Die Catalonierin: Teil 2 [Reprint 2022 ed.] 9783112628324


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Die Catalonierin: Teil 2 [Reprint 2022 ed.]
 9783112628324

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Der Erinnerungen schönste ließ oft in

sanfter Dämmerung mir eine Zeit vorüberschweben, aus welcher, im Glanze

der Verklarung, ein hehres Bild der Träumerin entgegcntrat; — wenn ich das Große, Edle, mir verkörpert dachte,

so trug es immer diese Züge, sie spra­ chen herrlicher den Reiz der Seele aus.

Es war in jenen schönen Tagen

meines Lebens, wo reiner Kindcrsinn

des Herzens Eindruck tiefer grabt, als hoher Fügung Wille die edle Fürsten-

Tochter hin zum fernen Norden rief; auf jenem Punkt des wichtig großen We­

ges, wo, mit der Regung Fülle, die sanfte Fürstin in dem Arm der Tante

— meiner Königin — der Mutter Züge aufzusuchen spahcte, war es,. wo ich,

ergriffen von des Vereines schönsten

Mächten, gedankenvoll im kleinen Kreise

Der ernste Wink der Führerin ent­ riß mich der Magie-des wahrhaft Schö­

nen; — doch seine Zauber lös'ten keine

Zeit, und da nach neunzehn Jahren der Zufall mich im Bilde Seraphinens das Ungewöhnliche entwerfen ließ, be­

stimmte ich die Frucht der selbstgewahl-

ten Einsamkeit dem Ideale schöner Weib­

lichkeit.

O möchte es der Phantasie in dem

Gebilde ihrer Formen gelungen seyn, der großen Herrscherin die Unterhaltung einer

Stunde zu gewahren, gewiß, der Hoff­ nungen gewagteste, sie — wäre dann erfüllt.

Bangschi'en r« Danzig, -en roten Oktober 1812.

Julie Freun von Richthofen.

Verbesserungen

zum ersten Theil.

Seite 13 Zeile 8 von oben lies schien — statt scheint. • — 16 — 4 von unt. l. Gallego — st. Galtego.

— 34— — $6 — — 257 —* —339 —

6 von unt. l. die — statt der. 7 vonunt. l. der — statt des. 9 von unt l. ihr — statt stch. r von unr. r. einem Schuhengel — statt mein Schutzengel.

XLVI.

Auch Rosaura hatte sich bewaffnet; (n einen dunkeln Mantel gehüllt, ritt sie im bleichen

Mondenschimmer zur Seite des

Geliebten; dumpfes Schweigen der Beglei« 1er erhöhete das Furchtbare dieser Nacht.

Dem Major war ein Detaschement des

Haupt-Corps anvertrauet, mit welchem er am Eingänge einer Schlucht

erwarten sollte.

die Attaque

Dieser war, erreicht, und

Mitternacht schon längst vorüber, ohne daß die geringste Bewegung den nahen Feind

verrathen hätte.

Colonna ritt, die Sei,

nen musternd, die Front entlang, Rosau«

ra hielt im Hintergrund der Reihen» be­

wachend mit rrzwungenrr Kraft, de» Gra» A »

4 fen Thun und Lassen; da schallten uner-

wartet die kreischenden Laute kämpfender

Menge, die Trompeten schmetterten zum

Angriff, der rechte Flügel drängte im Ber­ folgen die Spanier zurück, ihre überraschten Vorposten stürzten-auf die Schlucht, es war

den feurigen Gehülfen nicht möglich gewe­ sen, hinter der natürlichen Verschanzung den emrückenden Feind zu erwarten, muthlg ver­

ließen sie diese und die Höhen, wälzten sich wüthend über die Angreifenden herab, und

halfen diesen so den Sieg erkämpfen.

Colonna richtete, als die verwirrten Töne sein Ohr erreichten, das blaue Auge

siehend in die Wolken, seine Seele ruhete in diesem Blick und es bedurfte keiner Worte,

das innige Gebet zu akzentuiren;

liebend

nahm es di; Vorsehung an ihre Brust,

schützend wachte sie'über ihren Sohn, und nur die Sreligkeiten seltner Treue sollte .Ca­ millo auf dem Schlachtfelde erndten. Als

Rosaura das gräßliche Getümmel nähern,

hörte, zuckte der Verzweiflung Stahl in ih­

rer Brust, fest ruhete der flammende Blick

auf dem Freund, und als er, sich zu den Untergebenen wendend, plötzlich zum Angriff rief, da nun im Doppelschritt alles sich zu dem hervorstürzenden Feinde wandte, und Colonna, gleichsam, als wolle er im Ge» räusch der Waffen die weichen Klagen sei­ nes Herzens ersticken, dem Rosse die Sporn gab, da sprengte auch Nosaura im Nu an den dicht gedrängten Reihen vorüber, Zhr Renner hatte bald" den Grafen erreicht, vom Entsetzen dieser Nacht betäubt, sah Ro­ sa ura nicht die Sinkendm um sich her, des Kampfes Gräuel wichen dem allmäch­ tigen Gefühle ihres Berufs, welcher -glän­ zend wie ein Meteor ihr durch die Nacht, die Kopf und Herz umgab, rntgegenstrahlte; sein blutiger Schein deutete auf Camillo,. Rosaura achtete nur des schwärmerischen Vorsatzes und folgte kühn dem streitenden Freunde. Noch hatte ein guter Geist schüt«. zend das edle Mädchen umschwebt, mit ge­ zucktem Dolche hielt sie sich dicht an Co«, lonna gedrängt, der Kampf, welcher den Streitplatz einnahm, vereint mit der steten

Beschäftigung, verhinderten jenen, ihre Nähe zu bemerken, er wähnte, das ungekannte Trauerspiel habe dennoch die Geliebte vere scheucht; R osaura'S Bekleidung hatte ihm das Dämmerlicht entzogen, und mit gewalt­ sam errungener Kält« theilte er hier und da seine Befehle aus. Das Handgemenge war nun allgemein, Camillo ward durch die Lebhaftigkeit des'Streites von den Seknigen entfernt, nur einige kühne Franken fochten-in ftinerNähe, da sah sich derMa, jor unerwartet von Feinden umringt; die Gefahr lieh ihm die nöthige Fassung, und mit Blitzesschnelle versuchte er, sich durch­ zuhauen. Es gelang; schon hatte er zer, streute Parthelen seines Corps erreicht, wel­ che der erbitterte Kampf regellos streiten ließ; da funkelte- schnell, wie ein Gedanke, das Stilett eines der nachsetzenden Spanier an Colonna vorbei, der furchtbare Stahl suchte die Seite des Grafen, zu spät war

jede Vertheidigung:.da schreckte Rosaura'« Stimme den Unvorsichtigen, und die nächste

Minute ließ sie blutend in seine Arme sia«

7 feit.

Dem Schützlinge folgend, hatte sie

ihm vorhin unbemerkt die ehrenvolle Flucht erleichtert, ihr sorgender Blick bewachte den Tapfern, und als der Tod ihn belauschen wollte, warf sie sich als Mittlerin, kühn und unerschrocken, zwischen den Verderber und den Freund. Nösaura'S Schulter fing den Stoß des Spaniers auf, die Größe des Schmerzes erpreßte einen Ruf der Angst — und das hervorströmende Blut färbte Cor lonna's Kleider; doch mit ihm kehrte auch die volleDefinnung wieder; Rosaura vom Andalusier herabziehen/ sie fest an die Brust drücken, und mit dem anderen Arme seinen Gegner bekämpfen, war das Werk eines Augenblicks, Der ungleiche Streit wäre zu C o l o n n a' s Nachtheil beendettvorden, wenn

nicht einige seiner Leute eben hinZugeeilt wären, und Camillo so nur, leicht ver» wundet, dem nahen Untergänge entrann. Die ausgewichene Gefahr erlaubte ihm nun, seine ganze Sorge auf Rosaura überzu­ tragen; ohnmächtig lehnt« sie in Colon­

na's Arm, da er aber selbst sich von de»

8

mannigfaltigen Empfindungen Hefts Tage­ sehr angegriffen fühlte, so befolgte er willig Len Vorschlag seiner Begleiter, mit Rosau­ ra sich nach ter nächsten Hütte bringen zu lassen. Hier erwachte die Ohnmächtige, prü? send maaß ihr Blick die unbekannten UM« gedungen; Camillo saß.geisterbleich an ihrer Seite, und nicht weit , von ihm be>. schäftigte sich ein ältlicher Mann mit chi, rurgischen Präparaten. ,Dem Ewigen sey Dank! sprach Colonna, als Rosaura die großen Augen fragend zu, ihrem Freund aufrkchtete.- Du lebst, meine Seraphine! und mit Entzücken darf ich mich nun dem,' aus Deinen, Händen, empfangenen,.Gesehen, ke des Lebens überlassen; doch — fthte er zögernd hinzu. — nun mußt Du einigen Muth zu der nöthigen Behandlung fassen, und Colonna „winkte bei diesen Worten dem einverstandenen Arzte, bat:, schonen sie des ungewohnten Schmerzes,, mit leisen Fingern berühre Ihre Kunst meine edle Ge­ mahlin und frühe Besserung belohne «ns. Beide.

9 Camillo entferntePchbescheiden, Ro-

saura schlug seufzend die seidenen Wim­ pern zur Erde, der Wundarzt nähere ehr­

furchtsvoll, und das herabgestreiftr Oberkleid zeigte ihm den Nacken einer Aphrodite. Des

alten Männes Hände bebten bei der noch nie versuchten Arbeit, die Lilienweiße der verletzten Schulter blendete die. blöden Au­ gen, und der Verband, welchen Cami ll o'S

hastige Desorgnlß kunstlos aufgedrückt, ward

nun nicht ohne Schmerz Rosaura abgenommen.

3(1 die Wunde gefährlich? —

frug diese matt; — nein, gnädige Gräfin! — antwortete der Arzt — Geduld und Ru­

he, so darf ich kühn die schnelle Besserung verheißen; .-*• nicht sicher ging die Hand,

welche den Stoß geführt, oder hat die blinde Wuth des Verfolgers-den Endzweck

zerstört? denn nur das Schulterblatt, streifte fein Stilett.



Die Folge des raschen

- Schwunges, mit dem meine Gattin sich

zwischen mich und den Feind warf! — sprach der sich nähernde Colonna —; wie soll ich Dir danken, Seraph ine! es genügte



TO



Die nicht, mein Daseyn mit unverwelklkchen Kränzen zu schmücken, nein, auch seine Erhaltung reicht Deine Liebe mir! — Roe saura lächelte ihm schweigend zu, sie fühlte «inen nie empfundenen Frieden, und sah, mit der Ruhe einer Verklärten, auf da» vollbrachte Tagewerk,

II"

XLVTI.

Der nicht geahnte Vorfall am vergan» genen Abend hafte Camillo genöthigt, die Geliebte als seine Gemahlin oufzuführen; Rosaura fühlte die Nothwendigkeit dieses Schrittes, und so sehr er auch ihre Dore sähe bestritt, gestand sie dennoch: Colonna hätte nicht besser ihr Geschlecht und das gegenseitige Verhältniß rechtfertigen können. Beide waten auf das freundliche Landhaus eine« vornehmen geflüchteten CatalonierS gebtacht worden; des Grafen Wunde war zwar unerheblich, doch verhinderte sie ihn, dasSchwerdt zu führen, und so winkte ihm

denn eine seelige Zeit (m Besitze Sera­ ph inen S entgegen. Diese näherte sich, mit jedem zurückgelegten Tage, der gänzlichen Genesung; des Freundes unermüdete Sorg­ falt hatte ihr Lager bewacht, seiner Auf­ merksamkeit verdankte sie jede mögliche Lio-

12

derung ihres Wehes, und mit zärtlicher Dank-

barkeitnahm Rosaura seine Dienstleistun­ gen auf. Aber Colonna sah durch Cytherens Binde; in Rosaura'S Theilnahme glaubte er die siegende Liebe zu entziffern, ihre früheren Weigerungen zerflossen bei der zauberischen Gegenwart, und seines Tri­ umphs gewiß, wagte er es, die Geliebte an das aufgehaltene Glück zu erinnern. . Da senkten sich die dunklen Augen Rosaura'S, hohe Gluth überflog das schöne Oval ihrer Züge, und mit abgewandtem Gesichte sprach sic: ich glaube gern, Camillo! daß in der Gegenwart der Wunsch keimt, welchen Du mich so eben errathen ließest, auch sprichtdiese Dich frei von jeder früheren Verbind­ lichkeit, doch habe ich Gründe, die mich um die Fortsetzung unseres bisherigen Verhält­ nisses bitten lassen; Du weißt es, mein theurer Camillo^ ich gelobte mir schon in Taragona, nie die Gattin des Besiegers meiner Landsleute zu werden, gern verlasse ich Vaterland und Freunde, nm in der fer­ nen, Hekmath nur Deinem.Glücke zu, leben.

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so {lange jedoch 'das Schwerdt' an Deiner Seite Dich zeihet des vergossenen Bruder­ bluts, so lange fordere nichts, denn, könnte ich nachgeben, eine Beute des Schmerzes würdest Du umfangen; benutze daher Deine jetzige Lage, fordere den Abschied. Der Graf hatte mit Trauer und Miß­ vergnügen die Einwendungen Rosaura's angehört; seit der Zufall ihm ein Gestänbniß abdrang, welches der Welt die Geliebte als sein rechtmäßiges Eigenthum bezeichnete, regten sich in ihm auch die Ansprüche, denen jenes die Weihe gab, es ward ihm schwer, der beneidete Gatte dieses Engels zu heißen, ohne es zu.seyn. Vergebens hatte Colonn a die erwachte Stimme der Leidenschaft zu bekämpfen gesucht, sie zerbrach, von den Gründen einiges Rechts beschwichtigt, die Fesseln, welche edle Bescheidenheit ihm bis­ her aufgelegt, und von dem Uebergewichte des Verbündeten bestochen, entschloß Ca­ millo sich an einem Abend, wo Beide in der duftenden Zasminlaube, im lieblichsten Vertrauen bei einander faßen, der Freun-



14



bla die Sehnsucht seines Herzens zu grstehen. Des Grafen Zartgefühl erlaubte ihm nicht, durch Ueberredung zu erlangen, was der Geliebten freier Wille seiner Zufrieden­

heit entzog, darum, schwieg er sinnend, un­ entschlossen, ob er Seraphinen die Fol­ ter seines Innern bekennen, oder lieber sich ihren Forderungen unterwerfen sollte. Da siegte die Leidenschaft, und mit ungestümen

Feuer schloß er die Widerstrebende in seine Arme; Camillo's bebende Lippen ruheten aufRosaura's Wange; Seraphine! — rief er im Tone der innigsten Liebe — ist mein Glück nicht das Deine? o warum.

Du Grausame! entziehest Du das wohl­ verdiente Recht, Dich als meine Gattin zu begrüßen? kalt wie die spanischen Herzen, ist auch das Deine, Seraphine! und wahrlich, wäre es möglich jemals Deine Auf­ opferung zu vergessen ich, könnte an Deiner Neigung zu mir, zweifeln; muthvoll wähl­ test Du den Tod an meiner Seite, vereint sollen wir den bitteren Kelch leeren, und der Liebe Entzückungen verbannst Du mit



der eisigen Kälte, welche nur Pygmalions Wundergebilde angehört. Warum die schönen Momente, die das lächelnde Geschick un» hier darbietet, mit siolzem Gleichmuth von sich wenden? warum endlich, um einer Grille willen, unserer Existenz den Blüthenkranz entziehen? Dieser Dorwurf er-' fchütterte Rosaura, sie konnte sich nicht verhehlen,' daß Seraphinens Liebe Eamillo’8 Wünschen entsprochen hätte, es war also die Scheu einer Fremden, welch« seine Sehnsucht mit leeren Einwürfen von sich wies. Die arme Rosaura versucht« mit der Unmöglichkeit zu ringen, indem sie gleich der Verstorbenen zu empfinden sich vornahm; die Furcht, ihrem Versprechen treulos zu seyn, bemächtigte sich ihrer Seele, schon wollte die Geängstigte ein erzwunge­ nes, Za! hervvtpressen, da rief die Liebe zu Fernando, sich im Mantel der Skru­ pel listig verhüllend: wie? Du wolltest ohne den Seegen Deiner Kirche des Grafen Gat­ tin werben? bebe, Rosaura! denn nlm« mrr würde die Leichtsinnig« da» geblendet«

i6 Auge zu dem reinen Aether der Sternen.-

höhe erheben können, ohne des frevelnden' Eingriffs erröthend zu gedenken.

ZhrHerz

gefiel sich in diesen Sophismen, und rasch öffnete sie nun die Lippen, um Colonna

ihre Ueberzeugung mitzutheilen.

Laß mich

Dir, Camillo! zutrauensvoll des Gewis­

sens Stimme gestehen, — sagte Nosaüra

— sie hindert die Bestimmung, zu welcher

Deine Worte mich gewinnen wollen, und deren Folgen mein Leben vergiften würden;

aus einer religiösen Quelle fließen die Ein­ wendungen,

die Deinen Argwohn vnger

rechterweise wecken; Du, Edler!, wirst da­ her nicht leicht das Gute hindern; berechne nicht

den Umfang meiner Liebe, erlasse

mir den. Schwur, daß nichts sich . ihren Messer, nennen darf, daß Dir die längst empfangenen Beweise zu wenig noch gesagt,

und

nenne es nicht Schwachheit Deiner

Seraphine, wenn sie das edelste--Ge­

lübde in ihres Glaubens Hände niederlegen will.- .Du ivcißt, Lamillo! unauflösbar -knüpfen- unsere - Altäre der-Ehe .Band," sie

17 kennen keine Trennkraft als den Tob, und zeichnen so die Wichtigkeit der Lebensscene, die von der größeren Zahl, mit leichtem Sinne aufgesucht, und flatterhaft betreten tvird. Nun, sagte Rosaura, überlasse Ich es Deinem Gefühle, meinen Gründen

die erhöhete Kraft zu leihen, ich erwarte, daß es uns ein heiliges Fest feiern lassen wird, dann werde ich, durch nichts beunru­ higt, mit zufriedenem Sinn mich die Deine

nennen, Rosaura's Erklärung erstickte jedes fernere Ansinnen Colonna'«, mit Erröthen gestand er sich: es sey 'nicht großmü­ thig, einen Zufall, welchen überbem Se­ rap hi nenü Liebe schuf, zu benutzen, um durch ihn den befangenen Wahn zu fesseln; sich ihres Versprechens in Taragona erin­ nernd, sah er HM, daß eü der Spanierin unmöglich seyn würde, freudig in die Arme

eines Feindes der Ihrigen zu sinken; ach! und der farbige Rock benannte ihn ja als

solchen.

Eifriger denn je faßte der Graf

uun den Vorsatz, den Stand zu verlassen, C«t«l.rrrhk. B

— .18 — welcher Rosaura's Widerwillen so sehr erregte; an Dir ist eS — sagte er ihr schwel« chelnd — dem Ungenügsamen zu verzeihen, denke, es sey die Erbsünde meines Geschlechts, einer zu feurigen Phantasie nicht den benö, thlgten Zügel anlegen zu können; — als Du mir ln. Taragona Deinen Vorsatz an­ vertrautest, und mein Inneres bei der Ge­ wißheit, Dich ununterbrochen zu besitzen, vor Entzücken bebte, ach! da hätte ich gern um diesen Preis auf immer der Hoffnung, Dich als Gattin in meine Arme zu schließen, entsagt, nur Dich sehen, Dich hören wollte Ich, doch eine süße Gewohnheit weckte das begehrliche Herz aus dem Schlummer, in welchen Schwärmerei es eingewiegt; das Schicksal ließ mich Dich als mein Weib be­ trachten, da zerrann das Luftgebilde aus dem Morgennebel der schüchternen Liebe ge­ webt, des Mannes Schwächen erzeugten die Begierden, und der entzauberte Camillo muß nun Seraphinen sehnsuchtsvoll um Vergebung flehen.— Rosaura gewähl­ te diese aus innerem Triebe; viel dankte

19

sie dem bescheidenen zartfühlenden Colon, na, dessen Schönheit sich ihr noch nie so vörtheilhaft entwickelt hatte, die nachgiebige Sanftmuth überredete verführerischer noch

als Worte, der Blick der Liebe großer, spre« chender Augen, das süße Lhcheln des schö­ nen Mundeü, und endlich der Ausdruck lei­ denschaftlicher Verwirrung, die sein ganzes Betragen verrieth, schufen ein magisches Ganze, dem nurRosaura's ruhigeFreundschaft zu entschlüpfen vermochte.

Da

20

XLvni. Das Gespräch in der Laube hatte'dem Grafen eine bedächtige Vorsicht mitgcihcilt, welche ihn Rosaura mit einer Förmlich, feit behandeln ließ, die jedem Fremden auf die Wolken des Ehehimmels zu deuten fchienen; und wirklich ahmte Colonna's er­ zwungene Entfernung treulich die berechne­ ten Annäherungen vorhergegangenen Zwistes nach. Rofaura enträthfeite leicht die Em, pfindungen des Grafen, dankbar erkannte sieden Zwang der Tugend, den ihre Wün» fche schufen, mit wachsendem Interesse be­ trachtete sie die namenlosen kleinen Aufop, ferungen, welche Camillo ihr brachte,und die jeder Tag vervielfältigte; hätte die Liebe

zu Fernando weniger dastreue Herz er­ füllt, dieses bescheidene Nachgeken Colon, na'S würde in kurzer Zeit die Leidenschaft

in der Freundin Busen gepflanzt haben.

21

so aber konnte diese nur mit dem inyigsten Bedauern zu dem Manne aufsehen, der alle Vorzüge seines Geschlechts in sich vereinigte, und dem kein Reiz fehlte, als jener, welchen die widerstrebende Phantasie Rofaura'S ihm entzog. ' Letztere rang ihrerseits nach den Gelegenheiten, welche den edlen Gelkebten durch die Beweise der Liebe schadlos hatten sollten; die gute Coretta wollte der Eitelkeit, dem Stolze des Mannes ersetzen, was sie der zarteren Empfindung nicht gab; die Umgebungen des Grafen glaubten so kn seiner Gemalin das Muster weiblicher Nach­ giebigkeit zu sehen, und Beider Verhältniß galt .bald als das non plus ultra einer wünschenswerten. Ehe. Colonna fühlte sich wirklich durch Rofaura'S ausgezeich­ nete Behandlung gehoben, und wenn sie sich auch nicht dem gewünschten Zweck näherte, so brachte sie es. doch dahin, daß Camillo in jener die Absicht entschleierte, und mit erneuetem Muthe einen Streit be­ gann, wo er als Sieger sich zugleich der Geliebten Achtung erkämpfen mußte.

22

Rosaura's Wunde war geheilt, Such Colonna war wieder zum Dienste fähig; gern hätten Beide noch in der freund­ lichen Villa geweitet, sie bot dem Grafen manche schöne' Rückerinnerung dar, und selbst Rosaura gab sich mit süßen Em­ pfindungen dem paradiesischen Aufenthalte hin, aber des Krieges gellende Stimme schallte wieder mißtönend durch die ein­ samen Fluren. Die beiden Liebenden ge­ dachten mit schmerzlicher Rührung der na­ hen Trennung von den duftenden Gärtek des-Landhauses, zum letztenmal, — rief Rosaura, — haben wir uns der, unsere Seelen erhebenden, heiligen Stille gefreut, denn glaube mir, Camillo! grausende Ah­ nungen durchzucken meine Brust; ich ringe vergebens nach jener Geistesstärke, welche die ungewissen Besorgnisse belächelt, im­ mer, und immer wieder erhebt sich das sinsiere Bild meiner Befürchtungen. — O, wenn es möglich wäre, Deinen Stand zu verlassen! ich bitte Dich, Camillo! erwäge wohl das Mißliche dieser-Lage, und ver-



2Z



wirf nicht ganz die Zweifel meiner Unruhe. Colonna versuchte Rofaura die Schwie­ rigkeiten, welche sich für den Augenblick dem beiderseitigen Wunsche entgegen stell­ ten, aufzuzählcn, und so gern ek auch zu. dem entscheidenden Schritte geeilt wäre, fand er es jetzt, ohne Kränkung seines Ehr­ gefühls, doch nicht thunlich, das Corps" zu verlassen, und in der Blüthe des Lebens», sich die Ruhe des Greises zu bereiten.



24

XLIX.

2sm Morgen des folgenden Tages er­ hielt der Major den Auftrag, nach dem Hauptquartier zu eilen, wo wichtige Auf­ träge feiner warteten;, mit finsterer Stirn theilte er Rofaura jenes Schreiben mit, es war der Vorläufer gefürchteter Begeben­

heiten. Lächelnd erinnerte Rofaura den Freund an das gestrige Gespräch, und setzte ermunternd hinzu: wir reiten zusammen! — Colonna küßte die Geliebte mit Hef­ tigkeit» gestehend: daß auch er die kommen­ den Tage, seines Verhältnisses wegen, fürch­ te. Einige Stunden darauf saßen Beide zu Pferde, Rofaura begleitete jetzt den Gra­ fen mit kühner Sicherheit, der Titel seiner Gemalin.gab ihr eine Haltung, welche sie früher nur durch Anstrengung erzwang. Zhr Weg führte sie an dem Fuße des Mont, serrat vorüber, keine Gefahr ahnend ritten

Beide traulich nebeneinander; die liebliche

Kühle eines reizenden 'Gebüsches nahm sie schützend auf, ynb eben wollte Nosaura

ihrem Geliebten Vorschlägen, unter diesen

Schatten

ein

wenig zu ruhen:

da

fiel

ein Schuß Lurch das Gesträuch, ein zwei» 1er streckte des Grafen Pferd zu Boden,

und Rofaura's Hülferuf mischte sich in

die verworrenen Stimmen der hervorstür­ zenden Feinde.

Colonna wagte es, der

Menge Trotz zu bieten, sich von dem Sturze

erhebend, zog er das Schwerdt, und ver-' theidi'gte sich, den Rücken an einen nahen

Daum lehnend; auch Rosaura war her­ abgesprungen ,. sie eilte jetzt, den Ruf ihres Geliebten nicht achtend, der sie beschwor,

die Flucht zu ergreifen, an seine Seite;' doch ehe sie es verhindern konnte, zerbrach'

ein Kolbenschlag des Grafen Degen.

Ent-'

rüstet zog Nosaura den verborgenen Dolch' und wollte ihn eben dem Grafen zu seiner '• Vertheidigung reichen, da riefen mehrere der Feinde: streckt ihn zu Boden! — Halt!

schrie Rosaura, wollt Ihr, Spanier!



26



einen Wehrlosen morden? nun so wißt, daß dieser Mann mehreren von Euren Brüdern das Leben rettete, welch einen Lohn ist eure Wuth aber bereit zu geben? — Die Kühnheit des Mädchens hemmte die wilden Begierden ihrer Landsleute. Wer bist du? frug einer aus dem Kreise. „Die letzte Sprößlingin der Grafen d'Almaviva," erwiederte Rosaura stolz/ „welche Euch betheuert, daß dieser Teutsche bei Taragona's Einnahme das Leben und die Ehre Euerer Mitbürgerin geschützt hat; unter seinem Geleite wollte ich jetzt nach Barce­ lona reisen, und ich vertraue nun dem Spanier, 'er werde nicht weniger edel han­ deln, als dieser Fremde." Fragend sahen die Landsleute sich an, einer von ihnen nahm das Wort; wenn Eure Angabe, Sennora, wahr ist, so mag das Ungewöhnliche dersel­ ben auch die, Ausnahme rechtfertigen; Du wirst eS'wissen, Fremder! — fuhr er, sich an Colonna wendend, fort, daß das Ge­ setz unserer Rache keinem Feinde Pardon giebt, und uns so die Möglichkeit nimmt.

27

die -verübte Wohlthat bereuen zu müssen; doch der. Versicherung Deiner Begleiterin gebührt eine veränderte Ansicht, folgt uns daher, Sennora! -Der Graf hatte in dumpfer Besorgniß dieser Szener beigewohnt, Rosau ra's Ent­ schlossenheit seine Bewunderung geweckt, des Spaniers kalte Strenge sie erhöhet; da er­ griff Jene seinen Arm und sprach mit festem Anstande:'Sorgt nicht, Colonna! meine Nation weiß den Edelmuth zu würdigen, sehr bald werden diese hier in Euch den Gegenstand desselben ehren, nicht die Nei­ gung lieh Euch die Waffen, und das wider-strebende Herz verbesserte, wo die Gelegen­ heit ihm winkte. Rosaura hatte Hirse Worte aus der Fülle ihrer Ueberzeugung geschöpft, die unverkennbare Wahrheit, mit t>er sie sprach, gewann die Uebrigen, ach­ tungsvoll, wie es jeder Spanier für das schwächere Geschlecht ist, behandelte man das entschlossene Mädchen, und Colonna'» Schweigen wurde als die Folge seiner Lage nicht übelgedeutet, -

28

Beschwerlich war der Weg, den das kleine Detaschement nahm; immer waldein, ging es an Schluchten und Felsen vorüber, der^Pfad wurde immer schmaler, die Ge­ gend wilder, und nach mehrstündigem Stei­ gen befand man sich in den zackigten Der, gen des Montserrat. Es wurde nun Halt' gemacht, einige Spanier boten Nosaura Früchte an, dankbar theilte sie die Erquikkung mit dem Geliebten; Camillos Blick maaß prüfend die gebräunten Phisiognomieen seiner Begleiter, ihre finstere Stir­ nen, die dunkeln, blitzenden Augen gaben ihnen etwas Abschreckendes, welches jedoch bei näherer Beleuchtung schwand, denn die Mittheilung entzauberte den wilden-Aus­ druck dieser Züge, eine angenehme Lebhaf­ tigkeit lieh ihnen Reiz, und bald gewöhnte der Graf sich an den patriarchalischen Freis muth, der unter ihnen herrschte. In Rosaura's Seele.wogten stürmische Gefühle,, zum erstenmale, seit sie Selida verlassen, hörte sie die zwanglose Sprache ihrer Na­ tion, wo sie bisher geweilt,- hatte fremde



29



Macht allenthalben ihren Stempel aufge­ drückt; hier allein unter den Ausübern des eigenen Willens tönte noch die kräftige Rede

ihres Volkes, freier hob sich des spanischen Weibes Brust im Kreise der Freunde, und gern übersah sie das Verhältniß, welches sie in diese Wilbniß geführt.



30

L.

Mit der sinkenden Sonne hatte man den Aufenthalt eines größeren Insurgenten: Corps erreicht; einzelne zerstreute Hütten waren die Wohnungen, unter denen Stolz, Fanatismus, auch Biedersinn die kühnen Plane zur Emporhaltung verjährter Ge­ wohnheiten entwarf; Rofaura's Neiglmg loderte in hellen Flammen auf, als sie den Kreis von Menschen sah, die mehr noch als das Leben für ihre Ueberzeugung wagten; hätte nicht Colonna'S Nähe sie gehindert, mit offenen Armen würde das feurige Mäd«

chen zu den arigebornen Brüdern geeilet seyn, so aber bemühete sich Rosaura, ihre Theilnahme zu unterdrücken; dennoch würde jeder Andere, als C atn illo, an den blitzenden Augen, der dunkeln Nöthe ihrer Wangen, und dem fliegenden Busen die Bewegungen ihres Herzens leicht errathen

— haben.

31

Der Anführer des Haufens brachte

feine beiten Gefangenen jetzt zum Oberhaupte der Znfurgenten; unter einem dunkeln Ka-

stanienbaume lehnend, erwartete dieser, nach der Sitte seiner Verfahret», den Bericht ihres Tagewerks.

Camillo schritt lang­

sam neben Rosaura, welche mit kindli­ chem Zutrauen ruhig auf ihre Umgebungen

blickte;

da rief plötzlich einer der Obern:

Ramiro! — und sich durch die Uebrigen hinzudrängend, frug er Rosaura: und Du erröthest nicht, so vor mir zu erschei, nen?— Zch kenne und verstehe Euch nicht!

erwiederte diese befremdet.

Der Führer be­

richtete jetzt', welch ein Zufall ihm die Ge, fangenen übergeben hatte, und jener Spa­

nier, dessen Frage so seltsam klang, zog sich

bei seiner Erzählung zurück.

Es wurde be­

schlossen, die Gräfin nach Taragona zu ih­

rem Oheim zu senden, Colonna aber bei

der nächsten Gelegenheit tiefer in das, Land hinein zu schicken.

Nach diesem Beschlusse

wies man jedem von ihnen einen verschie­

dene« Aufenthalt an, und Rosaura hatte

32 nur noch die Zeit, dem Grafen zuzuflüstern, daß keine Macht sie von ihm scheiden solle. Ermattet sank Camillo auf das Blätter­

lager, die Ruhe floh den beunruhigten Geist, und nach unzähligen Planen, denen allen

es an der Wahrscheinlichkeit gebrach, gelang cs erst dem Schlummergott, ihm die trau­

ernden Augen zuzudrücken.

JnRosaura's Kammer trat wenige

Augenblicke nach ihr Lodovico bi Gamda; finsterer Ernst ruhete auf seinen Zü­ gen, mit dem prüfenden Blick des Miße

trauens näherte er sich der Erstaunten und

frug im Pathos seiner Nation: wirst Du mir jetzt Wahrheit geben?

noch weiß ich

nicht, ob Ramiro oder die Gräfin d'Al-

maviva Dir eigenthümlich angehören, ob Dein räthselhaftes Wesen Mana oder Weib in sich verschließt, nach allem aber, was sich schon auf diesen Höhen zwischen uns ereig­

net hat, wirst Du es begreiflich finden, wenn ich Dich um einen Aufschluß bitte, welchen früher schon meine Theilnahme Dir hatte

entlocken sollen, jetzt aber die Nothwendig-

33

feit Dir auferlegt; oder soll ich noch erwäh, neu, daß ein Wort von mir. Dich einem sichern Verderben zuführt? — Rofaura wollte einfallen. „Ruhig!" gebot diGam, bar „meine Fragen beantworten, ist Deine Pflicht, nicht wie ehemals soll mich Deine Schwärmerei bethören, wir sind nicht mehr einander gleich, Dein Uebergang zum Feinde nennt Dich: Verräth er Deines Vaterlan­ des! — nun sprich, Ramiro! und verthei­ dige Dich! doch vor allen Dingen will ich wissen, warum Du Deine Brüder flohest?" Mit steigendem Erstaunen hatte Rosau, ra zugehört; schon als Lodovico sich nahete, befiel sie eine ängstliche Empfindung, der richterliche Ernst, mit dem er sie behau« delte, war ihr völlig neu, und das Zusam, menhängende seiner Fragen, benahm den Argwohn, als wären sie die Geburten einer gestörten Phantasie. Schwer wird «s mir werden, — entgegnete Rofaura muthig, — Euch die gewünschten Erklärungen zu er, theilen, denn eine seltsame Irrung scheint Eurer Herr zu seyn; verbannt den finstert» Gatat, 2rThl. C

34 Blick des Zorns! — fetzte sie bittender hin­ zu, da Lodovlco Miene machte, sie stra­ fend zu unterbrechen — denn ich kann bet allem, was heilig ist, bei dem Wohl meiner Seele, und den Leiden aller Märtyrer schwö­ ren: Euch nie gesehen zu haben; der Name Ramiro ist mir fremd, nie war ich auf diesen Höhen, und feierlich würde mich der

Graf d'Almavlva in Taragona, wenn «6 seyn müßte, für die Brudertochter erken­ nen. Nach dieser Versichrung werdet Zhr mir einen Glauben, welchen ich dem Ge­ ringsten unserer Brüder nicht entziehen wür­ de, unmöglich langer versagen, doch hoffe ich ebenfalls, auf einige Erklärungen von Eurer Seite Anspruch machen zu dürfen; wer ist jener Ramiro, mit dem ihr mich ver­ wechselt? Ungläubig und verdrossen hatte di

Gamba Rosaura's Rede vernommen, doch als sie schwor, da wichen alle Zweifel, wie hätte auch ein Spanier den anderen des Meineides beschuldigen können. Ausge« söhnt sprach er jetzt; wenn es so ist, Sen-

35 no.ra, dann vergebt der scheinbaren Unbe­ scheidenheit; daß ich Euch nicht kränken wollte, liegt am Tage, ich wähnte einen ge­ liebten, verrälherische» Jüngling wiederzu­ finden, dessen Verirrungen mir ihn jetzt reuig zuführen sollten, ich habe mich be­ trogen, verzeiht, Sennora, und glaubt, daß es mich schmerzt, Eure Ruh« gestört zu haden. Lodovlco verbeugte sich, Rosauca sah sich schnell verlassen, und hatte nun die Zeit, das sonderbare Abentheuer zu überle­ gen. Noch immer schwebte des Spaniers männlich, schöne Gestalt vor ihren Blicken, sein herrisches Aeußere entschuldigte das herannahende Alter, und die Heftigkeit, mit der er sprach, gab ihm eine energische Hal­ tung, welche ihres Eindrucks selten verfehlt.

3«. —

LL

Ein unruhiger Schlummer ließ Rosaura, durch die Nebel der-Nacht, ver­ worrene Erscheinungen umschweben, zwei­ felnd blickte sie beim Erwachen auf die selt­ samen Phantome ihrer Einbildungskraft, und seufzend wünschte sie den süßen Traum

zurück, welcher ihr in dem unbekannten Jüngling die geliebten Züge Seraphi» nens vorgaukelte. Die entzauberte Phan­ tasie ließ sie jetzt der Wirklichkeit nachsim nen; sonderbar! — sprach sie — einem Fremden die Ähnlichkeit zu geben', welche nur der Milchgeschwister seltenes Erbe ward, und kaum sollte ich den Worten des Valencianers trauen, denn außer Seraphi­ nen und mir wird es wohl nicht leicht einen Dritten im ungewöhnlichen Verein unserer Aehnlichkeit geben. Ach! — setzte Rosau­ ra klagend hinzu, — warum darf mich die

37 Täuschung nicht beglücken? warum muß ich Arme mit finsterem Ernste die Lockungen

eines leichtgläubigen Herzens verweisen? — wehe mir! der Traum kann nicht zur Ah­ nung werden, und was die Erde verschlun­

gen, bringt, kein 'Gebet zurück.

O Sera-

phine! welche Schmerzen keimten auf an

deinem Sarge! wo reift sie mir aber, die Pflanze der Ergebung? — vergieb du, Seelige! meinen Klagen, vergieb derSchwäche, die es hindert, dein Gebot freudig zu erfüllen. Zweifelnd, duster und einsam stehe

ich ja in dem Kreise meines Volks, der Bund mit Camillo raubt mir das Ver­

trauen der Meinen, fremd war ich unter ih­

nen, und zagend blicke ich auf das ferne Land, welches mir Glück, Liehe und Heimalh er­ setzen soll.

Schwermüthig senkte Rosau-

ra das schöne Haupt, ihre Augen füllten sich mit Thränen, und die bitterste Weh­

muth umzog die freie Brust; da schreckte plötzlich Colonna's Gestalt sie aus der Betäubung, das große Herz des Mädchens

besiegte ihre Trauer, und mit wachsender

38 Festigkeit gebühr es einen Vorsatz, den ihr« baldige Bestimmung nicht zweifelhaft ma­ chen sollte. Rasch näherte sie sich der Thür ihres Kämmerchens; einige Spanier saßen nicht weit von derselben und bereiteten das frugale Mahl; diese bat sie jetzt, den ält­ lichen Dalcncianrr zu rufen, dessen genaue Beschreibung ihnen die Kenntniß seines Namens ersetzen sollte; schneller als sie es erwartet hatte, erriethen jene den Bezcich, nrten, und ihr Lodovico di Gamba nennend, erfuhr Rosaura, daß ihr in dec Person ihres vermeinten Richters, die Be­

kanntschaft von Fernando'- Oheim ge­ worden sey. Mit lautem Herzklopfen ge­ dachte sie nun seines Besuchs, die Liebe zu dem Neffen wachte ihr den ernsten Mana unendlich werth, und die Schwärmerei ver, riech ihr in dem Zufalle, der sie und Ca­ millo seinen und seiner Waffenbrüder Händen übergab, einen Fingerzeig der All­ wacht; sie durfte kühn her Hoffnung ver­

trauen, daß Lodovico, wenn sie ihm ihre Zugendfrrundschaft für Fernando be-

ZS kenne, ihr willig den erbetenen Schuh rei, chen würde, und den Besorgnissen, welchen ihre Gefangenschaft sie aussehte, trat plötzlich em SLrahl der Freude. entgegen. — So begrüßen wir, fern von den Unsrigen, mit

hinneigender Traulichkeit den ehemals gleich­ gültigen Gegenstand, welchen der Zufall un­ unerwartet in den Weg führt, ach! unter Frettchen leihet das Herz so gern den Zügen Bedeutung, die es an eine bessere Ver­ gangenheit erinnert, mit regem Interesse umfassen wir das Gleichgültige, dessen Nähe nun wohlthätig auf unsere Empfindung wirkt, und wie im Auslande das Gefühl

der Verweisung sich mit erstarrender Kälte an die glühende Brust drängt, eben so blikken wir freudig das Nichts an, welches die magischen Bilder vor unsebe Seele ruft, und ihnen die Kraft leihet, der dunklen Gegenwart das farbige Gewand der Vergan­ genheit überzuwerfen.

4o

LII.

Noch schwärmte Nosaura (n Träu­ mereien verliest, welche sie zu dem lieblichen Selida führten, als der Erwartete eintrat;

errbthend ging sie ihm entgegen. Der gc» singe Abend, — sprach sie mit edlem An« siande — knüpfte dpt Bekanntschaft zwi­ schen uns, die zu sonderbar sich anfing, um ohne weitere Mittheilung, bei dem Geständ­ nisse zu endigen, ich sey nicht der gesuchte 'Ramiro; die Gerechtigkeit Don Lodovico'S ist mir Ersatz für die unverdiente Beschämung schuldig, und kühn auf seinen eigenen Ausspruch vertrauend, lege ich ihm «ine Ditte an das Herz, deren Veranlassung ich ihm, wenn auch nicht heute, doch sicher einst enthüllen werde. Ich weiß, daß man mich absichtlich von meinem Gefährten ge­ trennt. Doch herrscht eine Uebereinkünst zwischen mir und diesem Deutschen, welche

mich,schnrerzhaft der von Euch getroffenen Verfügung gedenken, und mich den Wunsch ausdrücken laßt, ihn sprechen zu dürfen. — Rosaura'S freies Herz ließ ihr die letzten Worte mit einer Unbefangenheit sagen, wel­ che seltsam dem Inhalt derselben wider­ sprach. Prüfend richtete di Gamba das

funkelnde Auge auf die Catalonierin. Eure Forderung, — entgegnete er — befremdet mich zwar, doch will ich sie zu erfüllen suchen, es verzeihe mir aber Euer Stolz deck Ein­ wurf meiner Vorsicht, der unbescheiden sich zumunberufenenRichteraufzudringenschei'nt; Eure Jugend, und mehr noch, ich bekenne es, die holden Züge, welche mich an deck

verlohrnen Freund mahnen, bewegen mein Herz und neigen mich liebend zu Euch hin^

darum, Sennora! frage ich: bindet Sera­ phinen d'Almaviva bas heiße Gefühl des Menschen, jene Leidenschaft, welche selten Glück bereitend, doch um so öfterer verheer rend über die geknickten Halme unserer Freu­ den wehet, und wie der Solano zerstörend gnden Geschöpfen, dir sein brennender Hauch

42 trifft, vorüberrauscht?

Za, Sennora! so

scheint es mir, und mit schmerzlichem De, dauern sehe ich den zweiten Engel, welchen mein Geschick mir in den Weg stellt, freu­ denlos verschwinden; — auch Ramiro traf der vergiftende Pfeil, und hatte ich nicht früher schon den boshaften Knaben geflohen, die Verirrungen, welche er in den edelsten Herzen erregte, würden mir jetzt den Unheilstifter hassen lassen. Mit wechselndetz Farben hatte Rosgura zugehört, Lodyvicv'ö durchbohrender Blick hatte sie errathen, und was sie beschlossen, ihm nur beim Abschiede zu gestehn, zwang seine Ver­ muthung, ihm schon heute zu enthüllen. Das Gefühl der Spanierin widerstrebte einem Geständnisse, welches sie in den Augen des stolzen Landsmannes erniedrigen konnte, Co­ lonna mußte sich dem erwachten Dünkel fügen, Rosaura, liebe ihn nicht, darum beurtheilte sie jetzt mit der Strenge ihrer Nation einen Schritt, welcher nur der^ Lei­ denschaft gehören konnte; Camillo's Lie­ benswürdigkeit verhüllte der Schleier des

43 patriotischen Sinnes, und nur ihrer begei­ sternden ' Freundschaft zu der Verewigten hatte er es zu danken, wenn des Warners Stimme sich mit dem befangenen Herzen vereinend, dennoch als. Besiegte sich unter­ werfen mußten. Ohne es sich gestehen zu wollen, schuf da« Bewußtseyn, dem Oheime Fernando'« gegenüber zu stehn, eine Rüh­ rung kn Rosaura's Brust, welche sie jetzt mit einem unverkennbaren Zutrauen das schöne Auge zu dem ernsten Manne aufheben

ließ. Ihr ahnet es nicht, Don Lodovico! — sprach sie mit sanfter Stimme — welch einen Einfluß Eure Rede auf die traurende Zuhörerin bewürkt hat, ohne Euch den gan­ zen Umfang meiner Leiden verrathen zu dürfen, will ich dennoch dem Oheime meines Zugendfreuydes das Loos meiner Zukunft nicht verhehlen. Zhr staunt? — ja, Don Lodovico dj Gamba ist dem Gefühle der Freundin seines.Neffen nahe, o näher, als Ihr es wähnt! — Verhältnisse, welche nur Fernando Cortez Euch enträthseln darf, führten mich Uoglückliche hieher; mit



44



banger Sorge blickte ich auf die Unsrigen hin, denn ach! — die Schwester ist ihnen entfremdet, und mit blutendem Herzen be, kenne ich Euch, dem Ralhgeber, daß ich nicht mehr zu den Edlen meines Vaterlandes mich rechnen darf; ja, die Vedauernswerthe flieht gezwungen das heroische Land, welches sie werden sah. r— Zch bin die Verlobte des Grafen .Colonna, erwarte mit ihm eine günstige Gelegenheit, dem festumschlingendem Bande jene heilige Weihe zu geben, und ihm dann in seine Heimath zu folgen. Mit steigender Verwunderung hatte di Gamba Rosaura's Bekenntniß angehört, das Chaos ihrer'Mittheilung schwamm bunt vor seiner Seele, er haschte vergebens nach dem lei­ tenden Faden in diesem Labyrinth; wie soll ich Eure Worte ordnen? fragte er er­ staunt, — ich stehe vor einem Schwarm widerstrebender Begriffe, unte/denen nur die Bekanntschaft Fernandos, mir als die einzig trauliche Gestalt, durch den bunten Wirrwar freundlich winket; — lange sah ich den geliebten Neffen nicht, und ohne den

45

Ausbroch dieses Krieges, den ich nicht tha­

tenlos mit ansehen mochte, würde ich langst

den letzten Zweig meines Geschlechts, den theuern Sdhn einer vcrlehrnen Schwester, aufgesucht haben, um von seinen Lippen den

Scheidekuß der Verewigten zu empfangen, um ihm, dem Verwaisten, in meinen Armen, das Asyl eines betrübten Herzens zu bereiten.

Doch ich vergesse den Zweck meines Hier­ seyns, weil «s so »wohlthuend ist, sich von

unseren entfernten Lieben zu unterhalten;

— Euch zu dem Grafen Colonna zu füh-. ren, ist mehreren Gefahren unterworfen,

dennoch will ich in der Dämmerung es ver­

suchen.

Ihr werdet wissen, Donna Sera-

phine! daß die Begebenheiten unserer Ta­ ge Argwohn, Strenge und die äußerste Vor­ sorge nöthig machen; ungern machen wie Gefangene, seltener noch erlauben wir ihnen

die Mittheilung, in Euch würde man eine Derrätherin an dem Vereine unserer Brüder

sehen, und so vielleicht der Geliebte als Opfer des empörten Gefühls fallen, während Euch

der Menge Beschimpfungen im Falle der

46

Entdeckung treffen würde. Dieser Deurthei» lung würde ich Euch entziehen, wenn sie nicht auch in Eurer Brust das Helle Feuer der Wahrheit entzünden sollte; so aber darf ich

mit fester Hand, gleich dem Wundarzte den ihm onvertrauten Schmerz, die leidende Stelle berühren; Ihr sollt wissen, da es noch Zeit ist, welch rin Geschick jede unvorsich­ tige Aeußerung über Euch und den Geliebten Verhängen würde, wagt daher Eure Schritte vor den Augen der Umgebungen, brdenkr, es gilt dem Alles und dem Leben, und da mein erster Rath zu spät Euch wurde/der Liebe

Allgewalt Euch gefangen nahm, so bekämpft auch muthig die Zweifel, welche nichts mehr bessern, wohl aber das Glück Eurer Tage völlig zerstören würden.

Rosaura's Thränen drangen unauf­ haltsam untre den langen Wimpern hervor; Lodovico's offene Darstellung hatte sie tief erschüttert, es war die Sprache ihres Volkes, ach! seit, Feknando's Abschied, waren Äosaura keine ähnliche Töne mehr gewor­ den, mit dieser edlen Aufrichtigkeit stand auch

47 der Heißgeliebte noch vor wenig Monden vor ihr, so sprach auch er, und in des Oheims Benehmen wurde ihr dir lebhafteste Erinnerung der süßen Stunden, welche sie

in Selida verlebt. Traurend gedenke ich — sagte Rosaura jetzt — der Vermuthun­ gen, die mein seltsames Geschick erregen kön­ nen, aber die Stimmt, welche Don Lodovico erwecken wollte Und die nie, nie in Meiner Brust geschlummert, diese spricht Mich frei, unerniedrigt sehe Ich zu Euch auf, denn keine Strauchelnde lerntet Ihr in Se« raphintn kennen, nicht Leidenschaft machte mich zur Verlobten des Grafen, es war eine bessere Empfindung, welche die Spanierin zu dem Fremden hinneigte, der Dankbarkeit .Fessel trägt mein Herz, ich habe gelobt, dem Retter von SekaphiNtnS Ehre, Blumen auf die Lebensbahn zu streuen, aus Freund­ schaftwarf ich mich ün die Brust eines Man­ nes, den ich nicht kannte, aber feine Tugend, die edle Güte, welche ihn Unsere Station lie­ ben läßt, die Aehnlichkeit der Empfindungen

nennt ihn Spanier. Willig vergesse ich nun

—t 48 wer ich bin, und welch eine traurige Bege­ benheit mich aus dem Schooße dec Meinen bannt, hin zu dem kalten Norden die leb­ hafte Phantasie der Abendländer!» weif't, und mich mit innerem Beben des Aufent­ halts gedenken läßt, welcher ewig fremd die/em Herzen bleiben wird. Rofaura sprach die letzten Sylben in auflodernder Verzweiflung; Lodovico sah finster zur Erde, und versuchte jetzt die Lei­ dende,zu trösten; das Feuer, mit dem sie sprach, ließ ihn ein Geheimniß ahnen, dessen unsichtbare Fäden auch den Neffen umspon­ nen, dringend bat er jetzt Nosaura, ihm jenes zu entdecken, aber umsonst, sie weigerte entschlossen alle fernere Erklärungen.. Mehr »la ich wollte, — versicherte sie—hat mir die Anhänglichkeit für Ferna ndo's Oheim entrissen, ich wähnte noch einmal an dem theilnehmenden Herzen des Freundes die un­ ruhigen Gefühle des meinigen niederzulegrn,

dieser Zauber entriß mir Worte, die ich bitter bereuen müßte, wenn je der Verlobte

aus Eurem Munde eine Kenntniß erriethe,

49 welche ich ihm bis zum Tode verbergen muß. Es war der Enthusiasmus für alles was der Heimath angehört, welcher mich die Ermah­ nungen der Dernüilst nicht hören ließ; mit Leidenschaft gab ich der Gewißheit Gehör, einem treuen Spanier gegenüber zu stehn; o Lodovico! — sie hob die Hände gerun­ gen empor — zum lehtenmal hat die Bedau­ ernswerthe das gedrückte Herz gelüftet, ver­ schlossen bleibt es nun für immer, aus Fernando's Munde werdet Ihr die furchtbare Erläuterung meiner Klagen vernehmen, schenkt alsdann meinem Andenken eine Thrä­ ne des Mitleids, tröstet meinen Freund, und sagt ihm, wie die unglückliche Verlobte des Grasen Colonna Euch zum Theilnehmer ihres. Schmerzes gemacht. Ergriffen von demselben, sank Nosaura auf das kärgliche Lager, auf dem. sie vor einigen Stunden süße Ruhe erquickte, während die Feenge­ bilde einer schwärmenden Phantasie ihr ein Glück verkündeten, dessen die Wirklichkeit spottend lachte.

Citat, rk M,

D

50

LIII.

Eine qualvolle Nacht ward Camillo zu Theil, nur wenige Stunden dauerte der Schlummer des übermüdeten Körpers, nicht

lange, und furchtbare Träume scheuchten Len Ruhestifter hinweg; Colonna raffte sich ängstlich auf, wollte die Geliebte, welche man aus feinen Armen riß, vertheidigen, und sank eben so schnell, die trostlose Wirk­ lichkeit erkennend, auf das verlassene Lager zurück. Endlos schienen ihm nun die noch übrigen Stunden,, sehnsuchtsvoll harrte er Lem Anbruch des Tages entgegen, und lieber Hütte Colonna den Tod in Seraphinens Gesellschaft erduldet, als den Besorgnißen dieser nächtlichen Phantasie hingegetrn zu seyn. Aber auch Aurora brachte ihm keine freudigere Ansicht der Dinge, ihm ward die kleine Zelle als Gefängniß angewiescn, der heiterste Tag lächelte dem Armen



5i

vergebens durch die Luftlöcher der Hütte, man untersagte ihm jede Mittheilung; kalt und ernst waren die Züge des Spaniers, wel­ cher ihn bediente, umsonst versuchte Ca/ millo seine Worte zu gewinnen, er schwieg wie ein Maragatos, und der Graf hätte such ohne die frühere Bekanntschaft mit den Alt-Castilianern, an den finstern Blicken, der Strenge, die aus jeder Bewegung Herr vorleuchtete, und der Einsylbigkeit des Man­ nes, sein Geburtsland leicht errathen können. Der Tag verging ColSnna unter den Foltern der peinlichsten Ungewißheit; was war aus der Geliebten geworden?,schmach­ tete fie gleich ihm unter dem niedrigen Laub­ dache, oder hatte man' schon den gestrigen Entschluß in's Werk gesetzt? — Der Graf würde" sich der Verzweiflung überlassen ha­ ben, wenn nicht Seraph inens gegebenes Wort ihm Trost bereitet hatte, dennoch v wuchs seine Unruhe bei jeder verlaufenen Stunde, und als der finkende Tag die flie­ henden Schatten an ihm vorüberstreichen ließ, da brach sein Unmuth in laute Klagen D 2

52 aus.

Die Grausamen! — rief er — ist es

nicht genug, daß sie mit herrischem Ueber«

Muthe, mich aus der Liebe Armen reißen? soll «ch auch noch die Qualen aller Befürch­ tungen empfinden?— Thor! schalt die Ver­ nunft — nannte Seraphine sich nicht

selbst eine, deinem Fremde?

Schutze .anvertraute,

willst du mit der Schicklichkeit

rechten? Beschämt, lieh sich Camillo ihren

Einwürfen, nur das sehnsuchtsvolle Herz murrete leise noch, da öffnete sich die Thüre,

und Seraphine schlüpfte behende an der

Seite eines Offiziers hinein; eilig warf sie

nun den langen verhüllenden Mantel zurück.

— Armer Freund! sprach sie, Camillo die Hand reichend, und der sanfte Wohllaut

dieser Stimme erweckte mit einem male die welke Hoffnung des Grafen; eben wollte er

aufspringend sie umfassen, da bemerkte er den nahenden Begleiter, und seine Empfindum

gen bekämpfend, versuchte er jetzt, sich in

die aufgedrungene Rolle des Fremden ein­ zuzwängen.

Rosaura entging der innere

Kampf des Freundes nicht," sie zeigte gerührt.

53 aufLodovico, und sagte beruhigend; dieser

da, ist der Beschützer unserer Liebe, faßt Muth, (E/amillo! es ist nicht alles verloh-

ren, ja vielleicht wird der Sturm, welcher uns hieher führte, der letzte seyn, vielleicht

wird eine hellere, schönere bald folgen.

Zukunft

ihm

Entzückt wandte der Graf den

Blick auf di Gamba;

wie soll ich Euch

danken? edler Mann! — sprach Cami llo

— das Bewußtseyn einer guten Handlung lass'Euch seinen reichen Löhn empfinden; ver-,

geßt den Feind in rpir, der Schein nennt

Mich als diesen, doch widerstrebend unter­ wirft das Her; sich der Gewalt. Des. Grafen Worte verfehlten ihres

Entzweckö nicht, geschmeichelt sah der Dalencianer an ihm herab, Freundlichkeit ver­ breitete ihren Zauber auf die faltenreiche

Stirn, und aufrichtig bekannte er jetzt, daß

auch von feiner Seite nie Grausamkeit die Strenge bezeichnen werde, durch welche der

Feind sich gekränkt fühle; man muß nicht

ungerecht an den Einzelnen die Sünde der Menge richten,

setzte er hinzu, dieses ist



54



ein Frevel, der sich früh cder spat von selbst

bestraft. Beide Manner gaben sich der Fortset­ zung eines Gesprächs hin, das bei der leutseeligen Güte Colonna's und dem wür­ devollen Charakter,Don Lodovico's, sie allmählich befreunden mußte; dieser erkannte in dem Deutschen die unleugbare Verschie­ denheit seiner Denkart von derjenigen, wel­ che sich bei den übrigen Feinden verkündete, ausgesöhnt vergab er nun der vermeinten Seraphine einen Schritt, welchen des Grafen . ausgezeichnete Eigenschaften ent­ schuldigten, ja, er reichte beim Abschiede Co­ lonna die Hand, als Unterpfand seiner Theilnahme, und Rosaura bekannte der Versöhnte, nur einem so liebenswürdigen Manne, als ihr Geliebter sey, könne er es verzeihen, seinen Mitbürgern die schönste Blüthx Cataloniens entführt zu haben.

55

LV.

Nosaura empfand eine heimliche Zur

friedenhcit hei dem Geständnisse Lödovico'ü, es war, als lüfte dieses die herbe Last des Kummers, der sie fast erlag; aus dem

Munde Don.Gamba's waren ihr ähnliche Versicherungen der blendendste Triumph Ca-

millo's, und die Schwärmerei, welche ein Grundzug ihres Charakters war^ zeigte ihr Seraphinen gerechtfertigt,

die Leiden­

schaft, deren Opfer die Freundin ward, ver« zeihlich, und der auferlegten schwere» Pflicht ertheilten jene das leuchtende Gewand einer Eitelkeit, welche nicht zu den strafbaren ge­ hörte. Zurück in seinem Zelte, übersann

Don Gamba das Gespräch der verflossenen Stunde; des Grafen Liebe bedurfte keiner

Kommentars, anders war es mit Sera­ phinen; dem

Scharfblicke Lodovico's

entging es nicht, daß in ihren Bewegungen

— Z6 — keine Leidenschaft das verzehrende, Feuer wr, riech, welches diese begleitet; gütig, thcil-

nehmcnd neigte sie sich zu dem Verlobten, aber das lebendige Gefühl des Dalencianersfand ohne Mühe die Schattirungen eines Verhältnisses auf, welches nicht die Frucht

siegender Neigung war.

Seltsam! — rief

er aus, — wie löse ich mir diese Räthsel?.

Scraphine nennt sich selbst die bestimmte

Gattin des Deutschen, auch brachte sie ihm

Hpfer, die ihreAnhänglichkeit laut verkünden, und doch würde ich klagen, wo Colonna

jubelt, denn sie liebt ihn nicht/ obgleich er sich überzeugt halt, wo ein jeder der Unsri-

gen zweifeln würde; — kalt ist euer Herz, ihr Nordländer, nur halb wißt ihr zu fühlen,

so winken euch zwar der Freuden mehrere, doch dieFülle der Entzückungen eines wahr­

haft innigen Vereins wird euch nie beglut-

kcn. —

Seraphinens Gegenwart hatte

in Don Gamba's Seele die häufigen Er, lnnerungen Ramiro'ü unterdrückt, feit dem

Gespräche- jenes Abends, wo der Züngling sich ihm als Verbrecher enthüllte, hatte e»

57 gewaltsam die Neigung bekämpft, welche ihn zu dem Fremdlinge hinzog; eö gelang, doch immer noch erhob die Theilnahme ihre Stimme, und obgleich er jetzt selten R amiro sah, vermogte er nicht seine Gedanken von dem einnehmenden Züngling abzuziehen. Da verschwand derselbe plötzlich,, Lodov ico fühlte recht gut, daß das Mißfallen an den Kriegesscenen dieses Vorhaben gebohren, es schmerzte iijn, Ramiro einer Schwäche zeihen zu müssen, die im lauten Widerspruch mit seiner früher bewährten Tapferkeit stand; jetzt bereuete er, von einem Geständnisse, das überdem unsicher schien, verleitet worden zu seyn, den Fehlenden seinem ungünstigen Geschick zu überlassen, wer weiß, — argumentlrte er — ob nicht Ramiro schuldloser war, als'das reizbare Gewissen es ihn wähnen ließ, vielleicht hätte mein Rath, meine Freundschaft, ihm die bessere Ansicht des Leben« geliehen, an der es ihm ‘so ganz fehlte, ja, ich fühle es, eine unzcitige Zurückhaltung hat dey Straucheln, den seinem Verderben preisgegeben, und

58



mir einen Begleiter entrissen, dem ich mit ungewöhnlicher Neigung anhkng. Lodovico hatte Senndorfs Flucht gleich­ falls erfahren, aber auch für dieses Treigniß fand feine Dorliebe Entschuldigungen, und die Bekanntschaft mit dem schwärmenden Zdeengange Ramiro's, ließ ihn sehr bald i die Gründe errathen, welche diesen bewogen, seinen Gefangenen mit hinwegzuführem Vielleicht hatte die Stimme der Uebrigen jene Entschuldigungen betäubt, und so der allgemeine Tadel auch den seinigen mehr geweckt'; aber Don Gamba wurde grade zu dieser Zeit nach einem anderen Corps verseht, und entfernt vom früheren Aufent­ halte, blieb er mehrere Wochen der immer regen Unterhaltung eines befangenen Her­ zens hingegeben. Da erschien Camillo und seine Begleiterin; Don" Gamba zit/ terte vor Verlangen, den einnehmenden, Sünder zu beschämen, nicht ohne Zwang beherrschte er sich hinreichend, um seine frü­ here Bekanntschaft mit der Gefangenen zu verhehlen, eine Erzählung dieser Art hätte



59

Verderben über das schöne Haupt gebracht, und Lodovico ahnete j-tzt, da die Gräfin ihr Geschlecht nicht mehr verbarg, eine Em-' pfindung genährt zu haben, welche ihm keine Freuden verkündete. Zn gespannter Er­ wartung betrat er die Hütte Rosaur ra's, aber mit finsterem Erstaunen verließ der Nachdenkende dieselbe, a>S der Gefan, genen Erörterungen so wenig die erregte Neugierde befriedigten, er durfte nicht mehr an die Wahrheit ihrer Worte zweifeln, sie hatte ja den höchsten Schwur ihm als Pfand derselben gereicht, wie aber sollte er die fast unglaubliche Aehnli'chkcit mit Ramiro deu­ ten? — Diese Frage erneuerte am folgenden Tage den Besuch bei Rosaura, offen legte sie ihm ihr Geschick an das Herz, ihr Zu­ trauen rührte ihn unbeschreiblich, und das Mysteriöse ihrer Mittheilung erhob sein Znteresse; mit lebhafter Freude hörte er sie Fernando'S erwähnen, doch entging sei­ ner Beobachtung die Znnigkeit nicht, mit welcher dieGrafin des Neffen gedachte; schon wollte er die Vermuthung auffassen, sie fühle



6-

—-

mehr als jene ruhige Neigung, in der die

Freundschaft dec Jugend liegt, da bekannte Serap Hine sich als die Braut des Grafen

Colonna,

und wiederum starrte Lodo-

vico zweifelnd die seltsame Erzählerin an.

Was ist das? — frug er sich am Abend,'da er, Camillo verlassend, die Gräfin zur

Wohnung geleitete, — erwähnt die Liebe je

der Opfer, welche sie noch bringen will? wäre diese SeraphineeineAusländerin,so wür­

de ich mit Erstaunen vor dem ungewöhnlichen Auebruch einer Empfindung stehen, von der man bei uns keine Ahnung hat; ober nein!

sie ist eine Spanierin, und also ist der Graf ihrem Herzen — fremd; mag immerhin ein

seltsames Geheimniß sie an den Deutschen binden, Liebe ist es nicht; wo wäre das Weib meines Vaterlandes,dir mit zerrissenerBrust der Zeit gedächte, welche sie aus dem Kreise der Ihren, in die Arme des Gatten geführt. — Fernand o verscheuchte jetzt die Erinne­ rung der letzten Stunden, Lodovico über­

ließ sich dem Gemälde seines vielgeliebten

Neffen, und gedachte mit keimendem Arg-



6i



wohn der glänzenden Farben, mit welchen Seraphine es entworfen; als Folge des, selben, entstand ein Versatz, den brr nächste Tag ausführen sollte.



62



LV.

Rosaura harrte mit Sehnsucht des komwenden Abends; Don Gamba hatte ver­ sprochen, sich mit der Dämmerung einzustellen, und, wie gestern, den Grafen in ihrer Gesellschaft zu besuchen. Langsam schlich der Tag an ihr vorüber, sie hatte dem selt­ samen Zufalle, dem sie Lodovico's Be­ kanntschaft verdankte, nachgedacht, und brannte für Begierde, mehr von dem frem­ den Jünglinge zu erforschen, ter unwissend sich zwischen sie und Seraphinen dräng­ te, um so das ungewöhnliche Kleeblatt zu bilden. Nach den ersten Begrüßungen wur, de Don Gamba von Nosaura gebeten, sie mit dem Schicksale des Jünglings bekannt zu machen, dessen sonderbare Aehnlichkeit sie leicht in den Abgrund eines.sichern Verder­ bens hätte stürzen können. Lodovico er­ zählte, was Ramiro ihm vertrauet, und eine unerklärbare Rührung füllte Rosau»

6Z ra'S Brust bei der Wiederholung jener Be­ kenntnisse, die zwar Ramiro schuldig nann­ ten, ihm aber, vereint mit dem Lobe Don Gamba'S, ein Interesse liehen, welches sie durch immer neue Fragen an den Tag legte. Die zeugenleere Dunkelheit führte Beide jetzt zu Camillo, und hier benutzte Lodovico die erste Gelegenheit, welche sich ihm darbot, des Neffen zu erwähnen; der Graf ergoß sich in Lobeserhebungen desselben, seine edle Haltung, der vielversprechende Aus­ druck seiner Phisiognomle hatten ihm die Er­ innerung Colonn«'S erworben; gern wüpde er in dem siolzen Fernando einen Freund begrüßt haben, er gestand dieses dem Oheime, und Rosaura drückte mit eufwal, lendem Feuer die Hand ihres Geliebten, seine Gerechtigkeit erfreuete sie, und Camillo schien ihr um diese Ansicht Fernandos, liebenswürdiger noch, als sonst. Lodovico schöpfte aus diesem Gespräch die Gelegenheit, sich nach des Neffen Verhältniß zu erkundi­ gen, Colonna versicherte ihm, er sey der Ge­ liebte von Seraph inens Zugendgespielin, und dieses Band habe auch zwischen der

-

64

-

Gräfin und ihm, das zarte Gefühl des Ver­ trauens geschaffen.

Rosaura schwieg bei

diesen Erörterungen, - eine dunkele' Nöthe flammte schnell vergehend über- die schönen Züge hin, und di Gamb-a's, Blick ruhete

prüfend auf der Gräfin; gern hatte er sie zu

dem Gespräche hingezogen, aber 'nur

oberflächlich

gedachte

sie

des

entfernten

Freundes, und rang'sichtbar nach einem an­

deren Gegenstände der Unterhaltung^

Ca­

millo entgingen diese Bewegungen, doch als

Lodovico am Abende Rosaura zurück­ führte, frug er ernst: rote soll ich das Be­

streben, deuten, welches Donua Serap Hi­ ns der Erinnerung ihres Jugendfreundes entzieht? wie anders war, die Theilnahme,

-mit der sie jüngst feiner erwähnte! ist die­ ses Herz so launigt? oder darf Fernando auf keine wäkmere Empfindung Anspruch

machen? — Keines von beiden, 'entgegnete Rosaura, es that mir wehe, eines Glücks

gedacht zu sehen, welches längst der Sturm

unserer

Tage verschlang; ja

Lodovixo!

Euer Neffe ist nicht mehr jener zufriedene

Liebende, den Camillo's Schilderung vor

65 euren Blicken zauberte, trauernd und allein stehet er, der entflohenen Seeligkeit mit

Kummer gedenkend; meine Freundin raubte die eiserne Hand des Todes, Fernando'» Freuden welkten an ihrem Grabe! — Ca­ millo weiß es nicht,'darf nie es ahnen, warum aber? ist eben das Geheimniß, des­ sen Antheil mich zu Boden drückt. Wollt Zhr es entziffern, so sucht den edlen Fer­ nando auf, bringt ihm den Gruß der Freundin, sagt: daß meine Thränen seiner Erinnerung fließen, und empfanget dafür den Schlüssel einer Begebenheit, welche ich

nicht enträthscln darf. Rosaura schwieg, Lodovico runzelte die Stirn, und der lau­ te Seufzer, den seine Dekümmerniß ihm ab­ drang, bezeugte der Trauernden, welch eine rege Theilnahme er ihrem Geschicke weihe.' Unglücklicher Fernando! flüsterte der Oheim; ich werde eilen, ihn zu sehen, setz­ te er hinzu, und die nahe Hütte Rosaura's trennte für heute die Zusammenkunft,

€aM(. 2t Tbl,

Des schönen Mädchens Auszeichnung erschütterte sichtbar den Letzteren; möge bas

höchste Glück der Erde Euch geleiten, ent-

73

gegnete Lodovico beschwörend, und die heilige Jungfrau vcn Loretto huldreich über ihr blühendes Ebenbild wachen. — Eine kleine Pause gab jeht dem Kleeblatte die Zeit, sich allmählig wieder zu dem Tone gewöhnlicher Unterhaltung herabzuslimmen; den Grafen hatte das unerwartete Entzükr ken dem gewohnten Geleise entrückt, Rosaura flog gemeinhin diesem vorüber, und den Dalencianer führte ebenfalls das feuri­ ge Blut feines Vaterlandes, troh seinem Al­ ter, leicht über die Schranken des Alltäg­ lichen hinaus. Man fing nun an, fich über die nothwendigen Vorkehrungen zur Reise zu besprechen ^Lodovico rieth sei­ nen Freunden, die große Landstraße einzuschlagen, Camillo befürchtete Valencia hierauf nicht ungehindert zu erreichen, aber Don Gamba benahm ihm jeden weiteren Zweifel, indem er versicherte, daß die zu er­ haltenden Pässe ihn als einen Italiener und Begleiter der Gräfin d'Almavlvä bezeichnen würden, welches bei seiner Kennt­ niß dieser Sprache um so wahrscheinlicher

74

werben müßte, als in der Person Se­ raphinen« die Spanierin angedeutet wer­ den würde, welche auf einer Reise von Ita­ lien die Ihrigen zu besuchen säme; in Va­ lencia selbst aber sollten Beide sich der Em­ pfehlungsbriefe des Oheims bedienen, welche ihnen hinreichende Unterstützungen und Freunde erwerben würden. Das Projekt zeigte von reiflicher Ueberlegung, Rofaura gestand Ions, sie hat­ te mit aller List kein Aehnliches hervorzau» dem können, Colonna erschöpfte sich in Dank- und Freude-Bezeugungen, Don Gamba aber sprach: gern würde ich mehr noch thun, Euch selbst begleiten, aber die Gegenwart erlaubt es nicht, doch hoffe ich mit Sicherheit, Euch Beide noch in Valen­ cia zu sehen; eine lange- Entfernung hat mich dem Orte, welcher das Kind werden ließ, entfremdet, nur wenige Bekannte sind mir geblieben, diesen aber gilt nicht das all­ gemeine Urtheil, dessen Stimme den Valendaner wenig ehrt, Ihr werdet in jenen zu-



75

verlässige Stützen finden, und gern ihrem Rathe Euch vertrauen, Don Gamba verließ bald darauf die Liebenden, um alles Nöthige noch anzuordnen; feine Gpoßmuth hatte beschlossen, für die etwanigen Bedürfnisse der Fliehenden

zu sorgen; die Art, wie er Beide nach Valencia senden wollte, erforderte mehrere Ein­ richtungen, welche dem von Hülfsmitteln

Entblößten unmöglich zu bestreiten war.Colonna hatte, da eit gefangen wurde, nur die geringfügige Summe bei sich, derer man im gewöhnlichen Fall bedarf; Rosaura besaß nichts als einige Kostbarkeiten, die sie als theure Erinnerungen der Zugend auf ihrem Herzen verbarg. Die Anstalten zum schnellen Fortkommen seiner Freunde, wa­ ren nunmehr von Don Gamba getroffen, ein blendender Zelter härrete seiner schönen Gebieterin, während der schnaubende An­ dalusier dem Grafen hinreichende Beschäf­ tigung zu gewähren versprach; im Mantel­ sacke aber waren die Kleidungen enthalten, welche L o d o v i cv zur Sicherheit der Flücht-

-

76

-

Onge besorgt, und nächst diesem, eine Summe, die hinreichend war, sie' sorgenfrei der schirmenden Znsel' zuzuführen. Don Gamba hatte mit der Prunksucht eines Valencianers seine Schützlinge ausgerüstet, sein Stolz erlaubte nicht, etwas halb zu thun, und die großen Ärittel, welche sein Reichthum ihm darbot, erleichterten ein Ge­ schäft, das nur in ihm den Fortgang fand.

77

LVIIL

Die Trennungsstunde schlug. Loder vieo betrat Colonna's Hütte. Es ist Zelt! — sprach er, — hier sind die Pässe, und hier, — er legte eine vollständige National­ tracht auf sein Lager — die Kleider, de­ ren Ihr benöthigt seyd. Der Graf- wechselte schnell den farbigen Rock; kommt ihr Zeugen meines Glücks! — rief er — und hüllte sich mit einiger Selbstzufriedenheit in die Mantilla, bemühte sich, die dunklen Locken dem verbergenden Rodriguez zu unter­ werfen, und sehte dann hinzu: von euch, ihr Bürgen harter Erfahrungen, scheide ich ohne Bedauern, als ich euch empfing, ähnele ich die damit verbundene Pflicht, bas Weh der Menschheit erkennen lernen zu müssen; doch — ich will nicht murren! zu des gegenwär­ tigen Augenblicks Seeligkeit führten die Leiden.

78 Don (Samba beschäftigte seine Theil­ nahme, des Grafen Leidenschaft blieb ihm, wenn er sie mit SeraphinenS Beneh­ men verglich, ein unlösbarer Räthsel; doch das Seltsamste von allem, war, daß Co­ lonna keine Ahnung, von einem Vorgänge zu haben schien, der den Spanier unauf­ hörlich beschäftigte. Beide gingen nun, von der Dämmerung beschützt, zu Rosaura. Lodovico glaubte, es sey nöthig, die Mei­ nung der Menge zu scheuen, darum sollte auch jedem die Entfernung beider Gefan­ genen, als frei und selbst gewählt, ein Ge­ heimniß bleiben, vielmehr galt diese, gleich einer, tiefer in das Land vorgrnommenen Verweisung, und nur der Oberste der militairischen Abtheilung, ein Freund Don Gamba'ü, war in die Geschichte ihrer Liebe eingeweihet. R o sa u r a bcwillkommte nun ihre Freunde mit Unerzwungener Hei­ terkeit, Lodovico hatte auch für ihre Be­ quemlichkeit Sorge getragen und ein edler, gut gewählter Amazonen-Anzug verschönerte die schlanke, herrliche Gestalt Rosaura's;

79 bewundernd blieb dieser vor ihr stehen, wäh«

rcnd

C a m i l l o's^ Blicke mit erregter

Sehnsucht die Geliebte musterten. Die Pferde warten!

sprach Lodo»

vico — wir müssen scheiden! Nun dann, so, lohne Euch der Ewige Cure väterliche

Fürsorge, entgegnete Rosaurkr; ich kann

nur danken und beten, aber nie soll das

Gefühl in beiden Ausbrüchen verstummen;

sehet Ihr, Lodovico! einst °dcn Neffen, so sprecht: ich habe Seraphinen gerettet, ih-

rem Gatten die Freiheit gegeben, und soll Dich grüßen von der Freundin;

Rosau-

ra's Liebe, wünscht sie, möge Dich für

alle Entbehrungen dieser Zeit schadlos hal­ ten, es giebt rin Jenseits, wo jedes Herz an das verschwisterte.sich schmiegt,

dort

wird auch Dir der Freuden Sonne schei­ nen! — o sagt ihm das!

Rösüurü

drückte

schluchzend

Don

Gamba's Hand an die wallende Brust; ein gleicher Trieb schien in diesem Moment beide Männer ihr zu nähern, gerührt um­

faßten sie 'die Schwärmerin, und in der

So

traulichen Umarmung fand No'saura die nöthig^ Fassung wieder.

Nicht wahr, Du

zürnst mir nicht? — fragte sie Colonna;

dem Augenblick, in welchem ich von Vater­ land und Freünden scheide, gehöret diese

Feier, laut spricht das Herz zum Herzen,

das Deine aber ehrt der Spanierin Gefühl; um diesen Sinn der Billigkeit, Camillo! müßte ich Dich lieben, und wärest Du bis

jetzt ein Fremder mir gewesen.

Wohl lä­

chelt mir das Glück -7- fetzte Rosaura mit steigendemAffekt hinzu — denn an der

edlen Brust Colonna's

darf ich Ersah

für daS Verlohrne suchen, doch auch ihm will ich die nachsichtsvolle Güte lohnen, und jeder Stunde meines Lebens gehört nur

dann rin Werth, wenn Du Dich ihrer freuen

darfst.



Dergieb, noch einmal

bitt' ich Dich darum, dem Ausbruch eines

vollen Herzens; zum

lehtenmale fühlte ich

der Jugend Träume sich mir , nahen, es

war des Mädchens Schwanengesang, von

nun asi sehe ich in mir nur Deine Gattin, und diese soll mit halben Schmelz das Va-

8l terlsnd verlassen, die Heimath ihres Man» neS wird sie als Eigne begrüßen, und der Empfindung feuriger Schmerz Dich nie­ mals mehr betrüben. — Der Graf drückte heiße Küsse auf der Sprecherin Wange, Lodovico sah er­ staunt zu ihr herab, und stumme Hände­ drücke trennten jetzt die Freunde. Wir sehen uns in Valencia sicher noch, rief Don Gamba den Davoneilenden nach, und Rosaura's iveißes Tuch winkte ihm durch die Dämmerungen der Nacht, ihr trauliches: Lebe wohl! zurück.

§

82

LIX.

Zch will sie erhellen, diese Finsterniß, gelobte sich Lodovico, als die Entfernung ihm die Gegenstände entzog; es ist nicht so, wie es scheinen soll, und Sera pH ine nicht des Grafen Geliebte. Armer Fernando! — fuhr er seufzend fort — nicht umsonst waren die sinnigen Worte, welche sie mir für dich auftrug; du sollst sie alle vernch« men, und dein Wille dann euere Zukunft bestimmen; doch, Colonna! — er sann nach — deiner.gedachte ich nicht, — was soll, aus diesem Chaos sich noch formen? in dunkle Macht ist das Geheimniß gehüllt, das

ich zwar ahnen, doch nicht entziffern kann. Sollte es meiner Absicht nicht gelingen, Ru­ he und Freude in die, jenen entfremdeten Herzen zu senken, dann gieb du, Allgüti­

ger! diesen Schlachtopfern Ergebung, rrnd lehre sie die irrdischen Schwächen bekämpfen.

83 Von diesem Gedanken erfüllt, schritt Don Gamba wortlos nach Hause, dort faßte er den Entschluß, so bald es seine

Dienstverhältnisse erlauben würden, zu dem

Neffen zu eilen; Farenta, dessen W-hnsitz, lag nur zwei Tagereisen von dem gegen­

wärtigen AufenthalteLodovico'S entfernt, dahin wollte er, in der Zuversicht, Fer/

nando dort zu sprechen, und so-wenig­ stens das wahre Verhältniß zu ergründen,

wie auch dem wahrscheinlich Trauernden

der Freundin letzten Gruß zu bringen.

Armer-Lodovico! keine Belohnung wird deine Mühe krönen, vergebens suchff

du, was längst deö Krieges Ungestüm ver, nichtete und aus den

rauchenden Trüm­

mern einer ehemals lieblichen Villa, wird

nur Tod und Verderben dir erscheinen, der

Erstere dich erschüttern, das Zweite deine

Rache mehren, ihr aufloderndes Feuer aber manchen Unschuldigen mit der feindlichen

Geißel verwunden.

F 2

84

IX,

Solonna und Nosaura setzten, wäh­ rend Don Gamba ihrem Geschicke nach­ sann, in tiefem Nachdenken verlohren, den bezeichneten Pfad fort; der Erstere gedachte mit erhöheter Liebe seiner lang entbehrten Mutter. Das Glück macht kühn, und oh­ ne Rast verlangt es immer mehr; rin fort­ gesetztes Mißgeschick dagegen, laßt uns dec Hoffnung Kraft vermissen, voreilig gründet

es die Furcht, und regelloser Sorgen Stif­ terin wird diese. Noch vod einem halben Jahre hatte dem Grafen das Schweigen der geliebten Urheberin seiner Tage als Be« weis ihres Verlustes gegolten, ohne Hoff­ nung, ohne Freude wandelte er damals den dornigten Weg; doch jetzt ereilte ihn die Wonne der Liebe, und ohne Ahnung künf­ tigen Weh's, schöpfte Camillo in dem Sternen-Auge Seraphinens, die Ver-

85 heißung dauernder Glückseligkeit. Die Wal- *

langen eines noch nie empfundenen Ge­ fühls, der Sinnenrausch der ersten Liebe wurden zum Circe-Trank, aus dem er süße

Vergessenheit seiner selbst schöpfte, und —

die theure Mutter trat bescheiden in den Hintergrund, denn die Bühne der Leiden­

schaft erlaubt nur wenig handelnde Perso­

nen.

Colonna war dem Erwachen nahe,

da vertauschte die sterbende Seraphine ihre Rolle; Rosaura'S lebhaftere Gefühle, das seltsame Verhältniß einer erhbheten E,rcentri-

cität, und — der Graf ward von diesen, ohne cs zu ahnen, schnell mit fortgerissen. — Das

Getümmel des Krieges rief ihn nunK zurück;

die immer wache Sorge für Seraphinen raubte ihm die Ruhe der Seele, deren ei­ ne zärtliche Erinnerung bedarf; Kopf und

Herz wurden in der Gegenwart ununter­ brochen beschäftigt, und dämmerte je das Bild der Mutter in diesem Wirrwar auf, so unterdrückte Camillo gewaltsam' eine

Gedankenreihe, welche ihn nur mit Rüh­

rung erfüllen konnte.

S6

Die Gräfin Colonna hatte seit mehr als einem Jahre nicht geschrieben, der liebende Sohn vergebens -jeden Konvoi, der' aus dem Vaterlande kam, bestürmt, um Nach­ richten von Hause zu erhaltens keine Kun­ de ward, ihm mehr, und- so schloß denn der Trauernde, sein Leiden habe den Gipfel erreicht, die mütterliche Freundin ruhe im Schooße der Erde, und dieses Ereigniß al­ lein könne die Veranlassung ihres Schwei­ gens seyn. — 0, süßer Glaube! dem nur das kindliche Herz sich hingeben darf! — denn wo. ist die Gegebenheit, welche die Mutterliebe in die Schranken kalter Gleich­ gültigkeit fesseln könnte? — sie allein eig­ net sich zum würdevollen Verbilde dieser Gott entlehnten Empfindung^ und ihre Um Wandelbarkeit sollte jeden Liebenden krönen. Jetzt winkte Colonna das versöhnte Geschick, und der erste Beweis eines wie­ dergekehrten Glaubens an die liebende Führung desselben, war des Sohnes erwa­ chende Hoffnung, die-Innigkeit, mit der ec das Gemälde schöner Häuslichkeit entwarf.

87 welches der Mutter LebenS-Abend verklär

ren sollte. Die Scenen, an denen sein gei­ ziges Auge sich weidete, waren so erhaben, daß sie ihn allmählich über das Geblei der Wirklichkeit hinwegführten; das Va­ terhaus, und jede Stelle, welche Bern Jüng­ linge die Rückerinnerung froher Jugend darbot, standen vor seinem Blick; zwei We­ sen schwebten in diesem Paradiese, Ca­ millo sah die geliebte Mutter mit Entzük-

ken den süßen Verein' mit der edlen Spa­ nierin schließen, und vertiefte Ich immer mehr in dem lang entbehrten Genuß, wel­ chen ihm die Phantasie jetzt reichte. Rosaura ihrer SeitS, bemerkte nicht des Geliebten Zerstreuung, sie wiederholte im Innern nochmals den leisen" Abschied von allen ihren Wünschen, ihre Zukunft

war nun entschieden und kein Einwurf fand sich, welcher des Grafen Zufriedenheit ferner der ihrigen unterwarf. Rosaura fühlte, eS sey Zeit, durch einen festen Ent­ schluß ihre Lage so viel als möglich zu ver­ bessern; der freie Wille schilderte ihr am

83





Sterbelager der Freundin das Opfer des

irrdischen Daseyns so leicht und schnell verrinnend, warum sollte sie denn nun, wo es

der Handlung galt, mit feigen Vorwänden

sich selbst zu täuschen suchen? Nein! — rief sie in einer Anwandlung von wahrem He« roismus — ich will von heute an nur Ca­

millo angehören! dein Herz, Fernando, spricht mich frei von der Treulosigkeit nie,

derem Begriff, dessen ich nicht.fähig bin,

deine Liebe bleibt mir das Eigenthum ei­ ner bessern Welt,

dort darf sie sich laut

verkünden, hier zolle ich dem Freunde die Freundschaft nur, während das Gefühl der

Psticht mich fest dem Gatten weihet.

Das edle Mädchen suchte ferner nach den Gründen, die ihre Anhänglichkeit für

Colonna erhöhen mußten, und in eini­ gen Stunden war das stolze Gebäude der

Aufopferung errichtet.

Ob es schwankte?

wird die Zeit lehren, genug, Rosaura

that mehr, als je die Einbildungskraft er­ funden, und seit den vier Monaten, in

welchen sie die

Begleiterin

des

Grafen

— 89 — würbe, hatte der Enthusiasmus, dessen nur eine Spanierin fähig ist, ihr ein Betragen auferlegt, welches jedes andere Weib in den ersten Tagen zu Boden gedrückt haben würde.

90

LXL

Rosaura's Mutter lebte, während ihre Tochter sich das Diadem weiblicher Größe um die hohe Stirne schlang, eine ruhige freudenlose Existenz, ihr Daseyn glich den monotonen Schlägen einer Tods tenuhr, unthätig verstrich ihr jeder Tag, und nur die Gebete ihres frommen Her­ zens, liehen der tief Btrübten ein Licht in finsterer Nacht und rissen die Seele von der trüben Umgelwng des Jetzt, zu den hö­ heren Gegenständen der Zukunft. Fernando schwärmte unterdessen, wie die Verzweiflung, zwischen den steilen Gipfeln umher, welche oberhalb seiner Hüt­ te hervorragten; Isabelle hatte sich letz­ tere nicht weit von der Grotte unserer Jungftau gewählt, und hier in dem lieb­ lichen Gebüsche, wo das tausendstimmige Dögelchyr sich ihrer Andacht zugesellte, ver-

9i lebte sie noch

den. —

die einzig erträglichen Stun-

Leichter schmiegt sich die Empfin­

dung der Frau dem Unglücke an, als der

herrische

Sinn , des

Mannes;

demüthig

trug auch Isabel le die auferlegte Prü­ fung, und ihrem Beispiele allein verdank­ te Cortez die geringe Dosis Ruhe, welche ihn der eigenen Vernichtung entzog.

Wittwe

Ermahnungen

Der

bewegten oft den

Vermessenen, wenn er im Drange des Ge­ fühls sich Vorwürfe erlaubte, welche nur

fein grenzenloser Schmerz gebar; so war es der stille

Friede

einer

leidenschaftlosen

Seele, der ihm den Spiegel seiner Verir­

rungen vorhielt, und — in Fernandos edlen Zügen stieg der Beschämung Gluth

hervor. Da gelobte sich der Trauernde, kei­ ner ähnlichen Wallung mehr Gehör zu ge­

ben, aber die Liebe spottete solcher Schwü­ re, und oft fand die nächste der Stunden des

Meineidigen

erwachte

Verzweiflung.

Isabella flehete dann, nicht durch Ver­ messenheit sich den Trost des Unglücklichen

zu rauben; auch im Entsagen keimt

Ge-

92

nuß, sprach die fromme Dulderin, glänzend ist die Krone eines Märtyrers, ein höheres Ziel winkt dem Sieger irrdifchek Wünsche, und die Frucht christlicher Resigna­ tion ist köstlich, wie selten ihre Pflanze. Soll ich in stumpfer Ruhe, — frug Cortez — alles entbehren, was den Men­ schen werth und theuer ist, die Hand küs­ sen, welche meine Thränen preßt? . Lästere nicht, Fernando! rief Isa­ bella — versuche es nicht, der hehren Kraft die Waage zu entreißen, zu der Dir das Gewicht gebricht; — ich. bitte Dich — sehte sie sanftex hinzu —sieh in Rosaura die edlere Dulderin, oder wähnst Du: ihr Loos sey besser als das Deine? o glaube es nicht, Fernando! es ist das Schwereste im Leben, an ein Wesen sich gekettet zu sehen, für welches keine süße Regung un­

sere Brust erweitert; daß aber meine Toch­ ter den fremden Mann nicht lieben kann, ist Dir bekannt. Ha! wenn Nosau­ ra, so. wie wir, der Einsamkeit ihr, Leiden klagen dürfte,-wenn die Bedauernswerthe



93

nur dem Schmerze zerstörter Liebe unterlä­ ge, gewiß,- sie würde dieses Geschick, der Ge­

genwart vorziehen, welches sie allem Weh

deiner Seele die edle Brust öffnen läßt,

und überdies noch es versuchen muß, sich dem fremden Gefühle nachzubilden.' Zsabellens

Schmerz

nicht

Rede

hatte

Cortez

beruhigt, mit geschärfter

Empfindung durchzuckten ihn ihre Worte, er hatte den Muth verlohren, nach Fassung zu ringen, und so verließ er denn schwei­

gend und düster die gemeinschaftliche Hütte.

. Sennora Coretta sah mit Weh­ muth ihren Libling sich entfernen, dennoch rief sie ihn nicht zurück; wo konnte sie leichter hoffen, daß Trost seinem wunden Herzen werde, als hier, in der geheiligten

Umgebung, welche die reinste Religiosität bei jedem Blicke verkündigte. Gewähre, Allgü-

tiger! —siehete sie, die Knie beugend —

der trauernden Mutter einzige Bitte, und träufle dem redlichen, nur zu feurigen Fernando, aus der Fülle deiner herrlich­

sten Schöpfung, den Balsam in die stür-



94



mische Brust, der sie empfänglich für den Frieden macht. Der innige Wunsch Isabellen» säuselte seiner Bestimmung entgegen; Fernando'ö Schutzgeist schwang die goldnen Flügel und — nahe war Beiden die Erlö­ sung.

95

EXIL

Cortez eilte rasch die Felsen hinter der Wohnung hinauf; seine Stimmung führte ihn gewöhnlich zu jenen Extremitä­

ten, wo sich allmählich jede Spur der lieb­ lichen Vegetation verliehrt, und nur noch der graue Granit oder der weiße Kalkstein den Wanderer mit Grausen erfüllten. Dort wo alles erstarb, wo nicht einmal der befiederte Bewohner der Lüfte die leichten

Schwingen versuchte, und kein Thier, keine Pflanze mehr, an die Welt oder ihre Be­ dürfnisse erinnerte, dort weilte Fernan­ do vorzugsweise, so ost ihn die schwarz« Melancholie befiel, welche, ihn mit dem Him­ mel und seinem Daseyn rechten ließ. Zn den ersten Tagen seines Aufent­ halts auf dem Montserrat, hatte das Ma­ jestätische der Gegenstände auf seine Stim­ mung gewürkt, Und nur da die Gewöhn-

96 fjtit den Eindruck schwächte, fing er an, fich nach und. nach einem Mißvergnügen hinzu­ geben, welches die halb bekämpfte Neigung

plötzlich hervorrief, niederriß,

jeden besseren Vorsatz

und nun brausend

einherzog,

wie der verheerende Strom, dessen unter-

minirten Dämmen keine

zu sehen sind.

Grenzen

mehr

Diese Erfahrung machte

Fernando so ganz;

er hatte iiA An­

falle des Schmerzes seinen Gefühlen Wor­ te gegeben, und seit diesem Augenblicke be­ herrschten sie ihn mit einer Gewalt, wel­

che den guten Cortez bei ruhiger Ueberlegung mit Schrecken erfüllte. Gern hätte

er die frühere scheinbare Fassung erkauft, aber es war ihm unmöglich, der älter er­

weckten Erregbarkeit Schranken zu setzen, in allen Gegenständen fand diefe Anlaß' zur Trauer, so wechselte denn Liebe und

Verzweiflung, Vaterland

und Rache, in

der wogenden Brust.' Da suchte Cortez die schroffen Höhen über seiner Hütte, lan­

ge weilte er in den kalten Regionen, und erst wenn die Gluth der Leidenschaft unter

97 dem Einflüsse seiner Umgebungen erstarrte, wenn er betäubt, vernichtet zu Boden sank, dann kehrte die Apathie» deren sein Herz bedurfte, zurück, und ermattet schlich er nach der heimlichen Zelle, wo 2sabel­ lens Flehen ihm die nöthige Kraft zum Leben lieh. Auch heute suchte Fernando die schroffen Pfade auf, der Zufall hatte ihm eine, der gewöhnlichen verschiedene, Rich­ tung nehmen lassen, und länger mußte ec wandern, um den Ruhepunkt, welcher sich seinen Empfindungen anschloß, aufzusuchen, dann warf er sich athemloe auf einen Gra­ nitblock und rief: warum kann ich nicht die Spihe dieser Felsen erreichen, und mit der tert noch nie geschöpften feinen Achmoephäre dem Leben das Ziel, dem Kum­ mer das Eiche bereiten! — scheint es nicht, als spotte- die Natur ihres Meisterwerks, wie der herzlose Große seiner Sklaven»— was wäre er ohne diese? was jene ohne den Menschen? und dennoch giebt es Verhält­ nisse, wo man beiden die Folter einer verCaral. rr Thl. G

98 pfuschten Existenz wünschen möchte. Zsa­ belle würde diesen Wunsch frevelhaft nen­

nen; Hal warum straft sie nicht das Weh' meines vergifteten Lebens mit dieser Be­ nennung? oder soll ich empfindungslos Mil­ lionen zerstörn, in kalter Ruhe das schreck­ liche Schauspiel strafbarer Leidenschaften sein Wesen treiben sehen, und mich trösten, weil ich nicht blutete? — Pfui! des Schwächlings, den nur das eigene Zch btt. trüben kann! nur dem zarteren Geschlechte könnte man vergeben, feig zu scyrx; doch auch jene sind nicht immer die täuschenden Puppen unserer Phantasie; ach! Nosaura fühlte gleich mir. O warum mußte ich dich verlieren! — setzte er wehmüthig hinzu — in dir, R osaura, lebt der Heldinnen Geist vergan­ gener Zahrhunderte wieder auf, nicht blos an Reizen hat dich die Jungfrau ausgestat­ tet, auch der feste Sinn, der Stempel eiuer großen Seele ward dir zu Theil, und die seltene Gefährtin, welche mir die höch­ ste indische Seeligkeit gereicht hätte, würde ich in dir gefunden haben. —

Glaubt,



99

Zsabelle— fuhr Cortez, nach einigen Minuten des Nachsinnens fort — aus der Tochter Leiden mir die nöthige Kraft zu schöpfen? o wie wenig kennt sie Jbann Fer­ nando'» Herz, das Weh der Heißgeliebt len ist ja der Pfeil, der unaufhörlich mein Gefühl durchbohrt, sie darf ich nicht als lei­ dend mir gedenken, unb ach! das Furcht­ barste von allem, wäre es nicht SerapHi­ ne ns vermeinter Tod? O gerechtes Wesenl — er hob die Hände gefaltet empor — laß mich diese nie als lebend erkennen, ich" müßte an deiner Milde verzweifeln, denn bei der Möglichkeit eines so hohen Glücks, dem dunklen Abgrunde gräßlicher Reue preis­ gegeben zu werden, würde wohl dieses Ro­ saura, würden wir alle dieses verdienens So wagte der Vermessene sein Geschick zu richten, und die finstere Schwärmerti dieses feurigen Charakters schuf in dem Ereigniß, welches jeden anderen mit leisen Ah­ nungen des Glücks erfüllet hätte, einen Sta­ chel, an dessen Verwundung der bedauernswert the Fernando beinahe verblutet wäre. G 2

100

Früher hatte das Unabänderliche einer

Lage, welche auch Rosaura selbst gewählt,

ihm diese erträglich gemacht, nur rin leises

der

erlaubte

Murren

Verlierende

sich;

doch als er im Gewölbe der Almüviva's

den Argwohn schöpfte, als sey die Gräfin

der drohenden Vernichtung entschlüpft, da

hob

die Freude den "schlummernden, Kopf

überschüttete

empor, die, goldgelockte Fee den Abtrünnigen

Blüthen, und

mit

ihren

duftendsten

taumelnd von' dem unge­

wohnten Genusse, glaubte Fernando, als

er an jenem Morgen

den heiligen Hain

betrat, schon der Gewißheit seines Glücks

nahe zu

seyn.

Da

Furcht an seine Seite,

trat

die trauernde

ihre mageren Ar­

me umklammerten den frohen Mann, er fühlte

seine Kraft

in' ihrer

Umarmung

schwinden, ihr giftiger Hauch welkte seine Blüthen, und nur daö Geschwisterpaar, Arg­

wohn Und Verzweiflung, wurden seit jener Stunde die Begleiterinnen Fernand o's.

Zsübellens

Versicherungen

scheuchten

späterhin auf kurze Zeit hen Glauben an



IOI



Seraphinen« Daseyn, aber seit dem Aufenthalte in dem Gebürge wuchs dieser,

— Cortez unbewußt — zu riesenhafter Größe; Fernando hatte keine Gründe, welche ihn zu jener Vermuthung berechtig­ ten, sein Kopf schalt ihn öfters einen schwärmerischen Thoren, dennoch wich die Ahnung von der Gräfin Leben nicht aus seinem Herzen, und sie allein war ea, die den feurigen Catalonier.jenem regen Der» druffe und dem schrankenlosen Schmerze hingab.

102

LXIII.

Eine Ermüdung, welche die Frucht des langen Weges war, den Cortez zurückge-

lrgt, erinnerte ihn jetzt, daß es Zeit sey, Isabellen wieder aufzusuchen; am frü­ hen Morgen hatte er sie verlassen, und der Freundin Besorgniß mahnte ihn zur schnel­ len Rückkehr. Diese zu unternehmen, er­

hob sich Fernando nun, aber mit Be­ fremden gewahrte er sehr bald beim Hinun­ terklimmen der Felsen, baß er einen unbe­ kannten Weg eingeschlagen, und der schroffe Pfad zu seinen Füßen nicht der gewohnte zu der Hütte war. Dem Lebensmüden ist es gleich, ob fyutt oder morgen der Engel seine Fackel senkt und spricht: es ist genug! — ähnlich diesem war der Gedanke, welcher Cortez jetzt' mit kaltem Gleichmuthe an den gäh­ nenden Klüften vorüber führte, sein Schuh-

101



geist schien ihm zur Sekte zu schweben, wie hätte auch sonst der Träumende den ge­ fährlichen , Pfad unbeschadet wandeln dür­ fen?— aber immer tiefer führte dieser .ihn hinab, schon verhüllten üppige Gebüsche den Nachdenkenden. Da weckte ihn die ge, würzreiche Luft um ihn her, er sahe plötz­ lich auf, und von den freundlichen Gegen­ ständen überrascht, rief er; wozu diese Rei­ ze? sollen die stummen Zeugen höchster Macht den Menschen Ersatz für alle ande­ ren Entbehrungen gewähren, dann freilich flüchte er hieher, und hat das Alter schon

in ihm den raschen Lauf des Bluts ge­ hemmt, dann, kann er sicher auf die See­ lenruhe der heiligen Väter dieses Berges rechnen; wie sie, wird er alsdann bei der Erwähnung irrdifcher Freuden antworten: hüte dich vor den Dornen der Rose! und im umgekehrten Falle, wenn man seine Le­ bensweise rühmt, mit gleicher Apathie sprechen: es giebt zu unseren Füßen noch mehrere, als ich erwarb! —

Fernando'» Reflexionen- setzte der

io4 — dicht verwachsene Pfad ein Ziel, er suchte sich einen Weg . durch die dickbelaubten Ge­ büsche zu bahnen, und hoffte^), wenn ihm

nur die freie Aussicht wieder zu Theil wer­

de, auch sehr bald der Gegend kundig zu

seyn. Ein leuchtender Strahl

des

Mend-

roth« schimmerte ihm jetzt Lurch die Gesträuche entgegen, "eilend folgte er. seinem

Winke, und stand bald darauf vor einem

lieblichen Bcrgthale, dessen bunter Rasentep­

pich es zum Feengarten umwandelte;

Ueberraschung. zauberte

ein

die

momentanes

Entzücken; Fernando warf den Blick voll Verwunderung auf den Umkreis dieser see-

ligcn Welt, seine hohe Stirn glättete ihre

Falten, und schon wollte er die Lippen öff­ nen, um der erregten Empfindung Worte

zu geben, da hemmte plötzlich ein Gegen­ stand in diesem Paradiese seine Bemerkung; unruhige Phantasie des Träumers

• die

glaubte der Geliebten Züge zu enträthseln, schwankend näherte er sich dem Wesen, des­

sen seltsame Aehnlichkeit bei jedem Schritte



wuchs,

io5



Cortez Blut trat zum Herzen,

jetzt war er

der Erscheinung

gegenüber.

Heiliger Gott! — rief er, seinen Gefühlen nichts mehr gebietend —; da hob der Jüng­ ling, welcher bisher im Lesen vertieft, Fer«

nando nicht bemerkt hatte, die Sternen­ augen zu ihm auf,

legte eilig das Buch

zur Seite, und frug mit Beklommenheit: was ist Euch, Fremder? sucht Ihr Hülfe? Seraphine d'Almaviva! — ent­

gegnete Cortez^mit brechendem Stimme—; seine Brust versagte ihm den Athem, der

feurige Catalonier unterlag

dem inneren

Kampfe, bleich, und immer bleicher wer« dend, lehnte er sprachlos am Stamme ei­

nes Kastanienbaums, nahe dem, unter wel­ chem der Jüngling ruhete.

Dieser sprang

mit Entsetzen auf, der unerwartete Ruf tön­

te furchtbar aus der Vergangenheit herü« der, er sprengte die Gruft der Todten, ent­ riß der Lebenden ihren umhüllenden Schlei­

er, kalte Schauer rieselten an der Erkann­

ten hinab, und schon hob die Schüchtern­

heit den Fuß, um durch eilige Flucht jeder



io6



weiteren Erörterung vorzubeügcn, da gab ihre Bewegung dem erschütterten Fernan­

do die Besinnung wieder; entschlossen ver­

trat er der Gräfin dön Weg. und mit erhöhetrm Gefühl sprach.er: wähnt Sera­

ph ine, ich werde die wiedererwachte Hoff­ nung meines Seyns, um der Hülle willen,

.welche sie verbirgt, nicht erkennen? oder ist sie keinen Ersatz dem.Manne schuldig, dem sie mittelbar Glück und Ruhe raubte? O

Secaphine! ich sah Euch nie, aber wahr­ lich! unter Millionen würde mein Her) Euch erkennen, ja, um dieser holden Züge

willen, um einer Achnlichkeit, die der schlum­

mernden Leidenschaft höchste Gluth anfacht,

gebt Euch dem Unglücklichen, welchem Eure Hand das tiefste menschliche Elend bereitete, als das, was Zhr seyd, als wahr.

Seraphine trat bebend einige Schrit­

te zurück, des Fremden Augen sprüheten

Funken, die brennende Nöthe seiner Wan­ gen erfüllte die Schüchterne mit einer Be«

sorgniß, welche sie nach Worten suchen ließ, um dem seltsamen Manne zu entschlüp-



ioy



fen; da schwebte Rosaura'ö Gestalt plötz­ lich aus dem die Gräfin umgebenden Dun­ kel hervor, zerflossen war der Nebel, der ihr Cortez als einen Wahnsinnigen dar­ stellte, den ihre frühere Bekanntschaft, ihr unbewußt, zum Gifte werden ließ, das jetzt bei dem unerwarteten Anblick in seiner gam zen Wirkung sich enthüllte.

— .108 —

LXIV.

Wer seyd Zhr? — hub die Gräfin zö­

gernd an; — vergebens strenge ich mein

Gedächtniß an, mich der Momente zu ^erin­ nern, welche Eure Rede erhellen könnten; keine Vergangenheit' spricht für Euch, woher

denn nun die sonderbaren Betheurungen, deren Ursprung ein Verhältniß zum , Grun­

de liegen mag, daü ich nur durchs eineu mir unendlich theuren Namen enträthseln

könnte. —

Ist vielleicht Rosaura Co-

retta, die Freundin SeraphinenS, auch

die Eurige?

So ist es! — erwiederte Fernando — ach! und wäre sie nur das, so könnte ich mit' ruhiger Trauer des unabänderli­

chen Geschicks denken, welches sie mir ent­

riß; aber,vmehr war Rosaura meinem

Herzen, und noch in diesem Augenblick, wo

längst die Hoffnung schwand, kein

Trost

109 dem Verzweifelnden übrig blieb, ja noch jetzt

sehe ich nur.Rosaura'a bleiche Wangen, lebe

allein meinem

Verluste,

den keine

Reue mir ersetzen kann.

Unglücklicher! — seufzte Seraphine, Unglücklicher! wiederholte ste noch einmal mit

erhabener

Stimme,

denn

Senn-

dorff's Erzählungen zogen drohend ihrer Einbildungskraft vorüber,-die Freundin hat­

te nach jenen das freie Herz liebend dem Grafen Colonna gewcihet, und so blieb

denn ihrem bcdauernswerthcn Geliebten kei­ ne'Aussicht freudenvollerer Zelten.

O

warum!



fuhr

Seraphine

trauernd fort —' verbarg Rosaura mir ein Gefühl, das meinen Wünschen zwar widerstrebte,

denn ungern hatte ich in je­

nen grausen Momenten des schmerzvolle-

stcn Entsagens in ihr die Geliebte eines Minderen gesehen, obgleich die Zukunft mir reichliche Vergeltung gebracht haben, und

erhöhtes Glück uns Alle jetzt lohnen würde.

Cortez wagte es nicht, die Gräfin ei­ ner Handlung zu beschuldigen, deren Folgen

HO

sie beide gleich betrübte; was die Leiden»

schüft ihm noch vor wenigen Minuten ent­ rissen, schien ihm nun ein Verbrechen, wel­ ches die theilnehmende. Freundin kränken müsse; die angrbohrne.Nachgiebigkeit sei­ ner Nation für das schönere Geschlecht, er, laubte Cortez nicht, sich laus den Vorwür­ fen eines zerrissenen Herzens zu leihen, Seraphinens vollkommene Aehnlichkeit mit Rosaura säuberte ihn im Gegen­ theil in die schönere Zeit zurück, wo Selida'ö blühende Lauben dem furchtsamen,

bescheidenen Liebenden die schlanke Gestalt ihrer Bewohnerin verriethen; seinen Augen mißtrauend, lauschte Fernando den Wor­ ten der Gräfin, gber diese, wie jene, rückten nur das Bildniß der Geliebten naher, und mit steigendem Interesse spann er nun den Faden ihrer Mittheilung weiter. Schon hatte Phöbus sich in Thetis Schooß gesenkt, und nur Luna's Dämmer­ licht leuchtete, vertraut mit den Ergießungen wunder Seelen, den neuen Freunden zu dem schmalen Pfade nach Antonio's Hüt-

III

te. 'Seraphine hatte im Gespräch dm wohlbekannten eingeschlagen,' und Cortez war zu vertieft, um sich von seinen Schritt ten Rechenschaft zu geben, da schreckte ihn plötzlich des Einsiedlers dunkle Figur, die wie ein abgeschiedener Geist langsam und feierlich seine Führerin begrüßte. Wo sind wir? frug Cortez. Bei'meinem zweiten Vater! erwsederte die Gräfin; ach! Fernando, da Alles mich aufgegeben hatte und der Tod die kalten Arme seiner Beute entgegen streckte, wer bet mir da die Hand, wer leitete mich in'den Schooß des Friedens? zwei edle Männer, denen ich die höchste Wohlthat des Unglücklichen danke: die Resignation, und als unbedingte Folge derselben, ein bei ruhigtes Daseyn. O kommt, mein edle«; Freund, setzte sie lebhaft hinzu, damit ich Euch die leitenden Genien meiner neuen Laufbahn zeige. Dieser hier, Seraphine deutete auf Antonio, — ist der ehrwürdige Bewoh­ ner jener Einsiedelei, • er nahm mit väter-

112

licher Theilnahme die Schutzbedürftige auf, aus

seinem

Munde

lernte

ich

dulden,

schwerer noch, als uns, drückte ihn dec Vürsicht Wille, doch erhaben tragt er ihn,

und herrlicher steht er einst aus dieser Prü­

fung auf. —

Zener Greis dort ist Pe­

dro, der ergrauete Diener unseres Hauses,

der Vertraute meines

Oheims,

Retter meines Lebens.

Zhr werdet in die­

und der

ser kurzen Schilderung Stoff genug finden,

um den Einfluß zu

erkennen, welchen ich

dankbar jenen Beiden

weihe; nun aber

sagt mir auch, wie Ihr hieher kommt, und woher Zhr Rosaura genau genug kennt, um ihrer Zuneigung versichert zu seyn? Fernando bekannteSeraphinen, er habe wenige Tage, nachdem sie die Rollen

gewechselt, Rosaura in Taragona gespro­ chen; mit rührender Umständlichkeit weilte

er bei dem Gespräch, welches -ihm zuerst die Himmelspforte schloß» sein Entsetzen erschüt­

terte die weich

geschaffene Seraphine,

und der Freundin Schmerz erhob das sel­ tene Opfer, dessen sie sich rühmen konnte.

'



HZ



Corte; führte seine Zuhörer jetzt zu Zsabelle, doch kaum hatte er den Namen der Gefährtin ausgesprochen, als ihn auch schon die wahrscheinlichen Befürchtungen derselben ängstlich mahnten; die Leidenschaft, welche ihn bisher in ihren Banden hielt, floh die Dorwürfe der erwachenden Ver­ nunft, sie nannten den feurigen Mann eie nen leichtsinnigen Schwärmer, der nur feie ner Wünsche gedächte, und herzlos den Sorgen Zsabellenü vorübereilte. Fernandos plötzliches Schweigen befremdete Seraphine, eben wollte sie dieses rügen, als jener, ihre Hand ergrei­ fend, rief: eine unverzeihliche Zerstreuung hat mich der Gefährtin in meiner Einsam­ keit vergessen lassen; was werdet Zhr em­ pfinden, Seraphine! wenn ich Euch die Mutter Rosaura's, die würdige Pflege­ rin Eures schönen Lebens, als jene bezeichne) ja, als ich hoffnungslos umherstreifte, als mir die Zukunft gleich einem gähnenden Abgrunde erschien, da wandte ich mich zu der älteren Freundin, beide verwais't, glichen Catal. av Thl, H



H4 —

wir zweien abgestorbenen Bäumen, welche der Salano ihrer Blätter und Blüthen

beraubte, und, ach! sind die versengenden Leidenschaften unserer Erde nicht furchtbarer

noch, als selbst die Natur im Kampfe mit

den Elementen? — Sehet, da umschlang mich das

innige Band

der Kindesliebe,

Isabelle erfuhr durch mich das Elend,

dem ihr Alter erliegen sollte, mein Herz bestimmte mir in ihr das einzige Wesen, dem

ich

noch angehören konnte, sie ward mir

Trost und Zweck des verödeten Daseyns, von ihr empfing ich die nöthige Fassung, Zsa-

bellens Beispiel, ihre sanfte Duldsamkeit, goß auch über mich den lindernden Bal,

sam, und freudiger bot ich ihr dafür des Sohnes Zärtlichkeit, des Mannes Schutz.

Seraphine hatte mit steigender Freu,

de lang

Fernando'«

Worten gelauscht,

entbehrte Empfindung

jetzt die schöne Brust,

die

hob wallend

und sich ihr wie­

derum vertrauend, bat sie Cortez, nun die dankbare Pfleglingin ohne Aufenhalt der trauernden Zsabelle zuzusühren.

"5

LXV.

Ohne des Raths An ton io's zu achten, flogen beide nun die Felsen vorbei, dann den engen Pfad hinauf, welcher zu Cor­ tez Hütte führte. Gedenkt der Nebel die­ ser Gegend, hatte Pedro den Eilenden nachgerufen, und der Einsiedler tröstete ihn lächelnd durch die Versicherung: eine Wit­ terung wie die heutige. lasse keinen solchen erwarten. Es ist wahr! — erwiederte Pe­ dro — ich bin ein alter Thor, vorzüglich nur der Schrecken zu gedenken, welche ich selbst erprobt, demnach gebührt mir Euer Lächeln; sollte aber ein Zufall Seraphi­ nen, — wie in jener Nacht von mir —, ihrem Begleiter heute entführen, so könnte leicht kein zweiter Fall den Einen retten, und die Andere dem Schuh der heiligen Väter-dieser Höhen zuführen. Der gute Pedro hatte Recht, sein Hr



n6



Wiederzusammentreffen mit der Gräfin ge­

hörte zu den seltenen Erscheinungen; doch Seraphine war auch heute vorsichtiger

als damals; des plötzlichen Entstehens jener dichten umhüllenden Nebel gedenkend, klämmerte sie sich fest an den Führer, und glück­

lich, ohne Aufenthalt, gelangten beide zu Zsabellens Wohnung.

Den Eingang zu derselben verdeckten die

herabhängcnden Zweige einer dunkelen Tan­ ne; Fernando, hielt dicht vor dieser, und

zeigte der Gräfin den stammenden Schein

rinerLampe, die, im Hintergründe des Fel­ sens lehnend, ihnen seine Bewohnerin be­

tend darstellte. Diese Wünsche gelten meinem Wohl, sprach Cortez mit freudigem Beben, doch nahe ist Dir, Zsabelle, 6'tr Hoffnungs­ stern, welcher uns alle beleben wird.

Er

bat nun die Gräfin, noch zu verweilen, und ging, die Erschütterung besorgend, der Seraphinens Anblick die Betende aussetzen

mußte, in die Grotte. Gelobt seyen alle Heilgen.' rief Zene,

“7





als sie den Eintretenden erblickte; o Fer­ nando! was that ich Euch, daßZhr meine

Leiden

durch

die

schaurige

Entfernung

mehrtet?

Vergebung,

Mutter!

siehete er



rechtet nicht mit dem Armen, welchen die

Hölle ungestillter Sehnsucht hinaus in die

weite Natur peitschte, Ihr wißt es, mir ward nicht der weiche, beglückende Sinn gegeben, der Euer Herz erhebet, dennoch bin ich es heute, der Euch, gütige Mutter! eine Aus­ sicht eröffnet, welche das verscheuchte Wohl

uns wiedergiebt;

ja, Zsabell^! nahe ist

die Freude, Eurem Flehen ward Erhörung, der Ewige sandte mir versöhnt seinen Engel entgegen, dessen weiser Führung ich bas

Entzücken dieser Stunden danke. Habt Ihr"

Muth? Zsabelle! — frug Coptez mit leuchtenden Blicken — denn, — sehte er

mit gehobener Stimme hinzu — die Grä­ ber thun sich auf, Seraphine tritt in

das Reich der Lebendigen, und mich ernann­ te die gnadenreiche Zungfrau zum feegen-

bringenden

Verkünder einer Begebenheit,

118



von der allein uns dauerndes Hell werden kann. Träume ich! sagte Zsabelle befrem­ det — ist es wahr? oder hat ein nächtlich Gespenst Euch wiederum bethört! — Seraphine lebt? o warum eilt sie nicht zu mir, wer ist, dem ein näheres Recht auf ihre Liebe ward, als mir? feit der Geburt war sie das Kind meines Herzens; — Hal meine S.eraphine! wo bist Du? Die letzten Worte schallten laut der Harrenden entgegen, Isabel le hatte, von der Erwartung hingerissen, die Arme wie zur Umfassung ausgebrritetr da stürzte die Grä­ fin im vollen Gefühl des Entzückens zu der Pflegerin ihrer Kindheit; meine Mutter! — rief sie, Zfabelle umfassend, welche, ihren Sinnen nicht trauend, bebend zu ihr aufsah. Kennst Du mich nicht mehr? Loret­ ta! — frug die Gräfin — oder hat die Entfernung meine Züge verlöscht? Nur die Freude, — entgegnete jene, sich erhohlend —' macht mich stumm, wie



iig



durste ich auch einer Verheißung trauen-, welche keine Wahrscheinlichkeit mir bot; mit blutigen Thränen gab ich Dich verlohren, wie erschütternd yiuß nun nicht eine Erschei­ nung würken, die gleichsam aus dem Gra­ be austritt. Heißen Dank bringe ich der Gebenedeicten, welche Dich errettet! o meine Seraphine! nie habe ich Dich vergessen, und keine Vergebung lächele mir einst, wenn nicht dieses Herz bei jedem vergehen­ den Tage Deiner weinend gedachte, Tiefe Rührung erstickte jetzt Zsabel­

lens Worte, sie sank erschöpft auf die Bank von Moos, und Seraphinens Liebkosungen fesselten ihre fliehenden Lebens­ geister; von neuem wechselten nun Fragen und Antworten im bunten Wirbeltanz, Fernando und Isabelle bestürmten die Gräfin mit jenen, während sie liebevoll ihnen die letzteren darbot. ' Schon röthete sich der Morgen, und immer noch gedachten Cortez und Sera­ phine nicht des irrdischen Körpers; da erinnerte sie die bedächtigere Mutter, es sey

120

Zeki, auch seiner Bedürfnisse zu gedenken,

indem tischte sie einige Erfrischungen auf, und übernahm mit gutem Erfolge der freundlichen Wirthin Geschäfte. Das Alter gewöhnt sich leichter an dir außerordentlichen Vorfälle des Lebens, die Länge desselben bot des Wunderbaren mehr

reres, darum findet die ausgedehnte Er, fahrung sehr bald das ruhige und sichere Plätzchen wieder, aus dem sich der Jugend

excentrische Kraft, durch des Zufalls Unge­ wöhnlichkeit, leicht für immer Hinwegdrän» gen läßt.

ist

---

LXV.

Der Wittwe Ermahnung hatte die beiden Schwärmenden in das Geleise der Alltäglichkeit zurückgeführt; die Gräfin nipp, te gefällig an der aufgetragenen Speise, Fernando erinnerte sich, daß,er, des Kör­ pers seit vier und zwanzig Stunden verges­ send, nichts genossen £abe und kühlte den erwachenden Durst mit saftreichen Simonien.' Das bescheidene Mahl war beendet, Zfabelte rieth, dem Schlummer nicht das zu entziehen, was ihm die Natur als Opfer zollen müsse, und dem Wunsch gehorchend, lehnte Seraphine den schönen Locken, köpf an die Mauer des Felsen. Schlafe sanft! — sprach die Freundin zu sich selbst — zwar fehlen dir die sammtenen Kissen der ehemaligen Pracht, doch wird dein Herz das Blätterlager Mit dem Zauberstahe froher Hoffnungen schmücken,

122 süße Träume umgaukeln die heimliche Stelle und gleich dem Seidenwurme spinne dei­ ne Phantasie sich ein Gebäude/ in welchem

Seraph ine sanft und gerne ruht.

Sie küßte

der Gräfin

Stirn

und

schlich, Fernando winkend, ins nahe gele­ gene Kämmerlein,

das die Natur gleich,

sam für die einfachen Bedürfnisse der.Be-' wohner dieser Höhen, tief im Schooße der

Felsen schuf. Der Unruhe

und

Ermattung folgte

«in erquickender Schlummer; doch Cortez-

Feuergeist entzog sich bald seinen Begün­ stigungen, der abgehärtete Körper bedurfte weniger Pflege, als die-zarte Organisation

der Gefährtin, nach einigen Stunden er­ wachte er, und sah bedauernd auf die ent­

flohene Periode des Lebens zurück, der eine nutzlose Gemächlichkeit die Momente des

Handelns entzog. Ohne des langen Weges zu gedenken,

welchen Seraphine gestern,

an seiner

Hand geleitet, wandelte, schlich er leise jetzt zu ihr, bog sich an die Ruhende hinab, und

123 flüsterte: Erwache, Freundin! — erwache!

— Reue gebiehrt die verrinnende Stunde,

und zu Thaten weckt ihre Nachfolgerin. Die Gräfin schlug das 'große, dunkle Auge fragend auf; die kurze Muße hatte,

ihr neue Ansichten gebohren, Fernandos Entzücken ihr gestern frohe Ereignisse ver­

kündet, denen die Wahrheit nun das strah­ lende Gewand entriß, trauernd gedachte sie

jetzt der Gewißheit, welche den Jüngling Ramiro zurück in die Klause des Einsied­

lers geführt, welche Hoffnung konnte ihr nach dieser Erinnerung noch winken? ach!

der arme Cortez! keine Ahnung des neuen

Weh's riß sich durch seine Brust, sie war bestimmt, schuldlos ihm zum zweitenmal

den Giftbecher zu füllen.

Wehe mir! —

seufzte Seraphine tief bewegt — ich bin

erkohren, Dir, theurer Leidensbruder, nur Schmerzen zu reichen; unser Enthusiasmus erstickte früher jede Erläuterung der Bege­

benheiten, die mich auf den Montserrat ge­ führt,

Dir Fernando

und

Isabelle

war eö genug, mich lebend zu wissen, Ihr

124 wähntet in dem erkämpften Daseyn einen sicheren Bärgen künftigen Glücks zu sehen,

so fragtet Ihr denn nicht, warum ich in stil­ ler Abgeschiedenheit mich einer Existenz ge,

weihet, die keinem ‘ der Wünsche meines Herzens entsprach.

Sieh Fernando! hier

Kffnct sich dieKluft, welche unsere Pläne ver­

schlingt; hoffe nicht! — cS ist vergebens! Rosaura Dir, Camillo mir entzogen,

und nur ein Trost winkt den Derliehrenden, die innige Freundschaft, das herzliche Zu­ trauen, welches uns verbinden soll.

Wird

es Dir genügen? guter Fernqndo! — Seraphine bot ihm schmeichelnd dieHand als Unterpfand ihrer Versicherung dar.

Zn Cortez Brust loderte die furcht, barste Besorgniß auf; die Gräfin hatte ihm

am Abende ihren Aufenthalt im spanischen

Lager mitgetheilt, daß sie wider die Fran­ ken gekämpft, ja sogar-ihres Abentheuers

mit einem deutschen Krieger hatte sie flüchtig erwähnt; konnte nun an diese Begebenheit

sich nicht die Folgerung reihen, welche ihr jetzt im prophetischen Geiste nur Unglück

125 weissagen ließ? — Des Spaniers immer reger Argwohn besiegte des Herzens De/ fchwichtkgungen, und. im Vorgefühl von Seraphinenö Worten, frug er rasch: hat Rosauba meiner vergessen? — o nein! das kann sie nicht, — setzte er, von den Verheißungen des letzteren gewonnen,'sanf­ ter hinzu: ja, ich errathe jetzt, was Ihr mir gestern entzogt, Euch ward 'die Kunde ihrer Entfernung von unseren mit Blut ge­ tränkten Fluhren, der selige Camillo eilte dem Daterlande zu, doch kann ihn dieses nicht dem Blicke verfolgender Liebe entzie­ hen; glaubt mir! in der Erde Tiefen wollt* ich Nosaura finden, oder — — Fert nando erbleichte — sind sie todt? Die Gräfin schüttelte schmerzlich das stolze Haupt; — sie leben, Cortez! viel­ leicht sogar in unserer Nahe, dennoch habe ich die Kraft verlohren, Rosaura ein Gut zu. entziehen, welches meine Hand ihr verlieh; als ich Taragona in stiller Mit­ ternacht entschlüpfte, da führte mich der Le­ bensengel Pedro auf dunkelm Pfade zu dem Gebirge hin, meine Leidenschaft hatte

126 seine Ansichten bestochen und zögernd gelob# te er, mich in die Arme des Geliebten zu

leiten.

Nur ein Weg blieb uns offen, es

war unter dem Schutze der Unfrigen eine Gelegenheit zu erlauschen,

welche Nach#

richten von Colonna bringen konnte, die#

fe aber ließ sich bei dem fast täglichen Zu­ sammentreffen beider Partheien leicht berech­

nen.

Als späterhin der Zufall mich von

Pedro'ü Seite riß, beschloß ich, seinem Rathe treu zu bleiben, und wandte so den

zögernden Schritt zu den Vertheidigern un­

seres Vaterlandes.

Nicht lange war ich

dort, als schon die unsichtbare Lenkerin'des

Lebens, In

Gefangener», dessen ich

dem

gestern erwähnte, mir die Bestimmung des Meinigen verrieth.

wenig Wochen

Kantonirung,

Senndorff stand feit

mit Camillo

in einer

mit rührender Umständlich­

keit berichtete er mir, wie eine beispiellose Großmulh die Gemahlin des Grafen Co­

lonna, während eines blutigen Gefechts, zu des Gatten Schutzengel erhob, der Graf

würde die sichere Deute des Todes gewor­

den seyn, wenn nicht Nosaura's Liebe

127 sich zwischen Beide geworfen hätte;

sie

fing den schweren Stoß auf, und das rin­ nende Blut vereint Beide nun auf ewig.

Der unglückliche Fernando schwank­ te bei den fetzten Worten der Gräfin, die

bebende Hand ergriff einen hervorspringen­

den Stein der Wand, um sich dem Sinken zu entziehen;

fahret fort!

gebot er mit

dumpfen unartikulirten Tönen, und Sera­ ph ine, den eigenen Schmerzen nachhängenh, schloß die Schilderung, ohne

des

Freundes Zustand bemerkt zu haben.

Fühlet nun, — sprach Seraphine weiter — was ich bei dieser Erzählung em­

pfand, der ehrliche Deutsche ahnete nicht, daß seine Beschreibung mein Inneres zerfleischte, nach Fassung ringend preßte ich die gefalteten

-Hände aufdas wunde Herz, denn nun erst ward

der Geliebte auf ewig mir entzogen; welch

einen Ersatz konnte meine Liebe ihm darbieten? und wie tief mußte nicht die Schaale sinken,

auf die ich nur meine thatenlose

Anhänglichkeit legen konnte, während die Gattin ihn

mit

den

innigsten

Banden

knüpfte, und ihr großes Herz dem Glückst-

I2ß

chrn Erinnerungen schenkte, die ihn nur mit Entzücken des Tausches konnten geben« ken lassen. Die Leidenschaft, Fernando — ließ mir noch vor einigen Stunden in

dem unvermutheten Zusammentreffen, dec heiligen Mittlerin gütigen Finger ahnen, ich Thörin rvähnete, des PabsteS entschei­ dendes Wort könne ein Dündniß lösen, das

zweier Menschen Wohl grausam vernichtete; aber die reifere Ueberlegung raubt mir auch diesen letzten Trost; ich gestehe mit Erröthen, daß Camillo bei diesem Schrit­ te nur verliehren könnte, und zittere, durch ihn selbst der Freundin Wunsch zu kränken. Mit Flammenzägen sind Senn dorffs Schilderungen in meine Brust gegraben, jeder andern als Rosaura würde ich das eigene Ziel des höchsten Glücks beneiden,

doch ihr, der einzig Geliebten, weihe ich mit duldender Entsagung den Rosenkranz, dessen Dornen, auf meine Laufbahn ge­ streut, mich ex» die Entsagung seiner Blü­ then stets erinnern wird.



129

LXVIL

SBem gelten diese? — frug die einkrer tende Coretta. — Da erzählte Ser raphine auch ihr die Geschichte der Leiden; die Zuhörerin kreutzigte sich bei dem Hel­ denmuthe der Tochter; ja, — rief sie — es ist entschieden, daß Rosaura sich dem fremden Manne mit thörichter Leidenschaft ergab, was sonst könnte sie zu einem Be­

tragen verleiten, welches dem Frauenstande so laut widerspricht; des Weibes Schau­ platz ist das stille Wirken, die unbemerkt« Thätigkeit, in der allein dem Manne Freu­ den reifen, doch jenen phantastischen Köpfen, deren Treiben und Handeln in das Gebiet des stärkeren Geschlechts eingreift, winkt

keine Belohnung im Schooße der Zhrigen; wehe Dir, Rosaura, und wehe Dein«? unglücklichen Mutter, die jetzt, erst Dich als verlohren betrachten muß. Catal, re Thl.

Z

rzo Nicht doch, Zsabelle! — fiel Cor­

tez ein, ich habe den Gründen nachgedacht,

die Rosaura's ungewöhnlichen Entschluß bestimmen konnten, und glaube aus ihnen

keine Zärtlichkeit, wohl aber

dec ernsten

Pflicht Ermahnungen zu entdecken; erinnert

Euch, Seraphine, — setzte er, sich zu dieser

wendend,

hinzu,

— mit welcher

Schwärmerei Nosaura an Eurem Ster­ belager die seltsame Forderung der Freun­

din umfaßte? und reihe ich nun diesem Bilde meine Zusammenkunft mit ihr in

Taragona an, so erhebt sich vor meinem Blicke ein Gebäude, dessen Majestät mich

mit Staunen erfüllt; — o bei allen Hei­

ligen!

Nosaura

ist

kein

gewöhnliches

Weib! nimmer wird sie das erhabenste Ge­ fühl ihrer ^Scele,' wie

die launigte Frau

ihr Gewand, vertauschen, sie — liebt nur

einmal! und wenn Colonna in diesem Momente zu mir

träte und spräche: ich

bin Rosaura's beglückter Gatte, ich wür­ de dennoch sagen: mir allein gab sie ihr

Herz. Za, mein Bruder! rief Seraphine

rzr sich Mit Heftigkeit in feine Arme werfend, so

malte' auch ich, in Stunden

sanfter

Trauer, mir das Verhältniß Rosaura's

zu Camillo, doch glaubt' ich, unbekannt

mit Eurer Neigung, daß hier im schönsten Bunde Beruf und

aber

jetzt

erkenne

Liebe sich vereinten)

ich nur

des

ersteren

Stimme, und müßte ich nicht Colonna'S

Empfindungen scheuen,

so könnte ich

es

wagen, noch einmal den Syrenentönen dec tauschenden Göttin mich hinzugeben.

Zsabelle versuchte es, die Ansichten der Freunde zu widerlegen; sie hatte nicht

den Geist, welcher sich ähnliche Gefühle als möglich denken konnte, der Tochter Hand­

lung schien ihr das Werk unsinniger Schwär­ merei, mit innigem Bedauern sprach sie

von Rosaura, und sah in ihr nur noch eine sichere Beute des nahen Verderbens.

Fernando hingegen hatte das Feuer seines Charakters zu einer Vermuthung ge­ leitet, die ganz dec eigenen. Denkungsart

entsprach; der angebohrne Heroismus des Cataloniers ließ ihn Rosaura um der

3 r

132 schönen

Aufopferung

noch

höhe? achten,

und mit schneidendem Schmerze bekannte er sich die Unwahrscheinlichkeit der erfüllten

Wünsche, von denen allein sein Wohl abching» Da störte Zsabellenü Frage seinen Eedankrnlauf, sie erinnerte sich eben eines

Auftritts, dessen mystisches Dunkel ihr und dem

Freunde

welches

zuerst

folgenreich

Stimmung

das

Projekt schuf,

auf ihre -beiderseitige

würkte.

'Zst es Dir möglich,

Seraphine! — frug sie — die seltsame Erscheinung zu cnträthseln, der wir später­

hin die Vermuthung Deines Lebens verdanke ftn?. — und nun erzählte sie der erstaun­ ten Zuhörerin Fernando's Visionen am

Grabe der Scipionen. Seraphinenö

den nahen Antheil,

Bewegung verrieth welchen sie an jener

Scene nahm, und der Wittwe aufgewor­ fene Frager ob das Gesicht an der Brüder

Mausoleum nicht vielleicht zu den Ahnun­ gen des bevorstehenden Schicksals zu rechnen

sey? — zwang der Gräfin ein leises Lä­ cheln ab.

133

LXVIII.

Zch war es, hob sie an, die Cortez an jenem Abende sah; als ich meinen Freund Senndorff im Schovß der Si­ cherheit wußte, kehrte ich mit Verzweiflung im Herzen, und dem Vorsatze, mein Leben, einer Abgeschiedenen gleich, verwiesen von den Meinen, hinzubringen, nach dem Mont­ serrat zurück. Die Trennung von Senn­

dorff hatte alle Wunden dieser Brust auf­ gerissen, er war das einzige Wesen, dem ich mich mit süßem Zutrauen hingab, und ein sehr redlicher Mensch; auch ihn halte der Abschied von dem vermeinten Gefährten innig betrübt; die Verlassenheit war das Band, welches uns umschlang, meine Vor­ liebe für Camillo's. Landsmann befestigte jenes, und seine hohe Dankbarkeit schürzte den Knoten fester. — So war denn auch unser Lebewohl, eines der Schmerzhaften,

134



die



grauenvoll an das sichere,

ewige

Scheiden

erinnern;

vielleicht

des Herzens

Stimnie zu ersticken wähnend, stürzte ich mich in die Nacht, welche.der nahe Wald

verbreitete, und erst nach einigen Stunden

vermochte Ich, den wogenden Gefühlen mei­

ner Seele Stillstand zu gebieten.

Da senk­

te sich eine Apathie zu dieser herab, welche mit wachsendem Stumpfsinn der Empfin­

dung Feuer unterdrückte; ich war in jenen Minuten, — setzte sie seufzend hinzu —

glücklicher als jetzt:

Leider war ihre Dauer

vorübergehend, ich erwachte unter heißen

Thränen, das Eis, welches mein Herz um­ gab, schmolz unter jenen und mit Entsetzen

wandte ich den Blick von einer Existenz, die mich schütz- und rettungslos der frem­ den Güte unterwarf, Sinnend prüfte ich noch einmal meine Lage, nebst den Hülfs,

quellen, die mir übrig blieben; doch letztere

waren versiegt und nur des heiligen Vaters Anerbieten,

dessen Wohlwollen mich die

unvorhergesehene

rntgegenführte,

Trennung

von Pedro

glimmte wie halb erlösche-

135

ne« Reuet unter der Asche meiner Hoffnun­ gen auf. 5a!, rief ich, jede« seiner Worte nichNW»« wiederholend, zu Antonio will ich, ei Ist der Einzige, dessen Theilnahme mich zim schmalen Weg des Heils geleiten wird, vn feiner Vaterhand will ich die Lehren nfpfangen, aus deren Uebung sich der Troff atwickelt, des Zutrauens ätherische Flamme sll ihm mein Geschick erhellen, und — die rrlohrne Tochter, seine Geliebte Zsidore, lird Seraphinen« Zärtlichkeit ihm za esehen streben. Entschlossen verließ ich nun di dunkeln Schatten, welcher mich bisher de Augen der Vorübergehenden entzog, uv es dem Kummer gestattete, sich selbst za ütrlassen; mit angenommener Festigkeit sch'tt ich den wohlbekannten Pfad nach Tmgyna zu, gern machte ich den kleinen Unyeg, der mich zu den Füßen der Vater-, stad leitete, ihr,, in der meiner Wonne schöbe Stunden — ach! zu schnell ver­ rann,, ihr, bet Bedeutungsvollen! sollte meinetzteS Lebewohl gewidmet seyn. Der lautest Schmerz hemmte meine Schritte,

136 als ich am Fuße des hohen'Felsens ene Stelle von weitem schimmern sah. wo roch vor einigen Monaten Camillo's seeie-wo'le Worte mir Entzücken reichten; zum ersteimal vielleicht regte sich in mir eine bitter Heftigkeit, die — ich errbthe, es zu gesteht — der Vermessenen ihres Schöpfers ge rechten Willen bezweifeln ließ; o wie cf habe ich seitdem an den Stufen des Aitart den Barmherzigen um Vergebung gestehet

— Antonio spricht beruhigend: des Da ters Blick wendet sich von den Uebereilur gen der Kinder gern hinweg, wo ist da Herz, dessen Frieden der eiserne; Zepter dt Unglücks nicht zu trüben vermögte, uo

wo der Reine- dem aus den Stunden nlden Wahns kein Vorwurf sproßt ? Arme! hatte nicht den Muth, meiner Nzweiflung Fesseln anzulegen, mit innem Beben gedachte ich der Tage, wo Lam i lr's reine Liebe mich der Seeligkeiten Seltiste erkennen ließ, ging von diesen ju den ftchtbaren Momenten jener vermeinten Auflung hinüber, und heftete nun den scheuenölick

137 -uf das Gemälde von Rofaura's heite­ rem Daseyn; — ihre Freundschaft vergebe mir die bittere Reue, welche sich an die Er­ innerung reihete und die mich zurück zum Ursprung der vereinten Leiden führte. — Da ergriff mich plöhlich ein kalter Schauer, der mich an,deS Oheims Nahe mahnte, zitternd gedachte ich der Möglichkeit, in Taragona's Angesicht erkannt zu werden, und das dunkele'Gefühl der Freiheit lenkte nun meine Schritte zu dem Walde, unfern der Heerstraße; in seinen Schatten hatte so ost das frohe Kind gespielt, hier sprach bei jedem Daum, aus jeder Stelle eine liebliche Ver­ gangenheit die Bedauernswerthe an, und selbst das verhängnißreiche Grabmal der Drüber erinnerte treulich mir die Worte Rofaura's, welche vor langen Zähren, sich und mir, wie jenen, auch im Tode Vereinigung wünschte.

138

LXIX,

Da übermannte mich

der Wehmuth

höchste Feier, liebend sank ich an die wodernden Stufen des Mausoleums

nieder,

gelobte im Enthusiasmus meines Geistes, was

der schwache Wille in mir nicht zu halten vermogte, und genoß dafür eine momentane

Erhebung, die mich im Gefühl der Bewoh­ ner besserer Sterne, seegnend auch des Wohls der Freundin gedenken ließ.

Seraph ine schwieg einige Minuten lang, eö schien, als wünschte sie noch einmal

die Extase jener Augenblicke sich zu vergegen­

wärtigen, dann fuhr sie langsam fort: ich nahe mich der Erklärung des sonderbaren Auf­

tritts, der Euch in der Folge mein Geheim­ niß verrieth.

Der Aufenthalt

in jenem

Walde war mir um der Empfindlingen wil­ len, die er entstehen hieß, unendlich theuer, ich wünschte einige Tage unter seinem Ob-

139 dache zu verleben, und die erwachte Schwan

rnerei der Jugend schuf mir einen Plan, den nur meine Stimmung rechtfertigen konnte.

Als Pedro's Treue mich in dem Gewölbe meiner Ahnen aufsuchte, reichte dcS Redli­

chen Vorsicht mir die männliche Kleidung als Hülfsmittel der verzweiflungsvolleri Lage; betäubt ergriff ich sie, denn noch fehlte mir

die Kraft, dem erwachenden Leben Glauben und Freude abzugewinnen,

Sagt, Fer-

nando! war es picht die Ahnung meiner

Leiden, welche dieAuflebende am Scheide­ wege düsterer zu dem Geschenk des hingeope

fersen Daseyns blichen ließ? meine ersten

Worte galten damals dem Abgotts- meines Herzens, doch vernichtend tönte mir Pe-

dro's Antwort: der Graf habe mit den

Seinigen vor einigen Stunden Taragona

verlassen. Ermattet sank ich lp den geöffne­ ten Sarg zurück, wo- sollte ich nun den Ge­

liebten finden, und welch ein Zweck blieb jetzt noch dem von mir selbst bestimmten Da­ seyn?

Camlllo's Entfernung sicherte mir

sein Verschwinden, und dem lauten Jam-

I4o

ttter galten nun der Erwachenden erste Töne. Des treuen Pedro Ansichten führten Ihn weit von den Meinen hinweg,'dennoch unterwarf sich Seraphinenö beschwören/ -er Schmerz des ernsten Mannes Wünschen; von Ersterem verleitet, besiegte er den Wi­ derwillen, dessen Wirkungen ihn, fremd mit Camillo’6 seltenen Vorzügen, in diesem nur den Feind seines Landes erkennen ließen, und nachgebend gelobte, er mir nun, sein Möglichstes zu versuchen, um mich wohlbe­ halten zum Ziele meiner Wünsche zu gelei­ ten. Rosaura war Colonna gefolgt, doch nicht als Gattin; Pedro -versicherte mir: nur des Gelübdes gewaltige Kraft kette sie an den Grafen, der ahnungslos dem frem­ den Herzen seine Zärtlichkeit anschmiege. Beglückt erhob ich mich nun, die Zukunft lachte mir. von neuem, und des süßen Mo­ ments unseres Wiedersehns gedenkend, tausch­ te ich jetzt-daö schwarze, schleppende Gewand des Grabes, mit dem verbergenden Kleide Eures Geschlechts; den weißen, durchsichtigen Schleier wickelte ich in jenes, und beschloß:



i4i



beide als die glückliche Braut Camilto's wieder anzulegen. Eine wortlose Weihe fes­ selte mich an diese Erinnerungen grausender Vergangenheit, ich trug sie unablässig bei mir, und langte nun, im düsteren Schatten des Monuments und seiner schwarzen Tan­ nen gehüllt, nach den Zeugen kühner Wün­ sche; zum letztenmal sollten mir, in dem Gewand besserer Tage, diese vorüberziehen; wie oft hatte nicht Camillo's Blick an seinem Faltenwurf gehangen, darum wollte ich noch einmal die werthe Zeit mir träu­ men, und so stand ich denn, schnell verwan­ delt, als Seraphine d'Almaviva ausi — Die Sonne war im Sinken, da ich die ^Kleider wechselte, eine lange Gewohnheit hatte mich der Eigenheiten unserer schweben­ den Umgebungen vergessen lassen, unbedacht­ sam irrte ich den Weg, welcher nach der Landstraße Taragona's führte, die Schatten des Abends verdunkelten meinen Pfad, ich aber konnte mit Sicherheit mich der Aus­ sicht des theuern Ortes hingeben, welcher von dem schimmernden Kalkfelsen herab mir sein

142

Amphitheater präsentste, und so bemerkte ich denn nicht das Vermehren meines Schlei­ ers. Noch hatte ich die große Straße nicht erreicht, da, störte mich der leise Hauche wel­ cher Nosaura's geliebten Namen mir ent­ gegen zu säuseln schien; Rosaura! wieder­ holte ich laut, und floh nun, von det inne­ ren Schwäche getrieben, das räthselvolle Dikkigt. Jener Ruf hatte meinen scheinbaren Frieden getrübt, in Meiner Seele wogten Freundschaft, Begeisterung und heimliches Grauen stürmisch durch einander/ ich em, pfänd nicht bei der Aussicht des vom Mon­ de matt beschienenen Felsen, und seiner weiß­ lichen Mauern, was ich früher von dieser Stunde erwartet hatte, trauernd wankte ich zurück, und wollte eben das einsame Lager an dem Fuße einer dichtbelaubten Tanne aufsuchen. Da entdeckte ich den Verlust mei­ nes Schleiers, ungern entsagte'ich ihm, er gehörte ja gleichfalls zu den werthen Zeugen meiner Freuden, und manche Thräne süßer Rührung knüpfte mich an seine Fäden. Langsam suchte ich nun den zurückgelegtett

143 Weg, als plötzlich ein wüthender Sturm von den Ufern

des Meeres

herüber rauschte,

schüchtern weilte ich einige Minuten, da roll­

te auch schon der furchtbare Donner grau,

send über meinem Haupte, ich rang, von der Furchtsamkeit des zagenden Mädchens

verleitet, zitternd die Hände, und krachend schlug, im nämlichen Momente, der stam­

mende Blitz eine majestätische Tanne zu Be­

den.

ZesuS Maria! war der Angstruf mei­

nes Entsetzens,. und keme menschliche Ge,

genwart ahnend, floh ich, des Verwaisten Nicht mehr gedenkend, zu dem lichten Theile

dieser Gegend; noch in der nämlichen Stun­ de

verhüllte mich Ranriro's Kleidung,

unaufhaltsam eilte ich der gewählten Zelle

zu, bekannte Antonio, wer sich seinem Schuhe geweihet und gelobte mir, von kei­

ner Schwärmerei geleitet, wiederum das Un­

glück verkündende Gewand anzulegen.

Es

liegt tief in den Felsen verborgen, und nur

die Hülle der. erlösten Seraphine wird in seinen weichen Falten ruhen.

144

IXX

Zsabelle verlohr sich in Betrachtun$en des wunderbaren Geschicks, welches die ein­ fachen Degegnisse eines excentrischen Kopfs, zu vtelbebfiilenben Erscheinungen werden ließ; ihre frömmelnbe Seele wähnte in die­ sen Vorfällen eine Bestimmung zu ahnen, deren Einfluß das Getrennte wiederum ei­ nen sollte, und bedeutend, wenn gleich nur leise ausgesprochen, unterstützte diesen Glarrr Len der innige Wunsch, ihren theuren Fer­ nando in Rosaura's Liebe glücklich zu wissen. Jsabellens Gefühl kannte nur jene der Erde entrückende, religiöse Schwär­ merei, fremd waren ihr die zarten Schattirungen glühender Liebe, darum erkannte sie nur ein Hinderniß zu dem Bunde, der vier.Herzen beglücken mußte, es war — die Ceremonie der Ehe. Rosaura'6 Jugend, --- so beschwichtigte sie die Einwürfe der best

145

seren Erkenntniß — hat des Grafen hochgepriefene Liebenswürdigkeit getäuscht, des schö­ nen Mannes Auszeichnung ihr geschmeichelt; doch werden alle diese Folien vor dem Feuer»blicke Cortez schwinden, in ihm sehe ich dxr Wahrheit Einfluß, ihre Nähe zertheilet rasch die Dämmerungen des Wahns, und — erröthend wird Rofaüra sich an dir Brust des Spaniers werfen, er allein ist ihrer würdig! — Und Seraph ine? — frug die ver­ jährte Anhänglichkeit der Matrone—je nun!. — antwortete der Egoismus, seine Verthei­ digung übernehmend — diese hat die Lei­ denschaft verblendet; zur Unmöglichkeit wird, es, den freiwillig Blinden sehend zu machen, jene bietet ihr nur den Sinn für die Vollrkommenheiten des Fremden, in ihren Augen ist er das Zdeal des Mannes, und Freude reicht ihr das geblendete Auge, wer wollte dm Schleier lüften, der es umgkebt.

So kam es denn nur darauf an, die bei­ den Entfernten aufzufinben, daß.jene innere Scheu, welche nur dem höchsten Zartgefühl €«Äi,3ty>i, K

— 146

eigen ist, die 'zwei vereinten Paare sicher nun zum anderen mahl trennte, und mehr noch als der Kirche Weihe, jenes sie auf ewig schied, gehörte zu den Einwürfen, die die gute Coretta nicht träumte. Der selbst geschaffene Plan erfüllte sie mit Stolz, und freudig hob sie an, ihn den Gefährten zu entwickeln, doch wie erstaunte sie..nicht, als Seraphine unter Thränen ihr bekannte, sie werde niemals sich entschlie­ ßen können, Camillo aus den Armen ei­ ner würdigern Gattin, als sie sey, zu reißen; die Täuschung, fuhr die Gräfin fort — ge­ bar ihm Glück, sollt' ich das Selbstgeschaf­ fene zerstören? Und Rosaura? frug Isabelle ver­ weisend. Glaubt es nicht! — fiel Cortez ein — der Tochter Wohl zerschell rettungslos an dm Stufen des Altars, wo sie die Weihe empfing, nicht ohne dauerndes Erröthen wür­ de: sie an meinem Herzen der früheren Op­ fer denken, und so pflicht' ich denn Sera­ ph ine. bei; wir sind geschieden für diese

147 Welt, ja! was der Zeiten trüber Flug zer­ trennte, kann selbst des heiligen Vaters See­ gen nicht mehr einen! —

Zsabelle suchte noch lange nach allen Gründen, welche ihre Absicht unterstützen

konnten, aber vergebens, Fernando kannte

zu gut die reizbare Tiefe seiner Empfindun­ gen, seine Liebe zu Rosaura blieb sich gleich, aber die Gemahlin des Grafen Colonng

durfte nicht mehr seine Gattin werden.

Auch Seraphine fühlte— sich un­ bewußt — eine ähnliche Regung; beide ver­ einten sich, Zsabellen die Unauöführbar-

keit ihres Wunsches darzülegen, und ihre

Ueberzeugungen verwerfend, mußte sich diese endlich dem entschiedenen Willen der beiden -Hauptpersonen fügen.

Demungeachtet beschloß Z s a b e l l e, nicht gänzlich ihrem Projekte zu entsagen;

Zeit bringt Früchte! sprach sie zu sich selbst, und nur langsam bauet der Vogel das Ob­

dach seiner Kinder! —

Diesen Lehren treu,

will auch ich behutsam vorwärts schreiten,

eine reifere Ueberlegung wird K s

den beiden

r~ 148 — Schwärmern die Gehaltlosigkeit ihrer De» fürchturigen erläutern, vernünftiger kehren sie alsdann zu dem Gewöhnlichen zurück, und sicher erträgt Fernando nicht lange das Bewußtseyn, Herr der Zukunft sich zu fühlen,

149

LXXL

Isabellens Menscheaftnntnlß trog sie nichts — schwer ist es, die Waage des Geschicks zu halten, und hienieden keimt der feste Sintt wohl selten, welcher um des bes­ sern Glaubens willen, Freude, Ruhe und Entzücken opfert.

Fernando blieb den Einwürfen des

Herzens hingegeben, diesen' aber widersprach nur die ihm eigene Zartheit, deren Aeuße­ rungen bescheiden dle Sprache fliehen, und ihre leise Andeutungen verhallten sehr bald an der übertönenden Stimme drrLeidenschaft. Hätte Cortez irgend eine Stühe sich in dem Enthusiasmus, welchen Pflicht oder Gewissen uns reichen können» zu erwerben gewußt, sein Entschluß würde nicht gewankt, und Isabelle umsonst die Wirkungender Zeit berechnet haben; so aber war es anders. Schon nach einigen Tagen irrte Fern an do.



i5o



von unsäglicher Angst getrieben, umher, Se­ raph inens liebevoller Umgang vermochte nicht ihn zu zerstreuen. Sorgend gedachte er der Möglichkeit, die Ca m i l l o aus seinem Gesichtskreise entfernen könnte; die Gräfin hatte ihm die Villa genannt, wo Colonna Rosaura's Wunde gepsiegt; in jenep Ge­ gend stünden noch immer die Feinde, und leicht war es, im wilden Kreisläufe des Krieges an das entgegengesetzte Ende des Reichs versetzt zu werden, oder — Fernan­ do bebte beim Entstehen dieses Gedanken — konnte nicht auch Bellona, Rosaura's Vorsicht spottend, ihr den Gatten entziehen? Welch ein Loos hatte sie alsdann gezogen! fremd unter Fremdeä blieb ihr nur der Tod als einzige Wahl, und daß sie sich ihm hin­ gab, dafür bürgte Fernandodie Geschichte vergangener Tage, War es daher nicht räthlicher, ihr das geheime Plätzchen auf dem Montserrat zu verrathen, wo die Liebe und das Unglück sich geflüchtet? dorthin winkte auch ihr. im schlimmsten Fall die Hand der Freundschaft; wie aber sollte Cortez ihr



i5i



das Wiederaufleben derselben berichten, und

lag nicht in dieser Erkenntniß der Saamen ungestillter Wünsche, einer Unzufriedenheit,

die, wie seine Brüst, auch die der Geliebten mit jeder Stunde lauter verfolgen würde? Fernando sann jetzt fortgesetzt der Fra­

ge nach, ob er Rosaura aufsuchen, oder

seinem früheren Vorsätze das schwere Opfer bringen sollte; das Herz stimmte für jenes,

der Stolz vertheidigte heftig den letzteren, "da verscheuchte die Erinnerung an Euphro»

fine auf einen Moment jene beiden Strei­

ter, und zu der Gräfin eilend, berichtete er ihr seine Zusammenkunft mit der trauernden

Wärterin ihrer Kindheit, erwähnte des ge­ gebenen Worts, und bekannte, daß er Wil­ lens sey, es schon morgen zu lösen. Seraph ine

gedachte mit Rührung

der Anhänglichkeit EuphrosinenSj o die,

se noch! — rief sie —, und ohne Murren wollte ich meiner Einsamkeit mich fügen; ist.es möglich, Cortez! so bringt sie mir,

die lang entbehrte Freundin unserer Kin­ derjahre, mit ihr will ich der Zeiten geben»

152

ken, wo Rosaura und ich im frohen Ent­ zücken ihrer Mähechen lauschten, ja, saget ihr! es sey der Wunsch Seraphinens, an ihrer treuen Brust noch einmal die Freuden jener Stunden nachzufühlen, und fügt hin­ zu: mit der Phantasie vollem Feuer wolle ich es versuchen, den Reiz des Ledens zu gewinnen. Auch Euch, guter Fernando! sollen aus diesem Dündniß heilsame Pflan­

zen aufsprießen, und im seeiigen Verein wollen wir versuchen, ob es nicht möglich sey, in süßer Abgeschiedenheit des irrdischen Weh's zu vergessen, um dafür jenen trösten­

den Frieden zu-umfassen. Cortez gelobte,dey Auftrags eingedenk zu seyn, versprach eine baldige Rückkehr, und ging alsdann, von den Seegenswünschen

Isabellens begleitet, dahin. Ein unsicherer Mißmuth beherrschte den Wanderer, die mächtige Stimme sei­ nes Innern zog ihn hinweg, dahin, wo die Geliebte athmete, während der Mann er-

röthend jene tadelte. Langsam richtete er nun den Schritt

153 gegen Taragona; unbekannt, wie er dort war, konnte ihm des Grafen-d'Almaviva Nähe keine Untersuchung seines Erscheinen­ befürchten lassen, daher gedachte er nur der Worte, mit denen der Freundin Sera pH inens Nähe zu entschleiern wäre. Allmählkg in Träumereien versinkend, welche ihn die' Gegenwart mit dem Augenblicke verglei­ chen ließen, wo er zuerst die Gräfin als le­ bend erkannte, gelangte Fernando an den Fuß der Felsen, und sah bald darauf, aus seinen Phantasieen erwachend, die alte Tara­ gona ihm traulich entgegen schimmern. Die Freude Euphtosinenö legte sich jetzt schmeichelnd an sein Herz, sie war es, welche den finstern Blick erhellte, den Schrit­ ten Flügel lieh, und den edlen Cortez mit

theilnehmender Empfindung an dem Ent­ zücken Euphrosinenü weilen ließ. Es ist dem Guten eigen, bei dem Glücke

des Anderen, des eigenen auferlegtenSchmer, zes zu vergessen,, mit sanfter Rührung sieht er in die Seeligkeit des Bruders, und keine Härte verschließt die würdevolle Brust.

154

LXXIL

Fernandos Entfernung. schuf eine Lücke in den Mittheilungen des kleinen Zir­ kels; obgleich seine Gesellschaft nicht zu den Unterhaltenden gehörte, hatte dennoch seine Gegenwart den Uebrigen Leben ertheilet, so­ gar Seraphine gestand sich, Cortez fin­ stere Ansichten zögen unwillkührlich an, in ihnen lag der immer sich erneuernde Stoff zu Gesprächen, die Herz und Geist zugleich Beschäftigung gewährten. Der ehrwürdige Antonio lieh sich gern dem feurigen Fer­ nando, und beide stritten ost mit reger Wärme über den Stand des Menschen und seine Verhältnisse; des letzteren immer wa­ cher Schmerz machte ihn bitter, ungerecht; dem. Einsiedler war ein Beruf in den An­ strengungen, mit welchen er ihm die Ruhe zu erkämpfen suchte, deren Besitz ihm die schwere Bürde großer Verluste ertragen ließ.

155



Cortez wagte es nicht, eine Ueberzeu­ gung, die so laut für ihre Reinheit sprach, zu widerlegen; er war zu gerecht, um. nicht die bestandenen Prüfungen Antonio's als Grenze menschlicher Leiden anzuerkennen; so gestand er denn, in ihnen würde ihm zwar der Beweis, daß seine.Trauer ungerecht sey, doch fühle er in sich noch nicht den Muth, mit je­ ner überirrdischen Fassung auf den Schmerz seiner Tage herabzublicken. Seraphine lauschte alsdann den Er­ örterungen Antonios mit gespannter Auf­ merksamkeit, auch in ihre Seele goß sich der Balsam seiner Worte aus; Cortez Ein­ wendungen, waren. mehr oder weniger der eigenen Brust entnommen, in ihnen beseitigte der Eremit auch jene, und mit halberrungenem Frieden blickte die Gräfin auf Zsa­ belle, deren leuchtende Augen an den Be­ wegungen des heiligen Vaters hingen. . Die kleine Gesellschaft auf dem Mont­ serrat hatte sich seit der Entdeckung Sera­ ph inens unter einem Dache versammelt^ Antonios Zelle enthielt einige, in den



i§6



Felsen gewölbte Nischen: die ec gütig zu Aufnahme dec Freunde bereitete. Die Gräfin theilte das früher schon erhaltene Lager mit

Isabelle, und Pedro bot das Seine Corr tez an; zso umschlang das feste Band de» Vertrauens in süßer Eintracht die kleine Zelle und ihre Bewohner, hätte nicht unglückliche

Liehe ihr Dornenbett hier aufgeschlagen und so den Frieden der Leidenden gestört, Fer-, nando, wie die Gräfin, würden auf,die freie Existenz, welche ihnen hier die Abge­ schiedenheit darbot, mit Zufriedenheit geblickt haben: • In den schaurigen Tagen, wo nur da» verworrene Geschrei einer hülflosen Menge um uns her schallt, wo die gellenden Trom­ peten des Krieges zur einzigen Veränderung jener Dissonanzen werden, und wo selbst die Nacht dem Ermüdeten nur Thränen statt der Ruhe beut, in solchen Tagen muß uns Antoniv's abgeschiedene Zelle rin beglükkendes Plätzchen scheinen, beglückender «och

uns an die geheiligten Lippen dieses From­ men fesseln, aus denen wie, im Asyle der

157 Unschuld, dir blutgetränkten, dunklen Wege einer gehrimnißvollen Vorsehung, nicht ohne

Schmerz, doch auch nicht ohne Hoffnung be­ trachten lernen. Mit diesen Ansichten versuchte Pedro

seine theure Gebieterin zu trösten, dann aber frug Srraphine mit Thränen der Weh­ muth : soll ich Glücklichere Trost in dem erhöhetenLeidenAnderer schöpfen? oder glaubst

Du, ich sey unbekannt mit einem Elende, welchem ich als Theilnchmerin beigewohnt?

nein, Pedro! ich bin nicht so undankbar, als Du wähnst, ich fühle es, daß meine For­

derung auf Glück sich schwächt, während kei­

nem meines Volks die holde Göttin lächelt, doch meinem heißeren Blute wirst Du eine Aufwallung der Trauer verzeihen, die wahr­

lich nur auf Augenblicke dem Murren ähn­

lich sieht. Pedro schwieg nach solchen Erklärun­

gen allemal für lange Zeit, und es bedurf­ te des wiederkehrenden, finsteren Tiefsinnes der Gräfin, um seine Moral in neue Er­

güsse zu bringen.

158

LXXIIL Die Flüchlinge hatten Valencia erreicht, der Graf Rosaura zur Theilnehmerin sekr ner keimenden Hoffnung gemacht, und sie durch Schilderungen schon jetzt der geliebten Mutter genähert, jene, von der eigenen Em­ pfindung geleitet, des zu erwartenden Ersatzes mit Interesse gedacht, und beide nun, im glücklichen Verein, Schlösser in die lustige Zukunft gebauet. Rosaura gelang es besser, als sie ge­ hofft, die Stelle auszufällen, von der sie nun nichts mehr befreien konnte; es war, als habe der Abschied von Lodovico ihr auch den letzten Vorwand, mit welchem sie früher so gern das widersprechende Gefühl beschwichtigte, entrissen; seit jenem Abende erkannte sie sich fremd im Daterlande, und obgleich noch nicht des deutschen Mannes Gattin, schien es ihr doch, als gehöre auch sie dem Auslande an.

159 Gefährlich ist die kalte, täuschende Fas­ sung, mit der man sich dem Unglücke hinr giebt, sie leitet unvermerkt zum Abgrunde, vor dessen gähnendem Schlunde der Er­ wachende plötzlich zurückbebt. Die arme Rosaura wähnte mit un­ erschütterlicher Resignation ihrem Geschicke entgegen zu wandeln, sie versuchte sogar den ruhigen, häuslichen Ton der Gattin an­ zustimmen; Colonna sah entzückt auf sie herab, seinem zarten Sinne blieb ihre Ab­ sicht unverhüllt, und die Liebe verhieß ihm' in jener Aeußerung die keimende Vergel­ tung seiner Entsagungen. Rosaura glückte die angenommene Rolle, sie gefiel sich in diesem Tribut, wel­ chen ihr excentrischer Geist den Manen Seraphinens brachte; — so spielt das Kind mir der Scheere, die es aus den Händen der Mutter empfing, diese lieh jene der allzu­ kühnen Tochter, welche die Arbeiten ihres Standes versuchen wollte, und das rieselnde Blut folgte der Verwundung einer schwachen unsichern Hand.

i6o



Camillo sah in der vermeinten Seraphine Annäherungen die in Taragona's Mauern ihm gelobte goldene Zeit; seine Brust hob das Bewußtseyn, sich jcht ohne Reue geliebt zu wissen, und nur dem titln Charakter des Grafen, seiner liebenswürdi­ gen Bescheidenheit verdankte es Rosaura, daß keine übereilte Wallung sie aus dem künstlich erbauten Tempel ihrer Täuschungen zur gemeinen Wirklichkeit herabzog. — Dochnahe war diese, und die Ankunft in Valencia zerriß mit gewaltiger Hand die Nebel, welchen Rosaura dle Umhüllung ihre»

Herzens anverteauet hatte.



i6i



LXXIV.

Lodovico bi Gamba versah seine Freunde bei dem Abschiede mit Empfehlungs­ schreiben an einige der ersten Häuser 23c# lencia'S; zu diesen gehörte der Bischof der Stadt, ihm hatte vorzüglich der würdige Deschüher Colon na's das Wohlseiner Flücht­ linge ans Herz gelegt, aus seinen Händen wünschte der Graf die Weihe zu empfangen, deren bindende Kraft der Geliebten so werth­ voll schien, gern unterzog er sich den unge­ wohnten Gebräuchen, sie waren eS ja, von denen Seraphlne Trost und Frieden zu, gleich erwartete. Don Lodovico hatte dem Bischof den Wunsch mitgetheilt, die Gräfin mit Colon­ na, durch ihn, verbunden zu sehen, doch bauete er bei diesem Gesuch auf Rosaura's augenscheinliche Besorgniß einer zu bal­ digen Verbindung, und wähnte, es werde Letal, rr Thl. L

i6a



ihm durch sie die Zeit bleiben, Fernando

die befremdenden Vorgänge.mittheilen zu

kennen, und seinem Entschlüsse alsdann die

Folgen dieses Schrittes zu überlassen. Vielleicht hätte auch sich Don Gamb a

jenem Anliegen ganz entzogen, hätten nicht des Grafen eifrige Erinnerungen es ihm zur Pflicht gemacht; überdem glaubte er, dieser werde auf Schwierigkeiten stoßen, welche des­

sen Verbindung, ohne sein geltendes Vor­ wort, fast unmöglich machen würden, indem

der Bischof, ein eifriger Patriot, nicht auf

Les Grafen Wort allein den Seegen ihm ertheilen werde, welcher ein unentbehrliches Bedingniß seines Glücks wurde.

Don Gamba's Briefe schilderten Co­ lonna als den Abkömmling eines Freundes,

dessen Vaterland Italiens blühende Gefilde waren, er ist — schloß er — dem Unseren

nahe verwandt, zwar zwang ihn das Verhängniß gegenwärtiger Tage,

wider uns

seinen Arm zu bewaffnen, dennoch hat er,

treu dem Ruf des Herzens, Spaniens herolscheDrwohner geschützt, wo er nur konnte;

163

eine solche Handlung ließ ihn in Taragona die Gräfin d'Almaviva sehen, er ward der Retter ihrer Ehre,' und erhielt zugleich das Leben ihres Oheims, dessen Freund Ihr seyd. Darum lege ich nun in Eure gehei­ ligte Hand meiner Pfleglinge Wohl, sie wird ihnen die Bahn zum gegenseitigen Heile eröffnen, und Euer Rath, ehrwürdiger Dater! sie hinüber in das Eiland sorgenlo­ serer Ruhesseiten; dort wird die Gräfin mit Sehnsucht der Tage harren, wo ein unge­ trübter Horizont ihr den Rückweg in die geliebte Heimath mit Blumen bestreut. Der Bischof empfing, von diesen Zeilen gewonnen, die siebenden mit väterlicher Theilnahme, der Graf benutzte sie, und ehe Rosaura nur die Möglichkeit geahnet, trat er schon am zweiten Tage ihrer An­ kunft in der Geliebten Kabinet; sein leuch­ tendes Auge verkündete ihr etwas Uner­ wartetes, und Colonna's Worte hauchten schnell die Farbe der Lilie auf ihre Wan­ gen. Rosaura fühlte die Knie beben, doch ihre Angst bemeisternd, sprach sie mitLächelnr L2

~T

I64

pergicb des schüchternen Mädchens Erblei­ chen, es sind die letzten Schauer, welche dem neuen Stande vorhergehen, und freier wird mein Herz in dem engen Gebäude schlagen, das uns, Schuh gewährend,.hin zur künfti­ gen Heimath führt. Zch war im Hafen, — engegnete Ca­ millo, ihre Bewegung nicht achtend — doch kein Schiff ist dort, dem wir unfern Frieden anvertrauen könnten; warum auch .das meine Theure? gewährt das schöne, üp­ pige Valencia Dir keine Lost? und hast Du entsagend - nur auf den kalten Norden da­ flammende Auge gerichtet? Es ziehet mich hin — fiel Rosaura enthusiastisch ,tin — wie mit der Geister un­ sichtbaren Banden; glaube mir, Camillo! die innere Stimme dieses Herzens kann nicht täuschen, dort allein grünet uns der Lebens­

baum! darum, 0 mein Geliebter, laß uns eilen! — Sie verbarg bei den letzten Syl­ ben das glühende Gesicht auf des Grafen Schulter, der sie beruhigend versicherte, man sähe in wenigen Tdgen der Ankunft engli-

165 — scher Schiffe entgegen, von denen mehrere sehr bald zurückkehren würden; eines der­ selben sollte sie alsdann aufnehmen, und so Rosaura'S schwärmerischem. Zdeengange entsprechen. Armer Camillv! du ahnest nicht, welch ein Feind dein Glück besiegen muß; nicht das Vaterland warf die Scheidewand ausi welche dich von ihm trennt, ein« furchtbare Leidenschaft tritt, Unglück weissagend, zwi­ schen dich und Rosaura.

i66

LXXV.

Der nächste Morgen sollte die Catalohierin jum letztenmal« als Nosaura Coretta begrüßen; eine in dumpfer Betäu­ bung durchwachte Nacht lieh ihr jene Abspannung, welche dem Schlachtopfer die wenigen dem Leben noch gewriheten Stun, den ertragen lehrt. Eine solche Empfindung war es, die Rosaura mit kalter Apathie den Myrthenkranz in die natürlich hellbrau­ nen Locken schlingen half. Da« weiße, schleppende Gewand, auf dem verhüllend — nicht verbergend — rin blendend durchsichtiger Schleier herabfiel, gab Rosaura einen Reiz, welchen Ca­ millo noch nie bemerkt; — so entwirft sich die glühende Phantasie des Zünglings das Bild der hehren Sonnenjungfrau; in himmlischer Schönheit stand sie vor dem entzückten Colonna; sie hatte standhaft

--

i6j



sich dem eitlen Schmuck entzogen, und nur ein Paternoster von glänzenden Rubinen, das Andenken vonSeraphinens Freund­ schaft, wiegte sich auf der hohen Brust, es hob bescheiden die Alabasterhaut und schien die Zierde nur von ihr zu leihen» DeS Grafen Blick musterte im süßen

Rausch dieft Fülle von Schönheiten, welche die nächste Stunde sein eigen nannte. Se« raphine! — rief er beklommen — wie selig machst Du mich! wär es möglich, daß die Natur'je etwas schuf, welches Dir, gött­ liche« Wesen! ähnlich ist? Heiße Thränen waren No sau ra's viel­ bedeutende Antwort; sie gedachte im Gefolge dieser Rede ihrer verklärten Freundin, und drückte aus Liebe zu Seraphinen, Ca­ millo mit innigem Mitleid an das edle Her,. Ein tiefes Schweigen senkte sich nun auf Beide herab, der Grafschwelgte in dem nahen Glücke, Rosaura's Sinne wogten

entfesselt in der bewegten Brust, Vergan­ genheit und Zukunft dreheten sich im neb-

168

lichten Kreise, die Gegenwart verscheuchte d'rohcnd beide, und der unglücklichen No»

saura sogar die Illusion entziehend, schall­ ten jcht, wie ferne Donnerschläge, die dum­ pfen Glocken hoch vom Thurm herab.

Sie rufen uns! sprach Colonna er­

wachend. So komm, ich bin bereit, erwiederte die Braut, und rief im Herzen alle Heili­

genbilder ihres Glaubens um Schuh in der

Ungleichheit Kampfe an. Nahe war der Moment, welcher sie auf immer von der Liebe, von dem Glücke

schied, nur eine lange Reihe ununterbroche­ ner Opfer schimmerte blutcoth durch die Finsterniß, welche sie umgab.

Verzweifelnd schlug Rosaura bei dem Eintritt in die schwach erleuchtete Kapelle, deren Kerzen das Licht des Tages bleichten,

die Sternenaugen zu der Decke auf; Seraphine! sprach sie tief im Innern, sieh herab, o senke einen Funken des Lichtmecrs,

welches dich umgiebt, in die Nacht meiner Seele! ja, ich bedarf deines Schirmes und

bin seiner werth; er nahet, der entscheidende Raum meinerTage, keine Gewalt vermag den Laut der nächsten Minute ungeschehen zu machen, stärke, o erhebe die Sinkende.. Umsonst! der heiße Wunlch verhallte an den Gränzen des Lebens, Seraph ine konnte ihn nicht vernehmen, doch Rosaura's Schutzgeist warf sich flehend vor den Thron des Ewigen, und die Gewährung rettete an der Schwelle des Verderbens die leidende Rosaura.

— i;o —

LXXVL

Colonna hatte die geliebte Braut zu

Len Stufen des Altars geführt, der Bischof wartete ihrer dort, und eine salbungsvolle

Rede rrhöhete des Grafen Andacht, versetzte

Nosaura auf die Schwingen einer phan­ tastischen Schwärmerei.

Aus dem Meere

der Vistoncn stieg ihr Engel in Fernan­ do's Zügen auf,

trauernd lehnte er, im

Schatten einer Kerze, Rosaura gegenüber,

sein bleiche« Antlitz schien zu fragen: hast

du Meiner so ganz vergessen? —

Da hob

des Redners, Stimme sich, er forderte das Wort des Bundes.

Schon wollte Camil­

lo die Lippen öffnen, seine Hand kam dem Unterpfande.der Treue entgegen, als Rofaura die von Thränen blitzenden Augen

auf das Traumbild ihrer innern Phantasie richtete; starres Entsetzen verzog krampfhaft

die wunderschönen Züge, der erlöschende Blick



r?r



wandte sich noch einmal zu dem Pfeiler: da stand er/ gleich den bestandlosen Gebilden der Geisterwelt, trüb sah Fernando an Rosaura hinab, und — der schwimmende Nebel, welcher jetzt ihre Besinnung umzog, ließ auch die Erscheinung verrinnen. Cortez! rief die Bebende, und sank bewußtlos an den Stufen des Altars nie­ der. Unglücklicher Camillo! wer schildert deinen Schreck! Rosaura verrieth keine Spur des Lebens, bleich lag sie, den Mar­ morbildern gleich, und schien das Meister­ werk zu seyn, mit welchem des Künstlers Hand den Sarkophag eines zu früh ent­ schlafenen Engels ziert. Befremdet hatte der Bischof die aufgehobene Hand sinken las­ sen; was ist der Gräfin? frug er. Müßt ich es! entgegnete Colonna ahnend; denn jener Ausruf erinnerte ihn an so manches Gespräch der Geliebten, in dem sie mit ungewöhnlicher Wärme Fernan­ dos gedacht: dennoch war sein Herz von den Eindrücken der Gegenwart zu sehr be-

172

fangen, um sich den Erläuterungen des Kop­ fes hinzugeben. Nofaura's Ohnmacht war keine der leicht vorübergehenden, daher mußte Colon­ na schnell in das Innere des PallasteS ei­ len, um dort irt der Frau des Kastellans die benöthlgte Hülfe zu suchen. Vergebens hatte der heilige Vater das gcweihcte Wasser verschwendet, die Ohn­ mächtige schien dem Leben entsagt zu haben, und mit steigender Besorgniß übergab er sie nun den weiblichen Händen. Im finstern Schweigen verlohnn saß der Graf an Nosaura'S Lager; fein trü­ ber Blick bewachte ängstlich die wiederkeh­ renden Spuren des Lebens;.— malt hob" sich des Mädchens Brust, die Lippen färbte rin blasses Roth, und die feidnen Wimpern zuckten. Ieht frohlockte Camillo, doch, ach! die Wirklichkeit spottete seiner Hoffnungen; Rosaura "war dem Leben wiedergegeben, aber kein Zeichen ihres Geistes verrieth das Erwachen desselben; unstät irrten ihre Blicke

173 an den Gegenständen ihres Zimmers umher,

Colonna'ü Gestalt reichte ihr keine Erin­ nerung der Vergangenheit, er war ihr fremd, wie jedes frühere Verhältniß, nur verwor­

rene Ideen durchzuckten zuweilen die Nacht

ihrer Seele, und in solchen Momenten nannte sie sich laut: Rosaura Coretta, bedauer­

te das zürnende Geschick einer Freundin, der sie keinen Namen gab, und beschwor

Fernando, jene zu retten.

Mit einem. Gefühle, das wenige Men­ schen erprobt, saß der Graf an ihrem Bette;

die Phantasiern der Geliebten waren zu dun­ kel, um aus ihnen den Schlüssel eines so unerwarteten Zufalls aufzufinden; die Liebe kämpfte wider Colonna's Hellen Verstand und — siegte, wie gewöhnlich die Leiden­ schaften des Menschen; er vergaß, was ihn

beunruhigen mußte, und widmete sich dafür nur der Sorge für Rofaura's Leben.

Dieses brachte nun ein Anfall des hef­

tigsten Fiebers in Gefahr, der Graf sandte

eilig zum berühmtesten Arzte der Stadt und gelobte ihm mehr, als die Gegenwart ihm

174. darbot. Alle Vorkehrungen setzte man nun in Bewegung; das schöne Leben Nosaura's mußte gerettet werden, und die Wan, delbarkeit unserer Hoffnungen, die Gebre« chen des Menschen betrauernd, sah Camil­ lo das Blut der Geliebten in purpurnen Streifen ihren Arm hinunter rollen. Noch vor wenigen Stunden wähnte er den selig­ sten Tag seines Lebens zu feiern, und jetzt, o Gott! jetzt weilte er verzweifelnd vielleicht an ihrem Sterbelager. Der Argwohn wich der beängstigten Liebe; Camillo fing emsig in der silbernen Schaale das Blut auf, welches des Arztes RathRosaura entzog, seine erregte Schwär­ merei sah in ihm das Mittel, im schlimm­ sten Fall den Tod mit ihr zu theilen; soll ich Seraphinen entsagen, so sey es nur auf Augenblicke, schnell und sicher wird die gleiche Krankheit uns vereinen, und das säße Gift mir die theuere Erbschaft der Gelieb­ ten seyn.

175

Lxxvn. Fernando hatte Taragona erreicht, SeraphineNS Erzählungen ihn die Ge­ genstände, welche hier bei jedem Schritte eine Erinnerung besserer Zeiten gewährten, lieben lehren, und gleich einem alten Be­ kannten trat er in den Pallast der Alma, riva's. Doch wie rrschrack er nicht, da überall die furchtbarste Zerstörung ihm ent« gegenkam; dahin war die Stille, welche sonst des Alters Nähe schmeichelt, und wilder noch als an jenem Tage des Entsetzens, wo ihm zuerst das Loos seiner Zukunft aus Rofaura's Munde verkündet ward, sprach ihm das Znnere des Pallastes an. Besorgt frug er einen vorübereilenden Diener, welch ein Ereigniß hier gleich dem Sturme Hause. Das Furchtbarste m Allem, — erwie, derte Jener — der Tod.



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Wie? — rief Fernando — der

Graf Wird schwer den Abend noch erleben!

— war die Antwort; und hin eilte der Ge-

schäftige. Nach mehreren Versuchen gelang es

endlich dem Ungeduldigen,

Euphrosine

hinunter zu bescheiden; sie wartete sorgsam des Krausen, und nur Cortez Name ver, mochte sie auf einige Momente, derPsiicht-

erfüllung sich zu entziehen.

Die gute Euphrosine hatte das Ende

ihrer Plagen wirklich erworben; seit Fernando sie verlassen, leuchteten ihrer Lauf­

bahn nur kärgliche Sonnenblicke; das Ent­ zücken, welches; am Morgender Begeben­

heiten in der Gruft, sie über die Grenzen

der Vernunft hinwrzgeführt, wich späterhin, allen Foltern der Ungewißheit, diese aber erhihete des Grafen gespannte Erwartung; so wenig er auch im Anfänge ihre Worte zu beachten schien, gruben ihre Verheißungen

dennoch «ine Hoffnung in die Brust des

feuriges Mannrs, deren späteres Schrvim



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den Ihn auf die schmerzvollen Dornen der Dcsorgniß bettete. Schwer büßte d'Almaviva einen Schritt, welchen nur blinder Eifer und das furchtbare Rachegefühl seiner Nation ihm aufgelegt; Seraphinenü Schatten ver« folgte ihn drohender als je, und die Folge einer Lebensweise, in deren fortgesetztem Kam, pfe sich alle Kräfte der Seele, wie deü Kör­ pers aufrieben, war — eine Krankheit, deren Symptome sie als unheilbar bezeichneten. Hatte des Oheims Gewissen schon bei Setaphinens Tode gebebt, so ward es jetzt die" siegende Empfindung in der Brust des Grafen;, die nahe Aussicht der Rechen, schäft erfüllte ihn mit Grausen, vergebens

flößten des PatersAlvarez Reden ihm ein schnell verrauschendes Zutrauen ein, die Macht des Wahns zerrann auch hier an der Grenze des Ledens, ja, ein dunkeles Gefühl ließ den Leidenden sogar ahnen, daß die ewige Barm» Herzigkeit dennoch vielleicht anders richten werde, als ihre Stellvertreter hieniedelü Sind wir nicht alle Eines Schöpfer» Kin» »