in die durch Art. 14 GG geschützten Forderungen des Unternehmers und in sein Eigentum am Gewerbebetrieb ein. b) Erwerber Insbesondere im Hinblick auf den Erwerber wird angeführt, die fiskalzweckorientierte Belastung der Verwendung von Geldmitteln zum Vermögenserwerb könne grundsätzlich nicht als Bestandteil der eigentumsgrundrechtlich relevanten Belastung betrachtet werden 276. Dies ist zwar zutreffend, soweit ein Unternehmer diese als Vorsteuer abziehen kann. Die auf den Nachfrager überwälzte Umsatzsteuer müsste allerdings grundsätzlich als Belastung dieses endgültig betroffenen Steuerträgers berücksichtigt werden 277. Belastungen im Wege der Überwälzung durch Abgaben, die unmittelbar von anderen erhoben werden, sind gegebenenfalls schwierig festzustellen. Es geht aber nicht an, die Überwälzung von Steuern für die Frage des Eigentumsschutzes auszuklammern. Dann ergäbe sich ein unvollständiges und wertloses Bild der den Einzelnen treffenden Belastung. Die mittelbaren Auswirkungen einer Abgabenerhebung sind so gut wie möglich zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat dafür Sorge zu tragen, dass diese Wirkungen möglichst überschaubar sind. 274

G. Rose, StuW 1999, S. 18. J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 65. 276 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 68 f. 277 K. Tipke, GmbHR 1996, S. 13; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 167; s. a. D. Wilke, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 403 f. 275

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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Gegenüber der Berufung auf die Grundrechte kann er nicht die Unberechenbarkeit seiner eigenen Maßnahmen geltend machen. Für den Erwerber könnte etwa eine Umsatzsteuer insoweit als Eigentumsbeeinträchtigung zu qualifizieren sein, als die Nutzung des Geldes als Eigentumsobjekt für den Erwerb begrenzt wird. Die Umsatzsteuer als indirekte Steuer im Sinne einer allgemeinen Verbrauchsteuer knüpft wie die speziellen Verbrauchsteuern daran an, dass Geldmittel für den Erwerb von Gütern oder die Erlangung von Dienstleistungen aufgewendet werden. Die maßgebliche Freiheitsbeschränkung der Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer besteht darin, dass sie beim Endverbraucher auf das freie Konsumverhalten des Einzelnen dadurch zugreift, dass derjenige, der Geldmittel aufwenden möchte, um eine Leistung zu erlangen, gleichzeitig eine Steuer auf die Vermögensverwendung zu zahlen hat 278. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die indirekten Steuern den konkreten Vermögensgegenstand mehrfach vorbelasten. Die Vorbelastungen des Vermögens ohne Anrechnung dadurch, dass indirekte Steuern meist ihrerseits wieder aus bereits versteuertem Einkommen zu bezahlen sind, muss bei der Bemessung zudem berücksichtigt werden 279. Eine Anrechnung nur ähnlicher Vorbelastungen lässt sich schwer abgrenzen und kaum begründen 280. Daher spricht das Bundesverfassungsgericht im Vermögensteuerbeschluss ausdrücklich davon, dass die Vorbelastung bei der Bemessung der Steuerlast beachtet werden muss 281. Die Besteuerung des Einkommenserwerbs durch Verbrauch- und Verkehrsteuern schmälert jedenfalls insoweit unweigerlich das Eigentum, als dessen Verbrauch für den Einzelnen unvermeidbar ist. Der Gestaltungsspielraum wäre dabei überschritten, wenn eine steuerliche Verteuerung notwendiger Güter der privaten Nachfragekraft ihre existenzsichernde Bedeutung nähme 282. Soweit die Belastungen auf den Verbrauch von existenznotwendigen Gütern fallen, sind sie bei der individuellen Steuerlast des Konsumenten zu berücksichtigen 283. Daher sind bei der Nachfrage nach lebensnotwendigen Gütern der Besteuerungsintensität deutlichere Grenzen gesetzt. Die indirekten Steuern, insbesondere die Umsatzsteuer, setzen die sozialstaatliche Realität voraus, dass jeder über ein Mindestvermögen zur Finanzierung seines existenznotwendigen Bedarfs verfügt und belasten insoweit abgestuft, unter Verschonung etwa der Arzneimittel und der Mietkosten und unter Reduzierung des Steuersatzes (7%) bei Lebensmitteln. 278

M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 83. S. a. K.-G. Loritz, BB 1993, S. 230. 280 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 155. 281 BVerfGE 93, 121 (137 f.). 282 R. Wendt, NJW 1980, S. 2118 m. w. N.; P. Kirchhof , Gutachten für den 57. DJT 1988, F 13 f.; ders., HbStR IV, § 88, Rn. 101. 283 R. Seer, FR 1999, S. 1288. 279

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Der unverzichtbare Konsum muss steuerfrei bleiben, soweit nicht sozialstaatliche Leistungen das individuelle Existenzminimum auch nach Steuern sichern. Diese definitive Steuer müsste in einem ausreichenden Grundfreibetrag Berücksichtigung finden. Das Bundesverfassungsgericht hat im Vermögensteuerbeschluss zudem formuliert, dass der Steuergesetzgeber die steuerliche Vorbelastung insbesondere beim vom Steuerpflichtigen zur wirtschaftlichen Grundlage seiner persönlichen Lebensführung bestimmten Vermögen berücksichtigen muss (sog. Gebrauchsvermögen) 284. Denn schon eine steuerliche Vorbelastung nimmt auf das in dieser Weise zu wahrende Gebrauchsvermögen insoweit Einfluss, als sie ebenfalls die Widmung von erzielten Erträgen für die persönliche Lebensführung betrifft. Zu berücksichtigen wäre etwa die Umsatzsteuer, die beim Erwerb von Gütern des Gebrauchsvermögens zu tragen ist. c) Schenker und Beschenkter Fraglich ist, inwieweit es sich bei der Schenkung um Potential handelt, das im Rahmen der Belastungsobergrenze zu berücksichtigen wäre. Die Schenkungsteuer erfasst den Vermögenszugang beim Empfänger und lässt sich zwar bei ihm als eine Vorbelastung der Eigentumsnutzung qualifizieren 285. Das Eigentumsrecht des Beschenkten leitet sich jedoch aus dem Leistungseigentum des Schenkers ab. Der Erwerber wird zwar Eigentümer der geschenkten Vermögenswerte, auslösendes Moment der Besteuerung ist aber nicht das Eigentum des Beschenkten. Die Schenkungsteuer schöpft nicht privatwirtschaftlich erzielte Erträge ab, sondern belastet den Erwerbsvorgang ohne Leistung des Empfängers. Daher ist bei ihm die Zulässigkeit des staatlichen Zugriffs erweitert, eine erhöhte Sozialpflichtigkeit gerechtfertigt. Der Schenker wird grundsätzlich durch die Belastung mit der Schenkungsteuer in seinem Grundrecht auf Eigentumsnutzung aus Art. 14 Abs. 1 GG beeinträchtigt. Seine Heranziehung zur Schenkungsteuer verstößt zwar noch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, weil dieser die Schenkungsteuerschuld nicht aus dem Schenkungsgegenstand, sondern notwendig nur aus seiner Vermögenssubstanz des vererbten oder verschenkten Gegenstandes entrichten kann. Die Gewährleistung des Verfügungsrechts umfasst nicht das Recht, den Eigentumsbestand ungemindert auf einen Dritten zu übertragen 286. Der Eingriff in das Eigentumsrecht des Schenkers durch die Schenkungsteuer kann aber auch nicht damit gerechtfertigt werden,

284 285 286

BVerfGE 93, 121 (141). R. Seer, FR 1999, S. 1288. M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 86.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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dass es im Belieben des Schenkers stand, ob er einen Vermögensgegenstand verschenkte und dadurch den Tatbestand der Schenkungsteuer und hierdurch seine Haftung auslöste. Mit dieser Argumentation würde die Verfügungsbefugnis des Eigentums ausgehöhlt werden. Auch die unentgeltliche Übertragung ist als letzter Akt der Eigentumsnutzung zu begreifen. Das Primat der privaten Eigentumsnutzung gilt grundsätzlich ebenfalls für diese Übertragung des Eigentums im Wege der Schenkung, jedoch mit der Maßgabe, dass der private Nutzen nach der Entscheidung des ursprünglichen Eigentümers nicht ihm selbst, sondern dem Bedachten zugute kommt. Wenn im Wege der Schenkung zudem Erwerbsgrundlagen weitergegeben werden, deren ertragswirksamer Einsatz der Ertragsbesteuerung nach der Einkommensteuer unterliegt, so dürfen Einkommensteuer und Schenkungsteuer zusammen das Schenken nicht als ökonomisch sinnlos erscheinen lassen 287. Bestehende Betriebe als Funktionseinheit dürfen etwa durch die Schenkungsbesteuerung nicht in ihrer Existenz gefährdet werden. Eine insoweit nicht übermäßige und unzumutbare Belastung des Schenkers dürfte durch Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gedeckt sein 288. Der Gesetzgeber ist zudem zu Recht von der Geltung einer Höchstgrenze im Schenkungsteuerrecht ausgegangen, indem er in der Neufassung des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 den Höchststeuersatz für familienfremde Erwerber (Steuerklasse III) in § 19 Abs. 1 ErbStG auf maximal 50 v. H. von bisher 70 v. H. beschränkt hat 289. 4. Reduzierte Schutzintensität des Eigentumsgebrauchs Verfassungsrechtlich bietet Art. 14 GG damit Begründungsansätze dafür, dass die Besteuerung an den Eigentumsgebrauch und das ruhende Vermögen mit unterschiedlicher Intensität anknüpfen dürfe. Denn der Gebrauch der Eigentumsgegenstände ist Handeln der Menschen, welches der Sozialpflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG, mit der die Freiheit begrifflich verbunden ist, zu folgen hat 290. Die spezielle Sozialbindung des Privateigentums in Art. 14 Abs. 2 GG enthält daher auch Aussagen über die Art und Intensität des Steuerzugriffs 291. Die Steuern auf die Eigentumsverwendung finden ihre Rechtfertigung in der Sozialbindung des Eigentumsgebrauchs 292.

287 BVerfGE 93, 165 (172 ff.); s. a. M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 84; § 35 EStG a. F. der eine Steueranrechnung vorsah, sowie § 28 ErbStG als spezielle Erlassvorschrift. 288 H.-J. Papier, Der Staat 11 (1972), S. 510. 289 BStBl. I 1996, 2049 (2055); hierzu R. Märkle / R. Franz, Stbg 1996, S. 241, 243. 290 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 772. 291 P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 41.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

In dieser Gemeinschaftsabhängigkeit ist eine besondere Sozialpflichtigkeit und damit eine Steuerbarkeit von Einkommen und Umsatz angelegt. Nach dem Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG soll gerade der Gebrauch des Eigentums dem Allgemeinwohl dienen. So hat das Bundesverfassungsgericht die Gesamtsteuerlast von Einkommen- und Vermögensteuer gegenüber dem Einkommen gerechtfertigt, weil beiden Belastungen in der Regel noch aus dem Eigentumsertrag begegnet werden könne 293. Art. 14 GG schützt dementsprechend neben dem Vermögensstamm den Vermögensertrag auf einer Grundlage der gesteigerten Sozialpflichtigkeit des Eigentumsgebrauchs nach Art. 14 Abs. 2 GG. Die Intensität des Schutzes durch Art. 14 GG gegen eine unangemessene Besteuerung unterscheidet sich daher danach, ob ein Vermögensrecht sich konkret auf ein bestimmtes Sachobjekt bezieht oder ob sie nur einen Anspruch auf Zuteilung eines bestimmten Tauschwertes zum Inhalt hat 294. Da Bestands- und Nutzungsgewährleistung des Art. 14 GG insoweit nicht von gleicher Stärke sind, sondern der Staat am Erhalt individuellen Vermögensbestandes durch seine Rechtsordnung und seinen Schutz Anteil hat, er aber am Vermögenserwerb und der Vermögensverwendung des Einzelnen gesteigert beteiligt ist, so ergibt sich daraus eine unterschiedliche Belastungsintensität bei den Bestandssteuern einerseits und bei den Steuern auf das Einkommen und die Vermögensverwendung andererseits 295. Die Vermögensverwendung darf durch Verkehr-, Verbrauchsteuern und Zölle freier besteuert werden, weil nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG der Vermögensgebrauch zugleich dem Wohl der Allgemeinheit zu dienen hat. Dieser Eigentumsgebrauch i. w. S. unterliegt einer gesteigerten Sozialpflichtigkeit, ermöglicht also eine intensivere Besteuerung der Erträge aus einer Kapitalnutzung und aus dem Leistungstausch 296. Der Staat besitzt bezüglich der Ausgestaltung erst in Entstehung begriffener subjektiver Rechte betreffender Steuern eine weiterreichende und weniger limitierte Dispositionsbefugnis, als hinsichtlich jener, von ihm bereits vorgefundener, konsolidierter vermögenswerter Rechte, die erst nachträglich einer steuerlichen Belastung unterworfen werden 297. Diese grundrechtliche Gewährleistung ökonomischer Freiheitsgrundlagen in Art. 14 GG mäßigt den steuerlichen Zugriff. Das geltende Steuerrecht belastet 292

K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 51 f.; P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362. 293 BVerfGE NJW 1976, S. 101; BVerfGE 93, 121 (138); s. a. W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 153 f.; P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 63. 294 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 36 f. 295 E. Denninger, AG 1978, S. 75; W. Rüfner, DVBl. 1970, S. 882; P. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 320; K. Vogel, Finanzverfassung und politisches Ermessen, S. 43. 296 P. Kirchhof , in: Festschrift für H. Sendler, S. 74; ders., JZ 1982, S. 308. 297 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 198.

III. Einheitlicher Schutz verschiedener Eigentumslagen?

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deshalb das Eigentum grundsätzlich beim willentlichen Eigentümerwechsel und die Besteuerung des Eigentumsbestandes unabhängig von einem Eigentumsgebrauch ist die Ausnahme 298. Es besteht eine Präferenz zu dynamischen Vermögenslagen 299. Indem sie vornehmlich nur auf die erzielten Erträge zugreifen darf, wahrt sie grundsätzlich den individuellen, ruhenden Bestand der privaten Erwerbsgrundlage (Einkommensquelle) 300. Die Verschiedenartigkeit des steuerlichen Zugriffs auf das Vermögen gewährleistet, dass das Vermögen insgesamt nicht übermäßig beeinträchtigt wird 301. Auch Paul Kirchhof entnimmt Art. 14 GG, dass die Besteuerung an einerseits das zufließende Vermögen und die Vermögensverwendung, anderseits das ruhende Vermögen mit unterschiedlicher Intensität anknüpfen dürfe, das bloße Haben von Eigentum, der ruhende individuelle Eigentumsbestand nur für eine Besteuerung von abgeschwächter Intensität zugänglich ist 302. Als Hintergrunderklärung führt er zum einen an, dass sich die steuerliche Teilhabe am Vermögenszuwachs und der -verwendung dadurch auszeichne, dass nicht die Bewegung des Eigentums erzwungen, sondern die Steuer grundsätzlich erst mit einer wirtschaftlichen Disposition des Steuerpflichtigen entsteht und nur die Summe des im freiwilligen Güteraustausch erwarteten Entgelts für ein vertraglich veräußertes Eigentum oder eine vereinbarte Dienstleistung vermindert wird. Der Steuerpflichtige habe sich auf die steuerliche Minderung der durch Hingabe von angebotenen Gütern und Dienstleistungen zu erwartenden Gegenleistung eingestellt, empfinde die Steuerlast also eher als Bedingung der Freiheitsausübung und weniger als Entzug von Freiheit oder von freiheitsdienlichen Wirtschaftsgütern, auf dessen unveränderter Verfügbarkeit er vertraue 303. Wenn der Eigentümer sein Eigentum erstmals erworben oder sein Vermögensrecht selbst in Kenntnis der auch von den Steuern abhängigen Preise in individualnütziger Freiwilligkeit der Einschätzung und Neubewertung unterworfen hat, sei es für einen Besteuerungszugriff eher zugänglich als ein individueller Vermögensbestand in seiner fortdauernden Zugehörigkeit zum Privateigentum 304. Das 298 K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 50 f.; P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362; ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 282. 299 R. Wittmann, StuW 1993, S. 45. 300 P. Kirchhof , in: Festschrift für H. Sendler, S. 72; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 61 f.; ders., HbStR IV, § 88, Rn. 99. 301 R. Wendt, NJW 1980, S. 2118. 302 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 36 f.; ders., HbStR IV, § 88, Rn. 98. 303 P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 61 f. 304 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 98; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 63; ders., in: Festschrift für H. Sendler, S. 72.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

erstmalig zufließende oder das in Tauschvorgängen eingebrachte Eigentum sei steueranfälliger als das von einem Eigentümer auf Dauer festgehaltene Eigentum, weil Art. 14 GG das willentlich zur Disposition gestellte Eigentum nicht in seiner Substanz, sondern nur in seinem Wertäquivalent schützen kann. Daher sei insbesondere der erwirtschaftete Vermögenszuwachs geeignet, die Leistungsfähigkeit des Einzelnen zu verifizieren und die Steuerschuld entsprechend differenziert zu bemessen. Es handelt sich insofern um eine freiheitssichernde Bedeutung als die Steuerpflicht an die Ausübung und das wirtschaftliche Ergebnis privatautonomer Initiative gebunden ist. Ein erhöhter sozialer Bezug des Einkommens gegenüber dem sogenannten ruhenden Vermögen sei auch typisierend nach dem Beitrag des Marktes am Entstehen dieses erzielten Vermögenszuwachses bemessen 305. Die Erbringung einer Leistung allein reiche nicht aus, um Einkommen zur Entstehung zu bringen, sondern die Mitwirkung der Anbieter in Gestalt eines konkreten Marktpartners sowie der Staat, der eine rechtliche Ordnung bereit hält, ermöglichten erst den wirtschaftlichen Vollzug eines Leistungsaustausches und damit die Einkommensbildung 306. Es werde somit deutlich, dass Markteinkommen gleichermaßen Teilhabeeinkommen ist, weil dieser Erwerb in vielen Fällen dadurch erwächst, dass der Erwerber das Angebot und die Nachfrage des von der Rechtsgemeinschaft organisierten und geförderten Marktes und staatlicherseits gewährleisteten Ordnungsrahmen beansprucht. An jedem entgeltlichen Leistungstausch sei die Allgemeinheit des Markts beteiligt, den der Staat in seinem Besteuerungsanspruch repräsentiert und fordert in der Steuerbelastung seinen Beitrag zur Entstehung individueller Nachfragekraft ein 307. Hieraus könnte gefolgert werden, dass die Intensität des Steuerzugriffs auf die Ertragserzielung in dem Maße steigt, in dem sie auf einen funktionsfähigen Markt angewiesen ist und die vom Staat gewährleistete Rechtsordnung in Anspruch nimmt 308. Je mehr der Einzelne, bei identischer höchstpersönlicher Leistung, einen Markterfolg entgegennimmt, desto größer sei der Anteil dieses Marktes am individuellen Einkommen. Die praktischen Folgerungen dieser Überlegung lägen vor allem umgekehrt in der Nichtsteuerbarkeit des Leistungsempfangs außerhalb des Marktes. Leistungen an sich selbst, insbesondere die Wertschöpfung für den privaten Eigenbedarf oder die Nutzung privater Wirtschaftsgüter, blieben steuerfrei. Entsprechend sei der Aufwand für eine nicht marktbezogene Betätigung

305

P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 37. P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 60 f.; ders., in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 38. 307 P. Kirchhof , in: Festschrift für H. Sendler, S. 72; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 58 f.; ders., in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 37. 308 S. a. M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 59. 306

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 193

(etwa Unterhaltszahlungen, staatliche Transferleistungen oder die Vermögensverwaltung und die sogenannte Liebhaberei) einkommensteuerlich unerheblich. Fraglich ist allerdings, ob die Steuer wirklich als freiwillig in Kauf genommene Belastung eines Güteraustausches angesehen werden kann. Zudem ist gegen ein Abstellen auf die Abhängigkeit der Ertragserzielung von der Rechtsordnung einzuwenden, dass Freiheitsbetätigungen gerade erst in dem Zusammenwirken vieler möglich werden, es ohne die Vermittlung der Rechtsordnung kein Eigentum gibt und nicht nur der Erwerb auf dem Markt auf der Basis der staatlichen Rechtsordnung erfolgt 309. Es ist deshalb nicht ersichtlich, wie die gesetzliche Vorregelung der Ertragserzielung deren besondere Sozialpflichtigkeit begründen soll. Unabhängig von der sachlichen Berechtigung einer Staffelung der Steuerbarkeit nach dem Marktbezug, ist ein solcher Ansatz aber jedenfalls nicht in Richtung auf eine Grenze der Übermaßbesteuerung konkretisierbar.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 1. Allgemeines und Geeignetheit Die Eigentumsgewährleistung wird nicht schon durch die Wegnahme eines Steuerbetrages, sondern immer verletzt, wenn ein Steuergesetz das Eigentumsgrundrecht unangemessen beeinträchtigt 310. Die Formel des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG beschreibt dieses Kollisions- oder Spannungsverhältnis zwischen Eigentumsgebrauch und Allgemeinwohl, wonach der Gesetzgeber die öffentlichen Belange zum Tragen bringen soll, in einer Nutzung, welche zu der des Eigentümers hinzutritt. Die Grenzen der Sozialbindung, die Schranken-Schranken des Eigentums, sind zu bestimmen. Das entsprechende Gesetz muss bei der Ausgestaltung der Eigentumsordnung zwischen den in Art. 14 Abs. 2 GG verankerten sozialen Bezug und den jeweils betroffenen schutzwürdigen privaten Interessen auf den Fortbestand des Eigentums einen angemessen Ausgleich herbeiführen 311. Allgemein stehen der Gesetzgeber bei der Erfüllung des ihm in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 erteilten Auftrags, Inhalt und Schranken des Eigentums zu bestimmen, sowie die Gerichte und Behörden bei deren Auslegung und Anwendung vor der Aufgabe, einerseits die Bedeutung und Tragweite des grundgesetzlich gewährleisteten Eigentums sowie andererseits in gleicher Wei309

R. Wittmann, StuW 1993, 43. P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362; ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 233. 311 BVerfGE 25, 112 (117 f.); 37, 132 (140 f.); 38, 348 (370); 49, 382 (394); 50, 290 (340 f.); 52, 1 (32); s. a. M. Jachmann, StuW 1996, S. 102; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 794 m. w. N. 310

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

se dessen Sozialpflichtigkeit nach Art. 14 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen 312. Eine einseitige Bevorzugung oder Benachteiligung des einen oder des anderen Aspekts des Eigentums steht mit den verfassungsrechtlichen Vorstellungen eines sozialgebundenen Eigentums nicht in Einklang 313. Die angestrebte Dauerhaftigkeit verfassungsrechtlicher Bestimmungen lässt sich mit der allgemeinen, richtungsweisenden Formulierung des Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Ziff. 2 GG andeuten, „Überbelastungen des einzelnen Steuerpflichtigen sind zu vermeiden“ 314. Hinsichtlich dieser Aussage kann zudem das Leistungsfähigkeitsprinzip als notwendige Basis auch einer verhältnismäßigen Besteuerung betrachtet werden 315. Zur Materialisierung dieses Grundsatzes, dass die Eingriffe die betroffenen Eigentümer nicht übermäßig belasten und deshalb für sie unzumutbar sein dürfen 316, ist nach allgemeinen Grundsätzen das Verhältnismäßigkeitsprinzip heranzuziehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit i. w. S. der staatlichen Inpflichtnahme, umfasst die Geeignetheit, die Erforderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit i. e. S., also die Abwägung der widerstreitenden verfassungskräftige Belange. Über diese Anwendung ergibt sich die Herstellung praktischer Konkordanz zwischen den kollidierenden, verfassungsrechtlich geschützten Interessen 317. Die Bindung des Gesetzgebers an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass dem auch im Hinblick auf steuerliche Belastungswirkungen Rechnung zu tragen ist 318. Bei der Inhalts- und Schrankenbestimmung durch eine Besteuerung des Vermögenserwerbs, des Vermögensbestandes und der Vermögensverwendung muss der Gesetzgeber miteinander konkurrierende Mittel und Zweck aufeinander abstimmen, so dass eine übermäßige Last vermieden wird 319. Auch bei der Besteuerung als Sozialbindung sind 312 BVerfGE 100, 226 (240); BVerfGE NJW 2000, S. 2575; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 226 f.; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 76; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 130. 313 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 145 f. 314 M. Kloepfer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 407; K. Vogel, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 414 f.; s. a. R. Seer, FR 1999, S. 1285; L. Schemmel, StuW 1995, S. 40, 56. 315 W. Leisner, NJW 1996, S. 1511 (1516) „Wo nichts mehr ist, kann und darf sich der Abgabenstaat nichts holen“. 316 BVerfGE 58, 137 (148); 72, 9 (23); 76, 220 (238). 317 BVerfGE 7, 377 (407); 16, 194 (202); 17, 108 (117); 23, 127 (133 f.); 25, 112 (117 f.); 27, 211 (219); 27, 344 (352); 28, 66 (88); 28, 264 (280); 36, 47 (58); 37, 132 (140); 52, 1 (29); 58, 137 (147 f.); 58, 300 (338); 68, 361 (368); 72, 66 (77 f.); 79, 174 (198); 87, 114 (138); s. a.; K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 317 f. 318 J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 359 f. 319 BVerfGE 89, 1 (8); H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 73; s. a. R. Seer, FR 1999, S. 1285; G. Rose, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 90.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 195

die materialen Kriterien der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu prüfen. Einer Steuererhebung wäre fehlende Zweckeignung zu bescheinigen, wenn sie nicht an einen Sachverhalt anknüpfen würde, der zur Erbringung einer Geldleistung befähigt. 2. Erforderlichkeit a) Grundsatz Wendet man das Verhältnismäßigkeitsprinzip weiter an, so verpflichtet die Steuererhebung nach rechtsstaatlichen Grundsätzen zur Prüfung, ob sie zur Erfüllung ihres Zwecks, die Ausgaben des Staates zu finanzieren, erforderlich ist. Nach dem Bundesverfassungsgericht ist ein vom Gesetzgeber für den angestrebten Zweck gewähltes Mittel erforderlich, wenn er nicht ein anderes, gleich wirksames, aber die Grundrechte nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können 320. Ausgehend von den Zielvorstellungen des Staates und den Interessen des Eigentümers könnte sich das Gebot des geringsten erforderlichen Eingriffs für den Bereich der steuerlichen Belastungswirkungen im Ergebnis in der Regel noch klar befolgen lassen. Man wäre sogar versucht, jede Steuer für geeignet und erforderlich zu halten. Während andere Rechtsgebiete in einem konkreten Zweck ihr sinnstiftendes und -begrenzendes Leitmotiv finden, bietet der Besteuerungszweck selbst, staatliche Einnahmen zu erzielen, keinen Maßstab einer Verhältnismäßigkeitsprüfung der Steuergesetzgebung und Steuerrechtsanwendung, weil jede Festsetzung und Erhebung einer Steuer dem Zweck der Einnahmeerzielung dient, indem der öffentlichen Hand durch den beim Pflichtigen bewirkten Liquiditätsentzug diese Mittel zur Verfügung gestellt werden. Da die Bedeutung der Steuer die Einnahmeerzielung des Staates ist, und ein weiterer Zweck jenseits der Geldmittelbeschaffung für den Staat in der Regel fehlt, sind das legitime öffentliche Interesse und das zu seiner Förderung eingesetzte Mittel quasi identisch. Weil Geldleistungspflichten den Bürger in gleicher Weise in seinen Grundrechten einschränken, ob die Geldzahlung aufgrund eines Steuertatbestandes oder einer sonstigen Norm auferlegt wird, gibt es auch kein gleichwirksames Mittel, das die Grundrechte nicht oder doch weniger fühlbar beschränkt 321.

320 321

BVerfGE 19, 330 (337); 22, 171 (187); 25, 1 (17); 30, 292 (316); 37, 1 (21). P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 25 f.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Damit könnte das Interesse des Staates an der Erzielung von Einnahmen zumindest so lange nicht weiter rechtlich überprüft werden, als seinen Gesamteinnahmen mindestens gleich hohe Gesamtausgaben gegenüberstehen. Weil daher jede Steuerbelastung des Einzelnen bis zur anteiligen Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs zur Finanzierung von Staatsausgaben geeignet und erforderlich wäre, ermöglichten die Kriterien der Geeignetheit und Erforderlichkeit insoweit grundsätzlich keine wirksame Prüfung zwischen dem betroffenen Eigentümerrecht und dem Interesse des Staates, Einnahmen zu erzielen 322. Die relative Ineffizienz der Eigentumsgewährleistung des Art. 14 GG im Verhältnis zum staatlichen Steuereingriff liege somit grundsätzlich auch darin begründet, dass das Verbot unverhältnismäßiger Freiheitsbeschränkungen im Steuerrecht angesichts des intendierten Einnahmeerzielungszwecks wenig geeignet ist, um den Besteuerungszugriff der Höhe nach zu begrenzen 323. Zu denken ist in diesem Zusammenhang aber an eine Einbeziehung der durch die Finanzmittel bewirkten Vorhaben als Förderungen anderer konkreter öffentlicher Interessen in die Verhältnismäßigkeit. Doch der Versuch einer Verknüpfung der Allgemeinwohlverpflichtung des Ausgaben-Gesetzgebers mit der des Steuergesetzgebers, d. h. die Begrenzung der Steuerbelastung auf das zur Verfolgung des sachlichen Gemeinwohls Erforderliche, steht vor einem strukturellen Problem. Diese Schwierigkeit einer Steuerrechtfertigungslehre liegt in der Allgemeinheit ihres Zweckes, den öffentlichen Finanzbedarf zu decken. Der haushaltsrechtliche Grundsatz der rechtlichen Zweckungebundenheit einer bestimmten Steuereinnahme und die dadurch bedingte Abstraktion des Steuereingriffs verhindern die für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung notwendige Konkretisierung der Zweck-Mittel-Relation (§§ 7 HGrG, 8 BHO). Dieses Prinzip der NonAffektation besagt, dass sämtliche Steuereinnahmen der Tätigkeit der öffentlichen Hand dienen und eine von Zweckbindungen freie einheitliche Deckungsmasse für die Gesamtheit aller staatlichen Ausgaben bilden und die einzelne Steuer grundsätzlich auch keiner bestimmten staatlichen Sachaufgabe zugeordnet ist. Das Grundgesetz verzichtet insoweit darauf, die Ziele staatlicher Finanzwirtschaft konkret zu definieren, sondern es behandelt Aufgaben und Ziele des Finanzstaates primär als Kompetenzproblem, beschränkt sich also darauf, die Zuständigkeit für die Entscheidung über Handlungsziele unter den verschiedenen Staatsorganen vor allem von Regierung und Parlament sowie von Bund und Ländern zuzuweisen 324. Der Steuerstaat schafft damit bei der Bestimmung des Fi-

322 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 113; G. Reiner, DStZ 1999, S. 817; J. Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 434; J. Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 413 m. w. N. 323 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 145 m. w. N.; ders., DVBl. 1980, S. 787 (792) m. w. N.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 197

nanzbedarfs bewusst eine Distanz zwischen Steuerzahler und steuerabhängigem Leistungspotential, um seine Unbefangenheit gegenüber jedem Bürger unabhängig von dessen Steuerleistung zu wahren 325. Unter Geltung dieses Charakters der Steuereinnahmen scheint sich die Verwendung von Mitteln für einzelne staatliche Aufgaben nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze auszuwirken, aufgrund derer die Mittel erhoben werden, da keine unmittelbare Deckungsbeziehung zwischen der konkreten Belastung des Eigentümers durch den Steuerzugriff einerseits und einer einzelnen staatlich finanzierten Maßnahme andererseits hergestellt werden kann, die eine Angemessenheitskontrolle ermöglichen würde. Das individuelle Recht des Steuerpflichtigen bliebe unabhängig von einem einzelnen staatlichen Finanzierungsvorhaben 326. Weil die einzelne Steuer grundsätzlich keiner bestimmten staatlichen Sachaufgabe zugeordnet sei, liege der Zusammenhang zwischen der Aufbringung der Steuermittel und ihrer Verwendungszwecke daher nach herrschender Ansicht, außerhalb des Schutzbereichs der Eigentumsgewährleistung 327. Die Zweckmäßigkeit oder Nützlichkeit einer über die Steuer zu finanzierenden Maßnahme sei eine, über die Berechtigung der Einnahmeerzielung hinausgehende, gerichtlich nicht überprüfbare Frage der politischen Gestaltungsfreiheit. Die Aufgabenseite könne nicht über die Eigentumsgewährleistung des Individualrechts begrenzt werden, denn weder das Übermaßverbot noch andere den Gesetzgeber betreffende Eingriffsschranken geben eine Richtschnur dafür, welche Höhe die öffentlichen Lasten insgesamt und überhaupt haben und ob neue, finanzielle Lasten verursachende Tätigkeitsfelder vom Staat übernommen werden dürfen 328. Ein aus dem Eigentum abgeleitetes Individualgrundrecht gebe keine individuelle Befugnis, dem Staat bestimmte Finanzierungsvorhaben zu verwehren 329. Entsprechend urteilte das Bundesverfassungsgericht, aus den Grundrechten folge kein Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung öffentlicher Mittel 330. Weil das verbleibende Erfordernis der Einkünfteerzielungsabsicht immer gegeben ist, nimmt das Bundesverfassungsgericht an, dass es, anders als bei den meisten sonstigen Eingriffsermächtigungen, im Bereich der Steuergesetze nicht möglich sei, 324

P. Kirchhof , in: Staatsfinanzierung im Wandel, S. 37. J. Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, Steuerstaat als Staatsform, S. 423; P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 250, 282. 326 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 248. 327 P. Badura, Verhandlungen des Dt. Juristentages 1972, T 32; P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 16; ders., JZ 1979, S. 158; s. a. H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 94 f. 328 P. Kirchhof , StuW 1980, S. 362; P. Badura, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 395 f.; D. Wilke, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 404; H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 793. 329 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 248. 330 BVerfGE 78, 320 (331); BVerfG NJW 1993, S. 455. 325

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

eine konkrete rechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung zwischen Eingriffszweck und Eingriffsgewicht herzustellen 331. b) Wirtschaftlichkeitskontrolle Sogar eine Verschwendung von öffentlichen Mitteln scheint den einzelnen Steuerzahler daher nicht zu betreffen. Denn dies würde voraussetzen, dass der Staat und alle seine Organe bei finanzpolitischen Entscheidungen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit Rechnung tragen. Doch nach herrschender Ansicht gilt die Bindung des Gesetzgebers an das Wirtschaftlichkeitsgebot nur für die Exekutive und schafft keinen Anspruch des Bürgers auf staatliche Finanzgausgaben und damit den Steuerbedarf 332. Die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Haushaltsführung sind grundsätzlich Maßstäbe der Rechnungsprüfung (Art. 114 Abs. 2 GG). Der Steuerpflichtige sei von der individuellen Kontrolle der Ertragsverwendung ausgeschlossen 333. Soweit eine Steuer dem vom Haushaltsgesetzgeber festgelegten Finanzierungsbedarf diene, könne die Berufung auf die Eigentumsgewährleistung nicht zu einer rechtlichen Nachprüfbarkeit der zu finanzierenden Zwecke führen, d. h. die Programme und Projekte zur Erledigung der Staatsaufgaben, der Art und Weise der Aufgabenerfüllung und der Sparsamkeit der Mittelbewirtschaftung 334. Eine Überprüfung des Verhältnisses von Besteuerung und Mittelverausgabung sei zudem praktisch und prozessual nicht durchsetzbar, da jede Erhebung von Steuermitteln, aus denen auch irgendeine öffentliche Verschwendung finanziert wird, eigentumswidrig wäre und es zu einer Popularklage gegen die Verschwendung von öffentlichen Mitteln führen würde 335. Ein subjektives Recht des Bürgers auf Wahrung einer zumindest minimalen Ausgabendisziplin, d. h. Schutz vor Verschwendung von Steuergeldern sei wegen der fehlenden Praktikabilität eines solchen Grundrechteschutzes abzulehnen. Man könne gar nicht feststellen,

331 BVerfGE 63, 286 (316); s. a. hierzu H.-J. Papier, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 370; P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 376, 399, 402; R. Breuer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 383 f.; M. Kloepfer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 408; J. Isensee, in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 409, 434; W. Leisner, NJW 1995, S. 2591. 332 H. H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Verfassungsprinzip, S. 73; ders., Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 317; K. Vogel / P. Kirchhof , Art. 114 GG, Rn. 100; K. Vogel in: Festschrift für H. P. Ipsen, S. 539 (548 f.). 333 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 248. 334 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4. 335 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 316; K. M. Hettlage, VVDStRL 14, S. 9.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 199

ob ein bestimmter Steuerbetrag gerade für verhältnismäßig unwichtige Aufgaben verwendet wurde. Fraglich ist aber, ob sich aus dem Postulat der Wirtschaftlichkeit der staatlichen Haushalts- und Wirtschaftsführung nicht doch engere Grenzen für die Belastung der Gesellschaft durch den Steuerzugriff ergeben 336. Die Annahme eines grundrechtlichen Anspruchs des Bürgers auf eine dem Gebot der Wirtschaftlichkeit genügende Mittelverausgabung ist vor dem Hintergrund einer Fortbildung des Eigentumsschutzes hin zu einem allgemeinen Vermögensschutz denkbar. Die grundsätzliche Trennung von staatlicher Einnahmebeschaffung durch Steuererhebung einerseits und staatlicher Mittelverwendung andererseits könnte dadurch überwunden werden, dass ein verfassungsrechtlicher Maßstab für die Steuererhebung die Art und Weise dieser Mittelverwendung mit einbezöge. Insoweit könnte das Wirtschaftlichkeitsprinzip für die Vermeidung einer eigentumsschädlichen Überbesteuerung Bedeutung haben, weil mit seiner Hilfe die öffentlichen Ausgaben und damit die Abgaben in Grenzen gehalten werden können. Zwischen der steuerlichen Belastung des Einzelnen und den mit dem Ertrag finanzierten Maßnahmen besteht auch ein wirtschaftlicher Zusammenhang, weil jede Vermehrung staatlicher Leistungen einen erhöhten Finanzbedarf nach sich zieht, der wiederum durch die Erschließung neuer oder die verstärkte Inanspruchnahme alter Einnahmequellen gedeckt werden muss. Die erforderlichen Einnahmen hängen von den durch den Staat zu erfüllenden Aufgaben und damit notwendigen Ausgaben ab. Angesichts dieser tatsächlichen Konnexität, Interdependenz von Staatseinnahmen und Staatsausgaben, könnte es erforderlich sein, den Blick von der isolierten Betrachtung der Besteuerung zu heben und auch ihre eigentlichen Zwecke, nämlich die steuer-finanzierten Staatsaufgaben einzubeziehen, einen rechtlichen Zusammenhang zwischen Besteuerung und Steuerverwendung herzustellen 337. Die Anforderung von Vermögenswerten kann niemals Selbstzweck sein oder lediglich von der Belastungsseite her gerechtfertigt werden 338. Vielmehr wird den Bürgern über Abgaben ein beträchtlicher Teil ihres Einkommens und Vermö-

336 Wirtschaftlichkeitsdefinition bei H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 315; kritisch H.-J. Papier, KritV 1987, S. 147 der den Ansatz in die „Traumfabrik des Staatsrechts“ einordnet; s. a. P. Kirchhof , in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 374, 401; ders., in: Festschrift für K. Vogel zum 65. Geburtstag, S. 29 ff; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 59 Fn. 73; K. H. Friauf , JurA 1970, S. 311; M. Jachmann, StuW 1996, S. 99; K. Vogel, HbStR I, § 27, Rn. 65 ff. 337 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 288; diskutiert von W. Rüfner, in: Festschrift für J. Broermann, S. 356. 338 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 68 f.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

gens zwangsweise genommen und statt der persönlichen einer kollektiven Verwendung zugeführt. Der Staat und seine Organe sind nur Treuhänder der ihnen zufließenden Abgaben. Dieser Entzug durch die Erhebung von Steuern für öffentliche Aufgaben und Ausgaben erscheint gerade gegenüber ihrem Auftraggeber, den Bürgern, im Hinblick auf die Eigentumsgewährleistung nur gerechtfertigt, wenn die öffentlichen Mittel möglichst wirksam und rational für Zwecke der Allgemeinheit verwendet werden. Denn das in Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG festgelegte Wirtschaftlichkeitsprinzip ist wesentliches Element der staatlichen Allgemeinwohlverpflichtung. Eine Erhebung von Steuern zur Finanzierung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechenden Ausgaben für Maßnahmen dient nicht dem Wohl der Allgemeinheit und ist daher mit Art. 14 GG unvereinbar 339. Die Besteuerung muss durch das öffentliche Interesse geboten sein 340. Der Begriff der Erforderlichkeit bei der Prüfung der Zulässigkeit von Steuermaßnahmen könnte demnach in dem Sinne verstanden werden, dass die Steuersätze unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer sparsamen Haushaltswirtschaft das zur Erfüllung notwendiger Staatsaufgaben erforderliche Mindestmaß an Einnahmen nicht überschreiten dürfen 341. Diese Erforderlichkeit rechtfertigt die Steuererhebung. Im Hinblick auf die Gewährleistung des Eigentums in Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG kann das Erheben von öffentlichen Abgaben durch den Staat und andere öffentlich-rechtliche Gemeinwesen nur insoweit zulässig und gerechtfertigt sein, wenn und soweit diese Geld zur Erfüllung ihrer Zwecke, zur Finanzierung der Staatsaufgaben und zur Deckung des öffentlichen Bedarfs benötigen 342. Steuern dürfen nur für einen legitimen staatlichen Finanzbedarf erhoben werden. Eine Bindung auch des Steuergesetzgebers an dieses Verfassungsprinzip ergibt sich deswegen insbesondere auch aus Art. 14 GG im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot. Die Wirtschaftlichkeitsbindung ist auf den Ausgaben-Gesetzgeber zu erstrecken. Wirtschaftlichkeit staatlichen Handelns bedeutet die Verhältnismäßigkeit zwischen Steuerbelastung und Ausgabengewicht und Vermeidung eines durch die Ziele des staatlichen Handelns nicht gerechtfertigten Aufwands 343. Eine Grenze für die Besteuerung ergibt sich daraus insofern, als die durch die Steuererhebung

339 H. H. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit als Rechtsprinzip, 1988, S. 73; ders., in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 397; M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 56. 340 H. H. v. Arnim, StuW 1980, S. 363. 341 J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 113; K. Vogel, in: Festschrift für T. Maunz, S. 426. 342 F. Klein, StuW 1966, S. 459, 482; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 83. 343 H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 288, 316 mit Hinweis auf Constitution of Pennsylvania.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 201

zu erzielenden Einnahmen nicht außer Verhältnis stehen dürfen zu dem hiermit zusammenhängenden Verwaltungsaufwand. Das fundamentale Wirtschaftlichkeitsprinzip verlangt dabei, dass die zur Erreichung bestimmter Zwecke in Betracht kommenden Maßnahmen ermittelt werden und ein optimales Verhältnis zwischen den vom Staat verfolgten Zwecken und den einzusetzenden öffentlichen Mitteln angestrebt wird. Dies ist die Maßnahme, bei der das Verhältnis zwischen Kosten oder Aufwand und Nutzen am günstigsten ist, d. h. die jeweiligen Zwecke mit geringstmöglichen öffentlichen Finanzmitteln verwirklicht werden, Minimalprinzip, oder wenn mit gegebenen öffentlichen Finanzmitteln jeweils der größtmöglichen Erfolg bei den verfolgten Zwecken erzielt wird, Maximalprinzip. Im Wirtschaftlichkeitsprinzip ist auch der Grundsatz der Sparsamkeit enthalten; er wird mit dem Minimierungsgebot gleichgesetzt und verlangt die Vermeidung von Kosten, die zur Verwirklichung der angestrebten Zwecke nicht erforderlich sind 344. Hiergegen verstoßen Politik und Verwaltung, sobald sie öffentliche Mittel verschwenden, also unwirtschaftlich, etwa für unnötige Regelungen einsetzen 345. Die Grenze dürfte überschritten sein, wenn eine solche verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigte Verwendung der Mittel die Höhe der Gesamtlast zum Nachteil des einzelnen Pflichtigen für diesen merklich erhöht 346. Der Staat kann daher auch nicht beliebig viele, über seinen eigenen Bedarf hinaus neue und vermehrte Aufgaben mit der Folge an sich ziehen und wahrnehmen, so dass eine immer höhere Gesamtsteuerlast erforderlich wäre und der Gemeinschaft die Pflicht auferlegen, die Lasten hierfür zu tragen. Zur Wahrung der privatwirtschaftlichen Handlungsräume ist dafür zu sorgen, dass der Staatsanteil – verstanden als der Anteil der von der öffentlichen Hand bewirtschafteten Mittel am Sozialprodukt – in Grenzen gehalten wird und nicht ausufert. Es ist notwendig, bei jeder neuen Aufgabe, die der Staat übernehmen will, zu fragen, ob es erforderlich ist, dass der Staat sich dieser Aufgabe annimmt. Demnach sollte nicht der Staatsanteil, sondern der private Sektor eindeutig überwiegen. Im Verhältnis Staat-Individuum soll der Staat danach nur solche Aufgaben übernehmen, welche die Individuen nicht mehr zu bewältigen vermögen. Der Staat darf die Bürger nur insoweit mit Steuern belasten, als dies zur Erfüllung seiner unverzichtbaren Funktionen in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unerlässlich ist 347.

344 L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 194 f. mit Durchsetzung über abstrakte Normenkontrolle. 345 L. Schemmel, StuW 1995, S. 53 mit Zahlen des Bundes der Steuerzahler; lt. Schwarzbuch 2005 des Bundes der Steuerzahler werden jährlich EUR 30 Milliarden verschwendet; H. H. v. Arnim, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 398. 346 E. Benda, DStZ 1973, S. 52; E. Schmidt-Jortzig, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 413; K. Vogel, HbStR IV, § 87, Rn. 102 f.; M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 58.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Dieser Schutz vor einer überhöhten Abgabenbelastung würde etwa durch eine Staatsquote wirksam abgestützt werden 348, wenn die Zunahme des Bruttosozialprodukts zur Regelgrenze für das Ausgabenwachstum gemacht würde und Abweichungen davon nur in Sonderfällen zulässig wären. Im Rahmen einer derartigen Bestimmung würde dem Gesetzgeber eine Obergrenze für ihre Ausgabenpolitik gezogen, bei deren Überschreiten darzulegen wäre, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind; weiterhin hätten sie zu begründen, dass die überproportionale Ausgabenausweitung erforderlich und geeignet ist, die Unterauslastung des volkswirtschaftlichen Produktionspotentials zu verhindern oder zu beseitigen. Eine grundgesetzliche Festlegung der Ausgabenzuwachsrate auf einen konkreten Prozentsatz wäre eine grobe und starre Regelung, die besondere Entwicklungen und Erfordernisse außer Acht ließe. 3. Verhältnismäßigkeit i. e. S. a) Grundsatz Als weiteres Kontrollkriterium gegenüber Steuern verbleibt eine auf den einzelnen Steuerzugriff bezogene Abwägung der widerstreitenden Interessen bei der Bestimmung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs i. e. S. Die Eigentumsbeschränkung durch Erhebung von Steuern für öffentlichen Aufgaben und Ausgaben ist nur zulässig und mit Art. 14 GG vereinbar, wenn und soweit sie ein Vermögensopfer zur Folge hat, das gemäß einer am Inhalt des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und Leitbild des öffentlichen Interesses des Art. 14 Abs. 2 GG orientierten Abwägung im Verhältnis zwischen Eigentümer und Allgemeinheit gerechtfertigt ist 349. Der Einzelne kann durch ein Steuergesetz dadurch in seinen Rechten verletzt werden, dass der Gesetzgeber die ihm durch die Eigentumsgewährleistung aufgegebene Abwägung und Ausgleichung des privaten Eigentums und der Erfordernisse des Wohls der Allgemeinheit verfehlt 350. Es stellt sich die Frage, bei welchen Größen die im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsbeurteilung zu bildende Zweck-Mittel-Relation anzusetzen ist.

347 H. Feldmann, StuW 1998, S. 115; L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 125 f. 348 Kritisch K. Tipke StuW 1994, S. 61; ders., MDR 1995, S. 1179. 349 BVerfGE 8, 71 (80); J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 112; H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 316; R. Mußgnug, in: Festschrift für E. Forsthoff, S. 276; R. Wendt, NJW 1980, S. 2115 f. 350 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 4.; R. Wendt, in: M. Sachs, GG, Art. 14, Rn. 143.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 203

Um vor der Verfassung Bestand zu haben, müssen die Einschränkungen der Eigentümerbefugnisse vom geregelten Sachbereich geboten und auch in ihrer Ausgestaltung sachgerecht sein, dürfen nicht weitergehen, als der Schutzzweck reicht, dem die Regelung dient 351. Maßgeblich ist demnach zum einen die ratio des jeweiligen Steuergesetzes, die sich aus der Auslegung ergibt. Aber wegen der oben genannten geringen Bedeutung, welche dem Besteuerungszweck als Maßstab für den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Rahmen der Begrenzung der Besteuerung zukommt, muss die gebotene Prüfung durch weitere Maßstäbe ergänzt werden. Das Verhältnismäßigkeitsprinzip erwartet vom Gesetzgeber eine konkrete Zweckvorgabe, nämlich die Aussage, warum die öffentliche Hand gerade an diesem Wirtschaftsgut bei diesem Steuerpflichtigen teilhaben will. Bei der Geldanforderung muss es allein unter dem Gesichtspunkt des Übermaßes Grenzen, den unantastbaren Kernbereich der vermögensrechtlichen Stellung des Einzelnen geben 352. Geprägt werden die widerstreitenden Interessen neben dem Interesse des Staates an der Einnahmeerzielung auf der einen Seite aber auch durch das Interesse des Bürgers am Erhalt seiner Vermögensgüter auf der anderen Seite. Es kommt entscheidend auf die Abwägung zwischen der Intensität der Belastung der Privatnützigkeitsinteressen des Einzelnen und dem Gewicht der zu ihrer Rechtfertigung angeführten Gründe der Allgemeinheit an 353. Angesichts des oben dargestellen Problems der Zweckungebundenheit der Steuermittel ergibt sich die Prüfung der Unangemessenheit eines Steuerzugriffs dabei vor allem aus der Feststellung der Art und Intensität des steuerlichen Eingriffs 354. Zur Abgrenzung zulässiger Sozialbindung wird die Schwere des Eingriffs betrachtet, wie viel dem Einzelnen zur eigenen Lebensgestaltung übrig bleibt. Das Grundgesetz sieht die Staatseinnahmen primär als Problem der Belastbarkeit der einzelnen Bürger. Die Belastung eines Steuereingriffs lässt sich durch die mit ihm bewirkte Einbuße an wirtschaftlicher Ertragskraft ohne weiteres messen. Die Eingriffsintensität kann durch die Höhe der Steuer beschrieben werden.

351 BVerfGE 25, 112 (117 f.); 37, 132 (141); 52, 1 (29); 72, 66 (67 f.); 100, 226 (239 ff.); H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 76. 352 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 68. 353 S. a. K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 896 f. 354 M. Jachmann, StuW 1996, S. 102.

204

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

b) Freiheitsrechtliche Argumentation aa) Bedeutung der sozialen Beziehung im Eigentumsschutz Um die Intensität der damit verbundenen Beeinträchtigung des Eigentums bestimmen zu können, kann gefragt werden, ob der Schutzgedanke mit steigendem Vermögen abnimmt, demnach die soziale Beziehung des Eigentümers zu berücksichtigen sei. Denn das Ausmaß und der Umfang der sich aus Art. 14 Abs. 2 GG ergebenden dem Eigentümer von Verfassungs wegen zugemuteten und vom Gesetzgeber zu realisierenden Bindung hängt allgemein wesentlich davon ab, ob und inwieweit ein Eigentumsobjekt in einer sozialen Beziehung steht 355. Bei der Abgrenzung des Eigentumsschutzes gegenüber staatlichen Beeinträchtigungen kann man etwa mit dem Mitbestimmungsurteil danach unterscheiden, ob es sich um einen (zur Lebensgestaltung mittlerer Art notwendigen) Vermögensgegenstand handelt, der die persönliche Unabhängigkeit gegenüber Dritten und dem Staat sichert, oder ob es sich um darüber hinaus gehendes zusätzliches Vermögen handelt 356. Im Rahmen der inhaltlichen Ausprägung des Eigentumsrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG hat der Gesetzgeber dabei sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Natur und der sozialen Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellen, und darf die unterschiedliche Bedeutung der Eigentums(arten) für den Einzelnen und die Allgemeinheit bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums nicht unberücksichtigt lassen 357. Auch die Personen selbst, denen die Güter zugeordnet sind, sind weitgehend in eine gegenseitige Abhängigkeit geraten und können ihre Aufgaben nur in einem aufeinander abgestimmten Zusammenwirken erfüllen 358. Das wird besonders deutlich, wenn in Bezug auf eine einheitliche Sache einzelne Befugnisse verschiedenen Rechtsträgern zustehen, wie etwa im Unternehmensrecht, wo auch die Arbeitnehmer im Mitbestimmungsrecht eine gewisse Verwaltungsmacht haben. Die Bindung wird umso stärker, je mehr der reibungslose, höchstmögliche Produktivität versprechende Ablauf des Wirtschaftsprozesses von dem zweckentsprechenden Einsatz des Eigentums abhängt.

355

BVerfGE 37, 132 (140 f.); 42, 263 (294); 50, 290 (340 f.); 52, 1 (32); 53, 257 (297 f.); 58, 137 (148); 70, 191 (201); s. a. W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 161 f.; P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, II. 1. 356 BVerfGE 24, 367 (389). 357 BVerfGE 31, 229 (241); G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 118. 358 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 81 f.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 205

Je enger also die Beziehung zwischen dem neu erworbenen Vermögen und dem Steuerpflichtigen ist, je mehr ein konkretes Eigentumsrecht dazu dient, die Selbständigkeit und freie Entfaltung des Menschen zu sichern, umso beschränkter sind die staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten, desto mehr ist es auch dem Steuergesetzgeber verwehrt, darauf zuzugreifen 359. Die Anforderungen an das Gewicht des öffentlichen Interesses dürften dabei umso höher, je intensiver der Gesetzgeber in den Grundrechtsbereich des Einzelnen eindringt 360. Umgekehrt dürfte das Eigentum hingegen, weil es der Freiheitsverwirklichung des einzelnen Menschen dienen soll, umso weniger schutzbedürftig sein, je mehr es sich von der dargestellten Aufgabe, das menschliche Existenzminimum und darüber hinaus die Freiheit, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Einzelnen zu sichern, entfernt und überwiegend der Expansion menschlichen Machtstrebens dient 361. Wenn das Eigentum nicht auf eine das Allgemeinwohl angehende Aufgabe bezogen ist, wie bei den dem persönlichen Gebrauch dienenden Gegenständen, hat es noch die Summe aller denkbaren Rechte zum Inhalt. Je entfernter jedoch die Beziehung zwischen dem Eigentum und seinem Rechtsträger ist, desto mehr wird es in ein unpersönliches Bezugssystem gebunden. Daher sind große Vermögen staatlichen Beschränkungen und Pflichtbindungen bei Gebrauch, Nutzung und Verwaltung in ungleich größerem Maße zugänglich als das Eigentum des kleinen Mannes. Denn bereits ein Bruchteil der Rechte aus solchem Großvermögen reicht aus, um die staatsbürgerliche und private Freiheit seines Eigentümers zu gewährleisten. Dem hat der Steuergesetzgeber z. B. durch die Vermögensteuer und die progressive Besteuerung Rechnung getragen, die das einem Einzelnen insgesamt zustehende Eigentümergrundrecht mit wachsendem Erwerbserfolg überproportional belastet. Die Verfassung lässt allerdings offen, ob diese Progression nur in der Bemessungsgrundlage oder zusätzlich auch in einem Tarif zum Ausdruck kommen soll 362. Ein Erbe, der das ererbte Unternehmen verkaufen will, um ein vergnügliches Leben ohne Arbeit führen zu können, ist sicherlich gegenüber einer hohen Erbschaftsteuer nicht schutzwürdig. Allerdings nützt die Zerschlagung großer Vermögen durch stark progressive Besteuerung nichts, wenn hierdurch die Wirtschaftskraft eines Unternehmens, das der Erbe auch zum Wohle der Allgemeinheit tatkräftig weiterführen will, vermindert oder lahm gelegt wird. Wenn das Bundesverfas-

359 R. Wendt, NJW 1980, S. 2116 mit Hinweis auf Progression; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 110 f. mit den beispielhaften Abstufungen Hausrat, Grundeigentum, industrielle Großbetriebe. 360 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 78. 361 BVerfGE 50, 290 (340 f.); 53, 257 (292); 100, 226 (241). 362 P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 58 f.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

sungsgericht im Erbschaftsteuerbeschluss von einer gesteigerten Sozialbindung der Betriebe spricht, betont es daher auch, dass die Erbschaftsteuerlast so bemessen sein muss, dass ein mit ihr belastetes Unternehmen in seiner Sozialgebundenheit aufrechterhalten werden kann 363. Walter Leisner sieht hierin die konsequente Fortführung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den sozialen Bezügen 364. Auch die Unternehmen seien Träger von sozialen Verpflichtungen, insbesondere gegenüber den Arbeitnehmern, deren Rechte wiederum durch das Eigentumsgrundrecht geschützt seien. Der Gesetzgeber dürfe das Unternehmen deshalb nicht gefährden, weil er damit auch die Rechte der sozial Berechtigten trifft. Dies Verpflichtung verwirklichen die Vorschriften über erbschaftsteuerliche Begünstigung von Betriebsvermögen §§ 13a Abs. 5, 28 ErbStG. Die daraus gefolgerte steuerliche Privilegierung von Unternehmensgewinnen wird allerdings zum Teil abgelehnt 365. bb) Privatnützigkeit Die Grenze für die steuerliche Belastungsintensität, der steuerfeste Bereich des Eigentums ergibt sich insbesondere aus dem Sinn einer Inhaltsbestimmung 366. Verstehen wir die Besteuerung nicht deswegen, weil sie staatliche Erträge erzielt, sondern weil sie sich als staatliche Teilhabe am durch ein konkretes Eigentumsobjekt vermittelten ökonomischen individualnützigen Erfolg privaten Wirtschaftens rechtfertigt, den der Staat durch Freiheitsvorkehrung und Freiheitspflege ermöglicht, so gibt dieser umgrenzte Besteuerungszweck dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz einen konkreten Bezugspunkt, auf den das Mittel der Besteuerung auch abzustimmen ist 367. Diese besondere Wertigkeit des Schutzobjekts muss sich auf die Frage der Rechtfertigung der Eingriffe auswirken. Die Grundrechte sollen dem Menschen diese Entfaltung der Persönlichkeit in bestimmten Bereichen ermöglichen. Im Rechtsstaat wird dies insbesondere durch das Eigentum als das ökonomische Grundrecht schlechthin verwirklicht 368. Art. 14 GG gewährleistet einen speziellen, vom Verfassungsgeber als besonders schutzwürdig anerkannten Freiheitsbereich, die wirtschaftliche Entfaltungsfreiheit auch um ihrer selbst willen, also nicht nur als Voraussetzung einer höheren Persönlichkeitsbildung 369. Der Gesetzgeber muss das Eigentum gewährleisten, also eine Ordnung 363

BVerfGE 93, 165 (175 f.). W. Leisner, NJW 1996, S. 1516. 365 BFH BStBl 2002 II S. 598; J. Hey, in: H/H/R, 99/00/02, Einf. KSt, Anm. 32. 366 P. Kirchhof , Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 31. 367 M. Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, S. 59. 368 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 764; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV.; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 68 f. 364

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 207

des Mein und Dein schaffen, die sowohl den privaten Interessen des Einzelnen als auch denen der Allgemeinheit gerecht wird, die als freiheitliche Eigentumsordnung gelten kann und insbesondere das eigentumsmäßige Privatheitsprinzip verwirklicht 370. Herrschaftliche Verhältnisse, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nicht alle Menschen, die zusammenleben, wirklich frei sind, gewährleisten das Eigentum nicht, wie das Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG verspricht 371. Eine privatrechtliche Eigentumsverfassung zwingt insgesamt zu einer Rechtsordnung der bestmöglichen Privatheit, weil das Eigentum sonst nicht privatnützig sein kann. Die Privatheit auf Grund der subjektiven Rechte ist freiheitlich, sie ist aber nicht die Freiheit selbst 372. Die Gewährleistung des Eigentums in Art. 14 GG erfährt demnach ihren Sinn aus dem Schutz der prinzipiellen Privatnützigkeit des Bestandes des jeweiligen Eigentums 373, die durch dieses Recht dem Eigentümer zugewiesene Fähigkeit, nach eigener Initiative und nach eigenem Interesse Nutzen zu ziehen, wirtschaftlich zu handeln und Vorsorge zu treffen. Die Privatnützigkeit des Wirtschaftseigentums liegt darin, dass es als Kapital im Wirtschaftsprozess eingesetzt werden kann 374. Eine Besteuerung ist für den Einzelnen daher zumutbar, wenn sie die Verwirklichung der Grundrechte nicht beeinträchtigt, die sowohl die Staatstätigkeit beschränken als auch den Einzelnen die Möglichkeit auf Verwirklichung seiner Persönlichkeit geben sollen. Das Übermaßverbot bleibt gewahrt, wenn das besteuerte Wirtschaftsgut auch nach Steuern privatnützig bleibt und die Teilung von steuerlich erzwungener Allgemeinnützigkeit und Eigentumsgrundrecht den Wertungen der Gesamtrechtsordnung entspricht. Die Abschöpfung von Erträgen aus einer Freiheitsbetätigung, welche gerade auch hinsichtlich ihrer Entgeltlichkeit grundrechtlich geschützt ist, ist jedenfalls als ein zur steuerstaatlichen Einnahmeerzielung unangemessenes Mittel zu qualifizieren, wenn durch sie die Freiheitsbetätigung wirtschaftlich sinnlos wird. Gleiches hat zu gelten, wenn durch die Ertragsbesteuerung die Rentabilität bestimmter Gruppen von Eigentumsrechten unter ein wirtschaftlich vertretbares Maß herabgesetzt wird. Insoweit als die Besteuerung diesen Rahmen überschreitet, also das 369 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 72 ff. 370 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 461 f.; ders., in: Festschrift für W. Leisner, S. 765 f.; ders., Freiheit in der Republik, 8. Kap., IV.; ders., Der Anspruch auf materiale Privatisierung, S. 67 ff.; zum Freiheitlichkeitsprinzip s. a. H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 144 ff, 164 f. 371 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 763. 372 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 744. 373 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 754. 374 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 72 ff.

208

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Prinzip der Privatnützigkeit unangemessen beeinträchtigt oder gar beseitigt, liegt eine Maßnahme vor, die verfassungswidrig und damit unzulässig ist. Diese Notwendigkeit, eine angemessene Anerkennung in der Eigentumsordnung zuzubilligen, folgt aus der freiheitlichen Komponente des Eigentumsbegriffs und gründet sich auf das unmittelbar aus Art. 14 GG folgende Prinzip der Eigenständigkeit der Person 375. Aus diesem Aspekt kann sich eine allgemeine Begrenzung des staatlichen Steuerzugriffs auf den einzelnen potentiellen Steuerschuldner ergeben, die primär nicht bei der Verwendung der Steuern ansetzt, sondern ebenfalls beim Ausmaß der durch die Steuererhebung selbst bewirkten Freiheitsbegrenzung. Denn durch die individuelle Bestandsgewährleistung wird ein Recht zur Lebensgestaltung außerhalb jeder Einwirkung der öffentlichen Gewalt sichergestellt, das einschließt, dass dem Eigentum seine Privatnützigkeit wesentlich ist, es nämlich in erster Linie den Zwecken des Eigentümers und erst in einer weiteren Bedeutung den Zwecken der Allgemeinheit dient 376. Wenn der Abgabeneingriff, mit dem der Staat die Sozialgebundenheit des Eigentumsgebrauchs konkretisiert, dem Bürger grundsätzlich überwiegend das durch seine privatinitiierte Leistung Erworbene wegnehmen dürfte, übernähme aber der Staat die Erstverantwortung. Dass der wirtschaftliche Erfolg vorrangig dem Steuerpflichtigen gebührt, folgt aus dem Grundsatz der Privatheit der Lebensbewältigung 377. Wenn vor dem Hintergrund von Art. 14 GG das Eigentum nicht seinen individuelle Handlungsmöglichkeiten absichernden Charakter verlieren darf oder die Entscheidungsprävalenz des Eigentumsträgers erhalten bleiben muss, so besteht die Besonderheit darin, dass hieraus im Bereich steuerlicher Belastungswirkungen eine abstrakte Vorrangentscheidung der privaten Eigentumsnutzung oder Arbeitsleistung vor einer Verwendung zur Finanzierung staatlichen Handelns als verfassungskräftiges Prinzip resultiert 378. Auch die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes können grundsätzlich keinen Vorrang vor den Interessen des Eigentümers haben. Eigentum nach öffentlichem Interesse würde eine deutliche Aushöhlung der Verfassungssicherung des Eigentums bedeuten. Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Beschluss vom 25. September 1992 zum Grundfreibetrag die freiheitsbeschränkende Wirkung von Steuergesetzen unter Bezugnahme auf Art. 2 Abs. 1 oder Art. 14 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG bejaht 379. Dabei sei zu berücksichtigen, dass Steuergesetze in die allgemeine Hand-

375 K. A. Schachtschneider, Freiheit in der Republik, 9. Kap., III.; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 177. 376 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 123. 377 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 394 f. 378 M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 83.

IV. Die Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Besteuerung 209

lungsfreiheit gerade in deren Ausprägung als persönliche Entfaltung im vermögensrechtlichen und beruflichen Bereich eingreifen. Auch dieser Beschluss weist den Weg zu einer im Vergleich zur Erdrosselungsrechtsprechung weitergehenden freiheitsrechtlichen Beschränkung des Steuergesetzgebers, der im Beschluss zur Vermögensteuer auch gegangen wird. Im Rahmen der Eigentumsgewährleistung muss die prinzipielle Aufrechterhaltung der primären Privatnützigkeit der wirtschaftlich als Eigentum fungierenden Rechte daher als wichtigster Prüfstein der Zulässigkeit von Steuergesetzen und einzelnen Besteuerungsmaßnahmen angesehen werden 380. Eine Obergrenze auch für die steuerliche Belastungswirkung kann sich daher doch aus dem Verbot eines unverhältnismäßigen Zugriffs des Steuergesetzgebers auf die grundrechtliche Freiheitsausübung ergeben. Dem Problem der Deckelung der individuellen Steuerbelastung können Konturen insbesondere durch einen wirksamen freiheitsrechtlichen Schutz der Steuerzahler vor einem übermäßigen Steuerzugriff und der Ausgabenwillkür der Parlamente beigegeben werden. Die Höhe einer Steuer ist als Kriterium für die Angemessenheit eines durch deren Erhebung bewirkten Grundrechtseingriffs bewertbar, wenn sie in Relation zu der jeweils beschränkten grundrechtlichen Freiheitsausübung betrachtet wird. Der Steuereingriff darf die Fähigkeit und Bereitschaft zur Grundrechtswahrnehmung nicht beseitigen 381. Der Steuerstaat muss die Freiheitsbetätigungen seiner Bürger wahren und achten 382. Die Obergrenze für die Steuerbelastung der privatwirtschaftlichen Ertragserzielung ist zudem im Bereich der Sozialpflichtigkeit des Eigentums selbst zu suchen, da sich die steuerliche Belastung privatwirtschaftlicher Ertragserzielung als Eingriff in das Recht zur privaten Nutzung der einzelnen ertragswirksam verwendeten oder verwendbaren Eigentumsobjekte darstellt. Demnach stellt Art. 14 Abs. 2 GG mit der Sozialbindung eine Richtschnur für Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung dar. Soweit die Sozialpflichtigkeit des Eigentums reicht, steht die Eigentumsordnung zur Disposition des Gesetzgebers. Dies bedeutet gleichzeitig, dass die Grenzen der Besteuerung durch die Grenzen der Sozialbindung bestimmt sind 383. Auch die Finanzhoheit ist an die Grenze der Sozialgebundenheit des Eigentums gebunden 384. Die Bindung nach Art. 1

379

BVerfGE 87, 153 (169). P. Badura, WiR 1974, S. 7 f.; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 114; K. H. Friauf , Steuerrecht und Verfassungsrecht, S. 8; H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (239). 381 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 788. 382 H.-J. Papier, DVBl. 1980, S. 788. 383 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 125. 384 E. Forsthoff , VVDStRL 14 (1956), S. 85; H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 129. 380

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Abs. 3 GG bezieht sich nicht nur auf die im Grundrechtsteil normierten Rechte des Einzelnen, sondern auch auf die dort auferlegten Pflichten 385. Das Wohl der Allgemeinheit ist nicht nur Grund, sondern auch Grenze für die dem Eigentum aufzuerlegenden Beschränkungen 386. Die in Art. 14 Abs. 2 GG begründete Sozialbindung begrenzt die Individualgewährleistung des Eigentums nur durch jene Beschränkungen, die rechtsstaatlich üblich und sozialadäquat sind. Wenn eine Besteuerung nicht mehr durch die Sozialbindung gedeckt ist, verstößt sie gegen die Eigentumsgewährleistung und ist damit verfassungswidrig. Wo die Sozialpflichtigkeit des Eigentums – und mit ihr die Möglichkeit der Konkretisierung in Gestalt schrankenziehender Gesetze – aufhört, da braucht der Bürger keinen Eingriff in sein Eigentum zu dulden und endet auch die Zulässigkeit steuerlicher Eingriffe. Dabei ist die Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG nur denkbar, wenn im Grundsatz das Eigentum aus Rechten der Privatheit besteht und das private Handeln alleinbestimmt ist 387. Es geht insoweit nicht nur um die Wahrung der gemessen am jeweiligen tatsächlichen gesellschaftlichen Standard durchschnittlichen Lebensführung auf der Basis grundrechtlicher Freiheitsausübung, sondern um die grundgesetzliche Wertentscheidung für die selbstverantwortliche Entscheidung des Eigentümers über die Art der Eigentumsnutzung. Die Eigentumsordnung und damit die eigentumsgewährenden Gesetze müssen allen Menschen als Notwendigkeit der Freiheit zudem ein ausreichendes Eigentum gewährleisten, eine freiheitliche Selbständigkeit verschaffen, sich an diesem Prinzip orientieren 388. Die Sozialpflichtigkeit im Sinne von Art. 14 Abs. 2 GG muss das Selbständigkeitsprinzip in der Eigentumsgewährleistung berücksichtigen. Privatwirtschaftliches Handeln, das durch den Markt und Wettbewerb gelenkt und kontrolliert wird, bietet die beste Gewähr für wirtschaftliche Freiheit und soziale Sicherheit. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung sollte der privaten Initiative gegenüber staatlicher Tätigkeit grundsätzlich Vorrang eingeräumt werden 389. Die Freiheit des Individuums und die damit eng verbundene und vom Grundgesetz in Art. 1 Abs. 1 GG zum obersten Gut der Verfassungsordnung erhobene Würde des Menschen fordern, die Verantwortung Dritter oder des Gemeinwesens erst eingreifen zu lassen, wenn und soweit der einzelne Mensch seine Bedürfnisse

385 BVerfGE 21, 73 (83); F. Klein, StuW 1966, S. 434; K. Roth, Die öffentlichen Abgaben und die Eigentumsgarantie im Bonner GG, S. 24; G. Picot, Gewinnumverteilung und Verfassungsrecht, S. 115; P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 90. 386 BVerfGE 25, 112 (118); 50, 290 (340 f.); 100, 226 (241); NJW 2000, S. 2574. 387 K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 387 f. 388 K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 744, 766. 389 L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 125 f.

V. Gesamtsteuerbelastung

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nicht selbst verwirklichen kann 390. Der Mensch ist ein auf Freiheit angelegtes Wesen, das die in ihm angelegten Fähigkeiten entfalten will. Dazu gehört, dass er sein Dasein nach seinem Willen und seinen Vorstellungen gestalten und die sich daraus ergebenden Aufgaben grundsätzlich in eigener Verantwortung erfüllen kann 391. Im Umkehrschluss muss dem Einzelnen die angemessene Freiheit gewährt werden, um dieser Verantwortung genügen zu können. Die Wirtschaftsfreiheit erweist sich so als unabdingbares Pendant zur nachrangigen Verantwortung des Gemeinwesens 392. Das Primat der Erstverantwortung des Bürgers legt für den Abgabeneingriff des Staates die grundlegende Wertung nahe, dass der Bürger auch primär eigennützig arbeiten und Eigentum erwerben und nutzen können muss.

V. Gesamtsteuerbelastung Wie der Blick auf die unterschiedlichen Eigentumslagen gezeigt hat, sieht sich der Einzelne einer Vielzahl von Steuerforderungen gegenüber. Danach stellt sich die Frage, ob unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes die Besteuerung nur gesondert hinsichtlich einer bestimmten Steuer auf ihre Vereinbarkeit mit Art. 14 GG geprüft werden muss oder es auch auf die den Abgabenpflichtigen treffenden steuerliche Gesamtbelastung ankommt 393. 1. Einzelsteuer Man könnte argumentieren, dem einzelnen Steuerpflichtigen sei es gleichgültig, ob die einzelnen Abgaben ihn in immer neuen wirtschaftlichen und sozialen Lagen treffen, für ihn ist wesentlich, dass er jede Steuer aus seinem Vermögen für ein Steuerobjekt bezahlen muss. Wollte man für die Frage des Eigentumsschutzes gegenüber der Abgabenerhebung insoweit lediglich auf die Gesamtbelastung des Vermögens abstellen, so wäre das Ergebnis rein rechnerisch zu ermitteln. Dies mag zwar wirtschaftlich richtig sein. Dem läge aber in dieser Absolutheit eine Fehlinterpretation der Grundzüge des gegenwärtigen Steuerrechtssystems zugrunde.

390 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 79 f., S. 83 f.; K. A. Schachtschneider, in: Festschrift für W. Leisner, S. 768 f.; ders., Freiheit in der Republik, 11. Kapitel, III.; ders., Fallstudien zum öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 78, 453 f. 391 H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (239 f.). 392 R. Seer, FR 1999, S. 1285 f. 393 E. Denninger, AG 1978, S. 75; H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 58 f.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

In der Folge könnte etwa eine Übermaßbesteuerung einer bestimmten Art der Ertragserzielung, die sich als eigenständiger Grundrechtseingriff darstellt, grundsätzlich durch eine sehr geringe Besteuerung einer anderen Art der Ertragserzielung kompensiert, z. B. eine unverhältnismäßige Besteuerung der Mieterträge durch eine sehr niedrige Besteuerung der Kapitalerträge ausgeglichen werden. Eine reine Gesamtbetrachtung des Steuerzugriffs auf sämtliche Erträge eines Steuerpflichtigen würde den Eigentumsschutz im Ergebnis insoweit reduzieren oder nivellieren sowie einen einzelnen Steuerpflichtigen, der nur Erträge einer bestimmten Art erzielt, u. U. in rechtswidriger Weise belasten oder auch begünstigen. Über die Tatsache, dass ein Zusammenhang zwischen verschiedenen Abgabetatbeständen in der Person des Leistungspflichtigen besteht, darf daher nicht verkannt werden, dass die einzelnen Abgaben diese Person in immer neuen wirtschaftlichen und sozialen Situationen treffen, an die das Steuersystem anknüpft. Das geltende Steuerrecht umfasst unterschiedliche Steuertatbestände. Während Gegenstand der Ertragsbesteuerung die Ertragserzielung durch das wirtschaftende Vermögen oder die Arbeitsleistung ist, beschränken indirekte Verbrauchsteuern das freie Konsumverhalten des einzelnen Endverbrauchers, der eine Steuer auf die Vermögensverwendung aufzuwenden hat, um eine Leistung zu erlangen 394. Auch verfassungsdogmatisch betrachtet ist das Kriterium der Steuerlast zunächst am einzelnen Grundrechtseingriff zu orientieren. Eine Globalbetrachtung der Gesamtbesteuerung aller Erträge des Steuerpflichtigen würde am konkreten staatlichen Eingriff vorbeigehen. Denn eine ertragswirksame Freiheitsbetätigung erfolgt mit jeder einzelnen Erwerbshandlung, deren Belastung mit Steuern deshalb zunächst gesondert betrachtet werden muss. Erst muss jeder einzelne steuergesetzliche Eingriff erkennen lassen, warum gerade dieser von ihm begründete Belastungsgrund eine Heranziehung des Steuerpflichtigen zur Staatsfinanzierung begründet. Der Gesetzgeber hat zunächst jede Steuer als gesonderte Belastung ihres Gegenstandes zu rechtfertigen. Das Grundrechtsverständnis verlangt, nicht lediglich darauf abzustellen, ob im Einzelfalle die mit dem Erwerb verbundene Besteuerung und die mit der Innehabung des ertragbringenden Vermögens verbundene weitere Besteuerung, die sich aus der Summe der Steuern ergebende wirtschaftliche Belastung quantitativ die Erträgnisse des Vermögens übersteigen, sondern die grundrechtliche Beurteilung und das Steuersystem müssen auch nach der Beeinträchtigung der verschiedenen Entfaltungsmöglichkeiten der Person beim Erwerb, bei der Innehabung und beim Gebrauch von Vermögen fragen und sehen, dass in solchen Fällen selbständige und nebeneinander bestehende rechtliche Kategorien der Besteuerung gegeben sind. Die Vielfalt und Verschiedenheit des besteuerten Vorgangs, an die die Ab394

M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 83.

V. Gesamtsteuerbelastung

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gabenerhebung anknüpft und bei denen das Verhältnis der Leistung des Einzelnen, seines Risikos und seiner Verantwortung zueinander immer wieder ein anderes ist, gebietet, die Einzelabgaben auch selbst zu betrachten 395. 2. Gesamtbelastung a) Belastungsprüfung Die Gesamtsteuerbelastung eines Steuerpflichtigen einer verfassungsrechtlichen Wertung zu unterziehen, ist vor diesem Hintergrund schwierig, da normalerweise ein Gesetz oder ein Verwaltungshandeln der verfassungsrechtlichen Prüfung unterliegt und nicht die Verfassungswidrigkeit aufgrund der Gesamtwirkungen mehrerer verfassungsmäßigen Gesetze 396. Der Grundrechteschutz erscheint wiederum unvollkommen, wenn sich der Vorwurf eines Verfassungsverstoßes nur gegen einzelne Rechtsvorschriften und nicht einen Rechtskomplex richtet. Die verfassungsrechtlichen Konturen des Zugriffs von Einzelsteuern oder einzelner Steuergruppen formen nur steuerliche Teillasten, schützen jedoch noch nicht gegen ein Übermaß der individuellen Gesamtbelastung durch die Summe aller Einzelsteuern. Die Vielzahl von Steuer- und sonstigen öffentlich-rechtlichen Abgabepflichten des Bürgers in der heutigen Besteuerungsordnung hat ihre grundrechtsbedrohende Wirkung gerade weniger in der Einzelsteuer, sondern in der Gesamtsteuerlast oder Gesamtabgabenlast des Bürgers 397. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Steuern eines Steuerpflichtigen kann trotz Verfassungsmäßigkeit jeder für sich genommenen einzelnen Steuer, etwa weil nach der jeweiligen Besteuerung noch sonstiges Vermögen verbleibt, ein Verstoß gegen die Eigentumsgewährleistung gegeben sein. Der Grundsatz der Zumutbarkeit ist hierbei insoweit weiter auszulegen, als der Schutz eine Gesamtbetrachtung der Beeinträchtigungen, die jeweils für sich unterhalb der verfassungsrechtlich bedenklichen Schwelle liegen, erlaubt 398. Der Eigentumsgewährleistung ist daher nicht Genüge getan, wenn jede einzelne Steuer nicht gegen Art. 14 GG verstößt. Der Staat kann nicht eine beliebige Steuerbelastung der Steuerpflichtigen mit dem Grundsatz der Erforderlichkeit rechtfertigen, der letztendlich problematisch wird, wenn nicht eine einzelne Steuerart untersucht, sondern die Gesamtsteuerbelastung des einzelnen Steuerpflich395 H. R. Dißmann, Die durch Art. 14 GG gebotene Grenze der Erhebung öffentlicher Abgaben, S. 58 f. 396 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 22 f. 397 H.-J. Papier, KritV 1987, S. 146; ders., DVBl. 1980, S. 787 (792); ders., in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 371 f.; P. Selmer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 379 f. 398 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 41.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

tigen betrachtet wird, die nicht der Verfassung, insbesondere den Grundrechten, widersprechen darf. Deshalb ist ein effektiver Eigentumsschutz gegenüber der allgegenwärtigen Steuergewalt nur möglich, wenn die isolierte Betrachtung der einzelnen Steuern für eine Berücksichtigung der entscheidenden Gesamtwirkungen der Besteuerungsbelastung überwunden wird. Die Gesamtheit der dem Abgabepflichtigen zur Verfügung stehenden Mittel muss mit der Gesamtbelastung seines Vermögens durch die Abgabenerhebung in Beziehung gesetzt werden und dem grundrechtlichen Erfordernis des Übermaßverbotes entsprechen 399. Bei einer Besteuerung, die direkt an das Vermögen insgesamt anknüpft (Vermögensteuer), d. h. auf die Gesamtheit der Erträge des Vermögens eines Steuerpflichtigen zugreift, müsste man sämtliche Vermögenserträge aus der Nutzung der Summe der Vermögensgegenstände der steuerlichen Gesamtbelastung gegenüberstellen. Entscheidend ist, ob die Steuerbelastung insgesamt der Verfassung, insbesondere den Grundrechten, entspricht 400. Fragen wir deshalb, nach welchen Maßstäben der einzelne Steuerpflichtige belastet werden darf, so wendet sich der Blick von der Rechtfertigung der Einzelsteuern zur Belastungswirkung, welche die Einzelsteuern für sich genommen und in ihrem Zusammenwirken beim jeweiligen Steuerpflichtigen erzielen. Deshalb macht Art. 14 GG neben der Einzelprüfung jeder Steuer auf ihre Vereinbarkeit mit der Eigentumsgewährleistung die zusätzliche Prüfung notwendig, ob durch die aufgrund verfassungsgemäßen Einzelsteuern begründeten Belastungen eine Gesamtsteuerlast entsteht, die das Maß der Sozialpflichtigkeit des Privateigentums übersteigt 401. Das Steuerschuldverhältnis zwischen Staat und Bürger, die grundrechtliche Betroffenheit des Steuerpflichtigen, die durch die Einzelsteuern bewirkte Gesamtsteuerbelastung ist ergänzend auf ihre Angemessenheit zu prüfen. Insoweit wird die Gesamtsteuerbelastung als verfassungsrelevantes Besteuerungskriterium gesehen 402. Es kann dabei zumindest nach den verschiedenen Vermögensobjekten differenziert werden, die als Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung dienen 403. Erzielt nun ein Steuerpflichtiger durch den Einsatz eines Eigentumsobjekts Erträge, so ist die in der Ertragsbesteuerung liegende Eigentumsbeeinträchtigung nach der gesamten steuerlichen Belastung je Objekt zu bemessen 404. Bei der Beurteilung der Vereinbarkeit der Steuergesetze mit der Eigentumsgewährleistung wären insofern 399

P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 9, 166 f. P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 38 f. 401 P. Kirchhof , HbStR IV, § 88, Rn. 103; M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 84. 402 M. Jachmann, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 4. 403 G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 115 ff. 404 P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 22. 400

V. Gesamtsteuerbelastung

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sämtliche Steuern, sofern sie den Bezug zu einem bestimmten Eigentumsrecht besitzen, in ihrer Gesamtheit mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen 405. Aus der Obergrenze für den Steuerzugriff auf die Nutzung einzelner Eigentumsobjekte resultiert damit eine Obergrenze für den Steuerzugriff auf die Gesamtheit der verschiedenartigen Erträge eines Steuerpflichtigen. Jedenfalls sollte die Ertragsbesteuerung mit der Einkommen- oder Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbelastung in die Berechnung der steuerlichen Gesamtbelastung miteinzubeziehen sein 406. Bei Körperschaften und ihren Anteilseignern bedarf es einer gestuften Prüfung 407. Hinsichtlich der Körperschaft selbst war der Bundesfinanzhof zur alten Rechtslage der Ansicht, die Besteuerung thesaurierter Gewinne einer am Anrechnungsverfahren teilnehmenden Körperschaft (z. B. Kapitalgesellschaft, Genossenschaft) sei nicht in die Überprüfung der Gesamtbelastung der Körperschaft einzubeziehen 408. Die nach der Unternehmenssteuerreform definitive Körperschaftsteuer knüpft allerdings allein an die privatnützige Ertragserzielung durch die Körperschaft an 409. Sie ist insofern als eine endgültige Verminderung des Ertrages der Kapitalgesellschaft anzusehen. Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG ist sogar anzunehmen, soweit infolge Abschaffung des Anrechnungsverfahrens im der Rahmen europäischer Integration steuerliches Minderungspotential verloren gegangen ist 410. Nach alter Rechtslage hatte die Körperschaftsteuer den Charakter einer an der Quelle abgezogenen Vorauszahlung auf die Kapitaleinkünfte des Anteilseigners. Diese dessen Einkünfte treffende Vorbelastung war allerdings bei seiner Veranlagung anzurechnen. Nach der Steuerreform mindern die Körperschaftsteuer und die bereits bisher nicht anrechenbare Gewerbesteuer definitiv das Ausschüttungsvolumen für den Anteilseigner 411. Soweit dieser Nachteil bei seiner Veranlagung nicht kompensiert wird (Halbeinkünfteverfahren), führt dies bei ihm zu einer endgültigen Belastung.

405 W.-R. Schenke, in: Festschrift für H. Armbruster, S. 201; W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 155; D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 232; H.-J. Papier, KritV 1987, S. 146; ders., DVBl. 1980, S. 787 (792); ders., in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 371 f.; P. Selmer, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 379 f. 406 M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 85; s. a. G. Rose, StuW 1999, S. 18. 407 R. Seer, FR 1999, S. 1287. 408 BFH BStBl 2001 II, S. 261; BStBl 2000 II , S. 359; s. a. BFH/NV 1998, S. 746; BFH/ NV 1999, 515. 409 M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 87. 410 H. G. Raber, DB 1999, S. 2599. 411 G. Rose, StuW 1999, S. 18 f.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Bei einem Objekt, das der steuerbaren Ertragserzielung durch Vermietung dient, sind neben den Ertragsteuern eine Grunderwerbsteuer, nicht abzugsfähige Vorsteuer und Grundsteuer mit zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Handhabung der Belastungsobergrenze ist aber auch die Feststellung, inwieweit der Bürger die Erträge aus einer bestimmten Tätigkeit für die Bezahlung von Steuern verwenden muss, die gerade wegen dieser Betätigung anfallen. Wird somit die Nutzung eines einzelnen Eigentumsobjekts oder ein anderer Vorgang (z. B. eigene Arbeitskraft) durch das Zusammentreffen mehrfacher Besteuerung von Bund, Länder oder Gemeinden berührt, so sind die einzelnen Steuertatbestände nicht isoliert zu betrachten, sondern bestimmt sich die Angemessenheitsbeurteilung unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes zumindest auch nach der steuerlichen Gesamtbelastung der Nutzung des einzelnen Vermögensgegenstandes oder des Vorgangs des Steuerpflichtigen 412. Der Soll- oder Ist-Ertrag eines Objekts oder Vorgangs ist der tatsächlichen Gesamtsteuerbelastung gegenüber zu stellen 413. In die Berechnung dieser individuell erreichten Gesamtbelastung sind grundsätzlich alle in Art. 106 GG aufgeführten Steuerarten als beteiligt einzubeziehen 414. Auch die gesamte Belastung durch Lenkungsteuern kann nicht deshalb außer Acht bleiben, weil es der einzelne Steuerpflichtige sich selbst zuzuschreiben hat, dass er sich dem Zwang der Ordnungssteuern nicht unterwirft. Die Lenkungsteuer kann keinen Sonderstatus beanspruchen, wenn der Grundrechteschutz des Einzelnen gegenüber der Steuererhebung zur Debatte steht. Fraglich ist, ob die Kirchensteuer und die Sozialzwecksteuern in die Überbelastungsprüfung einbezogen werden dürfen 415. Die Kirchensteuer jedenfalls ist keine Staatssteuer und kann von der Einkommensteuerbemessungsgrundlage abgezogen werden. Hinsichtlich des Solidaritätszuschlags ist zu berücksichtigen, dass er eine aufgrund besonderer Belastungen erhobene Sozialzwecksteuer ist (vgl. Lastenausgleich) 416. Insoweit könnte er auch bei Überschreiten der Belastungsobergrenze noch zu rechtfertigen sein. Doch dürfte er bei fortdauernder

412

S. a. K.-G. Loritz, BB 1993, S. 229. K. Tipke, GmbHR 1996, S. 13; s. a. G. Rose, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 91. 414 G. Rose, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 89; K. Vogel, JZ 1996, S. 43 (45) gegen Schubladendenken; W. Frenz, StuW 1997, S. 120; H. List, BB 2000, S. 745 (748). 415 G. Rose, StuW 1999, S. 18 f.; R. Seer, FR 1999, S. 1287 f. 413

V. Gesamtsteuerbelastung

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Erhebung seinen Ausnahmecharakter verlieren und als Annexsteuer zu den Ertragsteuern in die Berechnung der Gesamtsteuerlast einzubeziehen sein 417. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG bezieht sich nicht nur auf Steuern 418. Das Eigentum dient dem Wohl der Allgemeinheit auch durch andere Auflagen 419. Außersteuerliche Abgaben, wie Sozialversicherungsabgaben, Sonderabgaben, Gebühren und Beiträge, können ebenfalls die Eigentumsgewährleistung treffen 420. Die dem Gesetzgeber gezogenen eigentumsrechtlichen Schranken haben auch Bedeutung für diese Lasten 421. Für die vorteilsbezogenen Abgaben ergibt sich aber ohne weiteres, dass sie nicht wie Steuern der Gesamtbelastung zugeschlagen werden können, sondern im Zusammenhang mit der dem Abgabenpflichtigen gewährten Gegenleistung beurteilt werden müssen. Grundsätzlich wird daher die Verfassungswidrigkeit der Sonder- und Vorzugslasten nicht durch die Anwendung der freiheitsrechtlichen Grenzen für steuerliche Belastungswirkungen erfasst 422. Wegen der Vorteile, welche der Abgabenpflichtige oder dessen Gruppe hierdurch gesondert erhält, bleiben diese in diesem Zusammenhang außer Betracht. Außersteuerliche Abgaben wären nur im Fall von Umgehungsversuchen bei der Prüfung einer Überbelastung durch Kumulation mit zu berücksichtigen. b) Rechtsfolge Vor allem aus Praktikabilitätsgründen erscheint eine Abschnittsbesteuerung als zulässige Typisierung auch im Hinblick auf die Belastungsobergrenze. Bei der Gesamtbetrachtung stellt sich aber die Frage, welche konkrete Steuer als verfassungswidrig einzustufen ist 423.

416 Kritisch auch L. Schemmel / R. Borell, in: Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler, Heft 75 (1992), S. 100 f.; zur Grundlage in Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG s. BVerfGBeschluß vom 19. November 1999, 2 BvR 1167/96. 417 R. Seer, in: Europa- und verfassungsrechtliche Grenzen der Unternehmensbesteuerung, S. 110. 418 K. Tipke, in: Festschrift für M. Kriele, S. 962. 419 L. Schemmel, StuW 1995, S. 53 f. 420 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 134; K. Vogel, HbStR I, § 27, Rn. 63. 421 W. Leisner, NJW 1996, S. 1511 (1514 f.) mit weiteren Ausführungen; H. Butzer, StuW 1999, S. 230. 422 R. Seer, FR 1999, S. 1289; M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 88; H. Butzer, StuW 1999, S. 230. 423 J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 414 m. w. N., P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 403; C. Trzaskalik, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 391; G. Rose, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 92 f.; P. Jungnickl, Verfassungsrechtliche Grenzen der Besteuerung, S. 38 f.; G. Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, S. 125: mit weite-

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Wenn sich ein Belastungsexzess ergibt, so haben grundsätzlich alle Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern dazu beigetragen. Es wäre denkbar, diese Lasten der einbezogenen steuerberechtigten Gebietskörperschaften quotal um den Betrag zu mindern, um den die Gesamtsteuerbelastung die zumutbare Grenze übersteigt 424. Zu empfehlen sind allerdings Konkurrenz- und Kollisionsregeln, z. B. Freistellungs- und Anrechnungsvorschriften, die ein Nebeneinander verschiedener Einzelsteuern in ihrer Individualwirkung koordinieren 425. Zur Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen bei einem Belastungsexzess könnte auch die jeweils letzte Steuer, die erhoben wird, gekappt werden. Es wäre typisiert zu ermitteln, ob das Fass der Sozialpflichtigkeit den neuen Tropfen noch fasst oder dieser es überlaufen lässt 426. Das dürfte in aller Regel die Einkommensteuer sein, da sowohl die Gewerbesteuer als auch die nicht überwälzbaren indirekten Steuern bereits vorher, nämlich bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens, berücksichtigt worden sind. Dann ist nur bei einer einzigen Veranlagung die Einhaltung zu berücksichtigen 427. Dabei dürfen aber die Bezieher hoher (gewerblicher) Einkünfte nicht bevorteilt werden 428. Dies könnte in einem Plafondierungsgesetz umgesetzt werden, das den Finanzbehörden aufgibt, z. B. die Einkommensteuer des Veranlagungszeitraums zu kappen 429. Ist der Steuereingriff verfassungswidrig auferlegt, so ist der zugrunde liegende Steuerbescheid aufzuheben (§ 95 Abs. 2 BVerfGG) und die unrechtmäßig angeforderte Steuer kann vom Bürger unter dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch als Bereicherung sine causa wieder zurückgefordert werden (§ 37 Abs. 2 AO) 430.

VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes Im Vermögensteuerbeschluss vom 22. Juni 1995 hat das Bundesverfassungsgericht eine materialisierbare Übermaßbegrenzung der steuerlichen Gesamtberen Ausführungen zur Finanzverfassung; kritisch zur Alleinsteuer K. Tipke / J. Lang, § 4 Rz. 93 f. 424 K. Tipke, GmbHR 1996, S. 13; aA P. Badura, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 396. 425 Z. B. ErbSt: 3 Nr. 2 GrEStG, GrESt: 4 Nr. 9a UStG. 426 S. a. D. Ehlers, VVDStRL 51 (1992), S. 232. 427 G. Rose, StuW 1999, S. 19. 428 U. Hutter, NWB Fach 3, S. 10964. 429 H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (233). 430 H. Draschka, Steuergesetzgebende Gewalt und Grundrechteschutz des Eigentums, S. 104.; G. Reiner, DStZ 1999, S. 815, 830; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 494; K. H. Friauf , DÖV 1980, S. 387; R. Wendt, NJW 1980, S. 2115; s. a. BVerfGE 70, 278 (285).

VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes

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lastung jenseits von Konfiskation und Erdrosselung des Eigentums abgeleitet und wie folgt umrissen: Die Bestandsteuer (hier: Vermögensteuer) darf zu den übrigen Steuern auf den Ertrag nur hinzutreten, soweit die steuerliche Gesamtbelastung des (Soll)ertrags des Vermögens bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand verbleibt 431. Das Gericht legt dabei den Wortlaut der Sozialbindung des Eigentums gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG („zugleich“) so aus, dass diese Teilung grundsätzlich „zu gleichen“ Teilen erfolgen muss. Als einer der ersten reagierte Walter Leisner auf den Vermögensteuerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts und sah in ihm eine Wende zum Steuerverfassungsrecht als solchem, eine Grundsatzentscheidung 432. Klaus Vogel verglich sie mit den klassischen großen Entscheidungen aus der „Gründerzeit“ des Bundesverfassungsgerichts, mit diesem Meilenstein sei der Unersättlichkeit des Leviathan eine oberste verfassungsrechtliche Grenze gezogen 433. Hermann Butzer sieht in ihr die grundlegende Neuorientierung der Dogmatik des Eigentumsgrundrechts, einen Paukenschlag, das Eigentumsgrundrecht werde aus seiner verfassungsrechtlichen Bedeutungslosigkeit für das Steuerrecht herausgeführt 434. Gerd Rose spricht von einem revolutionierenden Fundamentalbeschluss 435. Andere von einer Großtat 436, Reform 437 oder Struktur höheren Eigentumsschutzes gegen Steuern, die die diesen gegenüber offene Flanke geschlossen habe 438. Der Halbteilungsgrundsatz wird sogar mit einem Yeti im fernen Tibet verglichen: „Es soll ihn geben. Die, die ihn gesehen haben (wollen), konnten nur schemenhaft seine Umrisse erkennen, und seine Spuren hinterlässt er – wenn überhaupt – nur in großer Höhe und auf flüchtiger Materie“ 439.

431

BVerfGE 93, 121 (138). W. Leisner, NJW 1995, S. 2591, 2596. 433 K. Vogel, NJW 1996, S. 1259; ders., JZ 1996, S. 43 (45). 434 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 31, 49, 59, 134; ders., StuW 1999, S. 227 (230 f.). 435 G. Rose, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 89. 436 P. Fischer, GrEStG, Vorb. Rn. 117. 437 P. Kirchhof , Verfassungsrechtliche Grenzen der Steuerlast, S. 51. 438 K. Tipke MDR 1995, S. 1178 f.; ders., GmbHR 1996, S. 10, 14 f.; G. Reiner, DStZ 1999, S. 822 f.; zustimmend auch K. A. Schachtschneider, Betriebsaufspaltung und verdeckte Gewinnausschüttung, S. 54; prophetisch R. Herzog, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 368, 382; ausführlich zum Halbteilungsgrundsatz: M. Pausenberger, Eigentum und Steuern in der Republik. 439 DStR 1998, Heft 39, Redaktionsanmerkung „Auf einen Blick“. 432

220

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

1. Verstoß gegen den Grundsatz des judicial self-restraint? Trotz dieser Lobeshymnen wird aber kritisiert, dass das Bundesverfassungsgericht die ihm gestellte Frage zu den Einheitswerten auf die Grundsätze der Gestaltung von Abgabenbelastungen erweitert habe. So wird von der Überschreitung der Entscheidungskompetenz gesprochen 440. Der Senat greife in die Verantwortung des Gesetzgebers über 441. Das Bundesverfassungsgericht habe keinen Auftrag und keine Zuständigkeit zur politischen Gestaltung 442. Die Gestaltungsund Ermessensfreiheit des Steuergesetzgebers sei zu respektieren. Insbesondere Ernst-Wolfgang Böckenförde kritisierte in seinem abweichenden Votum, dass das Gericht durch eine Abgabenplafondierung unter Außerachtlassung des erforderlichen judicial self-restraint gegenüber dem gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum, die sozialstaatlichen Handlungsfreiheiten eingrenze 443. Er sieht nur noch einen engen Raum für eine politisch verantwortete Steuerpolitik, die den ökonomisch-sozialen Umständen mit verschiedenen Konzepten Rechnung tragen und auch das Maß der staatlicherseits für alle erbrachten, den Einzelnen entlastenden Infrastrukturleistungen, wie etwa im Ausbildungs- und Hochschulwesen, berücksichtigen können muss. Es würde eine schwere Rechtfertigungslast für die Hoheitsgewalt geschaffen. Auch Jürgen Eschenbach sieht in der Ableitung der absoluten Grenze der hälftigen Steuerbeteiligung an den wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten des Privateigentums, eine Beschneidung staatlicher Einwirkungsmöglichkeiten 444. Walter Leisner stellte fest, dass damit die derzeitigen Steuersätze praktisch festgeschrieben sind 445. Er unterstützt jedoch die Senatsentscheidung, da der Gesetzgeber mit der Aufhebung der Einheitswerte neue Bewertungsnormen setzen müsse 446. Das Bundesverfassungsgericht habe ihm dabei die Gestaltungsprinzipien an die Hand zu geben.

440

J. Lang, in: Festschrift für M. Kriele, S. 965; H. P. Bull, NJW 1996, S. 284. P. Wollny, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 95; zur Bedeutung der Rechtserkenntnisfunktion des Gerichts gegenüber dem Gesetzgeber, K. A. Schachtschneider, Res publica res populi, S. 885 f. 442 B. Schmidt-Bleibtreu, BB 1980, S. 53. 443 BVerfGE 93, 121 (151 f.), s. a. E.-W. Böckenförde, in: Festschrift für A. Arndt 1969, S. 53 (71): Das Leerlaufen der Eigentumsgarantie gegenüber der Besteuerung erscheint als Preis für die Gewährleistung sozialer Sicherheit und die Förderung sozialen Fortschritts durch den Staat; unterstützt von P. Wollny, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 94. 444 J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 415. 445 W. Leisner, NJW 1995, S. 2594. 446 W. Leisner, NJW 1995, S. 2593. 441

VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes

221

Auch Klaus Vogel weist die Kritik unter Hinweis auf das Normenkontrollverfahren nach Art. 100 GG i. V. m. §§ 82 Abs. 2, 78 Satz 2 BVerfGG zurück 447. Das Bundesverfassungsgericht konnte sich nicht darauf beschränken, die verfassungswidrige Bewertungsungleichheit festzustellen. Die Vereinbarkeit eines Prozentsatzes mit den Grundrechten könne nicht beurteilt werden, ohne dass Tatbestand und Bemessungsgrundlage in diese Beurteilung einbezogen werden 448. Das Bundesverfassungsgericht musste die tragenden Gründe für die Verfassungswidrigkeit der Belastungsungleichheit offen legen. Das Aufgreifen der Bemessungsgrundlage lag bei der Überprüfung des Steuersatzes nahe 449. Der Zweite Senat hat als Selbstbeschränkung sogar auf die Radikallösung der Kassation ebenso verzichtet wie darauf, den Halbteilungsgrundsatz konkret anwendbar zu machen 450. 1975 wurde sogar noch entgegengesetzt ein zu weitgehender judicial self-restraint von Karl Heinrich Friauf kritisiert 451. 2. Bindungswirkung der Vermögensteuerentscheidung? Ein Teil der Literatur sieht in den Ausführungen des Zweiten Senats allerdings lediglich ein unverbindliches obiter dictum 452, eine programmatische Orientierungsmarke 453. Die Bindungswirkung sei auch mangels praktischer Umsetzbarkeit durch die Fachgerichte zu verneinen 454. Der Begriff „Sollertrag“ (statt zu versteuerndes Einkommen) knüpfe ausschließlich an die Ertragsfähigkeit von Wirtschaftsgütern an und lasse keinen verlässlichen Maßstab zur Beurteilung der konkreten Bemessungsgrundlage für die Einkommensbesteuerung erkennen. Die Ermittlung eines Sollertrages sei z. B. bei den Einkünften aus Arbeitsleistungen unpraktikabel, da der Arbeitnehmer kein Kapital einsetzt und solche Erträge daher nicht dargestellt werden könnten.

447 K. Vogel, NJW 1996, S. 1257; s. a. H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 63, 66. 448 K. Vogel, JZ 1996, S. 43 (45). 449 K. Vogel, JZ 1996, S. 43 (45). 450 Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 66; ders, StuW 1999, S. 227 (231 ff.): es komme unter dogmatischen Gesichtspunkten nicht darauf an, ob die Plafondierung erst an der Erdrosselungs- oder schon an der Halbteilungsgrenze ansetzt. Der Sozialgesetzgeber habe die Grundrechte zu beachten. 451 K. H. Friauf , DStZ 1975, S. 362; s. a. K. Tipke, GmbHR 1996, S. 9; H. Sendler DÖV 1971, S. 18 f.; K. Vogel, JZ 1996, S. 43 (45). 452 H.-W. Arndt / A. Schumacher, NJW 1995, S. 2603; H. P. Bull, NJW 1996, S. 282; Nachweise bei H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 62. 453 K. Tipke / J. Lang, § 4 Rn. 223; H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (232), aber auf S. 233 Bindungswirkung bejahend. 454 U. Hutter, NWB Fach 3, S. 10963 f.; bzgl. Anwendungszeitraum z. B. Urteil des FG MV vom 10. August 1999, Az.: I R 89/99.

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E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Nach anderer Literaturauffassung sei eine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG aber zu bejahen, weil der Senat die Ausführungen in eingehenden Überlegungen begründet und in die von ihm formulierten Leitsätze aufgenommen hat 455. Das Gericht selbst habe zudem die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes sowohl durch den Leitsatz als auch in den Gründen (C. II. 3.) betont. Jedenfalls ist dem Bundesverfassungsgericht zumindest zu bescheinigen, dass es die notwendige Diskussion um das Verhältnis von Eigentum und Steuern belebt und inhaltlich ergänzt hat. Der Bundesfinanzhof sieht sich an einen Halbteilungsgrundsatz außerhalb einer Vermögensteuer weder über § 31 BVerfGG noch unmittelbar aus der Verfassung gebunden 456. Trotz des Vermögensteuerbeschlusses des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 hat auch der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in seinem Altschuldenurteil vom 8. April 1997 nur die alte Erdrosselungsrechtsprechung bestätigt 457. In seinem Beschluss vom 18. Januar 2006 hat auch der Zweite Senat selbst eine verfahrensrechtliche Bindung ausgeschlossen 458. 3. Halbteilungsgrundsatz aus Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG? a) Inhaltliche Reaktion der Rechtsprechung und der Literatur Der Bundesfinanzhof war bereits in seiner Entscheidung vom 17. November 1972 der Ansicht, es bestehe keine Rechtspflicht, eine Vorschrift zu erlassen, welche die Gesamtbesteuerung auf einen bestimmten Höchstsatz begrenze 459. Am 17. Februar 1976 urteilte er zumindest, dass die Angemessenheit der durch Steuern bedingten Gesamtbelastung durch ihre Orientierung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gewährleistet sei, wenn ein angemessener Restbetrag aus den Erträgen verbleibe 460. Unabhängig von seiner formellen Argumentation ist der Bundesfinanzhof trotz des Vermögensteuerbeschlusses

455 G. Rose, StuW 1999, S. 14; K. Vogel, JZ 1996, S. 44; ders., NJW 1996, S. 1258; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 63, 136, m. w. N.; G. Reiner, DStZ 1999, S. 823; H. List, BB 2000, S. 745 (747). 456 BFH-Urteil vom 11. August 1999, DB 1999, S. 2291; bspr. durch U. Hutter, NWB Fach 3, S. 10961, „Krieg der Richter“; kritisiert von G. Rose im Gastkommentar des Hefts 46/99 Der Betrieb: Der BFH habe dem BVerfG am Tag der totalen Sonnenfinsternis Zensuren in materieller (Auslegung des Grundgesetzes) und formeller (überflüssige Bemerkungen) Hinsicht erteilt. 457 BVerfGE 95, 267 (300). 458 BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1192). 459 BFH BStBl. 1973 II, S. 163 f. 460 BFH BStBl. 1976 II, S. 387 f.

VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes

223

aber weiterhin der Meinung, dass Art. 14 GG kein Gebot enthält, die Steuern auf höchstens 50 v. H. des Gesamtbetrags der Einkünfte oder des zu versteuernden Einkommens zu beschränken 461. Auch aus der Sozialpflichtigkeit des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG könne eine quantifizierbare Begrenzung der zulässigen Steuerbelastung nicht abgeleitet werden. Die Formulierung „zugleich“ enthalte nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und nach dem Wortsinn lediglich ein zeitlich-finales, nicht hingegen ein arithmetisches Element. Daher lasse sich daraus kein Gebot der annähernd hälftigen Teilung eines verfügbaren Sollertrags entnehmen. Durch eine solche Interpretation werde der Wortlaut überdehnt, dem bei wörtlicher Auslegung eindeutig nur ein Nebeneinander wie „zur gleichen Zeit“ oder „gleichzeitig“ zugemessen werden kann, nicht aber eine abstrakte Gleichwertigkeit 462. Es besagt nicht mehr, als dass Eigentumsgebrauch und Sozialbindung in angemessener Weise zum Augleich gebracht werden müssen 463. Auch der ehemalige Präsident des Bundesverwaltungsgerichts, Horst Sendler, spricht von einer Wortbedeutung i. S. von „gleichzeitig“ 464. Das Bundesverfassungsgericht habe lediglich eine ungefähre Höchstgrenze, nicht jedoch ein Prinzip der hälftigen Teilung festlegen wollen 465. Dem entgegnete Heinreich List, ehemaliger Präsident des Bundesfinanzhofs, unter Hinweis auf deutsche Wörterbücher, dass dem Wortsinn von „zugleich“ primär die Bedeutung von „in gleicher weise, ebenso“ zukommt 466. Mit seinem Beschluss vom 18. Januar 2006 hat schließlich der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts selbst klar gestellt, dass sich nach seiner Ansicht aus Art. 14 GG doch keine allgemein verbindliche, absolute Belastungsobergrenze in der Nähe einer hälftigen Teilung ableiten lasse 467. Der Halbteilungsgrundsatz beziehe sich „nur auf solche Belastungen, die mitursächlich auf eine Vermögensteuerbelastung zurückzuführen sind, bei denen also die Vermögensteuer zu den übrigen Steuern hinzutritt“ 468. Inhaltliche Kritik kommt auch aus der Literatur, wonach man die Gesamtbelastung auch auf beispielsweise 60 v. H. oder 75 v. H. des Gewinns begrenzen könnte 469. Eine präzise Grenzziehung i. S. einer hälftigen Teilung oder sogar 461

BFH, DB 1999, S. 2291; ihm folgend FG Hamburg, DStRE 2000, S. 604, 605. M. Jachmann, StuW 1996, S. 103; J. Eschenbach, DStZ 1997, S. 414. 463 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 76. 464 H. Sendler, NJW 2000, S. 2481. 465 H. Sendler, NJW 2000, S. 2482. 466 H. List, NJW 2000, S. 1840, 1841. 467 BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1193 f.). 468 BVerfGE NJW 2006, S. 1191 (1192). 469 S. schon T. Sellhorn, Steuersatz und Verfassungsrecht, S. 97; H.-J. Papier, in: T. Maunz / G. Dürig, GG, Art. 14 Rn. 171; s. schon R. Mußgnug, JZ 1991, S. 995; K. Barth, DStR 1976, S. 308. 462

224

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Prozentzahl sei nicht aus dem Grundgesetz herauszulesen. Um streng messbare Wertungen des Gesetzgebers berücksichtigen zu können, müsste dieser nach dem Vorbild der nordischen Staaten ausdrücklich Höchstbelastungsgrenzen vorschreiben 470. Auch in einigen anderen Ländern ist das Ansteigen der Steuerbelastung über einen bestimmten Plafond hinaus gesetzlich ausgeschlossen 471. Das Unterfangen, eine knappe Formel zu entwickeln, die die Grenze, bis zu der hin steuerliche Einwirkungen auf das Eigentum mit Art. 14 GG vereinbar sind, generell markieren würde, sei zudem angesichts der unübersehbaren Vielfalt sowohl der Besteuerungsformen als auch der Lebenssachverhalte, auf die die Besteuerung trifft, von vornherein zum Scheitern verurteilt 472. Das Bemühen des Gesetzgebers, allen im Einzelfall gerecht zu werden, könne sogar praktisch in größeres Unrecht umschlagen. Denn es stellen sich hierbei nicht nur eine Reihe schwerwiegender Bedenken im Hinblick auf Verwaltungsprobleme, sondern auch hinsichtlich der Privilegierung der Besserverdienenden 473. Das lasse erkennen, dass eine gesetzliche Begrenzung der Besteuerung nicht nur die bestehenden Schwierigkeiten nicht lösen, sondern im Gegenteil neue Schwierigkeiten schaffen würde. b) Rechtsmaxime Hieraus wird deutlich, dass eine starre Grenze nicht angebracht erscheint 474. Es ist unmöglich, mit Hilfe des Art. 14 G allgemein gültige Formeln in exakten Zah-

470 Dort v. a. Dänemark, Norwegen und Schweden; J. Lang, StuW 1996, S. 67 erinnert in diesem Zusammenhang an die kalifornische Steuerrevolte von 1978 und die Legende vom heiligen Martin; rechtsvergleichend auch K. Vogel, Der offene Finanz- und Steuerstaat, S. 606 f.; H. Butzer, StuW 1999, S. 227 (236), Fn. 75 erinnert an Preußisches Einkommensteuergesetz vom 24. Juni 1891 (Geltung bis 1918) mit einem maximalen Durchschnittsteuersatz von 4% und Grenzsteuersatz von 5%. 471 F. Oswald, DStZ 1977, S. 269 f.; H. v. Wallis, JbFAfStR 1976/1977, S. 29; z. B. in Belgien, Niederlande, Irland, Japan; K. Tipke, MDR 1995, S. 1179 mit Hinweis auf Verfassungsgrenzen anderer europäischer Staaten. 472 K. H. Friauf , JurA 1970, S. 317. 473 H. P. Bull, NJW 1995, S. 284. 474 Schon P. Kirchhof in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 401; R. Mußgnug, JZ 1991, S. 994; ders., in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 381, 391 f. injustiziabel; B. Schmidt-Bleibtreu / H.-J. Schäfer, DÖV 1980, S. 494; gemildert K. M. Meessen, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 383; D. Wilke, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 403; kritisch gegenüber verfassungsrechtlichen Höchstsätzen ohne Berücksichtigung der Bemessungsgrundlage auch K. Vogel in: Festschrift für T. Maunz S. 425; W. Leisner, NJW 1996, S. 1511 (1516) plädiert wegen ökonomischen Marktbewegungen und sozialen Entwicklungen für dynamische Belastungsgrenzen durch Verfassungsrichterrecht; M. Jachmann, in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 84 ff.

VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes

225

len anzugeben, wie diese quantitativen Grenzen der Steuerbelastung verlaufen. Der Versuch, einem Ausgaben- und Steuerübermaß durch Fixierung absoluter Besteuerungsgrenzen entgegenzutreten, kann nur zu praktisch wenig relevanten Grenzziehungen führen, etwa dem Substanzbesteuerungsverbot 475. Jedwede genauere Bestimmung der zulässigen oder unzulässigen Eingriffsintensität des Staates und anderer öffentlich-rechtlicher Gemeinwesen in die Privatwirtschaft im Wege der Abgabenerhebung kann mit Hilfe dieser Vorschrift nur relativ festgelegt werden 476. Dennoch folgt aus dem verfassungsrechtlich geforderten zugleich von Allgemeindienlichkeit und Privatnützigkeit des Eigentumsgebrauchs (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Belastungsobergrenze für eine Besteuerung des Einkommens, die dem Eigentümer einen Erfolg der Nutzung belässt, ihm insbesondere eine Finanzierung seiner Lebensführung und seines Erwerbs erlaubt. Der Vermögensertrag ist einerseits für die steuerliche Gemeinlast zugänglich, andererseits muss dem Steuerpflichtigen ein entsprechender privater Ertragsnutzen zustehen. Er hat von Verfassungs wegen ein Recht auf moderate Belastungen, dass ihm das selbst erarbeitete oder erwirtschaftete Einkommen nicht übermäßig durch Besteuerung entzogen wird. Das „zugleich“ von Privatnützigkeit und Besteuerbarkeit des Einkommens fordert eine Einkommensbesteuerung je nach Individualnützigkeit der konkreten Einkommenssumme. Gemeint ist demnach nicht der Steuersatz, der nicht einer einzelnen Erwerbshandlung zugeordnet werden kann, sondern der Freiheitsgedanke. Dieses „zugleich“ von Privat- und Gemeinwohldienlichkeit ist ein Wertungsbegriff, der staatliches und privates Ertragsbegehren nebeneinander zur Geltung bringt und fordert eine Belastungsobergrenze, die dem privaten Nutzen zumindest eine grundsätzliche Gleichwertigkeit und -rangigkeit gegenüber dem Allgemeinnutzen des Steueraufkommens einräumt 477. Der Eigentumsgebrauch dient niemals letzterem allein 478. Dogmatisch ist dem im Rahmen der Angemessenheitsprüfung derart Rechnung zu tragen, dass der Privatnützigkeit bei der Abwägung mit der Staatsfinanzierung besonderes Gewicht zukommt, sobald der Anteil letzterer am Vermögensertrag die Hälfte übersteigt 479.

475

H. H. v. Arnim, Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 313. F. Klein, StuW 1966, S. 459, 483. 477 P. Kirchhof , Stbg 1995, S. 71; ders., StuW 1980, S. 362; ders., in: P. Kirchhof / H. Söhn, § 2 EStG, A 158; H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 76 f.; ausführlich zum Halbteilungsgrundsatz: M. Pausenberger, Eigentum und Steuern in der Republik. 478 W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 140. 479 J. Hey, in: H/H/R, Einf KSt, Anm. 32. 476

226

E. Das Steuerrecht als offene Flanke der Eigentumsgewährleistung?

Soweit etwa das Einkommen dem Eigentümer zum Lebensunterhalt dient, wird eine auch hälftige Ertragsteilhabe des Staates in der Regel nicht mehr vertretbar sein. Soweit es allerdings nicht um die persönliche Lebensführung geht, führt dieser abstrakte Vorrang der privaten Eigentumsnutzung vor der Finanzierung staatlicher Aktivitäten zu einer grundsätzlichen Freihaltung etwa der Hälfte der privatwirtschaftlich erzielten oder typischerweise zu erzielenden Erträge. Vor dem Hintergrund des Primats der privatnützigen Einkommensverwendung muss die hälftige Teilung in der Regel zugunsten der Privatnützigkeit des Einkommens eingehalten werden; „als Gebot praktischer Vernunft sind Bürger, Bauer und Edelmann mehr als die Hälfte ihres Einkommens zu belassen“ 480. Eine Überbesteuerung liegt grundsätzlich vor, wenn die Belastung des Einkommens durch Steuern 50 v. H. übersteigt 481. Wenn der Bürger mehr als die Hälfte des Erworbenen an den Staat qua Steuer abliefern muss, arbeitet er primär fremd- und nicht mehr primär eigennützig. Und das Verhältnis von Recht und Pflicht ist nicht ausgewogen, wenn der Staat sich mehr nimmt, als ihm bei einer einigermaßen gleichgewichtigen Teilung zukäme. Dieser Halbteilungsgrundsatz wird zum Teil bei Unternehmen schon als überschritten angesehen 482. Zu beachten ist aber, dass dem Eigentümer auch nach hälftiger Besteuerung ein angemessener Teil seiner Eigentumsnutzung verbleiben kann 483. Dies bedeutet aber einen besonderen Begründungsbedarf, inwieweit die Steuer auf mehr als die Hälfte der privat erwirtschafteten Erträge zugreifen darf. Wenn diese Rechtsmaxime sichtbar mit 50 v. H. überschritten ist, dann ist der Sonderfinanzierungsbedarf zu rechtfertigen 484. Die eigentumsrechtliche Ausrichtung des steuerlichen Zugriffs enthält damit zwar keinen einheitlichen konkreten Maßstab für die Bemessung der Einzelsteuerschuld, skizziert jedoch Maximen der Zugriffsintensität. Insoweit ist eine 50 v. H.-Grenze des Entzugs eine gewisse, auch verfassungsrechtliche, Orientierungsmarke zur Indizierung einer übermäßigen Belastung, denn nur selten und in geringerem Umfang werden größere Wertverluste durch verbleibende Verfügungsbefugnis kompensiert 485. Hieraus folgt, dass der staatliche Gesetzgeber Steuertarife, die im Durchschnitt 50 v. H. überschreiten, nicht festlegen darf. Der Spitzen- oder Grenzsteuersatz des Einkommensteuerge480

P. Kirchhof , Stbg 1997, S. 195; 1998, S. 389 zitiert Friedrich den Großen, 6/ 2. politisches Testament. 481 R. Herzog, in: Handelsblatt vom 5. Mai 1997; L. Schemmel, StuW 1995, S. 52 m. w. N.; s. a. F. Klein, StuW 1966, S. 434 ff.; H. Spanner, Der Steuerbürger und das Bundesverfassungsgericht, 1967 S. 101; K. H. Friauf , DStJG 12 (1989), S. 3 (8 f.); W. Leisner, HbStR VI, § 149, Rn. 141, 151, aber Rn. 152: iudex non calculat. 482 H. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Abgabenlast, S. 135. 483 P. Kirchhof , Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), S. 272. 484 R. Seer, FR 1999, S. 1291. 485 P. Wollny, in: Unternehmensbesteuerung in Theorie und Praxis, S. 97.

VI. Die Bedeutung des Halbteilungsgrundsatzes

227

setzes ist für die Berechnung der Belastungsobergrenze einer annähernd hälftigen Ertragsteilung insoweit nicht ausschlaggebend, als sich aus einem progressiven Steuertarif und der Abschnittsbesteuerung ein Durchschnittssteuersatz ergibt 486. Andererseits ist es jedoch nicht auszuschließen, dass sich im Laufe der Zeit die Vorstellungen von der Höchstbelastung wandeln oder aus der Summe der verschiedenen Belastungen im Einzelfall ausnahmsweise und nur vorübergehend eine geringfügige Überschreitung der Höchstbelastung ergibt, die hinnehmbar erscheint.

486

K. Tipke, GmbHR 1996, S. 13; M. Jachmann, StuW 1996, S. 105; dies., in: Politische Studien, Sonderheft 1/2000, S. 85; R. Seer, FR 1999, S. 1291.

F. Gemeinschaftsebene Grundsätzlich gilt Art. 14 GG auch gegenüber EU-Akten 1. Art. 295 EG bestimmt ausdrücklich, dass der Vertrag die unterschiedlichen Eigentumsordnungen in den jeweiligen Mitgliedstaaten unberührt lässt. Damit ist klargestellt, dass das vertragsgeschaffene Gemeinschaftsrecht nicht gestaltend in die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten eingreift und die Befugnisse der EG-Organe nicht die Entscheidungsvollmacht einschließen, die Eigentumsordnung der Mitgliedstaaten zu ändern oder die Mitgliedstaaten an einer Änderung ihrer Eigentumsordnung zu hindern. Die Gestaltung der nationalen Eigentumsordnung ist den Mitgliedstaaten nicht genommen. Durch den die Eigentumsordnung betreffenden Vorbehalt zugunsten der Mitgliedstaaten werden die verschiedenen Regelungsmöglichkeiten für den Eigentumsgebrauch nicht beschränkt. Mit der Offenheit des Grundgesetzes für eine europäische Integration nach den Art. 23, 24, 88 GG geht vielmehr eine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Grundrechte des Grundgesetzes einher. Demnach hat das Bundesverfassungsgericht im Maastricht-Beschluss den Schutz durch die deutschen Grundrechte auf die Ausübung europäischer Hoheitsgewalt in Deutschland bezogen; dies unterliege wie das Zustimmungsgesetz selbst deren Bindung 2. Damit ist klargestellt, dass der deutsche Grundrechteschutz gegenüber jeder im Geltungsbereich des Grundgesetzes wahrgenommener supranationaler Hoheitsbefugnis wirkt, also auch für die Anwendung von Gemeinschaftsrecht in Deutschland. Der Gewährleistungsbereich des Art. 14 GG stellt sich gegenüber der Ausübung der europäischen Hoheitsgewalt in der gleichen Weise wie gegenüber der nationalen Hoheitsgewalt dar 3.

1 Dabei gibt es keine unabhängige europäische Hoheitsgewalt, sondern diese ist immer von den Mitgliedstaaten abgeleitet, K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 70 ff. 2 BVerfGE 89, 155 (174), allerdings sieht das Bundesverfassungsgericht darin seine Prüfungskompetenz nur noch bei einer generellen, nicht angemessenen Handhabung der Grundrechte durch den Europäischen Gerichtshof ausgelöst; kritisch hierzu K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 98 ff. 3 G. Reiner, DStZ 1999, S. 826, 828.

I. Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze

229

I. Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze Aber für europäische Akte gelten auch die Grundrechte auf Gemeinschaftsebene 4. Über die allgemeine Achtung der Menschenrechte und Grundrechte in der Präambel des Vertrages von Maastricht hinaus lässt sich die Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 EU als Bestätigung eines europäischen grundrechtlichen Schutzbereichs und -niveaus verstehen 5. Diese Vorschrift positiviert als Rechtsquelle ausdrücklich die Bindung der Gemeinschaft an die Grundrechte. Wie zudem durch den Amsterdamer Vertrag in Art. 29 EU und den Art. 61 ff. EG ausdrücklich festgelegt, soll die Europäische Union einen Rechtsraum schaffen, der die Freiheit seiner Bürger gewährleistet. Der Europäische Rat erblickt in der Wahrung der Grundrechte ein Gründungsprinzip der Europäischen Union und eine unerlässliche Voraussetzung für ihre Legitimitation 6. Die Europäische Union bekennt sich damit dazu, dass die Grundrechte der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Grundrechte geachtet werden, wie sie sich aus den gemeinsamen Überlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben. Art. 46 d) EU unterstellt im Übrigen diese Bestimmung jetzt auch der Jurisdiktion des Europäischen Gerichtshofs 7. Diese Bestimmungen zu den Grundrechten lassen sich teilweise als vertragliche Anerkennung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verstehen. Auch der Europäische Gerichtshof leitet seine Rechtsgrundsätze und ihre maßgeblichen Inhalte und Grenzen insbesondere aus den von den Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen, vor allem der Europäischen Menschenrechtskonvention, die er inhaltlich in seine Spruchpraxis einbezogen hat, und einer vergleichenden Wertung der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ab 8. Dabei hat er selbst formuliert, dass die Grundrechte, wie sie aus den Verfassungen der Mitgliedstaaten hervorgehen und insbesondere in der Europäischen Menschenrechtskonvention und den Zusatzprotokollen anerkannt sind, zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehören, die er zu wahren hat 9.

4 Diese sind zu unterscheiden von den im EG-Vertrag ausdrücklich genannten Grundfreiheiten. 5 EuGH, Slg. I 2003, S. 7411, Rdnr. 66. 6 EuGRZ 1999, S. 364; s. a. Memorandum der Europäischen Kommission von 1979, EuGRZ 1979, 330 (331): Der europäische Bürger hat ein berechtigtes Interesse daran, auch gegenüber den EG seine Rechte im vorhinein fixiert zu sehen.; S. Baer, ZRP 2000, S. 362, dort auch als europäische bill of rights bezeichnet; auch bei N. Reich, ZRP 2000, S. 375. 7 J. Limbach, NJW 2001, S. 2917. 8 U. Everling, Stbg 1988, S. 284. 9 Etwa EuGH, Slg. I 2002, S. 9011, Rz 25; 2001, S. 1611, Rz, 37; 1979, S. 3727, Rdnr. 15.

230

F. Gemeinschaftsebene

Die Bezugnahme auf die Europäische Menschenrechtskonvention ist allerdings insofern problematisch, als die Gemeinschaft mangels Unterzeichung nicht an die Europäische Menschenrechtskonvention gebunden ist. Bekräftigend ist an eine entsprechende Vertragsänderung der Europäischen Menschenrechtskonvention zu denken. Teilweise wird vertreten, hierzu seien die Mitgliedstaaten sogar verpflichtet 10. In seinem Solange II-Urteil aus dem Jahre 1986 hat das Bundesverfassungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zusammengefasst und festgestellt, dass dieser mittlerweile ein Maß an als unabdingbar gebotenem Grundrechtsstandard als bindenden Prüfungsmaßstab für hoheitliche Handlungen von Gemeinschaftsorganen herangezogen habe, der nach Konzeption, Inhalt und Wirkungsweise im wesentlichen den mitgliedstaatlichen Verfassungen, z. B. dem Grundgesetz, gleichzuachten sei 11. Insbesondere sei der Wesensgehalt der Grundrechte auch gegenüber der Hoheitsgewalt der Gemeinschaft verbürgt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch im Maastricht-Beschluss ausgeführt, dass mit der Gemeinschaftsbezogenheit keine ins Gewicht fallende Minderung des Grundrechtsstandards verbunden sein soll 12. Im Rahmen des dort dogmatisierten Kooperationsverhältnisses verzichtet das Bundesverfassungsgericht darauf zu überprüfen, ob die Auslegung des europarechtlichen Grundrechteschutzes durch den Europäischen Gerichtshof im Einzelfall dem Standard des Grundgesetzes entspricht. Nur in den Konstellationen, in denen eine nicht nur im Einzelfall, sondern eine generelle, nicht angemessene Handhabung der Grundrechte durch den Europäischen Gerichtshof anzunehmen ist, würde die Prüfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst 13. Primär schützen somit die Gemeinschaftsgrundrechte gegenüber Maßnahmen der Gemeinschaft und verdrängen, von dem o. g. Extremfall abgesehen, dass der unabdingbare Grundrechtsstandard vom Europäischen Gerichtshof nicht gewahrt wird, insoweit die nationalen Grundrechte. Die Nutzung des Eigentums in Europa unterliegt damit den Rahmenbedingungen des vertragsbegründeten Gemeinschaftsrechts und der Gestaltungswirkung organgeschaffener Rechtsvorschriften. Sie wird durch das europäische Recht beeinflusst 14. Der Europäische Gerichtshof selbst spricht davon, dass ein Handeln der Gemeinschaft nicht nur an den Gemeinschaftsgrundrechten zu messen sei, der Vorrang des Gemeinschaftsrechts sogar eine Prüfung von Gemeinschaftsakten am Maßstab der nationalen Grundrechte verbiete 15.

10 11 12 13 14

C. Busse, NJW 2000, S. 1079. BVerfGE 73, 339, (377 f.); s. a. B. Losch / W. C. Radau, ZRP 2000, S. 84, 85. BVerfGE 89, 155 (174). S. a. J. Limbach, NJW 2001, S. 2917; P. J. Tettinger, NJW 2001, S. 1012. P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 6.

III. Grundrechtecharta

231

II. Allgemeiner Gemeinschaftsrechtsgrundsatz des Eigentumsgrundrechts Der Europäische Gerichtshof hat in seiner langjährigen Judikatur eine Reihe von Grundrechten entwickelt 16. Zu den danach gemeinschaftsrechtlich geltenden Grundrechten gehört jedenfalls auch das Eigentumsrecht 17. Der angesprochene Ausgangspunkt zur Herleitung der Rechtsgrundsätze aus den von den Mitgliedstaaten geschlossenen Abkommen verweist für das Eigentum auf Art. 1 des ersten Zusatzprotokolls zur Europäischen Menschenrechtskonvention vom 20. März 1952. Danach ist jeder natürlichen und juristischen Person das Recht auf Achtung ihres Eigentums garantiert. Ein Entzug des Eigentums und Regelungen oder Beschränkungen der Eigentumsnutzung sind im Lichte dieses allgemeinen Grundsatzes auszulegen. Insofern bildet die Europäische Menschenrechtskonvention den Ausgangspunkt für ein europäisches Eigentumsgrundrecht. Die durch richterrechtliche Rechtsfortbildung und Verweis auf die Europäischen Menschenrechtskonvention entwickelten Gemeinschaftsgrundrechte tragen dem Bedürfnis nach Grundrechteschutz aber nur hilfsweise Rechnung, da sie für den Bürger kaum verständlich sind. Eine Rechtsordnung, die direkten Zugriff auf die Bürger und Unternehmen hat und die die Staaten zum Erlass von Regelungen zwingen kann sowie den Anspruch erhebt, den Bürgern unmittelbar geltende und durchsetzbare Rechte zu verleihen und Pflichten aufzuerlegen, muss zu ihrer Legitimierung und Akzeptanz mit grundrechtlichen Leitplanken versehen sein 18. Die Verankerung von Grund- und Menschenrechten, dem Einzelnen nicht durch Gesetz verliehen, sondern ihm kraft seines Menschseins eigen, als Vertragsänderung nach Art. 48 EU muss daher Herzstück einer Verfassung der Gemeinschaft sein 19.

III. Grundrechtecharta Dieses Ziel wird durch die Grundrechtecharta als Teil einer europäischen Verfassung verfolgt 20. 15

Etwa EuGH, Slg. 1979, S. 3727, Rdnr. 14 (Hauer); 1970, S. 1125, Rdnr. 3.; kritisch zum Vorranganspruch K. A. Schachtschneider, Die existentielle Staatlichkeit der Völker Europas, S. 98 ff. 16 R. Steinberg, ZRP 1999, S. 367. 17 EuGH, Slg. 2003, S. 7411, Rdnr. 67; 1979, S. 3727, Rdnr. 17. 18 G. Hirsch, NJW 2000, S. 1817, 1820. 19 B. Losch / W. C. Radau, ZRP 2000, S. 84, 87; zur unvollkommenen Staatlichkeit der Gemeinschaft s. K. A. Schachschneider, Freiheit in der Republik, 7. Kap., VI.; ders., Entstaatlichung Deutschlands und Entrechtlichung Europas, S. 39 ff. 20 S. Heitmann, NJW 2001, S. 125.

232

F. Gemeinschaftsebene

In Art. 17 der Charta (jetzt Art. II-77 der Verfassung für Europa) wurde das mehrfach durch den Europäischen Gerichtshof bekräftigte Eigentumsrecht als gemeinsames Grundrecht aller einzelstaatlichen Verfassungen niedergelegt. Vom Text her wird das Recht, Eigentum zu besitzen, nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben, geschützt. Diese Nutzung kann gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist. Die Bedeutung und Tragweite der garantierten Rechte werden auch durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs bestimmt (Erläuterung zum ursprünglichen Art. 52 der Charta, jetzt Art. II-112 der Verfassung für Europa). Die Charta soll die bestehende Rechtslage nicht in Frage stellen, sondern bekräftigen (Präambel 5. Punkt) und keine ihrer Bestimmungen ist als eine Einschränkung des Schutzniveaus der Menschenrechte und Grundfreiheiten auszulegen, die insbesondere durch die Europäische Menschenrechtskonvention anerkannt werden (Art. II-113 der Verfassung für Europa). Trotz dieser Bekräftigung in der Präambel und Art. II-113 der Verfassung für Europa wird insbesondere das Eigentumsrecht der Menschen und Bürger jedoch durch den Text der Grundrechte, im Vergleich zu Art. 14 GG, spürbar gemindert 21. Art. II-77 der Verfassung für Europa ist auf den Bestands- und Gebrauchsschutz reduziert und gewährleistet kein Recht auf Eigentum, nennt auch nicht die Sozialpflichtigkeit 22. Auch ein Anspruch des einzelnen auf Gewährung bestimmter Handlungsmöglichkeiten im Vermögensbereich auf Gemeinschaftsebene wird verneint 23. Kritisiert wird an der Diskussion um den Entwurf einer europäischen Grundrechtecharta daher zu Recht, dass zu wenig auf die gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten abgestellt wird 24. Durch eine inhaltliche Orientierung an nationale Grundrechte hätten auch Schwächen der Europäischen Menschenrechtskonvention ausgeglichen werden können. Es bedurfte insoweit keiner eigenständigen Grundrechtecharta der Europäischen Union, die die Europäische Menschenrechtskonvention weitgehend nur wiederholt.

21 K. A. Schachtschneider, in: Zeit-Fragen vom 9. Oktober 2000, Sonderbeilage, S. 4; P. J. Tettinger, NJW 2001, S. 1010. 22 K. A. Schachtschneider, in: Zeit-Fragen vom 9. Oktober 2000, Sonderbeilage, S. 3; ders., Eine Charta der Grundrechte für die Europäische Union, S. 14. 23 C. v. Milczewski, Eigentum im EG-Recht, S. 123 f. 24 Reaktion von C. Linder auf C. Busse, NJW 2000, S. XXI.

IV. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten

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IV. Eigentumsbeeinträchtigung durch Steuerpflichten 1. Rechtsgrundlage Es entspricht gängigen Verfassungstraditionen in den Mitgliedstaaten und auch der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Nutzung des Eigentums gesetzlich geregelt werden kann, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist (s. a. Art. II-77 der Verfassung für Europa) 25. Solche Eingriffe der öffentlichen Gewalt in die Sphäre der privaten Betätigung jeder Person bedürfen damit einer Rechtsgrundlage. Grundsätzlich ist auch eine (EU-)Steuergewalt denkbar 26. Aber durch die Eingliederung der Bundesrepublik Deutschland in die supranationale Organisation der Europäischen Union wird bisher der nationale Steuerstaat nicht grundlegend in Frage gestellt. Unter Hinweis auf den Steuervorbehalt in Art. 1 1. ZP Abs. 2 EMRK führt die Kommission selbst aus, dass es im Ermessen der Konventionsstaaten liegt, wie sie ihr Steuer- oder Abgabensystem gestalten 27. Die Anwendung europäischer Hoheitsgewalt im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland bezieht im Übrigen ihre alleinige Rechtfertigung aus dem entsprechenden Anwendungsbefehl im deutschen Zustimmungsgesetz zum Vertrag über die Europäische Union auf der Grundlage des Art. 59 Abs. 2 GG 28. Soweit die Europäische Union selbst über ein eigenes Budget und eigene Kompetenzen zur Erhebung von Abgaben im Allgemeinen und Steuern im Besonderen verfügt, sind diese nie originär, sondern von der Hoheitsgewalt der einzelnen Mitgliedstaaten abgeleitet 29. 2. Rechtfertigungsprüfung Die maßgebliche Eigentumsgewährleistung in Art. 1 1. ZP EMRK ist, im Gegensatz zum Grundgesetz, mit einem ausdrücklicher Steuervorbehalt versehen. Dies ist damit aber auch eine europarechtliche Anerkennung, dass die Steuer einen Eingriff in das Eigentum bewirkt 30. Die Europäische Kommission für Menschenrechte hat am 10. September 1998 im Verfahren Helene Musa gegen Österreich 25

EuGH, Slg. 1989, S. 2859, Rdnr. 19; Slg. 1989, S. 3165, Rdnr. 16; P. J. Tettinger, NJW 2001, S. 1014. 26 S. Art. I-54 Abs. 1 der Verfassung für Europa und Anfänge einer Europäischen Steuerharmonisierung über Richtlinien z. B. zur Umsatzsteuer (67/227/EWG, 77/388/EWG), Fusionen (90/434/EWG) sowie- Mutter- und Tochtergesellschaften (90/435/EWG); s. a. U. Everling, Stbg 1988, S. 286 f. 27 Beschw. Nr. 40477/98. 28 BVerfGE 89, 155 (187 f.). 29 G. Reiner, DStZ 1999, S. 813.

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zudem ausdrücklich entschieden, dass die Erhebung von Abgaben unstrittig ein Eingriff in das Recht auf Eigentum sei 31. Angesichts der in Deutschland lange vorherrschenden Ansicht, Art. 14 GG schütze nicht vor Steuergesetzen, da Steuern nicht in den Schutzbereich des Eigentums eingreifen würden, ist diese Aussage besonders bemerkenswert 32. Dieser Eigentumsentzug muss dem öffentlichen Interesse dienen (u. a. Art. II77 der Verfassung für Europa) und damit auf einer Abwägung zwischen den Gemeinschaftsbelangen und den Schutzbelangen der individuellen Grundrechte beruhen 33. Innerhalb der horizontalen Schlussbestimmungen fasst zudem Art. II-112 der Verfassung für Europa als allgemeine Einschränkungsregelung die Grundrechtsschranken des Gesetzesvorbehalts, der Wesengehaltsgarantie der Grundrechte und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Schranken zusammen. Art. II112 Abs. 3 der Verfassung für Europa legt das Verhältnis zur Europäischen Menschenrechtskonvention fest und regelt, dass keine Bestimmung der Charta so ausgelegt werden soll, dass im Vergleich zur Europäischen Menschenrechtskonvention ein geringeres Schutzniveau erreicht wird. Soweit die Charta Rechte enthält, die den durch die Europäischen Menschenrechtskonvention garantierten Rechten entsprechen, wie z. B. Art. 1 ZP EMRK, haben sie gemäß Art. II-112 Abs. 3 der Verfassung für Europa die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der Konvention verliehen wird. Der Gesetzgeber darf danach nicht über die in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehene Festlegung von Einschränkungen hinausgehen, sondern muss die gleichen Normen einhalten, die in der Regelung der Einschränkungen in der Europäischen Menschenrechtskonvention vorgesehen sind (Erläuterung zum ursprünglichen Art. 52 der Charta, jetzt Art. II-112 der Verfassung für Europa). Die Eigentumsgewährleistung des Art. 1 1. ZP EMRK selbst wäre verletzt, wenn Geldleistungspflichten, die sich infolge der Erhebung von Steuern und Abgaben ergeben, den Betroffenen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen 34. So schließe die Prüfungskompetenz (der EKMR) nicht nur ein, festzustellen ob eine bestimmte Maßnahme von solcher Art ist, 30

P. Kirchhof , in: Festschrift für K. Vogel, S. 58 f.; zu andern europäischen Verfassungen K. Tipke, GmbHR 1996, S. 12; K. J. Partsch, in: Besteuerung und Eigentum, VVDStRL 39 (1981), Diskussion, S. 386; J. Faehling, Die Eigentumsgewährleistung durch Art. 14 des Grundgesetzes als Schranke der Besteuerung, S. 26 f. 31 Beschw. Nr. 40477/98. 32 Beschw. Nr. 8531/79 (brit. Verlustzuweisungsgesellschaften), D. R. 23, 203; 9781/ 82 (KiSt), D. R. 37, 42; 9908/82 (franz. Bemessung des zvE), D. R. 32, 266; 9939/82 (Konkursverwalter), D. R. 34, 213; 11036/84 (schwedische Gewinnteilungsteuer), D. R. 45, 211; 11189/84, D. R. 50, 121. 33 P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 6.

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dass sie sinnvollerweise als notwendig zur Erreichung eines der im Artikel aufgezählten Ziele ist, sondern die (Konventions)organe würden zumindest prüfen, ob die Anwendung der gegenständlichen Steuer oder Abgabe im konkreten Fall missbräuchlich oder grob unverhältnismäßig zu den erstrebten Zielen sei. Eine Beeinträchtigung der Eigentumsgewährleistung läge etwa bei einer exzessiven Last vor oder wenn das Vermögensrecht fundamental beeinträchtigt würde 35. Ein über die Erdrosselungsrechtsprechung hinausgehender Schutz des Eigentums vor übermäßiger Besteuerung kann der auf europäischer Ebene maßgeblichen Norm des Art. 1 des 1. ZP zur EMRK in seiner derzeit praktizierten Auslegung nicht entnommen werden. Als Definitionsgrundlage für ein wirksames europäisches Eigentumsrecht ist die Formulierung der Europäischen Menschenrechtskonvention ungeeignet. Diesen Mangel kompensiert auch nicht der Rückgriff des Europäischen Gerichtshofs auf gemeinsame grundrechtliche Überlieferungen der Mitgliedstaaten, die nur einen sehr kleinen gemeinsamen Nenner darstellen können 36, weil diese angesichts der unterschiedlichen mitgliedstaatlichen Grundrechtelehren und Grundrechtepraktiken keinerlei textliche Bindung zu schaffen vermögen. Auch die Generalklausel des Art. II-112 Abs. 1 der Verfassung für Europa ist im Vergleich zur deutschen Rechtslage derart unbestimmt und weit gefasst, dass ihr in der Praxis wohl kaum eine wirkliche Begrenzungsfunktion zukommen dürfte 37. Schließlich kann in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Berücksichtigung der Eigentumsgewährleistung als allgemeinem Rechtsgrundsatz des Gemeinschaftsrechts nicht annähernd ein europäischer Eigentumsschutz erkannt werden, der in etwa die in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Rechtsmaßstäbe anwendet. Sogar unter dem pauschalem, ans Investitionshilfeurteil erinnernden, Hinweis darauf, dass die Verpflichtung, eine Abgabe zu bezahlen, nicht als Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht angesehen werden könne, wird eine Aktualisierung der Eigentumsgewährleistung gegenüber der Besteuerung abgelehnt 38. Der Europäische Gerichtshof verfestigt seine Judikatur in einigen wenigen Großformeln, aus denen er dann, in schwer im Einzelnen nachvollziehbarem Subsumtionsvorgang, die Entscheidung im Einzelfall gewinnt. Die Entscheidungen tendieren zur Pauschalierung 39. Der Entscheidungsstil ist dogmatisch unergie34 Beschw. Nr. 13013/87, D. R. 58, 163, Beschw. Nr. 15117/89, D. R. 80, 5; Beschw. Nr. 40477/98; s. a. C. v. Milczewski, Eigentum im EG-Recht, S. 146. 35 Beschw. Nr. 11189/84, D. R. 50, 121. 36 W. Leisner, Eigentum, S. 1011. 37 M. Kenntner, ZRP 2000, S. 424 f.; P. J. Tettinger, NJW 2001, S. 1011. 38 EuGH, Slg. I 1991, S. 415, Rdnr. 72, 74. 39 B. Losch / W. C. Radau, ZRP 2000, S. 84, 85.

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big, zumal eine gemeinschaftsrechtsspezifische Grundrechtsdogmatik allenfalls in Ansätzen existiert. Die Methode der Rechtfertigungsprüfung ist wenig transparent, wenn sich der Europäische Gerichtshof regelmäßig auf den apodiktischen Hinweis beschränkt, dass die Grundrechte keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen würden, sondern Beschränkungen unterworfen werden können, die dem Gemeinwohl dienenden Zwecken entsprechen und keinen unverhältnismäßigen Eingriff darstellen, der die gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt (substance) antastet 40. Eine wirkliche Verhältnismäßigkeitsprüfung wird verweigert. Die einander gegenüberstehenden Interessen werden zumeist nicht gewichtet, insbesondere wird nicht im Einzelnen dargelegt, mit welchem Gewicht die zur Rechtfertigung des Eingriffs ins Feld geführten Gemeinschaftsbelange in die Abwägung einzustellen sind 41. Vielmehr schließt sich an die meist nicht näher ausgeführte Feststellung, ein bestimmtes Grundrecht sei geschützt, sogleich der Hinweis darauf an, dass dies aber im Hinblick auf dessen gesellschaftliche Funktion gesehen werden müsse und daher aus Gemeinwohlgründen beschränkt werden könne 42. Schon dieser Begriff der Funktion im Zusammenhang mit den Schranken des Eigentums ist klärungsbedürftig. Der Gerichtshof fordert damit, dass sich die gemeinschaftsrechtliche Gewährleistung der Grundrechte in die Struktur und Ziele der Gemeinschaft einfügen muss 43. Hierzu arbeitet er schutzwürdige Gemeinwohlziele heraus, die einen Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen können. In dieser Auffassung kommt zudem zum Ausdruck, dass der Europäische Gerichtshof im Zweifel der Durchsetzung des Binnenmarktes den Vorrang vor den entgegenstehenden Interessen des Einzelnen einräumt. Bei der Frage, ob der Eingriff eines Gemeinschaftsorgans in ein Grundrecht gerechtfertigt ist, steht nicht so sehr die Wirkkraft des Grundrechts, sondern der Umstand, dass dieses Grundrecht eingeschränkt werden kann, im Vordergrund. Vor dem Hintergrund dieser integrationsfreundlichen effet-utile-Rechtsprechung sind im Gegensatz zur deutschen Rechtspraxis keine Fälle bekannt, in denen überhaupt ein Gemeinschaftsrechtsakt vom Europäischen Gerichtshof als grundrechtswidrig bewertet und deshalb aufgehoben worden wäre. Die Berufung auf das Eigentum gegenüber Maßnahmen der Gemeinschaft war noch nicht ein

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EuGH, Slg. I 2003, S. 7411, Rdnr. 68; 1999, S. 2603, Rdnr. 54; 1994, S. 4973, Rdnr. 78; 1997, S. 1809, Rdnr. 27; 1992, S. 35, Rdnr. 16; 1991, S. 5212, Rdnr. 29; 1989, S. 2609, Rdnr. 18; 1989, S. 2237, Rdnr. 15; 1979, S. 3727, Rdnr. 23. 41 A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 365 ff.; K. Ritgen, ZRP 2000, S. 372. 42 EuGH, Slg. I 2003, S. 7411, Rdnr. 68; 1999, S. I-02603, Rdnr. 54. 43 EuGH, Slg. 1994, S. S. 4973, Rdnr. 78; 1994, S. 5555, Rdnr. 22; 1989, S. 2609, Rdnr. 18; 1970, S. 1125, Rdnr. 4.

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einziges Mal vor dem Europäischen Gerichtshof erfolgreich 44. Solange der Schutz des Eigentums hinter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit kaum fassbaren Zwecken und Zielen der Gemeinschaft zurücktreten muss, kann ein europäischer Eigentumsschutz angesichts seiner dynamischen Fortentwicklung nur nach dem jeweils erreichten Status bestimmt werden und ist rechtlich schwer greifbar, die Rechtssicherheit der Gewährleistung damit gering. Vielmehr übernimmt der Europäische Gerichtshof die von den Gemeinschaftsorganen zur Begründung der Maßnahmen angeführten Argumente und betont, dass er nicht die Frage, ob die vom Gemeinschaftsgesetzgeber gewählten Maßnahmen angemessen sind, beantworten kann, wenn der Beweis nicht erbracht ist, dass diese Maßnahmen zur Verwirklichung des verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet waren 45. Hiermit hat er dem Gemeinschaftsnormgeber einen übermäßig weiten Ermessensspielraum eingeräumt. Die Rechtfertigungsprüfung endet bei der Bestimmung des den Eingriff legitimierenden Ziels und der Feststellung offensichtlich irriger Einschätzungen (Evidenzkontrolle) 46. Hier ist zukünftig insbesondere ein verstärktes Eingehen auf Zumutbarkeitsaspekte im Rahmen einer sorgfältigeren Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Ingerenz angezeigt. Ein Problem ist zudem darin zu sehen, dass judikative Divergenzen gegenüber der Grundrechtsauslegung durch den Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte entstehen können, da der Europäische Gerichtshof die Europäische Menschenrechtskonvention als Ausdruck gemeinsamer Rechtsüberzeugung zu berücksichtigen hat 47. Hierbei will Jutta Limbach auf eine Kooperation in der Rechtsprechung der Straßburger Instanzen vertrauen 48. Der gemeinschaftsrechtliche Individualrechtsschutz ist schließlich verfahrensrechtlich begrenzt. Über die Vorlage im Vorabentscheidungsverfahren bestimmen die nationalen Gerichte, in deren Händen damit teilweise die Weiterentwicklung des gemeinschaftsrechtlichen Grundrechteschutzes liegt 49.

44 M. Kenntner, ZRP 2000, S. 424; C. v. Milczewski, Eigentum im EG-Recht, S. 1; zum EuGHMR s. u. a. Beschw. Nr. 46720/01, 72203/01, 72552/01 (Bodenreform). 45 Vgl. etwa EuGH, Slg. I 1994, S. 4973, Rdnr. 90 ff. – Bananenmarktverordnung; 1990, S. 4023, Rdnr. 14; 1990, S. 435, Rdnr. 14. 46 K. A. Schachtschneider, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 401; A. Emmerich-Fritsche, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 365 ff., 405 ff. 47 B. Losch / W. C. Radau, ZRP 2000, S. 84, 86. 48 J. Limbach, NJW 2001, S. 2918. 49 B. Losch / W. C. Radau, ZRP 2000, S. 84, 86.

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V. Gesamtbeurteilung Die bestehenden vermögenswerten Rechte des Einzelnen sind danach auch auf EU-Ebene zwar nach den Verträgen gegen Entzug und gegen unverhältnismäßige oder ihren Wesensgehalt zerstörende Beschränkung durch Rechtsakte der EGOrgane geschützt 50. Im Ergebnis liegt der europäische Schutzstandard des Eigentums aber insgesamt, damit auch gegenüber Steuern, weit unter dem deutschen, insbesondere weil in einem der Kernbereiche des Europarechts mit einer Vielzahl weithin aussageloser Allgemeinformeln gearbeitet wird und überdies der Eigentumsschutz unter dem juristisch nicht mehr fassbaren Vorbehalt einer Gemeinschaftsentwicklung steht, die dynamisch verlaufen soll. Zu kritischen Fragen und der Skepsis gegenüber der Grundrechtejudikatur des Europäischen Gerichtshofs besteht aufgrund dieser Defizite in der Grundrechteprüfung durchaus Anlass. Der gemeinschaftsrechtliche Schutz des grundrechtlichen Eigentums vor Besteuerung ist somit weder verfahrensrechtlich noch materiell-rechtlich gewährleistet. Die deutschen Eigentümer müssen mit einer wesentlichen Abschwächung ihres Grundrechteschutzes gegenüber dem gegenwärtigen deutschen Standard rechnen.

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P. Badura, HVerfR, 2. Kap., § 10, I. 6.

G. Zusammenfassung Eine übermäßige Steuerlast bremst die Leistungs- und Investitionsbereitschaft der Steuerzahler und verleitet zur Abwanderung in Länder mit einer geringeren Steuerbelastung. Soweit hohe Steuerlasten in die Preise und Löhne eingehen, tragen sie zu Arbeitsplatz- und Wachstumsverlusten bei. Übermäßige Steuern verleiten auch zur Steuerverkürzung, zumindest zu ihrer Vermeidung oder Umgehung. Da die staatliche Steuergewalt den Vermögensbereich im Vergleich zu anderen grundrechtlich geschützten Rechten am stärksten beeinträchtigt, muss die Eigentumsgewährleistung, entgegen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, als das zentrale Grundrecht der Vermögenssphäre einen wesentlichen Maßstab, vielleicht sogar die magna charta, gegen eine übermäßige Steuererhebung als des praktisch bedeutsamsten staatlichen Eingriffs in das Vermögen der Bürger bilden. Das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum zeichnet sich in seinem normativen Gehalt durch seine Privatnützigkeit und die Verfügungsbefugnis des Eigentümers hierüber aus. Es soll ihm als Grundlage privater Initiative und in eigenverantwortlichem privatem Interesse von Nutzen sein. Die Eigentumsgewährleistung hat demnach ihre Bedeutung insbesondere als privat verfügbare ökonomische Grundlage der Freiheit des Einzelnen. Insoweit steht die Eigentumsgewährleistung in einem inneren Zusammenhang mit der Gewährleistung der persönlichen Freiheit des Einzelnen und genießt als Element deren Sicherung einen besonders ausgeprägten Schutz. Die Eigentumsgewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG ist der Formulierung nach ein klassischer Fall einer Leitentscheidung, welche gesetzlicher Regelungen des Eigentums als Materie der Gewährleistung bedarf. Die Grenze dieser gesetzlichen Inhalts- und Schrankenbestimmung ist aber immer die verfassungsrechtliche Eigentumsgewährleistung; d. h. der einfache Gesetzgeber hat nur das Recht, den Eigentumsinhalt durch gesetzgeberische Entscheidung – verfassungsgemäß – rechtlich auszugestalten und gegebenenfalls das so definierte Eigentum zu beschränken. Die Steuerpflicht ergibt sich insbesondere aus der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) und den Steuerkompetenznormen der Art. 105 f. GG. Wenn der Gesetzgeber an eine bestimmte Vermögensposition (oder deren Erträge) als Steuerobjekt anknüpft (z. B. die Grundsteuer oder die Einkommensteuer für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) belastet er mittelbar diesen Steuer-

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gegenstand und ist die Steuererhebung insoweit ein eigentumsrelevanter Eingriff. Es ist nur ein durch Auslegung ermittelbarer Unterschied, ob eine Steuer über den Finanzierungszweck hinaus eine gezielte Gestaltung der wirtschaftlichen, sozialen oder allgemeinpolitischen Ordnung gerichtet ist. Eine Eingrenzung der belastenden Gesetze auf solche, die zielgerichtet auf das Eigentum einwirken, lässt sich in dieser pauschalen Form aber schon deshalb nicht halten, weil auch ein Gesetz, das lediglich auf der Tatbestandsseite an einen eigentumsrelevanten Umstand anknüpft, dem Schutzbereich des Eigentumsgrundrechts ohne weiteres eine neue Schranke zieht und eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers voraussetzt, dies zumindest als ungewollte Nebenfolge hinzunehmen. Der allgemeine steuerliche Zugriff auf Vermögensgüter ist als Eingriff in das Eigentumsgrundrecht zu rechtfertigen, ein damit verbundener steuerlicher Zugriff auf andere Rahmenbedingungen freiheitlichen Handelns betrifft auch die für jene Freiheitsausübungen maßgeblichen Grundrechte. Bei der Frage, ob die Steuergewalt allein wegen der Belastung des Vermögens das Grundrecht des Art. 14 GG zu beachten hat, muss die Schutzaufgabe der Eigentumsgewährleistung betrachtet werden. Die Eigentumsgewährleistung steht in einem inneren Zusammenhang mit der Gewährleistung der persönlichen Freiheit des Einzelnen und genießt einen besonders ausgeprägten Schutz, soweit es um deren Sicherung geht. Die Eigentumsgewährleistung findet ihren Sinn in der Wahrung eines individuellen Freiheitsraums auf vermögensrechtlichem Gebiet oder in der Ermöglichung einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung, und dieser Sinn ist durch den Steuereingriff unmittelbar betroffen. Um den konkreten steuerlichen Grundrechtseingriff festzustellen, ist demnach stets darauf abzustellen, auf welche durch Art. 14 GG geschützte Art der grundrechtlichen Freiheitsausübung die Steuer zugreift. Problematisch ist insofern nicht, ob ein Vermögen als ganzes eigentumsfähig ist, sondern inwieweit sich die Besteuerung als Beschränkung der Eigentumsgewährleistung darstellt, und zwar im Hinblick auf einzelne Eigentumsobjekte oder auch auf eine Vielzahl oder Gesamtheit von Eigentumsobjekten. Wie die Steuerlast nur den Eigentümer als Person, nicht den einzelnen Eigentumsgegenstand belastet, so richtet sich der von Art. 14 GG gewährte Schutz gegen eine übermäßige Besteuerung somit nicht nur auf die Erhaltung einzelner Vermögensgegenstände, sondern auf die Gewährleistung der jeweiligen Eigentümerstellung insgesamt. Der Eigentumsbestand ist schon gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG gegenüber dem Eigentumsgebrauch ein eigentumsverfassungsrechtliches aliud in der Sozialbindung. Dem Steuergesetzgeber erwachsen unterschiedliche verfassungsrechtliche Grenzen bei der Abstimmung der Steuerlast auf die jeweilige Eigentumslage. Eigentumsschutz bedeutet gegenüber einem Steuerzugriff zunächst eine Bestandsgewährleistung zugunsten des vorhandenen Vermögens. Es besteht insoweit ein grundsätzliches Besteuerungsverbot, als die Steuer den Steuergegenstand selbst entzieht. Die Steuerbelastungen müssen aus den üblicherweise zu erwar-

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tenden Erträgen des Vermögensstammes finanziert werden können. Im Rahmen des Vermögenserwerbs muss der Steuergesetzgeber dem Eigentümer zunächst den Ertrag belassen, der zur Erhaltung der Eigentumssubstanz erforderlich ist. Über diese bestandssichernde Kraft hinaus schützt die Eigentumsgewährleistung auch den aus der Nutzung des konsolidierten Eigentums erworbenen Ertrag vor einer übermäßigen Besteuerung. Gerade um der im besonderen Maße durch die staatliche Steuergewalt bedingten Gefährdung der eigenständigen Erarbeitung der erforderlichen wirtschaftlichen Grundlagen der persönlichen Freiheitsverwirklichung der Bürger entgegenzuwirken, ist ebenfalls die Besteuerung von Erträgen, die nicht aus einem Sachobjekt gewonnen werden, das bereits im Eigentum des Steuerpflichtigen steht, als Eingriff in die Eigentumsgewährleistung zu rechtfertigen. Dabei darf die Besteuerung nicht den individuellen Erwerbswillen weitgehend beseitigen, sondern muss einen der Leistung angemessenen Nettozufluss ermöglichen. Insgesamt unterliegt der Eigentumsgebrauch einer gesteigerten Sozialpflichtigkeit, ermöglicht also eine intensivere Besteuerung als konsolidierte vermögenswerte Rechte. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eine Erhebung von Steuern zur Finanzierung von dem Wirtschaftlichkeitsgebot widersprechenden Ausgaben als nicht erforderlich anzusehen, sie dient damit nicht dem Wohl der Allgemeinheit und ist mit Art. 14 GG unvereinbar. Je mehr eine konkretes Eigentumsrecht dazu dient, die Selbständigkeit und freie Entfaltung des Menschen zu sichern, desto mehr ist es auch dem Steuergesetzgeber verwehrt, darauf zuzugreifen. Umgekehrt dürfen dem Eigentümer bei Gebrauch und Nutzung des Eigentums umso mehr Beschränkungen und Pflichten auferlegt werden, je mehr es sich von der dargestellten Aufgabe, die Freiheit, Unabhängigkeit und Eigenständigkeit des Einzelnen zu sichern, entfernt. Die steuerliche Abschöpfung von Erträgen aus einer Freiheitsbetätigung ist zudem unzulässig, wenn durch sie die prinzipielle Privatnützigkeit des jeweiligen Eigentums zur Entfaltung der Persönlichkeit beeinträchtigt wird. Aus dieser freiheitlichen Komponente des Eigentumsbegriffs und dem Prinzip der Eigenständigkeit der Person folgt die Notwendigkeit, eine angemessene Anerkennung in der Eigentumsordnung zuzubilligen. Als privatnützig dient das Eigentum in erster Linie den Zwecken des Eigentümers und erst in einer weiteren Bedeutung den Zwecken der Allgemeinheit. Der wirtschaftliche Erfolg der privaten Eigentumsnutzung oder Arbeitsleistung gebührt vorrangig dem Steuerpflichtigen vor einer Verwendung zur Finanzierung staatlichen Handelns. Die Eigentumsordnung und damit die eigentumsgewährenden Gesetze müssen allen Menschen als Notwendigkeit der Freiheit ein ausreichendes Eigentum gewährleisten, eine autonomiegemäße, freiheitliche Selbständigkeit verschaffen. Zur Begrenzung lässt sich dabei das Privatheitsprinzip heranziehen und erlangt als Auslegungsmaxime zugunsten eines Primats der individuellen Selbstverantwortung oder der Eigeninitiative maßgebliche Bedeutung. Der Staat darf die Bürger nur insoweit mit Steuern belasten, als dies zur Erfüllung sei-

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ner unverzichtbaren Funktionen in einer freiheitlichen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung unerlässlich ist. Die grundrechtliche Beurteilung und das Steuersystem müssen zunächst nach der Beeinträchtigung der verschiedenen Entfaltungsmöglichkeiten der Person beim Erwerb, bei der Innehabung und beim Gebrauch von Vermögen fragen. Die Vielfalt und Verschiedenheit des besteuerten Vorgangs, an die die Abgabenerhebung anknüpft, gebietet, die Einzelabgaben erst selbst zu betrachten. Art. 14 GG macht aber neben dieser Einzelfprüfung die zusätzliche Prüfung notwendig, ob durch die aufgrund verfassungsgemäßer Einzelsteuern begründeten Belastungen eine Gesamtsteuerlast entsteht, die das Maß der Sozialpflichtigkeit des Privateigentums übersteigt. Bei der Gesamtbetrachtung sind Konkurrenz- und Kollisionsregeln zu empfehlen, die ein Nebeneinander verschiedener Einzelsteuern in ihrer Individualwirkung koordinieren. Eine wirksame Abhilfe zu schaffen, ist jedoch lediglich eine einzige Maßnahme geeignet, nämlich im Wege einer deutlichen Senkung der gesetzlichen Tarifbegrenzung. Eine vernünftige gesetzliche Konzeption, bei der die Überbesteuerung im Regelfall ausgeschlossen ist, lässt sich nur erreichen, wenn die heutigen hohen Steuersätze insbesondere im betrieblichen Bereich auf ein Maß zurückgeschraubt werden, dass die Unternehmen wenigstens ihre Existenz behaupten können und die Arbeitsplätze erhalten bleiben. In der Folge des Halbteilungsgrundsatzes wird von einer Umsetzungsschlacht 1, ja sogar Bürgerkrieg 2 gesprochen. Jedenfalls ist zu Recht ein besonderer Begründungsbedarf anzunehmen, inwieweit die Steuer auf mehr als die Hälfte der privat erwirtschafteten Erträge zugreifen darf. Der europäische Schutzstandard des Eigentums liegt insgesamt, damit auch gegenüber Steuern, weit unter dem deutschen, weil der Europäische Gerichtshof in einem der Kernbereiche des Europarechts mit einer Vielzahl weithin aussageloser Allgemeinformeln arbeitet und überdies den Eigentumsschutz unter dem juristisch nicht mehr fassbaren Vorbehalt einer Gemeinschaftsentwicklung stellt. Die deutschen Eigentümer müssen mit einer wesentlichen Abschwächung ihres Grundrechteschutzes gegenüber dem gegenwärtigen deutschen Standard rechnen.

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Sachwortverzeichnis Arbeitskraft 85–86, 95, 114, 153, 179–181, 216 Bemessungsgrundlage 65, 99, 152, 163, 182, 205, 221, 224 Beruf 82 Bestandsgewährleistung 117, 120, 131, 134, 140, 149–150, 154, 208, 240 Billigkeitsmaßnahmen 160–161 Bundesfinanzhof 102, 146, 156, 162, 215, 222, 249 Bundesverfassungsgericht 16, 22, 30–31, 36, 58, 61–64, 67, 74–75, 79, 82, 87–89, 91, 103, 108, 113, 121, 133–134, 148, 150, 157, 163, 168, 170, 182, 187–188, 190, 195, 197, 206, 208, 218, 220–222, 226, 228, 230, 246, 249, 252–253 Durchgriffswirkungen 67, 81 Eigentumsbegriff 13, 19–20, 23, 25, 27, 31, 137, 141, 181 Eigentumsgebrauch 83, 149, 151–152, 171–172, 189–191, 193, 223, 225, 228, 240 Eigentumsnutzung 35, 66, 77, 79, 88, 91, 103, 123, 138, 168–169, 172, 174, 183, 188, 208, 210, 226, 231, 241 Eigentumssubstanz 144, 150, 169, 241 Eingriff 21, 45, 51–52, 59, 61–64, 66, 71–72, 76–77, 80–81, 87, 100, 105–106, 108, 110, 115–116, 125, 127, 130–131, 139, 144, 146–147, 150, 153, 157, 161, 167, 171, 174, 176, 185, 188, 209–210, 212, 233, 236–237, 240–241 Einkommen 11, 41, 50, 85, 92–95, 98, 129, 131, 134, 144, 166, 168, 171, 176, 179–180, 182–183, 187, 190, 192, 215, 221, 225–226, 245

Enteignung 42, 52, 93, 100–108, 110, 117, 120, 147, 167, 244, 246, 252 Entfaltung 15, 82, 87, 99, 122, 136, 148, 177, 205–206, 209, 241 Entschädigung 93, 101, 106–107, 139, 147 Erbschaftsteuer 90, 146, 205, 252 Erdrosselung 64, 103, 134, 170–171, 219 Erforderlichkeit 194, 196, 200, 213 Ertragsfähigkeit 85, 108, 145, 150–151, 154, 168, 170–171, 221 Erwerbsfähigkeit 85–86, 148 EuGH 229, 231, 233, 235–237, 246 Europäischer Gerichtshof 229–232, 235–238, 242 Existenzminimum 87–88, 90–91, 181, 188, 205 Finanzverwaltung 12, 48 Freiheit 15–16, 20–21, 23, 38, 40–41, 44–45, 50, 54, 59, 62, 65–66, 72, 76, 79, 82, 84, 87–89, 92, 113, 121, 127, 129–130, 135, 152, 157, 172–173, 175, 177–178, 180, 189, 191, 205, 207–208, 210–211, 229, 239–241, 244–245, 248, 251 Freiheitsraum 15, 88, 122, 132 Gebrauchsvermögen 88–89, 91, 188 Geeignetheit 79, 194, 196 Gegenständlichkeit 110, 115, 117, 121 Geldentwertung 162–167, 169, 243, 245, 249, 253 Gemeinwohl 21, 37, 46, 236 Gesamtsteuerbelastung 213–214, 216, 218 Gesetzesvorbehalt 22, 45, 54 Gesetzlichkeit 19, 38, 134

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Sachwortverzeichnis

Gesetzmäßigkeit 47–48 Gewaltenteilung 53, 251 Gewerbebetrieb 25–26, 83, 171, 179, 186 Gewerbesteuer 158, 170, 215, 218 Grunderwerbsteuer 184, 216 Grundrechtecharta 231–232, 243, 247–249 Grundsteuer 65, 85, 89, 145, 152, 216, 239 Halbteilungsgrundsatz 13, 219, 221–222, 226, 244, 248–249, 252–253 Härteklauseln 158, 160 Inflation 164 Inhalts- und Schrankenbestimmungen 13, 17, 24, 37 Inhaltsbestimmungen 22 Initiative 15, 122, 138, 178, 192, 207, 210, 239 Innehabung 64, 67, 69, 82, 84, 113, 117–119, 144–145, 184, 212, 242 Institutsgewährleistung 135–136, 139, 167 Kirchensteuer 216 Konfiskation 62, 103, 105, 134, 149–150, 219 Körperschaftsteuer 215 Lastenausgleich 97, 146, 216 Lebensführung 15–16, 82, 87–89, 112, 122, 130, 149, 188, 210, 225–226 Lebensgestaltung 30, 55, 87–91, 123, 131, 140, 181, 203–204, 208, 240 Leistung 15, 29, 34, 95, 98, 172, 177–181, 184, 187–188, 192, 208, 212–213, 241 Leistungsfähigkeit 81–82, 84, 123, 144, 182, 192, 222 Lenkungsteuern 40, 70, 75, 79, 183, 216, 253 Markt 30, 41, 43, 96, 104, 119, 145, 178–179, 192–193, 210 Menschenrecht 17, 28, 136 Menschenrechte 87, 135, 229, 232–233, 237

Möglichkeiten 23, 41, 133, 152–153, 159, 171, 177, 245, 252 Nominalwertprinzip 162, 164 Non-Affektation 196 Parlament 45, 53–54, 56, 59, 166, 196 Parlamentsvorbehalt 46–47, 51, 53, 55, 161 Partei 56 Persönlichkeit 16, 86, 206–207, 241 Persönlichkeitsentfaltung 16, 25, 177 Privatheitsprinzip 16, 42, 178, 207 Privatlichkeit 16 Privatnützigkeit 14–15, 37, 41, 43–44, 59, 72, 80, 88, 93, 95–96, 103, 122–123, 132, 137, 140–141, 143, 148, 151, 171, 174–175, 179, 181, 185, 207–209, 225–226, 239, 241 Realsteuern 145 Schenkungsteuer 188–189 Schranken 17, 19–21, 23, 27, 31–32, 38, 52, 58, 101, 103, 133, 135–136, 139, 143, 174, 180, 193, 204, 217, 234, 236, 244, 247 Schrankenbestimmungen 22–23, 247 Schutzbereich 14, 17–18, 21, 23, 25, 28, 61–62, 65–66, 73, 81–84, 114, 124, 126, 129, 131, 133, 142, 172, 175–177, 180, 234, 240 Selbständigkeit 30, 87, 175, 205, 210, 241 Selbstbestimmung 71, 86 Sollertragsteuer 89–90, 152, 154 Sozialbindung 24, 27, 31, 37–39, 44, 52, 63, 85, 91, 94–96, 100, 102, 110, 132, 134, 138, 143–144, 149, 158, 174, 189, 193–194, 203, 206, 209, 219, 223, 239–240, 244, 248 soziale Beziehung 204 Sozialpflichtigkeit 37–39, 55, 178, 188–190, 193–194, 209–210, 214, 218, 223, 232, 241–242 Sozialprinzip 38–39, 69, 92, 130, 250

Sachwortverzeichnis Sozialstaat 11, 39–40, 51, 69, 112 Steuerbegriff 34–36, 68, 74, 147 Steuerpflicht 36–37, 40, 43–44, 52, 57, 80–81, 102, 115, 123–124, 128–129, 145, 166, 171, 192, 239 Steuervorbehalt 54, 59, 233 Substanzschutz 118 Tauschwert 113, 119–120 Überbesteuerung 156, 166, 199, 226, 242 Übermaßverbot 13, 134, 197, 200, 207 Umsatzsteuer 89, 183–188, 233 Umverteilung 57–60, 91–96, 98–100, 125, 127–128, 246 Unternehmen 12, 26, 44, 80, 149, 166, 170, 174, 183, 185, 205, 226, 231, 242, 251–252 Verbrauchsteuern 184, 187, 190, 212 Verfügungsbefugnis 15, 37, 42, 88, 98, 119, 122–123, 127, 137, 168–169, 189, 226, 239 Verhaltenslenkung 76 Verhältnismäßigkeit 32, 107, 174, 194, 196, 200, 202, 234, 236–237, 244 Verkehrsteuern 184, 187 Vermögen 11–12, 38, 41, 60–61, 63–64, 66, 72, 85–86, 89, 91–93, 95, 97–98,

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108–109, 112, 114, 116, 118–120, 122, 124, 126–127, 129–131, 144–145, 148–150, 152, 155–156, 163, 165–166, 168, 174–176, 180, 182, 184–185, 188–189, 191–192, 204–205, 211–214, 239–240, 242 Vermögenserwerb 144, 186, 190 Vermögensgebrauch 190 Vermögensgegenstand 15, 24, 120, 122, 124–125, 168, 187, 189, 204 Vermögensverwendung 85, 144, 187, 190–191, 194, 212 vermögenswerte Rechte 25, 29–30, 61, 65, 76, 110 Vernunft 16, 50, 112, 136, 140, 174, 226 Verschwendung 198 Vertrauensschutz 32, 76, 141, 171 Vorbelastung 89, 149, 187–188, 215 Wesensgehalt 80, 106, 142, 181, 230, 236, 238 Wirtschaft 11, 74, 138, 148, 174, 178, 181, 244, 250 Wirtschaftlichkeit 198–200, 243 Wirtschaftslenkung 35, 55, 59, 70–72, 78–80, 243, 245 Zinserträge 163, 165