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German Pages 294 Year 2013
Schriften zum Strafrecht Band 249
Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“ als strafbare Untreue gemäß § 266 StGB
Von
Eirini Tsagkaraki
Duncker & Humblot · Berlin
EIRINI TSAGKARAKI
Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“ als strafbare Untreue gemäß § 266 StGB
Schriften zum Strafrecht Band 249
Die Bildung der sog. „schwarzen Kassen“ als strafbare Untreue gemäß § 266 StGB
Von
Eirini Tsagkaraki
Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2012 als Dissertation angenommen.
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Für meinen Großvater
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der LudwigMaximilians-Universität München im März 2012 als Dissertation angenommen. Literatur und Rechtsprechung sind bis Ende Februar 2012 berücksichtigt. An dieser Stelle möchte ich mich bei meinem Doktorvater Prof. Dr. jur. Dr. jur. h. c. Klaus Volk für seine hilfreichen Diskussionen und Anregungen und die gleichzeitige große Freiheit, die er mir bei der Wahl des Themas und der Entstehung der Arbeit gewährte, bedanken. Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Prof. em. Dr. jur. Dr. jur. h. c. mult. Bernd Schünemann für die Erstellung des Zweitgutachtens. Diese Arbeit wäre nicht ohne stetige moralische und finanzielle Unterstützung meiner Eltern, Giannis Tsagkarakis und Katia Tsagkaraki, zustande gekommen. Herzlicher Dank richtet sich ebenfalls an meine Schwester, Marianna Tsagkaraki. Mein Dank richtet sich auch an Antonis Papaioannou für seine liebevolle Unterstützung, sein Verständnis und seine Geduld. Ebenso danke ich meinen geliebten Freunden aus Griechenland Persi Mavraki, Vagelis Petropoulos und Vasiliki Tsouri, die zum Gelingen dieser Arbeit in jeder Hinsicht beigetragen haben. Herzlich bedanken möchte ich mich schließlich bei meinem Großvater, Manolis Saridakis. Ihm ist diese Arbeit gewidmet. Athen, im April 2013
Eirini Tsagkaraki
Inhaltsverzeichnis Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 I. Der Begriff „schwarze Kassen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Definition der schwarzen Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2. Unterscheidung zwischen der Bildung und Verwendung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Die Erscheinungsformen der schwarzen Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 1. Schwarze Kassen im engeren Sinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. Schwarze Konten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 3. Treuhand(ander)konten als Unterfall der schwarzen Konten . . . . . . . 30 III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen, parteipolitischen und privatwirtschaftlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Die Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung . . . . 31 a) Die Bildung schwarzer Kassen als Fallgruppe der sog. „Haushalts- oder Amtsuntreue“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2. Die Bildung schwarzer Kassen im parteipolitischen Bereich . . . . . . 37 a) Die Bildung schwarzer Kassen als Erscheinungsform der sog. „Parteienuntreue“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 b) Die Bildung schwarzer Kassen in den politischen Parteien in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 aa) Der sog. „Fall Kohl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 bb) Der sog. „Fall Kanther“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Die Bildung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft . . . . . . . . . . . 43 a) Die schwarzen Kassen in privaten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . 43 b) Die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 aa) Die ersten Urteile betreffend die schwarzen Kassen in privaten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 bb) Der sog. „Fall Siemens / ENEL“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 cc) Der sog. „Kölner Müllskandal“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 IV. Die Motive zur Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Motive zur Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Motive zur Bildung schwarzer Kassen in den politischen Parteien . 50 3. Motive zur Bildung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft . . . . . 51
10 Inhaltsverzeichnis a) Einrichtung der schwarzen Kassen zu zukünftigen „nützlichen Aufwendungen“ (sog. „Schmiergeldzahlungen“, „Kick-Back“Zahlungen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 b) Einrichtung der schwarzen Kassen zu verdeckten Parteispenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 c) Weitere Motive zur Einrichtung schwarzer Kassen in privaten Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 V. Ergebnisse der kriminologischen Untersuchung der schwarzen Kassen . 55 B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB . . . . . . . . 57 I. Der Untreuetatbestand – Geschütztes Rechtsgut und Deliktscharakter . 57 II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung i. S. d. § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 1. Die Tatbestandsalternativen der Untreue gem. § 266 StGB . . . . . . . 62 2. Die Missbrauchsuntreue gem. § 266 I 1. Alt. StGB . . . . . . . . . . . . . 63 a) Die Befugnis i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Befugnis über fremdes Vermögen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 cc) Entstehungsgründe der Befugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Die Missbrauchshandlung i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB . . . . . . . . 66 3. Die Treubruchsuntreue gem. § 266 I 2. Alt. StGB . . . . . . . . . . . . . . 68 a) Das Treueverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Die Treubruchshandlung i. S. d. § 266 I 2. Alt. StGB . . . . . . . . . 70 4. Die Einordnung schwarzer Kassen in die Tatbestandsvarianten der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Die Entstehungsgründe der Befugnis bzw. Vermögens betreuungspflicht bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . 70 b) Die Bildung einer schwarzen Kasse als Missbrauchs- oder Treubruchshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 III. Die Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Die Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht des § 266 StGB . 75 2. Die vermögensbetreuungspflichtigen Personen bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB durch die Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 a) Die asymmetrische Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts . . . . . 82 b) Der Zusammenhang von interner Machtstellung (Vermögens betreuungspflicht) und konkreter Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . 84 c) Das Erfordernis der gravierenden Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . 85 d) Die Tatbestandsverwirklichung durch Tun oder Unterlassen . . . . 86 e) Das (mutmaßliche) Einverständnis des Vermögensinhabers . . . . . 88
Inhaltsverzeichnis11 2. Das pflichtwidrige Verhalten bei der Bildung schwarzer Kassen gem. § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 a) Die durch die Bildung schwarzer Kassen verletzten Pflichten bzw. Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften im öffentlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Der Verstoß gegen das PartG, die Parteisatzung und / oder die Spendenabrede im parteipolitischen Bereich . . . . . . . . . . 93 cc) Der Verstoß gegen zivilrechtliche Pflichten bzw. Vorschriften im privatwirtschaftlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Verstoß gegen rechtsgeschäftliche Vereinbarungen . . . . . 95 (2) Verstoß gegen unternehmensinterne ComplianceRegelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 (3) Verstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften (§§ 238 ff. HGB bzw. §§ 140 ff. AO) . . . . . 97 (4) Verstoß gegen das Handeln eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 b) Bildung schwarzer Kassen – eine Untreuehandlung durch Tun oder Unterlassen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Der sog. „Fall Kanther“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Der sog. „Fall Siemens / ENEL“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Ausschluss der Pflichtverletzung durch die Bildung schwarzer Kassen beim (mutmaßlichen) Einverständnis des Vermögensinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Die sog. „Schattenkassen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 bb) Das Einverständnis des Vermögensinhabers mit der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 cc) Das mutmaßliche Einverständnis des Vermögensträgers mit der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 dd) Das hypothetische Einverständnis des Vermögensträgers mit der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Vermögensbegriff, Vermögensnachteil und Gefährdungsschaden . . . 112 a) Der Vermögensbegriff i. S. d. §§ 263, 266 StGB . . . . . . . . . . . . . 112 aa) Juristischer Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff bzw. juristischökonomische Vermittlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 dd) Personaler Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 ee) Dynamischer Vermögensbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121
12 Inhaltsverzeichnis ff) Vermögensbestandteile bzw. Vermögenspositionen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (1) Unumstrittene Vermögensbestandteile bzw. -positionen. 122 (2) Zweifelhafte Vermögensbestandteile bzw. -positionen . . 123 (3) Die Bedeutung des Vermögensbegriffs für den Gefähr dungsschaden und die Bildung schwarzer Kassen . . . . . 125 gg) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 hh) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Der Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB bzw. der Vermögens nachteil i. S. d. § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Vermögensschaden und Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . 133 bb) Die Ermittlung des Vermögensschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (1) Die objektive Schadensbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (2) Das subjektive Korrektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 (a) Der individuelle Schadenseinschlag . . . . . . . . . . . . . 138 (b) Die Zweckverfehlungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 c) Die Vermögensgefährdung bzw. der Gefährdungsschaden i. S. d. §§ 263, 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Der Gefährdungsschaden als Vermögensnachteil i. S. d. §§ 263, 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (1) Der Gefährdungsschaden bei §§ 263, 266 StGB. . . . . . . 142 (2) Der Gefährdungsschaden gem. § 266 StGB im Hinblick auf die Besonderheiten der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . 145 (a) Die Unbestimmtheit des objektiven Tatbestandes . . 145 (b) Das Fehlen einer Bereicherungsabsicht . . . . . . . . . . 146 (c) Die Straflosigkeit des Untreueversuchs . . . . . . . . . . 147 bb) Die konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 (1) Das Erfordernis der „Konkretheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 (2) Die jüngste Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 10.03.2009) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 (3) Die neueste Kontroverse zwischen den BGH-Senaten zum Gefährdungsschaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (a) Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 18.10.2006. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (b) Die weiteren Entscheidungen des 2. Senats . . . . . . . 161 (c) Die Fortsetzung der subjektiven Lösung durch den 5. Senat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (d) Die Gegenansicht des 1. Senats . . . . . . . . . . . . . . . . 162 (e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 cc) Der Gefährdungsschaden in der Literatur – Die Einschränkungsansätze im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . 165
Inhaltsverzeichnis13 (1) Der Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch die Annahme des Gefährdungsschadens als Vermögensnachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (a) Die Ansicht von Naucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 (b) Die Ansicht von Otto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 (2) Täterorientierte Einschränkungsansätze: die (fehlende) Beherrschbarkeit des Täters – Die Ansicht von Seelmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (3) Opferorientierte Einschränkungsansätze: die (fehlende) Beherrschbarkeit des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (a) Die Ansicht von Lackner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 (b) Die Ansicht von Schroeder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 (c) Die Ansicht von Lenckner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (4) Zivilrechtsorientierte Einschränkungsansätze . . . . . . . . . 175 (a) Die Ansicht von Cramer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Die Ansicht von Hefendehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (5) Die Unmittelbarkeit als Einschränkungskriterium – Die Ansicht von Riemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 (6) Untreuespezifische Einschränkungsansätze des Gefährdungsschadens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (a) Das Prinzip der Unmittelbarkeit bei § 266 StGB . . 181 (aa) Die Ansicht von Matt und Saliger . . . . . . . . . . 181 (bb) Die Ansicht von Dierlamm . . . . . . . . . . . . . . . . 182 (cc) Die Kritik an der Unmittelbarkeit als Eingrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 (b) Die objektive Zurechnung bei § 266 StGB . . . . . . . 184 (c) Die Ansicht von Werner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 dd) Bedürfnis nach einer eigenständigen Einschränkungslösung bei der Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 ee) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Der Eintritt des Vermögensnachteils in Form des Gefährdungsschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse gem. § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Die Übertragbarkeit der betrugs- und untreuespezifisch entwickelten Einschränkungsansätze auf die Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Die frühere Rechtsprechung zur Bildung schwarzer Kassen . . . . 197 aa) Die Annahme einer Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen – Die verwendungszweck(un)abhängige Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Die verwendungszweckunabhängige Linie der Recht sprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 (a) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts. . . . . . . . . . 199 (b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes . . . . . 201
14 Inhaltsverzeichnis (2) Die verwendungszweckabhängige Linie der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (3) Die Rechtsprechung im „Fall Kohl“ . . . . . . . . . . . . . . . . 204 bb) Kritische Würdigung der verwendungszweckunabhängigen Linie der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Die Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers . . . . . 206 (2) Die unordentliche Buchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 (3) „Die Gelder fehlten dort, wo sie hätten sein sollen“ . . . 208 c) Der Meinungsstand in der Lehre – Die im Hinblick auf die schwarzen Kassen entwickelten Einschränkungsansätze . . . . . . . 209 aa) Die Ablehnung des Gefährdungsschadens durch die Bildung schwarzer Kassen – Die Ansicht von Neye und Riemann . . . 209 bb) Die verwendungszweckunabhängige Linie der Rechtsprechung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Die verwendungszweckabhängige Linie der Rechtsprechung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 (1) Die Ansicht von Saliger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 (2) Andere Anhänger der verwendungszweckabhängigen Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 dd) Die Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 220 (1) Die Ansicht von Hefendehl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 (2) Die Ansicht von Schünemann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 ee) Die Verlustgefahr – Die Ansicht von Weimann . . . . . . . . . . . 222 ff) Strelczyks Versuchs- und Rücktrittslösung . . . . . . . . . . . . . . . 223 gg) Die objektive Zurechnung – Die Ansicht von Mansdörfer . . 225 hh) Die Zugriffsmöglichkeit des Vermögensinhabers – Die Ansicht von Perron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 d) Die neuere Rechtsprechung im „Fall Kanther“ . . . . . . . . . . . . . . 226 aa) Der Beschluss des LG Wiesbaden vom 25.03.2002 . . . . . . . . 227 bb) Der Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 12.01.2004 . . . 228 cc) Das Urteil des LG Wiesbaden vom 18.04.2005 . . . . . . . . . . . 228 dd) Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 18.10.2006 . . . . . . . 229 (1) Die Annahmen des 2. Senats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Die Kritik der Literatur an den Annahmen des 2. Senats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 3. Der Eintritt des Vermögensnachteils in Form des endgültigen Vermögensschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse nach § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 a) Die Rechtsprechung im „Fall Siemens / ENEL“ . . . . . . . . . . . . . . 231 aa) Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 29.08.2008 . . . . . . . 231 bb) Die Kritik der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 cc) Der Beschluss des BVerfG vom 23.06.2010 . . . . . . . . . . . . . 237
Inhaltsverzeichnis15 b) Die Rechtsprechung im „Kölner-Müllskandal“ – Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 27.08.2010 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 4. Eigener Lösungsvorschlag – Rückgabefähigkeits- und Rückgabe willigkeitsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Der Vermögensnachteil bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . 240 aa) Die Ablehnung des effektiven Vermögensschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 bb) Die Annahme des Gefährdungsschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Bedürfnis nach einer Einschränkungslösung bei der Bildung schwarzer Kassen im Hinblick auf den Gefährdungsschaden. 241 b) Die Einschränkung des Gefährdungsschadens bei der Bildung einer schwarzen Kasse unter Zugrundelegung der Rückgabefähigkeit und -willigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 aa) Die Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit beim Untreuetatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 bb) Die Rückgabefähigkeit und -willigkeit bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (1) Die Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit bei der Bildung schwarzer Kassen in der Literatur und Rechtsprechung . 243 (2) Die Rückgabefähigkeit und -willigkeit bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (a) Die Rückgabefähigkeit des Treupflichtigen bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 (b) Die Rückgabewilligkeit des Treupflichtigen bei der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (aa) Der Verwendungszweck des Treupflichtigen als Rückgabewilligkeit bei der Bildung schwarzer Kassen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (bb) Die Notwendigkeit der Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen . 248 (cc) Die Einwände gegen die Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen . 249 (α) Die Berücksichtigung des Verwendungszwecks führt zu einer starken Subjektivierung des Vermögensnachteils. . . . . . . . . . . 249 (β) Die zweckmäßige Verwendungsabsicht des Treupflichtigen kann den Eintritt des Vermögensnachteils nicht stets ausschließen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (γ) Die Nachweisschwierigkeiten bei der Berücksichtigung des Verwendungszwecks. 250 (3) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 cc) Die Abgrenzung des Rückgabefähigkeits- und Rückgabe willigkeitsmodells von anderen Einschränkungsansätzen . . . 251
16 Inhaltsverzeichnis (1) Die Abgrenzung von Hefendehls Einschränkungsansatz . 252 (2) Die Abgrenzung von Schünemanns Einschränkungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (3) Die Abgrenzung von Saligers Einschränkungsansatz . . . 253 dd) Die Vereinbarkeit des Rückgabefähigkeits- und Rückgabe willigkeitsmodells mit den Untreuebesonderheiten und der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 (1) Die Untreue als ein (reines) Vermögensdelikt . . . . . . . . 253 (2) Die Untreue als ein Erfolgsdelikt – Das Erfordernis „betreuungsexternaler“ Einschränkungskriterien . . . . . . . 254 (3) Die Untreue als ein Verletzungsdelikt . . . . . . . . . . . . . . . 255 (4) Die Untreue als ein Fremdschädigungsdelikt – Das Erfordernis einer „täterorientierten“ Einschränkungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 (5) Die Unbestimmtheit des objektiven Untreuetatbestandes . 257 (6) Das Fehlen einer Bereicherungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . 257 (7) Die Straflosigkeit der versuchten Untreue . . . . . . . . . . . 258 (8) Die Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 (9) Die Allgemeingültigkeit des Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 ee) Die Auswirkung des Rückgabefähigkeits- und Rückgabe willigkeitsmodells auf typische Fälle der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 VI. Der subjektive Untreuetatbestand bei der Bildung schwarzer Kassen . 261 1. Der subjektive Tatbestand bei § 266 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 2. Die subjektive Tatseite der Bildung schwarzer Kassen . . . . . . . . . . . 263 3. Einführung eines direkten Schädigungsvorsatzes durch eine Gesetzesänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Zusammenfassung und Ausblick der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291
Abkürzungsverzeichnis a. A.
anderer Ansicht
a. a. O.
am angegebenen Ort
Abs. Absatz a. E.
am Ende
a. F.
alte Fassung
AG Aktiengesellschaft ähnl. ähnlich AktG Aktiengesetz Alt. Alternative a. M.
anderer Meinung
Anm. Anmerkung AO Abgabenordnung Art. Artikel AT
Allgemeiner Teil des Strafrechts
Aufl. Auflage ausf. ausführlich BayObLG
Bayerisches Oberstes Landesgericht
Bd. Band Beschl. Beschluss Bespr. Besprechung BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt
Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Strafsachen
BHO Bundeshaushaltsordnung BMV
Bundesministerium für Verteidigung
BND Bundesnachrichtendienst BT
Besonderer Teil des Strafrechts
BT-Drucks
Drucksache des Bundestags
BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
18 Abkürzungsverzeichnis bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CDU
Christlich Demokratische Union Deutschlands
ders. derselbe d. h.
das heißt
dies. dieselbe Diss. Dissertation DM
Deutsche Mark
DR
Deutsches Recht
EWiR
Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht
f., ff.
folgende
Fn. Fußnote FS Festschrift GA
Goltdammer’s Archiv für Strafrecht
gem. gemäß GG Grundgesetz GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbHG
Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung
GmbHR GmbH-Rundschau GS Gedächtnisschrift Habil. Habilitationsschrift HGB Handelsgesetzbuch HGrG Haushaltsgrundsätzegesetz h. L.
herrschende Lehre
h. M.
herrschende Meinung
HRR
Höchstrichterliche Rechtsprechung
HRRS
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht
Hrsg.
Herausgeber, herausgegeben
HWSt
Handbuch für Wirtschaftsstrafrecht
i. Erg.
im Ergebnis
i. e. S.
im engeren Sinne
i. H. v.
in Höhe von
insbes. insbesondere InsO Insolvenzordnung i. S. d.
im Sinne des / der
i. S. v.
im Sinne von / vom
Abkürzungsverzeichnis19 i. V. m.
in Verbindung mit
i. w. S.
im weiteren Sinne
JA
Juristische Arbeitsblätter
JR
Juristische Rundschau
Jura
Juristische Ausbildung
JuS
Juristische Schulung
JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KJ
Kritische Justiz
krit. kritisch KWG Kreditwesengesetz LG Landgericht Lit. Literatur LK
Leipziger Kommentar
m. a. W.
mit anderen Worten
MDR
Monatsschrift für Deutsches Recht
m. E.
meines Erachtens
Mio. Millionen MüKo
Münchener Kommentar
m. w. H.
mit weiteren Hinweisen
m. w. N.
mit weiteren Nachweisen
n. F.
neue Fassung
NJW
Neue Juristische Wochenschrift
Nr. Nummer NStZ
Neue Zeitschrift für Strafrecht
NStZ-RR
NStZ-Rechtsprechungs-Report Strafrecht
OLG Oberlandesgericht PartG Parteiengesetz RG Reichsgericht RGSt
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S.
Satz / Seite
s. siehe sog. sogenannte(r) SSW
Satzger / Schmitt / Widmaier Kommentar zum StGB
20 Abkürzungsverzeichnis StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung str. streitig StraFo
Strafverteidiger Forum
StV Strafverteidiger s. u.
siehe unten
u. a.
unter anderem
Urt. Urteil usw.
und so weiter
u. U.
unter Umständen
v.
von / vom
v. a.
vor allem
vgl. vergleiche wistra
Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht
WM Wertpapier-Mitteilungen WSt Wirtschaftsstrafrecht ZakDR
Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht
z. B.
zum Beispiel
Ziff. Ziffer ZIP
Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht
ZIS
Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik
ZJS
Zeitschrift für das Juristische Studium
ZRP
Zeitschrift für Rechtspolitik
ZStW
Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft
zust. zustimmend
Problemstellung und Gang der Untersuchung In den letzten Jahren steht die Untreue im Mittelpunkt des Vermögensstrafrechts. Affären wie das „Mannesmann-Verfahren“, der „Bremer Vulkan“, die Parteispendenaffäre (die Fälle „Kohl“ und „Kanther“), der „Kölner Müllskandal“ und der „Siemens / ENEL-Fall“ haben die Aufmerksamkeit der Medien auf sich gezogen. Wegen seiner Weite wirft der Untreuetatbestand komplexe Fragen auf, die Literatur und Rechtsprechung klarstellen müssen. Seit Jahrzehnten versuchen die Theoretiker und die Strafgerichte in erster Linie hohe Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht zu stellen, um den objektiven Untreuetatbestand (vor allem den Treubruchstatbestand) restriktiv auszulegen und die Vereinbarkeit des § 266 StGB mit Art. 103 II GG sicherzustellen. Keine Einigkeit besteht außerdem in Literatur und Rechtsprechung darüber, wann eine Gefahr für das fremde Vermögen durch das pflichtwidrige Verhalten des Treunehmers als Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB einzustufen ist. Eine typische Fallgruppe des Gefährdungsschadens im Sinne des Untreuetatbestandes bildet die Einrichtung und Unterhaltung schwarzer Kassen. Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die Untreuestrafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen. Weder die spätere Verwendung der schwarzen Kassen noch die Auslösung von staatlichen finanziellen Sanktionen gegen den Vermögensträger (d. h. gegen politische Parteien nach dem Parteiengesetz oder gegen private Unternehmen nach § 30 OWiG) infolge der Bildung schwarzer Kassen sind Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Die Untreuestrafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen wird seit Anfang des letzten Jahrhunderts diskutiert. Die Strafgerichte haben sich seit jeher mit schwarzen Kassen in der öffentlichen Verwaltung befasst. Anfang des 21. Jahrhunderts hat die Strafjustiz die Bildung schwarzer Kassen auch im parteipolitischen Bereich festgestellt. In jüngster Zeit gewinnt aber wegen der Siemens-Schmiergeldaffäre die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich zunehmend an Bedeutung. Im Mittelpunkt der langjährigen Diskussion zur Strafbarkeit der schwarzen Kassen steht die Frage, ob ihre bloße Bildung und Unterhaltung einen Gefährdungsschaden im Sinne des Untreuetatbestandes darstellt. Diese Frage hat wegen der Siemens-Affäre in neuester Zeit höchste Aktualität erlangt.
22
Problemstellung und Gang der Untersuchung
Der Zweite Senat des BGH führte in seiner Entscheidung vom 29.08.2008 im Fall Siemens aus, dass bei der bloßen Einrichtung einer schwarzen Kasse bereits ein echter Vermögensschaden eingetreten sei. Der überwiegende Teil der Lehre erhebt – vor allem im Hinblick auf das durch § 266 StGB geschützte Rechtsgut – Bedenken gegen die Feststellungen des Zweiten Senats. Trotz der Kritik der Lehre fasste der BGH in einem neuen Urteil vom 27.08.2010 die Bedeutung seines Urteils im Fall Siemens erneut zusammen. Der erste Teil der Untersuchung widmet sich den schwarzen Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht. Sein Ziel besteht darin, das Phänomen der schwarzen Kassen zu beschreiben, bevor ihre Untreuestrafbarkeit untersucht wird. Zunächst werden die schwarzen Kassen definiert und anschließend wird ihre Bildung in der öffentlichen Verwaltung, in den politischen Parteien sowie in der Privatwirtschaft behandelt. Im zweiten Teil der Arbeit wird die Untreuestrafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen eingehend untersucht. Im ersten Kapitel wird die Deliktsnatur der Untreue klargestellt. Anschließend wird die Bildung einer schwarzen Kasse in den Missbrauchs- oder den Treubruchstatbestand eingeordnet. Im dritten Kapitel wird der Kreis der vermögensbetreuungspflichtigen Personen bestimmt, die eine schwarze Kasse einrichten können. Einen Schwerpunkt der Problematik bildet im vierten Kapitel die Festlegung der Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB. Hier wird eine Vielzahl von Fragen erörtert, beispielsweise welche Vorschriften bzw. Pflichten durch die Einrichtung einer schwarzen Kasse verletzt werden. Das Schwergewicht der Untersuchung wird aber im fünften Kapitel auf die Bestimmung des Vermögensnachteils durch die Einrichtung einer schwarzen Kasse gelegt. Nach einer Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand bezüglich des Gefährdungsschadens bei den Vermögensdelikten werden die vorhandene Rechtsprechung sowie die Literaturmeinungen zu den schwarzen Kassen eingehend analysiert und kritisch behandelt. Anschließend wird ein eigenständiges im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen entwickeltes Einschränkungsmodell vorgestellt, das die Ergebnisse der Auseinandersetzung mit dem Gefährdungsschaden bei der Untreue im Allgemeinen und bei der Bildung schwarzer Kassen im Besonderen berücksichtigt.
A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht Bei der Untersuchung der Untreuestrafbarkeit der Bildung „schwarzer Kassen“ (auch: „Sonderkassen“, „Sonderfonds“1) ist es zweckmäßig, dieses Phänomen in erster Linie in rechtstatsächlicher Hinsicht zu beschreiben. Man fragt sich zuerst, was mit dem Begriff „schwarze Kasse“ gemeint ist. Die Erscheinungsformen der schwarzen Kassen, die Bereiche, in denen sie existieren, sowie die Motive, aus denen man sich zu ihrer Bildung entschließt, sind auch von grundlegender Bedeutung.
I. Der Begriff „schwarze Kassen“ Die Begriffsbestimmung der schwarzen Kassen soll der erste Schritt bei der Untersuchung der vorliegenden Problematik sein. Im Anschluss daran ist zwischen den Phasen der schwarzen Kassen zu unterscheiden, die von strafrechtlicher (untreuespezifischer) Relevanz sind, nämlich ihre Bildung und Verwendung. 1. Definition der schwarzen Kassen Die Untreuestrafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen wurde seit jeher viel diskutiert, aber es war nicht ausdrücklich geklärt, was man unter dem Begriff „schwarze Kasse“ zu verstehen hatte2. Die früheren höchstrichterlichen Entscheidungen des Reichsgerichts und anschließend des Bundesgerichtshofs verwendeten den Begriff „schwarze Kasse“, ohne zu klären, was darunter gefasst wurde3. 1 BGH, GA 1956, 121, 122; LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1510; Bernsmann, GA 2007, 219, 231; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 699; Bruns, ZakDR 1941, 268, 269; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 212; Fischer, § 266 StGB Rn. 75; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 91; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1176; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 713; Sax, JZ 1977, 743, 749; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 191; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 154. 2 Vgl. Weimann, Schwarze Kassen, S. 2. 3 RG, HRR 1936 Nr. 1601; RGSt 75, 227; BGH, GA 1956, 154; BGH, NStZ 1984, 549; BGH, wistra 1992, 266; hierzu auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 2 ff.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 713, Fn. 2.
24
A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Da schwarze Kassen zumeist in der öffentlichen Verwaltung festgestellt wurden, untersuchte ein Teil der Lehre lediglich die Zuführung von staatlichen Geldern an schwarze Kassen und schränkte deren Definition auf den öffentlich-rechtlichen Bereich ein4. So nahm Bruns an, dass eine schwarze Kasse vorliege, wenn staatliche Mittel unter Nichtachtung der zur ordnungsgemäßen Überwachung der Ein- und Ausgaben im Staatshaushalt gegebenen Vorschriften an eine Sonderkasse zugeführt werden und der Täter nicht eigensüchtig handelt, sondern die so „hinterzogenen“ Gelder zugunsten des Staates ausgibt5. Kohlmann und Brauns behandelten die Bildung schwarzer Kassen als eine Fallgruppe der Fehlleitung öffentlicher Mittel, bei der staatliche Mittel ihrer etatmäßigen Bestimmung für immer entzogen werden6. Nach Volk erfasst der Begriff „schwarze Kassen“ sämtliche Fälle, in denen Mittel außerhalb des Haushaltes oder doch so bewirtschaftet werden, dass ein haushaltsrechtlich unzulässiger Freiraum entsteht7. Nach Hübner und Schünemann werde eine schwarze Kasse aus öffentlichen Ausgaben außerhalb des Haushaltsplans eingerichtet und anschließend nach eigenem Befinden des Täters verwendet8. Wiesner sprach von schwarzen „Fonds“, die außerhalb des Haushaltsplans geführt werden und der haushalts- und rechnungsmäßigen Kontrolle entzogen sind9. Die herrschende in der Literatur vertretene Ansicht definiert die schwarzen Kassen heutzutage ohne Bezug darauf, ob sie im öffentlichen, partei politischen oder privatwirtschaftlichen Bereich gebildet werden, und spricht von einer schwarzen Kasse, wenn vom Täter zu verwaltende Geldmittel unter Verletzung von bestimmten Vorschriften bzw. Pflichten einer Sonderkasse bzw. einem Sonderkonto zugeführt und vor dem Vermögensinhaber bzw. Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle verborgen gehalten werden, um in Zukunft im materiellen (tatsächlichen oder vermeintlichen) Interesse des Vermögensinhabers verwendet zu werden10. Diese Definition umfasst 4 Bruns, in: ZakDR 1941, 268, 268; Hübner, in: LK, 10. Aufl., § 266 StGB Rn. 98; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 34; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; Volk, Gutachten, S. 379; Wiesner, Finanzwirtschaft, S. 76. 5 Bruns, in: ZakDR 1941, 268, 268. 6 Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 34. 7 Volk, Gutachten, S. 379. 8 Hübner, in: LK, 10. Aufl., § 266 StGB Rn. 98; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148. 9 Wiesner, Finanzwirtschaft, S. 76. 10 Bernsmann, GA 2007, 219, 231; ders., GA 2009, 296, 300; Coenen, Haushaltsrecht, S. 50 f.; Faust, Parteispenden, S. 76; Hohn, in: FS-Rissing-van Saan, S. 261; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 713; Saliger, Parteiengesetz, S. 397; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 76; ders., NStZ 2007, 545, 547; Satzger, NStZ 2009, 297, 298; Schünemann, StraFo 2010, 1, 4 f.; Schwaben, NStZ 2002, 636, 636 f.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 12 f.
I. Der Begriff „schwarze Kassen“25
drei Begriffsmerkmale: die Verletzung von bestimmten Pflichten bzw. Vorschriften des Täters, das Verbergen der Existenz der schwarzen Kasse und der (un)eigennützige Verwendungszweck des Täters11. Die Verletzung von bestimmten Vorschriften bzw. von dem Täter obliegenden Pflichten ist das erste Begriffsmerkmal der schwarzen Kassen. Für das Vorliegen einer schwarzen Kasse reicht aber die bloße Pflichtverletzung nicht aus. Die Sonderkasse bzw. das Sonderkonto muss weiterhin vor der Öffentlichkeit, d. h. vor irgendeiner dritten Person (Vermögensinhaber bzw. Geschäftsherr, zuständige Stelle, Finanzbehörde oder Gläubiger eines Unternehmens) verheimlicht bzw. verborgen werden12. Entscheidend für das Vorliegen einer schwarzen Kasse ist daher zweitens das Verbergen der zu verwaltenden Geldmittel. Ein anderer Teil des Schrifttums geht aber von einer zu engen Definition der schwarzen Kassen aus und beschränkt das Vorliegen einer schwarzen Kasse auf Kassen, die dem Vermögensträger pflichtwidrig entzogen werden13. Das letzte kennzeichnende Merkmal der schwarzen Kasse ist nach dieser h. M. die uneigennützige Verwendungsabsicht des Täters. Ein Teil des Schrifttums geht aber von einem weiteren Begriff der schwarzen Kassen aus und verzichtet auf den Verwendungszweck des Täters als drittes Begriffsmerkmal14. Es muss zunächst erklärt werden, dass ein Treunehmer eine schwarze Kasse aus drei Gründen bzw. zu drei Zwecken bildet. Er kann die schwarze Kasse uneigennützig bilden, um den Kasseninhalt zu einem späteren Zeitpunkt im Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden, oder eigennützig, um den Kasseninhalt später für sich selbst zu verwenden. Er kann die schwarze Kasse aber auch zu uneigennützigen, jedoch haushalts-, parteioder unternehmensfremden Zwecken bilden. Fraglich ist, ob eine Definition für schwarze Kassen sämtliche beschriebene Fälle miteinbeziehen muss. Unzweifelhaft liegt eine schwarze Kasse vor, wenn der Täter sie mit dem Zweck bildet, sie letzten Endes im materiellen Interesse des Vermögensträgers zu verwenden. Es handelt sich um einen typischen Fall der Bildung schwarzer Kassen, wenn der Täter die verdeckten Geldmittel unkontrolliert Weimann, Schwarze Kassen, S. 10 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 397. Schwarze Kassen, S. 11; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 2, 6, 14; Coenen, Haushaltsrecht, S. 51; vgl. auch Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 76. Ausf. zur Bildung teilstransparenter schwarzen Kassen (d. h. mit Kenntnis des Vermögensinhabers, aber ohne Wissen dritter Personen eingerichtete schwarze Kassen) s. u. B. IV. 2. c) aa). 13 Fischer, § 266 StGB Rn. 130 (vgl. dazu Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 15, Fn. 48; Schünemann, StraFo 2010, 1, 5, Fn. 33). 14 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 14 f. 11 Vgl.
12 Weimann,
26
A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
und nach eigenem Gutdünken, aber im materiellen Interesse des Vermögensinhabers verwenden will. Genau darin liegt die Besonderheit des Phänomens der Bildung schwarzer Kassen: Anders als der „normale“ Untreuetäter15, der von dem Motiv getragen wird, direkte finanzielle Vorteile für sich selbst zu erlangen, handelt der Untreuetäter im Fall der Bildung schwarzer Kassen zumeist uneigennützig16. Prüfenswert ist weiterhin, ob von dem Begriff der schwarzen Kassen auch die Fälle erfasst werden, in denen der Täter die schwarze Kasse aus eigennützigen Motiven bildet. Strelczyk17 befürwortet hier das Vorliegen einer schwarzen Kasse. Nach seiner Ansicht spielt das (un)eigennützige Motiv des Täters bei der Begriffsbestimmung der schwarzen Kasse keine Rolle. Soweit eine Kasse auch aus eigennützigen Motiven geheim eingerichtet werden kann, ist Strelczyks Ansicht zuzustimmen. Es ist außerdem möglich, dass eine schwarze Kasse gebildet wird, um teils eigennützig und teils im Interesse des Vermögensinhabers verwendet zu werden. Auf diesen Fall ist diese Kasse als allgemein „schwarz“ und nicht als „teilweise schwarz“ zu betrachten. Aus diesen Feststellungen folgt, dass der Begriff der schwarzen Kassen auch Fälle eigennützigen Handelns des Täters miteinbeziehen muss. Fraglich ist schließlich, ob der Begriff „schwarze Kassen“ auch diese Fälle umfasst, in denen der Treunehmer eine schwarze Kasse bildet, um später die dort vorhandenen Geldmittel zwar nicht eigennützig, jedoch zweckwidrig zu verwenden, z. B. wenn der Täter dem Vermögensinhaber Gelder entzieht und eine schwarze Kasse bildet, aus welcher er später die verheimlichten Geldmittel für die Armen gibt. Diese Fälle sind nach der hier vertretenen Ansicht auch als schwarze Kassen zu betrachten18. Auf der anderen Seite darf bei der Begriffsbestimmung der schwarzen Kassen nicht übersehen werden, dass der Täter in den meisten Fällen uneigennützig handelt. Der Verwendungszweck des Täters darf daher einerseits für die Begriffsbestimmung nicht entscheidend sein, in dem Sinne, dass auch Fälle eigennütziger sowie uneigennütziger, aber auch haushalts-, par15 Weimann, Schwarze Kassen, S. 1, 12; auch Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 715; ähnl. Saliger, Parteiengesetz, S. 397 („Die Bildung ‚schwarzer‘ Kassen firmiert daher nicht zufällig im Untreuestrafrecht als ‚klassische‘ Fallgruppe“). 16 Weimann versteht die uneigennützige Verwendungsabsicht des Täters als beabsichtige Verwendung in Beziehung zur beruflichen oder sonst aufgabenbezogenen Tätigkeit des Untreuetäters (Weimann, Schwarze Kassen, S. 12 f.); zust. Coenen, Haushaltsrecht, S. 50 f.; Satzger, NStZ 2009, 297, 298. 17 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 14 f.; zust. Werner, Gefährdungsschaden, S. 44. 18 So wird der sog. „Bürgermeister-Fall“ (BGH, GA 1956, 121) in Literatur und Rechtsprechung als Fall der Bildung schwarzer Kassen betrachtet.
I. Der Begriff „schwarze Kassen“27
tei- oder unternehmensfremder Verwendungsabsicht miteinbezogen werden. Andererseits muss bei der Begriffsbestimmung der schwarzen Kassen auch betont werden, dass schwarze Kassen meist zur uneigennützigen Verwendung gebildet werden. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass eine schwarze Kasse vorliegt, wenn der Treunehmer zu betreuende Geldmittel unter Verletzung von bestimmten Vorschriften bzw. ihm obliegenden Pflichten einer Sonderkasse bzw. einem Sonderkonto zuführt und deren Existenz vor dem Vermögensinhaber bzw. von der zuständigen Stelle geheimhält, um sie im Regelfall (aber nicht immer), im materiellen Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden. 2. Unterscheidung zwischen der Bildung und Verwendung schwarzer Kassen Zwei Phasen der schwarzen Kassen sind von strafrechtlichem Interesse: ihre Bildung und ihre Verwendung19. Die Lehre unterscheidet seit Jahrzehnten zwischen der Bildung und Verwendung einer schwarzen Kasse20. Diese sind aber eng miteinander verbunden. Eine schwarze Kasse wird in den meisten Fällen zum Zwecke der zukünftigen Verwendung im materiellen Interesse des Vermögensinhabers eingerichtet. Anschließend wird sie normalerweise eigenmächtig und nach eigenem Gutdünken des Täters verwendet21. Hier wird die Frage erörtert, ob bereits bei der Bildung einer schwarzen Kasse eine Untreuestrafbarkeit gem. § 266 StGB in Betracht kommt. Literatur und Rechtsprechung nehmen seit jeher überwiegend an, dass bereits die bloße Bildung einer schwarzen Kasse zur Untreuestrafbarkeit führen kann22. Umstritten ist aber, ob die Bildung einer schwarzen Kasse stets zu einer Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB führt oder ob die Vermögensgefährdung eingeschränkt zu bejahen ist. 19 Die Problematik der Untreuestrafbarkeit der Verwendung schwarzer Kassen wird hier nicht näher konkretisiert. Die vorliegende Arbeit widmet sich ausschließlich der Bildung schwarzer Kassen als strafbare Untreue. Ausf. zur Verwendung einer schwarzer Kasse s. Weimann, Schwarze Kassen, S. 98 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 446 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 73 ff., 187 f. 20 Bruns, ZakDR 1941, 268, 268; Tiedemann, Fälle und Entscheidungen, S. 183 ff.; Neye, Untreue, S. 74; ders., NStZ 1981, 369, 372; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 729 f.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158; Weimann, Schwarze Kassen, S. 97 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 1; Werner, Gefährdungsschaden, S. 44 f. 21 Die beabsichtige Mittelverwendung unterscheidet sich daher von der realen Mittelverwendung (hierzu vgl. B. V. 2. c) cc), B. V. 4. b) bb) (2) (b) (aa). 22 Das Schwergewicht der Problematik liegt auf dem Eintritt eines Vermögensnachteils durch die bloße Einrichtung der schwarzen Kasse (ausf. hierzu s. B. V.).
28
A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Wenn durch die bloße Einrichtung der schwarzen Kasse eine Vermögensgefährdung bejaht wird, wird die wirtschaftlich vorteilhafte Verwendung des Kasseninhalts in der Rechtsprechung lediglich als eine Schadenswiedergutmachung betrachtet23. Es wird aber von Teilen der Lehre behauptet, dass bei wirtschaftlich vorteilhafter Verwendung einer schwarzen Kasse (die in der Privatwirtschaft im Regelfall durch die Zahlung von Schmiergeldern erfolgt) die Untreuestrafbarkeit ausscheidet24. Die Rechtsprechung führt weiter aus, dass die spätere vermögensmindernde Verwendung der in der verdeckten Kasse befindlichen Geldmittel keine neue Untreuehandlung, sondern eine bloße Schadensvertiefung der bereits durch die Bildung der schwarzen Kasse vollendeten Untreue ist25.
II. Die Erscheinungsformen der schwarzen Kassen Die schwarzen Kassen treten in verschiedenen Formen auf. Der Begriff „schwarze Kassen“ wird als Oberbegriff verwendet und umfasst sowohl die eigentlichen schwarzen Kassen als auch schwarze Konten26. Zutreffend erklärt Weimann, dass eine Beschränkung der schwarzen Kasse auf die aus Bargeld bestehenden Kassen eine zu enge Betrachtungsweise im Zeitalter des bargeldlosen Zahlungsverkehrs wäre27. 1. Schwarze Kassen im engeren Sinn Eine schwarze Kasse wird am einfachsten mit Bargeld gebildet28. Praktisch bedeutet dies, dass der Täter kleinere Beträge an einem geheimen Ort außerhalb des gewöhnlichen Geldkreislaufs verwahrt (z. B. in einer Zigar23 RGSt 71, 155, 158; RG, HRR 1938 Nr. 1515; BGH, GA 1956, 154; BGH, NStZ 1986, 455, 456; BGHSt 51, 100, 116; BGH, NJW 2009, 89, 92; BGH, StV 2011, 20, 25, Rn. 45; auch in der Literatur Bruns, ZakDR 1941, 268, 269; Bieneck, wistra 1998, 249, 249; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 95. 24 Zur Bildung schwarzer Kassen zur Bereitstellung von Schmiergeldzahlungen s. Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 72 ff.; Kempf, in: FS-Hamm, S. 256 ff.; Rönnau, in: FS-Kohlmann, S. 239 ff.; ders., ZStW 119 (2007), 887, 920 ff.; ders., in: FS-Tiedemann, S. 714 f.; Lüderssen, in: FS-Müller-Dietz, S. 469 ff. Zur Untreuestrafbarkeit der Verwendung schwarzer Kassen s. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 98 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 446 ff. 25 So die Rechtsprechung im Siemens / ENEL-Fall (BGH, NJW 2009, 89, 92). 26 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 2; Weimann, Schwarze Kassen, S. 15 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 397 f.; Faust, Parteispenden, S. 74; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 211. 27 Weimann, Schwarze Kassen, S. 11 f. 28 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 211.
II. Die Erscheinungsformen der schwarzen Kassen29
renkiste) und anschließend mit diesem Gesamtbetrag besondere Ausgaben finanziert29. Um die Bildung einer Bargeldkasse vom Oberbegriff der schwarzen Kassen abzugrenzen, wird neuerdings von Strelczyk die Bezeichnung „schwarze Kassen im engeren Sinn“ vorgeschlagen30. 2. Schwarze Konten In den meisten Fällen werden die schwarzen Kassen mit Buchgeld aufgebaut31. Üblicherweise handelt es sich um Auslandskonten32. Steueroasen, wie z. B. Liechtenstein, werden aufgrund der weniger strengen Aufsicht und Kontrolle des Staates gewählt, um dort Gesellschaften zu gründen und unter ihren Namen schwarze Kassen zu bilden33. Dieser Fall tritt namentlich bei der Bildung schwarzer Kassen innerhalb privater Unternehmen ein, um durch diese Scheingesellschaften Schmiergelder auf andere Konten überwiesen zu können, ohne Verdacht zu erregen. Zu unterscheiden ist, ob der Vermögensträger selbst oder ein Dritter Kontoinhaber ist34. Im ersten Fall hat der Vermögensträger keine Kenntnis, dass das schwarze Konto unter seinem Namen eröffnet wurde. Das Opfer (bzw. der Vermögensträger) ist zumeist eine juristische Person, z. B. eine AG oder GmbH, und der Täter kann über das schwarze Bankkonto unkontrolliert und nach eigenem Gutdünken verfügen. Im zweiten Fall ist eine dritte Person Kontoinhaber, so dass die Verheimlichung der Existenz des schwarzen Kontos vom Vermögensträger besser abgesichert werden kann35. Kontoinhaber kann auch eine eigens zu diesem Zweck gegründete Körperschaft, zumeist eine Briefkastenfirma oder eine Stiftung, sein. In dieser Hinsicht dienen die Kanther und Siemens / ENEL-Fälle sowie der Kölner Müllskandal als Grundmuster der schwarzen Kassen. Im sog. „Fall Kanther“36 wurde die schwarze Kasse von einem schweizerischen Treu29 RG,
DR 1943, 1039; BGH, GA 1956, 121. Schwarze Kassen, S. 2. 31 BGH, wistra 1992, 266; BGHSt 40, 287; BGH, wistra 2000, 136; OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2004, 244; BGHSt 51, 100; BGH, NJW 2009, 89; BGH, StV 2011, 20. 32 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 3; Bernsmann, GA 2007, 219, 232; auch Colombo, in: Korruption, S. 149, 153 f. So etwa BGH, wistra 1992, 266; BGHSt 51, 100; BGH, NJW 2009, 89, 92; BGH, StV 2011, 20. 33 Vgl. Bernsmann, GA 2007, 219, 232; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 700; Satzger, NStZ 2009, 297, 298; Weimann, Schwarze Kassen, S. 25. 34 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 3. 35 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 3. 36 BGHSt 51, 100, 104. 30 Strelczyk,
30
A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
handanderkonto auf das Konto einer eigens zu diesem Zweck gegründeten Stiftung in Liechtenstein (sog. „Zaunkönig“) transferiert. Im sog. „Fall Siemens / ENEL“37 bestand zur Bereitstellung von Schmiergeldzahlungen ein liechtensteinisches Kontengeflecht bei diversen liechtensteinischen Banken, die auf die Namen verschiedener anderer Briefkastenfirmen und liechtensteinischer Stiftungen lauteten. Außerdem verfügte die Siemens AG über eine zweite schwarze Kasse in der Schweiz, die ein Girokonto, ein Festgeldkonto und ein Wertpapierdepot umfasste; die Gelder aus dieser schwarzen Kasse wurden anschließend auf ein liechtensteinisches Konto unter dem Namen der Stiftung „Gastelun“ überwiesen. Ein letzter Fall aus dem Komplex des sog. „Kölner Müllskandals“38 bezog sich auf die Eröffnung eines verdeckten Bankkontos in der Schweiz unter dem Namen einer Briefkastenfirma zur Finanzierung sog. „nützlicher Aufwendungen“. 3. Treuhand(ander)konten als Unterfall der schwarzen Konten Ein Unterfall der schwarzen Konten bilden die Treuhandkonten. Hierbei ist auch ein Dritter Kontoinhaber (der Treuhänder), aber das Vermögen ist wirtschaftlich weiter dem Treugeber zuzurechnen39. Treugeber kann entweder der Vermögensträger ohne Kenntnis von der Existenz des schwarzen Treuhandkontos oder der Täter selbst sein. Eine Unterart der Treuhandkonten bilden die Treuhandanderkonten40. Diese werden nur für bestimmte Personen eröffnet, die berufsmäßig fremdes Vermögen verwalten und einem besonderen Standesrecht sowie einer gesetzlich geregelten Berufsaufsicht unterliegen, z. B. Rechtsanwälte oder Notare41. Typische Beispiele der Bildung schwarzer Treuhand(ander)konten sind der sog. „Fall Kohl“42, in dem verdeckte Parteispenden auf Treuhandanderkonten eingezahlt wurden, sowie der „Fall Kanther“43, in dem die schwarze Kasse ursprünglich ein schweizerisches Treuhandanderkonto war.
37 BGH,
NJW 2009, 89, 89. StV 2011, 20, 20, Rn. 11. 39 Vgl. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 3 f.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 211. 40 Vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 429. 41 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 4. 42 LG Bonn, NStZ 2001, 375, 376. 43 BGHSt 51, 100, 102. 38 BGH,
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen31
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen, parteipolitischen und privatwirtschaftlichen Bereich Im Mittelpunkt der Rechtsprechung stand seit jeher die Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung sowie in den politischen Parteien44. Die Strafgerichte befassten sich bis vor kurzem nur selten mit der Bildung schwarzer Kassen innerhalb privater Unternehmen45. Aber in jüngster Zeit ist das Interesse nicht nur der Strafrechtslehre und der deutschen Strafgerichte sondern auch der Öffentlichkeit wegen des sog. „Siemens / ENEL-Falls“46 auf die Privatwirtschaft verlagert worden. Da die Motive des Täters zur Bildung einer schwarzen Kasse im öffentlichen, parteipolitischen und privatwirtschaftlichen Bereich unterschiedlich sind und weiterhin die Bildung verdeckter Kassen gegen unterschiedliche dem Täter obliegende Pflichten bzw. Vorschriften im öffentlichen, parteipolitischen und privatwirtschaftlichen Bereich verstoßen kann, ist es zweckmäßig, zwischen diesen Bereichen von vornherein zu differenzieren47. 1. Die Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung Der erste Fall der Bildung schwarzer Kassen war bereits im Jahr 1936 im öffentlichen Bereich festgestellt worden. Die deutsche Rechtsprechung hat sich seither bis jetzt mit einer Vielzahl von Fällen der Bildung schwarzer Kassen im staatlichen Bereich beschäftigt. Die deutsche Literatur hat sich 44 So die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Reichsgerichts RG, HRR 1936 Nr. 1601; RGSt 71, 155; RG, HRR 1938 Nr. 1515; RG, HRR 1940 Nr. 1215; RG, DR 1943, 1039 sowie des Bundesgerichtshofes BGH, GA 1956, 121; BGH, GA 1956, 154; BGH, NStZ 1984, 549; BGH, NStZ 1986, 455; BGHSt 40, 287 (sog. „BND-Entscheidung“); für die Bildung schwarzer Kassen im parteipolitischen Bereich s. LG Bonn, NStZ 2001, 375 (Fall Kohl) sowie BGHSt 51, 100 ff.; LG Wiesbaden, Urt. v. 18.04.2005 (nicht abgedruckt); OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028 ff.; LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510 ff. (Fall Kanther). 45 So die Rechtsprechung betreffend die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich RGSt 75, 227; BGH, wistra 1992, 266; BGH, wistra 2000, 136; vgl. auch OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, 244; OLG Celle, GmbHR 2006, 377. 46 BGH, NJW 2009, 89 ff. („Darmstädter Siemensskandal“); auch BGH, StV 2011, 20 ff. („Kölner Müllskandal“ in neuester Zeit). 47 So auch Fischer, § 266 StGB Rn. 74, 130; Weimann, Schwarze Kassen, S. 1, 18 ff., 57 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 397; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 76; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 5 f.; Bernsmann, GA 2007, 219, 231; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 714; Kempf, in: FS-Volk, S. 233.
32
A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
deswegen fast ein Jahrhundert lang in erster Linie mit der Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung befasst. Die Einrichtung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung bildet eine typische und umfangreiche Fallgruppe der „Haushalts- oder Amtsuntreue“. a) Die Bildung schwarzer Kassen als Fallgruppe der sog. „Haushalts- oder Amtsuntreue“ Im Mittelpunkt des Interesses stehen Bedienstete und andere Angehörige der öffentlichen Verwaltung, die durch die Verletzung haushaltsrechtlicher Grundsätze und Vorschriften Mittel der „öffentlichen Hand“48 von innen heraus schädigen49. Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben in ihren Berichten mehrmals die Fehlleitung öffentlicher Mittel in Milliardenhöhe festgestellt50. Da es im deutschen StGB keinen besonderen Straftatbestand der sog. Haushalts- oder Amtsuntreue gibt51, kann ein solches pflichtwidriges Verhalten von Angehörigen des öffentlichen Dienstes unter den allgemeinen Untreuetatbestand des § 266 StGB subsumiert werden52. 48 Schünemann,
in: LK, § 266 StGB Rn. 143; ders., StV 2003, 463 ff. (passim). dem Schrifttum zur Haushalts- oder Amtsuntreue s. Bieneck, wistra 1998, 249 ff.; Bittmann, NStZ 1998, 495 ff.; Coenen, Haushaltsrecht, 2000; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 219 ff.; Fabricius, NStZ 1993, 414 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 86 ff., 121 ff.; Fischer B., JZ 1982, 6 ff.; Grupp, JZ 1982, 231 ff.; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, 1979; Labsch, Untreue, S. 275 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, 2000; Neye, Untreue, 1981; ders., NStZ 1981, 369 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 44; Rojas, Haushaltsuntreue, 2010; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 94 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 1 ff.; Schmidt-Hieber, NJW 1989, 558 ff.; Schünemann, StV 2003, 463 ff.; ders, in: LK, § 266 StGB Rn. 143 f.; Schultz, MDR 1981, 372 f.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 300 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 149 ff.; Volk, Gutachten, 1978; ders., Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, 1979; ders., Art. Haushaltsuntreue, in: Handwörterbuch, S. 1 ff.; v. Seele, JZ 2008, 178 ff.; Wolf, Verwendung öffentlicher Mittel. 50 Ausf. dazu s. Volk, Gutachten, S. 11 ff., der – beauftragt vom Bundesminister der Justiz – die Berichte der Rechnungshöfe für die Haushaltsjahre 1974, 1975 und (teilweise) 1976 ausgewertet hat. 51 Zu Reformvorschlägen zur Schaffung eines speziellen Tatbestandes der Haushalts- oder Amtsuntreue s. Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 113 ff.; Coenen, Haushaltsrecht, S. 95 ff.; a. A. Wolf, Verwendung öffentlicher Mittel, S. 178 ff.; Neye, Untreue, S. 109 f.; Weber, in: FS-Dreher, S. 570; Schünemann, StV 2003, 463, 471; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 57 ff.; dazu s. auch Volk, Gutachten, S. 488 ff., 523; ders., Art. Haushaltsuntreue, in: Handwörterbuch, S. 3. 52 Die herrschende im Schrifttum vertretene Ansicht sieht die Haushaltsuntreue als Teilbereich bzw. Unterfall der Amtsuntreue (Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 300; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 94; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 149; Bieneck, wistra 1998, 249, 249). Als Haushalts49 Aus
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen33
So sind als typische Beispielsfälle der Haushalts- oder Amtsuntreue Zuwendungen, Baukostenüberschreitungen, Vergabe und Beschaffung von Aufträgen, Personalüberzahlungen, Bildung schwarzer Kassen, Ämterpatronage, Fehlplanungen und Planungsfehler zu betrachten53. Die Bildung schwarzer Kassen54 wird neben dem zweckwidrigen Einsatz öffentlicher Mittel55, dem Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit56, der Verwendung öffentlicher Mittel für private untreue wird die Verwendung öffentlicher Mittel durch Verstöße gegen das Haushaltsrecht bei ihrer Bewirtschaftung bezeichnet (Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 1; Fischer, § 266 StGB Rn. 121; Bieneck, wistra 1998, 249, 249), während der Begriff der Amtsuntreue weiter geht und alle möglichen Untreuehandlungen von Amtsträgern einschließlich des Bereichs der Haushaltsuntreue umfasst (Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 149; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 1; Bieneck, wistra 1998, 249, 249). 53 Zu typischen Beispielsfällen der Haushalts- oder Amtsuntreue s. Volk, Gutachten, S. 11 ff., 433 ff.; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 26 ff.; Neye, Untreue, S. 40 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 370 ff.; Wolf, Verwendung öffent licher Mittel, S. 195 ff.; Coenen, Haushaltsrecht, S. 39 ff. 54 Bieneck, wistra 1998, 249, 249; Coenen, Haushaltsrecht, S. 50 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 91; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 34; Neye, Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45c; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 184 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 17 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 143; ders., StV 2003, 463, 467; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 302; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 154; Volk, Gutachten, S. 379 ff., 444 f.; v. Seele, JZ 2008, 178, 184. 55 Bei der Haushalts- oder Amtsuntreue ist zwischen (materiell) zweckwidrigem und zweckgemäßem Mitteleinsatz zu unterscheiden. Beim zweckmäßigen Mitteleinsatz wird ein Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB beim Fehlen eines Ausgleichs der Leistung durch eine entsprechende Gegenleistung sowie aufgrund des sog. „individuellen Schadenseinschlags“ (dazu s. die sog. „Bugwellen-Entscheidung“ bzw. „Intendanten-Entscheidung“ BGHSt 43, 293 ff.; dazu auch Bittmann, NStZ 1998, 495 ff.; Brauns, JR 1998, 381 ff.; Martin, JuS 1998, 565 f.; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 589 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 229 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 149 ff.) bejaht, während beim zweckwidrigen Mitteleinsatz, d. h. wenn öffentliche Gelder an Dritte oder den Täter fehlgeleitet werden und die zweckgebundenen Mittel verringert wurden, ohne dass der Zweck erreicht wurde (BGHSt 43, 293, 297 f.; vgl. auch Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 94, 96; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17c; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 44; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 12 ff.; Bieneck, wistra 1998, 249, 249; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 143), die Schadensbeurteilung– trotz wirtschaftlicher Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung – aufgrund der sog. „Zweckverfehlungslehre“ vorzunehmen ist. 56 Ausf. hierzu Volk, Gutachten, S. 280 ff., 462 ff.; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 21 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 144 ff., 159 ff.; Fischer B., JZ 1982, 6 ff.; Grupp, JZ 1982, 231 ff.; Schultz, MDR 1981, 372, 372. Verstöße
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Zwecke57 und der Ämterpatronage58 als typische Fallgruppe der Haushaltsoder Amtsuntreue betrachtet. Angestellte des öffentlichen Dienstes bilden oftmals schwarze Kassen unter Verletzung von haushaltsrechtlichen Vorschriften bzw. Grundsätzen mit dem Zweck, anschließend über sie nach eigenem Gutdünken und unkontrolliert, jedoch im Interesse des Staates zu verfügen. Die Reichweite der Rechtsprechung zeigt die erhebliche strafrechtliche Relevanz des Phänomens der Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich. b) Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich in der Rechtsprechung Zunächst das Reichsgericht und anschließend der Bundesgerichtshof haben sich mit zahlreichen Fällen der Bildung schwarzer Kassen im staat lichen Bereich befasst. Bereits im Jahr 1936 stellte das Reichsgericht fest, eine schwarze Kasse läge vor, wenn die angeklagten SA-Angehörigen ein Sondervermögen der Angehörigen des SA-Sturms gebildet hätten, das zweckwidrig, d. h. nicht für allgemeine SA-Sturmzwecke, bestimmt wäre59. gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sind als zweckwidriger Mitteleinsatz zu betrachten (Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 221; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 25; vgl. auch Volk, Gutachten, S. 462 ff.; ders., Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, S. 30 ff.). 57 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 220; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 94; Fischer, § 266 StGB Rn. 122; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 307; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 34 f.; Coenen, Haushaltsrecht, S. 78 ff.; Wolf, Verwendung öffentlicher Mittel, S. 232 ff.; BGHSt 18, 312 f.; BGHSt 13, 315 ff.; BGH, NJW 1982, 2881 f. 58 Ausführlich zur Ämterpatronage s. Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 26 ff.; Schmidt-Hieber, NJW 1989, 558 ff.; Wolf, Verwendung öffentlicher Mittel, S. 235 ff.; Coenen, Haushaltsrecht, S. 82 ff. Die Ämterpatronage, d. h. die Bevorzugung von Parteigünstlingen bei der Vergabe öffentlicher Ämter (vgl. Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 144; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 26; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 308; Schmidt-Hieber, NJW 1989, 558, 558) kann aufgrund der für den Anstellungsbetrug geltenden Grundsätze zu einem Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB führen (Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 144, Fn. 762; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 308; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17c; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 26a). die Beweisbarkeit eines Vermögensnachteils ist jedoch dabei besonders schwierig (Schmidt-Hieber, NJW 1989, 558, 562; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17c; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 308; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 27). 59 RG, HRR 1936 Nr. 1601.
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen35
Im Jahr 1937 befasste sich das Reichsgericht mit dem folgenden Fall der Bildung einer schwarzen Kasse60: Der Täter war als Angestellter eines Reichsministeriums Sachbearbeiter für das Filmwesen und hatte als Aufgabe die technische und wissenschaftliche Leitung des Arbeitsgebiets. Nachdem sein Antrag, eine besondere Handkasse für plötzlich notwendige Ausgaben seiner Abteilung zu bewilligen, abgelehnt worden war, vereinbarte er mit Dritten, die für das Ministerium monatlich wie Angestellte in der Filmabteilung arbeiteten und für ihre Arbeit dem Täter Rechnungen einreichten, zusätzliche Scheinrechnungen einzureichen. Die auf dem Bankkonto des Reichsministeriums nach monatlicher Begleichung dieser Rechnungen verbleibenden Überschüsse verwendete er zu Gunsten der Filmabteilung. In einer weiteren Entscheidung befasste sich das Reichsgericht mit einem Gauamtsleiter, der von der Gaukasse (für Ausgaben seines Amts) angefordertes Geld sowie zurückgehaltene ordnungsgemäße Einnahme zum Ankauf eines Kraftwagens für sein Amt verwendete61. Ein weiterer Fall, mit dem sich das Reichsgericht am 15.01.1940 befasste, betraf einen Treuhänder, der Geldbeträge aus dem Treuhandkonto ohne Wissen des Treugebers entnahm und daraus eine Rücklage bildete. Sein Zweck war, durch die Rücklage Gläubiger zu befriedigen, die mit Zwangsmaßnahmen gegen das der Treuhandverwaltung unterliegende Vermögen vorgehen wollten62. In der Entscheidung vom 19.07.194363 entschied das Reichsgericht über das Handeln eines Geschäftsstellenleiters bei einem Amtsgericht (sog. „Geschäftsstellenleiter-Fall“). Dieser verwaltete auch die Gerichtszahlstelle sowie die Gefangenenarbeitszahlstelle und hatte mehrmals Zahlungen, die für die Gerichtszahlstelle oder die Gefangenenarbeitszahlstelle eingegangen waren, in der Geldeingangsliste erheblich verspätet gebucht. Diese Beträge hatte er nicht für sich selbst, sondern als eine „stille Reserve“ verwendet, um einen plötzlich auftretenden Geldbedarf der Gerichtszahlstelle decken zu können, ohne die Gerichtskasse um Vorschüsse angehen zu müssen. Im sog. „Bürgermeister-Fall“64 entschied der Bundesgerichtshof über einen Bürgermeister, der eine Sonderkasse gebildet hatte. Er hatte bei Zahlungen von Geldbußen wegen Beleidigung städtischer Beamter auf die Erstattung von Anzeigen verzichtet. Die eingenommenen Beträge verwahrte er in einer Zigarrenkiste und verwendete sie für die Armen. 60 RGSt
71, 155. HRR 1938 Nr. 1515. 62 RG, HRR 1940 Nr. 1215. 63 RG, DR 1943, 1039. 64 BGH, GA 1956, 121. 61 RG,
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Am 15.12.1955 urteilte der BGH weiter über den sog. „StrafanstaltsleiterFall“65. Der Leiter einer Strafanstalt führte Erlöse aus Schrottverkäufen der Strafanstalt nicht dem Haushalt zu, sondern bildete damit eine schwarze Kasse, die er für dienstliche Zwecke nutzte. Am 01.08.198466 beschäftigte sich der BGH mit dem Verhalten eines angestellten städtischen Kulturamtsleiters (sog. „Kulturamtsleiter-Fall“), dessen Tätigkeit u. a. darin bestand, Veranstaltungen für die H-Halle zu organisieren und die auftretenden Künstler auszuzahlen. Wegen Popularitätssteigerungen der Künstler zwischen der Haushaltsverabschiedung und dem Auftritt war der Kulturamtsleiter oftmals mit dem Problem konfrontiert, dass diese Künstler teurer waren als geplant. Dies führte zu einer Überschreitung des ursprünglichen Haushaltsplans. Um dieses Problems Herr zu werden, bildete der Kulturamtsleiter eine schwarze Kasse und finanzierte dadurch Veranstaltungen, indem er aus noch nicht erschöpften Haushalts titeln Gelder abgezogen und seinem Hallenetat zugeführt hatte. In dem sog. „Schulleiter-Fall“67, mit dem sich der BGH am 06.05.1986 befasste, manipulierte ein Schulleiter die Postquittungen über den Ankauf von Briefmarken und ließ sich dann vom Schulträger Portokosten erstatten, denen in Wirklichkeit keine entsprechenden Briefmarkenkäufe zugrunde lagen. Auf diese Weise erlangte er Beträge, die er für Zwecke der Schule verwendete, insbesondere zur Bestreitung der Kosten für die Teilnahme an einer Fachausstellung. Im Jahr 1994 befasste sich der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofes mit einem weiteren, der Bildung schwarzer Kassen ähnlichen Fall der Haushaltsuntreue. Die sog. „BND-Entscheidung“68 ist eine zentrale Entscheidung sowohl für die Haushalts- oder Amtsuntreue im Allgemeinen als auch für die Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung im Besonderen. Darin unterschied der BGH die Bildung schwarzer Kassen von der unordentlichen Buchführung als eigenständige Fallgruppe der Vermögensgefährdung69. Die Vorinstanz hatte im zugrunde liegenden Fall angenommen, „mit der Bildung ‚schwarzer Kassen‘ lasse sich der entschiedene Fall nicht vergleichen; denn die Zahlungsvorgänge seien als solche verfolgbar und unverschleiert vonstatten gegangen. Die transferierten Mittel hätten den Bereich 65 BGH,
GA 1956, 154. NStZ 1984, 549. 67 BGH, NStZ 1986, 455. 68 BGHSt 40, 287; vgl. hierzu Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 212; Saliger, Parteiengesetz, S. 415 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 86 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 239 ff. 69 Vgl. BGHSt 40, 287, 295 f.; s. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 88; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 19, 239. 66 BGH,
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen37
des eigentlichen Vermögensträgers, also der Bundesrepublik Deutschland, nicht verlassen“70. Der BGH wies darauf hin, dass es sich um einen Fall der Haushaltsuntreue „nach Art einer schwarzen Kasse“ handelte71. Im zugrunde liegenden Fall72 überwies ein Beamter des Bundesministe riums für Verteidigung (BMV) als Verantwortlicher in einem deckwortgeschützten Vorhaben Geldmittel seines Ministeriums unter Verstoß gegen Haushaltsgrundsätze und ministeriumsinterne Anordnungen an den Bundesnachrichterdienst (BND), wo sie mangels aktueller projektbezogener Verwendungsmöglichkeit zunächst in die allgemeine Betriebsmitteldisposition eingingen und später für Zwecke des BND ausgegeben wurden. Insbesondere ließ der Täter dem BND zweimal Haushaltsmittel des BMV zukommen, die zum Ende des Haushaltsjahres zu verfallen drohten, obwohl das BMV die Erhöhung der geplanten Jahresbeiträge des BND abgelehnt hatte. Kennzeichnend für diesen Sachverhalt ist, dass die ursprüngliche Zweckbindung der Finanzmittel vollständig aufgehoben wurde, entweder weil die Mittel vorübergehend keiner Zweckbindung unterlagen oder aber anderen Zwecken – wie hier als Haushaltsmittel für eine andere Behörde – zugeführt wurden73. 2. Die Bildung schwarzer Kassen im parteipolitischen Bereich Die strafrechtliche Praxis hat gezeigt, dass schwarze Kassen oftmals auch in Idealvereinen, insbesondere in politischen Parteien, eingerichtet werden74. Im Jahr 2000 haben zwei politische Skandale (Parteispenden- bzw. Finanzaffäre) die Strafgerichte in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt und das öffentliche Interesse geweckt. Sowohl der „Fall Kohl“ als auch der „Fall Kanther“ haben zu einer breiten und kontroversen Diskussion geführt 70 BGHSt
40, 287, 293. 40, 287, 296. 72 Zum Sachverhalt s. BGHSt 40, 287, 291 ff. 73 Vgl. Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 212. 74 Die Bildung schwarzer Kassen ist nicht nur in politischen Parteien, sondern auch in Sportvereinen (v. a. Fußballmannschaften) möglich (so Fischer, § 266 StGB Rn. 76; Bernsmann, GA 2007, 219, 232; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 6, 46), die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich jedoch mit dem Fall der Bildung schwarzer Kassen in Sportvereinen ausdrücklich (noch) nicht befasst. Hierzu vgl. den sog. „Bundesligaskandal“, in welchem Vorstandsmitglieder eines Sportvereins „Verlustprämien“ und „Siegesprämien“ an vereinsfremde Spieler aus Vereinsgeldern bezahlt hatten, um die Gefahr der eigenen Fußballmannschaft zu verringern, aus der Bundesliga abzusteigen (zum Bundesligaskandal s. Triffterer, NJW 1975, 612 ff.; Bringewat, NJW 1977, 667 ff.; Schreiber / Beulke, JuS 1977, 656 ff.). Die Strafgerichte befassten sich im Bundesligaskandal lediglich mit der Untreuestrafbarkeit der Vorstandsmitglieder wegen der Zahlung von Vereinsgeldern zu Bestechungszwecken. 71 BGHSt
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
und eine neue eigenständige Fallgruppe der Untreue, die sog. „Parteienuntreue“, veranlasst75. a) Die Bildung schwarzer Kassen als Erscheinungsform der sog. „Parteienuntreue“ Saliger verwendete zum ersten Mal in seiner Habilitationsschrift die Terminologie „Parteienuntreue“76, einen Begriff, der bis dahin „wissenschaftlich nicht erforscht“77 war. Unter diesem Begriff verstand er alle Pflichtverletzungen, die Verstöße gegen das Parteiengesetz und / oder das mit ihm verbundene Parteisatzungsrecht bezeichnen78. Die Parteienuntreue steht in einem engen Zusammenhang mit der Parteispendenproblematik79. Es wurde zu Recht behauptet, dass das Grundgesetz in Art. 21 Abs. 1 S. 4, „in der realistischen Erkenntnis, dass auch politische Parteien Geld brauchen, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können“80, die Annahme von Finanzmitteln (Zuwendungen) aus Mitgliedsbeiträgen, Parteispenden privater Personen, Unternehmen, usw. sowie dem Staat81 selbst nicht verbietet. Das Recht der politischen Parteien auf Finanzierung nach Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG i. V. m. § 23 PartG wird aber weiter durch deren Pflicht ergänzt, über ihre finanziellen Verhältnisse, insbesondere über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich zum Ende des Kalenderjahres Rechenschaft zu geben (sog. „Rechenschafts legungspflicht“)82. Diese Rechenschaftslegungspflicht wird aus den GrundSaliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 102; ders., Parteiengesetz, S. 66, 696. dem Schrifttum der Parteienuntreue s. Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 214 ff.; Faust, Parteispenden, 2005; Heinig / Streit, Jura 2000, 393 ff.; Ipsen, JZ 2000, 685 ff.; ders., NJW 2002, 1909 ff.; Kaiser, NJW 1981, 321 f.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 92; Klein, NJW 2000, 1441 ff.; Koch, NJW 2000, 1004 ff.; Kohlmann, wistra 1983, 207 ff.; Maier, NJW 2000, 1006 ff.; Maurer, JuS 1991, 881 ff.; Morlok, NJW 2000, 761 ff.; Saliger, Parteiengesetz, 2005; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 102; ders. / Sinner, NJW 2005, 1073 ff.; Volhard, in: FS-Lüderssen, S. 673 ff.; Winkler, JA 2000, 517 ff. 77 Saliger, Parteiengesetz, S. 6. 78 Saliger, Parteiengesetz, S. 66. 79 Umfassend hierzu vgl. Schrifttum zur Parteienuntreue. 80 Klein, NJW 2000, 1441, 1441. Zum Recht der politischen Parteien zur Finanzierung vgl. Maurer, JuS 1991, 881, 886. 81 Zur staatlichen Parteienfinanzierung vgl. § 18 PartG; auch Heinig / Streit, Jura 2000, 393 ff.; Ipsen, JZ 2000, 685 ff.; Koch, NJW 2000, 1004 ff. Zur Vergabe von Parteispenden durch Vertretungsorgane von Kapitalgesellschaften s. Otto, in: FSKohlmann, S. 187 ff., insbes. 204 f. 82 Zur Rechenschaftslegungspflicht der Parteien s. Maurer, JuS 1991, 881, 887; Heinig / Streit, Jura 2000, 393, 396 ff.; Ipsen, JZ 2000, 685 ff.; Klein, NJW 2000, 75 Vgl. 76 Aus
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen39
sätzen der Gleichheit und Öffentlichkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit und Unabhängigkeit der politischen Parteien abgeleitet83. In der parteipolitischen Praxis wird die Rechenschaftslegungspflicht mehrmals verletzt. Der Gesetzgeber hatte das Parteiengesetz vom 24.07.196784 zunächst im Jahr 199485 wegen der sog. „Flick-Affäre“86 und nochmals im Jahr 200287 wegen der „Kohl“- und „Kanther“-Parteispendenaffäre geändert. Die Judikatur hatte sowohl die rechtswidrige Erlangung von Parteispenden als auch die Einreichung eines unrichtigen Rechenschaftsberichts wegen der Gefahr der pflichtwidrigen Auslösung von Sanktionen und des Verlustes des Zuwendungsanteils an der staatlichen Parteienfinanzierung als Vermögensgefährdung angesehen88. Eine weitere Fallgruppe der Parteienuntreue bildet die Einrichtung schwarzer Kassen in den politischen Parteien89. Saliger kennzeichnet die Bildung schwarzer Parteikassen als „Parteienuntreue im weiteren Sinne“90. 1441 ff.; Morlok, NJW 2000, 761, 765 ff.; Volhard, in: FS-Lüderssen, S. 675 ff.; Faust, Parteispenden, S. 30 ff.; Saliger, Parteiengesetz, S. 261 ff., 542 ff. 83 Vgl. Klein, NJW 2000, 1441, 1441; Volhard, in: FS-Lüderssen, S. 675 f. 84 PartG v. 24.07.1967, BGBl. I S. 773. 85 PartG v. 31.01.1994, BGBl. I S. 149. 86 Zur sog. „Flick-Affäre“ s. Saliger, Parteiengesetz, S. 1, Fn. 3. 87 PartG v. 28.06.2002, BGBl. I S. 2268; zum Gesetzgebungsverfahren s. Ipsen, NJW 2002, 1909 ff. 88 Zur rechtswidrigen Erlangung von Parteispenden s. BGHSt 49, 275 ff. (Fall Kremendahl) mit Bespr. Saliger / Sinner, NJW 2005, 1073 ff. Zur Einreichung unrichtiger Rechenschaftsberichte s. BGHSt 51, 100 ff. (Kanther-Urteil). 89 Faust, Parteispenden, S. 73 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 76; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 92; Klein, NJW 2000, 1441, 1442, Fn. 10; Kohlmann, wistra 1983, 207, 208; Maier, NJW 2000, 1006, 1006; Matt, NJW 2005, 389, 391; Saliger, Parteiengesetz, S. 67, 395 ff., 682 ff.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 102; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 191; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 155. 90 Im Gegensatz zur „Parteienuntreue im engeren Sinne“ (oder zur „reinen Parteienuntreue“), d. h. die Parteienuntreue, bei der die Verstöße parteiengesetzliche Sanktionen als Vermögensnachteile für die Partei auslösen, weil sowohl Pflichtverletzung als auch Vermögensnachteil sich ausschließlich aus dem Parteiengesetz ergeben (Saliger, Parteiengesetz, S. 66, 696), kommt nach Saliger eine „Parteienuntreue im weiteren Sinne“ in Betracht, wenn die Verstöße gegen das Parteiengesetz und Parteisatzungsrecht keine parteiengesetzlichen Sanktionen als Vermögensnachteile auslösen, sondern der Vermögensnachteil nach allgemeinen Grundsätzen des Untreuestrafrechts zu bestimmen ist (Saliger, Parteiengesetz, S. 11, 67, 395). Zur Parteienuntreue im engeren Sinne gehören die rechtwidrige Erlangung von Spenden (Saliger, Parteiengesetz, S. 68 ff., 670 ff.), die Nichts- bzw. nicht ordnungsgemäße Publikation von Großspenden (Saliger, Parteiengesetz, S. 233 ff., 676 f.) sowie die Nicht- bzw. nicht ordnungsgemäße Einreichung von Rechenschaftsberichten (Saliger, Parteiengesetz, S. 261 ff., 677 ff.), während unter die „Parteienuntreue im weite-
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Die schwarzen Kassen werden in den politischen Parteien gebildet und von bestimmten Personen geheim verwaltet, um in den meisten Fällen aus verdeckter Parteienfinanzierung herrührende Geldmittel zu verschleiern. Dadurch bleiben die privaten Spender gegenüber der Öffentlichkeit anonym und die Schwarzekassenverwalter sind in der Lage, später über diese verdeckten Parteispenden im materiellen Interesse der Partei – jedoch nach eigenem Gutdünken und unkontrolliert – zu verfügen. Schwarze Parteikassen können nicht nur mit verdeckten Parteispenden, sondern auch mit anderen Geldmitteln illegaler bzw. unbekannter Herkunft (sog. „sonstiges Parteivermögen“) eingerichtet werden91. b) Die Bildung schwarzer Kassen in den politischen Parteien in der Rechtsprechung Anfang des 21. Jahrhunderts haben zwei politische Skandale innerhalb der Christlich Demokratischen Union (CDU), der sog. „Fall Kohl“ und der sog. „Fall Kanther“, zu einer rechtspolitischen Diskussion über die Krise der Demokratie und des gesamten Parteiensystems geführt92. Die große Rolle, die beide Affäre in der Schwarzekassenproblematik in den politischen Parteien gespielt haben, wurde von Hetzer bei der Besprechung des „Kohl“Urteils betont: „Mit Ermittlungen gegen Helmut Kohl wegen Untreue erhielten die schwarzen Kassen eine offiziell kriminelle Dimension“93. Auch Saliger betonte die Bedeutung der BGH-Entscheidung im Fall Kanther für die Parteienuntreue im Allgemeinen und die Bildung schwarzer Kassen in politischen Parteien im Besonderen, wenn er sie als „Grundsatzurteil“ kennzeichnete, da es sich um das erste höchstrichterliche Urteil zur umstrittenen Fallgruppe der Parteienuntreue und der Bildung schwarzer Parteikassen handelte94. Außerdem entwickelte der 2. Senat des BGH in der KantherEntscheidung eine neue, subjektive Lösung zur Rechtsfigur der Vermögensgefährdung95.
ren Sinne“ die satzungs- und parteiengesetzwidrige Verfügung über Parteivermögen fällt, d. h. das Unterhalten von schwarzen Kassen und Konten und die satzungswidrige Verwendung von Parteivermögen, insbes. von Parteispenden (Saliger, Parteiengesetz, S. 67, 395 ff., 682 ff.). 91 Saliger, Parteiengesetz, S. 399. 92 Umfassend hierzu vgl. Hetzer, ZRP 2000, 100 ff.; Zivier, ZRP 2000, 1 ff. 93 Hetzer, ZRP 2000, 100, 101. 94 Saliger, NStZ 2007, 545, 545. 95 Ausf. dazu s. B. V. 1. c) bb) (3) (a), B. V. 2. d) dd).
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen41
aa) Der sog. „Fall Kohl“ Anfang Januar 2000 eröffnete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Bundeskanzler und Parteivorsitzenden der CDU, Helmut Kohl, wegen Untreue gem. § 266 StGB zum Nachteil seiner Partei96. Tatsächlicher Anknüpfungspunkt war seine öffentliche Erklärung, dass er in den Jahren 1993 bis 1998 anonyme Barspenden in Höhe von insgesamt 1,5 bis 5 Millionen DM entgegengenommen hatte. Die Spender verlangten ausdrücklich, nicht genannt zu werden und Kohl lehnte ab, ihre Namen mitzuteilen, denn er hatte sein Ehrenwort dafür gegeben. Die Staatsanwaltschaft war zu dem Ergebnis gelangt, dass Spenden in Höhe von insgesamt 2,174 Mio. DM mit Hilfe von Kohls eng vertrauten Mitarbeitern auf Treuhandanderkonten eingezahlt wurden, um eine schwarze Kasse zu bilden. Die Existenz der schwarzen Kasse war innerhalb der CDU unbekannt. Anschließend wurden Geldmittel aus dieser verdeckten Parteikasse über Festgeldkonten entweder für Werbemaßnahmen der Partei (einschließlich bestimmter Landesverbände) unmittelbar verwendet oder als „sonstige Einnahmen“ (und nicht als „Spenden“) in das Rechenwerk der CDU eingestellt. Der Bundestagspräsident setzte mit Bescheid vom 19.07.2000 eine Sanktion in Höhe von 6,5 Mio. DM gegen die Bundes-CDU fest. Das LG Bonn stellte in seinem Beschluss vom 28.02.200097 mit der Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten das Verfahren gem. § 153a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO98 gegen Zahlung eines Betrags in Höhe von 300 000 DM zu Gunsten der Staatskasse und einer karitativen Einrichtung ein. bb) Der sog. „Fall Kanther“99 Ende 1984 transferierte der damalige Generalsekretär und Parteivorsitzende der Hessen-CDU, Kanther, mit Hilfe des damaligen CDU-Schatzmeisters, 96 Zum Sachverhalt s. LG Bonn, NStZ 2001, 375 f.; auch Saliger, Parteiengesetz, S. 18 f.; ders., GA 2005, 155, 155 f. 97 LG Bonn, Beschl. v. 28.02.2001, NStZ 2001, 375; vgl. auch Beulke / Fahl, NStZ 2001, 426 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 215; Hamm, NJW 2001, 1694 ff.; Hetzer, ZRP 2000, 100 ff.; Krüger, NJW 2002, 1178 ff.; Otto, ZRP 2000, 109 f. (Gutachten zur Verteidigung von Kohl); Saliger, GA 2005, 155 ff.; Schwind, NStZ 2001, 349 ff.; Velten, NJW 2000, 2852 ff.; Wolf, KJ 2000, 531 ff.; Zivier, ZRP 2000, 1 ff. 98 Zur Kritik zur Anwendung des § 153a StPO auf den Fall Kohl s. Saliger, GA 2005, 155 ff. 99 Zur Rechtsprechung im Fall Kanther s. BGHSt 51, 100 ff.; LG Wiesbaden, Urt. v. 18.04.2005, Az. 6 Js 320.4 / 00-16 (nicht abgedruckt); OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 12.01.2004, NJW 2004, 2028 ff.; LG Wiesbaden, Beschl. v. 25.03.2002, NJW 2002, 1510 ff.; s. auch Bernsmann, GA 2007, 219, 229 ff.; Bosch, JA 2008, 148 ff.; Keul, DB 2007, 728 ff.; Perron, NStZ 2008, 517 ff.; Ransiek, NJW 2007, 1727 ff.; Saliger, NStZ
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Sayn-Wittgenstein, insgesamt 20,8 Mio. DM des Landesverbandes über Zwischenkonten auf ein Treuhandanderkonto in der Schweiz100. Dieses Geld war ungeklärter Herkunft und wurde im offiziellen Rechnungswesen der hessischen CDU nicht aufgeführt. Ziel des Transfers war, vor dem Hintergrund der bevorstehenden Änderung des PartG die Gelder für politische Zwecke der CDU Hessen zu sichern. Der damalige CDU-Finanzberater, Weyrauch, verwaltete das Sondervermögen auf Anweisungen Kanthers und Sayn-Wittgensteins als Treuhänder. Nach dem Inkrafttreten des neuen PartG 1994 und zum Zwecke der Vermeidung verschärfter Kontrollmaßnahmen übertrug Kanther das Vermögen auf eine eigens zu diesem Zweck im Mai 1993 gegründete Stiftung in Liechtenstein (Stiftung „Zaunkönig“), deren Begünstigter der Landesverband war. Weder die Vorstände der Bundes-CDU noch die Vorstände der CDU Hessen hatten Kenntnis von der Existenz der schwarzen Kassen in Zürich und Liechtenstein. Der größte Teil des Sondervermögens (d. h. des ursprünglichen Parteivermögens und der Zinsgewinne) war auf CDU-Konten zurückgeflossen und wurde ausschließlich zum Zwecke der Partei und zur Unterstützung ihrer Teilverbände verwendet. Die Staatsanwaltschaft Wiesbaden erhob Anklage gegen Kanther, sowie gegen Sayn-Wittgenstein101 und Weyrauch wegen Untreue zum Nachteil der hessischen CDU, das LG Wiesbaden lehnte aber die Eröffnung der Hauptverhandlung aus tatsächlichen Gründen ab102. Anschließend eröffnete das OLG Frankfurt a. M. auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Hauptverfahren und ließ die Anklage zu103. Das LG Wiesbaden verurteilte mit seiner Entscheidung vom 18.04.2005 Kanther wegen Untreue und Weyrauch wegen Beihilfe hierzu104. Der BGH105 entschied letztlich über die Revision der Angeklagten und sah in seiner Entscheidung vom 18.10.2006 in der Bildung schwarzer Kassen eine Untreue gem. § 266 StGB. 2007, 545 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 430 ff.; Weber, in: FS-Eisenberg, S. 371 ff.; vgl. auch Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 216 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 391 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 9 ff., 92 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 46 ff. 100 Zum Sachverhalt s. BGHSt 51, 100, 101 ff.; OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028, 2028 f.; LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1510 f.; auch Saliger, Parteiengesetz, S. 7, 18 f.; ders., NStZ 2007, 545, 545 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 9 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 46 ff. 101 Das Verfahren gegen Wittgenstein war wegen Verhandlungsunfähigkeit abgetrennt und eingestellt worden (Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 217, Fn. 532; Saliger, HRRS 2006, 10, 11, Fn. 4). 102 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510 ff. 103 OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028 ff. 104 LG Wiesbaden, Urt. v. 18.04.2005 (nicht abgedruckt); vgl. hierzu BGHSt 51, 100, 100 ff. 105 BGH, Urt. v. 18.10.2006, BGHSt 51, 100 ff. = NStZ 2007, 583 ff. = NJW 2007, 1760 ff. = wistra 2007, 136 ff.
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen43
3. Die Bildung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft a) Die schwarzen Kassen in privaten Unternehmen Schwarze Kassen werden auch im privatwirtschaftlichen Bereich gebildet106. Treunehmer innerhalb privater Unternehmen verlagern oftmals von ihnen verwaltete Geldmittel auf verdeckte Konten unter Verletzung von bestimmten ihnen obliegenden Pflichten bzw. Vorschriften, um diese im Interesse des Geschäftsherrn zu einem späteren Zeitpunkt zu verwenden. Die schwarzen Kassen werden zumeist zu „nützlichen Aufwendungen“107, d. h. als Vorfeld der Schmiergeldzahlungen zur Erlangung lukrativer Aufträge, aufgebaut und als sog. „Kriegskassen“108 bzw. „Liquiditätsdepots“109 gekennzeichnet. Üblicherweise erfolgt ihre Bildung durch Geschäftsführer in GmbHs, AG-Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte, Manager und andere Personen des mittleren Managements in Aktiengesellschaften. Wie Rönnau so treffsicher erklärt, hat „die oberste Führungsebene regelmäßig – jedenfalls offiziell – keine Kenntnis von derartigen Praktiken“110. In letzter Zeit ist die Bildung schwarzer Kassen zu einer sehr üblichen Methode innerhalb des privatwirtschaftlichen Bereichs geworden. b) Die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich in der Rechtsprechung Literatur und Rechtsprechung haben sich in der Vergangenheit mit der Bildung schwarzer Kassen zumeist im öffentlichen und parteipolitischen Bereich und nur selten mit der Bildung schwarzer Kassen in der freien 106 Bernsmann, GA 2007, 219, 231, 232, 233; ders., GA 2009, 296, 300, 308 f.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 656, 699; Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 5 Rn. 191 ff.; Colombo, in: Korruption, S 148 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 211; Fischer, § 266 StGB Rn. 75, 132; Kempf, in: FSHamm, S. 262 ff.; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1176; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45c; Richter, GmbHR 1984, 137, 143 (in GmbHs); Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 713; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 141b; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 191; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 6; Weimann, Schwarze Kassen, S. 25 ff. 107 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 708; Satzger, NStZ 2009, 297, 298. 108 Bernsmann, GA 2007, 219, 232; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korrup tionsfällen, Rn. 699; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721; Satzger, NStZ 2009, 297, 298; Saliger / Sinner, HRRS 2008, 57, 67. 109 Bernsmann, GA 2009, 296, 296. 110 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 713.
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Wirtschaft beschäftigt. Wegen des sog. „Siemens / ENEL-Falls“ verlagerte sich die strafrechtliche Diskussion in letzter Zeit aber auf die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich. aa) Die ersten Urteile betreffend die schwarzen Kassen in privaten Unternehmen Das Reichsgericht beschäftigte sich zum ersten Mal mit der Bildung schwarzer Kassen in privaten Unternehmen in seiner Entscheidung vom 23.05.1941 („Baustellenleiter-Fall“)111. Ein Baustellenleiter einer Baufirma forderte Arbeitslöhne auch für Arbeiter an, die die Arbeit ausgesetzt hatten, und bildete aus diesen Beträgen eine schwarze Kasse, die er nicht für sich selbst, sondern zur Deckung von Forderungen eines Transportunternehmens gegen die Baufirma verwendete. Der BGH beschäftigte sich anschließend mit einem Angestellten in einer Firma, der „Kick-Back“-Zahlungen zur Einrichtung von Unternehmenskosten im Ausland angelegt hatte112. Der Angeklagte bildete und verwendete die schwarzen Konten in der Schweiz am Anfang im Interesse seiner Arbeitgeberin, aber am Ende (nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft) im eigenen Interesse. In einem weiteren Beschluss vom 14.12.1999113 befasste sich der BGH mit dem folgenden Sachverhalt: Der Geschäftsführer einer GmbH hatte ein Bankkonto eröffnet, über dessen Existenz die verantwortlichen Mitarbeiter des Unternehmens keine Kenntnis hatten. Er leitete auf dieses Konto HabenUmsätze der Gesellschaft in Höhe von 2 Mio. DM um, mit denen er verschiedene Verfügungen (Abhebungen, Überweisungen und Belastungen durch Scheckausstellungen) tätigte. An dieser Stelle könnten zwei weitere Fälle erwähnt werden, die für die Schwarzekassenproblematik relevant sind. Im ersten Fall sprach das OLG Frankfurt a. M.114 drei Angeklagten, die Geschäftsführer einer GmbH und Vorstandsvorsitzender einer AG (Muttergesellschaft der vorgenannten GmbH) waren, vom Vorwurf der Untreue gem. § 266 StGB frei. Die Angeklagten führten Schmiergeldzahlungen durch, um dem Vermögen des Treugebers, wenn nicht bei einem konkreten Einzelgeschäft, so doch auf Dauer einen Gesamtgewinn zu verschaffen. Im zweiten Fall urteilte das OLG 75, 227; hierzu vgl. Bruns, ZakDR 1941, 268 f. Beschl. v. 27.05.1992, wistra 1992, 266; hierzu vgl. Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 702. 113 BGH Beschl. v. 14.12.1999, wistra 2000, 136. 114 OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 26.02.2004, NStZ-RR 2004, 244. 111 RGSt 112 BGH
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen45
Celle115 über die Haftung eines Geschäftsführers einer GmbH für die Verwendung von Geldmitteln aus schwarzen Kassen zu Bestechungszwecken. In beiden Fällen hatten die Oberlandesgerichte lediglich über die Verwendung von Geldmitteln aus schwarzen Kassen zu Bestechungszwecken, und nicht erst über deren Bildung, zu urteilen. bb) Der sog. „Fall Siemens / ENEL“116 Bei der sog. „Siemens-Schmiergeldaffäre“ handelte es sich um zwei Siemens-Manager, die im Vorfeld von Auftragsvergaben Bestechungsgelder aus schwarzen Kassen an den italienischen ENEL-Konzern zahlten117. Insbesondere der Angeklagte Andreas K., der im Tatzeitraum als leitender Angestellte der Siemens AG und einer der vier sog. „Bereichsvorstände“ des Geschäftsbereichs „Power Generation“ („Siemens-PG“) beschäftigt war, zahlte im Jahr 2000 über die Konten von Briefkastenfirmen in Liechtenstein mehrere Millionen Euro Schmiergeld an zwei leitende Angestellte des Energiekonzerns ENEL, des größten italienischen Stromerzeugers, und bekam im Gegenzug zwei Aufträge für Siemens (unter dem Namen „La Casella“ und „Repowering“) zur Lieferung von Gasturbinen für Stromerzeugungsanlagen in Höhe von 132, 5 Mio. Euro und 205, 6 Mio. Euro. Der Angeklagte Horst V. war als freier Mitarbeiter und Berater für den Geschäftsbereich Siemens-PG tätig, widmete etwa 2 / 3 seiner Tätigkeit der Verwaltung der schwarzen Konten und der Abwicklung verdeckter Überweisungen für sog. „nützliche Aufwendungen“ und überwies nach Anweisung des Angeklagten K. die Schmiergelder aus den schwarzen Konten über verschiedene liechtensteinische Konten auf ein von den Angestellten des ENEL-Konzerns angegebenes Konto in Abu Dhabi. Die Siemens AG erwirtschaftete aus den beiden Aufträgen insgesamt einen Gewinn in Höhe von 103, 8 Mio. Euro 115 OLG Celle Urt. v. 21.12.2005, GmbHR 2006, 377; hierzu vgl. Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 722 ff. 116 BGH Urt. v. 29.08.2008 – 2 StR 587 / 07, BGHSt 52, 323 ff. = NStZ 2009, 95 ff. = NJW 2009, 89 ff. = wistra 2009, 61 ff. mit Bespr. Beukelmann, NJW-Spezial 2008, 600; Bosch, JA 2009, 233 ff.; Brammsen / Apel, WM 2010, 781 ff.; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94 ff.; Hohn, in: FS-Rissing-van Saan, S. 259 ff.; Jahn, JuS 2009, 173 ff.; ders., StV 2009, 41 ff.; Knauer, NStZ 2009, 151 ff.; Marxen / Taschner, EWiR 2009, 253 f.; Ransiek, NJW 2009, 95 f.; Reinhold, HRRS 2009, 107 ff.; Rönnau, StV 2009, 246 ff.; Satzger, NStZ 2009, 297 ff.; Schlösser, HRRS 2009, 19 ff.; Sinner, ZIP 2009, 937 ff.; auch Werner, Gefährdungsschaden, S. 60 ff.; Arzt, in: FSStöckel, S. 15 ff.; Pelz, ZIS 2008, 333 ff.; Schuster / Rübenstahl, wistra 2008, 201 ff.; Schmidt / Fuhrmann, in: FS-Rissing-van Saan, S. 585 ff.; zum Vorinstanz s. Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57 ff. 117 Ausf. zum Sachverhalt s. BGH Urt. v. 29.08.2008, BGHSt 52, 323 ff. = NJW 2009, 89, 89 f.; s. auch Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 160 / 2008.
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
vor Steuern. Die Angeklagten zogen keine eigenen finanziellen Vorteile weder aus den schwarzen Konten noch aus den Aufträgen „La Casella“ und „Repowering“. Zur Durchführung der Schmiergeldzahlungen bedienten sich die Angeklagten im ersten Fall eines liechtensteinischen Kontengeflechts bei diversen liechtensteinischen Banken, die auf die Namen verschiedener Briefkastenfirmen und liechtensteinischer Stiftungen lauteten. Dieses Kontengeflecht war auch noch anderen Mitarbeitern von Siemens-PG, nicht jedoch dem Zentralvorstand bekannt und funktionierte als etabliertes System zur Leistung von Bestechungsgeldern zur Erlangung von Aufträgen (zu „nützlichen Aufwendungen“). Die Gelder auf diesen Konten waren bei zuvor durchgeführten Projekten nicht aufgebraucht worden und hatten in der offiziellen Buchhaltung der Siemens-PG keinen Niederschlag gefunden. Im zweiten Fall verwendete der Angeklagte K. eine schwarze Kasse der Jahre zuvor von der Siemens AG übernommenen und in den Geschäftsbereich der Siemens-PG integrierten früheren KWU AG, deren Existenz außer den beiden Angeklagten selbst niemandem im Unternehmen mehr bekannt war. Der ursprüngliche Verwalter dieser schwarzen Kasse, die Gelder auf ein Girokonto, ein Festgeldkonto und ein Wertpapierdepot in der Schweiz verteilt umfasste, hatte anlässlich seiner Pensionierung Ende 1998 den Angeklagten K. über deren Existenz informiert. Nach Anweisungen des Angeklagten K. errichtete der Angeklagte V. die Stiftung „Gastelun“ in Liechtenstein und eröffnete ein Konto dafür, auf welches der Kassenbestand in Höhe von 12 Mio. CHF überwiesen wurde. Das Landgericht Darmstadt verurteilte mit seiner Entscheidung vom 14.05.2007118 den Angeklagten K. zunächst wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB und Untreue zum Nachteil der Siemens AG gem. § 266 StGB und den Angeklagten V wegen Beihilfe zur Bestechung im geschäftlichen Verkehr. Zugleich ordnete das LG gegen die Siemens AG den Verfall von Wertersatz in Höhe von 38 Mio. Euro an. Der 2. Senat des BGH bestätigte mit seiner Entscheidung vom 29.08. 2008119 die Verurteilung des Angeklagten K. wegen Untreue in beiden Fällen, jedoch mit unterschiedlicher Begründung als die des erstinstanzlichen Gerichts. Betreffend die Verurteilung beider Angeklagten wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr hob der BGH das Urteil des LG Darmstadt auf und verwies das Verfahren an das LG Darmstadt zurück. Die Beschwerde des ersten Angeklagten wegen einer Verletzung von Art. 103 II GG wurde 118 LG Darmstadt Urt. v. 14.05.2007 – 712 Js 5213 / 04 – 9 KLs, BeckRS 2007, 16611. 119 BGH Urt. v. 29.08.2008 – 2 StR 587 / 07, NJW 2009, 89 ff.
III. Die Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen u. a. Bereichen47
vom Bundesverfassungsgericht mit seinem Beschluss vom 23. Juni 2010 aufgehoben120. Der Siemens / ENEL-Fall, ein typisches Beispiel der schwarzen Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich, ist als der größte Korruptionsskandal in der Bundesrepublik Deutschland bekannt geworden121. Das Urteil des 2. Strafsenats des BGH wird als eine „Grundsatzentscheidung“122 und das „bedeutendste höchstrichterliche Judikat“123 zur Bildung schwarzer Kassen in privaten Unternehmen angesehen. Wegen dieses Skandals richtete sich die Aufmerksamkeit der Allgemeinheit auf die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich. Dadurch ist der Schwerpunkt der einschlägigen Problematik in die Privatwirtschaft verlagert worden. Zudem ist es für die strafrechtliche Beurteilung der Einrichtung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB, und zwar nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des Gefährdungsschadens, sondern des endgültigen Vermögensschadens, sowie für die Bestrafung von Korruptionsfällen, wenn der Tatbestand der Korruption noch nicht verwirklicht wurde, von maßgebender Bedeutung124. cc) Der sog. „Kölner Müllskandal“125 In jüngster Zeit befasste sich der 2. Senat des BGH mit einem weiteren Fall der Bildung schwarzer Kassen innerhalb eines privaten Unternehmens und zwar in dem Komplex des sog. „Kölner Müllskandals“126. Der gesondert verfolgte Haupttäter T. war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bzw. alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Trieneken GmbH / AG (T. GmbH / AG)127, deren Geschäftsgegenstand die Entsorgung von Abfällen war. Der Angeklagte F., Kommunalpolitiker und späterer Abgeordneter des nordrhein-westfälischen Landtags, und der Ange120 BVerfG
Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559 / 08 u. a., NJW 2010, 3209 ff. extensiven Dimensionen, die der Siemensskandal angenommen hat, zeigt auch die von Siemens angeordneten internen Ermittlungen, um sämtliche Fälle möglicher Korruptionshandlungen aufzudecken; dazu vgl. Jahn, StV 2009, 41 ff. 122 Jahn, JuS 2009, 173, 174; Schlösser, HRRS 2009, 19, 19. 123 Schlösser, HRRS 2009, 19, 19. 124 Zu den Feststellungen des BGH betreffend den Eintritt eines endgültigen Vermögensschadens durch die Bildung schwarzer Kassen s. u. B. V. 1. a) und betreffend die Zahlung von Bestechungsgeldern aus den schwarzen Kassen s. u. A. IV. 3. a). 125 BGH Urt. v. 27.08.2010 – 2 StR 111 / 09, StV 2011, 20 ff. = NJW 2010, 3458 ff. = wistra 2011, 106 ff. = ZIP 2010, 1892 ff. mit Bespr. Brand, NJW 2010, 3463 f.; Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1150 ff. 126 Zum Sachverhalt s. BGH StV 2011, 20, 20, Rn. 4 ff. 127 Das strafbewehrte Verhalten der Täter umfasst einen Tatzeitraum, in dem das Unternehmen am Anfang eine GmbH und anschließend eine AG war. 121 Die
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
klagte M., gelernter Einzelhandelskaufmann und staatlich geprüfter Betriebswirt, waren von 1996 bis 2002 als leitende Angestellte im Trieneken Konzern tätig. Anfang der 90er Jahre eröffnete der Haupttäter T. ein verdecktes Konto in der Schweiz als „Kriegskasse“ zur Finanzierung „nützlicher Aufwendungen“, die dazu dienen sollten, sowohl im Inlands-, vornehmlich aber im Auslandsgeschäft bei Entscheidungsträgern eine „politische Grundbereitschaft“ herzustellen. Aus diesem verdeckten Bankkonto überwies er 1, 5 Mio. DM an den Bonner Lokalpolitiker M. und zusätzlich 1, 1 Mio. DM an zwei unbekannte Personen in Nordspanien, um dort „Türen zu öffnen“. Zur Einrichtung und Verwaltung des schwarzen schweizerischen Kontos bediente sich T. der Scheingesellschaft S. AG, eine Briefkastenfirma, die dazu nutzte, Scheinrechnungen für tatsächlich nicht erbrachte Beratungsleistungen an Unternehmen des Trieneken Konzerns zu stellen, die darauf gezahlten Gelder auf ihrem Bankkonto in der Schweiz zu vereinnahmen und bei Bedarf auf Weisung von T. Geldbeträge in bar zurückzuleiten. Der Angeklagte F. veranlasste als Geschäftsführer der U. GmbH, einer Tochtergesellschaft des Trieneken Konzerns, die als Bindeglied zwischen dem T.-Konzern und der S. AG fungierte, und später der I. GmbH, einer anderen Tochtergesellschaft des Trieneken Konzerns, auf Weisung von T. Zahlungen auf Scheinrechnungen in Gesamthöhe von etwa 3 Mio. DM auf das schwarze Konto in 14 Fällen. Der Angeklagte M. veranlasste als Geschäftsführer der I. GmbH auf Weisung von T. Zahlungen auf Scheinrechnungen an die S. AG in Gesamthöhe von über 6 Mio. DM auf das schwarze Konto in 3 Fällen. Das LG Köln verurteilte mit seinem Urteil vom 26. Mai 2008 den ersten Angeklagten F. wegen Beihilfe zu den Untreuehandlungen des Haupttäters T. zum Nachteil der Trieneken GmbH / AG in 14 Fällen und den zweiten Angeklagten M. wegen Beihilfe zu den Untreuehandlungen des T. zum Nachteil der Trieneken GmbH / AG in 3 Fällen. Der 2. Senat verwarf die Revisionen beider Angeklagten gegen das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts als unbegründet und bestätigte deren Verurteilung wegen Beihilfe zur Untreue.
IV. Die Motive zur Bildung schwarzer Kassen 1. Motive zur Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung Eine entscheidende Rolle bei der Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung spielt die Unzufriedenheit der öffentlichen Bediensteten mit den Beschränkungen des Haushaltsrechts und den Schwierigkeiten, die
IV. Die Motive zur Bildung schwarzer Kassen49
sich aus bestimmten Haushaltsgrundsätzen bei der Planung des öffentlichen Haushalts ergeben128. Haushaltsgrundsätze, z. B. die Grundsätze der Jährlichkeit und der Spezialität, beschränken die mit öffentlichem Vermögen Beschäftigten und können sie dazu bewegen, schwarze Kassen neben der ordnungsgemäßen Kasse einzurichten. Nach dem Grundsatz der Jährlichkeit (sog. „zeitliche Bindung“)129 gem. §§ 1, 11 II, 45 BHO gilt die Ermächtigung des Haushaltsplanes zur Leistung von Ausgaben nur für das Haushaltsjahr, für das der Haushaltsplan durch Gesetz festgestellt wird. Daraus folgt, dass Ausgabeermächtigungen – wenn die einschlägigen Ausgaben bis zum Ende des laufenden Haushaltsjahres nicht geleistet worden sind – nicht ohne Weiteres auf das folgende Jahr übertragbar sind. Angestellte des öffentlichen Dienstes handeln manchmal im sog. „Dezember-Fieber“130, d. h. vor Ablauf des Haushaltsjahres, unter Druck, die nicht verbrauchten Mittel in das nächste Haushaltsjahr hinüber zu „retten“131, und können zu diesem Zweck entscheiden, schwarze Kassen zu bilden. Nach dem Grundsatz der Spezialität (sog. „sachliche Bindung“)132 gem. § 45 BHO ist jeder Haushaltstitel (Ausgabe- oder Eingabemittel) an einen bestimmten Zweck im Haushaltsplan gebunden. Schwierigkeiten ergeben sich, wenn noch Gelder in manchen Haushaltstiteln vorhanden sind, obwohl sie dort nicht benötigt werden, während Gelder in anderen Haushaltstiteln fehlen, obwohl sie dort notwendig sind. Auch in solchen Fällen richten Angehörige des öffentlichen Dienstes eine schwarze Kasse ein, um diese Situation auszugleichen. Ein klassisches Beispiel ist der sog. „Kulturamtsleiter-Fall“133. Im vorliegenden Fall war der angeklagte Kulturamtsleiter mit dem Problem konfrontiert, dass bestimmte Veranstaltungen durch zwischenzeitlich eingetretene Popularitätssteigerungen der Künstler wesentlich teurer – als ursprünglich im Haushalt geplant – waren. Da am Ende des Haushaltsjahres noch Gelder in anderen Haushaltstiteln vorhanden waren und es nicht möglich war, ein128 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 18. Finanzwirtschaft, S. 124 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 18 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 9 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 143 f. 130 Weimann, Schwarze Kassen, S. 19, 59, 60, 61; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 303; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 2; Wolf, Verwendung öffentlicher Mittel, S. 208. 131 Weimann, Schwarze Kassen, S. 20; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 303 f. 132 Ausf. dazu s. Weimann, Schwarze Kassen, S. 20 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 8 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 140 ff. 133 BGH, NStZ 1984, 549; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 20. 129 Wiesner,
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
fach Haushaltsmittel auf einen anderen Titel umzubuchen, wählte der Kulturamtsleiter den Weg, unrichtige Rechnungen auszustellen, die tatsächlich noch nicht erschöpfte Haushaltstitel betrafen. Dadurch bildete er eine schwarze Kasse, um die geplanten Veranstaltungen zu finanzieren. 2. Motive zur Bildung schwarzer Kassen in den politischen Parteien Politische Parteien werden oftmals zur Bildung schwarzer Kassen bewegt, um die Verheimlichung verdeckter Parteispenden zu gewährleisten. Insbesondere versuchen sie oftmals, die Existenz und die Herkunft von Partei spenden bestimmter privaten Personen oder Unternehmen zu verbergen, um deren etwaigen politischen Einfluss vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten. Zu diesem Zweck werden oftmals innerhalb der politischen Parteien schwarze Kassen aufgebaut, um zunächst die Herkunft der verdeckten Spenden zu verheimlichen und anschließend sie nach eigenem Gutdünken und unkontrolliert (vornehmlich für Wahlkampfkosten) zu verwenden. Schwarze Kassen in politischen Parteien können aber noch einem anderen Zweck dienen, nämlich ihren realen Kassenbestand vor dem Staat zu verschleiern, um eine größere staatliche Parteienfinanzierung zu beantragen134. Typische Beispiele in diesem Zusammenhang sind die politischen Skandale in den Fällen „Kohl“ und „Kanther“. Im „Fall Kohl“135 wurden verdeckte Parteispenden auf Treuhandanderkonten der CDU überwiesen und letztendlich für Werbemaßnahmen der Partei unmittelbar verwendet oder als „sonstige Einnahmen“ in das Rechenwerk der CDU eingestellt. Im „Fall Kanther“136 existierte eine schwarze Kasse in der Form eines schweizerischen Treuhandanderkontos aus verdeckten Parteispenden, die anschließend auf ein Konto einer liechtensteinischen Stiftung transferiert wurde. Dieses verdeckte Sondervermögen der CDU war am Ende auf andere CDU-Konten zurückgeflossen und wurde ausschließlich zum Zwecke der Partei und zur Unterstützung ihrer Teilverbände verwendet.
134 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 9. Eine Strafbarkeit wegen Betrugs gem. § 263 StGB gegenüber dem Staat könnte dann auch in Betracht kommen, wenn der Täter durch die schwarze Kasse die reale Vermögenslage der Partei verschleiert und dadurch den Staat täuscht, um eine größere Parteienfinanzierung für seine Partei zu bekommen; vgl. hierzu Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 16, Fn. 2; Saliger, Parteiengesetz, S. 493 ff.; ders., NStZ 2007, 545, 546, Fn. 8; vgl. auch Schwind, NStZ 2001, 349, 349, Fn. 4; eine Betrugsstrafbarkeit bejahen Maier (Maier, NJW 2000, 1006, 1007 f.) und Hefendehl (Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 StGB Rn. 686). 135 LG Bonn, NStZ 2001, 375. 136 BGHSt 51, 100 ff.
IV. Die Motive zur Bildung schwarzer Kassen51
3. Motive zur Bildung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft Im privatwirtschaftlichen Bereich werden schwarze Kassen zumeist zur Bereitstellung von Bestechungsgeldern gebildet. Schwarze Kassen werden aber auch oftmals zur Vergabe von verdeckten Parteispenden gebildet. Üblicherweise werden schwarze Kassen innerhalb privater Unternehmen auch mit dem Zweck aufgebaut, die interne oder externe Kontrolle zu vermeiden oder Schwarzgeld zu verschleiern bzw. zukünftige Geldwäschehandlungen vorzunehmen. a) Einrichtung der schwarzen Kassen zu zukünftigen „nützlichen Aufwendungen“ (sog. „Schmiergeldzahlungen“, „Kick-Back“-Zahlungen) Im privatwirtschaftlichen Bereich steht die Bildung der schwarzen Kassen in engem Zusammenhang mit korruptiven Handlungen bzw. mit sog. „KickBack“-Zahlungen („Schmiergeldzahlungen“137)138. Zuerst muss erklärt werden, was unter den Termin „Schmiergeldzahlung“ bzw. „Kick-Back“-Zahlung verstanden wird. Von „Kick-Back“ wird gesprochen, wenn dem Vertreter einer vertragsschließenden Partei (z. B. dem Geschäftsführer einer GmbH) vom Geschäftspartner (oder dessen Vertreter) im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss oder der Vertragsdurchführung wirtschaftliche Vorteile gewährt werden, die die vertretene Gesellschaft an den Partner erbracht hat139. 137 Aus dem Schrifttum zu „Kick-Back“-Zahlungen s. Bernsmann, StV 2005, 576 ff.; ders., GA 2007, 219, 233 ff.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 664 ff.; Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 5 Rn. 189 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 231 f.; Fischer, § 266 StGB Rn. 75 a, 117 ff., 132 ff.; Kraatz, ZStW 122 (2010), 521 ff.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1153 ff.; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 275 ff.; Lüderssen, in: FS-Müller-Dietz, S. 467 ff.; Rönnau, in: FS-Kohlmann, S. 239 ff.; ders., ZStW 119 (2007), 887, 919 ff.; Saliger, NJW 2006, 3377 ff.; Schünemann, NStZ 2006, 196, 199 ff.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 353 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 138 ff.; Tiedemann, in: FS-Lampe, S. 759 ff. 138 Satzger bezeichnet die schwarzen Kassen als „korruptionsaffines“ Phänomen (Satzger, NStZ 2009, 297, 297). 139 Bernsmann, StV 2005, 576, 576; ders., GA 2007, 219, 233; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 664; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 231; Schwaben, NStZ 2002, 636, 636; zum Begriff s. auch Rönnau, in: FSKohlmann, S. 240; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 65; Thalhofer, Kick-Backs, S. 26 ff.
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Dieses korruptives Phänomen ist von untreuespezifischer Relevanz auf beiden Seiten, d. h. sowohl seitens des Gebers der Schmiergeldzahlung als auch seitens des Empfängers durch die Entgegennahme von Bestechungsgeldern140 („leistende“ und „empfangende“ Seite141). Betreffend die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Ersteren als Untreue gem. § 266 StGB muss zwischen dessen Strafbarkeit durch die Bildung einer schwarzen Kasse zur Bereitstellung von Bestechungsgeldern und seiner Strafbarkeit durch die spätere Zahlung von Bestechungsgeldern aus den schwarzen Kassen unterschieden werden. In privaten Unternehmen werden die schwarzen Kassen meistens zur Vorbereitung von Bestechungszahlungen zur Erlangung lukrativer Aufträge eingerichtet142. Durch die Bildung der schwarzen Kasse wird die Schmiergeldzahlung sowohl zu Gunsten des Geschmierten als auch des Schmierenden leichter geheimgehalten, was für die Vermeidung ihrer Strafverfolgung wegen Bestechlichkeit bzw. Bestechung notwendig ist. Typisches Beispiel der Schaffung einer schwarzen Kasse zu „nützlichen Aufwendungen“ ist die „Siemensaffäre“. Nach Auffassung des 2. Strafse140 Die Frage, ob der Empfänger von Bestechungsgeldern sich wegen Untreue gem. § 266 StGB strafbar macht, wenn der Geschäftsherr der Entgegennahme von den Bestechungsgeldern nicht zugestimmt hat bzw. wenn sie ihm unbekannt ist, wird in Literatur und Rechtsprechung bejaht [Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 354 ff.; a. A. Lüderssen, in: FS-Müller-Dietz, S. 475 f.; Rönnau, GA 119 (2007), 887, 919 f.; Bernsmann, StV 2005, 576 ff.; ders., GA 2007, 219, 233 ff.; gegen Bernsmann, der nur eine Bestechungsstrafbarkeit gem. §§ 299, 331 ff. StGB bejaht, s. Saliger, NJW 2006, 3377, 3378; hierzu vgl. auch Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 5 Rn. 199 ff.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1156 ff.; Schünemann, NStZ 2006, 196, 199 ff.; Thalhofer, Kick-Backs, S. 26 ff.], bleibt jedoch in dieser Arbeit ausgeklammert. Hier wird nur die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Gebers (insbes. die Bildung schwarzer Kassen als Vorbereitungshandlung zur späteren Zahlung von Bestechungsgeldern) als Untreue gem. § 266 StGB untersucht. 141 Lüderssen, in: FS-Müller-Dietz, S. 469, 475; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 353; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 919; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1154; Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 655; Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 5 Rn. 190. 142 Bernsmann, GA 2007, 219, 231, 232, 233; ders., GA 2009, 296, 300, 308 f.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 656, 699; Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 5 Rn. 191 ff.; Colombo, in: Korruption, S. 148 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 211; Fischer, § 266 StGB Rn. 75, 132; Kempf, in: FSHamm, S. 262 ff.; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1176; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45c; Richter, GmbHR 1984, 137, 143 (in GmbHs); Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 713; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 141b; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 191; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 6; Weimann, Schwarze Kassen, S. 25 ff.
IV. Die Motive zur Bildung schwarzer Kassen53
nats des BGH „existierte im Geschäftsbereich der Siemens-PG … ein etabliertes System zur Leistung von Bestechungsgeldern (sog. nützlichen Aufwendungen)“143. Dadurch zahlte die Siemens-PG mehrere Millionen Euro Schmiergeld an Angestellte des Energiekonzerns ENEL und bekam zwei Aufträge zur Lieferung von Gasturbinen für Stromerzeugungsanlagen in Höhe von 132, 5 Mio. Euro und 205, 6 Mio. Euro. Weiterhin eröffnete der Haupttäter T. im sog. „Kölner Müllskandal“144 ein schweizerisches Konto, das als „Kriegskasse“ zur Finanzierung „nützlicher Aufwendungen“ diente, insbesondere um im Inlands-, vornehmlich aber im Auslandsgeschäft bei Entscheidungsträgern eine „politische Grundbe reitschaft“ herzustellen. So überwies er aus diesem verdeckten Konto 1,5 Mio. DM an einen Bonner Lokalpolitiker und 1,1 Mio. DM an zwei unbekannte Personen in Nordspanien, um dort „Türen zu öffnen“. Die jüngste strafrechtliche Praxis (namentlich die Siemens / ENEL-Entscheidung) hat gezeigt, dass die bloße Bildung einer schwarzen Kasse im Vorfeld einer Bestechungshandlung pönalisiert und als „Mittel der Korruptionsbekämpfung“145 verwendet wird, wenn ein Korruptionstatbestand gem. §§ 299 f. bzw. §§ 331 ff. StGB nicht bzw. noch nicht erfüllt ist146. So verurteilte das Darmstädter Landgericht beide Angeklagten im Fall Siemens / ENEL wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr gem. § 299 StGB. Der 2. Strafsenat des BGH hob mit seiner Entscheidung vom 29.08.2008 das Urteil des LG Darmstadt betreffend die Verurteilung wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr mit der Begründung auf, dass die Bestechung im ausländischen Wettbewerb erst seit einer Änderung des § 299 StGB im Jahr 2002 strafbar geworden ist und zur Tatzeit noch nicht strafbar gewesen war147. Eine Strafbarkeit gem. § 299 StGB konnte im zugrunde liegenden Fall nicht in Betracht kommen, da die Siemens-PG der einzige deutsche Wettbewerber war. Eine Strafbarkeit gem. § 334 StGB – wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Revision gegen das Urteil des LG Darmstadt forderte – konnte auch nicht bejaht werden, weil nach einer autonomen Auslegung des Begriffs des Amtsträgers aufgrund des OECD-Übereinkom143 BGH,
NJW 2009, 89, 89. StV 2011, 20, 20, Rn. 11. 145 Satzger, NStZ 2009, 297, 298, auch 306; ähnl. Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262. 146 Satzger, NStZ 2009, 297, 298 f.; Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 66, 76; vgl. auch Perron, GA 2009, 219, 222; Bernsmann, StV 2005, 576, 578. 147 BGH, NJW 2009, 89, 92 ff.; zust. Knauer, NStZ 2009, 151, 153; Pelz, ZIS 2008, 333 ff.; Ransiek, NJW 2009, 95, 95; Rönnau, StV 2009, 246, 251; Satzger, NStZ 2009, 297, 305 f.; Schmidt / Fuhrmann, in: FS-Rissing-van Saan, S. 585 ff.; vgl. auch Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 60 ff.; Schuster / Rübenstahl, wistra 2008, 201, 205 ff. 144 BGH,
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
mens über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr die begünstigten ENEL-Mitarbeiter keine ausländischen Amtsträger waren148. Ein derartiger Missbrauch des Untreuetatbestandes in Fällen mangelnder strafrechtlicher Relevanz i. S. d. §§ 299 f. bzw. §§ 331 ff. StGB oder mangelnder Beweisbarkeit149 kann die Untreue in ein „Korruptionsvorfelddelikt“150 bzw. ein „Begleitdelikt in Korruptionsfällen“151 umwandeln; Kempf spricht ferner richtig von einer „bestechenden Untreue“152. Der Missbrauch des Untreuetatbestandes als „Auffangtatbestand zur Verfolgung von Korruption“153 durch die Pönalisierung der Bildung schwarzer Kassen als Vorbereitungshandlung von Korruptionsdelikten darf daher keine Zustimmung erfahren. Die Bildung schwarzer Kassen („Kriegskassen“) als Vorbereitungshandlung von Bestechungsdelikten könnte nur der Gesetzgeber unter Strafe stellen. b) Einrichtung der schwarzen Kassen zu verdeckten Parteispenden Die Spenden an politischen Parteien können bei der Bildung schwarzer Kassen in zweierlei Hinsicht (d. h. nicht nur auf der Nehmerseite der politischen Partei154 sondern auch auf der Geberseite der Spender) eine maßgebende Rolle spielen. Um Zuwendungen an politische Parteien zu verdecken 148 BGH, NJW 2009, 89, 94 f.; zust. Knauer, NStZ 2009, 151, 153; Rönnau, StV 2009, 246, 251; Satzger, NStZ 2009, 297, 304 f.; Schmidt / Fuhrmann, in: FSRissing-van Saan, S. 585 ff.; vgl. auch Schuster / Rübenstahl, wistra 2008, 201, 202 ff. Die Strafbarkeit der Angeklagten wegen Bestechung gem. §§ 299 bzw. 334 StGB überschreitet die Grenzen dieser Arbeit und wird weitergehend nicht untersucht (mehr dazu s. Rönnau, StV 2009, 302 ff.). 149 Zu möglichen Strafbarkeitslücken der Korruptionstatbestände vgl. Satzger, NStZ 2009, 297, 298. 150 Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 66; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77; ähnl. Marxen / Taschner, EWiR 2009, 253, 254; Reinhold, HRRS 2009, 107, 110 f.; Pelz, ZIS 2008, 333 ff.; Satzger, NStZ 2009, 297, 298; Schuster / Rübenstahl, wistra 2008, 201 ff.; a. A. Ransiek, NJW 2009, 95, 95 (Nach Ransiek wäre eine solche Kritik zu einfach, weil Bestechung und Untreue unterschiedliche Rechtsgüter (Wettbewerb bzw. Vermögen) schützen. Außerdem setzt die Bestechung nicht zwingend voraus, dass zuvor schwarze Kassen gebildet werden; schwarze Kassen können auch anderen Zwecken dienen). 151 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 655 ff. (im Titel). 152 Kempf, in: FS-Hamm, S. 255 (im Titel). 153 Dierlamm, in: FS-Widmaier, S. 615; s. auch Böttger, Wirtschaftsstrafrecht, Kap. 5 Rn. 189, der die Untreue als den „kleine(n) Bruder“ der Korruption beschreibt. 154 Ausf. dazu s. A. IV. 2.
V. Ergebnisse der kriminologischen Untersuchung55
und sie geheimzuhalten, werden nicht nur in politischen Parteien, sondern auch in privaten Unternehmen oftmals schwarze Kassen gebildet155. Dadurch werden die Parteispenden bereitgestellt und vor der Öffentlichkeit geheimgehalten. c) Weitere Motive zur Einrichtung schwarzer Kassen in privaten Unternehmen Ähnlich wie der Haushaltsgrundsatz der Jährlichkeit in der öffentlichen Verwaltung können Etatüber- oder Etatunterschreitungen auch innerhalb großer privaten Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer schwarzen Kasse spielen156. In der Privatwirtschaft kann außerdem oftmals das Motiv zur Einrichtung einer schwarzen Kasse darin bestehen, die Kontrolle interner, nämlich vom Geschäftsherrn bzw. Finanzberater (z. B. Buchprüfung) oder externer Prüfungsinstanzen (z. B. Steuerfahndung) zu vermeiden157. Im letztgenannten Fall hat der Vermögensträger regelmäßig Kenntnis von der Existenz der schwarzen Kasse bzw. er „betreibt“ die Verheimlichung. Dann kann zusätzlich eine Steuerhinterziehung gem. § 370 AO in Betracht kommen158. Schließlich können schwarze Kassen in privaten Unternehmen zu dem Zweck eingerichtet werden, die Herkunft von Geldern, die aus rechtswidrigen Handlungen herrühren („Schwarzgeld“), zu verbergen, sowie auch zu dem Zwecke zukünftiger Geldwäschehandlungen159. Erwähnenswert ist, dass auch hier der Vermögensträger normalerweise Kenntnis von der Existenz der schwarzen Kasse hat.
V. Ergebnisse der kriminologischen Untersuchung der schwarzen Kassen Eine schwarze Kasse liegt vor, wenn der Treunehmer zu betreuende Geldmittel unter Verletzung von bestimmten Vorschriften bzw. ihm obliegenden Pflichten einer Sonderkasse bzw. einem Sonderkonto zuführt und deren 155 Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1176; Fischer, § 266 StGB Rn. 76; Weimann, Schwarze Kassen, S. 27; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 9; Colombo, in: Korruption, S. 152 f. 156 Weimann, Schwarze Kassen, S. 24 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 7. 157 Satzger, NStZ 2009, 297, 298. 158 Vgl. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 7; Weimann, Schwarze Kassen, S. 28; Colombo, in: Korruption, 1998, S. 150. 159 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 8; auch Colombo, in: Korruption, S. 150; Weimann, Schwarze Kassen, S. 28.
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A. Schwarze Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht
Existenz vor dem Vermögensinhaber bzw. der zuständigen Stelle geheimhält, um sie im Regelfall (aber nicht immer), im materiellen Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden160. Es ist zwischen der Bildung und der Verwendung schwarzer Kassen zu unterscheiden161. Eine Untreuestrafbarkeit gem. § 266 StGB kann in beiden Phasen in Betracht kommen. Der Begriff „schwarze Kassen“ wird als Oberbegriff verwendet und umfasst sowohl aus Bargeld bestehende schwarze Kassen als auch schwarze Konten und Treuhand(ander)konten als deren Unterfall162. Schwarze Kassen werden in der öffentlichen Verwaltung, in politischen Parteien und in privaten Unternehmen aufgebaut. Die früheren Urteile der deutschen Strafgerichte befassten sich fast ausschließlich mit der Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich, die eine typische Fallgruppe der Haushalts- oder Amtsuntreue bildet163. Die politischen Skandale innerhalb der CDU haben gezeigt, dass schwarze Parteikassen auch im parteipolitischen Bereich aufgebaut werden können, um die Annahme verdeckter Parteispenden zu verheimlichen164. Die Bildung schwarzer Kassen in politischen Parteien wird als eine wesentliche Erscheinungsform der Parteienuntreue betrachtet. Die Einrichtung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft ist in neuester Zeit wegen des „Siemens / ENEL-Falls“ höchst aktuell geworden165. Schwarze Kassen werden in den letzten Jahrzehnten innerhalb privater Unternehmen, vor allem Kapitalgesellschaften, üblicherweise zur Vorbereitung von Bestechungszahlungen gebildet (sog. „Kriegskassen“) und sind mit Korruptionsdelikten eng verbunden166.
160 Vgl. 161 Vgl. 162 Vgl. 163 Vgl. 164 Vgl. 165 Vgl. 166 Vgl.
A. A. A. A. A. A. A.
I. 1. I. 2. II. III. 1., A. IV. 1. III. 2., A. IV. 2. III. 3. IV. 3. a).
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB Die Untersuchung der Untreuestrafbarkeit bei der Bildung schwarzer Kassen wirft zahlreiche Fragen auf. Der Schwerpunkt der Problematik liegt zwar auf dem objektiven Merkmal des Vermögensnachteils; dieser sollte jedoch nicht vorschnell bejaht oder verneint werden. Zuerst ist die kritische Auseinandersetzung mit den anderen objektiven Tatbestandsmerkmalen notwendig. So stellen sich die erheblichen Fragen, ob die Bildung einer schwarzen Kasse den Missbrauchs- oder den Treubruchstatbestand verwirklicht, welche Vorschriften bzw. Pflichten durch die Bildung der schwarzen Kasse verletzt werden, ob § 266 StGB durch Tun oder Unterlassen begangen worden ist, sowie die Frage, ob die (mutmaßliche) Zustimmung des Vermögensinhabers bei der Bildung der schwarzen Kasse die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes des § 266 StGB ausschließt. Im Anschluss daran ist der Vermögensnachteil sowohl in der Form des Gefährdungsschadens als auch in der Form des endgültigen Vermögensschadens zu prüfen. Zuletzt muss die subjektive Tatseite der Bildung schwarzer Kassen i. S. d. § 266 StGB untersucht werden.
I. Der Untreuetatbestand – Geschütztes Rechtsgut und Deliktscharakter Es wird in der Lehre allgemein anerkannt, dass § 266 StGB zu den am schwierigsten zu handhabenden Vorschriften des StGB gehört1. Schon die Meinungen, die Untreue „pass[e] immer“2, werde „allzuoft missver standen“3 oder diene als eine „Allzweckwaffe“4, sowie die Feststellung, „sofern nicht einer der klassischen alten Fälle der Untreue vorliegt, weiß kein Gericht und keine Anklagebehörde, ob § 266 StGB vorliegt oder 1 Schreiber / Beulke, NJW 1977, 656, 657; Labsch, Jura 1987, 343, 343; Seier / Martin, JuS 2001, 874, 874; vgl. auch Dahs, NJW 2002, 272, 273; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 1 (Er kennzeichnet die Untreue „als das dunkelste und verworrenste Kapitel des Besonderen Teils“). 2 Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 634. 3 Dahs, NJW 2002, 272, 272. 4 Hamm, NJW 2005, 1993, 1994; Perron, GA 2009, 219, 222; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 5.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
nicht“5, zeigen die Komplexität und Schwierigkeiten des § 266 StGB explizit auf. Die Unklarheiten verweisen namentlich auf die Weite des objektiven Untreuetatbestandes. Der objektive Tatbestand des § 266 StGB, insbesondere in der zweiten Variante des Treuebruchs, ist schon äußerst weit und hat einen Teil der Lehre dazu geführt, von der „Un- bzw. Unterbestimmtheit“ des Untreuetatbestandes zu sprechen6. So behauptet Schünemann: „Außer dem Zufügen eines Nachteils wird in den Treubruchsformen als Tatbestand nur die Verletzung der Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen bezeichnet. Die Tathandlung, die erst die Pflichtverletzung begründet, wird nicht näher umschrieben“7. Auch Dierlamm weist darauf hin, dass der Treubruchstatbestand „nicht einmal eine Tätigkeitsform enthält, die ‚die Tat‘ beschreibt (wie beim Diebstahl das Wegnehmen, beim Betrug das Täuschen)“8. In ähnlicher Weise enthält § 266 StGB nach Fischer „keine Handlungsbeschreibung“9. Saliger betont des Weiteren, dass der Untreuetatbestand „notorisch unterbestimmt“10 und „im Eigentums- und Vermögensstrafrecht des Strafgesetzbuchs das Delikt mit dem weitesten Tatbestand“11 ist. Und das Bundesverfassungsgericht nimmt an, dass „der Untreuetatbestand in beiden Varianten sehr abstrakt formuliert und von großer Weite ist“12. Die Weite und Unbestimmtheit des Untreuetatbestandes hat mehrmals zu Bedenken gegen die Vereinbarkeit des § 266 StGB mit dem Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 II GG geführt13. Es muss aber hervorgehoben werden, dass die h. M. die Verfassungswidrigkeit des § 266 StGB ablehnt und dessen 5 Mayer,
Materialien, S. 337. BGHSt 51, 100, 121; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Dierlamm, NStZ 1997, 534, 535; Hamm, NJW 2005, 1993, 1993; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 640 ff.; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 892; Saliger, ZStW 110 (2000), 563, 611; ders., HRRS 2006, 10, 16; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 4, 67; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 39 f., 48; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Weber, in: FS-Dreher, S. 560. Zur Un- bzw. Unterbestimmtheit des objektiven Tatbestandes des § 266 StGB im Hinblick auf die Vermögensgefährdung s. B. V. 1. c) aa) (1) (a). 7 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 29. 8 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 3. 9 Fischer, § 266 StGB Rn. 5. 10 Saliger, HRRS 200, 10, 12. 11 Saliger, ZStW 110 (2000), 563, 563. 12 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3213, Rn. 92. 13 Zu Stimmen gegen die Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestandes, namentlich des Treubruchstatbestandes, s. Arzt, in: FS-Bruns, S. 366 f.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 3 ff.; Fabricius, NStZ 1993, 414, 415; Gribbolm, JuS 1965, 389, 391; Hamm, NJW 2005, 1993, 1993; Kargl, ZStW 113 (2001), 565, 576, 589 f.; Labsch, Untreue, S. 177 ff., 201 f. 6 Vgl.
I. Untreuetatbestand – Geschütztes Rechtsgut und Deliktscharakter59
restriktive Auslegung (insbesondere der zweiten Tatbestandsalternative des Treuebruchs) im Hinblick auf die Vermögensbetreuungspflicht verlangt14. Zweckmäßigerweise soll vor der Auseinandersetzung mit den einzelnen objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen der Untreue zuerst das durch § 266 StGB geschützte Rechtsgut bestimmt werden, um das kriminalpolitische Bedürfnis des Untreuetatbestandes im StGB klarzustellen. Wenn ein Vermögensinhaber einem Dritten die Verwaltung seines Vermögens überträgt, „erhält der Treunehmer eine große und gefährliche Möglichkeit, das fremde Vermögen zu schädigen“15. Aus dieser Verletzung des Vermögens „von innen heraus“16 ergibt sich, dass die Untreue „legitimierbar“ und „unverzichtbar im Vermögensstrafrecht“17 ist. In diesem Sinne wird nach ganz h. M. durch § 266 StGB allein das Vermögen geschützt18. Die Auffassungen, dass die Befriedigungsinteressen oder das Vertrauen des Geschäftsherrn in die Pflichttreue des Täters oder in die Redlichkeit des Rechts- und Wirtschaftsverkehrs durch § 266 StGB – neben dem Vermö14 So etwa im Schrifttum Fischer, § 266 StGB Rn. 5; Matt, NJW 2005, 389, 389, 390 f.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 1, 22; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 4; ders., ZStW 112 (2000), 563, 563; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 29 ff.; vgl. auch Dahs, NJW 2002, 272, 273; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 640 ff. So etwa in der Rechtsprechung BVerfG Beschl. v. 10.03.2009, NJW 2009, 2370, 2370, Rn. 20 ff.; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 85. 15 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 3; ähnl. Weimann, Schwarze Kassen, S. 131. 16 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 1; ders., NStZ 2005, 473, 474; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 3; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 2; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 890; ders., ZStW 122 (2010), 299, 303; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 87. 17 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 3; ders., HRRS 2006, 10, 17; ders., JA 2007, 326, 327; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 891; vgl. Schünemann, NStZ 2005, 473, 474; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 7, 20; ähnl. Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 6 ff. 18 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 1; ders. in: FS-Widmaier, S. 614, 615; Fischer, § 266 StGB Rn. 2; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 82; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 187; ders., in: FS-Samson, S. 297; Kempf, in: FS-Hamm, S. 267; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; ders., BT II, § 34 Rn. 1; ders., in: FS-Lampe, S. 709, 722; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 1; ders., JuS 1989, 505, 505; Labsch, Jura 1987, 343, 343; Matt, NJW 2005, 389, 389; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 1; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 1; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 890; ders., ZStW 1222 (2010), 299, 302; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50; ders., Parteiengesetz, S. 420, 421, 425; ders., ZStW 110 (2000), 563, 581; Samson, JA 1989, 510, 510; Satzger, NStZ 2009, 297, 302; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 28; Seelmann, JuS 1982, 914, 916; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 10, 12; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 747; BGHSt 8, 254, 255; BGHSt 28, 371, 373; BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301; BGHSt 50, 331, 342; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 86.
60
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
gen – mitgeschützt werden, sind abzulehnen19. Es wird außerdem zutreffend angenommen, dass die Dispositionsbefugnis bei § 266 StGB lediglich ein Element der Pflichtverletzung ist, und kein mitgeschütztes Rechtsgut20. Um die Funktion der Untreue im Vermögensstrafrecht festzumachen und sich anschließend mit der Untreuestrafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen auseinanderzusetzen, muss vorher auch ihr Deliktscharakter hervorgehoben werden. Untreue wird als Erfolgsdelikt21 eingeordnet. Das bedeutet, dass die Verwirklichung des Untreuetatbestandes einen Taterfolg verlangt, der sich von der Tathandlung unterscheidet. Die Tathandlung besteht in der Verletzung von Pflichten bzw. Vorschriften und der Taterfolg ist der Eintritt eines Vermögensnachteils, entweder in der Form des effektiven Vermögensschadens oder in der Form des Gefährdungsschadens. Die Unterscheidung von Tathandlung und Taterfolg ist aber bei § 266 StGB besonders schwierig. Das pflichtwidrige Verhalten des Treunehmers führt normalerweise zu einem Vermögensnachteil und ein Vermögensnachteil ist genau wegen des pflichtwidrigen Verhaltens des Treunehmers eingetreten. Saliger behandelt diese Schwierigkeit als Strukturproblem der Untreue und kennzeichnet den Rückschluss vom Taterfolg auf die Tathandlung (und umgekehrt) als „Verschleifung von Handlung und Erfolg“22. Die Untreue ist weiterhin als Erfolgsdelikt in Form eines Verletzungsdelikts ausgestaltet23. Sie wird verwirklicht, wenn das fremde Vermögen durch 19 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 28; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; Fischer, § 266 StGB Rn. 2; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 1; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 1; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 11; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 747; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 1; BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 86. 20 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; ders., Parteiengesetz, S. 29; ders., ZStW 110 (2000), 563, 581; auch BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301; a. A. Volk, Art. Haushaltsuntreue, in: Handwörterbuch, S. 3; ders., Gutachten, S. 469. Zur Betrachtung der Dispositionsfreiheit als eigenständiges Rechtsgut bei § 266 StGB vgl. auch B. V. 3. a). 21 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 100; Fischer, StraFo 2008, 269, 271; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50; ders., Parteiengesetz, S. 420; ders., HRRS 2006, 10, 14. 22 Saliger, Parteiengesetz, S. 420 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 8; ders., ZStW 112 (2000), 563, 610 f.; ders., HRRS 2006, 10, 14; auch Matt, NJW 2005, 389, 390; Volk, Art. Haushaltsuntreue, in: Handwörterbuch, S. 2; ders., in: FSHamm, S. 805 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 638; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 6; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3215, Rn. 113. 23 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 100; Hefendehl, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 187; ders., in: FS-Samson, S. 297; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50.
I. Untreuetatbestand – Geschütztes Rechtsgut und Deliktscharakter61
den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Geschäftsherrn verletzt wird. Dies gilt auch, wenn die Vermögensgefährdung in einem Vermögensnachteil besteht. Es reicht nicht aus, wenn das fremde Vermögen nur gefährdet wird. Eine Vermögensgefährdung kann einen Vermögensnachteil im Sinne des Untreuetatbestandes nur dann begründen, wenn sie bereits eine Minderung des Vermögenswerts darstellt. Die Untreue ist auch ein reines Fremdschädigungsdelikt24, denn es wird das Vermögen eines anderen, d. h. des Geschäftsherrn, von innen verletzt. Im Gegensatz zum Betrug, der ein Delikt unbewusster Selbstschädigung ist, genügt für den Eintritt des Vermögensnachteils bei der Untreue das pflichtwidrige Handeln des Täters, der das fremde Vermögen des Opfers von innen angreift. § 266 StGB kann des Weiteren als Sonderdelikt25 lediglich von vermögensbetreuungspflichtigen Personen begangen werden. Außenstehende können nur als Teilnehmer bestraft werden, wenn sie an einer Haupttat eines Vermögensbetreuungspflichtigen mitgewirkt haben. Darüber hinaus setzt die Verwirklichung der subjektiven Tatseite des § 266 StGB – im Gegensatz zum Betrug – keine Bereicherungsabsicht voraus26. Die Untreue ist – anders als Betrug – kein Vermögensverschiebungsdelikt27. 24 Kindhäuser, BT II, § 34 Rn. 1; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 29; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748. 25 Fischer, § 266 StGB Rn. 185; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 12; ders., BT II, § 34 Rn. 3; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 2; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9, 16, 52; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 52; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 108; Satzger, NStZ 2009, 297, 299; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 160, 162; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 10, 104; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 61 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 781. 26 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 105; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 225; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; ders., in: FS-Tiedemann, S. 739; ders., GA 2009, 219, 228; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 67; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 30; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 17, 40; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748. 27 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 2; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; ders., BT II, § 34 Rn. 1; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; ders., in: FS-Tiedemann, S. 739; ders., GA 2009, 219, 228; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 30; Wes-
62
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Es muss schließlich hervorgehoben werden, dass im deutschen StGB der Untreueversuch straflos ist28. Die Straflosigkeit des Untreueversuchs ist für die mit § 266 StGB verbundenen Rechtsprobleme (wie z. B. die Vermögensgefährdung als Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB) von zentraler Bedeutung, weil sie die Grenze zwischen straflosem Handeln (bloßer Versuch) und strafbarem Verhalten (vollendetes Delikt) aufzeigt.
II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung i. S. d. § 266 StGB 1. Die Tatbestandsalternativen der Untreue gem. § 266 StGB § 266 StGB enthält zwei Tatbestandsalternativen, den Missbrauchs- und den Treubruchstatbestand29. Den Missbrauchstatbestand gem. § 266 I 1. Alt. StGB verwirklicht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht. Den Treubruchstatbestand gem. § 266 I 2. Alt. StGB verwirklicht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag, Rechtsgeschäft oder Treueverhältnis obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt. Fraglich ist das Verhältnis der Tatbestandsalternativen zueinander. Von der Beantwortung dieser Frage hängt ab, ob die Verwirklichung beider Begehungsformen das Bestehen der Pflicht verlangt, fremde Vermögens interessen zu betreuen, oder ob eine solche Pflicht nur für den Treubruchstatbestand erforderlich ist. Der Meinungsstand in der Literatur ist uneinheitlich. Die herrschende Ansicht nimmt aufgrund des Wortlauts der Norm sels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748. Mehr zum Fehlen einer Bereicherungsabsicht bei § 266 StGB s. B. V. 1. c) aa) (2) (b) sowie B. VI. II. 28 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3213 f., Rn. 100; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 12; ders., NStZ 1997, 534, 535; Günther, in: FS-Weber, S. 312; Hamm, NJW 2005, 1993, 1994; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; Matt, NJW 2005, 389, 390; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 217 ff.; Perron, GA 2009, 219, 228; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 731; ders., ZStW 122 (2010), 299, 305 f.; Saliger, ZStW 2000 (110), 563, 565; ders., HRRS 2006, 10, 12; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 22, 32; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 40, 48; Weimann, Schwarze Kassen, S. 126. Zur Straflosigkeit des Untreueversuchs im Hinblick auf die Vermögensgefährdung s. B. V. 1. c) aa) (2) (c). 29 § 266 StGB kombiniert die Missbrauchs- und die Treubruchstheorie der Untreue (ausf. hierzu s. Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 4 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 11; ders., BT II, § 34 Rn. 2; Mayer, Materialien, S. 339 ff.; Weber, in: FS-Dreher, S. 557 ff.).
II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung63
und der Einführung des § 266b im StGB die sog. „streng monistische Untreuetheorie“30 an, nach welcher beide Tatbestandsalternativen eine Vermögensbetreuungspflicht mit gleichem Inhalt voraussetzen. Dies wird auch in der Rechtsprechung seit dem sog. „Scheckkarten-Urteil“ überwiegend angenommen31. Der Missbrauchstatbestand ist in dieser Hinsicht ein „spezieller“ („ausgestanzter“) Unterfall des „umfassenderen“ Treubruchstatbestandes32. Unzweifelhaft ist hingegen, dass beide Tatbestände den Eintritt eines Vermögensnachteils entweder in der Form des effektiven Schadens oder in der Form der Vermögensgefährdung voraussetzen. Im Folgenden werden die Tatbestandsvarianten des § 266 I StGB im Einzelnen geprüft, um anschließend die Frage zu beantworten, ob die Bildung einer schwarzen Kasse den Missbrauchs- oder den Treubruchstatbestand verwirklicht. 2. Die Missbrauchsuntreue gem. § 266 I 1. Alt. StGB Die erste Tatbestandsalternative (der Missbrauchstatbestand) gem. § 266 I 1. Alt. StGB wird verwirklicht, wenn der Täter die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nach30 Fischer, § 266 StGB Rn. 6; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 21; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 15, 18; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 4; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 45 Rn. 11, 18; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 6; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 24; Schreiber / Beulke, NJW 1977, 656, 657; Arzt / Weber, BT, § 22 Rn. 68; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 749 f.; krit. hierzu Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 11 ff.; Labsch, Jura 1987, 343, 344 ff.; Kargl, ZStW 113 (2001), 565, 589 f. Überblick zu den anderen Theorien bei Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 14 ff.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 51 ff.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 4; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 14 ff.; ders., BT II, § 34 Rn. 4 ff.; Kargl, ZStW 113 (2001), 565 ff.: Insbes. zur „eingeschränkten monistischen Theorie“ s. Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 2, 11 ff.; Seelmann, JuS 1982, 914, 917; zur „modifizierten dualistischen Theorie“ s. Labsch, Jura 1987, 343, 346; Otto, JZ 1985, 69, 73; zur „typologischen Theorie“ s. Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 17 ff. 31 BGHSt 24, 386, 387 f. („Scheckkarten-Urteil“); BGHSt 33, 244, 250 („Kreditkarten-Urteil“); BGHSt 35, 224, 227; BGHSt 47, 187, 192; BGHSt 50, 331, 342; BGH, NJW 1984, 2539, 2540. 32 Fischer, § 266 StGB Rn. 6; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 7; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 749; auch Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 21; BGHSt 50, 331, 342.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
teil zufügt. Der Missbrauchstatbestand dient „dem Schutze von Rechtsbeziehungen, durch die einem Beteiligten ein rechtliches Können [nach außen zum Rechtsverkehr] gewährt wird, das über das rechtliche Dürfen [nach innen zum Geschäftsherrn] hinausgeht“33. a) Die Befugnis i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB Der Untreuetäter muss gem. § 266 I 1. Alt. StGB aufgrund einer Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis handeln, die sich auf fremdes Vermögen bezieht. Als Entstehungsgründe dieser Befugnis kommen das Gesetz, der behördliche Auftrag oder das Rechtsgeschäft in Betracht. aa) Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis Der Missbrauchstatbestand setzt als Erstes voraus, dass dem Täter eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis eingeräumt wurde. Befugnis i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB ist die Rechtsmacht des Treunehmers, zivil- oder öffentlich-rechtlich wirksam Verfügungs- oder Verpflichtungsgeschäfte für fremdes Vermögen zu tätigen34. Über fremdes Vermögen verfügt der Treunehmer, wenn er fremde Vermögensrechte in ihrem rechtlichen Bestand ändert, überträgt oder aufhebt35. Auf der anderen Seite verpflichtet der Treunehmer den Vermögensinhaber, wenn er das zu betreuende Vermögen schuldrechtlich mit einer Verbindlichkeit belastet36. Die Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis kann entweder durch rechtsgeschäftliches oder hoheitliches, nicht jedoch auch durch rein tatsächliches Handeln ausgeübt werden37.
33 BGHSt 5, 61, 63; BGHSt 43, 293, 296; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 22; Fischer, § 266 StGB Rn. 9; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 18; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 32; Seier / Martin, JuS 2001, 874, 874. 34 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 20; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 24; Labsch, Jura 1987, 343, 347 ff. 35 Labsch, Jura 1987, 343, 347; Seier / Martin, JuS 2001, 874, 877; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 20; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 4. 36 Labsch, Jura 1987, 343, 350; Seier / Martin, JuS 2001, 874, 877; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 20; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 4. 37 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 20; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 43; Fischer, § 266 StGB Rn. 10; Labsch, Jura 1987, 343, 347; s. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 18, Fn. 10.
II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung65
bb) Befugnis über fremdes Vermögen Die oben genannte Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis muss sich auf fremdes Vermögen beziehen, wobei das Merkmal „fremd“ nach den zivil- und öffentlich-rechtlichen Regeln zu beurteilen ist38. In dieser Hinsicht ist das öffentliche Vermögen für Leiter und Beauftragte einer öffentlichen Behörde sowie für andere Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes fremdes Vermögen39. Gleiches gilt für Parteimitglieder in Bezug auf das parteipolitische Vermögen. Auch bei Kapitalgesellschaften ist das Vermögen nicht nur für den Vorstand einer Aktiengesellschaft und den Geschäftsführer einer GmbH sondern auch für die Anteilseigner bzw. die Gesellschafter fremd40. cc) Entstehungsgründe der Befugnis Die Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis muss gem. § 266 I 1. Alt. StGB dem Täter durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumt worden sein. Rein faktische Einwirkungen auf das fremde Vermögen scheiden daher als Entstehungsgründe der Befugnis beim Missbrauchstatbestand aus. Auf dem Gesetz kann die Befugnis eines Betreuers gem. §§ 1896 ff. BGB, der Eltern gem. §§ 1626 ff. BGB, des Insolvenzverwalters gem. § 80 Abs. 1 InsO, u. a. beruhen41. Ein behördlicher Auftrag als Grundlage einer Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis kommt durch Berufung in ein öffentliches Amt in Betracht, z. B. durch die Wahl eines Bürgermeisters oder die Ernennung eines Finanzbeamten42. Rechtsgeschäf38 Fischer, § 266 StGB Rn. 11; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 19; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 3; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 6; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 25; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 35, 47; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 99; Labsch, Jura 1987, 343, 347. 39 Nach ganz überwiegender Meinung erstreckt sich der Schutzbereich des Untreuetatbestandes gem. § 266 StGB auf sämtliche Untreuehandlungen, nicht nur gegen das private, sondern auch gegen das öffentliche Vermögen (dazu vgl. BGHSt 40, 287; BGHSt 43, 293, 297; BGH, NStZ 2001, 248, 251; vgl. auch Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 94; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 5; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 65). 40 Fischer, § 266 StGB Rn. 13; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 3; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 19; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 201. 41 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 13; Fischer, § 266 StGB Rn. 15 f.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 5a; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 8; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 27. 42 Fischer, § 266 StGB Rn. 17; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 49; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 28; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 14; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 12.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
te, die als Entstehungsgründe der Befugnis in Betracht kommen, sind vor allem die Vollmacht zum Handeln in fremdem Namen (§§ 164, 166 Abs. 2 BGB) und die Ermächtigung zur Verfügung über fremde Rechte im eigenen Namen (§ 185 BGB)43, sowie vertragliche Geschäfte (z. B. Arbeitsverträge, Dienstverträge, Aufträge, Gesellschaftsverträge oder Satzungen)44. Zu den Rechtsgeschäften als Quelle der Befugnis i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB gehören auch die Fälle, in denen einer Person durch Rechtsgeschäft eine bestimmte Stellung eingeräumt worden ist, für die das Gesetz eine Vertretungsbefugnis vorsieht, z. B. die Vertretung einer AG durch Vorstandsmitglieder gem. § 78 AktG oder einer GmbH durch Geschäftsführer gem. § 35 I GmbHG45. Letztlich muss die Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis dem Untreuetäter durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft wirksam eingeräumt werden46. Deswegen begründen die Duldungs- und Anscheinsvollmacht sowie die Gutgläubigkeit nach §§ 932 ff. BGB keine Befugnis beim Missbrauchstatbestand47. b) Die Missbrauchshandlung i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB Die Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen wird missbraucht, wenn der Treunehmer seine Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis („rechtliches Dürfen“, Innenverhältnis) wirksam rechtsgeschäftlich oder hoheitlich nach außen ausübt und diese Innenberechtigung 43 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 15; Fischer, § 266 StGB Rn. 18; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 10; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 29; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 49; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 106. 44 Fischer, § 266 StGB Rn. 18; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 15; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 107. 45 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 29; Fischer, § 266 StGB Rn. 18; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 15; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 49; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 106; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 15, auch 25 ff. 46 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 26; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 20; Fischer, § 266 StGB Rn. 19; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 5a; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 16; Labsch, Jura 1987, 411, 413; Otto, JZ 1993, 652, 659. 47 Fischer, § 266 StGB Rn. 20; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 20; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 24; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 42; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 4; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 45; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 17; Sax, JZ 1977, 743, 746 f.; Labsch, Jura 1987, 411, 412; Otto, JZ 1993, 652, 659; BGHSt 5, 61, 63; BGH, wistra 1992, 66.
II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung67
im Rahmen des „rechtlichen Könnens“ (Außenverhältnis) überschreitet48. Ein Abgleich zwischen interner und externer Rechtsmacht ist daher erforderlich49. Den Missbrauchstatbestand begeht der Täter durch rechtsgeschäftliches oder hoheitliches Handeln; Handlungen rein tatsächlicher Natur reichen nach § 266 I 1. Alt. StGB nicht aus50. Nach überwiegender Ansicht ist der Missbrauch auf zivil- oder öffentlich-rechtlich wirksames Verhalten beschränkt51, so dass unwirksame rechtsgeschäftliche oder hoheitliche Handlungen nicht in den Missbrauchstatbestand einbezogen werden. Kein wirksames rechtsgeschäftliches oder hoheitliches Handeln liegt nach außen vor, wenn der Täter die Grenzen des ihm im Außenverhältnis eingeräumten rechtlichen Könnens überschreitet bzw. wenn er ohne Vertretungsmacht handelt52, z. B. bei kollusivem Zusammenwirken des Treunehmers und des Geschäftspartners (wenn sie arglistig zum Nachteil des Vermögensträgers handeln) sowie bei dem für den Geschäftsherrn evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht53. Ein Missbrauch i. S. d. § 266 I 1. Alt. StGB liegt auch nicht vor, wenn der Täter innerhalb seiner Befugnis handelt, das Rechtsgeschäft aber unwirksam ist (z. B. wenn ein Scheingeschäft nach § 117 BGB abgeschlossen wird) oder wenn die Bevollmächtigung des Täters unwirksam ist (z. B. wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138 48 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 21; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 17; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 22, 118, 121; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 50; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 753; Schreiber / Beulke, in: JuS 1977, 656, 658; Labsch, Jura 1987, 411, 413; Otto, JZ 1993, 652, 659. 49 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 21; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 753. 50 Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 15; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 6; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 43, 44; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 111; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 753; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 21. 51 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 21; Fischer, § 266 StGB Rn. 24; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 6; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 120 f.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 14, 17; Labsch, Jura 1987, 411, 414; a. A. Arzt, in: FS-Bruns, S. 371 ff., 375; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 32 ff. 52 Fischer, § 266 StGB Rn. 25 f.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 21; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 17; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 119; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 43, 111; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 43, 66 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 47; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 51. 53 Fischer, § 266 StGB Rn. 27; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 21; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 17; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 119; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 49; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 68.
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BGB)54. In all diesen Fällen des unwirksamen (rechtsgeschäftlichen oder hoheitlichen) Handelns kommt nur der Treubruchstatbestand gem. § 266 I 2. Alt. StGB in Betracht. 3. Die Treubruchsuntreue gem. § 266 I 2. Alt. StGB Die zweite Tatbestandsalternative des § 266 StGB (der Treubruchstatbestand) kommt in Betracht, wenn der Täter, die ihm durch Gesetz, behörd lichen Auftrag, Rechtsgeschäft oder Treueverhältnis obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, einen Nachteil zufügt. Hieraus folgt, dass beim Treubruchstatbestand gem. § 266 I 2. Alt. StGB eine Vielzahl von vermögensrelevanten Handlungen, die die durch Gesetz, behördlichen Auftrag, Rechtsgeschäft oder Treueverhältnis begründete Vermögensbetreuungspflicht verletzen, zu einer Untreuestrafbarkeit führen kann55. Der Anwendungsbereich der Treubruchsuntreue ist daher in zweierlei Hinsicht weiter als der Anwendungsbereich der Missbrauchsuntreue: Bei der Treubruchsalternative kann die Vermögensbetreuungspflicht auch durch rein faktische Treueverhältnisse begründet werden und die Treubruchsuntreue kann sowohl durch unwirksames rechtsgeschäftliches (oder hoheitliches) als auch durch rein faktisches Handeln begangen werden56. a) Das Treueverhältnis Die Treubruchsuntreue setzt das Vorliegen eines Treueverhältnisses voraus, das nicht nur auf Gesetz, behördlichen Auftrag und Rechtsgeschäft, sondern auch auf bloße tatsächliche Verhältnisse beruhen kann. Dies bedeutet, dass auch rein faktische Einwirkungen auf das fremde Vermögen in den Treubruchstatbestand einbezogen werden. Bei den rein faktischen Verhältnissen gibt es nach ganz überwiegender Ansicht zwei Fallgruppen: rechtsunwirksame und erloschene Rechtsverhält54 Fischer, § 266 StGB Rn. 27; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 119; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 21; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 43. 55 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 3; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 24; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 70; vgl. auch Fischer, § 266 StGB Rn. 50; Güntge, wistra 1996, 84, 85; Hamm, NJW 2005, 1993, 1993 f.; Satzger, Jura 1998, 570, 571; Dierlamm, NStZ 1997, 534, 534; Weber, in: FS-Dreher, S. 560. 56 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 24; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 769; Otto, JZ 1985, 69, 73.
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nisse. Eine dritte Fallgruppe, deren Einbeziehung in die faktischen Treueverhältnisse höchst umstritten ist, bezieht sich auf die gesetzes- oder sittenwidrigen Verhältnisse. Zuerst kommen anfänglich oder rückwirkend rechtsunwirksame Betreuungsverhältnisse als rein tatsächliche Einwirkungen auf fremdes Vermögen in Betracht57. Der Treubruchstatbestand kann daher bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Befugnis bejaht werden, wenn die in Betracht kommenden Rechtsverhältnisse nur faktisch bestehen, z. B. beim Handeln eines faktischen GmbH-Geschäftsführers58. Zweitens sind die zivilrechtlich erloschenen (wirksamen) Betreuungsverhältnisse als tatsächliche Treueverhältnisse zu betrachten. Normalerweise wird das Herrschaftsverhältnis durch das Erlöschen eines wirksamen Rechtsverhältnisses beendet; aber wenn das in Betracht kommende Rechtsverhältnis nach dem (mutmaßlichen) Willen der Beteiligten faktisch fortbesteht, kommt es als rein faktisches Treueverhältnis in Betracht59. Die Meinungen zu den gesetzes- oder sittenwidrigen Verhältnissen (d. h. Verhältnisse, die gesetzes- oder sittenwidrigen Zwecken dienen) sind aber geteilt. Die Rechtsprechung sowie der größte Teil des Schrifttums erkennen die gesetzes- oder sittenwidrigen Verhältnisse – aufgrund der Ordnungsfunktion des strafrechtlichen Vermögensschutzes auch im „Ganovenbereich“ – als rein faktische Treueverhältnisse an und sehen eine Untreuestrafbarkeit gem. § 266 I 2. Alt. StGB auch in der abredewidrigen Verwendung des Vermögens zu gesetzes- oder sittenwidrigen Zwecken (sog. „Ga no ven un treue“)60. Die Gegenansicht stützt sich hingegen auf das Prinzip der Einheit 57 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 26; Fischer, § 266 StGB Rn. 42; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 144; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 63; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 135; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 99; Sax, JZ 1977, 743, 744. 58 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 26, 88; Fischer, § 266 StGB Rn. 42; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 144; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 10; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1114; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 141; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 100; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 177; Ransiek, in: FS-Kohlmann, S. 218 f. 59 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 27; Fischer, § 266 StGB Rn. 43; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 34; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 145; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 62; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 136; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 101 f.; Sax, JZ 1977, 743, 744 ff. 60 BGHSt 8, 254, 258 f.; BGHSt 20, 143, 145 f.; Fischer, § 266 StGB Rn. 44 ff.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 10; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 65; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 774. Ausf. hierzu s. Hillenkamp, 40 Probleme BT, S. 178 ff. Eingehend zur sog. „Ganovenuntreue“ s. B. V. 1. a) ff) (2).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
der Rechtsordnung und lehnt die Untreuestrafbarkeit bei gesetzes- oder sittenwidrigen Verhältnissen ab61. b) Die Treubruchshandlung i. S. d. § 266 I 2. Alt. StGB Der zweite Unterschied zwischen Missbrauchs- und Treubruchstatbestand liegt darin, dass das Treueverhältnis durch unwirksames rechtsgeschäftliches bzw. hoheitliches sowie durch rein tatsächliches Handeln verletzt werden kann62. Der Treubruchstatbestand kommt daher auch bei Fällen unwirksamen rechtsgeschäftlichen oder hoheitlichen Handelns (wenn sie wegen ihrer fehlenden Wirksamkeit nicht unter den Missbrauchstatbestand fallen) sowie bei Fällen rein tatsächlichen Handelns in Betracht. Die Treubruchsuntreue ist außerdem weiter zu fassen als die Missbrauchshandlung, denn sie erfasst auch Vorschriften bzw. Pflichten mit mittelbarem Vermögensbezug, wie z. B. Compliance-Regelungen63. Der mittelbare Vermögensbezug muss im Einzelfall nach dem Zweck der jeweiligen Vorschrift, der Art des jeweiligen Rechtsverhältnisses sowie der Nähe der Pflicht zum Vermögen des Treugebers bestimmt werden64. 4. Die Einordnung schwarzer Kassen in die Tatbestandsvarianten der Untreue Nach der sorgfältigen Prüfung der einzelnen Tatbestandsvarianten der Untreue ist nunmehr die Bildung schwarzer Kassen in den Missbrauchsoder den Treubruchstatbestand einzuordnen. a) Die Entstehungsgründe der Befugnis bzw. Vermögensbetreuungspflicht bei der Bildung schwarzer Kassen Zuerst müssen die Entstehungsgründe beider Tatbestandsalternativen im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen festgestellt werden. 61 Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 31; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 146 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 35; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 139 f.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 45 Rn. 27 f. 62 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 32; Fischer, § 266 StGB Rn. 51 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 35; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 152; Seelmann, JuS 1983, 32, 32. 63 Dazu Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 32; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 37. Eingehend zu den Compliance-Regelungen s. u. B. IV. 2. a) cc) (2). 64 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 32.
II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung71
Das Gesetz kommt als Entstehungsgrund vornehmlich in der öffentlichen Verwaltung in Betracht, da § 9 Abs. 1 BHO einer Person, z. B. dem Leiter oder dem Haushaltsbeauftragten einer öffentlichen Behörde, die sog. „Bewirtschaftungsbefugnis“ verleiht65. In der öffentlichen Verwaltung kommt aber zugleich der behördliche Auftrag als Entstehungsgrund in Betracht, wenn die Bewirtschaftungsbefugnis durch öffentlichen Auftrag auf den Titelverwalter übertragen wird (z. B. auf einen Beamten oder Angestellten)66, oder wenn durch Wahl in ein öffentliches Amt eine gesetzliche Vertretungsbefugnis erworben wird, z. B. die aufgrund seiner Wahl Befugnis des Bürgermeisters als Organ der Gemeinde zu handeln67. Die Befugnis bzw. die Vermögensbetreuungspflicht eines Parteivorsitzenden kann sich sowohl rechtsgeschäftlich (durch eine satzungsmäßige Wahl) als auch gesetzlich (aufgrund § 11 Abs. 3, 4 PartG) ergeben68. Ein Rechtsgeschäft als Entstehungsgrund kommt normalerweise außerdem in den privaten Unternehmen in Betracht, wenn die Befugnis durch einen Arbeitsvertrag, Dienstvertrag, Auftrag, Treuhandvertrag, usw. begründet wird, sowie in den Fällen der Vertretung einer AG durch Vorstandsmitglieder gem. § 78 AktG oder einer GmbH durch Geschäftsführer gem. § 35 I GmbHG69. Schließlich muss hervorgehoben werden, dass bei sonstiger Rechtsunwirksamkeit der Rechtsgeschäfte beim Missbrauchstatbestand sowie bei rein faktischen Treueverhältnissen lediglich der Treubruchstatbestand in Betracht kommt, z. B. wenn ein faktischer Geschäftsführer einer GmbH eine schwarze Kasse einrichtet. b) Die Bildung einer schwarzen Kasse als Missbrauchsoder Treubruchshandlung Bei der Einordnung der Bildung schwarzer Kassen in die Tatbestandsvarianten des § 266 I StGB ist erstens hervorzuheben, dass bei rechtsgeschäft 65 Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 130; Fabricius, NStZ 1993, 414, 415 f.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 42; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 19. 66 Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 130; Weimann, Schwarze Kassen, S. 42 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 19. 67 Weimann, Schwarze Kassen, S. 43; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 19; Fischer, § 266 StGB Rn. 17; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 28; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 14. 68 Saliger, Parteiengesetz, S. 53 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 12. Mehr dazu s. B. III. 2. 69 Dazu vgl. Weimann, Schwarze Kassen, S. 43 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 19; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 15; Fischer, § 266 StGB Rn. 18.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
lichem Handeln beide Tatbestandsalternativen zunächst in Betracht kommen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, welche Untreuevariante vorliegt. Ob der Missbrauchs- oder der Treubruchstatbestand bejaht wird, hängt von der Wirksamkeit des rechtsgeschäftlichen Handelns ab. Der Missbrauchstatbestand scheidet bei rechtsgeschäftlichem oder hoheitlichem Handeln aus, wenn der Täter ohne Vertretungsmacht handelt70 bzw. wenn er seine Befugnis im Außenverhältnis überschreitet (seine Vertretungsmacht missbraucht)71 sowie wenn er wirksam bevollmächtigt ist und rechtsgeschäftlich handelt, aber das Geschäft unwirksam ist72. Dann ist wegen der Rechtsunwirksamkeit des Handelns des Täters die Verwirklichung des Missbrauchstatbestandes zu verneinen und es kann nur der Treubruchstatbestand bejaht werden. Bezogen auf die Bildung schwarzer Konten – einschließlich der Treuhand(ander)konten – bedeutet dies, dass der Missbrauchstatbestand zunächst bejaht werden kann, weil sowohl die Eröffnung eines schwarzen Kontos oder die Überweisung eines Geldbetrags auf ein schwarzes Konto als auch die Gründung einer Stiftung oder der Abschluss eines Treuhandvertrags wirksame Rechtsgeschäfte sein können73. Entscheidend für ihre Rechtswirksamkeit ist aber, wie weit die Vertretungsmacht des Täters reicht74. Üblicherweise fehlt es an der Vertretungsmacht oder es ist nur eine beschränkte Vertretungsmacht vorhanden, die beispielsweise die Überweisungen von Geldern auf Konten dritter Personen ohne Gegenleistung bzw. auf private Konten des Täters oder die Gründung von Körperschaften (z. B. von eigens zum Zwecke der Bildung schwarzer Kassen gegründeten Stiftungen) nicht deckt. Solch ein Fall tritt ein, wenn in einer AG bzw. GmbH nur einer der Vertreter (Vorstandsmitglieder bzw. Geschäftsführer) über eine umfassende und unbeschränkbare Gesamtvertretungsmacht gem. § 78 Abs. 2 S. 1 AktG bzw. § 35 Abs. 2 S. 2 GmbHG verfügt75. In diesen Fällen kann daher ausschließlich der Treubruchstatbestand bejaht werden. Eine Treubruchshandlung kommt in Betracht, wenn der Täter zwar wirksam bevollmächtigt ist und rechtsgeschäftlich handelt, aber die schwarze Kasse rechtsunwirksam durch ein Scheingeschäft (z. B. Scheinrechnungen) bildet, da dieses gem. § 117 BGB nichtig ist76. 70 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 45; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 22 ff. Schwarze Kassen, S. 46 f., 48; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 22 ff. 72 Weimann, Schwarze Kassen, S. 45, 48; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 24. 73 Weimann, Schwarze Kassen, S. 47 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 26. 74 Weimann, Schwarze Kassen, S. 48. 75 Weimann, Schwarze Kassen, S. 48; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 21, 23, 26 f.; auch Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 716. 76 So RGSt 71, 155; BGH, NStZ 1984, 549; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 45 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 25 f.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 716, Fn. 17. 71 Weimann,
II. Die Bildung einer schwarzen Kasse als Untreuehandlung73
Nach ganz herrschender Ansicht kann ausschließlich die Treubruchshandlung gem. § 266 I 2. Alt. StGB in Betracht kommen, wenn die schwarze Kasse mit Bargeld gebildet wird77. Der sog. „Griff in die Kasse“ ist eine rein faktische Handlung, die nur in den Treubruchstatbestand eingeordnet werden kann78. Rein faktische Handlungen, durch welche ausschließlich der Treubruchstatbestand bejaht werden kann, sind außerdem die meisten Buchungsmanipula tionen79, die fast immer mit der Bildung schwarzer Kassen zusammengehen. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass in den meisten Fällen der Bildung einer schwarzen Kasse der Treubruchstatbestand in Betracht kommt. Die Rechtsprechung hat zwar bei der Beantwortung dieser Frage zumeist den Treubruchstatbestand bejaht80. Dieser Ansicht stimmt auch die Literatur zu81. Es muss jedoch auch betont werden, dass trotz der richterlichen Konkretisierungspflicht und des Rechts des Beschuldigten zu erfahren, welche Begehungsweise ihm vorgeworfen wird, die Rechtsprechung es in den meisten Fällen offen lässt, welche Tatbestandsalternative durch die Bildung der schwarzen Kasse verwirklicht wird82. Eine besondere Erwähnung muss in diesem Zusammenhang der „KantherFall“ finden. In diesem Fall herrschte keine Einigkeit weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur83 über die Verwirklichung des Missbrauchs77 Weimann, Schwarze Kassen, S. 48; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 25; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 143. 78 So die Rechtsprechung im „Geschäftsleiter-Fall (RG, DR 1943, 1039) und „Bürgermeister-Fall“ (BGH, GA 1956, 121). 79 So RGSt 75, 227; RG, DR 1943, 1039; BGH, GA 1956, 121; BGH, GA 1956, 154; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 48 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 26; vgl. auch Colombo, in: Korruption, S. 148 f. 80 So RGSt 71, 155, 158 f.; RGSt 75, 227; RG, DR 1943, 1039; BGH, GA 1956, 121; BGH, GA 1956, 154; BGH, NStZ 1984, 549; NStZ, 1986, 455; so auch im Fall Siemens BGH, NJW 2009, 89, 90 f. 81 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 175; Fischer, § 266 StGB Rn. 52, 78; Güntge, wistra 1996, 84, 85; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 253, 286; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 35a; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 44; Sax, JZ 1977, 743, 749 (Sax sieht die Bildung schwarzer Kassen als Treubruchsuntreue in der Erscheinungsform der Verschleierung fremden Vermögens, d. h. Verletzung der Verwaltungsbefugnis, die zu einem Hauptanteil der tatsächlichen Macht über fremdes Vermögens gehört); Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 143, 143c; auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 48 f. 82 Zutreffend krit. Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 39 f.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 2; zust. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 20; auch Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 7; ders., NStZ 2007, 545, 546. 83 Von Teilen des Schrifttums wird angenommen, dass durch die Bildung der schwarzen Parteikasse der Treubruchstatbestand verwirklicht wurde (Ransiek, NJW
74
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
oder des Treubruchstatbestandes. Das LG Wiesbaden nahm in seinem ersten Beschluss vom 25. März 2002 an, dass die Angeklagten ihre Verfügungsbefugnisse nach § 50 der Satzung der CDU Hessen i. V. m. § 266 I Alt. 1 StGB missbrauchten84. Dieser Ansicht stimmte das OLG Frankfurt a. M. in seinem Beschluss vom 12. Januar 2004 zu85. Zutreffend entschied hingegen das LG Wiesbaden in seiner Entscheidung vom 18. April 2005, dass durch die Bildung der schwarzen Parteikonten der Treubruchstatbestand verwirklicht wurde86. Der BGH stellte letztlich jedoch nicht ausdrücklich fest, ob die Bildung schwarzer Kassen im Fall Kanther den Missbrauchs- oder den Treubruchstatbestand erfüllte. 5. Zwischenergebnis Der Untreuetäter kann zunächst durch die Bildung schwarzer Kassen entweder den Missbrauchstatbestand oder den Treubruchstatbestand verwirklichen87. In Bezug auf die Entstehungsgründe der Befugnis bzw. der Vermögensbetreuungspflicht kommt ausschließlich der Treubruchstatbestand in Betracht, wenn die Vermögensbetreuungspflicht des Täters auf einem rein faktischen Treueverhältnis beruht, z. B. wenn es sich um einen faktischen Geschäftsführer handelt88. Von entscheidender Bedeutung für die Einordnung der Bildung einer schwarzen Kasse in den Missbrauchs- oder den Treubruchstatbestand ist, wie der Täter diese Handlung begeht, d. h. ob er rechtsgeschäftlich bzw. hoheitlich (un)wirksam oder ob er rein faktisch handelt89. Bei rechtswirksamen geschäftlichen (bzw. hoheitlichen) Handlungen (d. h. bei der Bildung schwarzer Konten, wenn sie von der Vertretungsmacht des Täters gedeckt ist) kann der Missbrauchstatbestand in Betracht kommen90. 2007, 1727, 1728; vgl. auch Bosch, JA 2008, 148, 149), während eine andere in der Literatur vertretene Ansicht die Verwirklichung des Missbrauchstatbestandes annimmt (Saliger, NStZ 2007, 545, 546; ders., Parteiengesetz, S. 408, 445); dazu s. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 27. 84 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1511. 85 OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028, 2030. 86 LG Wiesbaden, Urt. v. 18.04.2005 (nicht abgedruckt); vgl. hierzu BGHSt 51, 100, 108. 87 Vgl. B. II. 4. b). 88 Vgl. B. II. 4. a). 89 Vgl. B. II. 4. b). 90 Vgl. B. II. 4. b).
III. Die Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB75
Bei unwirksamen geschäftlichen Handlungen, d. h. wenn die Vertretungsmacht bei der Bildung schwarzer Konten fehlt oder überschritten wird, scheidet der Missbrauchstatbestand aus und es kommt lediglich der Treubruchstatbestand in Betracht91. Dieser Fall tritt ein, wenn beispielsweise der Täter nicht über die Befugnis verfügt, Geld ohne Gegenleistung auf Konten Dritter bzw. auf eigene private Konten zu überweisen oder eine Stiftung zum Zwecke der schwarzen Kassen zu gründen92. Eine unwirksame rechtsgeschäftliche Handlung, die ausschließlich zur Verwirklichung des Treubruchstatbestandes führen kann, liegt außerdem vor, wenn z. B. die schwarze Kasse durch Scheingeschäfte (Scheinrechnungen) eingerichtet wird93. Auch bei rein faktischen Handlungen, d. h. bei der Bildung schwarzer Kassen im engeren Sinn („Griff in die Kasse“)94 oder bei der Bildung schwarzer Kassen durch faktisches Handeln (v. a. durch Buchungsmanipulationen)95, kommt lediglich die Treubruchsuntreue in Betracht. Ausgehend davon ist hervorzuheben, dass die Bildung schwarzer Kassen in den meisten Fällen nur eine Untreue- in der Form der Treubruchshandlung gem. § 266 I 2. Alt. StGB sein kann96.
III. Die Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB 1. Die Bestimmung der Vermögensbetreuungspflicht des § 266 StGB Wie bereits erklärt wurde97, setzen nach h. M. beide Tatbestandsalternativen des § 266 StGB eine Pflicht voraus, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen. Durch hohe Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht wird versucht, den Anwendungsbereich des Untreuetatbestandes, namentlich des Treubruchstatbestandes, einzuschränken und ihn restriktiv auszulegen, um die Vereinbarkeit des § 266 StGB mit Art. 103 II GG sicherzustellen98. 91 Vgl.
B. II. 4. b). B. II. 4. b). 93 Vgl. B. II. 4. b). 94 Vgl. B. II. 4. b). 95 Vgl. B. II. 4. b). 96 Vgl. B. II. 4. b). 97 Vgl. B. II. 1. 98 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 24; Fischer, § 266 StGB Rn. 5, 33; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 30, 48; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 769; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 20; Satzger, Jura 1998, 570, 571. 92 Vgl.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Die Rechtsprechung99 hat daher zu dem Zweck, nicht irgendeine vermögensrelevante Pflichtverletzung als Untreue zu pönalisieren, strenge Anforderungen an die tatbestandseinschränkende Vermögensbetreuungspflicht festgesetzt und ihre Bestimmung durch einen Indizienkatalog konkretisiert, der auch im Schrifttum Zustimmung gefunden hat100. Eine Person ist nur dann vermögensbetreuungspflichtig, wenn ihre Pflicht bestimmte Kriterien erfüllt. Die Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB muss sich auf eine Geschäftsbesorgung für einen anderen in einer nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit mit einem Aufgabenkreis von einigem Gewicht und einem gewissen Grad von Verantwortlichkeit beziehen. Als Erstes muss der Täter fremde Vermögensinteressen des Geschäftsherrn wahrnehmen. Die Fremdnützigkeit der Geschäftsbesorgung ist daher die erste Voraussetzung für die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des Untreuetatbestandes, so dass zweiseitige, synallagmatische Schuldverhältnisse, fremdnützige Nebenpflichten sowie das Handeln des Untreuetäters im eigenen Interesse oder zu übergeordneten Zwecken aus dem Anwendungsbereich des § 266 StGB ausscheiden101. Des Weiteren muss die Vermögensbetreuungspflicht den wesentlichen Inhalt der fremdnützigen Geschäftsbesorgung bilden (Hauptpflicht)102. Bloße Nebenpflichten, die allgemeine Pflicht, einen Vertrag zu erfüllen, weitere schuldrechtliche Verpflichtungen sowie das allgemeine Schädigungsverbot reichen für die Annahme der Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB nicht aus103. 99 So RGSt 69, 58, 60 ff.; anschließend auch BGHSt 1, 186 ff.; BGHSt 3, 289, 293 f.; BGHSt 4, 170 ff.; BGHSt 13, 315 ff.; BGHSt 22, 190 ff.; BGHSt 24, 386 ff.; BGHSt 33, 244, 250; BGHSt 41, 224, 227 ff. 100 Fischer, § 266 StGB Rn. 35 ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 11; ders., HRRS 2006, 10, 17; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 8, 9, 11; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 21 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 23 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 30 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 73; Satzger, Jura 1998, 570, 571 f. 101 Vgl. BGH, GA 1977, 18, 19; BGHSt 49, 147, 155; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 11; Fischer, § 266 StGB Rn. 38; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 37 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 58; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 23a; Otto, JZ 1993, 652, 660; Satzger, Jura 1998, 570, 571. 102 BGHSt 1, 186, 189; BGHSt 4, 170, 172; BGHSt 13, 315, 317; BGHSt 22, 190, 191 f.; BGHSt 33, 244, 250; BGHSt 41, 224, 228; auch Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 10; Fischer, § 266 StGB Rn. 36; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 4, 9, 11, 14; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 23; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 53 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 88; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 24, 107 ff.; Kindhäuser, BT II, § 34 Rn. 30; Seelmann, JuS 1983, 32, 32 f.; Otto, JZ 1993, 652, 660; Satzger, Jura 1998, 570, 571. 103 Vgl. RGSt 71, 90, 91; BGHSt 1, 186, 188; BGHSt 22, 190, 191; BGHSt 28, 20, 23 f.; BGHSt 33, 244, 250; BGHSt 41, 224, 228; Saliger, in: SSW, § 266 StGB
III. Die Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB77
Letztlich muss dem Täter die Möglichkeit zu einer eigenverantwortlichen und selbständigen Entscheidung eingeräumt werden. Diese wird durch den Entscheidungsspielraum, die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit und die Verantwortlichkeit des Täters indiziert104. Rein mechanische Tätigkeiten, z. B. Botendienste, können daher nicht als Vermögensbetreuungspflicht betrachtet werden105. Als Kriterium für das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht von gewisser Bedeutung können nach der Rechtsprechung auch die Art, der Umfang und die Dauer der Tätigkeit betrachtet werden106. Teile der Lehre lehnen diese Kriterien zu Recht ab, da es sich um Kriterien handelt, die „über die inhaltliche Qualität der Tätigkeit nichts besagen“, sondern hiermit bereits ein Auftrag zu einem einzelnen Geschäft eine Vermögensbetreuungspflicht begründen könnte107. Durch die Vermögensbetreuungspflicht wird der Kreis der tauglichen Untreuetäter bestimmt. Aufgrund des von der Rechtsprechung oben dargelegten Indizienkatalogs hat die Literatur bestimmte Fallgruppen zur Annahme oder Ablehnung der Vermögensbetreuungspflicht – und mithin zur Bestimmung des Täterkreises i. S. d. § 266 StGB – gebildet108. Rn. 10, 11, 43; Fischer, § 266 StGB Rn. 36a, 38; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 23, 36; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 11; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 53, 163 ff.; ders., NStZ 1997, 534, 535; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 88; Otto, JZ 1993, 652, 660; Satzger, Jura 1998, 570, 571; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 569. 104 RGSt 69, 58, 62; BGHSt 3, 289, 294; BGHSt 4, 170, 172; BGHSt 13, 315, 317 ff.; BGHSt 33, 244, 250; BGHSt 41, 224, 229; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214 f., Rn. 109; vgl. auch Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 10; Fischer, § 266 StGB Rn. 37; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 9; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 23a; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 42 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 82 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 111; Seelmann, JuS 1983, 32, 33; Otto, JZ 1993, 652, 660; Satzger, Jura 1998, 570, 571 f. 105 RGSt 69, 58, 62; RGSt 69, 279, 281; BGHSt 41, 224, 229; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 82; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 10; Fischer, § 266 StGB Rn. 37; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 24; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 771; Gribbolm, JuS 1965, 389, 392. 106 RGSt 69, 58, 62; BGHSt 13, 315, 317 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 112. 107 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 52; auch Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 87; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 23a, 24; Satzger, Jura 1998, 570, 572; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 11; ders., JA 2007, 326, 328. 108 Zur fallgruppenorientierten Systematisierung s. Fischer, § 266 StGB Rn. 47 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 56 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 103 ff.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 12 f.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 25 f.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 36 ff.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 145 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
2. Die vermögensbetreuungspflichtigen Personen bei der Bildung schwarzer Kassen Aufgrund des oben erklärten Indizienkatalogs der Rechtsprechung für das Vorliegen der Vermögensbetreuungspflicht und der fallgruppenorientierten Systematisierung der Literatur ist das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbetreuungspflicht bei der Bildung schwarzer Kassen relativ leicht zu behandeln109. Taugliche Untreuetäter bei der Bildung schwarzer Kassen sind nur Personen, die die Geschäftsbesorgung fremder Vermögensinteressen als Hauptpflicht haben und selbständig und verantwortlich gegenüber den fremden Vermögensinteressen sind. Aus dem Charakter der Untreue als Sonderdelikt ergibt sich, dass beim Fehlen einer Vermögensbetreuungspflicht (z. B. wenn eine Person auf Weisung des vermögensbetreuungspflichtigen Haupt täters handelt) lediglich eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zur Untreue in Betracht kommt110. In der öffentlichen Verwaltung kommen Behördenleiter, Bürgermeister und andere öffentliche Bedienstete als vermögensbetreuungspflichtige Personen i. S. d. § 266 StGB in Betracht, wenn sie vermögensrelevante Entscheidungen mit einer gewissen Selbständigkeit treffen111. So war der Angestellte des Sachministeriums in der Entscheidung des Reichsgerichts vom 11.03.1937112 vermögensbetreuungspflichtig, weil er als Sachbearbeiter eine durchaus selbständige Stellung für das Filmwesen hatte und über die Mittel frei verfügen konnte, die im Haushalt für sachliche Ausgaben bereitgestellt worden waren. In der Entscheidung des Reichsgerichts vom 12.05.1938113 handelte der Gauamtsleiter – so die Auffassung des Reichsgerichts – innerhalb seiner Vermögensbetreuungspflicht, als er eine schwarze Kasse bildete und später einen Kraftwagen für die Partei ankaufte, da ihm bei seinen weitreichenden und dabei auch die Vermögensinteressen der Partei berührenden Befugnissen kraft der Übertragung des Amts auch die Pflicht der Wahrnehmung von Vermögensinteressen der Partei oblag. Der Angeklagte im sog. „Bürgermeister-Fall“114 verletzte die Vermögens interessen, die er als Bürgermeister wahrzunehmen hatte. Gleiches gilt für Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 113 ff.; Otto, JZ 1993, 652, 660; Rönnau, ZStW 122 (2010), 299, 303 f. 109 s. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 29. 110 Vgl. B. I. 111 Volk, Art. Haushaltsuntreue, in: Handwörterbuch, S. 2; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 41. 112 RGSt 71, 155, 155. 113 RG, HRR 1938 Nr. 1515. 114 BGH, GA 1956, 121.
III. Die Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB79
den Strafanstaltsleiter im sog. „Strafanstaltsleiter-Fall“115, der kraft Gesetzes und behördlichen Auftrags die Pflicht hatte, die Vermögensinteressen des Justizfiskus im Bereich der Strafanstaltsverwaltung wahrzunehmen. Vermögensbetreuungspflichtig waren ferner der Kulturamtsleiter im sog. „Kulturamtsleiter-Fall“116 gegenüber den Haushaltsmitteln der zuständigen Stelle sowie der Schulleiter im sog. „Schulleiter-Fall“117 als Verwaltungsleiter der Schule gegenüber der Schule und ihren Träger (dem Landschaftsverband Rheinland). Auf ähnliche Weise sind in den politischen Parteien die Parteivorsitzenden und sonstige Vorstandsmitglieder sowie die Generalsekretäre, Kassenverwalter (Kassierer) und Schatzmeister vermögensbetreuungspflichtig gegenüber dem Parteivermögen118. Umstritten ist im Schrifttum, ob das PartG oder die Finanzordnung als Teil der Satzung der jeweiligen politischen Partei die Vermögensbetreuungspflicht des Parteivorstandes begründet. Nach Velten119 ergibt sich die Vermögensbetreuungspflicht der Parteivorstandsmitglieder in zweierlei Hinsicht aus den Vorschriften der Parteifinanzordnung, die eine Deklarations- und Ablieferungspflicht für alle Spenden vorsehen: Die Parteivorstandsmitglieder haben das Interesse an der Kontrolle der Finanzströme sowie das Interesse zur Erfüllung der Vorschriften des PartG wahrzunehmen. Nach Schwind120 ergibt sich jedoch die Vermögensbetreuungspflicht des Parteivorstandes nicht nur aus der Finanzordnung insbesondere auch aus § 11 III PartG, nach welchem der Parteivorstand die Geschäfte der Partei nach Gesetz und Satzung führt und vertretungsberech115 BGH,
GA 1956, 154. NStZ 1984, 549. 117 BGH, NStZ 1986, 455. 118 Fischer, § 266 StGB Rn. 77; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 97; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 30, 131b; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 5a; Faust, Parteispenden, S. 73 f.; Velten, NJW 2000, 2852, 2853; Schwind, NStZ 2001, 349, 351 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 29; a. A. Volhard, in: FS-Lüderssen, S. 678 (Volhard lehnt eine Vermögensbetreuungspflicht der Parteivorsitzenden, die zugleich ein „herausragendes politisches Amt“, z. B. als Bundeskanzler oder Ministerpräsidenten, wahrnehmen, mit dem Argument ab, dass sie sich bei Parteifinanzen auf die dafür Zuständigen verlassen, um sich auf ihre politischen Aufgaben konzentrieren zu können. Da dies nach Volhard nicht nur „geläufige Praxis“, sondern auch „geradezu erstrebenswert“ ist, müsse die Betrachtung der Vorsitzenden als vermögensbetreuungspflichtige Personen i. S. d. § 266 StGB ausscheiden. Abgelehnt wird diese Vermögensbetreuungspflicht auch von Otto, der in seinem Gutachten Kohls Vermögensbetreuungspflicht mit dem Argument verneint, dass öffentlich-rechtliche Pflichten nicht von der Vermögensbetreuungspflicht umfasst werden und ein Verstoß gegen diese nicht den Untreuetatbestand erfülle (krit. hierzu Schwind, NStZ 2001, 349, 352 f.). 119 Velten, NJW 2000, 2852, 2853. 120 Schwind, NStZ 2001, 349, 351 f.; auch Saliger, NStZ 2007, 545, 548. 116 BGH,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
tigt i. S. d. § 266 Abs. 1 StGB ist. Vermögensbetreuungspflichtig waren im Fall Kohl der Parteivorsitzende der CDU Kohl121 sowie im Fall Kanther122 der Parteivorsitzende der Hessen-CDU und Vorstandsmitglied des Bundesverbands der CDU Kanther und der CDU-Schatzmeister Sayn-Wittgenstein. Der CDU-Finanzberater Weyrauch wurde hingegen wegen Beihilfe zu der von Kanther und Wittgenstein begangenen Untreue verurteilt, weil er nur auf Geheiß und Anweisungen von Kanther und Wittgenstein handelte und keine eigene Vermögensbetreuungspflicht hatte123. Eine Vermögensbetreuungspflicht haben letztlich in der Privatwirtschaft sowohl Vorstandsmitglieder der AG (aus §§ 76, 93 AktG) und Geschäftsführer der GmbH (aus § 43 GmbHG) als auch leitende Angestellte in privaten Unternehmen124. Im sog. „Baustellenleiter-Fall“125 war der Leiter der Baufirma gegenüber dem privaten Vermögen seiner Arbeitsgeberin vermögensbetreuungspflichtig. Gleiches galt für die GmbH-Geschäftsführer im Beschluss v. 14.12.1999 des BGH126 gegenüber dem Vermögen der GmbH. So war letztlich nach den Auffassungen des 2. Senats des BGH im sog. „Siemens / ENEL-Fall“127 der Angeklagte Andreas K. als leitender Angestellte der Siemens AG und einer der vier sog. „Bereichsvorstände“ des Geschäftsbereichs „Power Generation“ („Siemens-PG“) unmittelbar unter der Ebene des („Zentral“-)Vorstands der Siemens-AG tätig. Er hatte die kaufmännische Leitung seines Geschäftsbereichs und die unternehmensinterne Autorisierung, Zahlungen in unbegrenzter Höhe anzuweisen. Zum Kernbereich seiner Vermögensbetreuungspflicht gehörte allerdings, seiner Arbeitgeberin bislang unbekannte, ihr zustehende Vermögenswerte in erheblicher Höhe zu offenbaren und diese ordnungsgemäß zu verbuchen. So war letztlich im „Kölner Müllskandal“128 der Haupttäter T. als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bzw. alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied der Trieneken GmbH / AG (T. GmbH / AG) vermögensbetreuungspflichtig i. S. d. § 266 StGB, während die Angeklagten F. und M., die auf Weisung des 121 LG Bonn, NStZ 2001, 375; vgl. Velten, NJW 2000, 2852, 2853; Schwind, NStZ 2001, 349, 351 f.; a. A. Volhard, in: FS-Lüderssen, S. 678. 122 BGHSt 51, 100; vgl. Perron, NStZ 2008, 517, 517; Saliger, Parteiengesetz, S. 398 ff., 406 ff. 123 Saliger, Parteiengesetz, S. 398; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 29, Fn. 79. 124 Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 25, 27, 120 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 77; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 79, 82; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 5a; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 41; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 29. 125 RGSt 75, 227 ff. 126 BGH, wistra 2000, 136. 127 BGH, NJW 2009, 89, 89. 128 BGH, StV 2011, 20, 21, Rn. 22.
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Haupttäters T. gehandelt haben, wegen des Fehlens einer eigenen Vermögensbetreuungspflicht als Teilnehmer bestraft wurden. 3. Zwischenergebnis Zur Verwirklichung beider Tatbestandsvarianten der Untreue ist das Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht erforderlich. Die Rechtsprechung stellt hohe Anforderungen an die Vermögensbetreuungspflicht, um die Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot zu garantieren129. Eine Vermögensbetreuungspflicht i. S. d. § 266 StGB liegt vor, wenn sie sich auf eine Geschäftsbesorgung für einen anderen in einer nicht ganz unbedeutenden Angelegenheit mit einem Aufgabenkreis von einigem Gewicht und einem gewissen Grad an Verantwortlichkeit bezieht130. Bezogen auf die Bildung schwarzer Kassen bedeutet dies, dass als Haupttäter einer Untreue wegen der Bildung einer schwarzen Kasse nur diese Personen bestraft werden, die gegenüber dem fremden Vermögen vermögensbetreuungspflichtig sind131. Wenn es an einer Vermögensbetreuungspflicht fehlt, kommt nur eine Strafbarkeit wegen Beihilfe (als Teilnehmer) zur Untreue in Betracht132. So können Behördenleiter, Bürgermeister und andere öffentliche Bedienstete, Parteivorsitzende, Kassenverwalter und Schatzmeister, sowie AG-Vorstandsmitglieder, GmbH-Geschäftsführer und leitende Angestellte in pri vaten Unternehmen als vermögensbetreuungspflichtige Personen wegen Untreue durch die Bildung schwarzer Kassen bestraft werden133.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB durch die Bildung schwarzer Kassen 1. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB Aus der Weite und Unbestimmtheit der Untreue ergeben sich auch im Hinblick auf die Pflichtverletzung erhebliche Rechtsprobleme und Schwierigkeiten. Es wird zu Recht behauptet, dass die Prüfung der Pflichtverlet129 Vgl.
B. B. 131 Vgl. B. 132 Vgl. B. 133 Vgl. B. 130 Vgl.
III. III. III. III. III.
1. 1. 2. 2. 2.
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zung ebenso komplex und schwierig ist wie die Feststellung der Sorgfaltspflichtverletzung bei Fahrlässigkeitsdelikten134. Es wurde bereits erklärt135, dass der Untreuetäter den Missbrauchstatbestand durch wirksames rechtsgeschäftliches oder hoheitliches Handeln begeht, womit beim Treubruchstatbestand auch unwirksames rechtsgeschäftliches oder hoheitliches sowie rein tatsächliches Handeln ausreicht. Im Folgenden wird versucht, das pflichtwidrige Verhalten i. S. d. § 266 StGB eingehend zu untersuchen. a) Die asymmetrische Zivilrechtsakzessorietät des Strafrechts Da § 266 StGB den Inhalt und Umfang einer Pflichtverletzung nicht konkretisiert, ergibt sich die Frage, welches Verhalten als pflichtwidrig i. S. d. § 266 StGB betrachtet werden muss. § 266 StGB ist akzessorisch zur gesamten Rechtsordnung mit der Folge, dass zunächst alle Rechtsnormen als taugliche Quelle einer untreuerelevanten Pflichtverletzung in Betracht kommen können136. Aus dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung und dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts folgt, dass dasjenige immer pflichtgemäß i. S. d. § 266 StGB ist, was zivilrechtlich zulässig ist. Dies bedeutet, dass die außerstrafrechtliche (insbesondere die zivilrechtliche) Pflichtverletzung die Untergrenze des pflichtwidrigen Verhaltens nach § 266 StGB bildet137. In diesem Sinne ist der Untreuetatbestand negativ akzessorisch zur außerstrafrechtlichen Rechtsordnung138. Erklärungsbedürftig ist auf der anderen Seite, dass nicht jede zivilrecht liche Pflichtverletzung eine Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB begründen kann. Der Verstoß gegen das Zivilrecht ist zwar notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung der Pflichtwidrigkeit des § 266 StGB139, so dass man von einer limitierten bzw. asymmetrischen Akzessorietät des Strafrechts sprechen kann140. 134 Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 115; Perron, GA 2009, 219, 225. 135 Vgl. B. II. 2 b) und B. II. 3. b). 136 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 31; ders., HRRS 2006, 10, 14. 137 Dierlamm, StraFo 2005, 397, 397; Saliger, HRRS 2006, 10, 14; Volk, in: FS-Hamm, S. 804; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 251. 138 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 31. 139 Lüderssen, in: FS-Lampe, S. 729; Günther, in: FS-Weber, S. 314; Dierlamm, StraFo 2005, 397, 397; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 252; Brammsen, wistra 2009, 85, 88; auch Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 152 f. 140 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 31; Fischer, § 266 StGB Rn. 59; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 153; ders., StraFo 2005, 397, 398; Lüderssen, in: FS-
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Hieraus ergibt sich, dass die Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB auf zwei Ebenen geprüft werden muss: Erstens ist die zivilrechtliche Pflichtmäßigkeit bzw. -widrigkeit des einschlägigen Verhaltens zu prüfen. Wenn eine zivilrechtliche Pflichtwidrigkeit festgestellt wird, dann ist auf einer zweiten Ebene strafrechtsautonom zu prüfen, ob diese Pflichtverletzung auch mit Blick auf den Schutzzweck der Untreue strafwürdig ist141. Die Pflichtverletzung nach § 266 StGB wird zunächst aufgrund der für das jeweilige Rechtsverhältnis einschlägigen Gesetze, Richtlinien, Weisungen, vertraglichen Regelungen oder öffentlichen Vorschriften beurteilt142. Fehlen konkrete Vorschriften, ist subsidiär auf die Sorgfalt eines üblichen Geschäftsherrn (§§ 276, 665, 677, 27 Abs. 3, 86, 713 BGB), eines ordent lichen Kaufmannes (§ 347 HGB), eines Geschäftsmannes einer GmbH (§ 43 Abs. 1 GmbHG) oder eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer AG (§§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG) zurückzugreifen143. Die Verletzung von Vorschriften bzw. Pflichten kann jedoch eine Pflichtwidrigkeit im Sinne der Untreue begründen, vorausgesetzt, dass sie einen Vermögensbezug bekommt, z. B. Compliance-Regelungen144. Nach den jüngsten Auffassungen des 1. Senats des BGH kommt eine Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB nur dann in Betracht, wenn die verletzten Vorschriften wenigstens mittelbar einen vermögensschützenden Charakter für das zu betreuende Vermögen besitzen145. Der mittelbare Vermögensbezug muss im Einzelfall nach dem Zweck der jeweiligen Vorschrift, der Art des jeweiligen Lampe, S. 729; Günther, in: FS-Weber, S. 314; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 253; Brammsen, wistra 2009, 85, 87, 91; vgl. auch Matt, NJW 2005, 389, 390; Volk, in: FS-Hamm, S. 804; a. A. Rönnau. ZStW 119 (2007), 887, 903 ff. 141 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 31; auch Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 153; ders., StraFo 2005, 397, 397, 398. 142 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 151; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 31; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 94; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 120, 157; Seier / Martin, JuS 2001, 874, 877; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 358 f.; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 251; Perron, GA 2009, 219, 226. 143 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 151; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 31; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 94; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 116; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 135; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 359 ff.; Beulke, in: FSEisenberg, S. 251. 144 Günther, in: FS-Weber, S. 316; Knauer, NStZ 2009, 151, 153; Labsch, Jura 1987, 343, 344; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 722; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 672 ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 32; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 37. Eingehend zu den Compliance-Regelungen s. u. B. V. 2. a) cc) (2). 145 BGH Beschl. v. 13.09.2010, NJW 2011, 88 ff. = StV 2011, 25 ff. mit Anm. Bittmann, NJW 2011, 96 f.
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Rechtsverhältnisses sowie der Nähe der Pflicht zum Vermögen des Treugebers bestimmt werden146. b) Der Zusammenhang von interner Machtstellung (Vermögensbetreuungspflicht) und konkreter Pflichtverletzung Fraglich ist weiter, in welchem Verhältnis die interne Machtstellung (Vermögensbetreuungspflicht) zu der konkreten Pflichtverletzung steht. Nach der früher vertretenen Ansicht musste die konkrete Pflichtverletzung innerhalb des betreuten Pflichtenkreises liegen bzw. die Vermögensschädigung oder das Tatobjekt sich innerhalb des Pflichtenkreises des Täters befinden. Dieser sog. „inklusive Zusammenhang“147 ging aber nicht weit genug und ist daher heute überholt. Die in Rechtsprechung und Literatur herrschende Meinung geht davon aus, dass zwischen Vermögensbetreuungspflicht und Pflichtwidrigkeit ein innerer (interner) Zusammenhang148 bestehen muss. Maßgeblich dafür sind der Inhalt und Umfang der Treuabrede, insbesondere wie sie sich aus den vertraglichen Vereinbarungen und deren Auslegung nach Treu und Glauben ergeben. Eine neuere Lehre geht von einem funktionalen Zusammenhang149 von Vermögensbetreuungspflicht aus. Danach muss sich die konkrete Pflichtverletzung als signifikante Ausübung der eigenverantwortlichen internen Machtposition des Treunehmers darstellen; der Täter muss die konkrete Pflicht nicht nur bei Gelegenheit der Vermögensbetreuung, sondern zugleich auch in seiner Funktion als Vermögensbetreuer verletzen150.
146 Saliger,
in: SSW, § 266 StGB Rn. 32. NJW 1988, 2483, 2485; OLG Hamm, NJW 1973, 1810; krit. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 37. 148 BGH, NJW 1991, 1069; BGH, NJW 1992, 250, 251; Fischer, § 266 StGB Rn. 50, 60; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 15; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 162; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 158; krit. dazu Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 38. 149 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 39; ders., Parteiengesetz, S. 35 f.; ders., HRRS 2006, 10, 18; ders., JA 2007, 326, 329; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 23; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 46; Eisele, GA 2001, 377, 388; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 355; Brammsen, wistra 2009, 85, 86 f.; Rönnau, ZStW 122 (2010), 299, 304; LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275, 3281. 150 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 39; ders., HRRS 2006, 10, 18. 147 BGH,
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c) Das Erfordernis der gravierenden Pflichtverletzung Der BGH hat in den letzten Jahren eine Reihe von Entscheidungen veröffentlicht, nach welchen nur solche außerstrafrechtlichen (zivilrechtlichen) Pflichtverletzungen eine strafbewehrte Pflichtwidrigkeit im Sinne des Untreuetatbestandes begründen können, die „gravierend“151 sind. Der BGH fordert aber eine gravierende Pflichtverletzung nur „bereichsspezifisch“152, d. h. für bestimmte Handlungsfelder, insbesondere für unternehmerische Entscheidungen mit weitem Ermessensspielraum153. So bedarf es nach den Auffassungen des BGH einer gravierenden Pflichtverletzung zunächst bei der Kreditvergabe von Banken (wenn die Informations- und Prüfungspflichten zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Kreditnehmers gem. § 18 KWG gravierend verletzt werden)154 sowie bei Unternehmenssponsoring155 und Investitionsentscheidungen156, nicht aber bei kompensationslosen Anerkennungsprämien an Vorstandsmitglieder157. Ob die Pflichtverletzung gravierend ist, wird anhand eines Indizienkatalogs festgestellt158. Welche gesellschaftsrechtlichen Kriterien als Indizien einer gravierenden Pflichtverletzung dienen können, ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Der BGH nimmt im Sponsoring-Urteil eine starr indizienbasierte und strafrechtsautonome Schweretheorie, im Mannesmann151 BGHSt 46, 30 ff.; BGHSt 47, 148 ff.; BGHSt 47, 187 ff., 197 ff.; BGHSt 50, 331 ff.; BGH, NJW 2006, 453 ff.; Überblick bei Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 252 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 154 ff.; ders., StraFo 2005, 397, 402 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 64 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 390; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 40 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 19 f.; Schünemann, NStZ 2005, 473, 475 f.; ders., NStZ 2006, 196, 197 ff.; Volk, in: FS-Hamm, S. 803 ff. 152 Rönnau, ZStW 122 (2010), 299, 304. 153 Schünemann, NStZ 2005, 473, 476; Kubiciel, NStZ 2005, 353, 357 f.; Rönnau, ZStW 122 (2010), 299, 304; a. A. im Schrifttum Dierlamm, StraFo 2005, 397, 402, 404; in der Rechtsprechung auch LG Düsseldorf NJW 2004, 3275, 3280 f., 3283. 154 BGHSt 46, 30 ff.; BGHSt 47, 148 ff.; vgl. auch BGH, wistra 2010, 21, 23 f. 155 BGHSt 47, 187 ff. (sog. „Sponsoring-Urteil“); vgl. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 40, 89; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 166 Rn. 154; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 67. 156 BGH, NJW 2006, 453 ff. (sog. „Kinowelt-Entscheidung“); vgl. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 40, 42, 91; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 155; Schünemann, NStZ 2006, 196, 197 ff. 157 BGSt 50, 331 ff. (sog. „Mannesmann-Urteil“); a. A. LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275 ff.; vgl. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 40, 90; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 155, 226 ff.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 20b; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 68; Bernsmann, GA 2007, 219, 220 ff.; Schünemann, NStZ 2005, 473, 476. 158 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 40, 41, 89 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 19 f.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 156 ff.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Urteil eine (eher) zivilrechtsakzessorische Schweretheorie und im KinoweltUrteil eine nicht (bzw. nicht starr) indizienbasierte und gleichwohl strafrechtsautonome Schweretheorie an159. Die gesellschaftsrechtlichen Kriterien, die nach Rechtsprechung und Literatur eine gravierende Pflichtverletzung indizieren sollen, sind die fehlende Nähe zum Unternehmensgegenstand, die Unangemessenheit im Hinblick auf die Ertrags- und Vermögenslage, die fehlende innerbetriebliche Transparenz, die Vernachlässigung der Informations- und Mitteilungspflichten, die Überschreitung von Entscheidungsbefugnissen und das Vorliegen sachwidriger Motive (namentlich das Verfolgen rein persönlicher Präferenzen)160. Umstritten ist letztlich, ob die oben genannten Kriterien kumulativ bzw. wie viele Kriterien vorliegen müssen161. d) Die Tatbestandsverwirklichung durch Tun oder Unterlassen In beiden Tatbestandsalternativen kann die strafbewehrte Untreuehandlung durch positives Tun oder Unterlassen begangen werden. Der Missbrauchstatbestand wird durch Unterlassen verwirklicht, wenn dem Unterlassen selbst ein positiver rechtsgeschäftlicher Erklärungswert innewohnt162. Typische Beispiele sind das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben (z. B. §§ 362, 383 HGB), das Unterlassen der Mängelrüge beim Handelskauf (§ 377 Abs. 2 HGB) sowie das Schweigen als Saldoanerkenntnis aufgrund allgemeiner Bank-AGB163. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 41 f. 46, 30, 34; BGHSt 47, 187, 197; vgl. auch BGHSt 51, 331, 343; LG Düsseldorf, NJW 2004, 3275, 3281; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 40; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 156 ff.; ders., StraFo 2005, 397, 403. 161 Dazu s. BGHSt 47, 187, 197; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 160; ders., StraFo 2005, 397, 403 (Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände müssen nach Dierlamm im Einzelfall mindestens drei Kriterien erfüllt sein); Matt, NJW 2005, 389, 390; vgl. auch Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 253 f. 162 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 22; Fischer, § 266 StGB Rn. 32; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 6; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 123; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 54; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 72; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 76a. 163 Güntge, wistra 1996, 84, 89; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 22; Fischer, § 266 StGB Rn. 32; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 6; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 49; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 16; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 123; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 54; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 73; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 77; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 23; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 243 ff. In diesen Fällen handelt es sich um konkludentes Handeln (Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 49; Labsch, Jura 1987, 343, 348). 159 Vgl.
160 BGHSt
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 87
§ 266 StGB wird durch Unterlassen zumeist in der Form des Treubruchs tatbestandes verwirklicht und beispielsweise bei der Nichtvornahme vermögensmehrender Handlungen (namentlich beim Nichtabschluss günstiger Geschäfte)164, bei der Nichterfüllung von Aufsichtspflichten165 oder bei der Nichtabwendung drohender Vermögensgefahren166 begangen. Höchst umstritten ist, ob § 13 I StGB bei § 266 StGB anwendbar ist. Der überwiegende Teil der Lehre sieht die Untreue zu Recht als eine Mischform von Begehungs- und echtem Unterlassungsdelikt an und schließt die Anwendbarkeit des § 13 I StGB auf den Untreuetatbestand aus167. Es besteht kein Bedürfnis, auf § 13 I StGB zurückzugreifen, da die Untreue ein echtes Unterlassungsdelikt ist und die Treupflicht des § 266 StGB an die Stelle der Garantenpflicht des § 13 I StGB tritt168. Der BGH hat jedoch diese Frage nicht einheitlich beantwortet. In zwei Entscheidungen des BGH schied die Anwendbarkeit des § 13 I StGB auf § 266 StGB aus169. In einem Beschluss des BayObLG vom 18.02.1988170 wendete dagegen die obergerichtliche Rechtsprechung § 13 I StGB ausdrücklich auf § 266 StGB an. Der BGH hatte diese Frage offen später gelassen171. Im Fall Siemens / ENEL wendete aber der 2. Senat des BGH § 13 I StGB nochmals ausdrücklich auf § 266 an172. 164 RGSt 61, 228 ff.; BGHSt 20, 143, 145 f.; BGHSt 47, 295, 298 f.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 33; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 75; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 143c; Güntge, wistra 1996, 84, 85. 165 BGHSt 9, 203, 210; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 33; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 75; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 143c. 166 BGHSt 5, 187, 190; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 33; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 73; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 93; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 75; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 143c; Fischer, § 266 StGB Rn. 55. 167 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 124, 161; Güntge, wistra 1996, 84, 86, 87 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 13; Kohlmann, JA 1980, 228, 233; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 2; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 46; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 35; Rönnau, StV 2009, 246, 247; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 33; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 161; Seebode, JR 1989, 301, 302 f.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 76 f.; ders., JuS 2002, 237, 240; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 765. 168 Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 2; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 77; ders., JuS 2002, 237, 240. 169 BGH, JR 1983, 515 f.; BGH, wistra 1988, 230 ff. 170 BayObLG, JR 1989, 299 ff. 171 BGHSt 36, 227, 228; BGH, StV 1998, 127. 172 BGH, NJW 2009, 89, 91; krit. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 33; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 35a; Bernsmann, GA 2009, 296, 304; Rönnau, StV 2009, 246, 247.
88
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Anders zu behandeln als § 13 I StGB ist die Frage der Anwendung des Strafmilderungsgrundes des § 13 II StGB auf § 266 StGB. Nach den Vertretern der Ansicht, dass § 13 I StGB auf § 266 StGB anwendbar sei, kommt eine direkte Anwendung auch des § 13 II StGB auf § 266 StGB in Betracht173. Eine andere Ansicht stützt sich darauf, dass ein Unterlassen unter Umständen weniger schwer wiegt als ein Tun bzw. dass § 13 II StGB auf sämtliche (d. h. unechte und echte) Unterlassungsdelikte verweist, und nimmt eine analoge Anwendung des § 13 II StGB auf § 266 StGB an174. Ein weiterer Teil des Schrifttums, der auf den Rückgriff auf § 13 I StGB verzichtet, lehnt die analoge Anwendung des § 13 II StGB auf § 266 StGB mit dem haltbaren Argument ab, dass bei Delikten wie § 266 StGB, die das Unterlassen unmittelbar erfassen, Tun und Unterlassen gleich zu behandeln seien und demzufolge kein Raum für eine analoge Anwendung des § 13 II StGB auf § 266 StGB bleibe175. e) Das (mutmaßliche) Einverständnis des Vermögensinhabers176 In Literatur und Rechtsprechung wird überwiegend angenommen, dass das Einverständnis des Geschäftsherrn mit dem pflichtwidrigen Verhalten des Treunehmers nicht erst die Rechtswidrigkeit, sondern bereits die Tatbestandsmäßigkeit ausschließt, da die Pflichtverletzung ein objektives Tatbestandsmerkmal des § 266 StGB ist177. Gleiches gilt nach h. M. auch für das mutmaßliche Einverständnis des Geschäftsherrn178. 173 BGH, NJW 2009, 89, 91; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 13; Fischer, § 266 StGB Rn. 32, 55. 174 BGHSt 36, 227, 228 f.; BGH, wistra 1989, 23 f.; BGH, StV 1998, 127; zust. Timpe, JR 1990, 428 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 161; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 2; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 128, 161; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 78; ders., JuS 2002, 237, 240, 241. 175 Güntge, wistra 1996, 84, 89; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 53; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 765; Rengier, BT I, § 18 Rn. 38. 176 Übersicht zum Einverständnis des Vermögensinhabers bei der Untreue bei Corsten, Einwilligung, S. 57 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, Rn. 129 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 29, 90 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 54 ff.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 20 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 21 ff., 38; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 45 f.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 79 ff., 144; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 100; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 88 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 758 ff. 177 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 45; Fischer, § 266 StGB Rn. 29, 90; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 20; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 21, 38; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 129, 176; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 100; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 88;
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 89
Obwohl das Einverständnis des Vermögensinhabers mit dem pflichtwidrigen Handeln des Treunehmers beim Untreuetatbestand die Funktion des allgemeinen Einverständnisses erfüllt, werden auf es die übrigen Voraussetzungen der rechtfertigenden Einwilligung angewendet179. So führt das Einverständnis nur dann zum Tatbestandsausschluss, wenn der Vermögensinhaber mit dem Handeln des Treunehmers rechtlich wirksam einverstanden ist180. Zusätzlich muss das Einverständnis im Zeitpunkt der Tat vorhanden sein; eine nachträgliche Genehmigung kann daher nur im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt werden181. 178
Streitig ist, ob und inwieweit die Gesellschafter bzw. die Aktionäre gesellschaftsrechtswidrigen Vermögensverfügungen des GmbH-Geschäftsführers bzw. des AG-Vorstandes (z. B. verdeckte Gewinnausschüttungen, geWessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 758; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 179; Labsch, Jura 1987, 411, 415; Seier / Martin, JuS 2001, 874, 877; Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 711; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 256; BGHSt 34, 379, 384 f.; BGHSt 49, 147, 157 f.; BGHSt 50, 331, 342; BGH, NJW 2009, 89, 91; BGH, StV 2011, 20, 23, Rn. 34. 178 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 45; Fischer, § 266 StGB Rn. 29, 90; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 131; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 88; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 47; Weimann, Schwarze Kassen, S. 57; a. A. Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 48. Eingehend zur mutmaßlichen Einwilligung s. Wessels / Beulke, AT, § 9 Rn. 380 ff.; Roxin, in: FS-Welzel, S. 447 ff. 179 Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 758, 760; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 46; Fischer, § 266 StGB Rn. 92; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 130, 176; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 89; Wessels / Beulke, AT, § 9 Rn. 365; Labsch, Jura 1987, 411, 415; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 256. Eingehend zu den Voraussetzungen der rechtfertigenden Einwilligung s. Roxin, AT 1, § 13 Rn. 1 ff.; Wessels / Beulke, AT, § 9 Rn. 370 ff.; Lackner / Kühl, Vor § 32 StGB Rn. 11 ff.; Rosenau, in: SSW, Vor § 32 StGB Rn. 36 ff. 180 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 712; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 256; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 130, 176; Fischer, § 266 StGB Rn. 92; Kindhäuser, BT II, § 34 Rn. 16; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 179; Labsch, Jura 1987, 411, 415; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 717; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 46; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 89; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 758 ff.; vgl. auch hierzu Wessels / Beulke, AT, § 9 Rn. 371 ff.; Rosenau, in: SSW, Vor § 32 StGB Rn. 40. Nach Fischer ist das Einverständnis unwirksam, wenn es gesetzeswidrig (BGHSt 30, 247, 249; BGHSt 34, 379, 384 f.) oder pflichtwidrig (BGHSt 30, 247, 249; BGHSt 50, 331, 342) ist (Fischer, § 266 StGB Rn. 51). 181 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 45; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 129; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 100, 157; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 90; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 81; Weimann, Schwarze Kassen, S. 54 f.; BGHSt 50, 331, 342 f.; OLG Hamm, NStZ 1986, 119, 119; vgl. auch hierzu Wessels / Beulke, AT, § 9 Rn. 378; Rosenau, in: SSW, Vor § 32 StGB Rn. 39.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
meinsame Zueignung von Vermögensobjekten, Rückzahlung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens oder Verstöße gegen das Verbot der Kreditgewährung aus dem Stammkapital) wirksam zustimmen können182. Nach der heute herrschenden Lehre, der sog. „eingeschränkten Gesellschaftertheorie“183, ist die Zustimmung der Gesellschafter wirksam, es sei denn die vermögensschädigende Handlung gefährdet konkret die wirtschaftliche Existenz der Gesellschaft. Diese tritt nach der Rechtsprechung insbesondere bei Beeinträchtigung des Stammkapitals oder beim Vorliegen der Gefahr der Illiquidität auf184. 2. Das pflichtwidrige Verhalten bei der Bildung schwarzer Kassen gem. § 266 StGB Bei der Auseinandersetzung mit der Problematik der Bildung schwarzer Kassen als Untreuehandlung gem. § 266 StGB stellt sich nun die Frage ihrer Pflichtwidrigkeit. Obwohl das Schwergewicht der Schwarzekassenproblematik seit jeher sowohl im Schrifttum als auch in der Rechtsprechung im Vermögensnachteil lag, bildet seit den „Kanther“- und „Siemens“-Entscheidungen bereits die Feststellung der Pflichtwidrigkeit einen Schwerpunkt der Problematik. Erstens ist zu untersuchen, ob die Pflichtwidrigkeit der Bildung einer schwarzen Kasse auf irgendeiner Weise eingeschränkt bzw. ausgeschlossen werden kann. Es wird zunächst geprüft, ob bzw. wie die Pflichtwidrigkeit der Bildung schwarzer Kassen nach der asymmetrischen Akzessorietät des Strafrechts, dem inneren Zusammenhang von interner Machtstellung und konkreter Pflichtverletzung sowie dem Erfordernis der „gravierenden“ Pflichtverletzung einzuschränken ist. 182 Zum Meinungsstand s. Achenbach, in: FS-BGH, S. 594 ff.; Beulke, in: FSEisenberg, S. 256 ff.; Corsten, Einwilligung, S. 85 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 133 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 93 ff.; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 56 ff.; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 20a; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 21a ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 86 f.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 125c bb; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 284 ff.; Volk, in: FS-Hamm, S. 811 ff.; speziell in Bezug auf die verdeckten Gewinnausschüttungen s. Hellmann, wistra 1989, 214 ff.; Lipps, NJW 1989, 502 ff.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1135 ff.; dies., StraFo 2003, 374 ff.; Reiß, wistra 1989, 81 ff.; Rönnau, in: FS-Amelung, S. 247 ff.; Wellkamp, NStZ 2001, 113, 116 ff. 183 Kohlmann, in: FS-Werner, S. 387 ff.; vgl. auch Labsch, JuS 1985, 602 ff.; Vonnemann, GmbHR 1988, 329 ff.; Lipps, NJW 1989, 502 ff.; Gehrlein, NJW 2000, 1089 f.; Krekeler / Werner, StraFo 2003, 374 ff.; Zieschang, in: FS-Kohlmann, S. 351 ff.; Beckemper, in: GmbHR 2005, 592 ff. 184 BGHSt 35, 333 ff.; BGHSt 49, 147, 157 ff.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 91
Die Bildung einer schwarzen Kasse ist pflichtwidrig i. S. d. § 266 StGB, wenn sie zivilrechtlich und – aufgrund einer strafrechtsautonomen Prüfung des in Frage kommenden Verhaltens im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm – auch strafrechtlich pflichtwidrig ist. Hieraus folgt, dass die Verletzung irgendeiner Norm durch die Bildung einer schwarzen Kasse nur dann eine Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB bedeuten kann, wenn diese Norm – zumindest mittelbar – einen vermögensschützenden Charakter hat. Bezogen auf die Bildung schwarzer Kassen ist ferner die Frage des inneren (internen) Zusammenhangs von Vermögensbetreuungspflicht und konkreter Pflichtverletzung relativ unproblematisch, sofern der Täter seine Vermögensbetreuungspflicht durch die Bildung der schwarzen Kasse verletzt, was nach Inhalt und Umfang der Treuabrede (insbesondere nach den vertraglichen Vereinbarungen und deren Auslegung nach Treu und Glauben) beurteilt wird. Diese Frage wird bei der Bildung schwarzen Kassen im Regelfall positiv beantwortet. Auch die Frage, ob das Merkmal „gravierend“ nur auf unternehmerische Entscheidungen mit Ermessensspielraum oder auf sämtliche Pflichtverletzungen i. S. d. Untreuetatbestandes anwendbar ist, ist für die Bildung schwarzer Kassen ohne Belang, denn die nichtordnungsgemäße Geschäftsführung des fremden Vermögens ist stets eine gravierende Pflichtverletzung185. Es muss noch untersucht werden, welche Pflichten durch die Bildung einer verdeckten Kasse verletzt werden können. Es hängt vom Bereich ab, in dem die schwarze Kasse gebildet wird (öffentliche Verwaltung, politische Parteien oder private Unternehmen), welche Pflichten bzw. Vorschriften in Betracht kommen. Von erheblicher Bedeutung ist auch, dass die neueste Rechtsprechung die Bildung einer schwarzen Kasse strafrechtlich als Unterlassungstat behandelt. Diese Frage wird im Folgenden eingehend untersucht. Erklärungsbedürftig ist letztlich, ob das Einverständnis bzw. das mutmaßliche Einverständnis des Vermögensinhabers mit der Bildung der schwarzen Kasse bereits die Pflichtwidrigkeit des Handelns des Treunehmers ausschließen kann. a) Die durch die Bildung schwarzer Kassen verletzten Pflichten bzw. Vorschriften Prüfenswert ist zuerst, welche Vorschriften durch die Bildung einer schwarzen Kasse verletzt werden können. Zu diesem Zweck muss nochmals 185 Auch
Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 31 f.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
zwischen den schwarzen Kassen im öffentlichen, parteipolitischen und privatwirtschaftlichen Bereich unterschieden werden. aa) Der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorschriften im öffentlichen Bereich Bezogen auf die Pflichtwidrigkeit der Bildung einer schwarzen Kasse in der öffentlichen Verwaltung kommt zuerst der Grundsatz der Spezialität (sog. „sachliche Bindung“) nach § 45 BHO in Betracht186. Nach diesem Grundsatz ist jeder Haushaltstitel (Ausgabe- oder Eingabemittel) an einen bestimmten Zweck im Haushaltsplan gebunden. Wie bereits erklärt wurde187, wird oftmals im öffentlichen Bereich eine schwarze Kasse eingerichtet, um Haushaltsgelder, die sich aus bestimmten Haushaltstiteln ergeben, für andere öffentliche Zwecke zu verwenden. Daher kommt durch die Bildung einer schwarzen Kasse ein Verstoß gegen den Grundsatz der Spezialität gem. § 45 BHO als Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB in Betracht. Weiterhin kann der Grundsatz der Jährlichkeit (sog. „zeitliche Bindung“) gem. §§ 1, 11 II, 45 BHO durch die Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung verletzt werden188. Nach diesem Grundsatz gilt jede Ausgabeermächtigung des Haushaltsplans nur für das Haushaltsjahr, für das der Haushaltsplan durch Gesetz festgestellt wird. Wenn im sog. „DezemberFieber“189 schwarze Kassen aus Haushaltsgeldern gebildet werden, um diese Gelder im nächsten Haushaltsjahr zu verwenden, kommt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Jährlichkeit gem. §§ 1, 11 II, 45 BHO als Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB in Betracht190. Weitere öffentlich-rechtliche Grundsätze bzw. Vorschriften, die durch die Bildung schwarzer Kassen verletzt werden können, sind der Grundsatz der Gesamtdeckung gem. § 8 BHO und § 7 HGrG, nach welchem alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben dienen191, sowie § 34 I BHO, 186 Auch hierzu s. A. IV. 1.; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 20 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 8 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 140 ff., 151 f. 187 Vgl. A. IV. 1.; auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 58 f.; vgl. auch Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 7. 188 Auch hierzu s. A. IV. 1.; vgl. auch Wiesner, Finanzwirtschaft, S. 124 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 18 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 9 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 143 f., 152 f. 189 Weimann, Schwarze Kassen, S. 19, 59, 60, 61; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 303; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 32 Rn. 2; Wolf, Verwendung öffentlicher Mittel, S. 208. 190 Weimann, Schwarze Kassen, S. 59; Volk, Gutachten, S. 398. 191 Neye, Untreue, S. 73; Volk, Gutachten, S. 380; Weimann, Schwarze Kassen, S. 59 f.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 138 ff., 150 f.; Wiesner, Finanzwirtschaft, S. 136 ff.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 93
nach welchem Einnahmen rechtzeitig und vollständig zu erheben und mit ihrem vollen Betrag bei dem hierfür vorgesehenen Titel zu buchen sind192. Die Bildung schwarzer Kassen im „Dezember-Fieber“ verstößt letztlich gegen § 56 BHO, nach welchem vor Empfang der Gegenleistung Leistungen des Bundes nur vereinbart oder bewirkt werden dürfen, wenn dies allgemein üblich oder durch besondere Umstände gerechtfertigt ist193. Schließlich können durch die Bildung schwarzer Kassen auch amtsinterne Anweisungen betreffend die Kassenführung und Buchführung der öffentlichen Geldmittel verletzt werden194. bb) Der Verstoß gegen das PartG, die Parteisatzung und / oder die Spendenabrede im parteipolitischen Bereich Wie bereits eingehend erklärt wurde195, werden auch in politischen Parteien oftmals schwarze Kassen aus anonymen oder verbotenen Spenden und / oder aus anderen Geldmitteln illegaler bzw. unbekannter Herkunft gebildet. Prüfenswert ist, welche Vorschriften bzw. Pflichten im parteipolitischen Bereich betroffen sind. Die Pflicht der politischen Parteien, einen Rechenschaftsbericht über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen abzulegen, ist nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung zu erfüllen (§ 24 Abs. 1 S. 2 PartG)196. Weiterhin sind politische Parteien nach § 25 Abs. 3 PartG verpflichtet, die Namen ihrer Spender zu nennen. Es ist außerdem nach § 25 Abs. 2 verboten, anonyme Spenden anzunehmen. Ausgehend davon kann die Bildung einer schwarzen Parteikasse einen Verstoß gegen Vorschriften des Parteiengesetzes begründen. Wenn in einer politischen Partei schwarze Kassen aus anonymen Spenden oder aus sonstigem Parteivermögen gebildet werden, kann ein Verstoß gegen bestimmte Vorschriften des Parteiengesetzes in der Fassung vom 31. Januar 1994, und insbesondere gegen §§ 23 Abs. 1 (Rechenschaftslegungspflicht), 24 Abs. 1 S. 2 (Rechenschaftslegung nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Buchführung) und 25 Abs. 2 (Publikationsgebot von Großspenden) und / oder 25 Abs. 3 PartG (Weiterleitungspflicht) vorliegen197. Nach der Gesetzesänderung im Jahr 2002 kann die Bildung einer verdeckten Parteikasse unmittelbar gegen §§ 25 Abs. 1 S. 2 PartG (Verbot von Barspenden über 1 000 192 Neye,
Untreue, S. 73; Volk, Gutachten, S. 380; Weimann, Schwarze Kassen, S. 60. Schwarze Kassen, S. 60. 194 Weimann, Schwarze Kassen, S. 60 f. 195 Vgl. A. III. 2. 196 Zur Rechenschaftslegungspflicht vgl. A. III. 2. a). 197 Saliger, Parteiengesetz, S. 400. 193 Weimann,
94
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Euro) und 25 Abs. 1 S. 3 PartG (Pflicht der Parteimitglieder, die Empfänger von Spenden an die Partei sind, diese unverzüglich an ein von der Partei satzungsmäßig für Finanzangelegenheiten bestimmtes Vorstandsmitglied weiterzuleiten) sowie mittelbar gegen §§ 25 Abs. 2 bis 4 PartG (Publizitätsregelungen zu den Spenden), 25 Abs. 3 S. 1 PartG (Publizitätsregelungen zu den Mandatsträgerbeiträgen) und 27 Abs. 2 PartG (Publizitätsregelungen zu sonstigen Einnahmen) verstoßen198. Zudem kann die Bildung einer schwarzen Kasse innerhalb einer politischen Partei gegen Vorschriften der Parteisatzung verstoßen. Alle Parteien müssen aufgrund § 6 Abs. 1 PartG eine Satzung haben, die u. a. ihre Gründung und Organisation sowie ihr Verhältnis zu ihren Mitgliedern regelt und demokratischen Grundsätzen entspricht199. Jede Parteisatzung muss zumindest Bestimmungen über Form und Inhalt einer Finanzordnung enthalten200. Durch die Bildung schwarzer Parteikassen können Vorschriften der Parteisatzung verletzt werden, die entweder ausdrücklich oder indirekt die Bildung und Unterhaltung schwarzer Kassen innerhalb der Partei verbieten201. Als letzte Pflichtverletzungsquelle bei der Bildung schwarzer Kassen in politischen Parteien kann die Parteispendenabrede zwischen Spendern und Parteien in Betracht kommen, vorausgesetzt, dass die schwarze Parteikasse mit Parteispenden eingerichtet wird202. Die Spendenabrede kann aber nur dann eine Pflichtverletzungsquelle im Sinne der Untreue begründen, wenn sie die ordnungsgemäße Verbuchung und die Offenbarung der Spenden verlangt. Wenn hingegen im Spendenvertrag die Anonymität der Spender vereinbart wird, dann scheidet er als Grundlage einer Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes aus203. Im Fall Kohl verstieß die Bildung der schwarzen Kasse bezüglich des Gebots der Nennung der Spender sowie des Verbots der Annahme anonymer Spenden gegen § 25 PartG 1994, sowie gegen Vorschriften der Parteisatzung, die die ordnungsgemäße Verbuchung von Spenden verlangten und die Bildung schwarzer Kassen direkt und indirekt ausschlossen204. Eine Verletzung der Spendenabrede schied hingegen aus, da die Spender im Fall Kohl ihre Anonymität verlangten205. 198 Saliger,
Parteiengesetz, S. 683. Saliger, Parteiengesetz, S. 400; Maurer, JuS 1991, 881, 883, 887; Heinig / Streit, Jura 2000, 393, 393. 200 Saliger, Parteiengesetz, S. 400 f. 201 Saliger, Parteiengesetz, S. 400 ff. 202 Saliger, Parteiengesetz, S. 405. 203 Saliger, Parteiengesetz, S. 405. 204 Saliger, Parteiengesetz, S. 407. 205 Saliger, Parteiengesetz, S. 407. 199 Vgl.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 95
Im Fall Kanther wurde § 24 PartG bezüglich der ordnungsgemäßen Buchführung von Parteispenden und sonstigem Parteivermögen verletzt206. Die Bildung der schwarzen Kassen innerhalb der CDU-Hessen verstieß außerdem gegen Vorschriften der Parteisatzung über die ordnungsgemäße Buchführung und die Anmaßung eigenmächtiger Verfügungsgewalt über Parteivermögen207. Das Wiesbadener Landgericht nahm in seinem Beschluss vom 25.03.2002 einen Verstoß gegen § 15 I Nr. 5 der Satzung der CDU-Hessen bezüglich der „Feststellung des Haushaltsplans und Auf stellung des Finanzberichts für den Landesausschuss“ an208. Auch das OLG Frankfurt a. M. stellte die Verletzung der Pflicht gem. § 5 II Nr. 3 i. V. m. § 15 I Nr. 5 der Satzung der CDU-Hessen fest, die zuständigen Parteiorgane über das vorhandene Geldvermögen zu informieren209. Nach Matt handelte es sich im vorliegenden Fall hingegen um rein formelle Verstöße gegen die Parteisatzung bzw. das PartG, da keine parteizweckwidrigen Ausgaben, sondern nur materiell satzungskonforme Handlungen erfolgten210. cc) Der Verstoß gegen zivilrechtliche Pflichten bzw. Vorschriften im privatwirtschaftlichen Bereich In der Privatwirtschaft können durch die Bildung einer „Kriegskasse“ eine Vielzahl von rechtsgeschäftlichen Regelungen und gesetzlichen Vorschriften verletzt werden. In Betracht kommen namentlich rechtsgeschäft liche Vereinbarungen zwischen privaten Unternehmen und Treunehmern, private Regelungen innerhalb des Unternehmens und gesetzliche Vorschriften, z. B. Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften sowie (subsidiär) die allgemeine Sorgfaltspflicht des ordentlichen Kaufmannes. (1) Verstoß gegen rechtsgeschäftliche Vereinbarungen Die Bildung schwarzer Kassen innerhalb eines privaten Unternehmens verstößt gegen rechtsgeschäftliche Vorschriften, die bestimmen, was erlaubt und was verboten ist211. Solche Vorschriften kann man im Arbeitsvertrag des Treunehmers sowie im Gesellschaftsvertrag finden, in der Rechtspre206 Saliger,
Parteiengesetz, S. 409; vgl. auch Bosch, JA 2008, 148, 149. Parteiengesetz, S. 408 f. 208 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1511. 209 OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028, 2030. 210 Matt, NJW 2005, 389, 391. 211 Vgl. Weimann, Schwarze Kassen, S. 62. 207 Saliger,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
chung wird jedoch niemals das ausdrückliche Verbot der Bildung schwarzer Kassen festgestellt212. Im Anstellungsvertrag mit dem Treunehmer wird als Sorgfaltsmaßstab bei der Ausübung seiner Leitungsbefugnisse oftmals die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes gem. §§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. 43 Abs. 1 GmbHG festgelegt213. Eine derartige Vereinbarung findet man vornehmlich in Arbeitsverträgen zwischen Managern der sog. „zweiten Ebene“, die keine Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer sind, weswegen die Generalklauseln der §§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. 43 Abs. 1 GmbHG nicht direkt auf sie anwendbar sind214. Im Gesellschaftsvertrag findet man außerdem in den meisten Fällen Regelungen zum Innenverhältnis zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, Vorstandsmitgliedern, Geschäftsführern, Managern, Arbeitnehmern usw. sowie zur Gesamtvertretung der Gesellschaft und andere Vertretungsregeln215. Die Bildung schwarzer Kassen kann weiterhin (Gesellschafter-)Weisungen, Gesellschafterbeschlüsse und / oder Geschäftsordnungen verletzen216. (2) Verstoß gegen unternehmensinterne Compliance-Regelungen Wie bereits dargelegt wurde217, kann die Pflichtwidrigkeit im Sinne des Treubruchstatbestandes auch durch die Verletzung von Vorschriften bzw. Pflichten mit hinreichendem, mittelbarem Vermögensbezug begründet werden. Als solche kommen die unternehmensinternen Compliance-Regelungen218 in Betracht. Ausgehend davon kann die Bildung einer schwarzen Kasse gegen bestimmte Compliance-Vorschriften verstoßen, die innerhalb eines privaten Unternehmens gelten und die Bildung schwarzer Kassen ausschließen219. 212 Rönnau, 213 Vgl.
in: FS-Tiedemann, S. 721; Fischer, § 266 StGB Rn. 82. Weimann, Schwarze Kassen, S. 63; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 724,
Fn. 59. 214 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 724, Fn. 59; vgl. auch Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 10. 215 Vgl. Weimann, Schwarze Kassen, S. 63. 216 Weimann, Schwarze Kassen, S. 6 f.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721. 217 Vgl. B. IV. 2. a). 218 Ausf. zu den Compliance-Regelungen innerhalb privater Unternehmen s. Michalke, StV 2011, 245 ff.; Sieber, in: FS-Tiedemann, S. 449 ff.; Görling, in: Compliance, S. 449 ff.; s. auch BGH, NJW 2011, 88 ff. 219 Fischer, § 266 StGB Rn. 81; Bernsmann, GA 2007, 219, 232; ders., GA 2009, 296, 301; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721; ders., StV 2009, 246, 247; Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 68; Satzger, NStZ 2009, 297, 300; Schmid, in: Müller-
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 97
Aber in den meisten Fällen existieren in großen Unternehmen ComplianceVorschriften, die nur die Schmiergeldzahlungen ausdrücklich verbieten. Fraglich ist dann, ob ein solches Verbot außer den Schmiergeldzahlungen, d. h. außer der Verwendung der schwarzen Kassen zu Bestechungszwecken, auch ihre Bildung bzw. ihre Verwendung zu irgendeinem Zweck (d. h. nicht nur zu Bestechungszwecken) erfasst. Diese Frage wurde im Fall Siemens / ENEL aufgeworfen. Der BGH nahm im vorliegenden Fall an, dass die Bildung der schwarzen Kassen Compliance-Vorschriften verletzte, die innerhalb der Siemens PG galten und die Zahlung von Schmiergeldzahlungen ausdrücklich verboten220. Die Annahme des zweiten Senats des BGH, dass die Bildung schwarzer Kassen selbst gegen die Compliance-Vorschriften verstoße, ist kaum nachvollziehbar, da das Verbot in den einschlägigen Compliance-Vorschriften ausschließlich Schmiergeldzahlungen betraf (d. h. nur die Verwendung der schwarzen Kassen zu Bestechungszwecken). Sowohl die Verwendung schwarzer Kassen zu anderen Zwecken (z. B. zu verdeckten Parteispenden) als auch ihre Bildung selbst werden nicht in dieses Verbot mit einbezogen221. (3) V erstoß gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften (§§ 238 ff. HGB bzw. §§ 140 ff. AO) §§ 238 ff. HGB222 sehen die ordentliche Buchführung des Kaufmannes nach den Grundsätzen der Klarheit, Wahrheit, Richtigkeit, Zeitgerechtigkeit und Vollständigkeit vor223. Durch die ordnungsgemäße Buchführung ist die Kontrolle der Vermögenslage sowohl von externen Kontrollbehörden als auch vom Vermögensinhaber selbst möglich224. Nach § 6 Abs. 1 HGB ist Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 140. Zu den Stimmen gegen die Compliance-Regelungen als Pflichtverletzungsquelle im Sinne des Untreuetatbestandes, weil dadurch die Untreue eine „Superverbotsnorm“ werde, s. Knauer, NStZ 2009, 151, 152; skeptisch diesbezüglich auch Schünemann, NStZ 2008, 430, 433 (Compliance Regelungen sind nach Schünemann für § 266 StGB nur insoweit von Relevanz, „wie sie den Vermögensschutz bezwecken, nicht aber schon dann, wenn sie im Interesse der allgemeinen Rechtsbefolgung oder der Sicherung der Disposi tionsbefugnis bestimmter Organe geschaffen worden sind“). 220 BGH, NJW 2009, 89, 91. 221 Knauer, NStZ 2009, 151, 153; Brammsen / Apel, WM 2010, 781, 785; vgl. Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721, Fn. 38; vgl. auch Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 68; a. A. Fischer, § 266 StGB Rn. 81. 222 Ausf. zu §§ 238 ff. HGB s. Ballwieser, in: MüKo HGB, §§ 238 ff.; Kirnberger, in: HK-HGB, §§ 238 ff. HGB. 223 Vgl. Ballwieser, in: MüKo HGB, § 239 HGB Rn. 6; Kirnberger, in: HKHGB, § 239 HGB Rn. 9. 224 Vgl. Ballwieser, in: MüKo HGB, § 238 HGB Rn. 1.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
die Buchführungspflicht nach § 238 ff. HGB auch auf Handelsgesellschaften, zu denen u. a. Kapitalgesellschaften zählen, anwendbar225. Ein Verstoß gegen §§ 238 ff. HGB wird in den meisten Fällen der Bildung schwarzer Kassen bejaht, da sie zumeist mit Buchungsmanipulationen, d. h. Nicht- oder Falschbuchungen (sog. „Luftbuchungen“226 bzw. „buchhalterische Tricks“227), zusammengeht228. Die Bildung einer geheimen Kasse, die nicht in der Buchführung des privaten Unternehmens erscheint, verstößt gravierend229 gegen das Gebot des § 239 Abs. 2 HGB, die Buchführung vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen, und mithin auch gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung gem. § 238 Abs. 1 S. 1 HGB, sofern die Buchführungsvorschriften der §§ 238 ff. HGB auch dem Schutz der Vermögensinteressen des Vermögensinhabers bzw. des Unternehmens dienen230 und die bestehende unordentliche bzw. fehlerhafte Buchführung zu einem Vermögensnachteil führt. In dieser Hinsicht bejahte der 2. Senat des BGH im Fall Siemens / ENEL – neben der Verletzung der Compliance-Vorschriften der Siemens PG – zusätzlich eine gravierende Pflichtverletzung der Buchführungspflicht gem. §§ 238 ff. HGB231. Der 2. Senat der BGH stellte weiterhin in seiner Entscheidung vom 27.08.2010 eine gravierende Pflichtverletzung der Pflicht zur ordentlichen Buchführung und insbesondere des Gebots der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchführung gem. § 239 Abs. 2 HGB fest, weil der Haupttäter T. 225 Vgl. Ballwieser, in: MüKo HGB, § 238 HGB Rn. 8; Weimann, Schwarze Kassen, S. 66. 226 Weimann, Schwarze Kassen, S. 66; auch Saliger, Parteiengesetz, S. 399; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721. 227 Satzger, NStZ 2009, 297, 298; auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 4 („Buchungstricks“). 228 Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1130 ff., 1179; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721 f.; ders., StV 2009, 246, 247; Fischer, § 266 StGB Rn. 82; Satzger, NStZ 2009, 297, 300 f.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 66 ff. 229 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 722; ders., StV 2009, 246, 247; so die Rechtsprechung im Fall Siemens / ENEL (BGH, NJW 2009, 89, 91) sowie im Kölner Müllskandal (BGH, StV 2011, 20, 23, Rn. 31 f.). 230 Knauer, NStZ 2009, 151, 152; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721 f.; ders., StV 2009, 246, 247; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 19a; Weimann, Schwarze Kassen, S. 51, 69 ff.; dazu auch Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 135a; Brand, NJW 2010, 3463, 3463; Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1151. 231 BGH, NJW 2009, 89, 91; krit. hierzu Knauer, NStZ 2009, 151, 152; Rönnau, StV 2009, 246, 247; Satzger, NStZ 2009, 297, 300 f.; vgl. auch Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57, 68.
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bei der Bildung und Verwaltung der schwarzen Kasse inhaltlich falsche Buchungen vornahm232. In diesem Zusammenhang kommen als Pflichtverletzungsquelle bei der Bildung schwarzer Kassen auch § 91 Abs. 1 AktG bzw. § 41 Abs. 1 GmbHG in Betracht, die die Pflicht zur ordnungsgemäßen Buchführung für AGVorstandsmitglieder bzw. GmbH-Geschäftsführer regeln, weil sie keine Kaufleute i. S. d. HGB sind233. In Betracht kommt schließlich auch die in § 140 AO normierte steuerrechtliche Buchführungspflicht234. Nach § 240 AO hat derjenige, der nach nichtsteuerrechtlichen Gesetzen Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat, die für die Besteuerung von Bedeutung sind, die Verpflichtungen, die ihm nach den anderen Gesetzen obliegen, auch für die Besteuerung zu erfüllen235. (4) V erstoß gegen das Handeln eines ordentlichen Geschäftsmannes (§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. § 43 Abs. 1 GmbHG) AktG und GmbHG verlangen die Geschäftsführung der AG-Vorstandsmitglieder und GmbH-Geschäftsführer unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes. Nach § 93 Abs. 1 S. 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder einer AG bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden236. § 93 Abs. 1 AktG hat eine Doppelfunktion: Während § 93 Abs. 1 S. 1 AktG den Vorstandsmitgliedern eine allgemeine Sorgfaltspflicht auferlegt, enthält § 93 Abs. 1 AktG in S. 2 einen Verschuldensmaßstab (sog. „Business Judgement Rule“237), der die objektive Sorgfaltspflichtwidrigkeit für eine bestimmte subjektive Lage 232 BGH, StV 2011, 20, 23, Rn. 31 f.; zust. Brand, NJW 2010, 3463, 3463; Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1151. 233 Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1131; Rönnau, in: FSTiedemann, S. 721. 234 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 721; Satzger, NStZ 2009, 297, 300. 235 Ausf. zu den Buchführungspflichten der §§ 140 ff. AO s. Kuhfus, in: Wedelstädt, Abgabenordnung, § 140 AO Rn. 1 ff.; Coester, in: Pahlke / Koenig, Kommentar AO, § 140 AO Rn. 1 ff.; Brockmeyer, Abgabenordnung, § 140 AO Rn. 1 ff. 236 Ausf. zum § 93 Abs. 1 S. 1 AktG s. Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 21 ff.; Bürgers / Israel, in: HK-AktG, § 93 AktG Rn. 2 ff.; Landwehrmann, in: Heidel, Ak tienrecht, § 93 AktG Rn. 50 ff., 85 ff.; Hüffer, Aktiengesetzbuch, § 93 AktG Rn. 3 ff.; Fleischer, in: Spindler / Stilz, Kommentar AktG, § 93 AktG Rn. 10 ff.; Hölters, Kommentar AktG, § 93 AktG Rn. 26 ff. 237 Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 35; Bürgers / Israel, in: HK-AktG, § 93 AktG Rn. 1; Volk, in: FS-Hamm, S. 806.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
ausschließt238. Gleicherweise sieht § 43 Abs. 1 GmbHG die allgemeine Sorgfaltspflicht des Geschäftsführers vor, nach welcher er in den Angelegenheiten der GmbH die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden hat239. Ein objektiver Sorgfaltsmaßstab gilt daher auch für den Geschäftsführer einer GmbH240. Verletzen die Vorstandsmitglieder einer AG bzw. die Geschäftsführer einer GmbH ihre Buchführungspflicht nach § 238 Abs. 1 HGB dadurch, dass sie durch Nicht- oder Falschbuchungen eine schwarze Kasse bilden, um sie anschließend im Interesse der Gesellschaft, jedoch auch nach eigenem Gutdünken und unkontrolliert zu verwenden, dann verletzen sie gleichzeitig auch die Sorgfaltspflicht des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. des § 43 Abs. 1 GmbHG241. Wenn normative und nicht rein wirtschaftliche Kriterien für die Auslegung der Figur des ordentlichen Geschäftsmannes angenommen werden, ist es zweifelhaft, ob die Bildung schwarzer Kassen zu Bestechungszwecken dem Leitbild des ordentlichen Geschäftsmannes entspricht bzw. mit ihm vereinbar ist242. So nahm der 2. Senat des BGH im „Kölner Müllskandal“ an, dass der Haupttäter T. durch die Bildung des schwarzen Kontos in der Schweiz nicht nur §§ 238 ff. HGB verletzte, sondern auch in gravierender Weise entgegen der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes gem. § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gem. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG handelte243. Den Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG stützte der BGH auf die Verletzung gesetzlich vorgesehener Minderheitsrechte (d. h. des Rechts auf Einberufung der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung)244. Dies wird im Schrifttum zu Recht 238 Spindler, in: MüKo AktG, § 93 Rn. 5 f., 20; Landwehrmann, in: Heidel, Aktienrecht, § 93 AktG Rn. 103; Hüffer, Aktiengesetzbuch, § 93 AktG Rn. 3a; Fleischer, in: Spindler / Stilz, Kommentar AktG, § 93 AktG Rn. 10; Volk, in: FS-Hamm, S. 806. 239 Ausf. zum § 43 Abs. 1 GmbHG s. Haas / Ziemons, in: Michalski, Kommentar GmbH, § 43 GmbHG Rn. 38 ff.; Theiselmann / Moeder, in: Heybrock, GmbH-Recht, § 43 GmbHG Rn. 3 ff.; Wicke, § 43 GmbHG Rn. 4 ff.; Fichtelmann, in: Bartl, GmbHRecht, § 43 Rn. 14 ff.; Ockelmann, in: Bormann, Handbuch GmbH, Kap. 7 Rn. 149 ff.; Schmidt, in: Achilles / Ernsthaller / Schmidt, Kommentar GmbHG, § 43 GmbHG Rn. 12 f. 240 Schmidt, in: Achilles / Ernsthaller / Schmidt, Kommentar GmbHG, § 43 GmbHG Rn. 13. 241 Fischer, § 266 StGB Rn. 82; Richter, GmbHR 1984, 137, 145; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 724 ff.; Satzger, NStZ 2009, 297, 300; Weimann, Schwarze Kassen, S. 64 f., 83. 242 Hierzu vgl. Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 725 ff.; auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 83. 243 BGH, StV 2011, 20, 22, Rn. 28 ff. 244 BGH, StV 2011, 20, 22, Rn. 30.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 101
kritisiert, da die Minderheitsrechte keine Vermögensbetreuungspflicht für den Geschäftsführer bzw. den Vorstand begründen können245. Auch Hoffmann kritisiert den Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG bzw. § 93 Abs. 1 S. 1 AktG aufgrund der Verletzung der Minderheitsrechte mit dem Argument, dass ein derartiger Verstoß keinen Bezug zu den Vermögensinteressen der Treugeberin habe246. b) Bildung schwarzer Kassen – eine Untreuehandlung durch Tun oder Unterlassen? Der 2. Senat des BGH sah in den „Kanther“ und „Siemens / ENEL“-Entscheidungen das strafbewehrte Verhalten des Täters bei schwarzen Kassen nicht in dem positiven Tun der Bildung der schwarzen Kassen, sondern in dem Unterlassen der gebotenen Offenbarung und ordnungsgemäßen Einstellung der Geldmittel in die Buchführung247. aa) Der sog. „Fall Kanther“ Insbesondere im Fall Kanther sah sowohl das LG Wiesbaden in seinem Urteil vom 18.04.2005 als auch der 2. Senat des BGH in seiner Entscheidung vom 18.10.2006 die Bildung der schwarzen Parteikasse als eine „einheitliche, gemeinschaftlich begangene Unterlassungstat“, die sich „jedenfalls vom Zeitpunkt der Verlagerung der Vermögenswerte auf Konten in der Schweiz (1983) über die Einbringung in die liechtensteinische Stiftung (1993) hinaus bis zur Aufdeckung im Jahr 1999 und zur Rückführung der Guthaben der Stiftung ‚Za.‘ an den Landesverband“ erstreckte248. Der Auffassung des BGH im vorliegenden Fall, dass § 266 StGB durch das Unterlassen der Offenbarungspflicht begangen wurde, wurde zutreffend entgegengehalten, dass bereits das aktive Tun der verdeckten Übertragung des Vermögens, d. h. das aktive Tun der Bildung der schwarzen Kassen, zu einem Vermögensnachteil führte249. Ransiek bezweifelte, ob ein Schaden gerade durch das Unterlassen der Offenbarung begründet wurde250. Er verglich diese Rechtssituation mit dem 245 Brand,
NJW 2010, 3463, 3463. GmbHR 2010, 1146, 1151. 247 BGHSt 51, 100, 112 ff.; BGH, NJW 2009, 89, 91; zust. Fischer, § 266 StGB Rn. 78; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 141c, 143c. 248 BGHSt 51, 100, 112. 249 Ransiek, NJW 2007, 1727, 1728; Saliger, NStZ 2007, 545, 546 f. 250 Ransiek, NJW 2007, 1727, 1728. 246 Hoffmann,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Diebstahl gem. § 246 StGB und stellte zutreffend klar, „auch der Dieb, der die gestohlene Sache zu Hause aufbewahrt, begeht keine Unterschlagung durch Unterlassen, weil er sie nicht zurückgibt“251. Er befürwortete auch, dass keine Vermögensbetreuungspflicht zur Offenbarung besteht, wenn ihr Unterlassen als eigenständige Untreuehandlung betrachtet werden kann, da durch das positive Tun der Bildung der schwarzen Kasse schon eine Untreue begangen und vollendet wird; hieraus folgt, dass der Täter sich das fremde Vermögen deliktisch verschafft hat und nicht mehr vermögensbetreuungspflichtig für das von ihm deliktisch erlangte Vermögen ist252. Hervorzuheben ist weiter, dass aus der Betrachtung des Unterlassens der Offenbarung als Untreuehandlung folgt, dass es sich um eine einheitliche Unterlassungstat handelt, deren Verjährungsfrist erst nach der Rückführung der Gelder bzw. der Entdeckung der schwarzen Kasse beginnt. Eine solche Annahme zum Zwecke der Bestrafung eines in Wahrheit schon verjährten Verhaltens ist nicht haltbar. Im Fall Kanther war die Untreuehandlung, d. h. die ursprüngliche Bildung der schwarzen Kasse, zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung längst verjährt253. bb) Der sog. „Fall Siemens / ENEL“ Im Fall Siemens / ENEL ist die strafrechtliche Behandlung der Bildung schwarzer Kassen als Tun oder Unterlassen anders zu behandeln als im Fall Kanther. Im Fall Siemens / ENEL ist zwischen zwei Untreuehandlungen – beide in der Form des Treubruchs – zu differenzieren, denn innerhalb der Siemens PG existierten zwei verschiedene schwarze Kassen. Im ersten Fall des liechtensteinischen Kontengeflechts sah der 2. Senat des BGH – anders als das LG Darmstadt – die Untreue in dem Unterlassen der Offenbarung der Existenz des verdeckten Kontengeflechts254. Im zweiten Fall, in welchem der Angeklagte von ihrem ursprünglichem Verwalter über die schwarze Kasse informiert wurde, nahmen sowohl das LG Darmstadt als auch der BGH eine Unterlassungstat an, weil „der Angeklagte es unterließ, die von ihm vorgefundenen, auf verdeckten, nicht unter dem Namen der Treugeberin geführten Konten verborgenen Geldmittel seiner Arbeitgeberin zu offen baren“255. Der 2. Strafsenat des BGH betonte: „Zum Kernbereich der Vermögensbetreuungspflicht des Angeklagten als für die kaufmännische Leitung 251 Ransiek,
NJW 2007, 1727, 1728. NJW 2007, 1727, 1728 f. 253 Vgl. Ransiek, NJW 2007, 1727, 1730. 254 BGH, NJW 2009, 89, 91. 255 BGH, NJW 2009, 89, 91. 252 Ransiek,
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 103
des Geschäftsbereichs verantwortlichem Bereichsvorstand gehörte es offensichtlich, seiner Arbeitgeberin bislang unbekannte, ihr zustehende Vermögenswerte in erheblicher Höhe zu offenbaren und diese ordnungsgemäß zu verbuchen. Diese Pflicht hat der Angeklagte verletzt“256. Insbesondere im zweiten Fall der schweizerischen schwarzen Konten wurde die schwarze Kasse nicht vom Angeklagten selbst eingerichtet. Er hatte sie hingegen vorgefunden und war erst später in Aktion getreten. Da der Täter bei der Bildung der schwarzen Kassen nicht tätig wurde, sondern sie übernahm, und sie anschließend durch eine Reihe von positiven Verfügungs- bzw. Verschleierungshandlungen verwaltete und letztendlich zu korruptiven Zwecken verwendete, erscheint die Beurteilung des strafbewehrten Verhaltens des Täters als positives Tun oder Unterlassen besonders problematisch. Der 2. Senat des BGH nahm in Bezug auf beide schwarze Kassen innerhalb der Siemens PG an, dass die Pflichtverletzung nicht im positiven Tun der ursprünglichen Bildung schwarzer Kassen, sondern erst im Unterlassen der Offenbarung der Existenz der schwarzen Kassen und in der Verbuchung der verdeckten Geldmittel lag. Der Meinungsstand in der Literatur ist nicht einheitlich. Anders als beim Kanther-Fall, bei dem der Angeklagte eine Untreue durch positives Tun der Bildung der schwarzen Kasse beging und anschließend keine Vermögensbetreuungspflicht zur Offenbarung der Existenz der schwarzen Kasse hatte, war nach Ransiek der Angeklagte beim Siemens / ENEL-Fall vermögensbetreuungspflichtig, das Vermögen des von ihm zu Betreuenden zu mehren, gleichgültig ob er diese Vermögensbetreuungspflicht durch Ausgleich eines schon eingetretenen Schadens, durch Geltendmachung von Ansprüchen oder durch sonstiges Verhalten erfüllt257. Rönnau kritisiert diese Ansicht mit dem Argument, dass sie zur „Annahme eines kontrafaktisch – d. h. unter Hinzudenken rechtmäßigen Täterverhaltens – begründeten und damit im Grunde rein fiktiven Vermögensbestandteils“ führte, sofern der Übernehmer der schwarzen Kasse (bis zu deren Verwendung) die Vermögenssituation nicht verschlechtert hat258. In ähnlicher Weise nimmt Knauer an, dass das bloße Unterlassen der Offenbarung dem Vermögen schließlich nicht noch einmal schade259.
256 BGH, NJW 2009, 89, 91; zust. Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 97; Fischer, § 266 StGB Rn. 78; Ransiek, NJW 2009, 95, 96. 257 Ransiek, NJW 2009, 95, 96. 258 Rönnau, StV 2009, 246, 246. 259 Knauer, NStZ 2009, 151, 152.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
cc) Stellungnahme Anlässlich des BGH-Urteils im Siemens / ENEL-Fall hat Fischer die Ansicht vertreten, dass bei längerfristigen systematischen Taten und zwischenzeitlichem Wechsel von Tatbeteiligten das Schwergewicht der Pflichtverletzung in dem Unterlassen der pflichtgemäßen Offenbarung gegenüber dem Treugeber und der Einstellung in die Buchführung liege und nicht in den einzelnen Verwaltungs- oder Verschleierungshandlungen (z. B. Konto verfügungen)260. Dies muss grundsätzlich bejaht werden, ist jedoch auf bestimmte Fälle einzuschränken. Wenn man zur Abgrenzung zwischen positivem Tun und Unterlassen das vom BGH entwickelte sog. „Schwergewichts-Modell“261 annimmt, kann bei schwarzen Kassen das Unterlassen der Offenbarungspflicht nur bei solchen Fällen angenommen werden, in denen das Schwergewicht der Vorwerfbarkeit des Täters aufgrund einer Gesamtschau seines Verhaltens eigentlich in dem bloßen Unterlassen der Offenbarung besteht. Ein typisches Beispiel eines solchen pflichtwidrigen Verhaltens kann nach hier vertretener Ansicht lediglich darin bestehen, dass der Täter die vorher von einem Dritten gebildete schwarze Kasse übernimmt, sie rein passiv erhält sowie ihre Existenz und Übernahme nicht dem Vermögensinhaber mitteilt. Anderenfalls, wenn er also nach der Übernahme der schwarzen Kasse eine Reihe von positiven Verwaltungs- oder Verschleierungshandlungen vornimmt, z. B. Gründung von Stiftungen und / oder Überweisungen auf andere Konten, dann kann kaum die Rede davon sein, dass das Schwergewicht der Pflichtverletzung in einer Unterlassungstat bestehe. Dann liegt die Vorwerfbarkeit des Verhaltens des Täters in den Verwaltungshandlungen und nicht im Unterlassen der Offenbarung der Existenz der schwarzen Kasse. Wenn schließlich der Treunehmer, der die schwarze Kasse nicht selbst eingerichtet, sondern sie nur übernommen hat und auch keine Verfügungs260 Fischer, § 266 StGB Rn. 78; ähnl. Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 141c, 143c; a. A. Bosch, JA 2009, 233, 235; Knauer, NStZ 2009, 151, 152; Rönnau, StV 2009, 246, 246 f. 261 BGHSt 6, 49, 56; BGHSt 40, 257; BGHSt 51, 165, 173; BGHSt 52, 159, 163; krit. Roxin, AT 2, § 31 Rn. 75 ff.; Samson, in: FS-Welzel, S. 585. Zum Meinungsstand bezüglich der Abgrenzung zwischen Tun und Unterlassen s. Fischer, § 13 StGB Rn. 5; Kudlich, in: SSW, § 13 StGB Rn. 4 ff.; Lackner / Kühl, § 13 StGB Rn. 3; Kuhlen, in: FS-Puppe, S. 669 ff.; Streng, ZStW 122 (2010), 1 ff.; Volk, in: FS-Tröndle, S. 219 ff. Zum Meinungsstand in der Literatur über weitere Kriterien für die Unterscheidung zwischen Tun und Unterlassen (Kausalität, Rechtsgüterschutz, Sonderverantwortlichkeit und andere normative Kriterien) s. Roxin, ZStW 74 (1962), 411 ff.; Spendel, in: FS-Schmidt, S. 183 ff.; Samson, in: FS-Welzel, S. 579 ff.; Freund, in: FS-Herzberg, S. 225 ff.; Merkel, in: FS-Herzberg, S. 193 ff.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 105
handlungen vornimmt, sie jedoch am Ende zu Bestechungszwecken verwendet, dann kommt nicht die Bildung der schwarzen Kasse, sondern ihre Verwendung als Untreuehandlung durch positives Tun in Betracht. Es ist daher fragwürdig, ob im Siemens / ENEL-Fall, in welchem der Angeklagte durch eine Vielzahl von Verfügungshandlungen aktiv an den schwarzen Kassen teilgenommen hat, das Schwergewicht der Vorwerfbarkeit in dem Unterlassen der Offenbarung liegt. c) Ausschluss der Pflichtverletzung durch die Bildung schwarzer Kassen beim (mutmaßlichen) Einverständnis des Vermögensinhabers aa) Die sog. „Schattenkassen“ Es wird in der Literatur und Rechtsprechung angenommen, dass die schwarzen Kassen auch mit Kenntnis des Geschäftsherrn gesetzeswidrig gebildet werden können262. Umstritten ist, ob auch in diesem Fall von einer schwarzen Kasse gesprochen werden kann, denn es handelt sich hierbei nicht um ein gegenüber dem Vermögensinhaber, sondern nur um ein – gegenüber Dritten, v. a. öffentlichen (Finanz-)Behörden – geheim gebildetes Konto263. Saliger hat zutreffend vorgeschlagen, diesen Fall als „Schattenkasse“ zu bezeichnen, um die teiltransparenten Geheimkonten vom Fall der Bildung der schwarzen Kassen ohne Kenntnis des Vermögensträgers zu unterscheiden264. Daraus folgt, dass die „Schattenkassen“ bzw. „(teil-)verdeckten Kassen“ als spezifischer Unterfall der schwarzen Kassen in Betracht kommen, wenn das Geheimkonto gesetzeswidrig, aber mit Kenntnis (Geheiß, Billigung, Duldung) des Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle gebildet wird265. Bezeichnender Fall der Schattenkassen aus der Rechtsprechung ist der sog. „Siemens / ENEL-Fall“266. Hier waren sowohl das Kontengeflecht in Liechtenstein als auch das ganze zunächst in der Schweiz „etablierte“ System schwarzer Kassen einer größeren Anzahl von Siemensmitarbeitern be262 Saliger, NStZ 2007, 545, 547, Fn. 29; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 76; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 67; auch BGH, NJW 2009, 89, 91. 263 Rönnau (Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 718) nimmt eine engere Betrachtung der schwarzen Kassen an und befürwortet die Ansicht, dass die teiltransparenten Geheimkonten mangels der Pflichtverletzung keine schwarze Kassen seien. 264 Saliger, NStZ 2007, 545, 547, Fn. 29; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 76; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 67; zust. Satzger, NStZ 2009, 297, 298; Fischer, § 266 StGB Rn. 81. 265 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 76; ders., NStZ 2007, 545, 547, Fn. 29; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 67. 266 BGH, NJW 2009, 89, 91.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
kannt. Der BGH hat im zugrunde liegenden Fall die Schattenkassen als Unterfall der schwarzen Kassen angesehen und die Untreuestrafbarkeit wegen deren Bildung und Unterhaltung bejaht. bb) Das Einverständnis des Vermögensinhabers mit der Bildung schwarzer Kassen Bei einem rechtlich wirksamen Einverständnis des Geschäftsherrn mit dem Handeln des Treunehmers liegen keine Pflichtwidrigkeit und damit keine Tatbestandsmäßigkeit vor. Dies ist für die Bildung einer schwarzen Kasse mit Zustimmung des Geschäftsherrn von erheblicher Praxisrelevanz, wenn insbesondere in den privaten Unternehmen267 die sog. „Kriegskassen“ zu Bestechungszwecken und mithin möglicherweise zum Wachstum bzw. zur Mehrung des Vermögens gebildet werden. So scheidet die Pflichtwidrigkeit des Treunehmers, der die schwarze Kasse eingerichtet hat, aus, wenn die Aktionäre einer AG bzw. die Gesellschafter einer GmbH mit dieser Bildung einverstanden sind bzw. wenn sie Kenntnis von der Existenz der schwarzen Kasse haben und nichts dagegen machen268. Dann bleibt die schwarze Kasse selbstverständlich nicht vor dem Vermögensträger selbst sondern nur vor dritten Personen verborgen. Umstritten ist aber, ob – neben dem Entscheidungsrecht bzw. Einwilligungsrecht der Aktionäre einer AG gem. § 119 I AktG durch die Hauptversammlung – zusätzlich der Vorstand gem. § 76 Abs. 1 AktG befugt ist, sein Einverständnis zu solchen Entscheidungen zu geben, oder ob eine derartige Befugnis nach § 93 AktG aufgrund normativer Bindungen ausgeschlossen sein muss269. 267 Da nach Fischer ein gesetzes- oder sittenwidriges Einverständnis rechtlich unwirksam ist (Fischer, § 266 StGB Rn. 51), kommt der Tatbestandsausschluss durch Einverständnis bei der Bildung schwarzer Kassen in der öffentlichen Verwaltung nicht in Betracht (dazu s. auch Weimann, Schwarze Kassen S. 61 f.; zust. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 33 Fn. 114). Die Gesetzeswidrigkeit und mithin die Unwirksamkeit des Einverständnisses ist auch im privatwirtschaftlichen Bereich zu bejahen, wenn die schwarze Kasse zum Zwecke der Steuerhinterziehung gebildet wird (Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 34). 268 Fischer, § 266 StGB Rn. 79; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 211; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 191; Bernsmann, GA 2007, 219, 232; Weimann, Schwarze Kassen, S. 54 ff., 75 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 32 ff.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1179; Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 710, 713; Ransiek, NJW 2009, 95, 95; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 717 ff.; Saliger / Sinner, HRRS 2008, 57, 68 f.; Corsten, Einwilligung, S. 126 ff., 169; auch OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, 244; BGH, NJW 2009, 89, 91; BGH, StV 2011, 20, 24, Rn. 39. 269 Vgl. hierzu Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 33; in der Siemens-Entscheidung offen gelassen; im Kölner-Müllskandal (BGH, StV 2011, 20, 24, Rn. 39) verneint; vgl. hierzu auch Fischer, § 266 StGB Rn. 102 ff.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 107
So entschied der BGH im Siemens / ENEL-Fall270, dass keine ausdrückliche oder stillschweigende Einwilligung des Zentralvorstands vorlag. Zudem galten innerhalb des Unternehmens Compliance-Vorschriften, die die Zahlung von Schmiergeldern ausdrücklich verboten. Haltbar können jedoch im vorliegenden Fall die Bedenken gegen die Auffassungen des 2. Senats sein, dass die einschlägigen Compliance-Vorschriften eine „bloße Fassade“ waren271; es wäre selbstverständlich möglich, dass ein solches Verbot lediglich auf dem Papier gestanden und nicht unbedingt dem Willen der Unternehmensleitung entsprochen hatte272. Der BGH ließ schließlich die Frage offen, ob im Fall Siemens / ENEL auch der Vorstand gem. § 76 I AktG disposi tionsbefugt war273. Der 2. Senat des BGH stellte außerdem in seiner Entscheidung vom 27.08.2010 im sog. „Kölner Müllskandal“ kein wirksames Einverständnis der Treugeberin mit der Bildung der schwarzen Kasse fest274. Er nahm weiter an, dass ein wirksames Einverständnis der Mehrheit der Gesellschafter einer GmbH voraussetze, dass auch die Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der Pflichtwidrigkeit befasst waren275. Der BGH beantworte letztlich in dieser Entscheidung die bisher offene Frage, ob – neben den Aktionären einer AG – zusätzlich der Vorstand über eine Befugnis nach § 76 Abs. 1 AktG verfügt, eine tatbestandsausschließende Einwilligung in gesellschaftsschädigende Vermögensverfügungen zu geben, oder ob eine solche Befugnis durch § 93 AktG auf Grund normativer Bindungen ausgeschlossen ist276. Nach den Auffassungen des 2. Senats scheidet daher eine Befugnis des Vorstands zum tatbestandsausschließenden Einverständnis aufgrund der Kompetenzverteilung innerhalb einer AG aus, wenn es sich um eigenes pflichtwidriges Verhalten, wie z. B. die Bildung einer schwarzen Kasse, handelt277.
270 BGH,
NJW 2009, 89, 91. NJW 2009, 89, 91. 272 Bosch, JA 2009, 233, 234; ähnl. Knauer, NStZ 2009, 151, 152 f.; Ransiek, StV 2009, 321, 321, Fn. 5; Rönnau, StV 2009, 246, 247 f. (Er fragt sich, wie es möglich ist, dass die Vorstandsmitglieder nicht von den schwarzen Kassen und den Schmiergeldzahlungen gewusst haben); Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 761. 273 BGH, NJW 2009, 89, 91; vgl. Bernsmann, GA 2009, 296, 306 f.; Knauer, NStZ 2009, 151, 152; Satzger, NStZ 2009, 297, 301 f.; s. auch Rönnau, StV 2009, 246, 247. 274 BGH, StV 2011, 20, 23, Rn. 35 ff. 275 BGH, StV 2011, 20, 23, Rn. 35 ff.; vgl. hierzu Brand, NJW 2010, 3463, 3464; Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1151. 276 BGH, StV 2011, 20, 24, Rn. 39. 277 BGH, StV 2011, 20, 24, Rn. 39. 271 BGH,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
cc) Das mutmaßliche Einverständnis des Vermögensträgers mit der Bildung schwarzer Kassen Prüfenswert ist schließlich, ob ein mutmaßliches Einverständnis des Geschäftsherrn die Pflichtwidrigkeit der Bildung schwarzer Kassen ausschließen könnte. Das mutmaßliche Einverständnis könnte zunächst bei der Bildung schwarzer Kassen von maßgebender Bedeutung sein, soweit der Täter nicht eigennützig, sondern im Interesse des Geschäftsherrn handelt. Ein mutmaßliches Einverständnis könnte in dieser Hinsicht bejaht werden, z. B. wenn schwarze Kassen auch in der Vergangenheit innerhalb des Unternehmens eine bekannte Methode der Vorbereitungshandlung zu Bestechungszahlungen und dadurch auch zur Mehrung des Vermögens waren und der Treunehmer Kenntnis davon hat, oder wenn der Täter glaubt, dass der Vermögensinhaber der Bildung der schwarzen Kasse in Ansehung ihrer wettbewerbsbezogenen Erforderlichkeit bzw. der Notwendigkeit der Zahlung von Bestechungshandlungen zugestimmt hätte278. Andererseits muss jedoch erklärt werden, dass die Möglichkeit des Ausschlusses der Pflichtwidrigkeit der Bildung schwarzer Kassen aufgrund des mutmaßlichen Einverständnisses des Vermögensinhabers in der Praxis besonders eingeschränkt ist, weil die Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung das mutmaßliche Einverständnis nur auf Fälle dringlicher Notlagen limitiert, in denen die tatsächliche Einwilligung des Vermögensinhabers nicht abgegeben werden konnte279. Das mutmaßliche Einverständnis muss darüber hinaus abgelehnt werden, wenn der Vermögensträger von vornherein ausdrücklich seinen entgegengesetzten Willen geäußert hat. So lehnte der 2. Senat des BGH im Fall Siemens / ENEL ein mutmaßliches Einverständnis der Siemens PG mit der Bildung der schwarzen Kassen wegen des Vorliegens einschlägiger Compliance-Vorschriften ab280, obwohl in diesem Fall besonders fragwürdig war, ob die Existenz der schwarzen Kassen innerhalb der Siemens PG tatsächlich unbekannt war bzw. ob die Compliance-Vorschriften über die Bestechungszahlungen (nicht die Bildung schwarzer Kassen selbst) das mutmaßliche Einverständnis mit der Bildung schwarzer Kassen ausschließen können.
278 Vgl. Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 714 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 56 f. 279 Auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 34; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 719. Zur Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung s. Roxin, AT 1, § 18 Rn. 10 ff.; ders., in: FS-Welzel, S. 461 ff.; Lackner / Kühl, Vor § 32 StGB Rn. 21; Rosenau, in: SSW, Vor § 32 StGB Rn. 46. 280 BGH, NJW 2009, 89, 91.
IV. Die Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB 109
dd) Das hypothetische Einverständnis des Vermögensträgers mit der Bildung schwarzer Kassen Eine neuere Rechtsfigur, die von der objektiven Zurechnung und insbesondere vom rechtmäßigen Alternativverhalten ausgeht, ist die hypothetische Einwilligung bzw. das hypothetische Einverständnis281. Diese unterscheidet sich von der mutmaßlichen Einwilligung in Folgendem: Während bei der mutmaßlichen Einwilligung die Frage dahin geht, ob der Betroffene eingewilligt hätte, wenn man ihn – was nicht möglich war – vor dem Eingriff hätte fragen können, wird bei der hypothetischen Einwilligung der Betroffene nachträglich gefragt, ob er eingewilligt hätte, wenn man ihn – wie dies auch möglich war – vor dem Eingriff gefragt hätte. Der Anwendungsbereich der hypothetischen Einwilligung ist bislang auf das Arztstrafrecht, insbesondere auf die strafrechtliche Haftung des Arztes im Fall von Aufklärungsmängeln, beschränkt282. Es stellt sich nun die Frage, ob die Rechtsfigur der hypothetischen Einwilligung bzw. des hypothetischen Einverständnisses auf den Untreuetatbestand und insbesondere auf die Bildung schwarzer Kassen Anwendung finden kann283. Die Frage geht dann dahin, ob der Vermögensträger (d. h. das private Unternehmen) eingewilligt hätte, wenn man ihn – wie dies auch im Zeitpunkt der Bildung der schwarzen Kasse möglich war – gefragt hätte. Im Falle einer positiven Antwort käme lediglich der straflose Untreueversuch in Betracht. Hieraus folgt, dass die Ausdehnung des hypothetischen Einverständnisses auf Fälle der Bildung schwarzer Kassen die Untreuestrafbarkeit gerade wegen der Straflosigkeit des Untreueversuchs zu stark einschränken würde284. Fragwürdig wäre die Anerkennung dieser neuen Rechtsfigur für die Bildung schwarzer Kassen auch aus einem weiteren Grund: Wegen „drohender Sanktionen und Imageschäden“ für das Unternehmen würden die Anteilseigner bzw. Gesellschafter die Frage ihrer Zustimmung – wenn man sie gefragt hätte – immer positiv beantworten, um die Gefahr der Auslösung von Sanktionen bzw. von Imageschäden des Unternehmens zu vermeiden285.
281 Zur hypothetischen Einwilligung s. Wessels / Beulke, AT, § 9 Rn. 384a ff.; Roxin, AT 1, § 13 Rn. 119 ff.; Rosenau, in: SSW, Vor § 32 StGB Rn. 51 ff. 282 BGH, NStZ 1996, 34, 35; BGH, StV 2004, 376, 377. 283 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 714 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 34 f.; Fischer, § 266 StGB Rn. 81; vgl. auch Schlehofer, in: FS-Puppe, S. 953 ff. 284 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 35. 285 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 720.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
d) Zwischenergebnis Die Bildung einer schwarzen Kasse kann eine pflichtwidrige Handlung i. S. d. § 266 StGB sein286. In der öffentlichen Verwaltung verstößt die Bildung einer schwarzen Kasse gegen öffentlich-rechtliche Grundsätze bzw. Vorschriften, wie z. B. gegen den Grundsatz der Spezialität, der Jährlichkeit oder der Gesamtdeckung287. In den politischen Parteien werden Vorschriften des PartG bezüglich der ordnungsgemäßen Offenlegung eines Rechenschaftsberichts verletzt288. In Betracht kommen des Weiteren Vorschriften der Parteisatzung, die direkt oder indirekt die Bildung schwarzer Parteikassen verbieten289, sowie die Parteispendenabrede zwischen Spendern und Parteien (wenn die verdeckte Parteikasse aus Parteispenden gebildet wird), es sei denn in der Spendenabrede wird die Anonymität der Spender vereinbart290. In Kapitalgesellschaften können rechtsgeschäftliche Vereinbarungen durch die Bildung schwarzer Kassen („Kriegskassen“) verletzt werden, z. B. der Arbeitsvertrag, der Gesellschaftsvertrag, die Gesellschafterweisungen, die Gesellschafterbeschlüsse und / oder die Geschäftsordnungen291. Als Pflichtverletzungsquelle können außerdem, sofern sie existieren, unternehmensinterne Compliance-Regelungen in Betracht kommen, soweit sie die Bildung schwarzer Kassen ausdrücklich ausschließen und einen, zumindest mittelbaren, vermögensschützenden Charakter besitzen292. In den meisten Fällen verstößt die Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich in gravierender Weise gegen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften gem. §§ 238 ff. HGB bzw. §§ 140 ff. AO, soweit diese Vorschriften das zu betreuende Vermögen des Geschäftsherrn schützen293. Auch die allgemeine Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsmannes nach §§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. 43 Abs. 1 GmbHG wird gravierend verletzt, denn die Bildung schwarzer Kassen (namentlich „Kriegskassen“) ist mit dem Leitbild des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters bzw. des ordentlichen Geschäftsmannes unvereinbar294. 286 Vgl. 287 Vgl. 288 Vgl. 289 Vgl. 290 Vgl. 291 Vgl. 292 Vgl. 293 Vgl. 294 Vgl.
B. B. B. B. B. B. B. B. B.
IV. IV. IV. IV. IV. IV. IV. IV. IV.
2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2. 2.
a) a) a) a) a) a) a) a)
aa). bb). bb). bb). cc) (1). cc) (2). cc) (3). cc) (4).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 111
Besonders problematisch ist, ob die schwarzen Kassen durch positives Tun oder Unterlassen gebildet werden. Die jüngste Rechtsprechung des BGH in den Fällen „Kanther“ und „Siemens / ENEL“, nach welcher das Unterlassen der Offenbarungspflicht als Untreuehandlung angesehen wurde, wird zu Recht in der Lehre überwiegend abgelehnt295. Die sog. „Schattenkassen“ bzw. „(teil-)verdeckten Kassen“ werden als Unterfall der schwarzen Kasse betrachtet296. Wenn der Vermögensträger mit der Bildung der schwarzen Kasse einverstanden ist, dann ist das Handeln des Treunehmers, der die schwarze Kasse eingerichtet hat, nicht tatbestandsmäßig297. Ein mutmaßliches Einverständnis kann nur schwer bejaht werden, obwohl der Täter im Interesse des Treugebers handelt, denn das Fehlen einer rechtzeitigen und tatsächlichen Einwilligung des Vermögensinhabers bei der Bildung der schwarzen Kasse kann nur schwer begründet werden298. Besonders fragwürdig ist letztlich, ob das hypothetische Einverständnis des Vermögensträgers mit der Bildung schwarzer Kassen die Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB ausschließen kann299.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB bei der Bildung schwarzer Kassen Die Untreuestrafbarkeit der Bildung einer schwarzen Kasse setzt nicht nur die Verletzung bestimmter Pflichten, sondern auch den Eintritt eines Vermögensnachteils voraus. Es besteht kein Zweifel, dass im Mittelpunkt der Schwarzekassenproblematik der Vermögensnachteil steht und (umgekehrt) eine der aktuellsten Fragen des Vermögensnachteils i. S. d. § 266 StGB die Bildung schwarzer Kassen ist. In der Literatur und Rechtsprechung besteht aber keine Einigkeit, ob bzw. wann durch die Bildung einer schwarzen Kasse eine Vermögensgefährdung vorliegt bzw. ein effektiver Vermögensschaden eingetreten ist. Obwohl die Rechtsprechung seit jeher in den meisten Fällen der Bildung schwarzer Kassen eine Vermögensgefährdung annimmt, wird seit Neuestem die Tendenz des Bundesgerichtshofes festgestellt, durch die Bildung einer schwarzen Kasse bereits einen endgültigen Vermögensschaden zu bejahen. Diese Tendenz wird vom größten Teil des Schrifttums heftig kritisiert. Zahlreiche 295 Vgl.
B. B. 297 Vgl. B. 298 Vgl. B. 299 Vgl. B. 296 Vgl.
IV. IV. IV. IV. IV.
2. 2. 2. 2. 2.
b). c) aa). c) bb). c) cc). c) dd).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Autoren nehmen an, dass das bloße Führen einer schwarzen Kasse das fremde Vermögen nur gefährden kann. Es ist ersichtlich, dass die Auseinandersetzung mit dem Eintritt eines Vermögensnachteils durch die Bildung einer schwarzen Kasse zunächst der genauen Bestimmung des strafrechtlich geschützten Vermögens, des Vermögensnachteils sowie der Vermögensgefährdung bedarf. Ihnen klare Konturen zu geben ist für Vermögensdelikte im Allgemeinen sowie für die Schwarzekassenproblematik im Besonderen von grundlegender Bedeutung. 1. Vermögensbegriff, Vermögensnachteil und Gefährdungsschaden Als Erfolgsdelikt in Gestalt eines Verletzungsdelikts setzt die Verwirk lichung der Untreue gem. § 266 StGB den Eintritt eines Erfolgs (d. h. eines Vermögensnachteils) voraus. Der Vermögensnachteil ist ein selbständiges objektives Tatbestandsmerkmal beider Tatbestandsalternativen des § 266 I StGB, das individuell festgelegt werden soll. Als Vermögensnachteil wird nicht nur der Endschaden (echter, effektiver, endgültiger Vermögensschaden), sondern auch der Gefährdungsschaden (schadensgleiche, schadensdarstellende, schadensbegründende Vermögensgefährdung)300 betrachtet, der einen Vermögensschaden darstellen kann und demzufolge auch strafwürdig ist. a) Der Vermögensbegriff i. S. d. §§ 263, 266 StGB301 Die Untreue ist ein reines Vermögensdelikt, das sich gegen das Vermögen eines anderen richtet302. Die Pflichtverletzung des Treunehmers muss das 300 Zur
Terminologie vgl. B. V. 1. c) aa). Meinungsstand bezüglich des Vermögensbegriffs s. Cramer, Vermögensbegriff, S. 23 ff.; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 79 ff.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 111 ff.; ders., Jura 1994, 309 ff.; Hagenbucher, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 153 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 293 ff.; ders., Vermögensgefährdung, S. 93 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 208 ff.; Hillenkamp, 40 Probleme BT, S. 156 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 112 ff.; ders., BT II, § 26 Rn. 8 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 33; ders., JuS 1989, 505 ff.; Küper, BT, S. 365 ff.; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 120 ff.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 86 ff.; Mitsch, BT 2 / 1, § 7 Rn. 81 ff.; Nelles, Untreue, S. 347 ff.; Otto, Vermögensschutz, 1970; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 9 ff.; Samson, JA 1978, 564, 568 ff.; ders., JA 1989, 510 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 90 ff.; ders., Jura 2009, 518, 519 f.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 133 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 127 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 41 ff.; Thalhofer, Kick-backs, S. 72 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 530 ff. 301 Zum
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 113
Vermögen des Geschäftsherrn beschädigen. Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass der Begriff des strafrechtlich geschützten Vermögens für sämtliche Vermögensdelikte, die in §§ 253, 263, 266 StGB formuliert sind, gleich zu bestimmen ist303. Es gibt keine kriminalpolitischen Gründe, das Vermögen in den §§ 253, 263, 266 StGB unterschiedlich zu bestimmen; eine solche Gleichbestimmung ist vielmehr wegen des Prinzips der Einheit der Rechtsordnung geboten. Umstritten ist aber heute noch in der Literatur und Rechtsprechung, was man unter dem Begriff „Vermögen“ verstehen muss. 302
Der Vermögensbegriff ist in zweierlei Hinsicht von maßgebender Bedeutung304: sowohl für die Abgrenzung der strafrechtlich schutzbedürftigen von den strafrechtlich nicht schutzbedürftigen Vermögensbestandteilen bzw. -positionen als auch für den Begriff des Schadens, d. h. für die nachfolgende Entscheidung, aufgrund welcher Methode das Vorliegen eines Vermögensschadens im Sinne der §§ 253, 263, 266 StGB ermittelt werden muss. Lehre und Rechtsprechung gehen vom juristischen, rein wirtschaftlichen, juristisch-ökonomischen oder normativ-ökonomischen (bzw. integrierten juristisch-ökonomischen), personalen sowie dynamischen Vermögensbegriff aus, wie im Folgenden dargelegt wird.
302 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 1; ders. in: FS-Widmaier, S. 614, 615; Fischer, § 266 StGB Rn. 2; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 82; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 187; ders., in: FS-Samson, S. 297; Kempf, in: FS-Hamm, S. 267; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; ders., BT II, § 34 Rn. 1; ders., in: FS-Lampe, S. 709, 722; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 1; Kühl, JuS 1989, 505, 505; Labsch, Jura 1987, 343, 343; Matt, NJW 2005, 389, 389; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 1; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 1; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 890; ders., ZStW 1222 (2010), 299, 302; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50; ders., Parteiengesetz, S. 420, 421, 425; ders., ZStW 110 (2000), 563, 581; Samson, JA 1989, 510, 510; Satzger, NStZ 2009, 297, 302; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 28; Seelmann, JuS 1982, 914, 916; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 10, 12; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 747; BGHSt 8, 254, 255; BGHSt 28, 371, 373; BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301; BGHSt 50, 331, 342; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 86. 303 Cramer, Vermögensbegriff, S. 115 ff.; Otto, Vermögensschutz, S. 306 f.; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 78b; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 51; Fischer, § 266 StGB Rn. 110; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 23; Labsch, Jura 1987, 411, 415; Kühl, JuS 1989, 505, 505; Samson, JA 1989, 510, 510; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 84 ff.; a. A. Naucke, Betrug, S. 116, Fn. 96; ausf. zu dieser Frage s. Hirschberg, Vermögensbegriff, S. 1 ff. 304 Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 293; auch Hagenbucher, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 155 ff.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
aa) Juristischer Vermögensbegriff Nach den Anhängern des juristischen Vermögensbegriffs305 ist das strafrechtlich geschützte Vermögen als die Summe der einzelnen subjektiven Vermögensrechte und -pflichten einer Person zu betrachten. Ob sie einen wirtschaftlichen Wert haben, ist ohne Belang. Vermögensschaden ist danach der Verlust eines subjektiven Vermögensrechts oder die Belastung mit einer derartigen Verbindlichkeit306. Der juristische Vermögensbegriff wird heute vom größten Teil des Schrifttums kritisiert und einerseits als zu eng, andererseits als zu weit empfunden. Er wird als zu eng abgelehnt, weil er nur subjektive Rechte umfasst und eine Vielzahl von Vermögenswerten (Arbeitskraft, Geschäftsgeheimnis, Kundenstamm, Besitz und Exspektanzen) vom strafrechtlichen Vermögensschutz ausschließt307. Auf der anderen Seite wird der juristische Vermögensbegriff als zu weit empfunden, weil er alle subjektiven Rechte – darunter auch wirtschaftlich völlig wertlose Vermögensrechte – umfasst308. Ferner leidet der juristische Vermögensbegriff an einer „binnenzivilistischen Systematik“, denn was hiernach zum strafrechtlich geschützten Vermögen gehört, wird ausschließlich im Hinblick auf zivilrechtliche Kriterien entschieden309. Der juristische Vermögensbegriff ist heute wegen seiner oben erklärten Schwäche überholt. In jüngster Zeit wird von Pawlik ein „neuformulierter juristischer Vermögensbegriff“ vertreten, der aber gerade im Hinblick auf die Personalität (d. h. auf höchstpersönliche Rechtspositionen) entwickelt wurde310. 305 RGSt 16, 1, 3; RGSt 3, 332, 333; RGSt 27, 300, 300; RGSt 37, 31; RGSt 72, 75, 76; Binding, BT I, S. 238 ff., 341 ff.; Merkel, Die Lehre vom strafbaren Betruge, S. 101; Hirschberg, Vermögensbegriff, S. 279. 306 RGSt 3, 332, 333. 307 Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 128; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 295; ders., Vermögensgefährdung, S. 99; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 209 f.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 180; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 91 ff.; Samson, JA 1978, 564, 568 f.; ders., JA 1989, 510, 512; Cramer, Vermögensbegriff, S. 86 ff.; Nelles, Untreue, S. 349; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 113; Werner, Gefährdungsschaden, S. 9 f. 308 Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 128; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 121; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 180; Cramer, Vermögensbegriff, S. 86 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 296; ders., Vermögensgefährdung, S. 99; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 113; Samson, JA 1978, 564, 568 f.; ders., JA 1989, 510, 512. 309 Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 297; ders., Vermögensgefährdung, S. 100; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 211; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 133; vgl. auch Hagenbucher, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 162 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 78 ff. 310 Pawlik, Das unerlaubte Verhalten, S. 259 ff.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 115
In ähnlicher Richtung hat Kindhäuser einen „funktionalen Vermögens begriff“311 eingeführt, wonach Vermögen die Gesamtheit der einer Person rechtlich zugeordneten übertragbaren Güter sei. So werden durch §§ 253, 263, 266 StGB nur diejenigen Gegenstände geschützt, die – unabhängig von ihrem konkreten Marktwert – einer Person rechtlich zugeordnet werden312. Es ist nur notwendig, dass sie einen abstrakten Geldwert haben und übertragbar sind313. In diesem Sinne ist ein Vermögensschaden eingetreten, wenn eine vermögensmindernde Vermögensverfügung i. S. d. § 263 StGB nicht durch Erreichung eines sie rechtfertigenden (objektivierten) Zwecks kompensiert wird314 bzw. wenn das untreue Verhalten des Täters zu einer nicht kompensierten Vermögensminderung führt315. bb) Wirtschaftlicher Vermögensbegriff Als gegenteilige Ansicht zum juristischen Vermögensbegriff war der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff entwickelt worden, nach welchem das durch §§ 253, 263, 266 StGB geschützte Vermögen jede wirtschaftliche Position umfasst, der im Geschäftsverkehr wirtschaftlicher Wert beigemessen wird, unabhängig von ihrer rechtlichen Bewertung. Der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff wurde von der Rechtsprechung316 entwickelt, hat aber auch viele Anhänger im Schrifttum317 gewonnen. 311 Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 122 f.; ders., in: FS-Lüderssen, S. 648; ders. in: FS-Lampe, S. 722 ff.; Kindhäuser / Nikolaus, JuS 2006, 193, 197 f. 312 Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 122; ders., in: FS-Lüderssen, S. 648. 313 Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 122; ders., in: FS-Lüderssen, S. 648. 314 Kindhäuser, in: FS-Lüderssen, S. 648. 315 Kindhäuser, in: FS-Lampe, S. 722. 316 RGSt 44, 230, 233 („Der Vermögensbegriff ist in erster Linie ein Begriff des wirtschaftlichen Lebens“, „Vermögen ist wirtschaftlicher Markt, ist alles das, was für die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person Wert hat, ist somit ein Inbegriff von Werten, oder, da im Systeme der Geldwirtschaft jeder Wert in Geld ausgedrückt werden kann: die Summe der geldwerten Güter einer Person“); RGSt 65, 3, 4; RGSt 65, 99, 100; vom BGH übernommen in BGHSt 1, 262, 264; BGHSt 2, 364, 365 f., 367 („Bei alledem handelt es sich nicht um Rechte, sondern um tatsächliche Verhältnisse, die einen wirtschaftlichen Wert darstellen und deshalb zum Vermögen im Sinne des § 263 StGB gehören“); BGHSt 3, 99, 102 („die Summe der geldwerten Güter nach Abzug der Verbindlichkeiten“); BGHSt 8, 254, 256; BGHSt 15, 83, 85 ff.; BGHSt 15, 342, 344; BGHSt 16, 220, 221; BGHSt 26, 346, 347; BGHSt 32, 88, 91. 317 Arzt / Weber, BT, § 20 Rn. 15; Haft, BT, S. 234; Jäger, BT, § 10 Rn. 357; Schröder, JR 1966, 471, 472 f.; Sonnen, JA 1982, 593 f.; Schmoller, ZStW 103 (1991), 92, 104 f., 132; Fahl, JA 1995, 198, 199, 205; Baier, JA 2001, 280, 282 f.; Kargl, JA 2001, 714, 719 f.; Swoboda, NStZ 2005, 476, 480 ff. (Swoboda vertritt einen modifizierten wirtschaftlichen Vermögensbegriff, nach welchem alle geldwer-
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Die maßgebende Praxisrelevanz des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs liegt darin, dass er rein tatsächliche Exspektanzen sowie nichtige Ansprüche aus gesetzes- oder sittenwidrigen Geschäften strafrechtlich schützt, so dass vornehmlich im sog. „Ganovenbereich“ kein strafrechtlich ungeschütztes Vermögen bzw. „kein strafrechtsfreier Raum existiert“318. Die sog. „Ganovenuntreue“ kann daher unter Zugrundelegung des wirtschaft lichen Vermögensbegriffs strafbare Untreue gem. § 266 StGB sein. Etliche Autoren haben genau wegen der Miteinbeziehung nichtiger Ansprüche aus gesetzes- oder sittenwidrigen Geschäften in das strafrechtlich geschützte Vermögen Kritik an dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff geübt. Danach führt der wirtschaftliche Vermögensbegriff zu Wertungswidersprüchen zwischen Zivilrecht und Strafrecht319. Nach Cramer und Perron führt die Annahme faktischer Verhältnisse ohne Berücksichtigung rechtlicher Zuordnungskriterien zu einem „Tatsachenpositivismus“320. Aus diesem Grunde ist der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff im Laufe der Jahre in der Literatur, aber auch in der Rechtsprechung zunehmend eingeschränkt worden321. cc) Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff bzw. juristisch-ökonomische Vermittlungslehre Wegen der oben genannten Einwände gegen den rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff geht die herrschende Ansicht im Schrifttum von einem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff aus322. Der juristisch-ökonomiten Güter einer Person, ungeachtet ihrer rechtlichen Anerkennung, strafrechtlich geschützten werden, wobei er jedoch eine Wertungskorrektur nach „Treu und Glauben“ vornimmt). 318 Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 531; vgl. auch RGSt 44, 230, 232; BGHSt 2, 364, 368 f.; BGHSt 8, 254, 256; BGH, NStZ 2003, 151 f. 319 Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 80; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 131; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 122; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 95; Kindhäuser, BT II, § 26 Rn. 1; auch Samson, JA 1989, 510, 513; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 94, 95, 97; Mitsch, BT 2 / 1, § 7 Rn. 84; Werner, Gefährdungsschaden, S. 17 f. Zur ausführlichen Kritik am rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 299 ff.; ders., Vermögensgefährdung, S. 100 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 213 ff.; Franzheim, GA 1960, 269 ff.; Hagenbucher, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 167 ff. 320 Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 80; Cramer, Vermögensbegriff, S. 20. 321 BGHSt 3, 160, 162 f.; BGHSt 4, 373, 373 („Dirnenlohnfälle“); BGHSt 20, 136, 137; BGHSt 26, 346, 347; BGH, JR 1988, 125 f.; BGHSt 48, 322, 325. 322 Zuerst vertreten von Nagler, ZakDR 1941, 294 ff. („Vermögen i. S. des Strafrechts muss ein echter Rechtsbegriff bleiben; die an sich selbstverständliche Bewer-
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sche Vermögensbegriff steht als eine vermittelnde Lehre zwischen den extremen (juristischen und rein wirtschaftlichen) Vermögensbegriffen (so auch die „juristisch-ökonomische Vermittlungslehre“323) und versucht, „durch eine Synthese wirtschaftlicher und rechtlicher Faktoren die Vorzüge beider Ausgangspunkte zu nutzen, ihre Nachteile aber zu vermeiden“324. Anders gesagt, versucht die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre den rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff aufgrund normativer Wertungen zu korrigieren und mithin die Wertungswidersprüche in der gesamten Rechtsordnung einzudämmen325. In gleicher Richtung wird eine Tendenz auch in der Rechtsprechung festgestellt, den rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff eingeschränkt bzw. aufgrund rechtlicher (normativer) Kriterien anzunehmen326. Nach dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff gehören daher aufgrund des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung alle Wirtschaftsgüter einer Person zu ihrem Vermögen, soweit sie den Schutz der Rechtsordnung genießen oder zumindest rechtlich nicht missbilligt sind. Unter den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff fällt auch der von Cramer vertretene sog. „materiale Vermögensbegriff“327, der sowohl ein tung nach wirtschaftlichen Richtlinien bedarf zur Wahrung der spezifisch strafrechtlichen Funktionen nun einmal der Begrenzung nach rechtlichen Kriterien“ (Nagler, ZakDR 1941, 294, 295); Übernahme durch Franzheim, GA 1960, 269, 270, 277; Gallas, in: FS-Schmidt, S. 408 ff.; Gutmann, MDR 1963, 3, 5; Cramer, JuS 1966, 472, 475; Foth, GA 1966, 33, 40; Lenckner, JZ 1967, 105, 107; Seelmann, JuS 1983, 32, 32, 33; ders., Eigentums- und Vermögensdelikte, S. 72 f.; Bergmann / Freund, JR 1988, 189 ff.; Tenckhoff, JR 1988, 126, 128; Samson, JA 1989, 510, 514; Heinrich, GA 1997, 24, 33; Rönnau, in: FS-Kohlmann, S. 253; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 372 f.; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 123; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 34; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 97; ders., Jura 2009, 518, 519; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 535; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 99 ff., § 45 Rn. 2; Mitsch, BT 2 / 1, § 7 Rn. 84; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 180; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 17; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 48; Werner, Gefährdungsschaden, S. 20. 323 Nagler, ZakDR 1941, 294, 295; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 132; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 134; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 82; Nelles, Untreue, S. 402. 324 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 120. 325 Cramer, JuS 1966, 472, 474, 475; Lenckner, JZ 1967, 105, 107; Bergmann / Freund, JR 1988, 189, 190; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 83; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 96; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 220; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 309; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 95, 97; ders., Jura 2009, 518, 519; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 180; Kindhäuser, BT II, § 26 Rn. 13; Mitsch, BT 2 / 1, § 7 Rn. 84. 326 RGSt 65, 99, 100; RGSt 66, 281, 285 („Inbegriff der jemandem unter dem Schutze der Rechtsordnung zu Gebote stehenden wirtschaftlichen Werte“); BGHSt 26, 346, 347; BGHSt 34, 199, 203; 38, 186, 190 ff., 196. 327 Cramer, Vermögensbegriff, S. 100 ff.
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juristischer als auch ein wirtschaftlicher Vermögensbegriff ist. Nach Cramer erfasst das Vermögen „alle wirtschaftlich wertvollen Güter, die eine Person unter Billigung der rechtlichen Güterzuordnung innehat“328. Daraus folgt, dass unter „Vermögensschaden“ „jede Einbuße an wirtschaftlichen Werten zu verstehen ist, die im Widerspruch zur Rechtsordnung steht“329. Auffällig ist des Weiteren, dass unter den Vertretern des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs streitig ist, aufgrund welcher normativen Kriterien der wirtschaftliche Vermögensbegriff ergänzt werden muss. Ein Teil der Lehre nähert sich mehr dem juristischen als dem rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff an, wenn er strikte normative Zuordnungskriterien einführt und die Ansicht vertritt, dass Vermögenswerte zum strafrechtlich geschützten Vermögen nur dann gehören, wenn sie unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen bzw. mit der Billigung der Rechtsordnung realisiert werden können330. Nach einem anderen Teil der Lehre müssen aber Vermögenswerte strafrechtlich geschützt werden, wenn sie ohne die Missbilligung der Rechtsordnung realisiert werden können331. Gegen den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff sprechen zwei Argumente332: Erstens wird betont, dass unter Zugrundelegung des juristischökonomischen Vermögensbegriffs Wirtschaft und Recht sich als „gegensätzliche“ bzw. „antinomische Systeme“ gegenüberstehen, deren Bewertungskriterien zu prinzipiell gegensätzlichen Ergebnisse kommen können333. Dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff wird zweitens entgegengehalten, dass er im sog. „Ganovenbereich“ zu Widersprüchen führt334. Im Hinblick auf die oben erwähnten Einwände wird der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff in letzter Zeit von einem weiteren Teil der Lite328 Cramer,
Vermögensbegriff, S. 100. Vermögensbegriff, S. 100. 330 Gallas, in: FS-Schmidt, S. 408 ff.; Franzheim, GA 1960, 269, 270, 277; Gutmann, MDR 1963, 3, 5; Foth, GA 1966, 33, 40; Seelmann, Eigentums- und Vermögensdelikte, S. 73; Tenckhoff, JR 1988, 126, 128; Welzel, Das deutsche Strafrecht, S. 372; Cramer, Vermögensbegriff, S. 100; ders., JuS 1966, 472, 475; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 82 f. 331 Lenckner, JZ 1967, 105, 107; Samson, JA 1978, 564, 569; ders., JA 1989, 510, 514; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 123; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 127, 132; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 99; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 97; ders., Jura 2009, 518, 519; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 535. 332 Ausf. zur Kritik an dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 310 ff. 333 Nelles, Untreue, S. 405; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 310; ders., Vermögensgefährdung, S. 110 f., 445; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 221 f.; Kargl, JA 2001, 714, 720. 334 Mehr hierzu s. B. V. 1. a) ff) (2). 329 Cramer,
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ratur so stark modifiziert, dass von einem wirtschaftlichen Vermögensbegriff mit normativer Schranke bzw. von einem normativ-ökonomischen Vermögensbegriff gesprochen werden kann335. Nach diesem Begriff liegt eine Herrschaft (und damit ein Vermögen) vor, wenn eine Person über mit der Rechtsordnung vereinbare Potenziale wirtschaftlicher Betätigung mit Hilfe zivilrechtlich anerkannter Durchsetzungsmöglichkeiten nach ihrem Belieben verfügen und zugleich externen Störfaktoren effektiv begegnen kann336. In gleicher Richtung spricht Schünemann von einem (juristisch-ökonomisch) integrierten bzw. institutionellen Vermögensbegriff337. Danach ist das durch §§ 253, 263, 266 StGB geschützte Vermögen als „eine in Geldeswert ausdrückbare, rechtlich konstituierte Herrschaft über Gegenstände oder soziale Interaktionen“ zu verstehen338. dd) Personaler Vermögensbegriff Eine weitere im Schrifttum vertretene Ansicht339 fordert ein gewisses Maß an Individualisierung und legt die Aufgabe des Strafrechts zugrunde, die Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen in der Gesellschaft (hier: im gegenständlichen, wirtschaftlichen Bereich) sicherzustellen340. Der sog. personale Vermögensbegriff behandelt die wirtschaftliche Potenz des Vermögensträgers als Vermögen, das auf der Herrschaft über Objekte beruht, welche von der Rechtsgesellschaft als selbständige Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehrs anerkannt werden341. M. a. W.: Geschützt werden nicht 335 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 115 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 333 ff.; ders., Strafrechtssystem und Betrug, S. 228 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 134, 135; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 132; Nelles, Untreue, S. 347 ff., 426 ff.; Hagenbucher, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 184. 336 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117 f.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 334; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 228; ders., in: FS-Samson, S. 298; Hagenbucher, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 184. 337 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 134, 135; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 59; ders., StV 2003, 463, 471; ders., StraFo 2010, 1, 4; auch Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 132. 338 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 134. 339 Bockelmann, JZ 1952, 461, 464 f.; Hardwig, GA 1956, 6, 17 ff.; Heinitz, JR 1968, 387 f.; Otto, Vermögensschutz, S. 34 ff., 69 f., 80 ff.; ders., JZ 1985, 69, 71; ders., Jura 1993, 424 ff.; Labsch, Untreue, S. 323 ff.; ders., JuS 1981, 45, 47; ders., Jura 1987, 411, 416; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 123 ff., 316; ders., Jura 1994, 309, 311, 320 f.; Schmidhäuser, in: FS-Tröndle, S. 306, Fn. 5; Alwart, JZ 1986, 563, 565; Winkler, Vermögensbegriff, S. 173 ff.; vgl. auch Schlüchter, MDR 1974, 624 ff. 340 Labsch, Jura 1987, 411, 416; Bockelmann, JZ 1952, 461, 464; vgl. auch Otto, Vermögensschutz, S. 36, 41. 341 Labsch, Jura 1987, 411, 416; Otto, Vermögensschutz, S. 70.
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bestimmte Objekte, sondern die durch eine Rechtsnorm geschützte Beziehung einer Person (d. h. des Vermögenssubjekts342) zu einem Objekt 343 selbst . Danach ist für die Schadensberechnung die Minderung der wirtschaftlichen Potenz des Vermögensinhabers und nicht der negative Saldo maßgeblich. Die Anhänger des personalen Vermögensbegriffs verfolgen den Zweck, nicht von vornherein die Frage, wann ein Vermögensgegenstand strafrechtlich geschützt wird, entweder positiv oder negativ zu beantworten, sondern sie im Einzelfall (namentlich in bestimmten problematischen Fallgruppen, z. B. gesetzes- oder sittenwidrige Rechtsgeschäfte, die Erschleichung einer Anstellung, die Veräußerung unterschlagener Sachen an einen Gutgläubigen oder Eingriffe in die Dispositionsfreiheit) im Hinblick auf das persönliche Interesse des Vermögensträgers zu prüfen344. Ein weiterer Vorteil des personalen Vermögensbegriffs liegt nach seinen Anhängern darin, dass er – im Gegensatz zum rein wirtschaftlichen oder zum juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff – den Wechsel zwischen objektiven und individuellen Maßstäben bei der Schadensbeurteilung vermeidet345. Gegen den personalen Vermögensbegriff spricht die Unklarheit und mithin die Rechtsunsicherheit, die durch die Berücksichtigung der Persönlichkeit bei der Feststellung des strafrechtlich schutzwürdigen Vermögens und der nachfolgenden Schadensberechnung verursacht werden. Genauer gesagt stellt der persönliche Vermögensbegriff keine Kriterien auf, aufgrund derer der Umfang des einem Inhaber zugeordneten Vermögens festgestellt werden kann346. Aus diesem Grund liegt die Gefahr einer weiteren Subjektivierung des Schadensbegriffs nahe347. Des Weiteren kann die Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit des Vermögensträgers als Zuordnungskriterium zur Umdeutung des Betrugs bzw. der Untreue von Vermögensdelikten in Delikte Bockelmann, JZ 1952, 461, 464. Vermögensschutz, S. 36. 344 So etwa Bockelmann, JZ 1952, 461, 464 f. 345 Labsch, Jura 1987, 411, 416; ähnl. Ranft, wistra 1994, 41, 42; Geerds, Jura 1994, 309, 321; ausf. zur herrschenden objektiv-individuellen Vermögens- und Schadensberechnung s. B. V. 1. b) bb) (2). 346 Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 121; ders., BT II, § 26 Rn. 13; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 124; Schmoller, ZStW 103 (1991), 92, 102; Berger, Schutz öffentlichen Vermögens, S. 85; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 45. Als unbestimmt lehnt auch Franzheim den personalen Vermögensbegriff ab (Franzheim, GA 1960, 269, 271). Kritik auch bei Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 81. 347 Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 314; ders., Vermögensgefährdung, S. 112; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 224; Weimann, Schwarze Kassen, S. 96; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 45. 342 Vgl.
343 Otto,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 121
gegen die Dispositionsfreiheit führen348. Infolge all dieser Schwächen hat sich der personale Vermögensbegriff nicht durchsetzen können349. ee) Dynamischer Vermögensbegriff Ein anderer Teil des Schrifttums vertritt weiterhin – abweichend von der ständigen Rechtsprechung und der herrschenden Lehre (wirtschaftliche und juristisch-ökonomische Vermögensbegriffe) – einen „dynamischen Ver mö gensbegriff“350, der sich aber auch nicht durchsetzen konnte. Auf der Basis des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs versuchen die Vertreter des dynamischen Vermögensbegriffs, auch „vermögensbildende Faktoren“, wie z. B. die Arbeitskraft351 oder die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit352 bzw. die Dispositionsfreiheit353, als Vermögensbestandteile zu erfassen, so dass nicht nur die Wertminderung des gegenwärtigen Vermögensbestandes, sondern auch die Vereitelung einer Vermögensminderung einen Vermögensschaden begründen kann. Von einem „dynamischen Vermögensbegriff“ geht zuerst Eser aus354. Er nimmt an, dass – wegen der Veränderungen des wirtschaftlichen Lebens und Wirkens – auch die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit durch §§ 253, 263, 266 StGB geschützt werden müsse355. Als wirtschaftliche Bewegungsfreiheit betrachtet Eser die tatsächliche Fähigkeit und Möglichkeit einer Person, ihre finanziellen Mittel am wirtschaftlich sinnvollsten und zweckmäßigsten einzusetzen, und unterscheidet sie von der allgemeinen Dispositionsfreiheit356. Ausgehend von diesen Ansätzen bezeichnet Eser das Vermögen „statisch“ als den Vermögensbestand (das „Haben“) sowie „dynamisch“ als den Vermögens-Zuwachs (das „Haben-Können“) und den Vermögensschaden als die Summe aller wirtschaftlichen werthaften oder wertmehrenden Positionen und Faktoren357. 348 Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 81; Schmoller, ZStW 103 (1991), 92, 102 f.; Rotsch, ZStW 117 (2005), 577, 581; Weimann, Schwarze Kassen, S. 96; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 47. 349 Ausf. zur Kritik gegen die personale Vermögenslehre s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 314 ff.; ders., Vermögensgefährdung, S. 112 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 224 ff. 350 Eser, GA 1962, 289 ff.; Mohrbotter, GA 1969, 225, 227 ff.; Weidemann, MDR 1973, 992 f. 351 Eser, GA 1962, 289, 303. 352 Eser, GA 1962, 289 ff.; Weidemann, MDR 1973, 992 f. 353 Mohrbotter, GA 1969, 225, 227 ff. 354 Eser, GA 1962, 289 ff. 355 Eser, GA 1962, 289, 295 f. 356 Eser, GA 1962, 289, 296 f. 357 Eser, GA 1962, 289, 295 f.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
In ähnlicher Weise und nicht nur auf der wirtschaftlichen, sondern auch auf der sozialen Funktion des Vermögens basierend betont Mohrbotter, dass Vermögen Herrschaftsmacht sei, und behauptet, dass die wirtschaftliche Dispositionsfreiheit als Vermögen strafrechtlich schutzwürdig sei358. Der dynamische Vermögensbegriff wird nur als eine „Spielart“ des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs betrachtet und vom größten Teil des Schrifttums abgelehnt359. Seinen Anhängern wird entgegengehalten, dass sie ihn aus kriminologischen Bedürfnissen vorschlagen und es an einer halt baren dogmatischen Begründung fehlt360. Außerdem liegt (genau wie beim personalen Vermögensbegriff) die Gefahr der Umdeutung des Betrugs bzw. der Untreue von Vermögensdelikten in Dispositionsdelikte nahe361. ff) Vermögensbestandteile bzw. Vermögenspositionen im Einzelnen (1) Unumstrittene Vermögensbestandteile bzw. -positionen Nach der ständigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre gehören zum strafrechtlich geschützten Vermögen wegen ihres wirtschaftlichen Vermögenswertes eine Vielzahl von Vermögensbestandteilen bzw. -positionen. Dazu zählen Eigentum und sonstige dingliche Rechte362, Forderungen und sonstige Ansprüche363, Besitz und Gewahrsam364, Arbeitsleistung, wenn sie gegen Entgelt erbracht wird365, sowie Immaterialgüter und verdichtete Immaterialwerte (z. B. Geschäftsgeheimnisse)366. Strafrechtlich geschützt wer358 Mohrbotter,
GA 1969, 225, 227 ff. Riemann, Vermögensgefährdung, S. 13, Fn. 45; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 33. 360 Vgl. auch Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 81. 361 Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 81. 362 Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 140 f.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 398; Fischer, § 263 StGB Rn. 91; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 34; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 85; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 125; Satzger, Jura 2009, 518, 520. 363 Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 98; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 34. 364 Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 140 f.; Fischer, § 263 StGB Rn. 91; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 34; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 130; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 399; Cramer, Vermögensbegriff, S. 222 ff. 365 BGH, NStZ 2001, 258, 258; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 98; Fischer, § 263 StGB Rn. 100; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 34; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 396; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 131; Heinrich, GA 1997, 24 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 236 ff. 366 Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 405 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 98; Fischer, § 263 StGB Rn. 95; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 85. 359 Vgl.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 123
den schließlich tatsächliche Anwartschaften, soweit es sich nicht um ganz allgemeine Aussichten und Hoffnungen handelt, sondern sie sich zu einem wirtschaftlichen Wert verdichtet haben367. Keinen strafrechtlichen Schutz genießen hingegen nach ganz überwiegender Ansicht mangels wirtschaftlichen Wertes staatliche strafrechtliche Sanktionen, z. B. Geldbuße, Geldstrafe, Einziehung und Verfall sowie andere strafähnliche staatliche Sanktionen368. Von vornherein aus dem Vermögen ausgeschlossen sind schließlich die Arbeitskraft als höchstpersönliche Fähigkeit369 und die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit370. (2) Zweifelhafte Vermögensbestandteile bzw. -positionen Die Unterschiede zwischen den herrschenden Vermögensbegriffen, d. h. dem rein wirtschaftlichen und dem juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff, lassen sich in bestimmte Problembereiche fassen, die trotz wirtschaftlichen Wertes unterschiedlich behandelt werden. Diese Problembereiche werden in einem kurzen Überblick folgendermaßen dargestellt: Der erheblichste umstrittene Problembereich ist das sog. „Ganoven um feld“371. Dieser erfasst drei besondere Vermögensbestandteile bzw. -positionen: nichtige Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Geschäften, zu rechtlich missbilligten (d. h. verbotenen oder sittenwidrigen) Zwecken eingesetzte Werte und rechts- oder sittenwidrig erbrachte Arbeitsleistungen. 367 Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 98; ders., Jura 2009, 518, 520; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 86 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 126 f.; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 134 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 34; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 339 ff.; ders., Vermögensgefährdung, S. 25 ff., 199 ff.; ders., Strafrechtssystem und Betrug, S. 191 ff., 237 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 134 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 135; Fischer, § 263 StGB Rn. 92 f.; Gribbolm, JuS 1965, 389, 394 f.; Schreiber / Beulke, JuS 1977, 656, 659 f.; Geerds, Jura 1994, 309, 311 ff.; Rönnau, in: FS-Kohlmann, S. 253 ff.; Thalhofer, Kick-Backs, S. 85 ff. 368 RGSt 71, 280, 281; RGSt 76, 276, 278; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 99; Fischer, § 263 StGB Rn. 99; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 132; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 413 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 145 f.; Rotsch, ZStW 117 (2005), 577, 579. 369 Fischer, § 263 StGB Rn. 100; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 131; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 396; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 138; Cramer, Vermögensbegriff, S. 236 ff. 370 Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 99. 371 Ausf. dazu s. Fischer, § 263 StGB Rn. 101 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 35; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 92 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 421 ff.; Küper, BT, S. 369 f.; Bergmann / Freund, JR 1988, 189 ff.; Kühl, JuS 1989, 505 ff.; Otto, Jura 1993, 424 ff.; Baier, JA 2001, 280 ff.; Spickhoff, JZ 2002, 970 ff.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Der strafrechtliche Schutz nichtiger Ansprüche aus verbotenen oder sittenwidrigen Geschäften (z. B. §§ 134, 138 BGB) wird von den Anhängern des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs bejaht, von den Anhängern des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs jedoch verneint372. Problematisch ist auch, ob die zu rechtlich missbilligten (verbotenen oder sittenwidrigen) Zwecken eingesetzten Werte373 sowie die rechts- oder sittenwidrig erlangte Arbeitsleistung (z. B. Auftragsmord, Schwarzarbeit, Prostitu tion)374 strafrechtlich geschützt werden müssen. Genau darin liegt der Einwand gegen die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre: Sie führt zu erheblichen Wertungswidersprüchen375, wie das folgende Beispiel treffsicher zeigt. Nach den Vertretern des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs soll der Killer wegen Betrug bestraft werden, der für einen Mordauftrag Geld entgegennimmt, ohne in Wirklichkeit die Absicht zu haben, den Mord zu begehen376. Wenn er hingegen den Mord begeht, aber der Auftraggeber von vornherein keine Absicht hatte, ihn zu bezahlen, liegt nach den Anhängern des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs kein Betrug vor377. Gleiches gilt für die Dirne und den Freier: Falls die Dirne von dem Freier bezahlt wird, ohne die Absicht zu haben, anschließend ihre Liebesdienste zu erfüllen, macht sie sich strafbar, womit hingegen der Freier, der die Dirne für ihre erbrachten Dienste nicht bezahlt, straflos bleibt378. 372 Ausf. dazu s. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 103 f.; Fischer, § 263 StGB Rn. 104; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 427 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 151; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 132; Foth, GA 1966, 33 ff.; Bergmann / Freund, JR 1988, 189, 190 f.; Otto, Jura 1993, 424, 425 ff.; Waszcynski, JA 2010, 251, 252. 373 Ausf. dazu s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 438 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 105; Fischer, § 263 StGB Rn. 105; Franzheim, GA 1960, 269 ff.; Samson, JA 1978, 564, 569 f.; Bergmann / Freund, JR 1988, 189, 191 f.; Freund / Bergmann, JR 1991, 357 ff.; Kühl, JuS 1989, 505 ff.; Hecker, JuS 2001, 228 ff.; Gutmann, MDR 1963, 3, 6 f.; Seelmann, JuS 1983, 32, 32; BGHSt 2, 364, 369; BGHSt 48, 322, 325 ff. 374 Ausf. dazu s. Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 138 f.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 102; Fischer, § 263 StGB Rn. 106 f.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 131; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 97; Lackner, in: LK, § 263 StGB Rn. 140; Franzheim, GA 1960, 269 ff.; Cramer, JuS 1966, 472 ff.; Bergmann / Freund, JR 1988, 189, 190 f.; Tenckhoff, JR 1988, 126 ff.; Kühl, JuS 1989, 505 ff.; Otto, Jura 1993, 424, 427; Gutmann, MDR 1963, 3, 7; Heinrich, GA 1997, 24, 32 ff.; BGH, JR 1988, 125 f.; BGHSt 4, 373, 373; OLG Hamm, NStZ 1990, 342. 375 Vgl. Fischer, § 263 StGB Rn. 109; Renzikowski, GA 1992, 159, 174 f.; Fahl, JA 1995, 198, 199, Fn. 3; Samson, JA 1989, 510, 514; Kargl, JA 2001, 714, 720. 376 Vgl. Waszcynski, JA 2010, 251, 253. 377 Vgl. Waszcynski, JA 2010, 251, 252. 378 Vgl. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 102; Cramer, JuS 1966, 472 ff.; Renzikowski, GA 1992, 159, 174 f.; Fahl, JA 1995, 198, 199, Fn. 3. Das Problem des Dirnenlohns wird aber heute durch das Prostitutionsgesetz vom 20.12.2001 gelöst.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 125
Um diesen Widerspruch einzudämmen, schlagen einige Anhänger des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs vor, dass auch der Killer, die Dirne usw. mit der folgenden Begründung straflos bleiben sollen: Wer zur Erfüllung eines verbotenen oder sittenwidrigen Geschäfts Vermögenswerte einsetze, wisse um die Nichtigkeit dieses Geschäfts und handele mithin bewusst. Er leiste daher auf eigene Gefahr und verliere mithin jeden Vermögensschutz, wie sich an § 817 S. 2 BGB zeige379. Eine weitere umstrittene Vermögensposition ist schließlich der unrechtmäßige bzw. deliktisch erlangte Besitz380. Nach den Anhängern des wirtschaftlichen Vermögensbegriffs wird der Besitz strafrechtlich geschützt, ohne Rücksicht darauf, ob er deliktisch oder rechtsmäßig erlangt wurde. Innerhalb des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs sind hingegen die Meinungen geteilt. (3) D ie Bedeutung des Vermögensbegriffs für den Gefährdungsschaden und die Bildung schwarzer Kassen Von den Zuordnungskriterien, die jeder Vermögensbegriff akzeptiert, hängt ab, ob die Vermögensgefährdung einen Vermögensnachteil im Sinne der §§ 253, 263, 266 StGB begründen kann. Dies ist für die Rechtsfigur der Vermögensgefährdung sowie für die Schwarzekassenproblematik von grundlegender Bedeutung, denn laut der herrschenden Meinung in der Literatur und Rechtsprechung, kann durch die Bildung einer schwarzen Kasse ein Vermögensnachteil in Form der Vermögensgefährdung eintreten381. So lehnen die Anhänger des älteren juristischen Vermögensbegriffs die Vermögensgefährdung im Ganzen ab, ohne vorher zu prüfen, ob eine derartige Gefahr zu einem Vermögensnachteil führen bzw. ob sie sich auf den Vermögensbestand auswirken kann382. Danach ist im Zeitpunkt der Gefähr379 Vgl. hierzu Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 Rn. 150; Cramer, JuS 1966, 472 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 441; vgl. auch Otto, Jura 1993, 424, 428; Lenckner, JZ 1967, 105, 109; Bergmann / Freund, JR 1988, 189, 192; Freund / Bergmann, JR 1991, 357, 358; Tenckhoff, JR 1988, 126, 126; Spickhoff, JZ 2002, 970, 974 ff. 380 Ausf. dazu s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 424 f.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 101; ders., Jura 2009, 518, 520; Fischer, § 263 StGB Rn. 102; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 130; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 94 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 225 ff.; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 132; Küper, BT, S. 370 f.; Gutmann, MDR 1963, 3, 7; Otto, Jura 1993, 424, 426 f.; Waszcynski, JA 2010, 251, 252 f. 381 Ausf. dazu s. u. B. V. 2. 382 Vgl. Pröll, GA 66 (1919), 124, 136 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 120 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 10 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 94;
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
dung des Vermögens noch kein effektiver Vermögensschaden eingetreten. Ferner folgt aus dem Ansatz, dass der wirtschaftliche Vermögenswert eines Gegenstandes ohne Belang für dessen strafrechtlichen Schutz ist und dass die Vermögensgefährdung den Vermögensbestand nicht mindert, sondern ihn intakt lässt383. Bezogen auf die Bildung schwarzer Kassen bedeutet dies, dass unter Zugrundelegung des juristischen Vermögensbegriffs die bloße Bildung einer schwarzen Kasse wegen des Fehlens eines Vermögensnachteils in der Form eines Gefährdungsschadens im Rahmen der Untreue immer straflos bliebe384. Im Gegensatz dazu kann die Vermögensgefährdung nach den Vertretern des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs einen Vermögensnachteil begründen, soweit sie sich vermögensmindernd auswirkt385. Dies ergibt sich gerade daraus, dass der wirtschaftliche Vermögenswert eines Gegenstands maßgeblich für seinen Vermögensschutz ist. Aus diesem Grunde wird behauptet, dass die Vermögensgefährdung vom rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff ausgehe386. Diese wirtschaftliche Betrachtungsweise ist für die Bildung schwarzer Kassen von zentraler Praxisrelevanz. Folgt man ihr, führt das bloße Führen einer schwarzen Kasse zu einem Vermögensnachteil in der Form einer Vermögensgefährdung387. Denkt man, dass der wirtschaftliche Vermögensbegriff rechtliche Wertungskriterien außer Acht lasse, so kommt man ohne weiteres zu dem Schluss, dass eine Untreuestrafbarkeit durch die Bildung schwarzer Kassen fast immer zu bejahen sei388. ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 210; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 295; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 180; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 8 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 42; Werner, Gefährdungsschaden, S. 9. 383 Binding, BT I, S. 360; auch Merkel, Die Lehre vom strafbaren Betruge, S. 124 ff.; vgl. hierzu Pröll, GA 66 (1919), 124, 136 f. 384 Vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 42, 47. 385 Vgl. Cramer, Vermögensbegriff, S. 125; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 13 f.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 168; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 12 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 41, 43, 48; Werner, Gefährdungsschaden, S. 16 f.; Günther, in: FS-Weber, S. 313. 386 Pröll, GA 66 (1919), 124, 139; Cramer, Vermögensbegriff, S. 118, 123; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 168; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 152; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 10, 12 f., 17; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 12 f., 24; Weimann, Schwarze Kassen, S. 119 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 41, 43, 48; Werner, Gefährdungsschaden, S. 16 f., 21; Günther, in: FS-Weber, S. 313; Baumanns, JR 2005, 227, 228. 387 Vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 43. 388 Vgl. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 43.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 127
Auch die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre steht der Betrachtung der Vermögensgefährdung als Vermögensnachteil nicht entgegen, da sie die gleichen wirtschaftlichen Kriterien wie der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff annimmt389. Es muss aber angemerkt werden, dass unter Zugrundelegung des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs der Gefährdungsschaden durch normative Kriterien eingeschränkt werden kann. Zahlreiche Anhänger der juristisch-ökonomischen Vermittlungslehre, wie z. B. Cramer, Lenckner und Lackner, haben eine stärkere Tendenz, normative Zuordnungskriterien bei der Vermögensbestimmung im Allgemeinen und weitere normative Einschränkungskriterien bei der Feststellung der Vermögensgefährdung im Besonderen anzuwenden390. In Bezug auf die Schwarzekassenproblematik ist ersichtlich, dass die Annahme des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs von maßgebender Bedeutung ist, soweit sie zur Untreuestrafbarkeit durch die bloße Bildung schwarzer Kassen führen kann. Eine Vielzahl von Einschränkungsansätzen werden nicht nur im Hinblick auf das Institut der Vermögensgefährdung im Allgemeinen, sondern auch im Hinblick auf die schwarzen Kassen im Besonderen von Anhängern der juristisch-ökonomischen Vermittlungslehre angenommen391. Auf der anderen Seite bleibt die Frage nach der Vermögensgefährdung unter Zugrundelegung des personalen Vermögensbegriffs grundsätzlich unberührt, soweit im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine Vermögensgefährdung vorliegt. Eine solche Prüfung kann teils zur Erweiterung und teils zur Einengung des Anwendungsbereichs des Vermögensstrafrechts und mithin teils zur Annahme und teils zur Ablehnung des Vermögensschadens führen. So qualifizieren manche Anhänger der personalen Vermögenslehre die Vermögensgefährdung als effektiven Schaden, wobei andere die Rechtsfigur der Vermögensgefährdung im Ganzen ablehnen392. Bezogen auf die Bildung schwarzer Kassen führt nach Strelczyk der personale Vermögensbegriff in den typischen Fällen schwarzer Kassen immer zur Annahme einer Vermögensgefährdung, weil „die Beziehung zwischen Vermögensträger und dem verschleierten Kassenbestand als Objekt dadurch 389 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 14 ff.; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 16; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 44 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 19. 390 Vgl. hierzu Riemann, Vermögensgefährdung, S. 16; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 16; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 44 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 19. Eingehend zu den Einschränkungsmodellen, die von den Anhängern des juristischökonomischen Vermögensbegriffs entwickelt wurden, s. B. V. 1. c) cc). 391 Ausf. dazu s. u. B. V. 1. c) cc) und B. V. 2. c). 392 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 16; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 541; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 18.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
gestört wird, dass der Vermögensträger überhaupt nichts vom verschleierten Kasseninhalt weiß“393. Auch aufgrund des dynamischen Vermögensbegriffs kann eine Vermögensgefährdung als Vermögensschaden bejaht werden, da dessen Anhänger eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde legen394. Es muss hier nochmals betont werden, dass die Anhänger des dynamischen Vermögensbegriffs „vermögensmindernde Faktoren“, z. B. die Dispositionsfreiheit, im Vermögensschutz erfassen. Der strafrechtliche Vermögensschutz solcher vermögensmindernden Faktoren ist für das Institut der Vermögensgefährdung von zentraler Bedeutung. Würde man also den dynamischen Vermögensbegriff annehmen, so führte die Bildung einer schwarzen Kasse nicht zu einer Vermögensgefährdung sondern bereits zu einem effektiven Schaden, da schon die bloße Einrichtung einer schwarzen Kassen zur Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Geschäftsherrn führt. gg) Stellungnahme Es muss zuerst anerkannt werden, dass alle Vermögensbegriffe einen Beitrag zum Rechtsproblem des Vermögens und mithin auch des Vermögensschadens geleistet haben. Eine kritische Bestandsaufnahme zeigt die Schwäche aller Vermögensbegriffe und führt zu einer haltbaren Synthese der vertretenen Meinungen. Der heute überholte juristische Vermögensbegriff wurde zu Recht als teilweise zu weit kritisiert395. Nicht alle subjektiven Vermögensrechte und -pflichten einer Person bedürfen eines strafrechtlichen Schutzes. Er wird aber auch zutreffend als zu eng kritisiert, denn hiernach werden zahlreiche schutzbedürftige Vermögenswerte (Arbeitskraft, Besitz, Exspektanzen u. a.) vom strafrechtlichen Schutz im Sinne der §§ 253, 263, 266 StGB ausgeschlossen. Dies führt zu unübersehbaren Lücken im strafrechtlich geschützten Vermögen. Unzulässig ist außerdem die von vornherein bestehende völlige Ablehnung der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden. Der juristische Vermögensbegriff steht daher nicht im Einklang mit dem modernen Geschäftsverkehr und ist demzufolge ungeeignet, die heutigen Bedürfnisse des wirtschaftlichen Verkehrs zu erfüllen und einen kriminologisch 393 Strelczyk, 394 Vgl.
Schwarze Kassen, S. 47. Riemann, Vermögensgefährdung, S. 13 Fn. 45; Vrzal, Versuchsstrafbar-
keit, S. 14. 395 Zu den Einwänden gegen den juristischen Vermögensbegriff vgl. auch B. V. 1. a) aa).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 129
sachgerechten Vermögensschutz zu schaffen. Schließlich verkennt die juristische Vermögenslehre wegen einer „binnenzivilistischen Systematik“ den Charakter des Strafrechts als selbständiges Rechtsgebiet. Obwohl der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff dank der Einführung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Vermögens auf dem richtigen Weg ist, muss auch er abgelehnt werden, weil er zu Wertungswidersprüchen zwischen Zivilrecht und Strafrecht im Ganovenumfeld führen kann396. Der personale Vermögensbegriff führt ein zu subjektiviertes Kriterium (d. h. die Persönlichkeit) als Zuordnungskriterium ein und stellt das Vermögen auf einen zu unsicheren Boden, weswegen er als zu unbestimmt abgelehnt werden muss. Die Gefahr, dass die personale Vermögenslehre durch die Berücksichtigung der Dispositionsfreiheit bei der Vermögensbestimmung die Vermögensdelikte zu reinen Dispositionsdelikten umwandeln kann, liegt außerdem nahe397. Der dynamische Vermögensbegriff wurde von seinen Anhängern aus kriminologischen Bedürfnissen entwickelt und ist rechtsdogmatisch nicht überzeugend398. Aus welchem Grund es kriminologisch geboten ist, die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit bzw. die allgemeine Dispositionsfreiheit dem Vermögen zuzuordnen, bleibt unklar und kann zusätzlich zur Umwandlung der Vermögensdelikte in Dispositionsdelikte führen. Schließlich ist auch der Schutz nicht nur des „Ärmerwerdens“, sondern auch der „Vereitelung des Reicherwerdens“ bei den Vermögensdelikten rechtspolitisch unbegründet. Zu prüfen bleibt noch, ob die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre bzw. der normativ-wirtschaftliche Vermögensbegriff aufgrund wirtschaft licher und normativer Wertungen eine befriedigende Lösung anbietet. Wie bereits dargelegt wurde, versuchen die Anhänger des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs den wirtschaftlichen Vermögensbegriff mit Bewertungskriterien zu korrigieren. Eine solche Korrektur erscheint wegen der Widersprüche in der gesamten Rechtsordnung, mit welchen der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff eng verbunden ist, kriminologisch ge boten. Und auch ihre rechtsdogmatische Begründung ist haltbar und überzeugend. 396 Zu den Einwänden gegen den wirtschaftlichen Vermögensbegriff vgl. auch B. V. 1. a) bb). 397 Zu den Einwänden gegen den personalen Vermögensbegriff vgl. auch B. V. 1. a) dd). 398 Zu den Einwänden gegen den dynamischen Vermögensbegriff vgl. auch B. V. 1. a) ee).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Zu prüfen bleibt, ob man auf die Einwände gegen den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff antworten kann399. Der erste Einwand gegen ihn ist, dass er Wirtschaft und Recht als zwei „gegensätzliche“ bzw. „antinomische Systeme“ gegenüberstellt400. Wenn die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre in der Weise entwickelt wird, dass sie unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise rechtliche Wertungen einführt und aufgrund dessen den wirtschaftlichen Vermögensbegriff ergänzt bzw. korrigiert, stehen m. E. Wirtschaft und Recht kaum gegenüber. Dann führt die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre eine Synthese der juristischen und wirtschaftlichen Vermögensbegriffe aus. Genauer gesagt kann dies nur dann erreicht werden, wenn als Vermögen alle Vermögenswerte betrachtet werden, denen ein wirtschaftlicher Wert beigemessen wird und die von der Rechtsordnung nicht missbilligt werden401. Der zweite Einwand gegen die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre ist, dass sie im Ganovenumfeld zu Widersprüchen führt402. Der Ausschluss der zu rechts- oder sittenwidrigen Zwecken eingesetzten Werte aus dem strafrechtlichen Vermögensschutz ist aber m. E. im Hinblick auf § 817 S. 2 BGB überzeugend und kann den oben erklärten Widerspruch beseitigen403. Der juristisch-ökonomische Vermögensbegriff ist schließlich aus noch einem weiteren Grund vorzugswürdig. Er ist der einzige Vermögensbegriff, der geeignet ist, nicht nur Widersprüche im Ganovenbereich zu vermeiden, sondern auch die strafwürdigen von den nicht strafwürdigen Vermögensgefährdungen aufgrund normativer Kriterien abzugrenzen. Aufgrund des rein wirtschaftlichen Vermögensbegriffs liegt die Gefahr nahe, jede (auch abstrakte) Vermögensgefährdung als strafbewehrt zu betrachten. Die juristischökonomische Vermittlungslehre kann hingegen den Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens sachgerecht einschränken404. 399 Zu den Einwänden gegen den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff vgl. auch B. V. 1. a) cc). 400 Nelles, Untreue, S. 405; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 110 f., 445; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 221 f.; Kargl, JA 2001, 714, 720. Vgl. auch B. V. 1. a) cc). 401 So auch Lenckner, JZ 1967, 105, 107; Samson, JA 1978, 564, 569; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 123; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 127, 132; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 99; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 97; ders., Jura 2009, 518, 519; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 535. 402 Vgl. B. V. 1. a) cc) und B. V. 1. a) ff) (2). 403 Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 Rn. 150; Cramer, JuS 1966, 472 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 441; vgl. auch Otto, Jura 1993, 424, 428; Lenckner, JZ 1967, 105, 109; Bergmann / Freund, JR 1988, 189, 192; Freund / Bergmann, JR 1991, 357, 358; Tenckhoff, JR 1988, 126, 126; Spickhoff, JZ 2002, 970, 974 ff. Vgl. B. V. 1. a) ff) (2). 404 Vgl. hierzu B. V. 1. a) cc) und B. V. 1. a) ff) (3).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 131
hh) Zwischenergebnis Der ältere juristische Vermögensbegriff bezeichnet die Summe aller subjektiven Vermögensrechte und -pflichten einer Person als Vermögen, unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Wert405. Er wird in der Literatur teils als zu eng und teils als zu weit kritisiert: Der Ausschluss bestimmter Vermögenswerte (z. B. Besitz, Arbeitskraft, Kundenstamm u. a.) aus dem strafrechtlichen Vermögensschutz sowie die Ablehnung der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden im Ganzen lässt den Wirtschaftsverkehr außer Acht und ist heute veraltet406. Die binnenzivilistische Systematik gefährdet außerdem die Selbständigkeit des Strafrechts in der gesamten Rechtsordnung407. Der rein wirtschaftliche Vermögensbegriff, den die Rechtsprechung überwiegend annahm, hält die Summe aller geldwerten Güter einer Person für ihr Vermögen, ohne Rücksicht auf deren rechtliche Bewertung408. Wegen der Wertungswidersprüche zwischen Zivilrecht und Strafrecht wird er von einem großen Teil des Schrifttums abgelehnt und auch in der Rechtsprechung zunehmend eingeschränkt409. Infolge dieser Wertungswidersprüche in der gesamten Rechtsordnung hat der überwiegende Teil des Schrifttums den juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff bzw. die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre vertreten, wonach alle Wirtschaftsgüter einer Person als Vermögen zu verstehen sind, soweit sie den Schutz der Rechtsordnung genießen oder zumindest rechtlich nicht missbilligt sind410. Teile der Lehre haben die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre modifiziert und einen normativ-wirtschaftlichen bzw. integrierten Vermögensbegriff vertreten, nach welchem ein Vermögen vorliegt, wenn eine Person über mit der Rechtsordnung vereinbare Potenziale wirtschaftlicher Betätigung mit Hilfe zivilrechtlich anerkannter Durchsetzungsmöglichkeiten nach ihrem Belieben verfügen und externen Störfaktoren effektiv begegnen kann411. Die Unterschiede zwischen wirtschaftlicher und juristisch-ökonomischer Vermögenslehre lassen sich vor allem im Ganovenumfeld erkennen412. Die juristisch-ökonomische Vermittlungslehre ist vorzugswürdig, denn sie kombiniert wirtschaftliche und rechtliche Zuordnungs405 Vgl. 406 Vgl. 407 Vgl. 408 Vgl. 409 Vgl. 410 Vgl. 411 Vgl.
412 Vgl.
B. B. B. B. B. B. B. B.
V. V. V. V. V. V. V. V.
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
a) a) a) a) a) a) a) a)
aa). aa). aa). bb). bb). cc). cc). ff) (2).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
kriterien, die zu einem sachgerechten strafrechtlichen Schutz von Vermögensbestandteilen bzw. -positionen (nicht nur im Ganovenumfeld, sondern auch bei Fällen des Gefährdungsschadens) führen können413. Die wirtschaftliche Potenz des Vermögensträgers, die auf der Herrschaft über Objekte beruht, welche von der Rechtsgesellschaft als selbständige Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehrs anerkannt werden, wird vom personalen Vermögensbegriff als Vermögen angesehen414. Der personale Vermögensbegriff ist aber wegen des subjektivierten Zuordnungskriteriums der Persönlichkeit, das zu unbestimmt ist und zur weiteren Subjektivierung des Schadensbegriffs führen kann, nicht überzeugend415. Die Gefahr der Umwandlung der Vermögensdelikte zu reinen Dispositionsdelikten liegt auch nahe416. Nach dem dynamischen Vermögensbegriff gehören auch „vermögensmindernde Faktoren“, wie die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit bzw. die allgemeine Dispositionsfreiheit, zum strafrechtlich geschützten Vermögen417. Diese Ansicht ist wegen des Fehlens einer haltbaren rechtsdogmatischen Begründung sowie der Gefahr der Umdeutung der §§ 263, 266 StGB von Vermögensdelikten in Dispositionsdelikte abzulehnen418. b) Der Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB bzw. der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB419 Beide Tatbestandsalternativen der Untreue gem. § 266 I StGB setzen einen Vermögensnachteil voraus. Gerade aus dem Wortlaut der Norm („… und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zu413 Vgl.
B. V. 1. a) gg). B. V. 1. a) dd). 415 Vgl. B. V. 1. a) dd). 416 Vgl. B. V. 1. a) dd). 417 Vgl. B. V. 1. a) ee). 418 Vgl. B. V. 1. a) ee). 419 Überblick zum Vermögensschaden bei Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 99 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 177 ff.; Fabricius, NStZ 1993, 414, 416 ff.; Fischer, § 263 StGB Rn. 110 ff.; ders., § 266 StGB Rn. 109 ff.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, 1990; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 442 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 158 ff.; ders., in: LPK, § 266 StGB Rn. 75 ff.; ders., BT II, § 27 Rn. 57 ff.; Kindhäuser / Nikolaus, JuS 2006, 293, 295 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 36 ff.; dies., § 266 StGB Rn. 16 ff.; Labsch, Jura 1987, 411, 415 ff.; Maurach / Schroeder / Maiwald, BT 1, § 41 Rn. 107 ff.; Mitsch, BT 2 / 1, § 7 Rn. 95 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 39 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 648 ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 53 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 138 ff.; ders., Jura 2009, 518 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 131 ff.; Volk, Gutachten, S. 448 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 538 ff. 414 Vgl.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 133
fügt“) ergibt sich, dass das zu betreuende und das verletzte Vermögen identisch sein müssen420. Was unter dem Vermögensnachteil zu verstehen ist und wann bzw. auf welche Weise ein Vermögensnachteil ermittelt werden kann, wird im Folgenden klargestellt. aa) Vermögensschaden und Vermögensnachteil Sowohl nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichts und anschließend des Bundesgerichtshofs als auch nach herrschender Lehre stimmen die Begriffe des Vermögensschadens nach § 263 StGB und des Vermögensnachteils nach § 266 StGB überein421. Wie Saliger bemerkt, ist die Gleichbehandlung des Vermögensnachteils bei Betrug und Untreue in der Weise zu bejahen, dass der Vermögensnachteil des § 266 StGB nicht weiter ausgelegt werden darf als der Vermögensschaden des § 263 StGB422. Die Annahme eines engeren Schadensbegriffs bei der Untreue ist auf der anderen Seite wegen der Straflosigkeit des Untreueversuchs geboten423. Die Besonderheiten des Verhältnisses des Treunehmers zum fremden Vermögen des Treugebers (d. h. der interne Angriffsweg des Treunehmers auf das Vermögen) erfordern beim Untreuetatbestand in zweierlei Hinsicht eine differenzierte Beurteilung des Vermögensnachteils des § 266 StGB im Vergleich zum Vermögensschaden des § 263 StGB424: 420 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 37, 53; Fischer, § 266 StGB Rn. 110; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 177; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 775; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 81; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 101, 140; Labsch, Jura 1987, 411, 418; BGHSt 47, 295, 297. 421 RGSt 71, 155, 158; RGSt 73, 283, 285; BGHSt 15, 342, 343 f.; BGHSt 44, 376, 384; BGHSt 48, 354, 357; vgl. aber auch BGHSt 51, 100, 121; BVerfG, NJW 2009, 2370, 2371, Rn. 25; Fischer, § 266 StGB Rn. 115; ders., StraFo 2008, 269, 270; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 39; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 132; ders., StraFo 2010, 1, 2; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 177; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 775; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 75; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 24, 164; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 35; Seelmann, JuS 1983, 32, 33; Kindhäuser, in: FS-Lampe, S. 709; Weimann, Schwarze Kassen, S. 93; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 36 f.; a. A. Dierlamm, NStZ 1997, 534, 535; krit. auch Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 230 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 390; Labsch, Untreue, S. 318 ff.; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 114; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 157. 422 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 53; ders., ZStW 112 (2000), 563, 611 f. 423 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 53; ders., ZStW 112 (2000), 563, 611 f. Ausf. zur Straflosigkeit des Untreueversuchs und zu ihrer Auswirkung auf den Gefährdungsschaden als Vermögensnachteil bei Betrug und Untreue s. u. B. V. 1. c) aa) (2) (c). 424 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 53; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 167.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Nach ständiger Rechtsprechung liegt kein Vermögensnachteil und mithin keine Untreue vor, wenn der Täter uneingeschränkt bereit und jederzeit fähig ist, aus eigenen flüssigen Mitteln oder auf sonstige Weise einen entsprechenden Betrag vollständig auszukehren, d. h. wenn er ersatzfähig und ersatzwillig handelt425. Diese Differenzierung ergibt sich zusätzlich aus der Straflosigkeit des Untreueversuchs426. Ein zweiter Unterschied ergibt sich im Hinblick auf die tatsächlichen Exspektanzen. Diese werden beim Betrug nur in der Form des schaden begründenden Verlusts einer bereits zum Vermögensbestandteil erstarkten Gewinnchance als Vermögensschaden betrachtet427, während bei der Untreue zusätzlich das pflichtwidrige Unterlassen einer Vermögensmehrung einen Vermögensnachteil darstellt, dies aber nur wenn bei einer Betrachtung des Einzelfalls bereits eine hinreichend konkretisierte Erwerbsaussicht auf den Vorteil bestand428. So begründet bei der Untreue – genau wie beim Betrug – nur das „Ärmerwerden“, nicht zusätzlich die Vereitelung des „Reicherwerdens“, einen Vermögensnachteil, da bei § 266 StGB die konkreten tatsächlichen Exspektanzen bereits zum Vermögen gehören429. Aus den vorstehenden Ausführungen ist ersichtlich, dass bei der Auseinandersetzung mit dem Merkmal des Vermögensnachteils im Sinne des Untreuetatbestandes auf die beim Betrug allgemein geltenden Grundsätze der Schadensbeurteilung insgesamt zurückzugreifen ist.
425 RGSt 70, 321 ff.; RGSt 73, 283, 285); BGHSt 15, 342, 344; BGH, NStZ 1982, 331 f.; BGH, wistra 1988, 191, 192; BGH, NStZ 1995, 233, 234; BGH, NStZRR 2004, 54 f.; BGH, NJW 2008, 1827, 1829; RGSt 73, 283, 285; BGHSt 15, 342, 344; BGH, NStZ 1982, 331 f.; BGH, NStZ 1995, 233, 234; BGH, NStZ-RR 2004, 54 f.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 132, 139; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 184; Satzger, Jura 2009, 518, 521; ders., NStZ 2009, 297, 303; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 173 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 189; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 545; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 78; Otto, JZ 1985, 69, 74; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 80; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 231 f.; a. A. Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 42; Labsch, Jura 1987, 411, 417. 426 Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 612; Satzger, Jura 2009, 518, 521. 427 BGHSt 16, 220, 223; BGHSt 17, 147, 148; BGH, NJW 2004, 2603, 2604. 428 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 185; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 52, 53, 64 f.; Fischer, § 266 StGB Rn. 111 f., 116; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 167 f.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 545; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 82; Otto, JZ 1985, 69, 74; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 259 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 102; BGHSt 31, 232, 234 f.; BGH, wistra 1984, 109 f.; BGH, NStZ 2003, 540, 541; BGH, NStZ 2004, 206. 429 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 54.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 135
bb) Die Ermittlung des Vermögensschadens Bei der Schadensermittlung gem. §§ 263, 266 StGB werden zunächst objektiv-wirtschaftliche Kriterien berücksichtigt und die individuellen Verhältnisse und Bedürfnisse des Vermögensträgers dienen nur dort als Korrektur, wo es erforderlich ist. (1) Die objektive Schadensbeurteilung430 Der Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB bzw. der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB ist aufgrund eines objektiv-individuellen Beurteilungsmaßstabs nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung einer etwaigen unmittelbaren Schadenskompensation zu bestimmen431. M. a. W.: Nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung ist auf einer ersten Ebene ein Vermögensnachteil zu bejahen, wenn aufgrund eines objektiven Vergleichs der Vermögenslage vor und nach der Pflichtverletzung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten (objektive Schadensbeurteilung) die Untreuehandlung eine unmittelbare Wertminderung verursacht, ohne dass dieselbe Untreuehandlung gleichzeitig zu einem unmittelbaren Vermögenszuwachs (Gegenleistung) führt, der die Wertminderung voll ausgleicht, d. h. wenn sich ein negativer Saldo ergibt (Schadenskompensation)432. Dieser Vergleich folgt objektiv nach dem jeweiligen Verkehrs- bzw. Marktwert zu den ein430 Der Schadensbegriff unterscheidet sich vom Vermögensbegriff, hängt jedoch von ihm ab. Nach dem objektiven Schadensbegriff ist der Marktwert des Vermögensbestandteils maßgeblich, im Mittelpunkt des subjektiven Schadensbegriffs steht ausschließlich das Opfer, während nach dem personalen Schadensbegriff nicht der objektive Marktpreis des Vermögensbestandteils sondern der einzelne Vermögensbestandteil innerhalb des Opfervermögens berücksichtigt wird (ausf. zum Streit zwischen dem (herrschenden) objektiven bzw. wirtschaftlichen, dem subjektiven (bzw. individuellen) und dem personalen Schadensbegriff s. Samson, JA 1989, 510, 510 f.; Tiedemann, in: LK, Vor § 263 StGB Rn. 26 ff.; Berger, Schutz öffentlichen Vermögens, S. 72 ff.; Rotsch, ZStW 117 (2005), 577, 582 f. 431 BGHSt 30, 388, 389; BGHSt 43, 293, 296, 298; BGHSt 47, 295, 301 f.; BGHSt 51, 10, 15 f.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 442 ff.; Satzger, Jura 2009, 518, 521 f.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 54 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 20 f.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 36; dies., § 266 StGB Rn. 17, 17b; Fischer, § 263 StGB Rn. 111; ders., § 266 StGB Rn. 115; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 99, 106; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 40; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 159; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 136; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 538; Mitsch, BT 2 / 1, § 7 Rn. 99 ff.; Gutmann, MDR 1963, 91 ff.; Fabricius, NStZ 1993, 414, 416. 432 Vgl. BGHSt 31, 232, 234; BGHSt 38, 186, 189 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 138, 144; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 544; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 37.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
schlägigen Zeitpunkten, d. h. vor und nach der Vermögensverfügung bzw. der Untreuehandlung433. Daraus folgt, dass das Unmittelbarkeitserfordernis eine entscheidende Rolle bei der Saldierung spielt und die Abgrenzung zur Schadenswiedergutmachung sowie zu den Schadensersatzansprüchen leistet, was im Folgenden näher konkretisiert wird: Bei der Schadensermittlung sind nur diejenigen Vermögensvorteile zu berücksichtigen, die unmittelbar durch die Vermögensverfügung bzw. die Pflichtverletzung ausgelöst worden sind. In diesem Sinne scheidet die nachträgliche Schadenswiedergutmachung (reparatio damni) als Vermögensvorteil (Gegenleistung) i. S. d. §§ 263, 266 StGB aus434, wie z. B. die spätere Verwendung des durch die Pflichtverletzung erlangten Geldes für Zwecke des Geschäftsherrn435 oder die nachtatlichen freiwilligen Leistungen Dritter oder des Täters an den Geschäftsherrn436. Die Schadenswiedergutmachung ist daher lediglich bei der Strafzumessung zu berücksichtigen437. Des Weiteren scheiden wegen des Fehlens der Unmittelbarkeit auch gesetzliche Ersatzansprüche, die dem Vermögensinhaber gegenüber dem Täter aufgrund der Vermögensverfügung bzw. der Pflichtverletzung erwachsen, bei der Schadensbeurteilung aus438. Als solche kommen die Schadensersatzansprüche gem. §§ 823 II, 826 BGB sowie die Bereicherungsansprüche aus §§ 812 ff. BGB in Betracht, da sie nur Folge, nicht Grundlage, des Vermö433 RGSt 49, 21, 25; RGSt 73, 283, 285; BGHSt 15, 342, 343 f.; BGHSt 16, 220, 221; BGHSt 30, 388, 389 f. Auch Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 141; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 38; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 109 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 163 ff.; Gutmann, MDR 1963, 91, 92 ff.; Volk, Gutachten, S. 452 f. 434 RGSt 41, 24, 27; RGSt 44, 230, 239 f.; RGSt 71, 31, 34; BGHSt 17, 147, 149; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 152 ff.; ders., Jura 2009, 518, 521; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 120; Fischer, § 263 StGB Rn. 155; ders., § 266 StGB Rn. 164; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 162. 435 Zur wirtschaftlich vorteilhaften Verwendung von Geldmitteln aus den schwarzen Kassen vgl. A. I. 2. 436 RGSt 41, 24, 25; BGHSt 52, 323, 338; LG Bonn, NStZ 2001, 375 ff. Auch Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 153; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 57, 58; Fischer, § 263 StGB Rn. 155; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 169; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 545; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 162; a. A. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 457 ff. 437 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 57; Fischer, § 266 StGB Rn. 164; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 184; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 538; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 137; Weimann, Schwarze Kassen, S. 99. So etwa die Rechtsprechung im Fall der Bildung schwarzer Kassen BGH, NStZ 1986, 455, 456; BGHSt 40, 287, 298; BGHSt 51, 100, 116. 438 Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 153; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 57.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 137
gensschadens sind439. Eine Ausnahme davon gilt nur im Hinblick auf § 266 StGB, wenn der Täter ersatzfähig und -bereit ist440. Nicht kompensationsfähig ist ferner die Auslösung von Schadensersatzansprüchen und Sanktionen zu Lasten des Vermögensinhabers, wenn sie durch das pflichtwidrige Verhalten des Treunehmers ausgelöst worden sind441. Schließlich weicht die Schadensbeurteilung bei § 266 StGB vom Prinzip der Einzelbetrachtung ab und ist aufgrund einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung vorzunehmen, wenn nach einem vernünftigen Gesamtplan mehrere Verfügungen erforderlich sind, um den ausgleichenden Erfolg zu erreichen442. Die Gesamtbetrachtung gilt namentlich bei den sog. Risikogeschäften und den Investitionsentscheidungen443. Der BGH wendet aber die Maßgabe der Gesamtbetrachtung auch auf den Entzug von Geldmitteln an, die der Treunehmer später für Schmiergeldzahlungen zur Erlangung lukrativer Aufträge verwendet444. (2) Das subjektive Korrektiv Literatur und Rechtsprechung haben seit jeher versucht, etwaige Schwächen der oben genannten Grundsätze der wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszuschließen und den objektiven Maßstab bei der Schadensbeurteilung in einer zweiten Ebene im Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse und 439 Haft, BT, S. 217; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 462; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 152; ders., Jura 2009, 518, 521; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 57; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 120; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 42; Fischer, § 266 StGB Rn. 168; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 166; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 545; Kindhäuser, BT II, § 27 Rn. 63. So auch in der Rechtsprechung RGSt 41, 24, 27, 29; RGSt 44, 239 f.; BGHSt 26, 346, 348. 440 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 57; ders., Jura 2009, 518, 521; Fischer, § 266 StGB Rn. 168; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 184; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 173 ff.; Volk, Gutachten, S. 450 f.; a. A. Labsch, Jura 1987, 411, 417 f. Hierzu vgl. B. V. 1. b) aa). 441 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 62, 75; Labsch, Jura 1987, 411, 417. 442 BGHSt 47, 295, 302; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 59; ders., HRRS 2006, 10, 19; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 41; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 183; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 137; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 171; Volk, Gutachten, S. 448 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 99 f. 443 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 59; ders., HRRS 2006, 10, 19, 21; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 137; Volk, Gutachten, S. 449; Weimann, Schwarze Kassen, S. 99. 444 OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 26.02.2004, NStZ-RR 2004, 244; hierzu vgl. Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 172; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 61; krit. hierzu Fischer, § 266 StGB Rn. 120, 141.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Verhältnisse des Vermögensträgers zu korrigieren, wo es erforderlich ist. Die objektive Schadensbeurteilung wird daher durch den „individuellen Schadenseinschlag“ und die „Zweckverfehlungslehre“ ergänzt, die bei der Feststellung des Vermögensschadens nach §§ 263, 266 StGB eine individua lisierende Betrachtung aufgrund subjektiver Kriterien einführen445. (a) Der individuelle Schadenseinschlag Der sog. „individuelle oder personale bzw. subjektive Schadenseinschlag“446 dient der objektiven Schadensbeurteilung als ein erfolgreiches Korrektiv, wenn aufgrund individueller und wirtschaftlicher Bedürfnisse und Verhältnisse des Vermögensträgers nicht jeder Vermögensgegenstand für jedermann gleich brauchbar und gleichermaßen wertvoll ist447. Unter Zugrundelegung des individuellen Schadenseinschlags kann ein Vermögensschaden auch dann bejaht werden, wenn das zu betreuende Vermögen für den Einzelnen unter objektiven Gesichtspunkten448 beschädigt wird, obwohl eine objektive Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung gegeben ist. Der BGH hat im sog. „Melkmaschinen-Urteil“449 die Grundsätze des individuellen Schadenseinschlags entwickelt. Nach den Feststellungen des BGH in diesem Grundsatzurteil ist „nach den persönlichen Bedürfnissen und Verhältnissen des Erwerbers und unter Berücksichtigung der von ihm 445 Saliger spricht von einer Extensionstendenz der Rechtsprechung zur „Personalisierung“ im Bereich der Untreue und fordert Berechtigung und Grenzen bei der Anwendung der subjektiven Maßstäbe des individuellen Schadenseinschlags und der Zweckverfehlungslehre [Saliger, ZStW 112 (2000), 536, 589 ff., 609 f.; ders., HRRS 2006, 10, 13]. 446 Zum individuellen Schadenseinschlag s. Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 121 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 632 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 48 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 158; ders., Jura 2009, 518, 522 f.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 63; Fischer, § 263 StGB Rn. 146 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 182; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 177 ff., 203 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 547 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 172 ff.; ders., BT II, § 27 Rn. 64 ff.; Rengier, BT I, § 13 Rn. 176 ff.; Geerds, Jura 1994, 309, 314 ff.; Fahl, JA 1995, 198, 200 ff.; Volk, Gutachten, S. 453 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 141 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 115 ff. 447 Vgl. BGHSt 16, 321, 325 f.; auch Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 160; ders., Jura 2009, 518, 522; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 121; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 177. 448 D. h. nach einem objektiven Betrachter bzw. sachlichen Beurteiler an der Stelle des Vermögensträgers (Satzger, Jura 2009, 518, 522; BGHSt 16, 321, 326; auch Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 98). 449 BGHSt 16, 321 ff.; auch BGH, wistra 1999, 299, 300; BGH, NStZ-RR 2001, 41 f.; OLG Hamm, NJW 1986, 119, 120.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 139
nach Maßgabe aller Umstände verfolgten Zwecke“450 ein Vermögensschaden gegeben, „wenn der Erwerber a) die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbarer Weise verwenden kann oder b) durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird oder c) infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügen kann, die zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschafts- oder Lebensführung unerlässlich sind (‚Liquiditätsverlust‘)“451. Der individuelle Schadenseinschlag ist bei der Haushalts- oder Amtsuntreue von erheblicher Praxisrelevanz452. Der BGH hat in der sog. „Bugwellen-Entscheidung“ bzw. „Intendanten-Entscheidung“453 die Grundsätze bzw. Leitlinien des individuellen Schadenseinschlags beim Betrug auf die Schadensbeurteilung bei der Haushalts- oder Amtsuntreue übertragen. In dieser Entscheidung nahm der BGH an, dass ein Vermögensnachteil gegeben sei, wenn durch die Haushaltsüberziehung eine wirtschaftlich gewichtige Kreditaufnahme erforderlich wird, wenn die Dispositionsfähigkeit des Haushaltsgesetzgebers in schwerwiegender Weise beeinträchtigt wird oder er durch den Mittelaufwand in seiner politischen Gestaltungsbefugnis beschnitten wird454. (b) Die Zweckverfehlungslehre Die Schadensbeurteilung weicht des Weiteren von objektiven Maßstäben ab und ist unter dem Gesichtspunkt der sog. „Zweckverfehlungslehre“455 450 BGHSt
16, 321, 325. 16, 321. 452 Vgl. Schünemann, StV 2003, 463 ff.; ders, in: LK, § 266 StGB Rn. 143; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 63, 95; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17c; Fischer, § 266 StGB Rn. 125; Munz, Haushaltsuntreue, S. 152 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 149. 453 BGHSt 43, 293 ff.; hierzu vgl. Bittmann, NStZ 1998, 495 ff.; Bieneck, wistra 1998, 249 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 141 ff.; Brauns, JR 1998, 381 ff.; Martin, JuS 1998, 565 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 229 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 150 ff.; krit. Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 589 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 13. 454 BGHSt 43, 293, 299 ff.; krit. hierzu Fischer, § 266 StGB Rn. 129. 455 Zu der Zweckverfehlungslehre s. Fischer, § 263 StGB Rn. 137 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 653 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 161 ff.; ders., Jura 2009, 518, 523 f.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 181 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 43; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 550 ff.; Sonnen, JA 1982, 593 f.; Geerds, Jura 1994, 309, 319 f.; Jordan, JR 2000, 133 ff.; Munz, Haushaltsuntreue, S. 109 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 105 ff. 451 BGHSt
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
vorzunehmen, wenn infolge einer Vermögensverfügung i. S. d. § 263 StGB bzw. einer Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB der verfolgte soziale Zweck ganz oder nur teilweise verfehlt wird oder dadurch nicht erreicht wird. Dies kommt vor allem in den Fällen in Betracht, in denen das Opfer einseitig sein Vermögen mindert, um damit einen bestimmten Zweck zu erreichen456. Die Zweckverfehlungslehre spielt eine wesentliche Rolle namentlich im Bereich der Haushalts- oder Amtsuntreue und insbesondere in den Fällen des zweckwidrigen Einsatzes öffentlicher Mittel, wenn die zweckgebundenen Mittel verringert werden, ohne dass der Zweck erreicht wird457, sowie in den Fällen der unentgeltlichen Zuwendungen (d. h. bei bewusster Selbstschädigung, vor allem beim Bettel-, Spenden- und Schenkungsbetrug)458 und Austauschverträge459. cc) Zwischenergebnis Der Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB und der Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB sind gleich zu bestimmen, weswegen die für den Betrugstatbestand geltenden Grundsätze auf die Untreue übertragbar sind460. Differenzierungen ergeben sich nur im Hinblick auf die Straflosigkeit des Untreueversuchs sowie auf das Verhältnis des Untreuetäters zum fremden Vermögen461. Der Vermögensnachteil des § 266 StGB ist daher einerseits enger als der Vermögensschaden des § 263 StGB, soweit keine Untreuestrafbarkeit bejaht wird, wenn der Treunehmer ersatzfähig und -willig ist462, und andererseits weiter als der Vermögensschaden des § 263 StGB, soweit eine Untreuestrafbarkeit gegeben ist, wenn der Treunehmer die Mehrung des zu betreuenden Vermögens pflichtwidrig unterlässt463. 456 Satzger,
Jura 2009, 518, 521. 43, 293, 297 f.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 550; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 44; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 79; Satzger, Jura 2009, 518, 523; Volk, Gutachten, S. 456 ff.; ders., Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, S. 27 ff.; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 591 ff. 458 Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 167 f., 169; ders., Jura 2009, 518, 523; Fischer, § 263 StGB Rn. 137, 139; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 552 ff.; ausf. hierzu s. auch Schmoller, JZ 1991, 117 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 203 ff. 459 In der Literatur streitig, hierzu vgl. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 167 f.; ders., Jura 2009, 518, 524; Fischer, § 263 StGB Rn. 138; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 556 ff. 460 Vgl. B. V. 1. b) aa). 461 Vgl. B. V. 1. b) aa). 462 Vgl. B. V. 1. b) aa). 463 Vgl. B. V. 1. b) aa). 457 BGHSt
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 141
Die Ermittlung des Vermögensschadens bzw. -nachteils ist zunächst objektiv vorzunehmen, d. h. nach dem Prinzip der Gesamtsaldierung unter Berücksichtigung des jeweiligen Verkehrs- bzw. Marktwertes464. Ein Vermögensnachteil liegt vor, wenn ein negativer Saldo des Vermögensbestandes (nach einem unmittelbaren Vergleich vor und nach der Tathandlung) gegeben ist465. Nachträgliche Schadenswiedergutmachung und Schadensersatzansprüche sind aufgrund des Unmittelbarkeitserfordernisses nicht kompensations fähig466. In einem zweiten Schritt werden die individuellen Verhältnisse und Bedürfnisse des Vermögensträgers unter bestimmten objektiven Gesichtspunkten berücksichtigt467. Die Korrektur des objektiven Beurteilungsmaßstabs ist aufgrund des sog. individuellen Schadenseinschlags468, dessen Grundsätze der BGH im sog. „Melkmaschinen-Urteil“ eingesetzt hat, sowie der Zweckverfehlungslehre469 (grundsätzlich im Bereich der Haushaltsuntreue sowie des Bettel-, Spenden- und Schenkungsbetrugs) vorzunehmen. c) Die Vermögensgefährdung bzw. der Gefährdungsschaden i. S. d. §§ 263, 266 StGB470 Ausgehend vom rein wirtschaftlichen Vermögensbegriff bzw. von der juristisch-ökonomischen Vermittlungslehre (d. h. von der wirtschaftlichen 464 Vgl.
B. V. 1. b) bb) (1). B. V. 1. b) bb) (1). 466 Vgl. B. V. 1. b) bb) (1). 467 Vgl. B. V. 1. b) bb) (2). 468 Vgl. B. V. 1. b) bb) (2) (a). 469 Vgl. B. V. 1. b) bb) (2) (b). 470 Aus dem Schrifttum zur Figur der Vermögensgefährdung s. Baumanns, JR 2005, 227 ff.; Becker, in: HRRS 2009, 334 ff.; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 261 ff.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 118 ff.; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 186 ff.; Fischer, § 263 StGB Rn. 156 ff.; ders., § 266 StGB Rn. 150 ff.; ders., StraFo 2008, 269 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 532 ff.; ders., Vermögensgefährdung, S. 49 ff., 128 ff., 256 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 185 ff.; ders., in: FSSamson, S. 295 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 186 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 40 ff.; dies., § 266 StGB Rn. 17a; Mansdörfer, JuS 2009, 114 ff.; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 217 ff.; Nack, StraFo 2008, 277 ff.; Otto, Jura 1991, 494 ff.; ders., in: FS-Puppe, S. 1247 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45 ff.; ders., in: FS-Tiedemann, S. 737 ff.; ders., GA 2009, 219, 227 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 658 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung; Rönnau, in: FS-Rissing-van Saan, S. 517 ff.; Rotsch, ZStW 117 (2005), 577, 584 ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 66 ff.; ders., in: FS-Samson, S. 455 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174 ff.; ders., Jura 2009, 518, 524 ff.; Schlösser, StV 2008, 548 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 146 ff.; ders., StraFo 2010, 1 ff., 477 ff.; Strelczyk, Schwar465 Vgl.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Betrachtungsweise)471 kann nicht nur der effektive Schaden, sondern auch der Gefährdungsschaden einen Vermögensnachteil begründen. Die Rechts figur der sog. „schadensgleichen Vermögensgefährdung“ bzw. des „Gefährdungsschadens“ ist von der Rechtsprechung entwickelt worden472. Es wird im Folgenden näher untersucht, unter welchen Voraussetzungen eine Vermögensgefährdung einen Vermögensschaden begründen kann. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das in der Rechtsprechung entwickelte Kriterium der Konkretheit der Vermögensgefahr sowie die zahlreichen Versuche der Theoretiker, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung im Rahmen des Betrugs- bzw. des Untreuetatbestandes einzuschränken. aa) Der Gefährdungsschaden als Vermögensnachteil i. S. d. §§ 263, 266 StGB (1) Der Gefährdungsschaden bei §§ 263, 266 StGB Aus der Gleichbestimmung des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB und des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 StGB lässt sich ableiten, dass die Vermögensgefährdung sowohl beim Betrug als auch bei der Untreue als Vermögensschaden eingestuft wird473. ze Kassen, S. 38 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 168 ff.; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, 2005; Waszcynski, JA 2010, 251, 254 ff.; Watzka, Vermögensgefährdung, 1965; Werner, Gefährdungsschaden, 2010; Weimann, Schwarze Kassen, S. 119 ff.; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 571 ff. 471 Pröll, GA 66 (1919), 124, 139; Cramer, Vermögensbegriff, S. 118, 123; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 168; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 152; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 10, 12 f., 17; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 12 f., 24; Weimann, Schwarze Kassen, S. 119 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 41, 43, 48; Werner, Gefährdungsschaden, S. 16 f., 21; Günther, in: FS-Weber, S. 313; Baumanns, JR 2005, 227, 228. 472 RGSt 16, 1, 11; RGSt 16, 77, 81; RGSt 71, 31, 34; RGSt 71, 155; BGHSt 15, 24, 27; BGHSt 20, 304, 305; BGHSt 21, 112, 113; BGHSt 23, 300, 302 f.; BGHSt 34, 394, 395; BGH, NStZ 1984, 549; BGH, NStZ 1986, 455; BGH, wistra 1988, 191 f.; BGHSt 40, 287, 296 f.; BGH, NStZ 1996, 543; BGHSt 44, 376, 384; BGHSt 46, 30, 31; BGHSt 47, 8, 11; BGHSt 47, 148, 156 f.; BGH, NStZ 2003, 540, 541; BGH, NStZ-RR 2004, 54, 55; BGH, NStZ-RR 2005, 343 ff.; BGHSt 51, 100, 113 ff.; BGH, NJW 2008, 1827, 1829; BGH, wistra 2010, 21, 23. So die Rechtsprechung bezüglich der Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich RGSt 75, 227; BGH, wistra 1992, 266; BGH, wistra 2000, 136; vgl. auch OLG Frankfurt, NStZ-RR 2004, 244; OLG Celle, GmbHR 2006, 377. 473 BGHSt 44, 376, 384; BGHSt 47, 8, 11; BGHSt 48, 354, 356; BGHSt 52, 182, 188. Ob die Vermögensgefährdung bei Betrug und Untreue gleich zu bestimmen ist,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 143
Eine Vermögensgefährdung begründet einen Vermögensschaden i. S. d. §§ 263, 266 StGB, wenn ein effektiver (echter, endgültiger) Vermögensschaden noch nicht eingetreten ist, aber die Gefahr seines Eintritts den Vermögenswert gegenwärtig bereits vermindert. Daraus folgt, dass Vermögensgefährdung und endgültiger Vermögensschaden verschiedene Grade der Vermögensbeschädigung sind und zwischen ihnen kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied besteht474. In der Literatur wurden bereits in der Vergangenheit Einwände gegen den herrschenden in der Rechtsprechung entwickelten Terminus „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ erhoben. Solche Einwände häufen sich heute immer mehr. Riemann geht davon aus, dass Vermögensgefährdung und Vermögensschaden Grade der Vermögensbeschädigung darstellen, und schlägt den Terminus „schadensdarstellende Vermögensgefährdung“ statt „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ vor475. Nach Riemann mache die Kennzeichnung „schadensgleich“ den Eindruck, dass Gefährdung und Schaden einander gegenüberstehen, wohingegen die „schadensdarstellende Vermögensgefährdung“ klarstelle, dass die Vermögensgefährdung bereits einen Schaden darstelle476. In ähnlicher Weise schlagen viele Autoren in letzter Zeit den Terminus „schadensbegründende“ Vermögensgefährdung vor477. Hefendehl spricht außerdem von der „schädigenden Vermögensgefährdung“478. Mittlerweile hat sich jedoch der von Tiedemann vorgeschlagene Terminus „Gefährdungsschaden“ statt der schadensgleichen Vermögensgefährdung durchgesetzt479. wird auch im Hinblick auf die Besonderheiten des Untreuetatbestandes geprüft (vgl. unten B. V. 1. c) aa) (2). 474 BGHSt 34, 394, 395 f.; BGH, wistra 1991, 307, 308; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 168; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 152; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 232; Matt, NJW 2005, 389, 390; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174; ders., NStZ 2009, 297, 299, Fn. 18; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; Fischer, § 263 StGB Rn. 156; ders., StV 2010, 95, 100; Cramer, Vermögensbegriff, S. 125; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 131; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 38; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 25; Baumanns, JR 2005, 227, 228. 475 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 7; zust. Weimann, Schwarze Kassen, S. 122, Fn. 485; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174; ders., NStZ 2009, 297, 299, Fn. 18; ders., Jura 2009, 518, 524. 476 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 7. 477 Küper, BT, S. 384; Mosenheuer, NStZ 2004, 179 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 174; ders., Jura 2009, 518, 524; Waszcynski, JA 2010, 251, 254, Fn. 38. 478 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 129 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 566; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 233; ders., in: FS-Samson, S. 299. 479 Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 168; vgl. Schünemann, NStZ 2008, 430, 430; Werner, Gefährdungsschaden, S. 4 Fn. 16, 129; Fischer, StraFo 2008, 269, 271;
144
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Es ist m. E. vorzugswürdig, von einer „schadensdarstellenden“ oder „schadensbegründenden Vermögensgefährdung“ oder – noch besser – von einem „Gefährdungsschaden“, und nicht von einer „schadensgleichen“ Vermögensgefährdung zu sprechen. Diese Bezeichnungen zeigen deutlich auf, dass eine Wertminderung des Vermögens bereits im Zeitpunkt der Gefährdung eingetreten ist. Die „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ stellt hingegen nicht klar, dass die Vermögensgefährdung schon einen „wirk lichen“ Schaden darstellt bzw. begründet, sondern macht den Eindruck, sie werde nur mit einem Vermögensschaden gleichgestellt, was ohne Zweifel zu einem Verstoß gegen das Analogieverbot nach Art. 103 II StGB führen könnte480. Bedenken werden ferner in der Literatur nicht nur gegen den Terminus der „schadensgleichen“ Vermögensgefährdung sondern auch gegen die Annahme der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden erhoben. Nach wohl zutreffender Ansicht ist es besonders problematisch, einen Gefährdungsschaden uneingeschränkt als Vermögensschaden einzustufen, weil aufgrund der rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise des Vermögens zunächst jede vermögensmindernde Gefährdung (unabhängig vom Grad der Gefahr) als Vermögensschaden anzusehen sei, was eine Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit bedeuten könne481. Dadurch könnten auch abstrakte Gefährdungen als Vermögensschaden eingestuft werden. Dies würde für den Betrug und die Untreue ihre Umdeutung von Verletzungsdelikten in Gefährdungsdelikte bedeuten482 und verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG aufwerfen. Aufgrund eines Verstoßes gegen Art. 103 ders., StV 2010, 95, 97 f.; Becker, HRRS 2009, 334, 334. Zur Verwendung der neuen Terminologie s. auch Fischer, § 263 StGB Rn. 90, 157 f.; ders., StraFo 2008, 269, 269; Nack, StraFo 2008, 277, 277; Perron, in: FS-Tiedemann, S. 737 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 186; Werner, Gefährdungsschaden (bereits im Titel); Rotsch, ZStW 117 (2005), 577, 585; Satzger, Jura 2009, 518, 524; Waszcynski, JA 2010, 251, 254, Fn. 38; so auch aus der Rechtsprechung BGHSt 48, 354, 359. 480 Vgl. Fischer, § 263 StGB Rn. 157 f.; Satzger, Jura 2009, 518, 524. 481 Schröder, JZ 1965, 513, 516; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 175; ders., Jura 2009, 518, 524; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; ders., HRRS 2006, 10, 12; vgl. auch Fischer, § 266 StGB Rn. 159; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; ders., in: FS-Tiedemann, S. 738; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 183; Haft, NJW 1996, 238, 238; Jahn, JuS 2009, 173, 174; Cramer, Vermögensbegriff, S. 125 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 163 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 60; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 25. 482 Vgl. BGHSt 51, 100, 121; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50, 67; ders., ZStW 112 (2000), 563, 580 f.; ders., HRRS 2006, 10, 12; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 232; Günther, in: FS-Weber, S. 313, 317; Cramer, Vermögensbegriff, S. 125; ähnl. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 533; ders., Vermögensgefährdung, S. 131 ff.; ders., in: Strafrechtssystem
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 145
Abs. 2 GG lehnen einige Autoren die Vermögensgefährdung als Vermögensschaden im Ganzen ab483. Der überwiegende Teil der Lehre verlangt aber nur eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Gefährdungsschadens aufgrund normativer Kriterien484. (2) D er Gefährdungsschaden gem. § 266 StGB im Hinblick auf die Besonderheiten der Untreue Die oben erklärten Risiken sind beim Untreuetatbestand im Vergleich zum Betrugstatbestand besonders erhöht. Zahlreiche Autoren behaupten in letzter Zeit, dass die Untreue wegen ihrer strukturellen Besonderheiten und kriminalpolitischen Bedürfnisse im Hinblick auf die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens anders als der Betrug behandelt werden müsse, und gehen von einer eigenständigen Bestimmung des Gefährdungsschadens aus485. Dadurch versuchen sie, die Fehler der völligen Gleichsetzung des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB und des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 StGB zu korrigieren486. Insbesondere Mansdörfer kennzeichnet die Gleichsetzung von Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB und Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB im Hinblick auf die Vermögensgefährdung treffsicher als eine „zu starke Vereinfachung“487. (a) Die Unbestimmtheit des objektiven Tatbestandes Der Gefährdungsschaden ist wegen der strukturellen Unterschiede der Untreue zum Betrug auf der objektiven Ebene unterschiedlich zu behandeln. Wegen Betrugs wird bestraft, wer durch Täuschung einen Irrtum erregt oder unterhält und dadurch eine Vermögensverfügung und nachfolgend einen Vermögensschaden herbeiführt. Die im Gegensatz zu den klaren Konturen des objektiven Tatbestandes des Betrugs gem. § 263 StGB stehende Unbestimmtheit sowie die Weite und Komplexität des Untreuetatbestandes gem. § 266 StGB, insbesondere des Treubruchstatbestandes gem. § 266 I 2. Alt. StGB, wird von Teilen der Strafrechtslehre besonders hervorgehound Betrug, S. 187; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 69; Werner, Gefährdungsschaden, S. 23; Bosch, wistra 2001, 257, 259; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262. 483 Vgl. B. V. 1. c) cc) (1). 484 Vgl. B. V. 1. c) cc) (2) bis (6). 485 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 234 ff.; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 611 f.; Perron, in: FS-Tiedemann, S. 739 ff.; ders., NStZ 2008, 517, 518; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115, 118; vgl. auch Dierlamm, NStZ 1997, 534, 535. 486 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115. 487 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115.
146
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
ben488. Es wird daher behauptet, dass der Treubruchstatbestand aufgrund des Merkmals der Vermögensbetreuungspflicht einer restriktiven Auslegung bedürfe, so dass seine Verfassungsmäßigkeit unbedenklich sei489. Hinzu kommt noch die Gefahr, dass jede vermögensrelevante zivilrechtliche Pflichtverletzung zu einer Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB führen kann490. Daraus folgt, dass der Anwendungsbereich des objektiven Tatbestandes des § 266 StGB erheblich weiter ist als der Anwendungsbereich des § 263 StGB, so dass eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Gefährdungsschadens bei der Untreue dringender notwendig ist als beim Betrug491. (b) Das Fehlen einer Bereicherungsabsicht Die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens ist bei der Untreue noch aus einem anderen Grund anders zu behandeln als beim Betrug. Strukturelle Unterschiede zwischen Betrug und Untreue ergeben sich auch im subjektiven Bereich. Im Gegensatz zu § 263 StGB, der eine Bereicherungsabsicht bedingt, reicht für die Verwirklichung der Untreue gem. § 266 StGB Eventualvorsatz aus492. Das Fehlen einer Absicht beim Untreuetatbestand, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, oder zumindest einer Schädigungsabsicht bzw. eines Schädigungsvorsatzes erweitert 488 Vgl. BGHSt 51, 100, 121; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Dierlamm, NStZ 1997, 534, 535; Hamm, NJW 2005, 1993, 1993; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 640 ff.; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 892; Saliger, ZStW 110 (2000), 563, 611; ders., HRRS 2006, 10, 16; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 4, 67; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 39 f., 48; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Weber, in: FS-Dreher, S. 560. Zur Unbestimmtheit des objektiven Tatbestandes des § 266 StGB vgl. auch B. I. 489 Vgl. B. I. 490 Vgl. B. IV. 1. a). 491 Vgl. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 67; ders., HRRS 2006, 10, 16; Ransiek, ZStW 116 (2004), 534, 640 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 159; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 25, 183; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 39 f., 48; Weber, in: FS-Dreher, S. 560; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115; a. A. Schünemann, NStZ 2005, 473, 474; Werner, Gefährdungsschaden, S. 178 ff. 492 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 105; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 225; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; ders., GA 2009, 219, 228; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 67; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 30; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 17, 40; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748. Mehr zum subjektiven Tatbestand des § 266 StGB s. B. VI. 1.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 147
den subjektiven Untreuetatbestand und erhöht die Möglichkeit der Untreuestrafbarkeit. Insbesondere im Hinblick auf die unterschiedliche Auseinandersetzung mit der Vermögensgefährdung bei Betrug und Untreue ist das Fehlen einer Bereicherungsabsicht bzw. einer Schädigungsabsicht bzw. eines Schädigungsvorsatzes beim subjektiven Untreuetatbestand von grundlegender Bedeutung, denn ein solches Erfordernis könnte im subjektiven Bereich des Untreuedelikts als Korrektiv für die Unbestimmtheit und Weite der objektiven Tatseite dienen493. (c) Die Straflosigkeit des Untreueversuchs Der Untreueversuch ist straflos494. Der deutsche Strafgesetzgeber hat sich im Jahr 1998 erneut entschieden, den Untreueversuch nicht unter Strafe zu stellen495. Nur Binding hatte sich in der Vergangenheit (Anfang des 20. Jahrhunderts) dazu geäußert, dass der Untreueversuch „leider straflos“ ist496. Und in neuester Zeit wird die Pönalisierung des Untreueversuchs vereinzelt von Günther497 und Vrzal498 vertreten. Beide Autoren legen die problematischen 493 Vgl. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 225; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195; Fischer, § 266 StGB Rn. 159; ders., StraFo 2008, 269, 272; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 183; Perron, in: FS-Tiedemann, S. 739 f.; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 40. 494 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3213 f., Rn. 100; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 12; ders., NStZ 1997, 534, 535; Günther, in: FS-Weber, S. 312; Hamm, NJW 2005, 1993, 1994; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; Matt, NJW 2005, 389, 390; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 217 ff.; Perron, GA 2009, 219, 228; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 731; ders., ZStW 122 (2010), 299, 305 f.; Saliger, ZStW 2000 (110), 563, 565; ders., HRRS 2006, 10, 12; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 22, 32; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 40, 48; Weimann, Schwarze Kassen, S. 126. 495 Die Vorschläge der Einführung der Strafbarkeit der versuchten Untreue in das 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) im Jahre 1997 konnten sich nicht durchsetzen (s. BT-Drs. 164 / 97, S. 63 ff.; BT-Drs. 13 / 9064, S. 20). 496 Binding, BT I, S. 396. 497 Günther, in: FS-Weber, S. 317. 498 Vrzals Ansatz kombiniert die Einführung der Strafbarkeit des Untreueversuchs mit einem strengeren Schadensbegriff, der nur effektive Beschädigungen (und nicht auch Vermögensgefährdungen) umfasst. Dadurch versucht er, alle konkreten Vermögensgefährdungen in den Versuchsbereich der Untreue zu verlagern, um die von der Rechtsprechung vorgenommene Einbeziehung auch abstrakter Vermögensgefährdun-
148
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Auswirkungen der Straflosigkeit des Untreueversuchs auf die Figur der Vermögensgefährdung sowie das Gebot einer Gleichstellung des Vermögensschadens im Sinne des § 263 StGB und des Vermögensnachteils im Sinne des § 266 StGB zugrunde und nehmen an, dass die Einführung der Versuchsstrafbarkeit der Untreue den Schadensbegriff zu „strapazieren“499 vermeide und zu gerechtfertigten Ergebnissen führe, indem die problematischen Fälle der Vermögensgefährdung in den Versuchsbereich der Untreue verlagert würden500. Diesen Autoren ist entgegenzuhalten, dass sie „den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben“501 versuchen. Außerdem bedeutet die Gleichbestimmung des Vermögens bei §§ 263 und 266 StGB nicht zwingend, dass Betrug und Untreue durch die Pönalisierung des Untreueversuchs völlig gleichgesetzt werden müssen. Der überwiegende Teil der Lehre hat die Straflosigkeit des Untreueversuchs begrüßt. Erwähnenswert ist diesbezüglich der Beitrag von Matt und Saliger, die erklären, aus welchen Gründen der Untreueversuch straflos ist und bleiben soll502. Dazu zählen die geringe „Greifbarkeit“ der Untreuehandlung, die Unterbestimmtheit der subjektiven Tatseite der Untreue, das Fehlen kriminalpolitischer Bedürfnisse sowie die Tatsache, dass durch die Pönalisierung des Untreueversuchs das Problem der Vermögensgefährdung nicht entschärft würde503. Wie bereits erklärt wurde, stellt der Versuch die Grenze zwischen straflosem Handeln (bloßer Versuch) und strafbarem Verhalten (vollendetes Delikt) fest504. Aus der Straflosigkeit des Untreueversuchs lässt sich ableiten, dass die Gefahr, dass ein bloßer Versuch als vollendetes Delikt bei der Untreue angesehen wird, erheblich höher ist als beim Betrug505. Saliger beschreibt treffsicher die Kriminalisierung aller Konstellationen, „die wertungsmäßig gen in den Vermögensschaden zu vermeiden (Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 56 ff., 164 ff.); krit. hierzu Werner, Gefährdungsschaden, S. 149 ff. 499 Günther, in: FS-Weber, S. 317. 500 Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 56, 104. 501 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 228; Saliger, HRRS 2006, 10, 12, Fn. 24. 502 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 217 ff. 503 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 221 ff. 504 Vgl. B. I. 505 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67, 108; ders., ZStW 112 (2000), 565 ff., 574 ff., 609; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 186, 195; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 183; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 571; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 775a; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 219, 231, 234 ff.; Haft, NJW 1996, 238, 238; Bosch, wistra 2001, 257, 257; Mosenheuer, NStZ 2004, 179, 181; Matt, NJW 2005, 389, 390; Fischer, § 266 StGB Rn. 159; ders., StraFo 2008, 269, 272; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Weimann, Schwarze Kassen, S. 126; Werner, Gefährdungsschaden, S. 3, 22 f., 180.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 149
der typischen Situation des Versuchs entsprechen oder sogar ins Vorbereitungsstadium gehören“ als „gesetzeswidrige Versuchspönalisierung“506. In dieser Hinsicht widerspreche eine extensive Auslegung des Begriffs des Vermögensnachteils im Hinblick auf den Gefährdungsschaden dem Willen des Gesetzgebers und wäre als eine Auslegung „contra legem“ zu beurteilen507. Um die Figur des Gefährdungsschadens innerhalb der Wortlautgrenze des Art. 103 II GG zu halten508 und den Willen des Gesetzgebers nicht zu verletzen, muss man bei der Untreue die Annahme eines Gefährdungsschadens als Vermögensnachteil besonders sorgfältig im Vergleich zum Betrug prüfen und strengere Anforderungen an den Gefährdungsschaden stellen509. bb) Die konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung in der Rechtsprechung Das Bedürfnis, die strafbewehrten von den nicht strafbewehrten Vermögensgefährdungen abzugrenzen, wurde sehr früh in der Rechtsprechung anerkannt. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Vermögensgefährdung nur dann einem Vermögensschaden gleichgestellt werden, wenn sie konkret ist. Das weitere Bedürfnis, wegen der strukturellen Besonderheiten des Untreuetatbestandes und der Straflosigkeit der versuchten Untreue bei der Anwendung des § 266 StGB strengere Anforderungen an die Annahme des Gefährdungsschadens als Vermögensnachteil zu stellen, hat das Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit ausdrücklich anerkannt. Nicht unerwähnt muss bleiben, dass seit einiger Zeit die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens zwischen den Senaten des Bundesgerichtshofs kontrovers diskutiert wird. 506 Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 565 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 12; vgl. auch Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 186, 195; ders., NStZ 1997, 534, 535 („Versuchsstrafbarkeit durch die Hintertür“). 507 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 220, 234. 508 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 571; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 187; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 232. 509 Vgl. auch dazu Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 186, 195; ders., NStZ 1997, 534, 535; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 67, 108; ders., ZStW 112 (2000), 563, 565 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 12; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 39; ders., in: FS-Tiedemann, S. 740; ders., GA 2009, 219, 228; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 32; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 146; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 217 ff.; Hamm, NJW 2005, 1993, 1994; Fischer, StraFo 2008, 269, 272; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115; Satzger, Jura 2009, 518, 524; Jahn, JuS 2009, 859, 860; Weimann, Schwarze Kassen, S. 126; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 40, 48; Volk, Bewirtschaftung öffentlicher Mittel, S. 23.
150
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
(1) Das Erfordernis der „Konkretheit“ Nach ständiger Rechtsprechung ist eine „schadensgleiche Vermögensgefährdung“ i. S. d. §§ 263, 266 StGB anzunehmen, wenn die Handlung des Täters das fremde Vermögen konkret gefährdet. Eine bloß abstrakte Vermögensgefährdung muss daher als Vermögensschaden ausscheiden510, womit auch der Charakter der Vermögensdelikte als Verletzungsdelikte sichergestellt wird. Fraglich bleibt noch, wann eine Vermögensgefährdung konkret ist. Nach der Rechtsprechung ist eine Vermögensgefährdung konkret und kann einen Vermögensschaden begründen, wenn bereits die Gefahr des Eintritts eines endgültigen Vermögensschadens nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine Verschlechterung der gegenwärtigen Vermögenslage bedeutet511. Die Rechtsprechung präzisiert die Konkretheit der schadensgleichen Vermögensgefährdung in mehrerer Hinsicht. Sie nimmt eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung an, wenn nach den Umständen des Einzelfalls in zeitlicher Hinsicht „mit wirtschaftlichen Nachteilen ernstlich zu rechnen ist“512, wenn „der Vermögensverlust nahe liegt“513, wenn „mit dem alsbaldigen Eintritt eines entsprechenden endgültigen Schadens zu rechnen ist“514 oder wenn die Gefahr des endgültigen Verlusts eines Vermögensbestandteils so groß ist, dass sie schon jetzt eine objektive Minderung des Gesamtvermögens zur Folge hat515. Die Konkretheit als Einschränkungskriterium wird von Teilen des Schrifttums zu Recht als unklares und unzureichendes Instrument abgelehnt. Hefendehl lehnt das Erfordernis der konkreten Gefahr mit dem Argument ab, dass damit nichts gewonnen ist, „da eine abstrakte Gefahr im Sinne der abstrakten Gefährdungsdelikte für das Verletzungsdelikt des Betruges ausscheidet und die konkrete Gefahr auch konkreter als bei den konkreten 510 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 66; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 538; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 187; Lenckner, JZ 1971, 320, 321. 511 RGSt 9, 168, 170; RGSt 16, 1, 11; RGSt 16, 77, 81; RGSt 49, 21, 25; RGSt 59, 104, 106; RGSt 73, 61, 63; BGHSt 6, 115, 117; BGHSt 15, 24, 27; BGHSt 15, 83, 86 ff.; BGHSt 21, 112, 113; BGHSt 34, 394, 395; BGHSt 44, 376, 385; BGHSt 45, 1 ff.; BGHSt 51, 100, 113 ff.; BGH, NJW 2008, 1827, 1829; krit. Naucke, StV 1985, 187, 187; Otto, JZ 1993, 652, 657 f.; ders., Jura 1991, 494, 495; vgl. auch Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 571. Zur Kritik an der Reichsgerichtsrechtsprechung s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 535 ff. 512 BGH, wistra 1988, 26; BGHSt 21, 112, 113; BGHSt 34, 394, 395; BGHSt 48, 354, 358. 513 BGHSt 34, 394, 395; BGH, NJW 2008, 1827, 1829; BGHSt 48, 354, 356. 514 BGHSt 21, 112 f.; BGHSt 40, 287, 296. 515 BGHSt 48, 331, 346; BGHSt 51, 165, 174; BGHSt 52, 182, 189.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 151
Gefährdungsdelikten sein muss und damit einer nicht erfolgten Definition bedürfte“516. Auch andere Autoren kritisieren die Konkretheit der Gefahr als uneinheitliches und unklares Kriterium, denn sie erklärt nicht, ab welchem Gefährdungsgrad eine bloß konkrete Gefährdung als konkret i. S. d. § 263, 266 StGB betrachtet werden muss517. Die Kritik des Schrifttums gegen die in der Rechtsprechung entwickelte Konkretheit der Gefahr als Einschränkungskriterium ist überzeugend. Danach scheiden nur abstrakte Vermögensgefährdungen als Vermögensschaden i. S. d. § 263, 266 StGB aus. Ab welchem Grad eine Vermögensgefährdung einen Vermögensschaden i. S. d. § 263, 266 StGB darstellt, wird in der Rechtsprechung uneinheitlich und unzureichend präzisiert. Das Risiko willkürlicher Entscheidungen zu Lasten des Angeklagten ist daher wegen der Unbestimmtheit des Kriteriums der Konkretheit besonders erhöht. Die Gefahr der Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit und der Umdeutung des Betrugs- und Untreuetatbestandes von Verletzungsdelikten in Gefährdungsdelikte liegt nahe. Trotzdem hat die Rechtsprechung die Vermögensgefährdung als Vermögensschaden sowohl beim Betrug als auch bei der Untreue mehrmals durch das Kriterium der Konkretheit genauer bestimmt und im Laufe der Jahre typische Fallgruppen der sog. konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung entwickelt. So werden der Eingehungsbetrug518, der Anstellungsbetrug519 und der Kreditbetrug520 als Unterfälle des Eingehungsbetrugs und 516 Hefendehl,
S. 55.
in: MüKo StGB, § 263 Rn. 538; ders., Vermögensgefährdung,
517 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153; Neye, Untreue, S. 75; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 24 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 70; Werner, Gefährdungsschaden, S. 26, 121 f., 209; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262. 518 Zum Eingehungsbetrug s. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 181 ff.; ders., Jura 2009, 518, 526 ff.; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 125 ff.; Fischer, § 263 StGB Rn. 175 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 483 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 173 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 196; Küper, BT, S. 385 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 53; Cramer, Vermögensbegriff, S. 170 ff.; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 75 ff.; Baumanns, JR 2005, 227 ff., 230 ff.; BGHSt 16, 220 ff.; BGHSt 23, 300 f.; BGHSt 45, 1 ff.; BGHSt 51, 165 ff.; BGH, NStZ 2008, 96 ff. 519 Zum Anstellungsbetrug s. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 190 ff.; ders., Jura 2009, 518, 527; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 153 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 512 ff.; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 223 ff.; Kindhäuser, LPK, § 263 StGB Rn. 197 f.; Fischer, § 263 StGB Rn. 152 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 52; BGHSt 45, 1, 4. 520 Zum Kreditbetrug s. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 199 ff.; Fischer, § 263 StGB Rn. 165; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 162 f.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 41; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 133 ff.; BGHSt 15, 24 ff.; BGHSt 33, 244 ff.
152
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
der gutgläubige Erwerb vom Nichtberechtigten521 sowie der Scheckbetrug522 als typische Fallgruppen der Vermögensgefährdung beim Betrug betrachtet. Typische Fallgruppen der Vermögensgefährdung bei der Untreue sind die allgemeinen Risikogeschäfte523 und die Eingehungsgeschäfte, wie z. B. die Kreditgewährungen (d. h. Kreditvergaben von Banken ohne ausreichende Sicherung, sog. Kredituntreue)524, die unordentliche Buchführung, wenn dadurch entweder wegen einer mangelnden Dokumentation von Zahlungen mit einer doppelten Inanspruchnahme zu rechnen ist oder die Durchsetzung berechtigter Ansprüche verhindert oder erheblich erschwert wird525, die falsche Behandlung von Mandantengeldern durch einen Rechtsanwalt526, die Submissionsuntreue527, die Vermögensgefährdung durch Vertragsabschluss 521 Zum gutgläubigen Erwerb s. Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 177; ders., Jura 2009, 518, 525 f.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 594 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 43. 522 Zum Scheckbetrug s. Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 577 ff.; Satzger, in: SSW, § 263 StGB Rn. 203 f.; Fischer, § 263 StGB Rn. 166; Tiedemann, in: LK, § 263 StGB Rn. 216 ff.; Lackner / Kühl, § 263 StGB Rn. 41; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 142 ff.; BGHSt 3, 69 ff. 523 Zu Risikogeschäften s. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 47 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 63 ff., 158; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 20; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 189, 200 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 339 ff.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1120 ff.; Bringewat, JZ 1977, 667 ff.; Hillenkamp, NStZ 1981, 161 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634 ff.; Gallandi, wistra 2001, 281 ff.; Hellmann, ZIS 2007, 433 ff.; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 118; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 160 f.; BGH, NJW 1975, 1234; BGH, NStZ 2001, 259, 259; BGH, NStZ 2008, 457 ff.; BGH, NStZ 2009, 330 f. 524 Zur Kredituntreue s. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 72, 97 ff.; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 20a; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 188, 206 ff.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 251 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 84 ff.; BGH, NStZ 1996, 543; BGHSt 46, 30 ff.; BGHSt 47, 148, 156 f.; BGH, wistra 2010, 21 ff. 525 Zur unordentlichen Buchführung s. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 73; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 188; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 146; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 179; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1130 ff.; Mosenheuer, NStZ 2004, 179 ff.; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 117; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 159; Werner, Gefährdungsschaden, S. 93 ff.; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 78 ff.; RG, HRR 1936 Nr. 1601; BGH, GA 1956, 121, 122; BGH, GA 1956, 154, 155; BGHSt 20, 304 f.; BGH, StV 1996, 431; BGHSt 47, 8, 11. 526 Zur falschen Behandlung von Mandantengeldern s. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 74; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 189; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 187; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 159 f.; BGH, wistra 1988, 191 f.; BGH, NStZ-RR 2004, 54 f. 527 Zur Submissionsuntreue s. BGH, wistra 2000, 61; Werner, Gefährdungsschaden, S. 101 ff.; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 67 ff.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 153
(sog. „Fall Diestel“)528, die Einzahlung der Mietkaution auf ein „allgemeines“ Konto529 und die Auslösung von Sanktionen nach dem Parteiengesetz oder nach § 30 OWiG infolge der Bildung schwarzer Kassen530. Seit jeher bildete die Bildung schwarzer Kassen eine erhebliche und umfangreiche Fallgruppe der Vermögensgefährdung531. In letzter Zeit hat aber der BGH entschieden, dass durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse bereits ein echter Schaden eingetreten ist532. (2) D ie jüngste Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 10.03.2009)533 Vor kurzem entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB und insbesondere über die Vereinbarkeit des Vermögensnachteils in Form der Vermögensgefährdung nach § 266 I StGB mit dem Bestimmtheitsgebot gem. Art. 103 Abs. 2 GG534. In seinem 528 Zum Fall „Diestel“ s. Werner, Gefährdungsschaden, S. 108 ff.; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 59 ff.; Saliger, ZStW 112 (2000), S. 574 ff. 529 Zur Problematik der Mietkaution s. Werner, Gefährdungsschaden, S. 118 ff. 530 Zur Auslösung von Sanktionen s. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 75; Fischer, § 266 StGB Rn. 743; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 214 ff. Zur Frage, ob die Gefahr des Verlustes staatlicher Zuwendungen und der Rückforderung von Förderungsbeiträgen nach dem Parteiengesetz einen Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB begründen kann, vgl. „Fall Kohl“ (LG Bonn, NStZ 2001, 375 ff.; Otto, ZRP 2000, 109, 110; Velten, NJW 2000, 2852 ff.; Wolf, KJ 2000, 531 ff.; Hamm, NJW 2001, 1694, 1696; Schwind, NStZ 2001, 349 ff.; Krüger, NJW 2002, 1178 ff.; Volhard, in: FS-Lüderssen, S. 673 ff.) und „Fall Kanther“ (BGHSt 51, 100, 116 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 391 f.; Ransiek, NJW 2007, 1727, 1727, 1729; Saliger, NStZ 2007, 545, 548 ff.; Bosch, JA 2008, 148, 150; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 168 ff.). Zur Frage der Gefahr der Auslösung von Geldbußen nach § 30 OWiG als Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB s. Taschke, in: FS-Lüderssen, S. 663 ff.; Jäger, in: FS-Otto, S. 593 ff.; Weber, in: FS-Seebode, S. 437 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 202 ff.; Burger, Untreue, 2006. 531 RG, HRR 1936 Nr. 1601; RGSt 71, 155; RGSt 75, 227; RG, HRR 1938 Nr. 1515; RG, HRR 1940 Nr. 1215; RG, DR 1943, 1039; BGH, GA 1956, 121; BGH, GA 1956, 154; BGH, NStZ 1984, 549; BGH, NStZ 1986, 455; BGH, wistra 1992, 266; BGHSt 40, 287; BGH, wistra 2000, 136; LG Bonn, NStZ 2001, 375; BGHSt 51, 100. Ausf. hierzu vgl. B. V. 2. b) und B. V. 2. d). 532 BGH, NJW 2009, 89 ff.; BGH, StV 2011, 20 ff. Ausf. hierzu vgl. B. V. 3. 533 BVerfG Beschl. v. 10.03.2009, NJW 2009, 2370 ff. = wistra 2009, 385 ff. = NStZ 2009, 560 ff. = JR 2009, 290 ff. mit Anm. Schäffer, JR 289 f.; Jahn, JuS 2009, 859 ff.; Fischer, StV 2010, 95 ff.; vgl. auch Wasczynski, JA 2010, 251, 255. 534 Über die Verfassungsmäßigkeit der Annahme einer Vermögensgefährdung als Vermögensschaden beim Betrug (und insbes. beim Anstellungsbetrug) hat das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (BVerfG Beschl. v. 20.05.1998, NJW 1998, 2589 f.).
154
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Beschluss stellte die 2. Kammer des Zweiten Senats des BVerfG fest, dass die Rechtsprechung das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils in der Form des Gefährdungsschadens im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG restriktiv auslegen muss, um den sehr weiten Untreuetatbestand weiter einzuschränken535. Dies ergibt sich aus der Ausgestaltung der Untreue als Verletzungsdelikt, dem Fehlen einer Bereicherungsabsicht auf subjektiver Ebene und der Straflosigkeit des Untreueversuchs. Im zugrunde liegenden Fall handelte es sich um die Auszahlung eines entgegen der Auflage des Treuhandvertrags noch ungesicherten Darlehens durch einen Notar536. Das BVerfG bestätigte anlässlich der Verfassungsbeschwerde des Verurteilten gegen die Verurteilung wegen Untreue, dass die Auszahlung des noch ungesicherten Darlehens zu einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung im Sinne des § 266 StGB führte, weil der Marktwert einer ungesicherten (Darlehens-)Forderung deutlich niedriger liegt, als der einer gesicherten537. Die 2. Kammer hat die Verfassungsmäßigkeit des § 266 StGB, insbesondere im Hinblick auf den Gefährdungsschaden, mit der folgenden Begründung erläutert: Die Begründung beginnt mit der Feststellung, dass § 266 I StGB jedenfalls nicht ohne Weiteres gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG verstößt, soweit darin das Tatbestandsmerkmal des Zufügens eines Vermögensnachteils verwendet wird538. Das objektive Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils ist „noch hinreichend bestimmt“ und die Rechtsprechung erhält ausreichende Vorgaben für dessen Auslegung, um den sehr weiten Untreuetatbestand weiter einzugrenzen539. Bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals des Vermögensnachteils hatten bereits das Reichsgericht und anschließend auch der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass unter Zugrundelegung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch eine schadensgleiche Vermögensgefährdung als Vermögensnachteil im Sinne der § 263, 266 StGB zu qualifizieren ist, soweit sie konkret ist. Nach der Ansicht des BVerfG bleibt die Rechtsprechung hinsichtlich der Annahme einer konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung als Vermögensnachteil innerhalb der Grenze des Art. 103 Abs. 2 GG: „Art. 103 Abs. 2 GG steht einer zu weiten Auslegung des Nachteilsbegriffs in § 266 I StGB entgegen. Die Abgrenzungen, welche die Rechtsprechung zur Bestimmung der schadensgleichen Vermögensgefährdung 535 BVerfG,
NJW 2009, 2370, 2371, Rn. 22. zum Sachverhalt s. BVerfG, NJW 2009, 2370, 2370. 537 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2371 f., Rn. 37. 538 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2370, Rn. 20. 539 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2371, Rn. 22. 536 Ausf.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 155
entwickelt hat, halten die Auslegung jedoch grundsätzlich noch im zulässigen Rahmen“540. Aber das BVerfG führt weiter aus, dass die Voraussetzungen für die Annahme einer konkreten Vermögensgefährdung als Vermögensschaden beim Untreuetatbestand „stets strikt zu beachten“ sind, „um einer weiteren Aufweichung der Konturen des Nachteilsbegriffs entgegenzuwirken“541. Wegen der gesetzlichen Ausgestaltung der Untreue als Verletzungsdelikt (und nicht als Gefährdungsdelikt) und der Straflosigkeit des Untreueversuchs sollen die Fachgerichte bei der Annahme der schadensgleichen Vermögensgefährdung bei der Anwendung des § 266 StGB besonders vorsichtig sein, denn „eine zu weite Einbeziehung von Gefährdungslagen als Vermögensnachteil könnte zu einer Vorverlagerung der Strafbarkeit in den Versuchsbereich führen, die der Gesetzgeber gerade nicht vorgesehen hat“542. Weil die Verwirklichung des Untreuetatbestandes (anders als beim Betrug) keine Bereicherungsabsicht verlangt, bewegt sich außerdem die Auslegung „gerade bei der Anwendung des Nachteilsbegriffs auf Vermögensgefährdungen … an den äußersten noch zulässigen Grenzen“543. Nach der Ansicht der 2. Kammer hat die Rechtsprechung hinreichende Kriterien zur Abgrenzung zwischen bloß abstrakter Vermögenslage und konkreter schadensgleicher Vermögensgefährdung entwickelt544. Dazu zählen die zeitliche Bindung der Vermögensgefährdung an den endgültigen Schaden („es muss mit dem alsbaldigen Eintritt eines entsprechenden endgültigen Schadens zu rechnen“ sein)545, die Vermeidemacht des potenziell Geschädigten546 und das Vorliegen von Tatsachen, die die Vermögensgefährdung begründen547. Schließlich ist auch eine besonders sorgfältige Feststellung des Vorsatzes erforderlich, vor allem „wenn lediglich bedingter Vorsatz in Betracht kommt oder der Täter nicht eigennützig gehandelt hat“548. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit seinem Beschluss einerseits die Verfassungsmäßigkeit des § 266 I StGB im Hinblick auf das Tatbe540 BVerfG,
NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 33. NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 33. 542 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 34. 543 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 34. 544 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 35. 545 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 35 m. w. H. auf die Rechtsprechung; vgl. dazu Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 199. 546 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 35. 547 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 35; vgl. dazu Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 196. 548 BVerfG, NJW 2009, 2370, 2372, Rn. 36 m. w. H. auf die Rechtsprechung. 541 BVerfG,
156
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
standsmerkmal des Vermögensnachteils und insbesondere in der Form der Vermögensgefährdung und stimmte der Konkretheit der Gefahr als hinreichendes Einschränkungskriterium zu. Von einem Teil des Schrifttums wird aber der Beschluss genau dafür kritisiert, dass er zu diesem Ergebnis gekommen ist, weil er „Bestimmtheit mit bloßer Bestimmbarkeit gleichsetzt“ und dadurch „ein in der Theorie streng formuliertes Bestimmtheitsgebot in der Praxis stark relativiert“ und „unübersehbare Extensionstendenzen“ der BGH-Rechtsprechung zur Untreue übersieht549. Auf der anderen Seite bemühte sich das BVerfG, die Annahme des Gefährdungsschadens als Vermögensnachteil bei der Untreue innerhalb der gem. Art. 103 Abs. 2 GG zulässigen Wortlautgrenze festzuhalten und strengere Anforderungen an ihn zu stellen. Seine Bemühungen müssen als „Warnung im Sinne eines ‚bis hierher und nicht weiter‘“ für die Fachgerichte verstanden werden550. Diesbezüglich äußerte das Bundesverfassungsgericht eine „Sensibilisierung“551. Seine Feststellungen, dass die Annahme der konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung sich „in [den] äußersten noch zulässigen Grenzen“ bewegt und die Fachgerichte bei ihrer Annahme beim Untreuetatbestand (wegen der Ausgestaltung der Untreue als Verletzungsdelikt, der Straflosigkeit des Untreueversuchs und des Fehlens einer Bereicherungsabsicht auf subjektiver Tatseite) besonders vorsichtig sein müssen, sind als „Warnschuss“ zu betrachten552. Fischer hat schließlich Kritik am Bundesverfassungsgericht mit dem Argument geübt, dass es in seinem Beschluss nur die Frage beantwortet hat, „ob“ – nicht aber „wann“ – eine Vermögensgefährdung einen Vermögensschaden begründet553. Die „Präzisierungs“-Kriterien des BVerfG, aufgrund welcher eine konkrete schadensgleiche Vermögensgefährdung von einer abstrakten Vermögensgefährdung bzw. von der Gefahr bei konkreten Gefährdungsdelikten abzugrenzen ist, sind nach Fischer besonders zweifelhaft554.
549 Jahn,
JuS 2009 859, 860. JuS 2009, 859, 861; zust. Wasczynski, JA 2010, 251, 255; so die Auffassungen des BVerfG „noch ausreichende Vorgaben“, „noch im zulässigen Rahmen“, „äußerste noch zulässige Grenzen“ (BVerfG, NJW 2009, 2370, 2371 f., Rn. 26, 33, 35). 551 Wasczynski, JA 2010, 251, 255. 552 Wasczynski, JA 2010, 251, 255. 553 Fischer, StV 2010, 95, 98, 99, 100. 554 Fischer, StV 2010, 95, 98. 550 Jahn,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 157
(3) D ie neueste Kontroverse zwischen den BGH-Senaten zum Gefährdungsschaden In neuester Zeit findet zwischen den BGH-Senaten eine Kontroverse zum Gefährdungsschaden statt, die sich darauf bezieht, ob der Gefährdungsschaden auf subjektiver Ebene eingeschränkt werden muss oder ob Fälle, die bis heute als typische Fälle des Gefährdungsschadens qualifiziert wurden, als Fälle bereits effektiven Vermögensschadens zu behandeln sind. Aus Anlass der Entscheidung des zweiten Strafsenats des BGH vom 18.10.2006 im Fall Kanther und der dort vertretenen sog. „subjektiven Lösung“, nach welcher der Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung aufgrund strengerer Anforderungen an die subjektive Tatseite des § 266 StGB eingeschränkt werden muss, begann die Kontroverse zwischen den Senaten des BGH555. Obwohl der 2. Senat des BGH die Annahmen im Kanther-Urteil in einem weiteren Beschluss wiederholt hat und der 5. Senat sich dieser Rechtsprechung des 2. Senats mit zwei Beschlüssen angeschlossen hat, stand der 1. Senat mit zwei neuen Beschlüssen dem 2. Senat entgegen. Ein Beitrag des stellvertretenden Vorsitzenden des 2. Senats (Fischer) und ein zweiter Beitrag des Vorsitzenden des 1. Senats (Nack) stellen diese Kontroverse ziemlich klar. Es muss weiterhin die neueste Tendenz des Ersten und anschließend auch des Zweiten Senats des BGH betont werden, typische Fälle der Vermögensgefährdung bereits als Endschaden einzuordnen. Saliger spricht von einer Normativierung des Schadensbegriffs, der alle Erscheinungsformen umfasst, die von einer wirtschaftlich-faktischen Bestimmung des Schadens abstrahieren. Die Normativierung des Schadensbegriffs führt zum Bedeutungsverlust der Rechtsfigur des Gefährdungsschadens556.
555 Zur Streit zwischen den BGH-Senaten s. Saliger, in: FS-Samson, S. 455 ff.; Satzger, Jura 2009, 518, 524 f.; ders., in: SSW, § 263 Rn. 175; Fischer, § 266 StGB Rn. 159 ff.; ders., StraFo 2008, 269 ff.; ders., StV 2010, 95, 99 ff.; Nack, StraFo 2008, 277 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 430 ff.; ders., StraFo 2010, 1, 4; ders., StraFo 2010, 477 ff.; Hefendehl, in: FS-Samson, S. 304 ff.; Otto, in: FS-Puppe, S. 1260 ff.; Leitner, StraFo 2010, 323, 326 ff.; Rönnau, in: FS-Rissing-van Saan, S. 517 ff. 556 Saliger, in: FS-Samson, S. 456, 480 ff.; auch Schünemann, StraFo 2010, 477 ff.; mehr dazu vgl. B. V. 3 a).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
(a) Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 18.10.2006 In seiner Entscheidung vom 18.10.2006557 bejahte der 2. Senat des BGH den Gefährdungsschaden durch die Bildung der schwarzen Kassen558, behandelte jedoch den Gefährdungsschaden bei der Einreichung falscher Rechenschaftsberichte auf eine andere Weise. Im Fall der Einreichung falscher Rechenschaftsberichte ging der Zweite Senat von einer subjektiven Lösung (bzw. von einer „subjektiven Theorie“559 oder einer „Vorsatzlösung“560) aus und stellte im Hinblick auf die Vermögensgefährdung strengere Anforderungen an die subjektive Tatseite: Insbesondere erkannte der BGH das Bedürfnis an, die Ausweitung des ohnehin schon äußerst weiten Tatbestands der Untreue in Richtung auf ein bloßes Gefährdungsdelikt zu vermeiden561. Zu diesem Zweck entschied sich der 2. Senat für die Stellung strenger Anforderungen auf subjektiver Ebene. „Nur unter dieser Voraussetzung erscheint in enger als bisher begrenzten Fallgruppen die Annahme der Tatvollendung schon bei Eintritt einer konkreten Gefahr des Vermögensverlustes als rechtsstaatlich unbedenkliche Vorverlagerung der Strafbarkeit wegen Untreue“562. So war nach den Feststellungen des 2. Senats der Untreuetatbestand in Fällen der vorliegenden Art im subjektiven Tatbestand dahingehend zu begrenzen, „dass der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens nicht nur Kenntnis des Täters von der konkreten Möglichkeit eines Schadenseintritts und das Inkaufnehmen dieser konkreten Gefahr voraussetzt, sondern darüber hinaus eine ‚Billigung der Realisierung dieser Gefahr‘, sei es auch nur in der Form, dass der Täter sich mit dem Eintritt des ihn unerwünschten Erfolgs abfindet“563. Es muss hervorgehoben werden, dass der BGH zum ersten Mal den Durchbruch der Parallelität der §§ 263, 266 StGB unter Berücksichtigung 557 BGH Urt. v. 18.10.2006, BGHSt 51, 100 ff. = NStZ 2007, 583 ff. = NJW 2007, 1760 ff. = wistra 2007, 136 ff.; vgl. Ransiek, NJW 2007, 1727 ff.; Saliger, NStZ 2007, 545 ff.; Bosch, JA 2008, 148 ff.; Perron, NStZ 2008, 517 ff.; ders., in: FS-Tiedemann, S. 746 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 430 ff.; Bernsmann, GA 2007, 219, 229 ff.; Weber, in: FS-Eisenberg, S. 371 ff.; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 261 ff.; Kempf, in: FS-Hamm, S. 262 ff.; Hillenkamp, in: FS-Maiwald, S. 323 ff.; Otto, in: FS-Puppe, S. 1260 ff.; Keul, DB 2007, 728 ff.; vgl. auch Fischer, § 266 StGB Rn. 181 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 391 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 95 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 27 ff., 46 ff. 558 Zur Vermögensgefährdung durch die Bildung der schwarzen Kassen im Fall Kanther s. B. V. 2. d). 559 Schünemann, NStZ 2008, 430, 431, Fn. 3. 560 Leitner, StraFo 2010, 323, 326. 561 BGHSt 51, 100, 121. 562 BGHSt 51, 100, 121 f. 563 BGHSt 51, 100, 121.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 159
der Besonderheiten des § 266 StGB vornahm564. Dem Zweiten Senat ist daher zuzugeben, dass er die Auswirkung der Straflosigkeit des Untreueversuchs sowie der Uferlosigkeit des Untreuetatbestandes auf die Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB anerkannte und mithin die Vermögensgefährdung im Sinne des Untreuetatbestandes anders als im Sinne des Betrugstatbestandes behandelte. Dem Zweiten Senat muss weiterhin zugestanden werden, dass er versuchte, den Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB einzuschränken. Dieser Versuch nahm aber der 2. Senat im subjektiven Untreuetatbestand vor, wenn er das voluntative Element des bedingten Vorsatzes nicht nur hinsichtlich der Gefahr des Schadenseintritts sondern bezüglich auch des Schadenseintritts selbst betonte. Die „subjektive Lösung“ des 2. Senats des BGH wurde im Schrifttum in ihrer „restriktiven Stoßrichtung einhellig begrüßt“565, in ihrer dogmatischen Begründung jedoch zu Recht abgelehnt566. Die subjektive Lösung des 2. Senats bedeutet nach der herrschenden im Schrifttum vertretenen Ansicht die Inkongruenz des objektiven und subjektiven Untreuetatbestandes567, denn sie widerspricht dem Grundsatz des Strafrechts, dass sowohl das Wissens- als auch das Wollenselement des Vorsatzes sich auf sämtliche Merkmale des objektiven Tatbestandes beziehen muss. Die vom 2. Senat des BGH erforderte Billigung der Realisierung des Schadenseintritts verweist auf kein objektives Tatbestandsmerkmal des § 266 StGB und macht die Untreue zu einem Delikt „mit gesteigerter Innentendenz“568 bzw. „mit (schwach) überschießender Innentendenz und damit zu einem dogmatischen Unikum“569. In ähnlicher Weise bezeichnet Schünemann die subjektive Lösung des zweiten Strafsenats als einen „zwi564 Schünemann,
NStZ 2008, 430, 431; Werner, Gefährdungsschaden, S. 28. in: SSW, § 266 StGB Rn. 68; Rönnau, ZStW 122 (2010), 299, 307; ähnl. Schünemann, NStZ 2008, 430, 431. 566 Dazu Saliger, NStZ 2007, 545, 550 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 70; Ransiek, NJW 2007, 1727, 1729; Bernsmann, GA 2007, 219, 229 f.; Perron, NStZ 2008, 517, 518; ders., in: FS-Tiedemann, S. 746 ff.; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 264; Schlösser, NStZ 2008, 397, 398; a. A. Fischer, § 266 Rn. 181 ff.; ders., StraFo 2008, 269, 275 ff. 567 Ransiek, NJW 2007, 1727, 1729; Saliger, NStZ 2007, 545, 550; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 70; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 185; Bernsmann, GA 2007, 219, 230; Selle / Wietz, ZIS 2008, 471, 474; Hillenkamp, in: FS-Maiwald, S. 341. 568 Saliger, NStZ 2007, 545, 550; Ransiek, NJW 2007, 1727, 1729. 569 Bernsmann, GA 2007, 219, 230; zust. Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 732; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 185; Selle / Wietz, ZIS 2008, 471, 474; Hefendehl, in: FS-Samson, S. 304; auch Schünemann, NStZ 2008, 430, 431; s. auch Hillenkamp, in: FS-Maiwald, S. 323 ff. 565 Saliger,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
schen dem objektiven und dem subjektiven Tatbestand versuchten dogmatischen Spagat“570. Perron betont richtigerweise des Weiteren, dass der Versuch des Senats aus einem weiteren Grund auf dem falschen Weg ist: „Die tatrichterliche Feststellung der voluntativen Komponente des bedingten Vorsatzes ist bekanntermaßen mit so erheblichen Unsicherheiten belastet, dass sich über ihre dogmatische Inhaltsbestimmung nicht nur eine ausgedehnte wissenschaftliche Diskussion entspannt hat, sondern auch der Strafrechtspraktiker seine Entscheidung häufig nur mit schlechtem Gewissen trifft“571. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass der 2. Senat unrichtig versuchte, die Uferlosigkeit des objektiven Tatbestandes hinsichtlich der Vermögensgefährdung im subjektiven Tatbestand einzudämmen. In dieser Hinsicht lehnt der überwiegende Teil des Schrifttums eine subjektivierte Lösung wegen der Schaffung einer weiteren Dekontaminierung des Untreuetatbestandes ab und behauptet, dass eine Lösung auf objektiver Ebene aufzufinden sei572. So lehnt Saliger die Erforderlichkeit dieses „Schadensrealisierungsvorsatzes“573 ab, soweit eine Einschränkung bereits des objektiven Tatbestandes ausreicht. Auch Kempf findet die Wahl des 2. Senats, eine Lösung auf subjektiver (und nicht auf objektiver) Ebene zu finden, erstaunlich574. Nach Perron ist die subjektive Lösung des zweiten Senats wegen der Unschärfe der anderen Untreuemerkmale verfassungsrechtlich ungenügend und muss mithin abgelehnt werden, obwohl sie eine größere Bestimmtheit und stärkere Einschränkung im Vergleich zur bisherigen Praxis aufweist575. Er kommt dann zu dem Ergebnis, dass eine objektive Lösung zunächst begrüßenswert wäre, bezweifelt aber weiterhin, dass eine solche Lösung möglich sei576. Eine vom 2. Senat offen gelassene Frage lautet, ob die subjektive Lösung auf die Bildung schwarzer Kassen übertragbar ist. Der 2. Senat besagte in der Entscheidung vom 18.10.2006 nur, dass eine subjektive Einschränkung „in Fällen der vorliegenden Art“ erforderlich sei577. Was damit gemeint ist 570 Schünemann,
NStZ 2008, 430, 433. NStZ 2007, 517, 518. 572 Saliger, NStZ 2007, 545, 550 f.; Perron, NStZ 2008, 517, 518; ders., in: FSTiedemann, S. 748; Schünemann, NStZ 2008, 430, 433; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 263, 264; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 186; ähnl. Dierlamm, NStZ 1997, 534, 535. 573 Saliger, NStZ 2007, 545, 550. 574 Kempf, in: FS-Hamm, S. 265. 575 Perron, in: FS-Tiedemann, S. 746 ff., 748. 576 Perron, NStZ 2008, 517, 518; ders., in: FS-Tiedemann, S. 748. 577 BGHSt 51, 100, 121. Zur Anwendung der subjektiven Lösung auf Risikogeschäfte s. Keul, DB 2007, 728 ff.; Bernsmann, GA 2007, 219, 231; Saliger, NStZ 2007, 545, 550, 551. 571 Perron,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 161
und welche Fallkonstellationen unter die „Fälle der vorliegenden Art“ fallen, bleibt unklar. Diese Unklarheit sowie die dogmatische Begründung der subjektiven Lösung haben zu einem Streit zwischen den Senaten des BGH geführt. (b) Die weiteren Entscheidungen des 2. Senats Der 2. Senat hat die Frage, ob die subjektive Lösung des zweiten Strafsenats im Kanther-Urteil sich lediglich auf die Einreichung unrichtiger Rechenschaftsberichte bezieht oder ob bzw. auf welche Fälle der Vermögensgefährdung sie anwendbar ist, ein Jahr nach dem Kanther-Urteil selbst beantwortet. Mit einem neuen Beschluss vom 25.5.2007578 dehnte der 2. Senat die strengeren Anforderungen an das voluntative Element des bedingten Vorsatzes über die „Fälle der vorliegenden Art“ auf sämtliche Fälle der Vermögensgefährdung aus. Im zugrunde liegenden Fall hatte das LG Frankfurt a. M. einen Notar wegen Untreue verurteilt, der durch eine Fertigstellungsbürgschaft die Auszahlung einer Kreditsumme ohne entsprechende Absicherung veranlasste und eine Vermögensgefährdung bei der Bank herbeiführte. Der 2. Senat wiederholte die Auffassung, dass der bedingte Vorsatz des Gefährdungsschadens nicht nur die Kenntnis des Täters von der konkreten Möglichkeit eines Schadenseintritts und das Inkaufnehmen dieser konkreten Gefahr, sondern darüber hinaus eine Billigung der Realisierung dieser Gefahr voraussetzt, d. h. dass der Täter sich zusätzlich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolgs abfindet, und hob die Verurteilung des LG – unter Verweis auf BGHSt 51, 100 ff. – wegen der unzureichenden Begründung des voluntativen Elements hinsichtlich der Realisierung dieser Gefahr für die Bank auf. Aus diesen Ausführungen ergibt sich, dass sich der Zweite Senat mit einem Fall einer Kreditvergabe (d. h. eines Risikogeschäfts) befasste, den er bereits im Kanther-Urteil als Fall der vorliegenden Art erwähnte579. Bemerkenswert ist aber auch, dass der 2. Senat ein Jahr später vom Weg der Einschränkung der Vermögensgefährdung in subjektiver Ebene abwich und mit seinem Urteil vom 29.08.2008 im „Siemens / ENEL-Fall“ entschied, die Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen als effektiven Vermögensschaden einzuordnen580.
578 BGH Beschl. v. 25.05.2007 (2. Senat), NStZ 2007, 704 = wistra 2007, 384 (mit Anm. Schlösser NStZ 2008, 397 f.). 579 „Nicht abschätzbares“ und „unbeherrschbares“ Risiko, „höchste Gefährdung“ (BGHSt 51, 100, 122). 580 Ausf. hierzu vgl. B. V. 3. a).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
(c) Die Fortsetzung der subjektiven Lösung durch den 5. Senat Der 5. Senat des BGH hat mit zwei Beschlüssen erneut die strengeren Anforderungen an das voluntative Vorsatzelement bei Vermögensgefährdungen gestellt. In seinem Beschluss vom 2.04.2008581 befasste sich der Fünfte Senat mit einem Fall der zweckwidrigen Verwendung einer Mietkaution und lehnte die Vermögensgefährdung und mithin die Untreuestrafbarkeit ab. Der Senat wies darauf hin, dass eine Vermögensgefährdung durch die zweckwidrige Verwendung von Mietkautionen nur dann vorliegt, wenn nach den Vermögensverhältnissen des Sicherungsnehmers die naheliegende Gefahr des Zugriffs auf die Kaution besteht582. In einem weiteren Beschluss vom 16.04.2008583 befasste sich der 5. Straf senat mit einem Fall der Vermögensgefährdung beim Betrug. Hier betonte der 5. Senat das voluntative Vorsatzelement auch beim bedingten Vorsatz im Sinne des Untreuetatbestandes, indem er annahm, dass bei der Vermögensgefährdung i. S. d. § 263 StGB „der Feststellung des voluntativen Elements des Vorsatzes gerade im Rahmen von Wirtschaftsstraftaten besonderes Gewicht einzuräumen [ist]“584. (d) Die Gegenansicht des 1. Senats Mittlerweile hat sich der 1. Senat des BGH der subjektiven Lösung des 2. Senats mit zwei Beschlüssen entgegengestellt. In seinem Beschluss vom 20.03.2008585 befasste sich der Erste Senat mit einem Fall treuwidriger Verwendung von treunehmerisch gebundenen Geldern. Diese wurden von den Anlegern als Kaufpreis für einen Anteil an einem geschlossenen Immobilienfonds auf ein Treuhandkonto einer GmbH 581 BGH Beschl. v. 2.04.2008 (5. Senat), NStZ 2008, 455 (mit Anm. Kretschmer, JR 2008, 348 ff.; Bosch, JA 2008, 658 ff.). 582 BGH Beschl. v. 2.04.2008, NStZ 2008, 455, 456. 583 BGH Beschl. v. 16.04.2008 (5. Senat), wistra 2008, 342 (mit Anm. Wegner, wistra 2008, 347 f.). 584 BGH Beschl. v. 16.04.2008, wistra 2008, 342, 343. 585 BGH Beschl. v. 20.03.2008 (1. Senat), NStZ 2008, 457 = wistra 2008, 343 = JR 2008, 426 = NJW 2008, 2451 (mit Anm. Adick, HRRS 2008, 460 ff.; Beulke / Witzigmann, JR 2008, 430 ff.; Klötzer / Schilling, StraFo 2008, 305 ff.; Peglau, wistra 2008, 430 ff.; Rübenstahl, NJW 2008, 2454 f.; Schäfer, StraFo 2008, 302; Selle / Wietz, ZIS 2008, 471 ff.; Schlösser, StV 2010, 157 ff.; dazu auch Hefendehl, in: FS-Samson, S. 307 ff.; Saliger, in: FS-Samson, S. 465 ff.; Otto, in: FS-Puppe, S. 1262 ff.; Schünemann, StraFo 2010, 477 ff.; Fischer, § 266 StGB Rn. 160; Werner, Gefährdungsschaden, S. 30 ff.).
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überwiesen, um ausschließlich für den jeweiligen Fonds verwendet zu werden. Der Angeklagte, Geschäftsführer der GmbH und Treunehmer der Gelder, verwendete sie abredewidrig und war nicht in der Lage, sie an die Anleger zurückzuzahlen. Im zugrunde liegenden Fall vertrat der 1. Senat in einem obiter dictum586 eine Gegenansicht und lehnte die Erweiterung der subjektiven Lösung des 2. Senats auf alle Fälle der Vermögensgefährdung ab. Der Erste Senat erklärte, die „Fälle der vorliegenden Art“ des Kanther-Urteils seien lediglich Fälle der schwarzen Kassen und wies ausdrücklich darauf hin, dass es auf die Entscheidung des 2. Senats in mehrfacher Hinsicht nicht ankomme. Er erklärte zunächst, dass es sich hier nicht um einen Fall der Bildung schwarzer Kassen handelte587. Des Weiteren war der zugrunde liegende Fall weder ein Fall des Gefährdungsschadens noch ein Fall bedingten Vorsatzes588. Der Täter handelte mit direktem Vorsatz, denn er kannte und wollte die treuwidrige Verwendung der Geldanlagen gekannt und gewollt589. Überraschend war die Auffassung des Ersten Strafsenats, dass die Diskussion um die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens nur eine „Scheinproblematik“ sei590. Der Senat nahm an, dass sich „die bei pflichtwidrigen Risikogeschäften so genannte konkrete Vermögensgefährdung in Wirklichkeit als ein bereits unmittelbar mit der Tathandlung eingetretener Vermögensnachteil darstell[e]“, denn aufgrund einer Gesamtsaldierung vor und nach der Tathandlung werde unmittelbar eine Minderwertigkeit festgestellt591. Der Begriff des Gefährdungsschadens sei nach der Ansicht des Ersten Senats „verschleiernd“ und „überflüssig“, weil er den Blick darauf verstelle, dass in allen Fällen ein „echter“ Schaden erforderlich sei. Der 1. Senat geht von einer quantifizierbaren Vermögensminderung aus und bestimmt den möglichen Minderwert des Vermögens nach Bilanzierungsgrundsätzen592. Auf 586 Beulke / Witzigmann, JR 2008, 430, 432; Schünemann, NStZ 2008, 430, 431; Fischer, StraFo 2008, 269, 269; Kempf, in: FS-Volk, S. 231; Becker, HRRS 2009, 334, 335; Satzger, NStZ 2009, 297, 304; Saliger, in: FS-Samson, S. 465; Werner, Gefährdungsschaden, S. 29. 587 BGH Beschl. v. 20.03.2008, NStZ 2008, 457, 457. 588 BGH Beschl. v. 20.03.2008, NStZ 2008, 457, 457. 589 BGH Beschl. v. 20.03.2008, NStZ 2008, 457, 457, 458. 590 BGH Beschl. v. 20.03.2008, NStZ 2008, 457, 457; krit. hierzu Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 70; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 Rn. 143; Adick, HRRS 2008, 460, 462, 463 f.; Beulke / Witzigmann, JR 2008, 430, 431 ff.; Klötzer / Schilling, StraFo 2008, 305 ff.; Peglau, wistra 2008, 430, 431; Rübenstahl, NJW 2008, 2454, 2454; Selle / Wietz, ZIS 2008, 471, 474 f.; Schünemann, NStZ 2008, 430, 432; ders., StraFo 2010, 477 ff.; Otto, in: FS-Puppe, S. 1264 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 30 ff. 591 BGH Beschl. v. 20.03.2008, NStZ 2008, 457, 457. 592 Leitner spricht von einer „Bewertungslösung“ (Leitner, StraFo 2010, 323, 326).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
diese Weise versucht der 1. Senat, den Begriff des Gefährdungsschadens zu vereinfachen und seinen Anwendungsbereich der Gefährdung auf einen quantitativ bestimmbaren Kern zu reduzieren593. Nack unterstützt als Vorsitzender des 1. Senats den Beschluss vom 20.03.2008 in einem Beitrag, der Fischers Beitrag entgegensteht594. Nack fragt sich, ob es nicht ein „doppelter Konjunktiv“ sei, wenn man einen möglichen Schaden für möglich hält, der die Vorverlagerung der Untreuestrafbarkeit bedeutet, und lehnt die subjektive Lösung des 2. Senats mithin ab595. Er betont ferner, dass „die ‚schadensgleiche Vermögensgefährdung‘ in Wirklichkeit schon ein echter Schaden wegen des nach kaufmännischen Gesichtspunkten im Zeitpunkt der Tathandlung wertberichtigten Rückzahlungsanspruchs [sei]“ sowie dass sich der Schädigungsvorsatz „darauf und nicht auf den Endschaden“ beziehen müsse596. Er erklärt letztlich, dass die Einordnung der Vermögensgefährdung als echter Schaden quantitativ in Einzelfall festzustellen sei, wenn mittels bilanzrechtlicher Bewertungsregeln nach einem Vergleich des Gesamtwertes des Vermögens vor und nach der Tathandlung eine signifikante Minderung des Vermögenswertes vorliegt597. Der 1. Senat lehnte die subjektive Lösung des 2. Senats erneut ab, als er bei seiner Auseinandersetzung mit dem Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB bei Risikogeschäften in seinem Beschluss vom 18.02.2009598 klarstellte, dass es nicht auf die Billigung eines eventuellen Endschadens ankommt599. Hinzu kommt seine Auffassung, dass im vorliegenden Fall ein endgültiger Vermögensschaden und nicht nur eine Vermögensgefährdung vorliegt600. Der 1. Senat geht ausdrücklich davon aus, dass die Rechtsfigur der konkreten Vermögensgefährdung den unmittelbar eingetreten Vermögensschaden „unzureichend“ beschreibe und deswegen „entbehrlich“ sei und lehnt sie mit der Begründung ab, dass sie „gerade auch deshalb die Gefahr der Überdehnung des Betrugstatbestands hin zum Gefährdungsdelikt 593 Fischer,
StraFo 2008, 269, 272. StraFo 2008, 277 ff.; Fischer, StraFo 2008, 269 ff. 595 Nack, StraFo 2008, 277, 277 (bereits im Titel), auch 281. 596 Nack, StraFo 2008, 277, 278. 597 Nack, StraFo 2008, 277, 278; krit. dazu Fischer, StraFo 2008, 269, 274 f.; ders., StV 2010, 95, 100 f. 598 BGH Beschl. v. 18.02.2009 (1. Senat), NStZ 2009, 330 f. = NJW 2009, 2390 ff. = BGHSt 53, 199 mit Anm. Frisch, EWiR § 263 StGB 1 / 2009, 555 f.; Jahn, JuS 2009, 756 f.; Küper, JZ 2009, 800 ff.; Rübenstahl, NJW 2009, 2392 f.; Schlösser, NStZ 2009, 663 ff.; dazu auch Otto, in: FS-Puppe, S. 1265 f. 599 BGH Beschl. v. 18.02.2009, NStZ 2009, 330, 331. 600 BGH Beschl. v. 18.02.2009, NStZ 2009, 330, 331. 594 Nack,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 165
durch Einbeziehung tatsächlich nur abstrakter Risiken in sich [berge]“ und mithin mit Art. 103 Abs. 2 GG unvereinbar sei601. (e) Ergebnis Nach diesen Ausführungen steht fest, dass der 2. Senat im Kanther-Urteil und anschließend der 5. Senat mit seinen Beschlüssen vom 2.04.2008 und 16.04.2008 versuchten, den Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens auf subjektiver Ebene einzuschränken. Dagegen versuchte der 1. Senat die mit der Rechtsfigur der Vermögensgefährdung verbundenen Rechtsprobleme bei §§ 263, 266 StGB durch die Einordnung der Vermögensgefährdungen bereits als echten Vermögensschaden zu lösen und den Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens dadurch einzuschränken. Der 2. Senat hat seine Ansicht geändert und ist im Siemens / ENEL-Urteil auch dem zweiten Weg gefolgt. Das Bedürfnis, die Rechtsunsicherheit hinsichtlich der Rechtsfigur der Vermögensgefährdung durch eine Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen (§ 132 GVG) zu beseitigen, ist dringend602. cc) Der Gefährdungsschaden in der Literatur – Die Einschränkungsansätze im Einzelnen Die Theoretiker haben seit langem versucht, bei der Einbeziehung der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden i. S. d. §§ 263, 266 StGB Einschränkungskriterien festzusetzen. Über diese Kriterien besteht jedoch keine Einigkeit. Die Meinungsvielfalt603 im Schrifttum zeigt deutlich die Komplexität dieser Frage. Bemerkenswert ist auch, dass die meisten Eingrenzungsversuche zum Betrug entwickelt worden sind. In einem zweiten Schritt ist prüfenswert, ob sie sich auch auf den Untreuetatbestand übertragen lassen604. Weitere Ansätze sind spezifisch für den Untreuetatbestand entwickelt worden605. Es ist 601 BGH
Beschl. v. 18.02.2009, NStZ 2009, 330, 331. NStZ 2008, 430, 431; Jahn, JuS 2009, 173, 175; Knauer, NStZ 2009, 151, 151; Saliger, in: FS-Samson, S. 456; Schlösser, NStZ 2009, 663, 667; Wegner, wistra 2008, 347, 348; Jahn, JuS 2009, 174, 175; vgl. auch Peglau, wistra 2008, 430, 432. 603 Überblick des Meinungsstands bei Riemann, Vermögensgefährdung, S. 39 ff.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 61 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 540 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 190 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 49 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 122 ff. 604 Vgl. B. V. 1. c) cc) (1) bis (5). 605 Vgl. B. V. 1. c) cc) (6). 602 Schünemann,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
auch hervorzuheben, dass von Teilen des Schrifttums bezweifelt wird, ob eine allgemeingültige Lösung gefunden werden kann606. Im Folgenden werden die Einschränkungsansätze in Meinungsgruppen untersucht607. Die Erste beantwortet nur die Frage, ob ein Gefährdungsschaden als Vermögensschaden qualifiziert werden darf, während die anderen Ansätze diese Frage bejahen und in einem weiteren Schritt zu beantworten versuchen, ab welchem Grad eine Vermögensgefährdung als Vermögensschaden qualifiziert werden darf. (1) D er Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG durch die Annahme des Gefährdungsschadens als Vermögensnachteil Ein Teil des Schrifttums608 hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Annahme des Gefährdungsschadens als Vermögensschaden im Sinne des § 263 StGB bzw. als Vermögensnachteil im Sinne des § 266 StGB geäußert. In Betracht kommen der Bestimmtheitsgrundsatz und das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG entweder aufgrund der Entstehungsgründe oder aufgrund des Wortlauts der Strafnorm. (a) Die Ansicht von Naucke609 Von Naucke wird die Ansicht vertreten, dass die Einbeziehung der Vermögensgefährdung in den Vermögensschaden aufgrund der Entstehungsgründe verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG hervorruft. Naucke geht einseitig von einer historischen bzw. subjektiven Auslegung der Strafvorschrift des § 263 StGB aus und legt eine Aussage von Savigny für den Gesetzesentwurf des preußischen StGB aus dem Jahre 1847 zugrunde610. Er behauptet, dass nur das Weggeben von Sachen, Geld und Rechten als Ver606 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 54; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 Rn. 153; auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 135 f. (bezogen auf die Schwarzekassenproblematik; vgl. hierzu Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 50). Zu dieser Frage s. B. V. 1. c) dd). 607 Die Gliederung in Meinungsgruppen ist auf Dierlamm (Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 190 ff.) und Saliger (Saliger, in: SSW, § 266 Rn. 69) zurückzuführen. 608 Naucke, Betrug, S. 80 f., 182 ff.; Watzka, Vermögensgefährdung, S. 4; Otto, Vermögensschutz, S. 275 ff.; ders., JZ 1985, 69, 71 f.; ders., Jura 1991, 494 ff.; ders., JZ 1993, 652, 657 f.; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 105 f.; Labsch, Untreue, S. 321; ders., NJW 1986, 104, 105; Ranft, wistra 1994, 41, 43. 609 Naucke, Betrug, S. 80 f., 182 ff. 610 Naucke, Betrug, S. 80 f., 183, 185 [„Nur jenes Auslegungsverfahren sollte zulässig sein, das den vom Gesetzgeber gewollten (empirischen) Sinn des Gesetzes herstelle, den wirklich gemeinten Inhalt der gebrauchten Worte klarmache“], 193 ff.
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mögensschaden betrachtet werden kann611. Vermögensgefährdungen scheiden daher als Vermögensschaden völlig aus612. Er weist darauf hin, dass es verfassungsrechtlich unzulässig sei, auch Vermögensgefährdungen als Vermögensschaden einzustufen613. Nach Nauckes Ansicht wären die meisten typischen Fälle der Vermögensgefährdung straflos, wie z. B. der Kreditbetrug614. Nauckes Ansicht wird in der Lehre zu Recht abgelehnt. Seine Ansicht beruht auf dem unzutreffenden Gedanken, dass die Vermögensgefährdung eine Vorstufe des Vermögensschadens sei. Aber wie bereits dargestellt wurde, ist die schadensdarstellende oder schadensbegründende Vermögensgefährdung ein wirklicher Schaden, wenn bereits im Zeitpunkt der Gefährdung der Vermögenswert vermindert wird. Nauckes Ansicht wird außerdem im Schrifttum zu Recht als methodisch verfehlt kritisiert. Ihm ist entgegenzuhalten, dass er seine Ansicht einseitig auf die subjektiv-historische Auslegungsmethode stützt. Mit der Synthese von historischer und teleologischer Auslegungsmethode steht Nauckes Ansicht daher kaum in Einklang615. Darüber hinaus führt seine Ansicht zu kriminalpolitisch unbefriedigenden Ergebnissen, denn sie lässt den größten Teil der typischen Fälle der Vermögensgefährdung straflos, wie z. B. den Kreditbetrug, der die umfangreichste Fallgruppe der Vermögensgefährdung beim Betrug darstellt616. Aus denselben Gründen ist Nauckes Ansicht auch im Hinblick auf die Untreue abzulehnen. (b) Die Ansicht von Otto617 Otto geht vom Wortlaut der Norm aus und behauptet, dass die Annahme einer Vermögensgefährdung als Vermögensschaden gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoße. Insbesondere stützt Otto seine Ansicht auf den Wortlaut der Norm, und nicht – wie Naucke – auf den Entstehungsgrund und den Willen des Gesetzgebers. Otto betrachtet die Vermögensgefährdung nur als eine 611 Naucke,
Betrug, S. 81, 215. Betrug, S. 215. 613 Naucke, Betrug, S. 215. 614 Naucke, Betrug, S. 215. 615 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 19 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 29, Fn. 39, auch 32 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S 51 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 124 f. 616 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 20; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 52. 617 Otto, Vermögensschutz, S. 275 ff.; ders., JZ 1985, 69, 71 f.; ders., Jura 1991, 494 ff.; ders., JZ 1993, 652, 657 f. 612 Naucke,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Vorstufe bzw. ein Vorstadium des Vermögensschadens, wobei keine wirk liche Vermögensminderung vorliege618, und kommt zum Ergebnis, dass die Einbeziehung des Gefährdungsschadens in den Vermögensschaden dem Wortlaut der Norm widerspreche und eklatant gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoße619. Beachtenswert ist, dass Otto aufgrund der personalen Vermögenslehre620 völlig auf die Rechtsfigur der Vermögensgefährdung verzichtet und die meisten klassischen Fälle der Vermögensgefährdung (z. B. den Eingehungsbetrug) nicht straflos lässt, sondern sie als Fälle effektiven Vermögensschadens qualifiziert621. Ottos Ansicht haben in der Lehre einige Autoren622 zugestimmt. So nehmen Geerds und Ranft an, dass die Gleichstellung von Vermögensgefährdung und Vermögensschaden eklatant gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstoße, denn es handele sich nicht um eine weite Auslegung des Schadensbegriffs innerhalb der Wortlautgrenze des § 263 StGB, sondern um eine unzulässige analoge Anwendung zu Lasten des Angeklagten623. Auch nach Geerds sind die typischen Fallgruppen der Vermögensgefährdung als Fälle endgültigen Schadens zu betrachten (z. B. der Kreditbetrug)624. Es muss hervorgehoben werden, dass der Unterschied zwischen der h. M., die die Vermögensgefährdung als Vermögensschaden anerkennt, und Ottos Ansicht nur im Sprachgebrauch liegt: „Otto verzichtet auf den Begriff der Vermögensgefährdung, nicht aber auf die Anerkennung eines Schadens im Gefährdungsbereich“625. 618 Otto, Vermögensschutz, S. 275 („Vermögensgefährdung bedeutet das Drohen eines Schadens, nicht aber den Schadenseintritt“); ders., JZ 1985, 69, 72; ders., JZ 1993, 652, 658; Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 105 f.; Labsch, Untreue, S. 321; ders., Jura 1987, 411, 417; Ranft, wistra 1994, 41, 43; a. A. Cramer, Vermögensbegriff, S. 119 (Cramer hält hingegen die Vermögensgefährdung für die Vorstufe des endgültigen Schadens und nimmt sie mithin als Vermögensschaden bzw. -nachteil an); auch Riemann, Vermögensgefährdung, S. 9, 69; Baumanns, JR 2005, 227, 228. 619 Otto, Jura 1991, 494, 495; ders., JZ 1993, 652, 657. 620 Vgl. B. V. 1. a) dd). 621 Otto, Vermögensschutz, S. 276 ff.; ders., JZ 1985, 69, 72; ders., JZ 1993, 652, 658; vgl. hierzu Werner, Gefährdungsschaden, S. 127; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 541 f.; ders., Vermögensgefährdung, S. 65; zust. Nack, StraFo 2008, 277 ff.; BGH Beschl. v. 20.03.2008, NStZ 2008, 457 ff. (hierzu vgl. B. V. 1. c) bb) (3) (d). 622 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 105 f.; Labsch, Untreue, S. 321; ders., NJW 1986, 104, 105; Ranft, wistra 1994, 41, 43. 623 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 105 f.; Ranft, wistra 1994, 41, 43; auch Watzka, Vermögensgefährdung, S. 4. 624 Geerds, Wirtschaftsstrafrecht, S. 105 f. 625 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 23; zust. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 52 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 14.
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Ottos verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG aufgrund des Wortlauts der Norm werden in der Literatur überwiegend abgelehnt. Ottos Ansicht beruht auf dem unhaltbaren Gedanken, dass die Vermögensgefährdung lediglich eine Vorstufe bzw. ein Vorstadium des Vermögensschadens (und nicht ein wirklicher Vermögensschaden) sei. Darüber hinaus bedeutet die Betrachtung einer Vielzahl von Fällen der Vermögensgefährdung als Fälle des effektiven Vermögensschadens die Umdeutung der Vermögensdelikte von Verletzungsdelikten in Gefährdungsdelikte und kann zur Vorverlagerung des Schadenseintritts führen626. Ottos Ansatz kann letztlich zu einer Vermischung des Gefährdungsschadens und des endgültigen Schadens führen, was den Vermögensschaden auf einen äußerst unsicheren Boden stellt. Otto legt außerdem keine Kriterien fest, aufgrund derer ein Fall der Vermögensgefährdung bereits als effektiver Schaden angenommen werden muss627. Ottos Ansicht ist aus diesen Gründen auch im Hinblick auf die Untreue unhaltbar. (2) T äterorientierte Einschränkungsansätze: die (fehlende) Beherrschbarkeit des Täters – Die Ansicht von Seelmann628 Ausgangspunkt des von Seelmann entwickelten Einschränkungsmodells ist die Bestimmung der konkreten Gefahr bei der Abgrenzung von abstrakten und konkreten Gefährdungsdelikten. Basierend auf dem Gedanken, dass die Gefahr bei der Vermögensgefährdung nicht abstrakter als bei einem konkreten Gefährdungsdelikt sein darf, versucht Seelmann die Konkretheit der Gefährdung bei den Vermögensdelikten aufgrund der für die Unterscheidung von konkreten und abstrakten Gefährdungsdelikten vorgeschlagenen Eingrenzungsansätze zu bestimmen629. Von diesen Eingrenzungsansätzen wählt Seelmann die (mangelnde) Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Täter und wendet sie auf die Problematik der Vermögensgefährdung an630. Aufgrund dieses Kriteriums liegt daher seiner Ansicht nach eine konkrete Vermögensgefährdung vor, wenn der Eintritt des endgültigen Vermögensschadens nicht mehr von einem Handeln des Täters abhängt631. Genauer gesagt, wenn dem Täter die verletzungshindern626 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 121. Schwarze Kassen, S. 121. 628 Seelmann, Eigentums- und Vermögensdelikte, S. 79; ders., JR 1986, 346, 347. 629 Seelmann, JR 1986, 346, 347. 630 Seelmann, Eigentums- und Vermögensdelikte, S. 79; ders., JR 1986, 346, 347. 631 Seelmann, JR 1986, 346, 347. 627 Weimann,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
den Momente noch zur Verfügung stehen und die Realisierung der Gefahr nicht dem Zufall überlassen bleibt, liegt keine konkrete Vermögensgefährdung vor; wenn es jedoch schon an der Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Täter fehlt, liegt eine konkrete Vermögensgefährdung vor632. Seelmanns täterorientierte Einschränkungslösung im Hinblick auf § 263 StGB wird von der Strafrechtslehre abgelehnt. Problematisch ist erstens die Gleichstellung von konkreter Gefährdung bei den Vermögensdelikten und Gefahr bei konkreten Gefährdungsdelikten. Denn im ersten Fall geht es um Verletzungsdelikte, wobei die Einbeziehung einer Vermögensgefährdung in den Vermögensschaden unbedingt konkreter sein muss als die Konkretheit der Gefahr bei den konkreten Gefährdungsdelikten633. Ansonsten liege die Gefahr nahe, dass sie von Verletzungsdelikten in konkrete Gefährdungsdelikte umgestaltet werden. Nach Hefendehl lässt sich aus dem Fehlen eines semantischen Gehalts der konkreten Vermögensgefährdung ableiten, dass die Konkretheit der Gefährdung im Sinne der Vermögensdelikte und die Konkretheit der Gefahr im Sinne der Gefährdungsdelikte unterschiedlich sind634. Aus diesen Ausführungen folgt, dass Seelmanns Modell einer weiteren Konkretisierung bzw. Einschränkung bedarf, um die Gefährdung bei den Vermögensdelikten von der konkreten Gefahr bei konkreten Gefährdungsdelikten abzugrenzen. Seelmanns Ansatz, dass das Vorliegen eines Gefährdungsschadens von der (mangelnden) Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Täter abhänge, erscheint schließlich im Hinblick auf den Betrugstatbestand aus einem weiteren Grund problematisch. Betrug ist ein Delikt unbewusster Selbstschädigung, bei welchem eine täterorientierte Einschränkungslösung unhaltbar ist. Das Handeln des Täters als Abgrenzungskriterium ist mit der Ausgestaltung des Betrugs als Delikt bewusster Selbstschädigung, das eine selbstschädigende Handlung des Opfers bzw. des Getäuschten verlangt, unvereinbar. Es bleibt zu prüfen, ob sich die von Seelmann im Hinblick auf den Betrug entwickelte täterorientierte Einschränkungslösung auf die Untreue übertragen lässt. Beim Untreuetatbestand ist – im Gegensatz zum Betrugstatbestand – eine täterorientierte Einschränkungslösung zunächst begrüßenswert, denn für die Verwirklichung des Untreuetatbestandes ist die Verletzung des Vermögens durch das Handeln des Täters erforderlich. Seelmann ist daher im Hinblick auf den Untreuetatbestand der täterorientierte Gedanke zuzugeben. 632 Seelmann,
Eigentums- und Vermögensdelikte, S. 79; ders., JR 1986, 346, 347. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 71 f. 634 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 219; zust. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 72. 633 Vgl.
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Ein täterorientierter Einschränkungsansatz bedarf jedoch auch beim § 266 StGB einer weiteren Konkretisierung, damit der Charakter der Untreue als Verletzungsdelikt sichergestellt wird. Eine solche Einschränkung ist bei der Untreue, deren Versuch straflos ist, immer dringender nötig. Seelmanns Ansatz fehlt diese Konkretisierung und wird sowohl für den Betrugs- als auch für den Untreuetatbestand als unzureichendes Einschränkungsmittel abgelehnt. (3) O pferorientierte Einschränkungsansätze: die (fehlende) Beherrschbarkeit des Opfers Ein Teil des Schrifttums635 geht von einem opferorientierten Herrschaftsgedanken aus, um die strafbewehrten Vermögensgefährdungen von den nicht strafbewehrten Gefährdungen abzugrenzen. Im Mittelpunkt dieser Einschränkungsmodelle steht, ob und inwieweit die bestehende Gefährdungslage aus der Sicht des Opfers noch beherrschbar ist. Wann dies der Fall ist, ist jedoch unter den Vertretern der opferorientierten Einschränkungsansätze umstritten, so dass nicht von einer einheitlichen Lösung gesprochen werden kann. (a) Die Ansicht von Lackner636 Lackner hat einen ersten Schritt zur Einschränkung der Vermögensgefährdung aufgrund eines opferorientierten Gedankens getan. Seiner Ansicht nach liegt keine Vermögensgefährdung vor, wenn „der Getäuschte selbst – allein aufgrund seines Irrtums – eine effektive Vermögensminderung vornehmen wird, ohne Hinzutreten weiterer Umstände“637. Wann eine Vermögensgefährdung in dieser Hinsicht zu bejahen ist, ist nach Lackner im Einzelfall zu prüfen638. Lackner, dessen Ansatz als der kleinste gemeinsame Nenner aller Einschränkungsmodelle bezeichnet wurde639, ist zuzugeben, dass er strengere 635 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153; Schröder, in: Schönke / Schröder, 17. Aufl., § 263 Rn. 100; ders., JZ 1965, 513, 515 f.; ders., JZ 1967, 577 f.; ders., JR 1971, 74 f.; Lenckner, JZ 1971, 320 ff.; Meyer, MDR 1971, 718, 719; Haft, BT, S. 217 („Die Vermögensgefährdung ist konkret und damit schadensgleich, wenn der Vermögensträger die Gefahr nicht mehr abwehren kann“); Amelung, NJW 1975, 624, 625; Triffterer, NJW 1975, 612, 616. 636 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153. 637 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153. 638 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153. 639 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 50; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 54.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Anforderungen an die Annahme einer Vermögensgefährdung stellt als die Rechtsprechung. Seine Ansicht erscheint beim Betrugstatbestand auf dem richtigen Weg zu sein, soweit sie sich auf eine opferorientierte Betrachtungsweise stützt, geht jedoch nicht weit genug640. Lackners opferorientierte für den Betrug vertretene Einschränkungslösung ist auf die Untreue kaum übertragbar, denn sie ist mit der Ausgestaltung der Untreue als Fremdschädigungsdelikt unvereinbar. Im Gegensatz zum Betrug, der das unbewusste selbstschädigende Handeln des Opfers verlangt, setzt der Untreuetatbestand das pflichtwidrige Handeln des Täters ohne Wissen des Opfers voraus. (b) Die Ansicht von Schroeder641 In gleicher Richtung schlägt Schröder im Hinblick auf den Betrug (und vornehmlich auf den Eingehungsbetrug) und die Erpressung ein sog. „Herrschaftsmodell“642 vor. Nach Schröder hängt die Abgrenzung der Vermögensgefährdungen, die einen Vermögensschaden darstellen, von den Vermögensgefährdungen, die typischerweise nur im Versuchsbereich der Vermögensdelikte liegen, und die Einbeziehung lediglich der Ersten in den Vermögensschaden gem. § 263 StGB von der (fehlenden) Beherrschbarkeit des Opfers ab. So liegt seiner Ansicht nach ein Vermögensschaden in Form einer Vermögensgefährdung vor, wenn der Getäuschte bzw. der Genötigte durch die Verfügung eine Situation geschaffen hat, in der der endgültige Verlust des fraglichen Vermögenswerts nicht mehr wesentlich von seinem Zutun abhängt, sondern seine gefährdende Reaktion dem Täter eine unmittelbare Zugriffsmöglichkeit auf sein Vermögen verschafft643. Hingegen lehnt Schröder das Vorliegen einer Vermögensgefährdung im Sinne der §§ 253, 263 StGB ab, wenn es für den Eintritt des endgültigen Schadens noch einer weiteren Handlung bzw. noch weiterer Handlungen im Herrschaftsbereich 640 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 54 (Strelczyk kennzeichnet Lackners Ansicht als „freilich recht zögerlich“); Riemann, Vermögensgefährdung, S. 50. 641 Schröder, in: Schönke / Schröder, 17. Aufl., § 263 Rn. 100; ders., JZ 1965, 513, 515 f.; ders., JZ 1967, 577 f.; ders., JR 1971, 74 f.; zust. Meyer, MDR 1971, 718, 719 (ausschließlich bezogen auf den Eingehungsbetrug); Amelung, NJW 1975, 624, 625. 642 Schröders Ansatz wurde erstens von Hefendehl als „Herrschaftsmodell“ bezeichnet und anschließend durch andere Autoren übernommen (Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 548; ders., Vermögensgefährdung, S. 70; auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 62 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 136 ff.). 643 Schröder, in: Schönke / Schröder, 17. Aufl., § 263 Rn. 100; ders., JZ 1965, 513, 516.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 173
des Getäuschten oder anderer Personen644 bedarf, dieser also das Geschehen noch nicht endgültig aus der Hand gegeben hat645. Schröders Herrschaftsmodell wird von einem Teil des Schrifttums stark kritisiert. Unhaltbar ist Lackners und Hefendehls Argument gegen Schröders Herrschaftsmodell, dass es mit dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff unvereinbar sei646. Es ist zweifelhaft, aus welchem Grund die wirtschaft liche Betrachtungsweise des Vermögens dem Versuch, den Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens aufgrund eines Herrschaftsmodells einzuschränken, entgegenstehen sollte647. Nach Riemann ist zweitens das Herrschaftsmodell ungeeignet, eine gerechtfertigte Einschränkung der Vermögensgefährdung vorzunehmen, weil es nur im Hinblick auf die Abgrenzung von Versuch und Vollendung konzipiert sei und andere problematischen Fälle der Vermögensgefährdung (z. B. der gutgläubige Erwerb unterschlagener Sachen) außer Acht lasse648. Schröders Herrschaftsmodell ist im Hinblick auf den Betrugstatbestand zunächst begrüßenswert, kann aber wegen der opferorientierten Betrachtungsweise nicht auf den Untreuetatbestand übertragen werden. Der Charakter der Untreue als Fremdschädigungsdelikt, im Gegensatz zum Betrug, der ein Selbstschädigungsdelikt ist, ist mit Schröders Herrschaftsmodell kaum vereinbar649. (c) Die Ansicht von Lenckner650 Lenckner hat in ähnlicher Weise bei seiner Auseinandersetzung mit dem Eingehungsbetrug ein weiteres opferorientiertes Einschränkungsmodell entwickelt, um nur strafbewehrte Vermögensgefährdungen als Vermögensschaden einzustufen. Lenckner stimmt am Anfang seines Ansatzes der Meinung der Rechtsprechung zu, dass eine Vermögensgefährdung konkret sein muss, was im 644 Das
Handeln dritter Personen erwähnt Schröder nur in JZ 1965, 513, 516. in: Schönke / Schröder, 17. Aufl., § 263 Rn. 100; ders., JZ 1965,
645 Schröder,
513, 516. 646 Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 547 f.; ders., Vermögensgefährdung, S. 72 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 201 ff. 647 Vgl. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 64 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 137 f. 648 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 57 f.; a. A. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 67. 649 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 68; Werner, Gefährdungsschaden, S. 138; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 27. 650 Lenckner, JZ 1971, 320 ff.; zust. Triffterer, NJW 1975, 612, 616.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Einzelfall zu prüfen ist651. Er stellt aber weiterhin fest, dass strengere Anforderungen an die Konkretheit der Vermögensgefährdung gestellt werden müssen, um einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zu vermeiden652. Ausgehend davon nimmt Lenckner an, dass die Vermögensgefährdung auf einen engen, relativ eindeutigen Kernbereich reduziert werden soll653. Er kommt daher zum Ergebnis, dass eine Vermögensgefährdung nur dann eine Vermögensschädigung begründe, wenn die wirtschaftlichen Konsequenzen einer Vermögensgefährdung für den Betroffenen die gleichen sein können wie bei einem tatsächlich bereits eingetretenen Vermögensverlust654. So ein Fall tritt ein, wenn sich die Gefahr einer realen Einbuße von Vermögenswerten bereits so sehr verdichtet hat, dass diese nach einem objektiven Betrachter (in der Lage des Vermögensträgers) praktisch schon jetzt endgültig „abgeschrieben“ werden müssen655. M. a. W.: Ein Vermögensschaden in Form einer Vermögensgefährdung liegt nach Lenckners Ansatz nur dann vor, wenn der Täter bereits eine Position erlangt hat, in der er den fraglichen Vermögenswert unmittelbar und ohne Schwierigkeiten realisieren kann; nur dann kann der Betroffene vernünftigerweise nicht mehr mit diesem Vermögenswert rechnen, obwohl er ihn faktisch noch in seinem Vermögen hat656. Lenckners Ansicht ist zunächst zuzugestehen, dass er strengere Anforderungen an die Konkretheit der Vermögensgefährdung stellt als die Rechtsprechung. Sie wird aber in der Literatur zu Recht wegen ihrer Unklarheit abgelehnt. Unklar bleibt insbesondere, wann sich die Gefahr des endgültigen Vermögensverlusts so sehr verdichtet hat, dass das in Frage kommende Vermögensgut praktisch abgeschrieben werden muss657. In gleicher Richtung behauptet Hefendehl, dass Lenckners Ansatz einer weiteren Konkretisierung bedürfe, um die Frage klären zu helfen, wann sich nun eine Forderung „höchstwahrscheinlich realisiert“658. Lenckners Einschränkungsansatz kann aus einem weiteren Grund keine Anwendung auf den Untreuetatbestand finden. Genau wie Lackner und Schröder stützt Lenckner seine Lösung auf einen opferorientierten Gedan651 Lenckner,
JZ 1971, 320, 321. JZ 1971, 320, 321. 653 Lenckner, JZ 1971, 320, 321. 654 Lenckner, JZ 1971, 320, 322. 655 Lenckner, JZ 1971, 320, 322. 656 Lenckner, JZ 1971, 320, 322; zust. Triffterer, NJW 1975, 612, 616. 657 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 53; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 55; Werner, Gefährdungsschaden, S. 131 f., 211. 658 Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 552; ders., Vermögensgefährdung, S. 77; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 204. 652 Lenckner,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 175
ken, der mit dem Charakter der Untreue als Fremdschädigungsdelikt unvereinbar ist. (4) Zivilrechtsorientierte Einschränkungsansätze Ein anderer Teil der Strafrechtslehre659 versucht, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung unter Zuhilfenahme des Zivilrechts einzuschränken. Danach ist die Abgrenzung zwischen bloßen und schadensdarstellenden Vermögensgefährdungen aufgrund zivilrechtlicher Kriterien vorzunehmen. Im Hinblick auf die Einheit der Rechtsordnung legen die Vertreter der zivilrechtsorientierten Einschränkungsmodelle die folgende Formel zugrunde: „Wo nicht einmal zivilrechtliche Schadensansprüche bestehen, kann für eine strafrechtliche Sanktionierung wegen eines Vermögensdelikts erst recht kein Raum sein“660. (a) Die Ansicht von Cramer661 Cramer erkennt zunächst an, dass nicht nur effektive Schädigungen, sondern auch konkrete Vermögensgefährdungen als Vermögensschaden anzusehen sind662. Daher ist es erforderlich, eine Grenze zwischen Gefährdungen, die sich noch im Versuchsstadium befinden, und Gefährdungen, die bereits einen Vermögensschaden darstellen, zu ziehen663. Eine Vermögensgefährdung ist daher nach Cramer als Vermögensschaden zu qualifizieren, wenn auch die übrige Rechtsordnung (grundsätzlich die Zivilrechtsordnung) einen Ausgleich für das Opfer vorsieht664. Eine Vermögensgefährdung stellt nur dann einen Vermögensschaden dar, wenn sie sich für das Vermögensgut so weit verdichtet hat, dass die Zivilrechtsordnung Ausgleichsansprüche gewährt, und zwar nicht unbedingt in Form des Schadensersatzanspruchs, sondern auch als Beseitigungsanspruch, d. h. als Anspruch auf Beseitigung 659 Cramer, Vermögensbegriff, S. 130 ff.; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 142 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 128 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 563 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 233 ff.; ders., in: FS-Samson, S. 299 ff. 660 So Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 56. 661 Cramer, Vermögensbegriff, S. 130 ff.; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 142 f. 662 Cramer, Vermögensbegriff, S. 130; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 142. 663 Cramer, Vermögensbegriff, S. 130; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143. 664 Cramer, Vermögensbegriff, S. 131; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
der Umstände, aus denen sich das Gefährdungsmoment ergibt665. Zu den Ausgleichsansprüchen in diesem Sinne zählt auch der Kondiktionsanspruch. Als Beispiele dafür nennt Cramer den Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB bei unrichtiger Eintragung666, die Möglichkeit der Kondiktion eines ohne Rechtsgrund abgegebenen abstrakten Schuldanerkenntnisses667 sowie der Anspruch auf Herausgabe eines der wahren Rechtslage widersprechenden Schuldscheines668. Cramer versucht aufgrund eines differenzierten zivilrechtsorientierten Einschränkungsmodells den strafrechtlichen Schadens- und Gefährdungsbegriff mit dem zivilrechtlichen Interessenausgleichsrecht zu harmonisieren669. Bemerkenswert ist auch, dass er – entgegen den oben dargelegten täter- und opferorientierten Ansätzen, die das Problem des Gefährdungsschadens von innen (d. h. aufgrund des Verhältnisses zwischen Opfer und Täter) zu lösen versuchen – den Gefährdungsschaden „quasi von außen“ unter Zugrundelegung des Zivilrechts bestimmt670. In der Literatur wird Cramers Ansicht wegen ihrer kriminalpolitischen Ergebnisse kritisiert und abgelehnt671. Sein Lösungsvorschlag erscheint in zweierlei Hinsicht besonders problematisch, da er in wenigsten Fällen hilft, außer in den von ihm selbst erwähnten Beispielsfällen672. Zum einen kommt in den klassischen Fällen der Vermögensgefährdung beim Betrug, d. h. in den Fällen des Kreditbetrugs und des Eingehungsbetrugs, aber auch in den Fällen des Unterlassens der Geltendmachung von Forderungen, ein Kondiktionsanspruch nicht in Betracht; hieraus folgt, dass in diesen Fällen eine Vermögensgefährdung aufgrund Cramers Lösung immer abzulehnen ist673. Zum anderen 665 Cramer, Vermögensbegriff, S. 131; Cramer / Perron, in: Schönke / Schröder, § 263 StGB Rn. 143. 666 Cramer, Vermögensbegriff, S. 131 f. 667 Cramer, Vermögensbegriff, S. 132. 668 Cramer, Vermögensbegriff, S. 132. 669 Cramer, Vermögensbegriff, S. 131; vgl. auch dazu Riemann, Vermögensgefährdung, S. 42, 47; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 553; ders., Vermögensgefährdung, S. 77; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 204; auch Werner, Gefährdungsschaden, S. 133. 670 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 77 f.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 205. 671 Lenckner, JZ 1971, 320, 322, Fn. 11; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 54 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 554 ff.; ders., Vermögensgefährdung, S. 78 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 205 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 58 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 134 ff. 672 Lenckner, JZ 1971, 320, 322, Fn. 11; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 54. 673 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 54 ff.; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 554; ders., Vermögensgefährdung, S. 78; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 205; dagegen Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 58 f.
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kann der Rückgriff auf das Anfechtungsrecht nach § 123 BGB als eine Möglichkeit der Beseitigung der Beeinträchtigung und der damit verbundene Kondiktionsanspruch immer zur Annahme einer Vermögensgefährdung führen, denn der Getäuschte kann seine Erklärung immer anfechten674. Cramers zivilrechtsorientiertes Modell könnte auf den ersten Blick aufgrund des akzessorischen Charakters des Untreuetatbestandes zum Zivilrecht ein hilfreiches Einschränkungsmittel sein675. Wegen seiner kriminalpolitisch unhaltbaren und unbefriedigenden Ergebnisse ist es jedoch weder auf den Betrug noch auf die Untreue übertragbar. (b) Die Ansicht von Hefendehl676 Nach Hefendehl sind den viktimodogmatischen Grundsätzen bei der Annahme der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden der Vorzug zu geben677. Die Prüfung im Einzelfall, ob eine Vermögensgefährdung als Vermögensschaden zu qualifizieren ist, nimmt Hefendehl angelehnt an zivilrechtliche – und insbesondere an bilanzrechtliche – Kriterien vor und schlägt ein vom Zivilrecht konstituiertes und vom Bilanzrecht konkretisiertes Herrschaftsprinzip als Grundlage des strafrechtlichen Vermögensbegriffs vor. Hefendehls Ausgangspunkt ist der Begriff des Vermögens. Er bezeichnet Vermögen als die Herrschaftsmöglichkeit des Vermögensträgers, die durch das Zivilrecht konstituiert wird678. Das Zivilrecht legt nach seiner Ansicht fest, inwieweit der Vermögensinhaber über sein Vermögen nach seinem Belieben verfügen und gleichzeitig externen Störfaktoren effektiv begegnen kann679. Ausgehend von diesem Vermögensbegriff und unter Zugrundelegung des Grundsatzes der Subsidiarität des Strafrechts nimmt Hefendehl an, dass keine Vermögensgefährdung i. S. d. 263 StGB vorliegt, soweit der zivilrecht674 Lenckner, JZ 1971, 320, 322, Fn. 11; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 56; Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 554; ders., Vermögensgefährdung, S. 78; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 205. 675 Vgl. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 56 f. 676 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 128 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 563 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 233 ff.; ders., in: FS-Samson, S. 299 ff.; zust. Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 146. Von einer bilanzrechtsorientierten Herangehensweise spricht auch Becker (Becker, HRRS 2009, 334, 337 ff., 340). 677 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 128, 140 f., 259, 447. 678 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 115 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 228 ff.; vgl. auch B. V. 1. a) cc). 679 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 117; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 334; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 228; ders., in: FS-Samson, S. 298.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
liche Schutz grundsätzlich ausreicht, um einen Rechtsgüterschutz zu betreiben680. Entscheidend für den strafrechtlichen Schutz und die Annahme der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden ist hingegen, ob dem drohenden endgültigen Vermögensverlust keine Vermeidemöglichkeiten des Bedrohten mehr entgegenstehen oder dem Bedrohten die Vermeidemacht noch zusteht681. Nur dann kann nach Hefendehl eine „qualitative Verschlechterung der Hypothese des Vermögensträgers zur Verfügbarkeit eines Vermögenswertes“ bejaht werden682. Dieses Einschränkungskriterium wird von Hefendehl mit Rückgriff auf das Bilanzrecht konkretisiert683. Er kommt zu dem Ergebnis, dass eine bilanzrechtliche Beurteilung im Vergleich zu einer Betrachtung bloßer Wahrscheinlichkeiten ein erhöhtes Maß an Rechtssicherheit gewährleistet684 und bezeichnet das Bilanzrecht als „überwiegend geeignetes Lösungsreservoir rechtssicherer Entnormativierung“685. Bei dieser bilanzrechtlichen Beurteilung geht er von einer eingehenden Fallgruppenanalyse aus686. Er prüft im Einzelfall, ob die Gefahr sich bereits verwirklicht hat, aber ein effektiver Vermögensschaden noch nicht eingetreten ist (z. B. Darlehensgewährung, schwarze Kassen687, Scheck- und Wechselbetrug, Unterlassen der Geltendmachung von Forderungen)688, und ob die Gefahr aus dem Umfeld des Opfers (z. B. Eingehungsbetrug, unrichtige Buchungen, gutgläubiger Erwerb)689 oder aus dem Umfeld des Täters (z. B. Prozessbetrug)690 oder von dritter Seite691 droht. 680 Hefendehl,
Vermögensgefährdung, S. 139. Vermögensgefährdung, S. 129; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 564; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 233. 682 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 128 f., 446; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 564; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 233. Eine Substanzverletzung ist hingegen nicht erforderlich (Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 129, 447). 683 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 166 ff., 448; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 565; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 234 ff.; ders., in: FSSamson, S. 301 ff. 684 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 191 ff., 448 f.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 236 f. 685 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 193, 454; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 237. 686 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 256 ff., 450 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 567 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 243 ff. 687 Ausf. zu Hefendehls Ansatz bezüglich der Bildung schwarzer Kassen vgl. B. V. 2. c) dd) (1). 688 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 260 ff. 689 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 322 ff. 690 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 356 ff. 691 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 433 ff. 681 Hefendehl,
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Hefendehls Modell ist in der Literatur auf Kritik gestoßen692. Man fragt sich, ob bzw. aus welchem Grund sich das Bilanzrecht entscheidend auf das Vermögensstrafrecht im Allgemeinen und auf die Annahme der Vermögensgefährdung als Vermögensschaden im Besonderen auswirken soll693. Die Komplexität der bilanzrechtlichen Vorschriften und Grundsätze kann die Prüfung des Gefährdungsschadens in zahlreichen Fällen verkomplizieren, und nicht präzisieren bzw. vereinfachen694. Dies kann zur Rechtsunsicherheit führen und verfassungsrechtliche Bedenken nach Art. 103 Abs. 2 GG aufwerfen, soweit nur Experten in der Lage wären, zu beurteilen, ob eine Vermögensgefährdung nach Hefendehls Modell vorliegt695. Hefendehl hat sein vom Zivilrecht konstituiertes und vom Bilanzrecht konkretisiertes Einschränkungsmodell selbst für den Untreuetatbestand modifiziert und auf ihn ausgedehnt, so dass eine Vermögensgefährdung immer ausscheidet, wenn der Täter zum Ausgleich des durch ihn verursachten Vermögensabflusses bereit ist696. Eine Vorverlagerung der Strafbarkeit im Versuchsstadium kann aber laut Hefendehl im Hinblick auf die für die Untreue modifizierte Einschränkungslösung nicht vermieden werden, da eine Strafbarkeit aufgrund bilanzrechtlicher Vorschriften zu einem frühen Zeitpunkt zu bejahen ist697. Des Weiteren ist Hefendehls Modell auch in der Form dieser Modifikation im Hinblick auf § 266 StGB entgegenzuhalten, dass die Auswirkung von bilanzrechtlichen Vorschriften auf das Strafrecht die Prüfung des Vorliegens einer Vermögensgefährdung verkomplizieren und zur Rechtsunsicherheit führen kann. (5) D ie Unmittelbarkeit als Einschränkungskriterium – Die Ansicht von Riemann698 Riemann versucht, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung beim Betrugstatbestand mit Hilfe vom Prinzip der Unmittelbarkeit einzugrenzen, und bejaht einen Gefährdungsschaden, wenn dieser unmittelbar in einen effektiven Vermögensschaden umschlagen kann. Er weist darauf hin, dass das Prinzip der Unmittelbarkeit eine doppelte Rolle bei der Einschrän692 Strelczyk,
Schwarze Kassen, S. 128 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 141 ff. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 128 f. 694 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 128; Werner, Gefährdungsschaden, S. 144. 695 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 128 f.; zust. Werner, Gefährdungsschaden, S. 144 f. 696 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 282 ff., 451. 697 Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 31; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 130 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 142 ff. 698 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 61 f., 121 ff. 693 So
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kung des Anwendungsbereichs der schadensdarstellenden Vermögensgefährdung i. S. d. § 263 StGB spielen muss. Er nimmt insbesondere an, dass die Vermögensverfügung unmittelbar die Vermögensgefährdung herbeiführen muss und dass die Vermögensgefährdung sich darüber hinaus unmittelbar zu einem endgültigen Vermögensschaden entwickeln kann699. An dieser sog. „doppelten Unmittelbarkeit“700 fehlt es nach Riemann, wenn für die Herbeiführung des endgültigen Schadens noch weitere Handlungen des Täters erforderlich sind701. Riemanns Modell ist mit der Ausgestaltung des Betrugs als Delikt bewusster Selbstschädigung unvereinbar und muss im Hinblick auf § 263 StGB als geeignetes Einschränkungsmodell abgelehnt werden, weil es täterund nicht opferorientiert ist702. Des Weiteren kann es den Anwendungsbereich des strafbaren Versuchs gem. § 263 II StGB zu stark einschränken703. Offen lässt Riemann außerdem, ob eine Vermögensgefährdung vorliegt oder nicht, wenn die Herbeiführung des effektiven Vermögensschadens von der Handlung einer dritten Person abhängt704. Problematisch ist Riemanns Ansicht schließlich, weil es ihr an Genauigkeit fehlt; die Strafbarkeit eines Angeklagten hinge im Wesentlichen von der Interpretation des zuständigen Gerichts ab705. Zu prüfen bleibt, ob Riemanns Einschränkungslösung auf den Untreuetatbestand Anwendung finden kann. Obwohl Riemanns Modell täterorientiert ist und zunächst auf § 266 StGB übertragen werden könnte706, ist es weder für den Betrug noch für die Untreue ein geeignetes Einschränkungsmodell, da es die Frage offen lässt, ob eine Vermögensgefährdung vorliegt, wenn der Eintritt des endgültigen Vermögensschadens von Handlungen einer dritten Person abhängt, und es an Genauigkeit und Klarheit fehlt. (6) U ntreuespezifische Einschränkungsansätze des Gefährdungsschadens Wie bereits erklärt wurde, ist das Bedürfnis, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung einzuschränken, um die Vorverlagerung der Strafbarkeit im Versuchsstadium gegen den Willen des Gesetzgebers sowie die 699 Riemann,
Vermögensgefährdung, S. 61 f., 127. Vermögensgefährdung, S. 127. 701 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 127. 702 Vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 73 f. 703 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 74. 704 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 74 f. 705 Werner, Gefährdungsschaden, S. 147. 706 Vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 73 f. 700 Riemann,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 181
Umgestaltung der §§ 263, 266 StGB zu Gefährdungsdelikten zu vermeiden, im Hinblick auf § 266 StGB wegen der strukturellen Untreuebesonderheiten und der Straflosigkeit des Untreueversuchs dringender als bei § 263 StGB707. Ein Teil des Schrifttums hat dies anerkannt und Einschränkungsmodelle speziell im Hinblick auf die Untreue entwickelt. Diese werden im Folgenden analysiert. (a) Das Prinzip der Unmittelbarkeit bei § 266 StGB Teile des Schrifttums708 versuchen, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung beim Untreuetatbestand aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips einzuschränken. Anders als Riemann709, der unter Zuhilfenahme des Prinzips der Unmittelbarkeit eine „doppelte Unmittelbarkeit“ für die Annahme einer Vermögensgefährdung i. S. d. § 263 StGB verlangt, weist diese Ansicht im Hinblick auf § 266 StGB auf drei Kriterien hin, die für die Annahme einer Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB erfüllt werden müssen. (aa) Die Ansicht von Matt und Saliger710 Matt und Saliger haben sich auch zur Annahme der Vermögensgefährdung als Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB geäußert. Im Mittelpunkt ihrer Ansicht stehen sowohl der abgrenzbare Bereich des straflosen Untreueversuchs als auch das Prinzip der Unmittelbarkeit als Auslegungskriterien711. Sie interpretieren das in der Rechtsprechung entwickelte Merkmal der Konkretheit der Vermögensgefährdung als Unmittelbarkeit und versuchen im Hinblick darauf, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung bei § 266 StGB sachgerecht einzuschränken712. 707 Vgl.
B. V. 1. c) aa) (2). in: Irrwege, S. 234 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 390 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 127 ff.; ders., ZStW 112 (2000), 563, 576 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 20; ders., JA 2007, 326, 332; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 71; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195 ff.; Haft, NJW 1996, 238, 238; Mosenheuer, NStZ 2004, 179, 180, 181; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 98; Lassmann, Stiftungsuntreue, S. 211 ff. 709 Vgl. B. V. 1. c) cc) (5). 710 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 234 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 390 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 127 ff.; ders., ZStW 112 (2000), 563, 576 ff.; ders., HRRS 2006, 10, 20; ders., JA 2007, 326, 332; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 71; zust. Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 98. 711 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 234. 712 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 235 f.; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 577. 708 Matt / Saliger,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Sie gehen zuerst davon aus, dass eine Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB nur dann mit einem Vermögensschaden gleichzusetzen ist, wenn die Tatsachen, die die Vermögensgefährdung begründen, objektiv feststehen713. Hieraus folgt, dass keine Vermögensgefährdung vorliegt, wenn diese Tatsachen nur subjektiv in der Vorstellung des Handelnden feststehen714. Als zweite Voraussetzung nehmen Matt und Saliger an, dass die Vermögensgefährdung als unmittelbare Folge der pflichtwidrigen Untreuehandlung unmittelbar in den effektiven Schaden übergehen kann715. Eine Vermögensgefährdung liege hingegen nicht vor, wenn der Schaden erst durch Dazwischentreten eines Dritten herbeigeführt wird und dessen Verhalten nicht mit der notwendigen Sicherheit vorsehbar und damit feststehend ist716. So weist Saliger darauf hin, dass aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips nur eine abstrakte (und noch keine konkrete) Vermögensgefährdung vorliegt, wenn der Eintritt des Vermögensschadens noch von weiteren Handlungen des Täters, des Opfers oder dritter Personen abhängt717. Dritte Voraussetzung für das Vorliegen einer Vermögensgefährdung ist der zeitliche Zusammenhang zwischen Vermögensgefährdung und endgültigem Vermögensschaden. Eine Vermögensgefährdung scheidet als Vermögensschaden i. S. d. § 266 StGB aus, wenn der effektive Schaden zeitlich nicht unmittelbar (d. h. nicht alsbald) eintritt718. (bb) Die Ansicht von Dierlamm719 Ausgehend von der Ausgestaltung der Untreue als Verletzungsdelikt und basierend auf den strukturellen Unterschieden zwischen Betrug und Untreue nimmt Dierlamm an, dass die Gefährdungsintensität bei § 266 StGB einen höheren Grad als beim bloßen (straflosen) Versuch haben muss720. Wie Matt und Saliger deutet Dierlamm außerdem darauf hin, dass die drei folgenden Voraussetzungen erfüllt sein müssen: 713 Matt,
NJW 2005, 389, 390 f. NJW 2005, 389, 391. 715 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 236; Matt, NJW 2005, 389, 391; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 577; ders., HRRS 2006, 10, 20; ders, in: SSW, § 266 StGB Rn. 71. 716 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 236; Matt, NJW 2005, 389, 391. 717 Saliger, HRRS 2006, 10, 20; ders., JA 2007, 326, 332; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 71. 718 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 236; Matt, NJW 2005, 389, 391; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 578. 719 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195 ff. 720 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 195. 714 Matt,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 183
Erstens müssen die der Gefährdung und deren Konkretheit zugrunde liegenden Tatsachen feststehen721. Eine Vermögensgefährdung scheidet daher aus, wenn diese Tatsachen nur möglich oder wahrscheinlich sind722. Zweitens muss die Vermögensgefährdung unmittelbar in einen effektiven Vermögensschaden münden723. Diese Voraussetzung kann nach Dierlamm auch erfüllt werden, wenn der Schaden von einem Dazwischentreten eines Dritten abhängt724. Es ist aber auf diesen Fall erforderlich, dass die Entscheidung dieser dritten Person aufgrund konkreter Tatsachen mit der notwendigen Sicherheit festgestellt wird725. Wenn sie hingegen unbekannt ist, fehlt es an der erforderlichen Unmittelbarkeit726. Drittens muss die Vermögensgefährdung alsbald in einen effektiven Vermögensschaden münden727. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt und eine Vermögensgefährdung liegt nach Dierlamm nicht vor, wenn im Zeitpunkt der Herbeiführung der Gefährdungslage nicht absehbar ist, ob oder jedenfalls wann ein endgültiger Schaden eintritt728. Zu erwähnen ist, dass das Bundesverfassungsgericht Dierlamms Ansicht in seinem Beschluss vom 10.03.2009729 im Allgemeinen zugestimmt hat. Sowohl die zeitliche Bindung der Vermögensgefährdung an den Vermögensschaden als auch das Vorliegen von Tatsachen, die den Gefährdungsschaden begründen, zählen u. a. zu den vom Bundesverfassungsgericht geforderten Kriterien für das Vorliegen einer Vermögensgefährdung. (cc) Die Kritik an der Unmittelbarkeit als Eingrenzungskriterium Die Ansätze von Matt, Saliger und Dierlamm sind mangels weiterer Konkretisierung ungeeignet, die strafbewehrten von den nicht strafbewehrten Vermögensgefährdungen im Sinne des Untreuetatbestandes abzugrenzen. Die Voraussetzung, dass die Tatsachen, die die Vermögensgefährdung begründen, objektiv feststehen müssen730, gilt nicht nur für Vermögensgefährdungen i. S. d. § 266 StGB, sondern auch für die effektiven Schäden 721 Dierlamm,
in: MüKo StGB, § 266 Rn. 196. in: MüKo StGB, § 266 Rn. 196. 723 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 197. 724 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 197. 725 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 197. 726 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 197. 727 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 199. 728 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 199. 729 Vgl. B. V. 1. c) bb) (2). 730 Matt, NJW 2005, 389, 390 f.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 196. 722 Dierlamm,
184
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
sowie für jedes schuldbegründete Tatbestandsmerkmal731. Die weiteren Voraussetzungen, dass die Vermögensgefährdung unmittelbar in einen effektiven Vermögensschaden münden732 sowie dass der effektive Schaden alsbald eintreten muss733, stellen die konkrete Gefahr bei konkreten Gefährdungsdelikten, nicht die Vermögensgefährdung bei Vermögensdelikten dar und sind mithin auch nicht haltbar734. Aus diesen Ausführungen folgt, dass das Prinzip der Unmittelbarkeit nicht klarstellt, ab welchem Gefährdungsgrad ein Vermögensschaden eingetreten ist. Danach scheidet nur die abstrakte Gefahr als Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB aus. Das Unmittelbarkeitsprinzip muss daher mangels weiterer Einschränkungen abgelehnt werden. (b) Die objektive Zurechnung bei § 266 StGB Ein anderer Teil der Lehre geht von der Lehre der objektiven Zurechnung aus, um den Anwendungsbereich der strafbewehrten Vermögensgefährdungen bei § 266 StGB abzugrenzen735. Nach der sog. objektiven Zurechnung ist bei den Erfolgsdelikten dem Täter ein Erfolg zuzurechnen, wenn durch sein Verhalten eine rechtlich missbilligte (bzw. relevante) Gefahr für das verletzte Rechtsgut geschaffen wurde und sich gerade diese Gefahr im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat. Die Anwendung der Lehre von der objektiven Zurechnung auf den Untreuetatbestand bedeutet erstens, dass objektiv bereits der Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht die Gefahr innewohnen muss, einen Vermögensschaden herbeizuführen736. Zweitens muss das Risiko jenseits der vom Prinzipal gesetzten Schranken liegen737 und drittens muss das gesteigerte Risiko sich gerade im Vermögensnachteil realisiert haben738. 731 Fischer,
StV 2010, 95, 98. in: Irrwege, S. 236; Matt, NJW 2005, 389, 391; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 577; ders., HRRS 2006, 10, 20; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 71; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 197. 733 Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 236; Matt, NJW 2005, 389, 391; Saliger, ZStW 112 (2000), 563, 578; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 199. 734 Vgl. Fischer, StV 2010, 95, 98. 735 Perron, in: FS-Tiedemann, S. 744 f.; ders., GA 2009, 219, 229; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 116 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 430, 434 (Schünemann spricht von der Forderung eines objektiven Zurechnungszusammenhangs zwischen Pflichtverletzung und Schaden; hierzu s. auch Schünemann, Organuntreue, S. 63 f.); Adick, Organuntreue, S. 27 f.; vgl. auch Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 164 ff. 736 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 116. 737 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 116. 738 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 116. 732 Matt / Saliger,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 185
Ausgehend davon scheidet eine rechtlich missbilligte Gefahrschaffung aus, wenn der Agent die Vorgaben des Prinzipals entsprechend dem Normzweck der Untreue befolgt und alle Vorgaben einhält, die sich aus dem Charakter des Geschäfts ergeben739. So muss bei riskanten Geschäftsentscheidungen der Agent, der sie zuvor mit seinem Prinzipal abgesprochen hat, straffrei bleiben740. Des Weiteren fehlt es an einer Vermögensgefährdung und es müssen damit Kompensationsfälle straflos bleiben, in denen der Täter jederzeit ersatzwillig und -fähig ist, den pflichtwidrig verursachten Vermögensschaden auszugleichen741. Eine Vermögensgefährdung liegt beispielsweise auch nicht vor, wenn der Agent Geld entgegen seiner Aufgabe zwar nicht mündelsicher anlegt und die Einlagen des Prinzipals bei einem etablierten Kreditinstitut wertlos werden, weil dieses Institut völlig unerwartet insolvent wird bzw. die Insolvenz vorher unwahrscheinlich schien742. Eine Untreuestrafbarkeit muss außerdem verneint werden, wenn die Vermögensverluste aus ganz außergewöhnlichen bzw. atypischen Gefahrverläufen entstehen743. Die Lehre der objektiven Zurechnung ist nicht geeignet, die strafbedürftigen von den nicht strafbedürftigen Vermögensgefährdungen i. S. d. § 266 StGB abzugrenzen. Sie stellt Kriterien bzw. Grundsätze auf, die für jede Vermögensgefährdung gelten. Das bedeutet, dass dadurch die Umdeutung der Untreue vom Verletzungsdelikt in ein Gefährdungsdelikt nahe liegt. (c) Die Ansicht von Werner744 Werner entwickelt ein zumindest für den Untreuetatbestand geltendes Einschränkungsmodell, das Rücksicht auf die Straflosigkeit des Untreueversuchs nimmt und die Unklarheit und Unsicherheit bei dessen Anwendung auf sämtliche Fälle des Gefährdungsschadens nach § 266 StGB zu beheben versucht745. Nach Werner liegt ein Gefährdungsschaden vor, „wenn sich eine Vermögensgefahr derart verdichtet hat, dass der Eintritt 739 Mansdörfer,
JuS 2009, 114, 116. JuS 2009, 114, 116. 741 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 116. 742 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 116 f. 743 Mansdörfer, JuS 2009, 114, 117; vgl. auch Hillenkamp, NStZ 1981, 161, 164 ff.; Perron, in: FS-Tiedemann, S. 744 f.; Schünemann, NStZ 2008, 430, 434. 744 Werner, Gefährdungsschaden, S. 157 ff. Werner kombiniert ein nur für den Untreuetatbestand konzipiertes Einschränkungsmodell mit dem Gesetzesänderungsvorschlag, dass ein direkter Schädigungsvorsatz eingeführt wird (Werner, Gefährdungsschaden, S. 199 ff.). 745 Werner, Gefährdungsschaden, S. 157. 740 Mansdörfer,
186
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
des endgültigen Schadens mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist“746. Bei der dogmatischen Begründung seines Einschränkungsmodells betont Werner die notwendige Verbindung zwischen Vermögensgefährdung und deren Produkt, d. h. des endgültigen Vermögensschadens, und nimmt aufgrund des Grundsatzes „in-dubio-pro-reo“ nur dann eine Vermögensgefährdung an, wenn der Eintritt des endgültigen Vermögensschadens als gewiss eingestuft werden kann747. Wenn dieser dagegen nur denkbar oder möglich ist, muss eine Untreuestrafbarkeit ausscheiden748. Ein zweites Argument für das Abgrenzungskriterium der – an Sicherheit grenzenden – Wahrscheinlichkeit der Weiterentwicklung des Gefährdungsschadens in einen endgültigen Schaden ergibt sich nach Werner aus dem Vergleich zwischen Vermögensgefährdung und effektivem Vermögensschaden mit der Erfolgszurechnung bei Unterlassungsdelikten749. Da bei beiden Situationen Ungewissheit bzw. Unsicherheit hinsichtlich des Eintritts des Erfolgs besteht, sind nach Werner die für die Unterlassungsdelikte entwickelten Grundsätze auch auf die Vermögensgefährdung übertragbar750. Danach hängt die Strafbarkeit von einer Prognoseentscheidung hinsichtlich eines zu diesem Zeitpunkt noch ungewissen Umstands ab751. In einem zweiten Schritt überprüft und bejaht Werner die Vereinbarkeit seines Ansatzes mit verschiedenen Grundsätzen des Strafrechts (wie z. B. das Bestimmtheitsgebot, die Lehre von der objektiven Zurechnung, das „ultima-ratio-Prinzip“ und der Gleichheitsgrundsatz)752 und betont ferner, dass er die strukturellen Unterschiede zwischen Betrug und Untreue753 sowie bestimmte Opferschutzgesichtspunkte754 berücksichtige. Schließlich untersucht Werner die Auswirkung seines im Hinblick auf die Untreue konzipierten Einschränkungsmodells auf verschiedene Untreuefallgruppen755 und kommt zu dem Ergebnis, dass sein Modell eine sachgerechte Abgrenzung zwischen straflosem Versuch und strafbarer Vermögensgefährdung leistet756. 746 Werner, 747 Werner, 748 Werner, 749 Werner, 750 Werner, 751 Werner, 752 Werner, 753 Werner, 754 Werner, 755 Werner, 756 Werner,
Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden, Gefährdungsschaden,
S. 158. S. 158 ff. S. 159. S. 161 ff. S. 162. S. 160 f. S. 163 ff. S. 178 ff. S. 183 f. S. 185 ff. S. 197 f.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 187
dd) Bedürfnis nach einer eigenständigen Einschränkungslösung bei der Untreue Beim Untreuetatbestand ist die Gefahr der Vorverlagerung der Strafbarkeit und der Umgestaltung von einem Verletzungsdelikt zu einem Gefährdungsdelikt höher als beim Betrugstatbestand. Sowohl der Mangel an klaren Konturen im objektiven Tatbestand und das Fehlen einer Bereicherungsabsicht auf der subjektiven Tatseite (im Gegensatz zu § 263 StGB) als auch die Entscheidung des deutschen Strafgesetzgebers, den Untreueversuch straflos zu lassen, haben zur Folge, dass der Gefährdungsschaden bei der Untreue nur unter strengeren Anforderungen bejaht werden kann als der Gefährdungsschaden in Form des Vermögensschadens beim Betrug. Es ist ersichtlich, dass die völlige Gleichsetzung des Vermögensschadens bei Betrug und Untreue im Hinblick auf die schadensdarstellende oder schadensbegründende Vermögensgefährdung problematisch sein kann. Zweifelhaft ist daher, ob eine einheitliche Lösung existiert, die auf die Besonderheiten des Untreuetatbestandes Rücksicht nimmt und auf beide Delikte angewendet werden kann757. Unterschiede zwischen Betrug und Untreue ergeben sich des Weiteren daraus, dass der Betrug ein Delikt bewusster Selbstschädigung ist und die Untreue als ein Fremdschädigungsdelikt eingeordnet wird. Hieraus folgt auch, dass keine allgemeingültige Lösung für §§ 263, 266 StGB gefunden werden kann. Daher ist eine eigenständige Lösung beim Untreuetatbestand erforderlich. Da der Betrug als Delikt unbewusster Selbstschädigung ausgestaltet ist758, verlangt die Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten im Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung i. S. d. § 263 StGB eine opferorientierte Lösung. Von den bereits vertretenen opferorientierten betrugsspezifischen Einschränkungsmodellen wirkt Schröders Herrschaftsmodell am vorzugswürdigsten759. Lackners760 und Lenckners761 Einschränkungsmodelle sind erklärungsbedürftig und bieten keine im Hinblick auf den Betrugstatbestand befriedigende Lösungen. Die Untreue ist hingegen anders als der Betrug formuliert und setzt ein pflichtwidriges Handeln von innen (d. h. seitens des Täters ohne Handlungen des Opfers) voraus. M. a. W.: Im Mittelpunkt der Einschränkungslösung muss beim Betrug das Opfer, bei 757 So auch Riemann, Vermögensgefährdung, S. 54; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 Rn. 153. 758 Vgl. Perron, in: FS-Tiedemann, S. 742; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 73 f.; Mosenheuer, NStZ 2004, 179, 180 f.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 181. 759 Vgl. B. V. 1. c) cc) (3) (b). 760 Vgl. B. V. 1. c) cc) (3) (a). 761 Vgl. B. V. 1. c) cc) (3) (c).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
der Untreue jedoch der Täter stehen. Dies bedeutet, dass das für den Betrugstatbestand opferorientierte Einschränkungsmodell auf den Untreuetatbestand kaum anwendbar sein kann. Bei § 266 StGB ist daher eine eigenständige täterorientierte Einschränkungslösung begrüßenswert. Aus diesen Ausführungen wird klar ersichtlich, dass eine einheitliche Lösung nicht existiert. Die strukturellen Untreuebesonderheiten, die Straflosigkeit des Untreueversuchs sowie die Ausgestaltung der Untreue als Fremdschädigungsdelikt machen es zwingend, dass hinsichtlich des Gefährdungsschadens strengere Anforderungen zu stellen sind als beim Betrug. Eine untreuespezifische Einschränkungslösung ist daher erforderlich, um den Untreuetatbestand im Hinblick auf Art. 103 II GG zu beschränken. ee) Zwischenergebnis Die wirtschaftliche Betrachtungsweise des Vermögens hat zur Folge, dass nicht nur der endgültige Vermögensschaden, sondern auch die Gefahr des Eintritts eines endgültigen Vermögensschadens einen Vermögensschaden i. S. d. § 263 StGB bzw. Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB begründen kann762. Zwischen effektivem Vermögensschaden und Vermögensgefährdung besteht kein qualitativer, sondern nur ein quantitativer Unterschied, denn beide stellen verschiedene Grade der Vermögensbeschädigung dar763. In diesem Sinne verdient der Terminus „Gefährdungsschaden“ oder „schadensdarstellende“ bzw. „schadensbegründende“ Vermögensgefährdung statt der in der Rechtsprechung entwickelten „schadensgleichen“ Vermögensgefährdung den Vorzug764. Um die Umgestaltung des Betrugs und vornehmlich der Untreue (wegen ihrer strukturellen Besonderheiten und der Straflosigkeit des Untreueversuchs) in bloße Gefährdungsdelikte und die Vorverlagerung der Vollendungsstrafbarkeit zu vermeiden, haben Literatur und Rechtsprechung bei der Annahme eines Gefährdungsschadens als Vermögensschaden Einschränkungsmodelle entwickelt. Die Rechtsprechung geht seit jeher von der Konkretheit der Gefahr als Abgrenzungskriterium aus und hat aufgrund dieses Kriteriums Fallgruppen der sog. „konkreten schadensgleichen Vermögensgefährdung“ gebildet, wie z. B. der Eingehungsbetrug und Kreditbetrug, die Risikogeschäfte und Kredituntreue, die unordentliche Buchführung sowie die Bildung schwarzer 762 Vgl.
B. V. 1. c) a). B. V. 1. c) aa) (1). 764 Vgl. B. V. 1. c) aa) (1). 763 Vgl.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 189
Kassen765. Teile der Lehre haben zu Recht die Konkretheit der Gefahr als unklares und ungenaues Einschränkungsmittel kritisiert766. Das BVerfG hat hingegen in letzter Zeit dem Erfordernis der Konkretheit als zureichendes Einschränkungskriterium zugestimmt, aber auch betont, dass die Auslegung des Vermögensschadens als Gefährdungsschaden sich in den äußersten noch zulässigen Grenzen bewegt767. Die Kontroverse, die in neuester Zeit zwischen den Senaten des BGH zum Gefährdungsschaden stattfindet, muss dringend vom Großen Senat des BGH gelöst werden768. Die Theoretiker haben auch zahlreiche Einschränkungsmodelle entwickelt, um die strafbedürftigen von den nicht strafbedürftigen Vermögensgefährdungen abzugrenzen. Die von Naucke und Otto erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Einbeziehung einer Vermögensgefährdung in den Vermögensschaden werden in der Lehre überwiegend abgelehnt. Nauckes Ansicht ist methodisch verfehlt und kriminalpolitisch unhaltbar, da er die Erforderlichkeit der Synthese sämtlicher Auslegungsmethode übersieht und typische Fälle der Vermögensgefährdung straflos lässt769. Otto stützt seine Ansicht auf den unhaltbaren Gedanken, dass die Vermögensgefährdung keinen Schaden darstelle, sondern nur ein Vorstadium des Vermögensschadens sei. Sein Versuch, sämtliche Fälle der Vermögensgefährdung als effektiven Vermögensschaden anzusehen, verlagert den Schadenseintritt vor, vermischt den Gefährdungsschaden mit dem effektiven Schaden und wandelt Betrug und Untreue von Verletzungs- in Gefährdungsdelikte um770. Seelmann schlägt eine täterorientierte Lösung vor, die das Vorliegen der Vermögensgefährdung von der (mangelnden) Beherrschbarkeit der Gefahr durch den Täter abhängig macht. Seine Ansicht ist sowohl beim Betrug als auch bei der Untreue mangels weiterer Einschränkung abzulehnen, denn sie stellt die Vermögensgefährdung bei Betrug und Untreue mit der konkreten Gefahr bei den Gefährdungsdelikten gleich und ist mithin mit der gesetz lichen Ausgestaltung des Betrugs- und Untreuetatbestandes als Verletzungsdelikt unvereinbar. Seelmann ist nur im Hinblick auf den Untreuetatbestand die täterorientierte Betrachtungsweise zuzugeben771. 765 Vgl. 766 Vgl. 767 Vgl. 768 Vgl. 769 Vgl. 770 Vgl. 771 Vgl.
B. B. B. B. B. B. B.
V. V. V. V. V. V. V.
1. 1. 1. 1. 1. 1. 1.
c) c) c) c) c) c) c)
bb) (1). bb) (1). bb) (2). bb) (3). cc) (1) (a). cc) (1) (b). cc) (2).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Lackners opferorientierte Einschränkungslösung, nach welcher eine Vermögensgefährdung vorliegt, wenn das Opfer selbst die Vermögensminderung – ohne Hinzutreten weiterer Umstände – vornehmen kann, geht nicht weit genug. Sie wäre außerdem wegen der opferorientierten Betrachtungsweise nur auf den Betrug und nicht auch auf die Untreue anwendbar772. Schröder entwickelt ein Herrschaftsmodell, das aufgrund eines opferorientierten Herrschaftsgedankens für Betrug und Erpressung konzipiert ist. Er schließt das Vorliegen einer Vermögensgefährdung aus, wenn es für den Eintritt des endgültigen Schadens noch weiterer Handlungen im Herrschaftsbereich des Opfers oder eines Dritten bedarf. Schröders Einschränkungslösung erscheint nur im Hinblick auf Betrug und Erpressung überzeugend. Sie ist wegen des opferorientierten Herrschaftsgedankens nicht auf den Untreue tatbestand übertragbar773. Nach Lenckners opferorientierter Einschränkungslösung liegt nur dann eine Vermögensgefährdung vor, wenn sich die Gefahr einer realen Einbuße von Vermögenswerten bereits so sehr verdichtet hat, dass ein objektiver Betrachter in der Lage des Vermögensträgers den Vermögenswert praktisch jetzt schon endgültig abschreiben müsste. Lenckners Ansatz ist zuzugeben, dass er strenge Anforderungen an die Vermögensgefährdung stellt, er ist jedoch wegen seiner Unklarheiten nicht überzeugend. Er stellt nicht klar, wann sich eine Vermögensgefährdung so sehr verdichtet hat, dass der in Frage kommende Vermögenswert praktisch endgültig abgeschrieben wird. Fraglich ist schließlich die Anwendbarkeit dieser Lösung auf den Untreuetatbestand, denn es handelt sich auch hierbei um ein täterorientiertes Einschränkungsmodell774. Die zivilrechtsorientierten Einschränkungsversuche der Lehre sind auch nicht haltbar. Cramer bejaht eine Vermögensgefährdung, wenn sie sich für das Vermögensgut so weit verdichtet hat, dass die Zivilrechtsordnung Ausgleichsansprüche entweder in Form des Schadensersatzanspruches oder in Form des Beseitigungsanspruches gewährt. Cramers Ansicht ist wegen ihrer kriminalpolitisch unhaltbaren Ergebnisse im Hinblick sowohl auf den Betrug als auch auf die Untreue abzulehnen, denn sie führt zur Straflosigkeit eines wesentlichen Teils der typischen Fälle der Vermögensgefährdung (z. B. Eingehungsbetrug, Kreditbetrug), während sie in anderen Fällen immer zur Strafbarkeit führt775. Auch Hefendehls zivilrechtsorientierter Einschränkungslösung ist nicht zuzustimmen. Er macht das Vorliegen einer Vermögensgefährdung davon 772 Vgl.
B. B. 774 Vgl. B. 775 Vgl. B. 773 Vgl.
V. V. V. V.
1. 1. 1. 1.
c) c) c) c)
cc) cc) cc) cc)
(3) (3) (3) (4)
(a). (b). (c). (a).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 191
abhängig, ob dem drohenden endgültigen Vermögensverlust aufgrund bilanzrechtlicher Vorschriften keine Vermeidemöglichkeiten des Bedrohten mehr entgegenstehen. Die Auswirkung von bilanzrechtlichen Vorschriften auf das Strafrecht kann die Prüfung des Vorliegens einer Vermögensgefährdung verkomplizieren und mithin Rechtsunsicherheit und verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne des Art. 103 Abs. 2 GG aufwerfen. Hefendehl modifiziert sein Modell im Hinblick auf den Untreuetatbestand dadurch, dass eine Vermögensgefährdung immer ausscheidet, wenn der Täter zum Ausgleich des durch ihn verursachten Vermögensabflusses bereit ist. Die Vorverlagerung der Strafbarkeit im Versuchsstadium kann aber nicht vermieden werden776. Riemann hat ferner vorgeschlagen, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung im Sinne des Betrugstatbestandes durch das Unmittelbarkeitsprinzip einzuschränken. Er spricht von einer „doppelten Unmittelbarkeit“, nach welcher die Vermögensverfügung unmittelbar die Gefährdung herbeiführen muss und sich darüber hinaus unmittelbar zu einem effektiven Schaden entwickeln kann. Probleme wirft Riemanns Ansatz im Hinblick auf den Betrugstatbestand auf, denn es handelt sich um eine täter orientierte Lösung, die mit dem Charakter des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt unvereinbar ist. Des Weiteren bedeutet dieser Ansatz eine zu starke Einschränkung des Versuchsbereichs beim Betrug. Probleme wirft die Anwendung von Riemanns Modell auch beim Untreuetatbestand auf, denn es lässt die Frage offen, ob eine Vermögensgefährdung vorliegt, wenn der Eintritt des endgültigen Vermögensschadens von Handlungen einer dritten Person abhängt. Außerdem mangelt es ihm an Genauigkeit und Klarheit777. Auch die von Matt, Saliger und Dierlamm vertretene Ansicht, dass die Unmittelbarkeit den Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens im Sinne des § 266 StGB eingrenzen kann, ist mangels weiterer Konkretisierung bzw. Einschränkung nicht überzeugend778. Weniger hilfreich ist außerdem die Lehre der objektiven Zurechnung, die lediglich Leitlinien für die Untreuestrafbarkeit vorgibt und die Gefahr in sich birgt, die Untreue vom Verletzungsdelikt in ein Gefährdungsdelikt umzudeuten779. Da die im Hinblick auf § 263 StGB entwickelten Einschränkungsmodelle aus verschiedenen Gründen nicht auf § 266 StGB übertragen werden kön776 Vgl.
B. B. 778 Vgl. B. 779 Vgl. B. 777 Vgl.
V. V. V. V.
1. 1. 1. 1.
c) c) c) c)
cc) cc) cc) cc)
(4) (b). (5). (6) (a) (aa), (bb), (cc). (6) (b).
192
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
nen und die Besonderheiten und Unterschiede der Untreue im Vergleich zum Betrug beachten werden müssen, gehen Teile des Schrifttums von einer eigenständigen Einschränkungslösung für den Untreuetatbestand aus. § 266 StGB fordert nicht nur wegen der strukturellen Besonderheiten des objektiven und subjektiven Tatbestandes und der Straflosigkeit des Untreueversuchs, sondern auch wegen der Ausgestaltung der Untreue als Fremdschädigungsdelikt ein eigenständiges Einschränkungsmodell. 2. Der Eintritt des Vermögensnachteils in Form des Gefährdungsschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse gem. § 266 StGB Schon seit vielen Jahrzehnten bezweifeln Literatur und Rechtsprechung, ob die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse zu einem Vermögensschaden führt. Die herrschende in der Literatur und Rechtsprechung vertretene Ansicht nimmt einen Vermögensnachteil in Form eines Gefährdungsschadens an, jedoch mit unterschiedlicher Begründung dieses Gefährdungsschadens. Vor der eingehenden Auseinandersetzung mit der im Hinblick auf die schwarzen Kassen entwickelten Rechtsprechung und Literatur muss man die Übertragbarkeit der bereits erklärten Einschränkungsansätze zum Gefährdungsschaden auf die Schwarzekassenproblematik prüfen, um festzustellen, ob bzw. aus welchem Grund eine modifizierte oder eine selbständige Lösung im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen gefunden werden muss. In einem zweiten Schritt ist die vorhandene Rechtsprechung hinsichtlich des Vermögensnachteils durch die Bildung schwarzer Kassen darzulegen. Die höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt seit jeher einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung der schwarzen Kassen an, jedoch mit unterschiedlicher Begründung. Anschließend werden die explizit im Hinblick auf die schwarzen Kassen entwickelten Einschränkungsansätze der Lehre behandelt. Die Meinungen in der Literatur sind geteilt, die meisten Autoren gehen aber mit unterschiedlicher Argumentation vom Gefährdungsschaden aus. In einem letzten Schritt wird die in jüngster Zeit vom 2. Senat des BGH im Kanther-Fall vorgeschlagene „subjektive Lösung“ vorgestellt.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 193
a) Die Übertragbarkeit der betrugs- und untreuespezifisch entwickelten Einschränkungsansätze auf die Bildung schwarzer Kassen Es muss zuerst untersucht werden, ob die oben erklärten Einschränkungsversuche auf die besondere Problematik der Bildung schwarzer Kassen angewendet werden können. Da die Bildung schwarzer Kassen nach ständiger Rechtsprechung seit jeher eine erhebliche Fallgruppe der Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB bildet780, ist erstens prüfenswert, welche Ergebnisse die Anwendung des in der Rechtsprechung entwickelten Einschränkungskriteriums der Konkretheit der schadensgleichen Vermögensgefährdung auf die schwarzen Kassen erzielt781. Wie bereits erklärt wurde, wird die Konkretheit der Gefahr von Teilen des Schrifttums zu Recht als unklares, unzureichendes und uneinheitliches Einschränkungskriterium kritisiert, da es nur abstrakte Gefährdungen als Vermögensgefährdungen i. S. d. §§ 263, 266 StGB ausschließt und nicht weiter klarstellt, ab welchem Gefährdungsgrad eine bloß konkrete Gefährdung als konkret i. S. d. §§ 263, 266 StGB qualifiziert werden muss782. Hieraus folgt, dass bei der Auseinandersetzung sowohl mit Betrugs- und Untreuefällen im Allgemeinen als auch mit der besonderen Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine konkrete Vermögensgefährdung vorliegt. Demzufolge liegt die Gefahr willkürlicher Entscheidungen zu Lasten des Angeklagten nahe. Das Eingrenzungskriterium der Konkretheit ist daher auch explizit im Hinblick auf die Schwarzekassenproblematik wegen der Unklarheit, Unbestimmtheit und Rechtsunsicherheit abzulehnen783. Keine Anwendung auf die Bildung schwarzer Kassen kann weiterhin die Ansicht von Naucke finden, die die Vermögensgefährdung als Vermögensschaden wegen Verstoßes gegen das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG und unter Berufung auf seine Entstehungsgründe völlig ablehnt784. Nauckes Ansicht wird zu Recht nicht nur als methodisch verfehlt, sondern 780 Zur neuesten Rechtsprechung des. 2 Senats des BGH, die bereits den Eintritt eines endgültigen Schadens durch die Bildung schwarzer Kassen bejaht, vgl. B. V. 3. 781 Zur Konkretheit einer schadensgleichen Vermögensgefährdung vgl. B. V. 1. c) bb) (1). 782 Hefendehl, in: MüKo StGB, § 263 Rn. 538; ders., Vermögensgefährdung, S. 55; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 StGB Rn. 153; Neye, Untreue, S. 75; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 24 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 70; Werner, Gefährdungsschaden, S. 26, 121 f., 209; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262. 783 s. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 69 f. 784 Vgl. B. V. 1. c) cc) (1) (a).
194
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
auch als kriminalpolitisch unhaltbar kritisiert785. Sie lässt typische Fälle des Gefährdungsschadens – darunter auch die Bildung schwarzer Kassen – immer straflos786 und ist deswegen auch im Hinblick auf die Schwarzekassenproblematik nicht tragbar. Besonders interessant ist ferner die Anwendung von Ottos Ansicht auf die Bildung schwarzer Kassen787. Danach verstoße die Annahme einer Vermögensgefährdung als Vermögensschaden aufgrund des Wortlauts der Norm gegen Art. 103 Abs. 2 GG, denn die Vermögensgefährdung sei nur eine Vorstufe des Vermögensschadens. Im Gegensatz zu Naucke lässt aber Otto die meisten typischen Fälle des Gefährdungsschadens nicht straflos, sondern qualifiziert sie bereits als Fälle effektiven Vermögensschadens788. Zur Bildung schwarzer Kassen hat sich Otto aber nicht ausdrücklich geäußert789. Trotzdem kann behauptet werden, dass seine Ansicht immer zum Vorliegen eines effektiven Vermögensschadens und mithin zur Untreuestrafbarkeit durch die Bildung schwarzer Kassen führen könnte, denn die Verschleierung der Geldmittel des Vermögensträgers könnte eine Wertminderung des Kassenbestands bedeuten790. Ottos Ansicht kann daher nicht auf die Bildung schwarzer Kassen übertragen werden, denn sie führt zu dem kriminalpolitisch unhaltbaren Ergebnis, dass die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse immer einen echten Vermögensschaden begründet und immer zur Untreuestrafbarkeit führt. Daraus ergibt sich, dass eine sachgerechte Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vermögensgefährdung unter Zugrundelegung der von Otto vertretenen Ansicht nicht erreicht wird. Welche Folgen eine derartige Erweiterung des Anwendungsbereichs des endgültigen Vermögensschadens auf das geschützte Vermögen der Untreue haben kann, ist im nächsten Kapitel zu prüfen791. Untersucht wird weiterhin, ob Seelmanns täterorientierte Einschränkungslösung auf die schwarzen Kassen übertragbar ist792. Wie bereits erklärt wurde, ist eine täterorientierte Lösung im Hinblick auf den Charakter der Untreue als ein Fremdschädigungsdelikt, das die Verletzung des Ver785 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 19 f.; Cramer, Vermögensbegriff, S. 29, Fn. 39, auch 32 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 51 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 124 f. Zur Kritik an Nauckes Ansicht vgl. B. V. 1. c) cc) (1) (a). 786 Naucke, Betrug, S. 215; vgl. Riemann, Vermögensgefährdung, S. 20; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 52. 787 Vgl. B. V. 1. c) cc) (a) (b). 788 Zur Kritik an Ottos Ansicht vgl. B. V. 1. c) cc) (1) (b). 789 Hierzu vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 53. 790 s. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 53. 791 Vgl. B. V. 3. a) bb). 792 Vgl. B. V. 1. c) cc) (2).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 195
mögens durch das Handeln des Täters voraussetzt, prinzipiell unterstützenswert793. Seelmanns täterorientiertes Eingrenzungsmodell bedeutet für die Bildung schwarzer Kassen, dass der Täter, der die schwarze Kasse nur bildet, sich noch nicht wegen Untreue strafbar macht, da noch keine Vermögensgefährdung vorliegt794. Wenn hingegen der Täter die schwarze Kasse bildet und sie an einen Dritten weitergibt, auf dessen Verhalten er keine Auswirkung hat, liegt immer eine Vermögensgefährdung vor795. Wie für den Untreuetatbestand im Allgemeinen bemerkt wurde, bedarf Seelmanns täterorientierte Lösung aber einer weiteren Konkretisierung, damit der Charakter der Untreue als ein Verletzungsdelikt sichergestellt wird796. Seelmanns Ansatz kann daher für die Bildung schwarzer Kassen keine befriedigende Lösung bieten, obwohl der täterorientierte Herrschaftsgedanken zunächst begrüßenswert ist. Es wurde bereits erklärt, dass die opferorientierten, im Hinblick auf den Betrugstatbestand entwickelten Einschränkungsmodelle auf den Untreuetatbestand nicht übertragbar sind, denn sie machen die Bejahung der Vermögensgefährdung vom Handeln des Opfers abhängig, womit das pflichtwidrige Handeln des Täters im Mittelpunkt des § 266 StGB steht797. Auf die Bildung schwarzer Kassen sind daher die von Lackner, Schröder und Lenckner entwickelten opferorientierten Einschränkungsansätze kaum anwendbar798. Die von Lackner und Lenckner vertretenen Ansätze werden außerdem aus einem weiteren Grund kritisiert. Sie sind zu unbestimmt und unklar und bedeuten, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob durch die Bildung schwarzer Kassen eine Vermögensgefährdung vorliegt; daher sind sie mangels weiterer Konkretisierungen als unbefriedigende Lösungen im Hinblick sowohl auf den Betrugs- als auch auf den Untreuetatbestand und die Schwarzekassenproblematik abzulehnen799. Zu unbefriedigenden Ergebnissen führt darüber hinaus auch Cramers zivilrechtsorientiertes Einschränkungsmodell800. Dieses ist ebenfalls abzulehnen, denn es führt einerseits zur Straflosigkeit eines wesentlichen Anwendungsbereichs der Vermögensgefährdung beim Betrugs- sowie beim Un 793 Vgl.
B. V. 1. c) cc) (2). Schwarze Kassen, S. 71. 795 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 71. 796 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 50; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 72; vgl. B. V. 1. c) cc) (2). 797 Vgl. B. V. 1. c) cc) (1) bis (3). 798 Vgl. B. V. 1. c) cc) (1) bis (3). 799 s. B. V. 1. c) cc) (3) (a), (c). Vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 54, 55; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 28 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 131 f. 800 Vgl. B. V. 1. c) cc) (4) (a). 794 Strelczyk,
196
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
treuetatbestand und andererseits zur Strafbarkeit anderer nicht strafbewehrter Fälle der Vermögensgefährdung801. Für die Schwarzekassenproblematik bedeutet Cramers Modell, dass ein Gefährdungsschaden durch die Bildung schwarzer Kassen immer bejaht wird, denn der Vermögensträger hat – gerade durch die Bildung der schwarzen Kasse – gegen den Täter immer den schuldrechtlichen Anspruch auf Aufdeckung der schwarzen Kasse und Zuführung der verschleierten Geldmittel in den offiziellen Finanzkreislauf gem. § 280 Abs. 1 BGB802. Hefendehl und Riemann haben Einschränkungsmodelle im Hinblick auf den Betrug entwickelt und sie anschließend auf besondere Untreuefälle (darunter auch die Bildung schwarzer Kassen) ausgedehnt803. Die Auswirkung dieser Eingrenzungsversuche auf die Bildung schwarzer Kassen wird im nächsten Kapitel eingehend geprüft804. Nicht weit genug geht auch das von Matt, Saliger und Dierlamm vorgeschlagene Eingrenzungsmodell, nach welchem die Unmittelbarkeit die strafbedürftigen von den nicht strafbedürftigen Vermögensgefährdungen i. S. d. § 266 StGB abgrenzen kann805. Wie bereits festgestellt wurde, kann die Unmittelbarkeit lediglich als Kriterium für die Abgrenzung von abstrakten Gefahren dienen806. Daraus folgt, dass sie mangels weiterer Konkretisierungen für die Bildung schwarzer Kassen nicht überzeugend ist. Keine befriedigende Einschränkungslösung bietet ferner die Lehre der objektiven Zurechnung807. Diese beantwortet nicht, ab welchem Grad eine Gefährdung einen Vermögensnachteil nach § 266 StGB begründen kann. Die Gefahr liegt daher nahe, dass die Untreue zu einem Gefährdungsdelikt umgestaltet wird. Die Lehre der objektiven Zurechnung ist daher kein geeignetes Einschränkungsmittel für den Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB im Allgemeinen und die Bildung schwarzer Kassen im Besonderen. Werner hat sich schließlich zur Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen ausdrücklich geäußert und seinen Einschränkungsansatz direkt auf die Bildung schwarzer Kassen übertragen. Sein Ansatz speziell zur Bildung schwarzer Kassen wird im nächsten Kapitel dargestellt808. 801 Vgl.
B. V. 1. c) cc) (4) (a). Schwarze Kassen, S. 58, 60 f.; zust. Werner, Gefährdungsschaden,
802 Strelczyk,
S. 134. 803 Vgl. 804 Vgl. 805 Vgl. 806 Vgl. 807 Vgl. 808 Vgl.
B. B. B. B. B. B.
V. V. V. V. V. V.
1. 1. 1. 1. 1. 2.
c) c) c) c) c) c)
cc) (4) (b), (5). aa), dd) (1). cc) (6) (a) (aa), (bb). cc) (6) (a) (cc). cc) (6) (b). cc) (2).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 197
Aus diesen Ausführungen folgt, dass keine der oben erklärten Einschränkungslösungen geeignet ist, das Problem des Eintritts eines Vermögensnachteils in Form des Gefährdungsschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse zu lösen. Es ist nun ausführlich zu analysieren, wie die Recht sprechung und die Strafrechtslehre die Fallgruppe der schwarzen Kassen behandelt. b) Die frühere Rechtsprechung zur Bildung schwarzer Kassen aa) Die Annahme einer Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen – Die verwendungszweck(un)abhängige Lehre Die Rechtsprechung hat sich seit Jahrzehnten mit zahlreichen Fällen der Bildung schwarzer Kassen beschäftigt, die zumeist in der öffentlichen Verwaltung stattfanden. Das Reichsgericht und anschließend der Bundesgerichtshof haben in den meisten Fällen den Vermögensnachteil in Form der Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse bejaht, jedoch mit uneinheitlicher Begründung809. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat darauf hingewiesen, dass die Entziehung der Überwachung oder der Kontrolle des Vermögensinhabers810, die unordentliche Buchführung811, die Lockerung der Herrschaft des Vermögensinhabers812, die Geheimhaltung der Geldmittel813, der Verlust der sofortigen Verfügbarkeit der Geldmittel durch den Vermögensinhaber814 oder die unsichere Rückerlangung der geheim gehaltenen Gelder815 eine Vermögensgefährdung darstellen können. Eine erheb liche Rolle für die Annahme der Vermögensgefährdung durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse spielt aber nach der Auffassung der Rechtsprechung die Formulierung „die Gelder fehlten dort, wo sie hätten sein sollen und im Sinne des Vermögensinhabers hätten verwendet werden können“816, die in mehreren Entscheidungen benutzt wurde. Es muss hervorgehoben werden, dass in den meisten gerichtlichen Entscheidungen der vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 127 f. HRR 1936 Nr. 1601; RGSt 71, 155; RG, HRR 1938 Nr. 1515; RG, DR 1943, 1039. 811 RG, HRR 1936 Nr. 1601; BGH, GA 1956, 121; BGH, GA 1956, 154. 812 RGSt 71, 155. 813 RG, HRR 1940 Nr. 1215. 814 BGH, GA 1956, 154. 815 BGH, NStZ 1984, 549. 816 RGSt 71, 155; RG, HRR 1938 Nr. 1515; BGH, GA 1956, 154. 809 Hierzu 810 RG,
198
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Verwendungszweck des Täters für die Annahme bzw. Ablehnung der Vermögensgefährdung bedeutungslos ist. Wenn der Täter zu einem späteren Zeitpunkt die verborgenen Geldmittel im materiellen Interesse des Vermögensinhabers verwendet, liegt nach der Rechtsprechung nur eine Wiedergutmachung des bereits eingetretenen Vermögensnachteils vor. In dieser Hinsicht kann man von der sog. „verwendungszweckunabhängigen Linie“ der Rechtsprechung sprechen. Wenn hingegen die verborgenen Geldmittel letzten Endes zweckwidrig verwendet werden, liegen nur eine Schadensvertiefung und keine neue Untreuehandlung vor. In manchen gerichtlichen Entscheidungen ist aber der Verwendungszweck des Täters für die Beurteilung der Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen von entscheidender Bedeutung. Danach kann die Absicht des Täters, die geheim gehaltenen Geldmittel später im Interesse des Geschäftsherrn zu verwenden, die Vermögensgefährdung ausschließen. Nur die Absicht des Täters, das in der schwarzen Kasse aufbewahrte Geld zu aufgabenwidrigen oder eigennützigen Zwecken zu verwenden, kann eine Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung der schwarzen Kasse darstellen. Diese Ansicht bildet die sog. „verwendungszweckabhängige Linie“ der Rechtsprechung. Die Bezeichnung und die Unterscheidung zwischen den verwendungszweckabhängigen und -unabhängigen Linien der Rechtsprechung wurde von Saliger817 vorgeschlagen und in der Strafrechtslehre überwiegend anerkannt. Nach Saliger bedeutet die verwendungszweckunabhängige Bestimmung der Konkretheit der Vermögensgefahr bei der Bildung schwarzer Kassen, dass allein schon die Existenz der schwarzen Kasse eine konkrete Gefahr für das fremde Vermögen darstellt, unabhängig von der beabsich tigen Verwendung der verborgenen Geldmittel818. Im Gegensatz dazu versteht Saliger die verwendungszweckabhängige Lesart der Bildung schwarzer Kassen als die Ausrichtung der Konkretheit der Vermögensgefahr an der materiellen Zweckkonformität der Mittelverwendungsabsicht des „Schwarzekassenverwalters“819.
817 Saliger,
Parteiengesetz, S. 410 ff. Parteiengesetz, S. 411; ders., NStZ 2007, 545, 547. 819 Saliger, Parteiengesetz, S. 411; ders., NStZ 2007, 545, 547. 818 Saliger,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 199
(1) Die verwendungszweckunabhängige Linie der Rechtsprechung (a) Die Rechtsprechung des Reichsgerichts In seiner Entscheidung vom 22.05.1936820 wies das Reichsgericht darauf hin, dass die Angeklagten durch die Bildung schwarzer Kassen (d. h. einer Art Sondervermögen) das SA-Vermögen entziehen und es schädigen könnten. Das RG stützte den Gefährdungsschaden auf den Kontrollverlust des Vermögensinhabers und die unordentliche Buchführung, die keine oder doch nur eine ganz ungenügende Übersicht über das Vermögen ergab. Das RG betonte einerseits, dass eine Untreuestrafbarkeit in Betracht komme, wenn die Angeklagten die Gelder zweckwidrig oder eigennützig verwenden wollen. Andererseits lies es aber die Frage offen, ob eine Untreuestrafbarkeit auch bejaht werden könnte, wenn die Angeklagten vorhätten, die Gelder letzten Endes im Interesse des Vermögensträgers zu verwenden. In dieser Hinsicht ist kaum mit Sicherheit zu beantworten, ob das Reichsgericht im vorliegenden Fall der verwendungszweckunabhängigen oder der verwendungszweckabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen folgte. Die Begründung der Vermögensgefährdung durch die Entziehung der Kontrolle des Vermögensträgers und die unordentliche Buchführung ist aber eher mit der verwendungszweckunabhängigen Lehre vereinbar. So kann sich aus dieser Begründung ergeben, dass sich das Reichsgericht an der verwendungszweck unabhängigen Lehre orientierte821. In seiner Entscheidung vom 11.03.1937822 nahm das Reichsgericht einen Gefährdungsschaden durch die Bildung einer schwarzen Kasse an. Das RG begründete die Vermögensgefährdung im zugrunde liegenden Fall dadurch, dass die Bildung der schwarzen Kasse die Entziehung der Überwachung der Haushaltsmittel und die Lockerung bzw. die Beeinträchtigung der Herrschaft des Vermögensinhabers bedeutete823. Des Weiteren stützte das RG seine Entscheidung zum ersten Mal auf die Formel „die Gelder fehlten dort, wo sie hätten sein sollen und im Sinne der zuständigen Reichsbehörden hätten verwendet werden können“824. Nach Feststellung des RG besagte letztlich die spätere Verwendung der Gelder zu Gunsten der Filmabteilung nur, dass „dem Angeklagten keine weitere Untreuehandlung zur Last fällt – wie sie 820 RG, HRR 1936 Nr. 1601; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 85; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 80 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 413. 821 Zust. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 81; a. A. Saliger, Parteiengesetz, S. 413. 822 RGSt 71, 155; vgl. auch Bruns, ZakDR 1941, 268, 268; Weimann, Schwarze Kassen, S. 85 f., 127; Saliger, Parteiengesetz, S. 411 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 81 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 288; Schünemann, StraFo 2010, 1, 5. 823 RGSt 71, 155, 157. 824 RGSt 71, 155, 158.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
etwa in der ungetreuen Verfügung über die zunächst nur gefährdeten Mittel liegen könnte – und dass er insoweit den Schaden, der durch die Gefährdung entstanden war, nachträglich wiedergutgemacht hat“825. In dieser Hinsicht nahm das RG im vorliegenden Fall ausdrücklich die sog. verwendungszweckunabhängige Lehre an und hielt die spätere Verwendung der Geldmittel zu Gunsten des Vermögensinhabers nur für eine Schadenswiedergutmachung. In seiner Entscheidung vom 12.05.1938826 verurteilte das RG einen Gauamtsleiter, der von der Gaukasse Geld zum Ankauf eines Kraftwagens für sein Amt verwendete, weil er dadurch das zu betreuende Vermögen des Gauamts gefährdete. Das RG verwies auf RGSt 71, 155 und wiederholte, dass die Entziehung der Kontrolle des zu betreuenden Geldes sowie die Tatsache, dass „die Gelder [dort] fehlten, wo sie hätten sein sollen und im Sinne der zuständigen Stellen der Partei hätten verwendet werden können“, einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung begründeten827. Das Reichsgericht sah außerdem in dem Ziel des Täters, das Geld zu Gunsten der Partei zu verwenden, nur eine beabsichtigte Schadenswiedergutmachung und stimmte der verwendungszweckunabhängigen Lehre der schwarzen Kassen ausdrücklich zu828. In einem anderen Urteil vom 15.01.1940829 wies das RG darauf hin, dass das Vermögen des Treugebers durch die Geheimhaltung der zu betreuenden Geldmittel gefährdet wurde. Im sog. „Geschäftsstellenleiter-Fall“830 bejahte das RG im Jahr 1943 die Vermögensgefährdung mit der Begründung, dass der Geschäftsstellenleiter durch die Zuführung der staatlichen Gelder an die Sonderkasse dem Staat die ordnungsgemäße Überwachung der Einnahmen und Ausgaben im Staatshaushalte entzogen habe. Das Reichsgericht folge daher auch im zugrunde liegenden Fall der verwendungszweckunabhängigen Lehre.
825 RGSt
71, 155, 158. HRR 1938 Nr. 1515; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 86, 127; Saliger, Parteiengesetz, S. 412; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 82; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 288 f. 827 RG, HRR 1938 Nr. 1515. 828 RG, HRR 1938 Nr. 1515. 829 RG, HRR 1940 Nr. 1215; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 86, 127; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 82. 830 RG, DR 1943, 1039; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 83; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 288. 826 RG,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 201
(b) Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes Der Bundesgerichtshof übernahm die verwendungszweckunabhängige Lesart der Bildung schwarzer Kassen vom Reichsgericht. In seinem Urteil vom 31.08.1955 im sog. „Bürgermeister-Fall“831 folgte der 3. Senat des BGH der Ansicht des RG, dass durch die Bildung einer schwarzen Kasse das öffentliche Vermögen gefährdet werde, weil der Treugeber durch die unordentliche Buchführung „keine Übersicht über seine Rechte und Pflichten, mithin über seinen Vermögensstand zu gewinnen vermag, so dass er verhindert ist, Ansprüche geltend zu machen, weil er sie nicht erkennt“832. Die Vermögensgefährdung wurde im vorliegenden Fall durch die unordentliche Buchführung begründet und der Verwendungszweck des Bürgermeisters, der uneigennützig gehandelt hat, war für die Vermögensgefährdung ohne Bedeutung. Im sog. „Strafanstaltsleiter-Fall“833 wiederholte der BGH mit seinem Urteil vom 15.12.1955 die Formel, „die Gelder fehlten dort, wo sie hätten sein sollen“, und nahm zusätzlich die Vermögensgefährdung durch die Bildung schwarzer Kassen aufgrund der unordentlichen Buchführung sowie des Verlusts der sofortigen Verfügbarkeit des Vermögens nach Belieben des Staates an834. Der BGH stimmte der verwendungszweckunabhängigen Linie des RG nochmals zu und betonte, dass die spätere Verwendung der Gelder für staatliche Zwecke nur den früheren Vermögensschaden in Form einer Schadenswiedergutmachung beseitigt835. „Nur in Ausnahmefällen kann dann, wenn dieselbe Handlung gleichzeitig einen Schaden und einen sonst nicht eingetretenen Vorteil herbeiführt, ein Nachteil im Sinne des § 266 StGB entfallen“836. Im sog. „Kulturamtsleiter-Fall“837 nahm der BGH noch einmal eine Vermögensgefährdung durch die Bildung schwarzer Kassen an. „Das tatsäch831 BGH, GA 1956, 121; vgl. auch Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 94 f.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 87, 127; Saliger, Parteiengesetz, S. 412 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 83. 832 BGH, GA 1956, 121, 122. 833 BGH, GA 1956, 154; vgl. auch Tiedemann, Fälle und Entscheidungen, S. 183 ff.; Kohlmann / Brauns, Fehlleitung öffentlicher Mittel, S. 95; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 289; Weimann, Schwarze Kassen, S. 87, 127; Saliger, Parteiengesetz, S. 412 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S 83 f. 834 BGH, GA 1956, 154, 155. 835 BGH, GA 1956, 154, 155. 836 BGH, GA 1956, 154, 155. 837 BGH, NStZ 1984, 549 = wistra 1985, 69; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 87 f., 127; Saliger, Parteiengesetz, S. 414; Strelczyk, Schwarze Kassen,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
lich in der schwarzen Kasse aufbewahrte Geld hat der Angeklagte zweckentfremdet und, dazu noch durch Anfertigung falscher Belege, der ordnungsmäßigen haushaltsrechtlichen Überwachung entzogen“838. Dies stellt – so die Auffassung des 2. Senats – „grundsätzlich“ einen Vermögensnachteil dar; Eine Ausnahme liegt nur vor, wenn „ein im Sinne der oben genannten Grundsätze dringender, auf ordnungsgemäßem Weg nicht zu erledigender Ausnahmefall vorliegt oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann“839. Die unsichere Rückerlangung von Geldern begründet daher auch eine Vermögensgefährdung840. Im sog. „Schulleiter-Fall“841 wiederholte der 4. Senat des BGH die verwendungszweckunabhängige Linie und nahm an, dass die Verwendung der Gelder im Interesse der Schule und damit im Interesse des Landschaftsverbandes die Vermögensgefährdung nicht ausschloss, denn es handelte sich rechtlich nicht um einen „Teil der Untreuehandlung“, sondern sie „auf neuem, von diesem unabhängigen Handeln“ beruhte842. Es konnte deshalb nur als Wiedergutmachung der durch die Bildung verursachten Nachteilszufügung angesehen werden843. Der 4. Senat betonte jedoch weiter, dass an die Feststellung des Vorsatzes strenge Anforderungen zu stellen seien844. Bemerkenswert ist, dass der 4. Senat sich auf die Darlegung der verwendungszweckunabhängigen Lehre beschränkte und die Begründung der Vermögensgefährdung nicht ausführte. In seinem Beschluss vom 27.05.1992845 beschäftigte sich der BGH mit einem Angestellten, der am Anfang schwarze Konten im Interesse seiner Arbeitgeberin bildete und verwendete und am Ende die in ihnen aufbewahrten Geldmittel für sich behielt. Der 2. Senat bejahte eine Vermögensgefährdung durch die Bildung der schwarzen Konten und verurteilte den Angeklagten wegen Untreue für die Bildung der schwarzen Auslandskonten im Firmeninteresse sowie wegen Veruntreuung, da er anschließend die angesammelten Vermögensgegenstände für sich behielt.
S. 84 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 289; Coenen, Haushaltsrecht, S. 51 ff.; Schünemann, StraFo 2010, 1, 6. 838 BGH, NStZ 1984, 549, 550. 839 BGH, NStZ 1984, 549, 550. 840 BGH, NStZ 1984, 549, 550; s. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 127. 841 BGH, NStZ 1986, 455; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 88; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 85 f.; Schünemann, StraFo 2010, 1, 5 f. 842 BGH, NStZ 1985, 455, 456. 843 BGH, NStZ 1985, 455, 456. 844 BGH, NStZ 1985, 455, 456. 845 BGH, wistra 1992, 266 f.; vgl. auch Schünemann, StraFo 2010, 1, 6.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 203
In der sog. „BND-Entscheidung“846 liegt nach Auffassung der Vorinstanz keine schwarze Kasse vor, weil „die Zahlungsvorgänge als solche verfolgbar“ und „unverschleiert vonstatten gegangen“847 waren. Der BGH nahm aber eine Vermögensgefährdung an, denn seiner Ansicht nach verschaffte der Geldtransfer dem BND die Möglichkeit, „nach seinem Gutdünken eigenmächtig und unkontrolliert über die überwiesenen Gelder zu verfügen … oder sie – nach Art einer ‚schwarzen Kasse‘ zeitweise als geheimen, keiner tatsächlich wirksamen Zweckbindung unterliegendem Dispositionsfonds zu nutzen“848. Die Begründung der Vermögensgefährdung aufgrund des Kontrollverlustes der Bundesrepublik Deutschland über ihre Geldmittel führt dazu, dass der BGH auch in seiner „BND-Entscheidung“ der verwendungszweckunabhängigen Lehre folgte849. (2) Die verwendungszweckabhängige Linie der Rechtsprechung Ein anderer Teil der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes macht die Annahme einer Vermögensgefährdung durch die Einrichtung schwarzer Kassen von der Verwendungsabsicht des Täters abhängig und folgt einer verwendungszweckabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen. Von zentraler Bedeutung für die verwendungszweckabhängige Linie ist zunächst die Entscheidung des RG vom 23.05.1941 (sog. „BaustellenleiterFall“)850. Im zugrunde liegenden Fall wich das Reichsgericht von seiner früheren Entscheidung im RGSt 71, 155 ff. in Bezug auf die Verwendungsabsicht des Täters bei der Bildung schwarzer Kassen ab. Das RG betonte, „dass der Angeklagte aus der schwarzen Kasse ausschließlich Forderungen befriedigt hat, die mit Wissen und Willen der Firma im Betriebe der Baustelle notwendig entstehen mussten und entstanden waren, und dass er darüber hinaus nicht eigenmächtig und in keinem Zeitpunkte des Bestehens der schwarzen Kasse eigensüchtig gehandelt hat“851. Für die Untreuestraf846 BGHSt 40, 287; vgl. auch Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 212; Saliger, Parteiengesetz, S. 415 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 86 ff.; Rojas, Haushaltsuntreue, S. 239 ff. 847 BGHSt 40, 287, 293. 848 BGHSt 40, 287, 296. 849 Auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 88; a. A. Saliger, Parteiengesetz, S. 416. 850 RGSt 75, 227 ff.; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 86 f.; Saliger, Parteiengesetz, S. 413; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 89 ff.; Schünemann, StraFo 2010, 1, 5; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 289 f.; krit. Bruns, ZakDR 1941, 268, 268 f. 851 RGSt 75, 227, 228.
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barkeit ist entscheidend, „welcher Sachlage sich der Angeklagte gegenüber gesehen hat, als er sich zur Bildung der schwarzen Kasse entschloss, und was er über die Wirkungen der Bildung und der Führung der schwarzen Kasse auf das Vermögen … gedacht hat“852. Im Baustellenleiter-Fall verneint das RG das Vorliegen eines Vermögensnachteils in Form der Vermögensgefährdung, da der Mitteleinsatz zur Befreiung von einer Verbindlichkeit des Geschäftsherrn führte. Daraus folgt, dass für das RG die Untreuestrafbarkeit vom Verwendungszweck des Täters, der die schwarze Kasse gebildet hat, abhängt. In dieser Entscheidung hat daher die sog. „verwendungszweckabhängige Bestimmung der Vermögensgefahr“ bei der Bildung schwarzer Kassen ihren Ursprung. In seinem Beschluss vom 14.12.1999853 hob der 5. Senat des BGH die Verurteilung des Mitgeschäftsführers vom Landgericht Leipzig auf, der ein Bankkonto ohne Kenntnis seines Mitarbeiters eröffnete und mit den in diesem verdeckten Konto aufbewahrten Geldmitteln Verfügungen tätigte, weil – so die Auffassung des 5. Senats – nicht festgestellt werden konnte, dass die von dem verdeckten Konto abgebuchten Gelder zu unternehmensfremden Zwecken verwendet worden seien. Im vorliegenden Fall wurde daher vom BGH die verwendungszweckabhängige Lesart der schwarzen Kassen übernommen. (3) Die Rechtsprechung im „Fall Kohl“ Im Jahr 2000 befasste sich die Strafjustiz zum ersten Mal mit der Bildung schwarzer Kassen im parteipolitischen Bereich. Im Fall Kohl stellte das LG Bonn in seinem Beschluss vom 28.02.2000854 das Verfahren mit der Zustimmung des Staatsanwalts gem. § 153a Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 StPO gegen Zahlung eines Betrags i. H. v. 300 000 DM ein. In diesem Zustimmungsbeschluss fasste das Bonner Landgericht eine Begründung seiner Beurteilung ab, was außergewöhnlich ist855. 852 RGSt
75, 227, 230. wistra 2000, 136; vgl. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 414 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 91; Schünemann, StraFo 2010, 1, 6 f. 854 LG Bonn, NStZ 2001, 375; vgl. Beulke / Fahl, NStZ 2001, 426 ff.; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 215; Hamm, NJW 2001, 1694 ff.; Hetzer, ZRP 2000, 100 ff.; Krüger, NJW 2002, 1178 ff.; Otto, ZRP 2000, 109 f. (Gutachten zur Verteidigung von Kohl); Saliger, GA 2005, 155 ff.; Schwind, NStZ 2001, 349 ff.; Velten, NJW 2000, 2852 ff.; Wolf, KJ 2000, 531 ff.; Zivier, ZRP 2000, 1 ff.; vgl. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 430 ff. 855 Der Beschluss des § 153a StPO verlangt keine Begründung; vgl. auch LG Bonn, NStZ 2001, 375, 376; Saliger, GA 2005, 155, 156, Fn. 5; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 215; Beulke / Fahl, NStZ 2001, 426, 426 f. Zu Einwänden 853 BGH,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 205
Zunächst sah das LG Bonn im Fall Kohl in zwei Tatsachen eine Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB856: sowohl in der nicht ordnungsgemäßen Verbuchung der Gelder als auch in der Möglichkeit der Auslösung von Sanktionen durch den Bundestagspräsidenten (z. B. des Verlusts von staat lichen Mitteln) wegen Verstoßes gegen die Publizitätspflicht. Das Bonner Landgericht nahm einen Gefährdungsschaden durch die nicht ordnungsgemäße Verbuchung der Spenden und ihre Einzahlung auf Treuhandanderkonten mit der Begründung an, dass „die auf Treuhandkonten gehaltenen rund 2 Mio. DM den Zwecken der Partei hätten entzogen werden können“857. Hieraus folgt, dass das LG das Bestehen einer Vermögensgefährdung bei der bloßen Bildung schwarzer Kassen im Fall Kohl wiederum auf die Entziehung der Geldmittel zu Lasten des Vermögens inhabers gründete858. Bemerkenswert ist, dass Otto in seinem strafrecht lichen Gutachten zu dem Ergebnis kam, dass die Einzahlung von Spenden auf Treuhandanderkonten keinen Gefährdungsschaden begründete, weil die Spenden in der Herrschaft der Partei blieben und sie den für die Vermögensverwaltung zuständigen Personen zu keinem Zeitpunkt entzogen waren859. Das LG Bonn erklärte in seiner Begründung, dass es zu der Entscheidung kam, § 153a StPO auf den zugrunde liegenden Fall anzuwenden, weil die Rechtslage „unklar“860 gewesen sei und eine evtl. Verurteilung des Angeklagten nur eine Geldstrafe bedeuten konnte. Außerdem war die Annahme, dass die Entgegennahme anonym verbuchter Spenden den objektiven Tatbestand der Untreue verwirklicht, „nicht gänzlich zweifelsfrei“861.
gegen die Zustimmungsbegründung im Einzelnen s. Beulke / Fahl, NStZ 2001, 426 ff.; Hamm, NJW 2001, 1694 ff.; Saliger, GA 2005, 155, 171 ff.; ders., Parteiengesetz, S. 430 ff. 856 LG Bonn, NStZ 2001, 375, 376. 857 LG Bonn, NStZ 2001, 375, 376. 858 Krit. dazu Saliger, Parteiengesetz, S. 430 ff. 859 Otto, ZRP 2000, 109, 109; a. A. Wolf, KJ 2000, 531 ff. (krit. dazu Saliger, Parteiengesetz, S. 433 ff.). 860 LG Bonn, NStZ 2001, 375, 376; vgl. auch Saliger, GA 2005, 155, 172 ff.; ders., GA 2007, 326, 327, Fn. 8; krit. dazu auch Hamm, NJW 2001, 1694 ff.; hierzu vgl. auch Thomas, in: FS-Rieß, S. 809 (Thomas betont, dass § 153a StPO nicht zu einem „Abfalleimer“ für die fehlende Rechtsunsicherheit zentraler Strafnormen denaturiert werden darf); ähnl. Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 888, Fn. 3. 861 LG Bonn, NStZ 2001, 375, 377.
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bb) Kritische Würdigung der verwendungszweckunabhängigen Linie der Rechtsprechung862 Der überwiegende Teil der Rechtsprechung geht von der verwendungszweckunabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen aus und nimmt eine Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung schwarzer Kassen unabhängig von der Verwendungsabsicht des Täters an. Die Vermögensgefährdung wird grundsätzlich aufgrund der Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers863, der unordentlichen Buchführung sowie des Fehlens der Gelder dort, wo sie hätten sein sollen, angenommen. Diese Rechtsprechung wird im Schrifttum zu Recht stark kritisiert und abgelehnt864. (1) D ie Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers Nach zahlreichen gerichtlichen Entscheidungen liegt eine Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung schwarzer Kassen aufgrund der Entziehung der Überwachung bzw. des Verlusts der Kontrolle oder der sofortigen Verfügbarkeit des Vermögensinhabers vor865. Teile der Lehre haben diese Begründung richtigerweise aus drei Gründen abgelehnt. Erstens wird betont, dass beim Untreuetatbestand – anders als beim Betrugstatbestand – in gewissem Maße immer eine Gefahr für das zu betreuende Vermögen gegeben ist866. Wie Weimann bemerkt, hat der Treugeber dem Treunehmer die „Tür“ zu seinem Vermögen selbst geöffnet867. Eine Zugriffsmöglichkeit des Treunehmers auf das zu betreuende Vermögen ist daher immer vorhanden. Fraglich ist, ab welchem Grad die Gefahr für das fremde Vermögen einen Vermögensschaden darstellt. Wenn die Vermögensgefährdung durch den Verlust der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers begründet wird, werden auch abstrakte 862 Die verwendungszweckabhängige Lesart der Bildung schwarzer Kassen wird im Rahmen der Auseinandersetzung mit den in der Literatur vertretenen Lösungen kritisch behandelt, denn die meisten Stimmen in der Lehre gehen von der verwendungszweckabhängigen Lehre aus [vgl. B. V. 2. c) bb)]. 863 Vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 420. 864 Weimann, Schwarze Kassen, S. 130 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 97 ff.; s. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 420 ff. 865 RG, HRR 1936 Nr. 1601; RGSt 71, 155; RG, HRR 1938 Nr. 1515; RG, DR 1943, 1039; BGH, GA 1956, 154. 866 Weimann, Schwarze Kassen, S. 131. 867 Weimann, Schwarze Kassen, S. 131.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 207
Gefahren in den Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB einbezogen868. Allein der Verlust der Kontrolle, der Überwachung oder der sofortigen Verfügbarkeit des Vermögensinhabers ist daher kein ausreichendes Kriterium für die Annahme einer Vermögensgefährdung. Zweitens kann die Annahme des Verlusts der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers als Kriterium für das Vorliegen einer Vermögensgefährdung bedeuten, dass die Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit ausreichend ist, um einen Vermögensnachteil zu begründen869. Dies steht nicht in Einklang mit der Ausgestaltung der Untreue als einem reinen Vermögensdelikt870. Das Kriterium der Entziehung der Kontrolle, Überwachung oder sofortigen Verfügbarkeit ist daher ungeeignet, eine Vermögensgefährdung durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse zu begründen. Drittens muss betont werden, dass die von der Rechtsprechung vertretenen, rein betreuungsinternen Kriterien der Entziehung von Kontroll-, Überprüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Treugebers, die Verschleifung von Handlung und Erfolg bedeuten, weil sie nur auf das Innenverhältnis des Treunehmers zum Treugeber verweisen871. (2) Die unordentliche Buchführung Andere Entscheidungen sind davon ausgegangen, dass die unordentliche bzw. falsche Buchführung die Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse begründet872. Diese Ansicht ist zu Recht auch auf Kritik in der Lehre gestoßen873. Es wird erstens bemerkt, dass der Verstoß gegen Buchführungsvorschriften bei der Bildung schwarzer Kassen nur eine Pflichtverletzung i. S. d. § 266 StGB darstellt874. Eine unordentliche Buchführung kann eine Vermö868 Saliger,
in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. Parteiengesetz, S. 421, 425; Weimann, Schwarze Kassen, S. 103; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 102; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 734 ff. 870 Weimann, Schwarze Kassen, S. 103; Saliger, Parteiengesetz, S. 421, 425; ders., NStZ 2007, 545, 547; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 104; Rönnau, in: FSTiedemann, S. 734 ff. 871 Saliger, Parteiengesetz, S. 420 f.; ders., NStZ 2007, 545, 547; ders. / Sinner, HRRS 2008, 57, 70. 872 RG, HRR 1936 Nr. 1601; BGH, GA 1956, 121; BGH, GA 1956, 154. 873 Weimann, Schwarze Kassen, S. 133 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 98 ff., 101. 874 Weimann, Schwarze Kassen, S. 133; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 98 f., 101. 869 Saliger,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
gensgefährdung durch die Bildung schwarzer Kassen nur dann begründen, wenn dadurch die begründeten und durchsetzbaren Ansprüche des Vermögensinhabers nicht rechtzeitig geltend gemacht und durchgesetzt werden können, was aber bei der Bildung schwarzer Kassen nicht der Fall ist875. Genau darin liegt ein typischer Fall der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg, die ein allgemeines Problem des Untreuetatbestandes ist876. Des Weiteren ist beachtenswert, dass die unordentliche Buchführung als Kriterium für das Vorliegen einer Vermögensgefährdung lediglich auf das Innenverhältnis des Treunehmers zum Treugeber bzw. zu dessen Vermögen verweist877. Erforderlich ist aber ein Kriterium, das auf das Außenverhältnis des Treunehmers zum Dritten bzw. nach außen verweist, so dass der Taterfolg des Vermögensnachteils festgestellt werden kann878. In dieser Hinsicht ist die unordentliche Buchführung als unzureichendes Kriterium für die Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen abzulehnen. Es muss außerdem betont werden, dass die Bildung einer schwarzen Kasse nicht immer mit der unordentlichen Buchführung zusammenfällt879. Wie die strafrechtliche Praxis gezeigt hat880, kann der Schwarzekassenverwalter bei der Einrichtung und Unterhaltung der schwarzen Kasse eine ordentliche „verdeckte“ Buchführung wählen, die in Zukunft als Nachweis dienen wird, dass er uneigennützig gehandelt hat881. (3) „Die Gelder fehlten dort, wo sie hätten sein sollen“ Auch die Formel der Rechtsprechung, nach welcher „die Gelder [dort] fehlten, wo sie hätten sein sollen und im Sinne der zuständigen Stelle hätten verwendet werden können“, ist abzulehnen882. Das Fehlen der Gelder, wo sie hätten sein sollen, kann zwar in vielen Fällen das zu betreuende Vermögen gefährden, dies ist aber nicht immer der Fall. Das Fehlen der Gelder dort, wo sie hätten sein sollen, kann sich nicht nur „gefahrerhöhend“, sondern auch „gefahrmindernd“ auswirken, z. B. wenn der Treunehmer Geldmittel von einem vollstreckungsgefährdeten Fir875 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 133 f. Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg vgl. B. I. 877 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 102. 878 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 102. 879 Saliger, Parteiengesetz, S. 419. 880 Vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 419 f. 881 Saliger, Parteiengesetz, S. 419 f. 882 RGSt 71, 155; RG, HRR 1938 Nr. 1515; BGH, GA 1956, 154; krit. Weimann, Schwarze Kassen, S. 132 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 97. 876 Zur
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 209
menkonto auf ein eigenes sicheres Konto überweist883. Diese Formel ist mithin ein ungeeigneter und unzureichender Anhaltspunkt für die Begründung der Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen. c) Der Meinungsstand in der Lehre – Die im Hinblick auf die schwarzen Kassen entwickelten Einschränkungsansätze Eine Vielzahl von Autoren hat den Gefährdungsschaden bei der Bildung schwarzer Kassen auf besonderer Weise gehandhabt. Ein Teil von ihnen lehnt den Eintritt eines Vermögensschadens in Form des Gefährdungsschadens durch die bloße Bildung schwarzer Kassen völlig ab. Andere Autoren haben der verwendungszweckunabhängigen Linie der Rechtsprechung zugestimmt. Der wesentlichste Teil der Lehre geht aber von der verwendungszweckabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen aus. Ein weiterer Teil des Schrifttums lehnt den Gefährdungsschaden durch die bloße Einrichtung schwarzer Kassen aufgrund der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit des Treupflichtigen ab. Andere Autoren gehen von der Verlustgefahr, der Zugriffsmöglichkeit des Opfers oder anderer versuchsnaher Einschränkungskriterien aus. aa) Die Ablehnung des Gefährdungsschadens durch die Bildung schwarzer Kassen – Die Ansicht von Neye884 und Riemann885 Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht liegt bei der bloßen Bildung einer schwarzen Kasse kein Vermögensnachteil vor. Diese Ansicht lehnt die Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen immer ab. Ansonsten würde nicht erst die Nachteilszufügung durch pflichtwidriges Verhalten sondern bereits die bloße Missachtung haushaltsrechtlicher oder unternehmensinterner Regelungen eine Untreuestrafbarkeit bedeuten886. Neye887 geht von dieser Auffassung aus. Seiner Ansicht nach liegt aufgrund der Grundsätze der Schadenskompensation kein Vermögensschaden vor, wenn die in der schwarzen Kasse vorhandenen Gelder „zum Erwerb von Gegenständen oder der Bezahlung von Dienstleistungen“ verwendet 883 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 133; zust. Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 97. Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372. 885 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 886 Neye, Untreue, S. 75; ders., NStZ 1981, 369, 372; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 159. 887 Neye, Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372. 884 Neye,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
werden, die „ohnehin aus dem Etat der betreffenden Behörde hätten finanziert werden müssen“888. Hieraus folgt nach Neye, dass auch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse, um dadurch notwendige Ausgaben zu finanzieren, keinen Vermögensschaden begründen kann, denn ansonsten würde die bloße Missachtung haushaltsrechtlicher Bestimmungen als Untreue bestraft werden889. In diesem Fall wäre die Vermögensgefährdung nach Neyes Ansicht ein „Etikettenschwindel“890. Schließlich argumentiert Neye gegen die Annahme eines Vermögensnachteils durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse, da sie zu Nachweisproblemen des Schädigungsvorsatzes führe891. Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass Neye sich der verwendungszweckabhängigen Lehre angeschlossen hat892. Riemann893 hat sich Neyes Ansicht angeschlossen und bemerkt, dass eine Vermögensgefährdung durch die Einrichtung einer schwarzen Kasse immer ausscheidet, „wenn aus der Sonderkasse Ausgaben verdeckt werden, die zulässig und notwendig [sind] und die der Vermögensträger auch von sich aus hätte tragen müssen“894. Riemann betont, dass ein effektiver Vermögensschaden nur durch einen zweckentfremdeten Verbrauch der Gelder eintreten kann, während bei ordnungsgemäßer Verwendung der Mittel gar kein Vermögensnachteil eintreten könne895. Dies bedeutet, dass bei zweckentfremdeter Verwendung der Geldmittel erst diese Verwendung einen endgültigen Vermögensschaden begründet und die bloße Bildung straflos bleiben muss, während bei ordnungsgemäßer Verwendung der Geldmittel kein Vermögensnachteil eintreten kann und weder die spätere Verwendung noch bereits die Bildung der schwarzen Kasse als Untreue bestraft werden können896. Eine entscheidende Rolle für die strafrechtliche Beurteilung der schwarzen Kassen spielt daher auch nach Riemann der Verwendungszweck des Täters. Neyes und Riemanns Ansicht muss abgelehnt werden897. Beide Autoren ordnen die Bildung einer schwarzen Kasse als bloße Missachtung haushaltsrechtlicher oder unternehmensinterner Regelungen ein und übersehen, dass 888 Neye,
Untreue, S. 74; ders., NStZ 1981, 369, 372. Untreue, S. 75; ders., NStZ 1981, 369, 372. 890 Neye, Untreue, S. 75. 891 Neye, Untreue, S. 76; ders., NStZ 1981, 369, 372. 892 Vgl. Neye, Untreue, S. 75. 893 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 894 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158. 895 Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 896 s. Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 897 Zur Kritik s. Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 291; Weimann, Schwarze Kassen, S. 123 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 122 f. 889 Neye,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 211
sie möglicherweise einen Gefährdungsschaden begründen kann898. Eine Gefahr für das zu betreuende Vermögen ist daher durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse möglich und darf nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Problematisch ist diese Ansicht aus dem weiteren Grund, dass sie auf den realen und nicht den beabsichtigen Verwendungszweck des Treupflichtigen verweist. Die Verlagerung der Beurteilung des Vermögensschadens bei der Bildung schwarzer Kassen auf einen späteren Zeitpunkt ist nicht haltbar. bb) Die verwendungszweckunabhängige Linie der Rechtsprechung in der Literatur Einige Autoren899 stimmen der verwendungszweckunabhängigen Linie der Rechtsprechung zu und begründen die Vermögensgefährdung aufgrund der Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers oder der unordentlichen Buchführung. Nach ihrer Ansicht spielt der Verwendungszweck des Täters keine Rolle. Bruns kritisiert zuerst die verwendungszweckabhängige Linie des Reichsgerichts in der Entscheidung vom 23.05.1941 (RGSt 75, 227). In seiner Besprechung unterscheidet Bruns zunächst zwischen der Bildung und der späteren Verwendung der Bildung schwarzer Kassen und kommt zu dem Ergebnis, dass bereits die Bildung einer schwarzen Kasse einen Vermögensnachteil in Form der Vermögensgefährdung begründen kann, denn die zu betreuenden Geldmittel sind der Kontrolle des Vermögensinhabers entzogen900. Zugleich wird der Vermögensinhaber unter die „Zwangsverwaltung“ des Täters gestellt, da der Täter versucht, „ihn derart zu bevormunden, dass ihm eine eigene Entscheidungsmöglichkeit genommen sein würde“901. Es muss aber diesbezüglich erklärt werden, dass es sich lediglich um eine Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers handelt902. Bruns stimmt der verwendungszweckunabhängigen Linie des Reichsgerichts zu und befürwortet weiterhin, dass der Verwendungszweck des Täters lediglich im subjektiven Untreuetatbestand zu berück898 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 125. ZakDR 1941, 268 f.; Coenen, Haushaltsrecht, S. 55, 59; Fischer, § 266 Rn. 83, 130 ff.; Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286; Richter, GmbHR 1984, 137, 143; Bieneck, wistra 1998, 249, 249; Ransiek, NJW 2007, 1727, 1728; ders., NJW 2009, 95, 95; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 177a, 190a; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 4 Rn. 154. 900 Bruns, ZakDR 1941, 268, 268, 269. 901 Bruns, ZakDR 1941, 268, 269. 902 Saliger, Parteiengesetz, S. 425; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 106. 899 Bruns,
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sichtigen sei903. Für das Vorliegen einer Vermögensgefährdung durch die Bildung der schwarzen Kasse spiele der Zweck des Täters hingegen keine Rolle904. Kohlmann905 befasst sich mit der Bildung schwarzer Kassen durch den Geschäftsführer einer GmbH und geht davon aus, dass „solange der Geschäftsführer eine schwarze Kasse zur Finanzierung von Vorhaben, die im Gesellschaftsinteresse liegen, unterhält und über die dort angelegten Beträge jederzeit in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH verfügen kann, diese Beträge auch der Gesellschaft – vertreten durch ihre Geschäftsführer – zur uneingeschränkten Verfügung [stehen]“906. Nach Kohlmann kann die bloße Verletzung der Buchführungspflicht für sich allein noch nicht die Untreuestrafbarkeit begründen907. Eine Vermögensgefährdung kann hingegen durch die Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers begründet werden. Wenn der Geschäftsführer „Gesellschaftsvermögen beiseite schafft, um damit frei von jeder Verantwortlichkeit und Pflicht, jemals Rechenschaft ablegen zu müssen – wenn auch im tatsächlichen oder vermeintlichen Interesse der Gesellschaft“, liege ein Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB vor908. Zusammenfassend kann man zu dem Ergebnis kommen, dass Kohlmann von der verwendungszweckunabhängigen Linie der Rechtsprechung ausgeht. Anders als Kohlmann nimmt Richter909 eine Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse aufgrund der unordentlichen Buchführung an. Nach Richter liegt eine Vermögensgefährdung bereits vor, wenn Gesellschaftsvermögen auf gesellschaftsfremde Konten transferiert wird und der ordnungsgemäßen Buchführung der Gesellschaft entzogen ist. Der Verwendungszweck des Täters sei für die Annahme des Vermögensnachteils bedeutungslos. Auch nach Bieneck begründet die bloße Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich schon einen Vermögensnachteil in Form einer Vermögensgefährdung auch dann, wenn der Täter die Haushaltsmittel letztlich ihrem Zweck zuführen will910. Bieneck stimmt der verwendungszweckunabhängigen Linie der Rechtsprechung zu und nimmt nur eine Schadenswie903 Bruns,
ZakDR 1941, 268, 269. ZakDR 1941, 268, 269. 905 Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286. 906 Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286. 907 Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286. 908 Kohlmann, GmbH-Geschäftsführer, Rn. 286. 909 Richter, GmbHR 1983, 137, 143. 910 Bieneck, wistra 1998, 249, 249, 251. 904 Bruns,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 213
dergutmachung an, wenn der Täter die Haushaltsmittel letzten Endes ihrem Zweck zuführt911. Der verwendungszweckunabhängigen Lehre stimmt auch Ransiek zu912. Nach seiner Ansicht ergibt sich aus einer Parallele zum Diebstahl, dass bei § 266 StGB der uneigennützige Zweck des Treunehmers im Zeitpunkt der Bildung der schwarzen Kasse unerheblich für dessen Untreuestrafbarkeit ist. Wie die Wegnahme der Sache beim Diebstahl den Verlust für das Diebstahlsopfer bedeute, sei die Verschiebung bei der Untreue nicht nur eine Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit über das Vermögen sondern darüber hinaus ein Vermögensschaden913. Von der verwendungszweckunabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen geht schließlich auch Fischer aus914. Er unterscheidet zwischen der Absicht des Täters im öffentlichen Bereich (einschließlich des parteipolitischen Bereichs) und der Absicht des Täters im privatwirtschaftlichen Bereich915. Insbesondere im privatwirtschaftlichen Bereich diene die Bildung schwarzer Kassen dem Zweck, Schmiergeldzahlungen vorzunehmen und dadurch auch eigene Vorteile zu erlangen916. Nach Fischer darf es nicht nur im privaten Unternehmen sondern auch in der öffentlichen Verwaltung nicht auf die „guten Absichten“ des Täters ankommen917. Der Zweck des Täters, das verschleierte Geld letzten Endes im Interesse des Vermögensinhabers einzusetzen, könne nicht als Grundlage für die Untreuestraflosigkeit des Täters dienen, weil von der Sozialadäquanz der Bildung schwarzer Kassen – namentlich zum Zweck der Korruption im privatwirtschaftlichen Bereich – keine Rede sein könne918. Die in der Literatur vertretene verwendungszweckunabhängige Lesart ist aus denselben Gründen abzulehnen, aus denen die in der Rechtsprechung vertretene verwendungszweckunabhängige Lesart abgelehnt wurde919. Sowohl der Entzug der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers als auch die unordentliche Buchführung sind nicht geeignet bzw. nicht ausreichend, einen Vermögensnachteil in Form des Ge911 Bieneck,
wistra 1998, 249, 249. NJW 2007, 1727, 1728; ders., NJW 2009, 95, 95. 913 Ransiek, NJW 2007, 1727, 1728. Die bloße unordentliche Buchführung reicht hingegen für die Bejahung eines Vermögensnachteils nicht aus (Ransiek, NJW 2007, 1727, 1728). 914 Fischer, § 266 StGB Rn. 83, 130 ff., 138, 140. 915 Fischer, § 266 StGB Rn. 74, 130. 916 Fischer, § 266 StGB Rn. 83, 132. 917 Fischer, § 266 StGB Rn. 83, 87, 138. 918 Fischer, § 266 StGB Rn. 83, 140. 919 Vgl. B. V. 2. b) bb). 912 Ransiek,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
fährdungsschadens durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse zu begründen. In Bezug auf Bruns zusätzliches Argument, dass durch die Bildung der schwarzen Kassen die verborgenen Geldmittel unter die „Zwangsverwaltung“ des Täters gestellt würden, muss betont werden, dass es sich lediglich um eine Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers handelt und keine Vermögensgefährdung begründen kann920. Auch Ransieks Ansatz, dass die Verschiebung bei § 266 StGB gleich zu behandeln sei wie die Wegnahme bei § 242 StGB, ist unhaltbar. Ransiek übersieht, dass beim Diebstahl die Absichten des Täters, d. h. die Zueignungsabsicht des Täters, für die Strafbarkeit nach § 242 StGB eine entscheidende Rolle spielen921. Gegen Fischers Ansicht, dass der Verwendungszweck des Täters aufgrund des sozialen Sinns der Tathandlung als Einschränkungskriterium ausscheiden müsse, nimmt Saliger zutreffend an, dass es sich um eine „objektivnormativierende Sinnbestimmung“ handelt, die „die Realität schwarzer Kassen verkürzt“922. Außerdem lässt sich der soziale Sinn einer Handlung ohne Rücksicht auf den auch subjektiv gemeinten Sinn (Motiv) des Handelnden nicht angemessen erfassen923. cc) Die verwendungszweckabhängige Linie der Rechtsprechung in der Literatur Der überwiegende Teil der Lehre geht von der verwendungszweckabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen aus924. Im Mittelpunkt dieser 920 Saliger,
Parteiengesetz, S. 425; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 106. NStZ 2008, 517, 517; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. 922 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. 923 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. 924 Saliger, Parteiengesetz, S. 418 ff., 445 f., 696 f.; ders., NStZ 2007, 545, 547 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 70; Matt, NJW 2005, 389, 391; Bernsmann, GA 2007, 219, 232 f.; ders., GA 2009, 296, 300 ff.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 726 ff.; Kempf, in: FSHamm, S. 265 ff.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 727 ff.; Bosch, JA 2008, 148, 150; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 211; ders., in: FS-Widmaier, S. 610 f.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 193; Satzger, NStZ 2009, 297, 303; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 77 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 58, 187 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 287 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; ders., NStZ 2008, 430, 433 f.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182; auch Hübner, in: LK, 10. Aufl., § 266 StGB Rn. 98; Neye, Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 921 Perron,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 215
Ansicht steht der Zweck des Treunehmers, die verborgenen Geldmittel uneigennützig zu verwenden. Die meisten dieser Autoren stellen den Verwendungszweck des Treunehmers im Zeitpunkt der Bildung der schwarzen Kasse in den Mittelpunkt ihrer Argumentation925, während einige Autoren die reale Mittelverwendung (d. h. die reale Verwendung der Geldmittel zu einem späteren Zeitpunkt) als Kriterium für das Vorliegen eines Gefährdungsschadens annehmen926. (1) Die Ansicht von Saliger927 Es muss hier nochmals erwähnt werden, dass Saliger der erste Autor war, der von der verwendungszweckunabhängigen und -abhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen gesprochen hat928. Saliger äußert sich in seiner Habilitationsschrift zur „verwendungszweckabhängigen und betreuungsexternen Bestimmung der Konkretheit der Vermögensgefahr bei der schwarzen Kasse“ und macht die Annahme einer Vermögensgefährdung durch die Bildung schwarzer Kassen von der materiellen Zweckkonformität der Mittelverwendungsabsicht des „Schwarzekassenverwalters“ abhängig929. Anhaltspunkt seiner Ansicht ist zunächst die Abgrenzung der verwendungszweckabhängigen Lesart zur realen Mittelverwendung des verschleierten Geldes930. Insbesondere unterscheidet er zwischen dem Verwendungszweck des Täters im Zeitpunkt der Bildung der schwarzen Kasse und der späteren, realen Verwendung des verschleierten Geldes und betont, dass für 925 Saliger, Parteiengesetz, S. 418 f.; ders., NStZ 2007, 545, 547 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 70; Matt, NJW 2005, 389, 391; Bernsmann, GA 2007, 219, 232 f.; ders., GA 2009, 296, 300 ff.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 726 ff.; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265 ff.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 727 ff.; Bosch, JA 2008, 148, 150; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 211; ders., in: FS-Widmaier, S. 610 f.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 193; Satzger, NStZ 2009, 297, 303; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 77 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 58, 187 f.; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 287 ff.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; ders., NStZ 2008, 430, 433 f.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182. 926 Hübner, in: LK, 10. Aufl., § 266 StGB Rn. 98; auch Neye, Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f.; hierzu vgl. Saliger, Parteiengesetz, S. 417. 927 Saliger, Parteiengesetz, S. 418 ff., 445 f., 696 f.; ders., NStZ 2007, 545, 547 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 70. 928 Vgl. B. V. 2. b) aa). 929 Saliger, Parteiengesetz, S. 411, 418; ders., NStZ 2007, 545, 547 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. 930 Saliger, Parteiengesetz, S. 418 f.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
die Annahme einer Vermögensgefährdung durch die Bildung der schwarzen Kasse der Verwendungszweck des Täters im Zeitpunkt der Bildung und nicht die reale Mittelverwendung entscheidend sei. Zweitens unterscheidet Saliger zwischen der Bildung einer schwarzen Kasse und der unordentlichen Buchführung als selbständige Fallgruppen der Untreue, weil der Zusammenhang von schwarzen Kassen und unordentlicher Buchführung nicht zwingend sei931 und sich diese Fälle darüber hinaus – wenn schwarze Kassen und unordentliche Buchführung zusammentreffen – in der Konkretheit der Vermögensgefahr unterscheiden932. Anschließend bemerkt Saliger, dass die Vermögensgefährdung bei der Bildung schwarzer Kassen aufgrund betreuungsexternaler Kriterien erfolgen solle, d. h. Kriterien, die auf das Außenverhältnis des Treunehmers oder dritter Personen zum fremden Vermögen verweisen933. Saliger nimmt die Gefahr des Verlustes des Vermögensgutes934 sowie den Verwendungszweck des Treunehmers935 als solche betreuungsexternale Kriterien an. Das Kriterium der Verlustgefahr bedeute, dass eine Vermögensgefährdung für das fremde Vermögen durch die Bildung einer schwarzen Kasse vorliege, wenn der Treunehmer seinen Gläubigern den Zugriff auf die schwarze Kasse ermöglicht oder wenn er die verborgenen Geldmittel bei unzuverlässigen Dritten „parkt“ oder sie auf ein eigenes Konto überweist936. Wenn der Täter die verborgenen Gelder aufgabengerecht im Sinne der Zwecke und Zuständigkeiten des Treugebers verwenden will, scheidet nach Saliger eine konkrete Vermögensgefahr aus937. Zu diesem Schluss kommt Saliger in entkriminalisierender Hinsicht aufgrund der Ausgleichsfähigkeit und Ausgleichswilligkeit938. Er kennzeichnet das Argument der Ausgleichs931 In der Praxis ist auch die „ordentliche verdeckte Buchführung“ gebräuchlich, die als Nachweis dafür dient, dass die verschleierten Geldmittel nicht bzw. nicht auch eigennützig verwendet worden sind (Saliger, Parteiengesetz, S. 419 f.). 932 Saliger, Parteiengesetz, S. 420. 933 Saliger, Parteiengesetz, S. 421; ders., NStZ 2007, 545, 547; ders. / Sinner, HRRS 2008, 57, 70. 934 Saliger, Parteiengesetz, S. 421 f.; ders., NStZ 2007, 545, 547; insoweit stimmt Saliger Weimanns Ansicht zu [s. Weimann, Schwarze Kassen, S. 134 ff.; ausf. zu Weimanns Ansicht vgl. B. V. 2. c) ee)]. 935 Saliger, Parteiengesetz, S. 422 ff.; ders., NStZ 2007, 545, 547; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77; ders. / Sinner, HRRS 2008, 57, 70. 936 Saliger, Parteiengesetz, S. 422; ders., NStZ 2007, 545, 547; ders. / Sinner, HRRS 2008, 57 (70); ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. 937 Saliger, Parteiengesetz, S. 422; ders. / Sinner, HRRS 2008, 57, 70; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 77. 938 Saliger, Parteiengesetz, S. 422 ff.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 217
bereitschaft und -fähigkeit als einen Erst-recht-Schluss in dem Sinne, dass die Ablehnung eines Vermögensnachteils i. S. d. § 266 StGB bei der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Täters dazu führe, dass dies erst recht für den Verwalter einer schwarzen Kasse gelten müsse, der den Kassenbestand ohnehin immer nur zweckgerecht verwenden wird939. Eine konkrete Vermögensgefährdung durch die Bildung einer schwarzen Kasse liegt nach Saliger nur dann vor, wenn der Täter sie in der Absicht zweckwidriger, insbesondere eigennütziger Mittelverwendung bildet940. Saligers Ansicht wird in der Lehre von Strelczyk kritisiert941. Strelczyk stellt fest, dass die zweckkonforme Verwendungsabsicht den Eintritt eines endgültigen Vermögensnachteils nicht immer ausschließe942. Es sei vielmehr möglich, dass der Schwarzekassenverwalter keine „bösen“ Absichten habe, dass eine „hinreichende Ausgleichsfähigkeit“ aber nicht gegeben sei und demzufolge ein Vermögensnachteil eintrete943. Strelczyk behauptet weiter, dass die zweckkonforme Verwendungsabsicht als Kriterium für die Entkriminalisierung der Bildung schwarzer Kassen eine starke Subjektivierung des Vermögensnachteils, d. h. eines objektiven Tatbestandsmerkmals, bedeute944. Wenn die zweckwidrige Verwendungsabsicht immer zu Lasten des Täters und die zweckkonforme Verwendungsabsicht immer zu Gunsten des Täters verwendet werden, „würde damit bei der Untreue ‚durch die Hintertür‘ ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal ‚zweckwidrige Verwendungsabsicht‘ eingeführt“945. Dies sei vom Gesetzgeber nicht gewollt, der sich gegen die Bereicherungsabsicht bzw. den Schädigungsvorsatz bei der Untreue entschieden hat946. Aus dieser starken Subjektivierung ergeben sich außerdem im Hinblick auf die Zweckkonformität oder Zweckwidrigkeit der Verwendungsabsicht des Täters strafprozessuale Schwierigkeiten bzw. Nachweisprobleme947. (2) Andere Anhänger der verwendungszweckabhängigen Lehre Außer Saliger hat eine Vielzahl von Autoren der verwendungszweckkonformen Verwendungsabsicht des Täters als Kriterium für das Vorliegen der 939 Saliger,
Parteiengesetz, S. 424. Parteiengesetz, S. 425. 941 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 113 ff. 942 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 114. 943 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 114. 944 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 113, 114 f. 945 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 115, 116. 946 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 115. 947 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 115 f. 940 Saliger,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Vermögensgefährdung durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse zugestimmt. Bemerkenswert ist zunächst, dass einige Autoren eine verwendungszweckabhängige Lesart der Bildung schwarzer Kassen annehmen, und zwar in dem Sinne, dass die reale Mittelverwendung der Geldmittel die Beurteilung des Vorliegens einer Vermögensgefährdung durch die bloße Bildung der schwarzen Kasse festsetzt948. So bejahte Hübner949 die Vermögensgefährdung bereits durch die Bildung schwarzer Kassen im öffent lichen Bereich, wenn die öffentlichen Geldmittel haushaltswidrig verwendet werden, d. h. wenn die zeitweilige Beschränkung ihrer freien Verfügung sich zur vollständigen Entziehung der Mittel entwickelt und ihr zugleich keine Aufwendungen erspart werden, die sie haushaltsmäßig hätte machen müssen. Der überwiegende Teil der Anhänger der verwendungszweckabhängigen Lehre macht das Vorliegen der Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung der schwarzen Kasse von der beabsichtigten zweckkonformen, nicht von der realen Mittelverwendung abhängig950. Bernsmann951 kommt bei seiner Auseinandersetzung mit der Bildung schwarzer Kassen im privatwirtschaftlichen Bereich zu dem Ergebnis, dass durch die Bildung schwarzer Kassen kein unmittelbarer Vermögensnachteil in Form der Vermögensgefährdung eingetreten sei und eine Untreuestrafbarkeit mithin abzulehnen sei952. Er nimmt eine Vermögensgefährdung durch die Bildung einer schwarzen Kasse lediglich dann an, wenn die zu betreuenden Geldmittel zu unternehmensfremden Zwecken eingesetzt werden953. Wenn hingegen das verschleierte Vermögen zu unternehmensnützlichen 948 Hübner, in: LK, 10 Aufl., § 266 StGB Rn. 98; auch Neye, Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 949 Hübner, in: LK, § 266 StGB Rn. 98. 950 Matt, NJW 2005, 389, 391; Bernsmann, GA 2007, 219, 232 f.; ders., GA 2009, 296, 300 ff.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 726 ff.; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265 ff.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 727 ff.; Bosch, JA 2008, 148, 150; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 211; ders., in: FS-Widmaier, S. 610 f.; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 193; Satzger, NStZ 2009, 297, 303; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 77 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 58, 187 f.; auch Schünemann, NStZ 2008, 430, 433 f.; Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182. 951 Bernsmann, GA 2007, 219, 232 f.; ders., GA 2009, 296, 300 ff.; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 726 ff. 952 Bernsmann, GA 2007, 219, 232 f. 953 Bernsmann, GA 2009, 296, 304; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 726.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 219
Zwecken eingesetzt wird, scheide die Vermögensgefährdung aus954. Unter Zugrundelegung der verwendungszweckabhängigen Lehre bejaht Bernsmann eine Vermögensgefährdung, wenn die Auslagerung dritten Personen die Möglichkeit gibt, „Zugriff auf die Kasse zu nehmen“955. Ein Gefährdungsschaden scheidet nach Bernsmann auf der anderen Seite aus, wenn das durchgeführte Geschäft ausgeglichen oder gar vorteilhaft gewesen ist956. Keine Rolle spiele schließlich, ob dieses Geschäft verboten oder sittenwidrig ist957. Auch Kempf958 geht eingehend davon aus, dass der Zweck des Täters durch die Bildung der schwarzen Kasse, das Geld „letzten Endes“ zu Zwecken des Vermögensinhabers einzusetzen, den Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB ausschließt959. In einem Versuch, den Charakter der Untreue als ein Vermögensdelikt sicherzustellen, hält Kempf die Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers in diesem Fall lediglich für ein „Durchgangsstadium“960. Wenn hingegen der Täter eigennützig handelt, dann liege ein strafbewehrter Gefährdungsschaden vor961. Auch Rönnau962 stimmt der verwendungszweckabhängigen Lehre zu. Er weist darauf hin, dass eine konkrete Vermögensgefahr i. S. d. § 266 StGB ausscheidet, wenn der Täter die verschleierten Gelder später im Unternehmensinteresse verwenden will963. Bosch ist der Ansicht, dass für die Untreuestrafbarkeit der Verwendungszweck erheblich sei964. Wenn der Treunehmer uneigennützig handelt, sei die Bildung schwarzer Kassen nur als eine „straflose Vorbereitungshandlung“ zu betrachten965. Der verwendungszweckabhängigen Linie wird schließlich von Werner im Ergebnis gefolgt, der sein eigenes untreuespezifisches Einschränkungsmodell auf die Bildung schwarzer Kassen anwendet966. Wie bereits erklärt, schlägt Werner vor, einen Gefährdungsschaden nur dann anzunehmen, wenn 954 Bernsmann, GA 2009, 296, 304; ders. / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 728. 955 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 727. 956 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 728 f. 957 Bernsmann / Gatzweiler, Verteidigung bei Korruptionsfällen, Rn. 731. 958 Kempf, in: FS-Hamm, S. 265 ff. 959 Kempf, in: FS-Hamm, S. 265 f., 267. 960 Kempf, in: FS-Hamm, S. 267. 961 Kempf, in: FS-Hamm, S. 265. 962 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 727 ff. 963 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 736. 964 Bosch, JA 2008, 148, 149, 150. 965 Bosch, JA 2008, 148, 150. 966 Werner, Gefährdungsschaden, S. 187 f.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
der endgültige Vermögensschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Weiterentwicklung des Gefährdungsschadens zu einem endgültigen Schaden zu erwarten ist967. Dieses Abgrenzungskriterium interpretiert Werner für die Bildung schwarzer Kassen in der Weise, dass ein endgültiger Vermögensschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit lediglich bei zweckwidriger Verwendungsabsicht zu erwarten sei968. Bei zweckkonformer Verwendungsabsicht könne hingegen eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit des endgültigen Vermögensschadens nicht festgestellt werden969. dd) Die Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit Ein anderer Teil der Lehre geht vom allgemein für den Untreuetatbestand geltenden Grundsatz aus, dass ein Vermögensnachteil ausscheidet, wenn der Täter ersatzfähig und -willig ist, um die Untreuestrafbarkeit bei der bloßen Bildung schwarzer Kassen einzuschränken. Der Anhaltspunkt der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit wird grundsätzlich mit dem Kriterium der Verwendungsabsicht kombiniert. Hefendehl und Schünemann sind die beiden Vertreter dieser Ansicht. Es muss zunächst betont werden, dass Hefendehl von der Ausgleichsbereitschaft auf den Verwendungszweck schließt, während sich die Rolle der Verwendungsabsicht nach Schünemann aus der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit aufgrund eines Arguments a fortiori sich ergibt. (1) Die Ansicht von Hefendehl Wie bereits erklärt wurde, hat Hefendehl eine zivilrechtsorientierte Einschränkungslösung vorgeschlagen, die er nicht auf den Betrugstatbestand beschränkt, sondern auf Untreuefälle ausdehnt970. Bezogen auf § 263 StGB macht Hefendehl das Vorliegen einer schädigenden Vermögensgefährdung davon abhängig, ob dem drohenden endgültigen Vermögensverlust aufgrund bilanzrechtlicher Vorschriften keine Vermeidemöglichkeiten des Bedrohten mehr gegenüberstehen971. Hefendehls Einschränkungslösung ist speziell im Hinblick auf die Besonderheiten des Untreuetatbestandes in der 967 Vgl.
B. V. 1. c) cc) (6) (c). Gefährdungsschaden, S. 187. 969 Werner, Gefährdungsschaden, S. 187. 970 Vgl. B. V. 1. c) cc) (4) (b). 971 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 128 ff.; ders., in: MüKo StGB, § 263 Rn. 563 ff.; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 233 ff.; ders., in: FS-Samson, S. 299 ff. 968 Werner,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 221
Weise modifiziert, dass eine Vermögensgefährdung immer ausscheidet, wenn der Täter zum Ausgleich des durch ihn verursachten Vermögensabflusses bereit ist972. Speziell für die Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen bedeutet die Modifikation von Hefendehls Einschränkungsmodell, dass die bloße Bildung der schwarzen Kasse keine Vermögensgefährdung begründet, wenn der Täter die verborgenen Geldmittel bestimmungsgemäß verwenden will, weil dann der Täter ersatzfähig und -willig ist973. Wenn er hingegen das Geld zweckwidrig verwenden will, fehlt es an der Ersatzwilligkeit des Täters und die bloße Bildung der schwarzen Kasse begründet bereits eine Vermögensgefährdung974. M. a. W.: Hefendehl legt zwei Anhaltspunkte zugrunde: die Verwendungsabsicht und die Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Täters in dem Sinne, dass derjenige, der keine zweckwidrige Mittelverwendung beabsichtigt, „regelmäßig auch zahlungsbereit“ sei975. Hieraus folgt ohne weiteres, dass auch Hefendehl der verwendungszweckabhängigen Linie der Rechtsprechung folgt. Die Schwächen, die Hefendehls Einschränkungsmodell im Hinblick auf den Betrugstatbestand sowie die Modifikation seines Modells im Hinblick auf den Untreuetatbestand haben976, gelten auch für die Modifikation seines Modells im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen. Probleme ergeben sich zunächst aus der Komplexität der bilanzrechtlichen Vorschriften, die das einschlägige Problem verkomplizieren und zur Rechtsunsicherheit führen. Hefendehls im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen modifiziertes Einschränkungsmodell ist darüber hinaus entgegenzuhalten, dass es – im Gegensatz zu seinem im Hinblick auf den Betrugstatbestand opferorientierten Einschränkungsmodell – täterorientiert ist. Eine für die Einschränkung der Untreuestrafbarkeit durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse täterorientierte Lösung ist zwar notwendig, es verwundert jedoch hier, dass Hefendehl von einem reinen opferorientierten Einschränkungsmodell zu einem täterorientierten Ergebnis gekommen ist. In dieser Hinsicht spricht Strelczyk richtigerweise von der Unvereinbarkeit des opferorientierten Grundkonzepts des allgemeinen Einschränkungsmodells mit einer derartigen täterorientierten Modifikation977. 972 Hefendehl,
Vermögensgefährdung, S. 282 ff., 451. Vermögensgefährdung, S. 291 f. 974 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 292. 975 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 292, 451. 976 Zur Kritik an Hefendehls Herrschaftsmodell vgl. B. V. 1. c) cc) (4) (b). 977 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 134 f. 973 Hefendehl,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
(2) Die Ansicht von Schünemann Mit der Fallgruppe der Bildung schwarzer Kasse befasst sich auch Schünemann978. Er weist darauf hin, dass die bloße Bildung einer schwarzen Kasse noch keine Vermögensgefährdung begründet, wenn der Täter den Inhalt entsprechend der Haushaltslage verwenden will979. Zu diesem Ergebnis kommt er aufgrund eines argumentum a fortiori, d. h. aufgrund des Arguments, dass für diese Konstellation keine strengere Beurteilung herangezogen werden könne als für den Fall, dass die Vermögenseinbuße durch mit Ersatzwillen bereitgehaltene flüssige Mittel kompensiert wird980. Saliger kennzeichnet Schünemanns Argumentation als einen Erst-rechtSchluss in dem Sinne, dass der Ausschluss des Vorliegens eines Vermö gensnachteils bei der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Täters dazu führt, dass dies erst recht für den Verwalter einer schwarzen Kasse gelten muss, der den Kassenbestand ohnehin immer nur zweckgerecht verwenden will981. Die Anwendung der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit auf die Bildung schwarzer Kassen mit der Folge der Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Täters im objektiven Bereich erscheint nach Schünemann geradezu zwangsläufig982. Es bedeutet die Einfügung subjektiver Dispositionen des Täters (d. h. seines Verwendungszwecks) in den objektiven Untreuetatbestand und mithin die Zustimmung zur verwendungszweckabhängigen Lehre983. Dieser Ausweg hat außerdem nach Schünemann den Vorteil, dass dabei die Struktur des betreuten Vermögens im öffentlichen, parteipolitischen und privatwirtschaftlichen Bereich berücksichtigt werden kann984. ee) Die Verlustgefahr – Die Ansicht von Weimann985 Weimann untersucht, ob bereits die Bildung der schwarzen Kasse einen Vermögensnachteil in Form der Vermögensgefährdung begründet, wenn 978 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; ders., NStZ 2008, 430, 433 f.; zust. Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182; Satzger, NStZ 2009, 297, 303; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 77. 979 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148. 980 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; zust. Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182. 981 Saliger, Parteiengesetz, S. 424; Satzger, NStZ 2009, 297, 303. 982 Schünemann, NStZ 2008, 430, 433. 983 Schünemann, NStZ 2008, 430, 433. 984 Schünemann, NStZ 2008, 430, 433 f. 985 Weimann, Schwarze Kassen, S. 119 ff., 130 ff., 134 ff., 146 f.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 223
durch die Verwendung der schwarzen Kasse kein Vermögensnachteil eingetreten ist986. Bei seiner Auseinandersetzung mit dem Vermögensnachteil durch die bloße Einrichtung schwarzer Kassen lehnt Weimann zuerst die verwendungszweckunabhängige Linie der Rechtsprechung ab987. Im Mittelpunkt seiner Argumentation steht die Verlustgefahr der verborgenen Geldmittel988. Solange der Täter ausreichende Einflussmöglichkeiten hat, um die Verlustgefahr gering zu halten oder auszuschließen, fehle es an der Verlustgefahr und mithin an der Untreuestrafbarkeit989. Hieraus ergibt sich nach Weimann, dass die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse nur dann eine Vermögensgefährdung darstellt, wenn sich der Täter jeder Einflussnahme auf die schwarze Kasse begibt und sich voll und ganz auf sein Vertrauen zu einer anderen Person verlässt990. Ganz anders seien die Fälle zu beurteilen, in denen die schwarze Kasse auf einem Geschäftssonderkonto geführt wird, von dem nur der Geschäftspartner Kenntnis hat, oder es sich um Bargeldkassen handelt, die im direkten Zugriffsbereich des Täters befinden991. Obwohl Weimann von einer täterorientierten Lösung ausgeht, die auf ein betreuungsexternales Einschränkungskriterium verweist, ist sein Versuch aus zwei Gründen abzulehnen. Seiner Lösung ist entgegenzuhalten, dass sie nicht allgemeingültig ist992. Weimann stellt fest, dass „schematische Antworten“ im Hinblick auf die Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen nicht gegeben werden könnten. Eine solche Annahme führt zur Rechtsunsicherheit und erscheint besonders problematisch. Kritisiert wird Weimanns Ansicht von Strelczyk zu Recht auch deswegen, weil das Kriterium der Verlustgefahr unterschiedlich groß sein kann und es einer weiteren Definition bedarf993. ff) Strelczyks Versuchs- und Rücktrittslösung994 Strelczyk versucht eine Lösung zu finden, die die Straflosigkeit des Untreueversuchs nicht nur als Grund für die Einschränkung des Anwendungsbereichs der Vermögensgefährdung im Sinne des Untreuetatbestandes be986 Weimann,
Schwarze Kassen, S. 119 ff. Schwarze Kassen, S. 119 ff. 988 Weimann, Schwarze Kassen, S. 134 ff. 989 Weimann, Schwarze Kassen, S. 134 ff., 146 f. 990 Weimann, Schwarze Kassen, S. 135. 991 Weimann, Schwarze Kassen, S. 136. 992 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 139 f. 993 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 139. 994 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 140 ff. 987 Weimann,
224
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
trachtet, sondern sie auch bei diesem Einschränkungsversuch berücksichtigt995. Des Weiteren nimmt er eine opferorientierte Lösung im Hinblick auf den Betrug und eine täterorientierte Lösung im Hinblick auf die Untreue und die Bildung schwarzer Kassen an996. Ausgehend davon geht Strelczyk in Bezug auf den Untreuetatbestand im Allgemeinen und die Bildung schwarzer Kassen im Besonderen von einer versuchs- und täterorientierten Einschränkungslösung aus, die das auf den Betrugstatbestand von Schröder entwickelte Herrschaftsmodell im Hinblick auf den Untreuetatbestand aufgrund versuchsnaher Kriterien997 modifiziert. Nach Strelczyks sog. „Herrschafts- und Rücktrittsmodell“998 begründet die Bildung einer schwarzen Kasse eine Vermögensgefährdung erst dann, wenn der Täter die Herrschaft über den Kassenbestand verliert und er nicht mehr in der Lage ist, diesen Kassenbestand ungeschmälert bzw. adäquat verzinst an den Vermögensträger zurückzuerstatten999. Wenn hingegen der Täter noch zurücktreten kann (d. h. soweit der Täter noch Vermeidemöglichkeiten hat), liege bei der bloßen Bildung einer schwarzen Kasse keine Vermögensgefährdung vor. Nach Strelczyk ist diese Vermeidemacht des Täters aufgrund rein objektiver Kriterien zu beurteilen, denn die Prüfung der Vermögensgefährdung sei die Prüfung eines objektiven Tatbestandsmerkmals und darüber hinaus würden dadurch Beweisschwierigkeiten von subjektiven Kriterien vermieden1000. Strelczyk betont auch, dass bei seinem Herrschafts- und Rücktrittsmodell die Vermögensgefährdung einen stärkeren Grad an Gefährdung aufweisen muss als die typische Situation eines Versuchs, um zur Vollendung von § 266 StGB als Nachteil gewertet werden zu können1001. Strelczyk ist zuzugeben, dass er große Rücksicht auf die Straflosigkeit des Untreueversuchs nimmt, sowie dass sein Modell täterorientiert ist und ein betreuungsexternales Einschränkungskriterium einführt. Ihm entgegenzuhalten ist aber, dass das Kriterium der Beherrschbarkeit des Vermögens durch den Täter nicht ausreicht, um die komplexe Frage der Beherrschbarkeit eines Dritten zu beantworten1002. Dieses Kriterium kann daher nur als Indiz für das Vorliegen einer Vermögensgefährdung dienen1003. Unhaltbar ist 995 Strelczyk,
Schwarze Kassen, S. 141, 143. Schwarze Kassen, S. 141 f. 997 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 144 ff. 998 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 142. 999 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 142, 206. 1000 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 144. 1001 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 146. Strelczyk stimmt dadurch Matts und Saligers Ansicht zu (Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 237). 1002 Werner, Gefährdungsschaden, S. 140. 1003 Werner, Gefährdungsschaden, S. 140 f. 996 Strelczyk,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 225
schließlich auch, dass Strelczyks Einschränkungsmodell ohne Rücksicht auf den Verwendungszweck des Täters, der die Besonderheit der Bildung schwarzer Kassen in kriminologischer Hinsicht darstellt, entwickelt wurde. gg) Die objektive Zurechnung – Die Ansicht von Mansdörfer Mansdörfer macht Gebrauch von der Lehre der objektiven Zurechnung, um den Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens im Sinne des Untreuetatbestandes objektiv einzuschränken1004. Angewendet auf die Bildung schwarzer Kassen bedeutet die objektive Zurechnung, dass ein Gefährdungsschaden durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse nur dann vorliege, wenn die Kasse gegen den Willen des Prinzipals (des Vermögensinhabers bzw. des Geschäftsherrn) gebildet wird. Hat der Prinzipal keine Kenntnis von der schwarzen Kasse, bestehe die Gefahr der endgültigen zweckwidrigen Verwendung des Geldes. In dieser Hinsicht kann nach Mansdörfer bereits die Bildung einer schwarzen Kasse eine Vermögensgefährdung begründen. Weißt der Prinzipal dagegen, dass eine schwarze Kasse gebildet wird und ist er damit einverstanden, so sei die Bildung der schwarzen Kasse straflos. Obwohl diese Ansicht zu dem haltbaren Ergebnis kommt, dass einerseits bei Kenntnis des Vermögensinhabers bzw. des Geschäftsherrn von der Existenz der schwarzen Kasse keine Untreuestrafbarkeit vorliegt und andererseits bei Unkenntnis eine Gefahr für das Vermögen vorhanden ist, geht es hier um eine Frage der Pflichtwidrigkeit. Sie ist außerdem aus zwei weiteren Gründen abzulehnen. Unter Zugrundelegung der Ansicht, dass sich die Kenntnis des Vermögensinhabers von der Existenz der schwarzen Kasse auf den Vermögensnachteil auswirkt, kommt man zu dem Ergebnis, dass diese Ansicht bei Unkenntnis des Treugebers von der Existenz der schwarzen Kasse immer eine Gefährdung für das zu betreuende Vermögen bejaht. Mansdörfers Vorschlag muss daher abgelehnt werden, denn er führt immer zu dem unhaltbaren Ergebnis der Untreuestrafbarkeit des Treunehmers. Zweitens übersieht Mansdörfer im Hinblick auf die schwarzen Kassen, was er selbst für den Untreuetatbestand befürwortet hat, d. h. dass es aufgrund der Lehre der objektiven Zurechnung an einer Vermögensgefährdung fehlt und damit Kompensationsfälle straflos bleiben müssen, in denen der Täter jederzeit ersatzwillig und -fähig ist, den pflichtwidrig verursachten Vermögensschaden auszugleichen1005. 1004 Mansdörfer, 1005 Mansdörfer,
JuS 2009, 114, 117. Vgl. auch B. V. 1. c) cc) (6) (b). JuS 2009, 114, 116; hierzu vgl. auch B. V. 1. c) cc) (6) (b).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
hh) Die Zugriffsmöglichkeit des Vermögensinhabers – Die Ansicht von Perron Perron geht von einer eingehenden Analyse der Untreuestrafbarkeit bei der Bildung einer schwarzen Kasse aus und macht diese von der Möglichkeit des Zugriffs des Vermögensinhabers auf das verdeckte Vermögen bzw. vom Verbleiben der Gelder im Vermögen des Vermögensinhabers abhängig1006. Im ersten Fall, d. h. wenn der Täter dem Vermögensinhaber die Gelder in einer Weise entzieht, dass dieser keinen Zugriff mehr darauf hat, dann liege nicht nur eine Beschränkung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers, sondern auch ein unmittelbarer Verlust von Vermögenswerten vor1007. Im zweiten Fall, d. h. wenn die Gelder so im Vermögen des Vermögensinhabers verbleiben, dass dieser oder sein gesetzlicher Vertreter nach wie vor unmittelbar darüber verfügen können, trete der Vermögensverlust erst mit ihrer zweckwidrigen bzw. nachteiligen Verwendung ein1008. Problematisch sind aber schließlich nach Perron die Zwischenformen der Aussonderung, bei denen die Geldmittel zwar aus der unmittelbaren Einflusssphäre des Vermögensinhabers entfernt werden, dieser aber immer noch einen gewissen Zugriff darauf hat1009. In diesen Fällen sei im Einzelfall aufgrund bestimmter Faktoren, z. B. die faktische Stärke der noch bestehenden Zugriffsmöglichkeit des Vermögensinhabers oder der Verwendungszweck des Täters, zu prüfen, ob eine hinreichende Vermögensgefährdung vorliegt1010. Perrons Ansicht ist begrüßenswert, weil sie die Verwendungsabsicht des Täters zwar berücksichtigt, jedoch nicht ausschließlich. Er versucht dieses subjektivierte Kriterium mit objektiven Anhaltspunkten zu kombinieren. Ihm ist jedoch entgegenzuhalten, dass er ein opferorientiertes objektives Einschränkungskriterium annimmt, das mit dem Verhältnis des Treunehmers zum Treugeber (Vermögensinhaber, Opfer) und zu dessen Vermögen nach § 266 StGB unvereinbar ist. d) Die neuere Rechtsprechung im „Fall Kanther“ Die deutschen Strafgerichte haben sich im Fall Kanther viermal mit der Bildung schwarzer Kassen als strafbare Untreue befasst1011. Sowohl das 1006 Perron,
in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c. in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c. 1008 Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c. 1009 Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c. 1010 Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 Rn. 45c. 1011 Nicht nur die Strafgerichte, sondern auch die Verwaltungsgerichte haben sich in dem Fall „Kanther“ mit den Folgen fehlerhafter Rechenschaftsberichte für die 1007 Perron,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 227
Wiesbadener Landgericht und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main als auch der zweite Strafsenat des Bundesgerichtshofes haben sich dazu geäußert, dass die bloße Bildung schwarzer Kassen – unabhängig vom Verwendungszweck des Täters – einen Vermögensnachteil in Form des Gefährdungsschadens begründet. Außerdem betrat der 2. Senat des BGH mit seinem Urteil vom 18.10.2006 „Neuland“, als er versuchte, den Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung aufgrund strengerer Anforderungen an die subjektive Tatseite des § 266 StGB einzuschränken1012. aa) Der Beschluss des LG Wiesbaden vom 25.03.2002 Das LG Wiesbaden lehnte mit seinem Beschluss vom 25.03.20021013 die Eröffnung der Hauptverhandlung gegen Kanther sowie gegen Sayn-Wittgenstein und Weyrauch wegen Untreue zum Nachteil der hessischen CDU ab. Zum einen wiederholte das LG Wiesbaden die in der Rechtsprechung vertretenen Auffassungen, dass durch die Bildung einer schwarzen Kasse eine schadensgleiche Vermögensgefährdung bejaht werde, „weil die satzungsgemäß zuständigen Organe daran gehindert sind, rechtmäßig über die Verwendung der Mittel zu entscheiden, und damit das Geld dort fehlen könnte, ‚wo es hätten sein sollen‘“, während zusätzlich das Beiseiteschaffen und Verschweigen von Geldern die Gefahr berge, „dass der Täter nach eigenem Gutdünken eigenmächtig und unkontrolliert weiter über die Gelder verfügt“1014. Insoweit folgte das Wiesbadener Landgericht der verwendungszweckunabhängigen Sichtweise der Bildung schwarzer Kassen. Zum anderen lehnte das Landgericht aber die Eröffnung der Hauptverhandlung aus zwei tatsächlichen Gründen ab. Erstens lehnte es sie unter staatliche Parteienfinanzierung befasst. Nach Aufdeckung der Existenz der schwarzen Kassen forderte der Bundestagspräsident mit Bescheid vom 14.02.2000 von der Bundes-CDU Förderungsbeträge in Höhe von ca. 41 Mio. DM zurück. Die CDU erhob eine Klage gegen diesen Bescheid, der das VG Berlin in erster Instanz stattgab (VG Berlin Urt. v. 31.01.2001, NJW 2001, 1367 ff. mit Bespr. Masing, NJW 2001, 2353 ff.). Auf die Berufung des Bundestagspräsidenten wies das OVG Berlin die Klage ab und ließ die Revision nicht zu (OVG Berlin Urt. v. 12.06.2002, NJW 2002, 2896 ff.). Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des OVG eingelegte Beschwerde der CDU wies das BVerwG mit Beschluss vom 04.02.2003 zurück (BVerwG Beschl. v. 4.02.2003, NJW 2003, 1135 ff.). Der 2. Senat des BVerfG hat letztlich die Verfassungsbeschwerde der CDU mit seinem Beschluss vom 17.06.2004 zurückgewiesen (BVerfG Urt. v. 17.06.2004, NJW 2005, 126 ff. mit Bespr. Wieland, NJW 2005, 110 ff.). 1012 Perron, NStZ 2008, 517, 517, auch 518. Vgl. auch B. V. 1. c) bb) (3) (a). 1013 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510 ff.; vgl. hierzu Saliger, Parteiengesetz, S. 438 ff. 1014 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1511.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Berücksichtigung des Grundsatzes „in dubio pro reo“ ab, weil nicht festgestellt werden konnte, dass es sich um Gelder handelte, die den zuständigen Organen vorher tatsächlich zur Verfügung standen1015, und zweitens weil es sich um bereits verjährte Tathandlungen gem. § 78 I StGB handelte1016. bb) Der Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vom 12.01.2004 Anschließend eröffnete das OLG Frankfurt a. M. mit seinem Beschluss vom 12.1.20041017 auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft das Hauptverfahren und ließ die Anklage zu. Das OLG bejahte eine schadensgleiche Vermögensgefährdung durch die Bildung der schwarzen Parteikasse mit der Begründung, dass die Angeklagten den zuständigen Parteiorganen Parteivermögen enthalten und entzogen haben. Es wiederholte insbesondere die Formel „die Gelder fehlen dort, wo sie hätten sein sollen und im Sinne der zuständigen Gremien hätten verwendet werden können“1018 und folgte wieder der verwendungszweckunabhängigen Sichtweise der Bildung schwarzer Kassen. Das OLG hat schließlich die Tathandlungen der Angeklagten als „Handlungseinheit“ angesehen und deren Verjährung verneint1019. cc) Das Urteil des LG Wiesbaden vom 18.04.2005 Das LG Wiesbaden verurteilte danach in seiner Entscheidung vom 18.04.20051020 Kanther wegen Untreue und Weyrauch wegen Beihilfe hierzu. Das LG Wiesbaden wiederholte die verwendungszweckunabhängige Sichtweise der Bildung schwarzer Kassen und sah eine schadensgleiche Vermögensgefährdung des hessischen Landesverbandes durch die schwerwiegende Beeinträchtigung seiner Dispositionsfreiheit sowie durch das Risiko einer Inanspruchnahme des Landesverbandes zur Leistung von Schadensersatz an den Bundesverband und eine weitere Vermögensgefährdung 1015 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1511 f. Zur Kritik an der fehlenden Zugriffsmöglichkeit der Hessen-CDU bereits vor der Transferierung der Gelder in die Schweiz als erster Begründungsstrang s. Saliger, Parteiengesetz, S. 439 ff. 1016 LG Wiesbaden, NJW 2002, 1510, 1512. Keine Verjährungsfragen ergeben sich nach Saliger im Fall Kanther, denn eine Untreuestrafbarkeit scheidet mangels eines Vermögensnachteils bereits aus (Saliger, Parteiengesetz, S. 488 ff., 493). 1017 OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028 ff. 1018 OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028, 2030. 1019 OLG Frankfurt a. M., NJW 2004, 2028, 2030 ff. 1020 LG Wiesbaden, Urt. v. 18.04.2005, Az. 6 Js 320.4 / 00-16 (nicht abgedruckt).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 229
der Bundes-CDU durch die Gefahr des Verlustes staatlicher Parteienfinanzierung als gegeben an1021. Nach Dierlamm lag dem Urteil des LG Wiesbaden eine „zu weite, die Grenzen des gesetzlichen Tatbestandes überschreitende Interpretation“ des Untreuetatbestandes zugrunde, da weder die bloße Dispositionsmöglichkeit noch die politische Gestaltungsfähigkeit Schutzgüter des Untreuetatbestandes sind1022. dd) Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 18.10.2006 (1) Die Annahmen des 2. Senats Der BGH1023 entschied schließlich über die Revision der Angeklagten gegen das oben erwähnte Urteil des Wiesbadener Landgerichts vom 18.04.2005 und sah in seiner Entscheidung vom 18.10.2006 eine Untreue gem. § 266 StGB durch die Bildung schwarzer Kassen als gegeben an. Insbesondere bejahte der zweite Strafsenat des BGH einen Vermögensschaden in Form der Vermögensgefährdung durch die Bildung schwarzer Kassen mit der folgenden Begründung: Die Täter verschafften sich die Möglichkeit, die zu betreuenden Vermögenswerte als „geheimen, keiner tatsächlich wirksamen Zweckbindung unterliegenden und jeder Kontrolle durch den Berechtigten entzogenen Dispositionsfonds“ zu nutzen (Verweis auf die BND-Entscheidung)1024. In der Möglichkeit der Mittelverwendung nach eigenem Gutdünken lag – so die Auffassungen des 2. Senats – nicht nur eine Beeinträchtigung der Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn, die einem Vermögensnachteil nach § 266 StGB nicht genüge, sondern bereits „eine konkrete, vom Berechtigten nicht kontrollierbare und nur noch im Belieben der Täter stehende Möglichkeit des endgültigen Vermögensverlustes“ als Vermögensnachteil1025. 1021 Vgl.
BGHSt 51, 100, 108. in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 218. 1023 BGH Urt. v. 18.10.2006, BGHSt 51, 100 ff. = NStZ 2007, 583 ff. = NJW 2007, 1760 ff. = wistra 2007, 136 ff.; vgl. Ransiek, NJW 2007, 1727 ff.; Saliger, NStZ 2007, 545 ff.; Bosch, JA 2008, 148 ff.; Perron, NStZ 2008, 517 ff.; ders., in: FS-Tiedemann, S. 746 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 430 ff.; Bernsmann, GA 2007, 219, 229 ff.; Weber, in: FS-Eisenberg, S. 371 ff.; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 261 ff.; Kempf, in: FS-Hamm, S. 262 ff.; Hillenkamp, in: FS-Maiwald, S. 323 ff.; Otto, in: FS-Puppe, S. 1260 ff.; Keul, DB 2007, 728 ff.; vgl. auch Fischer, § 266 StGB Rn. 181 ff.; Matt, NJW 2005, 389, 391 f.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 95 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 27 ff., 46 ff. 1024 BGHSt 51, 100, 113; vgl. BGHSt 40, 287, 296. 1025 BGHSt 51, 100, 113. 1022 Dierlamm,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Dass die Angeklagten im Interesse der Partei verfahren wollten, war nach der Ansicht des BGH unerheblich1026. Spätere Rückzahlungen oder Verrechnungen hielt der 2. Senat nur für Schadenswiedergutmachungen1027. In diesem Sinne folgte der 2. Senat im zugrunde liegenden Fall noch einmal der verwendungszweckunabhängigen Lesart der Bildung schwarzer Kassen. Wie bereits analysiert wurde, erkannte der BGH bei der Beurteilung der Fallvariante der Einreichung falscher Rechenschaftsberichte als Untreue gem. § 266 StGB das Bedürfnis an, den äußerst weiten Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens im Sinne des Untreuetatbestandes einzuschränken1028. Der 2. Senat hat die Untreue in Fällen der vorliegenden Art dadurch begrenzt, „dass der bedingte Vorsatz eines Gefährdungsschadens nicht nur Kenntnis des Täters von der konkreten Möglichkeit eines Schadenseintritts und das Inkaufnehmen dieser konkreten Gefahr voraussetzt, sondern darüber hinaus eine ‚Billigung der Realisierung dieser Gefahr‘, sei es auch nur in der Form, dass der Täter sich mit dem Eintritt des ihm unerwünschten Erfolgs abfindet“1029. (2) Die Kritik der Literatur an den Annahmen des 2. Senats Im Fall der Bildung schwarzer Kassen begründete der Senat die Vermögensgefährdung durch die Beeinträchtigung der Dispositionsbefugnis des Geschäftsherrn, die Möglichkeit der Mittelverwendung nach eigenem Gutdünken und die Möglichkeit des endgültigen Kontrollverlusts durch den Treunehmer und folgte mithin noch einmal der verwendungszweckunabhängigen Lehre. Gegen die Begründung der Vermögensgefährdung durch die bloße Einrichtung der schwarzen Parteikasse sprechen Perron und Matt. Nach Perron bleibt unklar und es besteht deshalb noch erheblicher Klärungsbedarf, was der 2. Senat mit seiner Auffassung hinsichtlich der Dispositionsbefugnis als Begründung der Vermögensgefährdung meint1030. Matt lehnt die Vermögensgefährdung durch die Bildung der schwarzen Parteikasse im Fall Kanther mit der Begründung ab, dass die Betrachtung „reiner formeller Verstöße“ gegen die Parteisatzung und / oder das Parteiengesetz (wenn keinerlei parteizweckwidrige Ausgaben erfolgten) als Pflichtverletzungen im Sinne des Untreuetatbestandes „die Untreue über den Vermögensschutz hinaus – entgegen der Rechtsprechung – zu einem Delikt zum Schutze vor Kompetenzüberschreitungen machen“ umwandeln kann1031. 1026 BGHSt
51, 100, 112. 51, 100, 116. 1028 Vgl. B. V. 1. c) bb) (3) (a). 1029 BGHSt 51, 100, 121. 1030 Perron, NStZ 2008, 517, 517. 1031 Matt, NJW 2005, 389, 391. 1027 BGHSt
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 231
Unklar bleibt außerdem, ob die subjektive Lösung, die der Zweite Strafsenat lediglich auf die Einreichung falscher Rechenschaftsberichte ausdrücklich anwendete, auf die Bildung schwarzer Kassen Anwendung finden kann bzw. aus welchem Grund sie lediglich auf die Einreichung falscher Rechenschaftsberichte und nicht auch auf die Bildung der schwarzen Parteikasse angewendet wurde1032. 3. Der Eintritt des Vermögensnachteils in Form des endgültigen Vermögensschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse nach § 266 StGB In neuester Zeit ist der 2. Senat des BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung abgerückt und hat einen endgültigen Vermögensschaden bereits durch die bloße Bildung schwarzer Kassen im „Siemens / ENEL-Fall“ bejaht. Obwohl die neue Entwicklung in der Rechtsprechung von der Lehre überwiegend kritisiert wurde, hat das BVerfG die Beschwerden der Angeklagten gegen die Entscheidung des zweiten Strafsenats aufgehoben und die Annahme des BGH für verfassungsmäßig erklärt. Der zweite Strafsenat des BGH hat seine Ansicht in einem weiteren Fall der Bildung schwarzer Kassen im „Kölner Müllskandal“ in jüngster Zeit erneut vertreten. a) Die Rechtsprechung im „Fall Siemens / ENEL“ aa) Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 29.08.2008 Der Zweite Strafsenat des BGH hat in seiner Entscheidung vom 29.08.20081033 die Entscheidung des LG Darmstadt vom 14.05.20071034 teilweise aufgehoben. Er hat insbesondere nur die Verurteilung der Ange1032 Vgl. Bernsmann, GA 2007, 219, 230 f.; Saliger, NStZ 2007, 545, 551; ders. / Gaede, HRRS 2008, 57, 71 f.; Selle / Wietz, ZIS 2008, 471, 474; Schünemann, NStZ 2008, 430, 433; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 732; Werner, Gefährdungsschaden, S. 58 ff.; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 95. 1033 BGH Urt. v. 29.08.2008 – 2 StR 587 / 07, BGHSt 52, 323 ff. = NStZ 2009, 95 ff. = NJW 2009, 89 ff. = wistra 2009, 61 ff. mit Bespr. Beukelmann, NJW-Spezial 2008, 600; Bosch, JA 2009, 233 ff.; Brammsen / Apel, WM 2010, 781 ff.; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94 ff.; Hohn, in: FS-Rissing-van Saan, S. 259 ff.; Jahn, JuS 2009, 173 ff.; Knauer, NStZ 2009, 151 ff.; Marxen / Taschner, EWiR 2009, 253 f.; Ransiek, NJW 2009, 95 f.; Reinhold, HRRS 2009, 107 ff.; Rönnau, StV 2009, 246 ff.; Satzger, NStZ 2009, 297 ff.; Schlösser, HRRS 2009, 19 ff.; Sünner, ZIP 2009, 937 ff.; auch Werner, Gefährdungsschaden, S. 60 ff.; zur Vorinstanz s. Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57 ff. 1034 LG Darmstadt, Urt. v. 14.05.2007 – 712 Js 5213 / 04 – 9 KLs, BeckRS 2007, 16611; vgl. hierzu Saliger / Gaede, HRRS 2008, 57 ff.
232
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
klagten wegen Untreue durch die bloße Bildung schwarzer Kassen bestätigt, nicht auch die Verurteilung wegen Bestechung. Die Nuance dieser Entscheidung liegt in der schadensrechtlichen Begründung und insbesondere darin, dass die Untreuestrafbarkeit wegen der bloßen Einrichtung einer schwarzen Kasse zum ersten Mal aufgrund des Eintritts des Vermögensnachteils bereits in der Form eines echten Schadens und nicht eines Gefährdungsschadens bejaht wurde. Die Begründung des Zweiten Strafsenats hinsichtlich des Vermögensschadens beginnt mit der Feststellung, dass der Angeklagte seiner Arbeitgeberin endgültig Vermögensteile entzog, indem er sie in den verdeckten Kassen führte und der Treugeberin auf Dauer vorenthielt1035. Die dauerhafte und endgültige Entziehung der Verfügungsmöglichkeit über die veruntreuten Vermögensteile stellt – so die Auffassung des 2. Senats – nicht nur eine schadensgleiche Vermögensgefährdung, sondern einen endgültigen Vermögensverlust in Höhe der in der verdeckten Kasse vorenthaltenen Mittel dar1036. Diese dauerhafte und endgültige Entziehung der Verfügungsmöglichkeit trifft auf die „bloße“ Einschränkung der Dispositionsmöglichkeit nicht zu1037. „Denn die Möglichkeit zur Disposition über das eigene Vermögen gehört zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition“1038. Des Weiteren kommt es nach Ansicht des Strafsenats nicht auf die Absicht des Täters an, „die Geldmittel – ganz oder jedenfalls überwiegend – bei späterer Gelegenheit im Interesse der Treugeberin einzusetzen, insbesondere um durch verdeckte Bestechungszahlungen Aufträge für sie zu akquirieren und ihr so mittelbar zu einem Vermögensgewinn zu verhelfen“1039. Dies gilt umso mehr, wenn die Geldmittel zu strafbaren (Bestechungs-) Zwecken eingesetzt werden1040. „Weder die vage Chance, auf Grund des Mitteleinsatzes zu Bestechungszwecken später einmal einen möglicherweise im Ergebnis wirtschaftlich vorteilhaften Vertrag abzuschließen, noch gar die bloße Absicht des Täters, die entzogenen Mittel für solche Zwecke zu verwenden, [stellen] einen zur Kompensation geeigneten gegenwärtigen Vermögensnachteil [dar]“1041. Hieraus folgt, dass die spätere Erlangung von durch Auftragsvergaben erzielten Vermögensvorteilen nur als eine Rückführung der entzogenen Mit1035 BGH, 1036 BGH, 1037 BGH, 1038 BGH, 1039 BGH, 1040 BGH, 1041 BGH,
NJW NJW NJW NJW NJW NJW NJW
2009, 2009, 2009, 2009, 2009, 2009, 2009,
89, 89, 89, 89, 89, 89, 89,
92. 92. 92. 92. 92. 92. 92.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 233
tel, als eine Schadenswiedergutmachung, zu betrachten ist1042. Andererseits stellt die spätere, weiter schädigende Mittelverwendung nur eine Schadensvertiefung dar1043. Der Zweite Senat erklärt ferner, dass die Bildung einer schwarzen Kasse einen Fall bildet, in dem Pflichtverletzung und Vermögensschaden inhaltlich und zeitlich zusammenfallen, was häufig und unvermeidlich ist und der Feststellung des Vermögensnachteils gleichfalls nicht entgegensteht1044. Bemerkenswert ist schließlich, dass der BGH den Fall, in dem der Treupflichtige jederzeit eigene Mittel bereithält, um einen pflichtwidrig verursachten Schaden auszugleichen, von dem Fall abgrenzt, in dem die Geldmittel in der schwarzen Kasse zunächst noch vorhanden sind. „Beim Unterhalten einer verdeckten Kasse wie im vorliegenden Fall hält der Treupflichtige nicht eigenes Vermögen zum Ersatz bereit, sondern hält Geldvermögen seines Arbeitgebers verborgen, um es unter dessen Ausschaltung oder Umgehung nach Maßgabe eigener Gelegenheiten für möglicherweise nützliche, jedenfalls aber risikoreiche Zwecke einzusetzen“1045. bb) Die Kritik der Lehre Ein Teil der Lehre hat die Entscheidung des 2. Senats des BGH im „Siemens / ENEL-Fall“ begrüßt1046. Namentlich Fischer stimmte nicht nur der verwendungszweckunabhängigen Sichtweise der Bildung schwarzer Kassen neuerlich zu1047, sondern wies auch darauf hin, dass durch die bloße Bildung der schwarzen Kassen bereits ein effektiver Vermögensschaden eintritt, da „jede Möglichkeit des Treugebers zur Verfügung (entfällt)“1048. Auch Schmid1049 ging von der Richtigkeit des BGH-Urteils aus, denn die Dispositionsfreiheit gehört nach seiner Ansicht zum Kern des durch § 266 StGB geschützten Rechtsposition und ihre dauerhafte Entziehung begründet einen echten Vermögensschaden. Der schadensrechtlichen Begründung des 2. Senats stimmte auch Ransiek1050 völlig zu. 1042 BGH,
NJW 2009, 89, 92. NJW 2009, 89, 92. 1044 BGH, NJW 2009, 89, 92. 1045 BGH, NJW 2009, 89, 92. 1046 Fischer, § 266 StGB Rn. 137 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 141c, 178c; Ransiek, NJW 2009, 95 f. 1047 Fischer, § 266 StGB Rn. 138; vgl. B. V. 2. c) bb). 1048 Fischer, § 266 StGB Rn. 139. 1049 Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 141c, 178c. 1050 Ransiek, NJW 2009, 95 f. 1043 BGH,
234
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Der überwiegende Teil der Lehre wurde aber von der Entscheidung des Zweiten Senats überrascht1051. Der Schwerpunkt der Schwarzekassenproblematik lag seit vielen Jahrzehnten im Vermögensnachteil in Form des Gefährdungsschadens und nicht des echten Schadens. Es wurde außerdem erwartet, dass der 2. Senat im zugrunde liegenden Fall die von ihm selbst im Kanther-Urteil vertretene subjektive Lösung weiterführen würde. In diesem Sinne überraschte auch die Auffassung des Senats, dass seine Entscheidung eine „Weiterführung von BGHSt 51, 100“1052 sei. Die Weiterführung des Kanther-Urteils kann nur insoweit bejaht werden, dass der 2. Senat in seiner neuen Entscheidung nochmals die Bildung schwarzer Kassen verwendungszweckunabhängig interpretiert. Was hingegen den Gefährdungs- und Endschaden angeht, stellt die Entscheidung des BGH im Siemens / ENEL-Fall „die Schadensberechnung auf neue Füße“1053. Gegen das gewichtige Argument des Strafsenats, dass die Dispositionsbefugnis über eigenes Vermögen zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition gehört, werden in der Lehre erhebliche Einwände erhoben1054: Die Siemens-Entscheidung vom 29.08.2008 und ihre schadensrechtliche Begründung geben Anlass dazu, das durch § 266 StGB geschützte Rechtsgut neu zu bestimmen. Nach der bisherigen in der Literatur und Rechtsprechung herrschenden Ansicht ist das Vermögen das einzige geschützte Rechtsgut; die Dispositionsbefugnis wird durch §§ 263, 266 StGB nicht mitgeschützt1055. Dies bedeutet für die Schwarzekassenproblematik, dass bloße Eingriffe bzw. Einschränkungen der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis des Vermögensinhabers für eine Untreuestrafbarkeit nicht ausreichen1056. Die Annahme des 1051 Bosch, JA 2009, 233, 235; Brammsen / Apel, WM 2010, 781, 783 ff.; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 97 f.; Hohn, in: FS-Rissing-van Saan, S. 259 ff.; Jahn, JuS 2009, 173, 175; Knauer, NStZ 2009, 151, 151, 153; Marxen / Taschner, EWiR 2009, 253, 254; Rönnau, StV 2009, 246, 248 ff.; Satzger, NStZ 2009, 297, 302 ff.; Schlösser, HRRS 2009, 19, 22 ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 76 f.; ders., in: FS-Samson, S. 460 ff. 1052 BGH, NJW 2009, 89, 89 (Leitsatz); diese Auffassung hält Jahn für „missverständlich“ (Jahn, JuS 2009, 173, 175), Knauer aber weiterhin für „ein wenig zynisch“ (Knauer, NStZ 2009, 151, 151). 1053 Beukelmann, NJW-Spezial 2008, 600, 600. 1054 Bosch, JA 2009, 233, 235; Brammsen / Apel, WM 2010, 781, 783 ff.; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 97 f.; Hohn, in: FS-Rissing-van Saan, S. 259 ff.; Jahn, JuS 2009, 173, 175; Knauer, NStZ 2009, 151, 153; Rönnau, StV 2009, 246, 248 ff.; Satzger, NStZ 2009, 297, 302 ff.; Schlösser, HRRS 2009, 19, 22 ff.; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 76 f.; ders., in: FS-Samson, S. 460 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 70 f. 1055 Vgl. B. I. 1056 So auch BGHSt 51, 100, 113.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 235
Eintritts eines endgültigen Vermögensschadens durch die Bildung schwarzer Kassen mit der Begründung der Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit, die zum Kern der geschützten Rechtsposition gehört, wandelt den Normzweck der Untreue um, da sie eine Abkehr von der Ausgestaltung der U ntreue als reines Vermögensdelikt bedeutet1057. Den Stimmen gegen die SiemensEntscheidung, da diese das Rechtsgut beim Untreuetatbestand neu definiert und es um die Dispositionsfreiheit erweitert1058 oder da sie sich vom Vermögensschutz als einziges geschütztes Rechtsgut entfernt1059, müssen in diesem Sinne zugestimmt werden. Der Kritik gegen das Urteil des BGH ist daher zuzustimmen. Von der sorgfältigen Abgrenzung zum Dispositionsschutz hängt die Aufrechterhaltung der Untreue als reines Vermögensdelikt ab1060. Die Begründung des Zweitens Senats birgt die Gefahr, dass die Untreue in ein „Delikt zum Schutze von Kompetenzüberschreitungen“1061 verwandelt wird. So spricht die Lehre in ähnlicher Weise von der Verformung des Charakters der Untreue zu einem „Dispositionsdelikt“1062, „Dispositionsschutzdelikt“1063, schillernden „Delikt zum Schutz der Dispositionsmöglichkeit über Vermö gen“1064, „Entscheidungsfreiheitsgefährdungsdelikt“1065 bzw. „Vermögensfrei heitsdelikt“1066. Es muss darüber hinaus betont werden, dass die Annahme der Disposi tionsfreiheit als mitgeschütztes Rechtsgut beim Untreuetatbestand, die zur Normativierung des Vermögensschadens1067 führen könnte, eine Rückkehr 1057 Bosch, JA 2009, 233, 235; Knauer, NStZ 2009, 151, 153; Satzger, NStZ 2009, 297, 302, 306; Schlösser, HRRS 2009, 19, 23 f.; a. A. Reinhold, HRRS 2009, 107, 108, 109, Fn. 20 (Reinhold hält die Annahme des Senats nur für einen Anschluss an den funktionalen Vermögensbegriff und lehnt die Abkehr von der bisherigen Ansicht mit der Begründung ab, dass der Senat den Vermögensnachteil im vorliegenden Fall aufgrund der Dauerhaftigkeit der Entziehung bejaht hat, was nicht unbedingt bedeutet, dass er bei jeder Beeinträchtigung der Dispositionsbefugnis einen Vermögensnachteil annehmen würde). 1058 Jahn, JuS 2009, 173, 175. 1059 Satzger, NStZ 2009, 297, 302, 306. 1060 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1. 1061 Matt, NJW 2005, 389, 391; Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 98; ähnl. Schlösser, HRRS 2009, 19, 23 f. 1062 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 1. 1063 Schlösser, HRRS 2009, 19, 25. 1064 Satzger, NStZ 2009, 297, 306. 1065 Jahn, JuS 2009, 173, 175; auch Rönnau, StV 2009, 246, 249, Fn. 42. 1066 Saliger, in: FS-Samson, S. 464. 1067 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 76; ders., in: FS-Samson, S. 460 ff.; Schünemann, StraFo 2010, 1, 4, 9; von einer Normativierung des Schadensbegriffs spricht auch Rönnau (Rönnau, in: FS-Rissing-van Saan, S. 517 ff.).
236
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
zu einem „abstrakten juristischen Vermögensbegriff“1068 oder nach einer anderen Ansicht eine Anlehnung an den personalen Vermögensbegriff bedeutet1069. Ferner muss festgestellt werden, dass die Begründung des endgültigen Vermögensschadens bei der Bildung schwarzer Kassen durch die Verletzung der Dispositionsfreiheit einen typischen Fall der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg darstellt1070. Der 2. Senat konnte daher nicht den Rückschluss der Tathandlung auf den Taterfolg vermeiden, obwohl er das allgemeine Problem der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolgt bei der Untreue anerkannte1071. Die Einwände gegen die Annahme eines endgültigen Vermögensschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse betreffen nicht nur die Einbeziehung der Dispositionsfreiheit in den Kern des geschützten Rechtsguts des § 266 StGB, sondern auch das Kriterium der Dauerhaftigkeit der Entziehung. Nach zutreffender Ansicht ist dieses Kriterium erklärungsbedürftig, da der Senat keine (subjektiven oder objektiven) Kriterien aufstellt, aufgrund deren das Kriterium der Dauerhaftigkeit festgestellt werden könnte1072. Es wird außerdem bedenklich, warum Geldmittel, die noch vorhanden sind und zu einem späteren Zeitpunkt im Interesse des Vermögensträgers verwendet werden, als dauerhaft verloren betrachtet werden müssen1073. Nicht unerwähnt muss ferner die Kritik bleiben, dass die Siemens-Entscheidung die bloße Gefahr, dass der Treupflichtige die verborgenen Geldmittel zweckwidrig verwendet, als Untreue bestraft. Es handelt sich um eine abstrakte Gefahr für das fremde Vermögen, die immer – übrigens auch bei legal geführten Kassen – besteht und nicht mit einem effektiven Vermögensschaden gleichgestellt werden kann1074. 1068 Schünemann, StraFo 2010, 1, 4, 9; auch Saliger, in: FS-Samson, S. 464; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 122 (Nach Weimann würde die Beschränkung des Vermögensnachteils auf den tatsächlichen Verlust eines Vermögensgegenstands eine Rückkehr zum juristischen Vermögensbegriff bedeuten). 1069 Satzger, Jura 2009, 518, 519. 1070 Brüning / Wimmer, ZJS 2009, 94, 98; Schlösser, HRRS 2009, 19, 24. 1071 Vgl. BGH, NJW 2009, 89, 92. 1072 Reinhold, HRRS 2009, 107, 109 f.; Rönnau, StV 2008, 246, 249; vgl. auch Satzger, NStZ 2009, 297, 303. Weiter zur Kritik gegen die Dauerhaftigkeit als Kriterium des Vermögensverlustes s. Schlösser, HRRS 2009, 19, 24 ff. 1073 Schlösser, HRRS 2009, 19, 24; Satzger, NStZ 2009, 297, 302; Werner, Gefährdungsschaden, S. 70. 1074 Rönnau, StV 2009, 246, 249. Von der Pönalisierung einer bloß abstrakten Gefahr im zugrunde liegenden Fall sprechen auch Saliger (Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 77; ders., in: FS-Samson, S. 463; Saliger / Gaede, HRRS 2008, 69 ff.) und Schlösser (Schlösser, HRRS 2009, 19, 26).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 237
cc) Der Beschluss des BVerfG vom 23.06.2010 Das Bundesverfassungsgericht befasste sich in neuester Zeit noch einmal mit der Verfassungsmäßigkeit des Untreuetatbestandes. Mit seinem Beschluss vom 23.06.20101075 hat es u. a. einen Verstoß gegen das Analogieverbot in der Siemens / ENEL-Entscheidung des 2. Senats des BGH vom 29.08.2008 abgelehnt und die Verfassungsbeschwerde der Angeklagten gegen die Entscheidung des BGH als unbegründet zurückgewiesen. Das BVerfG geht davon aus, dass „der Untreuetatbestand in seiner geltenden Fassung mit dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 II GG noch zu vereinbaren (ist)“1076. Insbesondere erklärt das BVerfG das Tatbestandsmerkmal des Vermögensnachteils im Sinne des Untreuetatbestandes für verfassungsrechtlich unbedenklich und betont, dass der Vermögensnachteil auf zweierlei Weisen festgestellt werden kann: aufgrund eines Vergleichs des nach dem pflichtwidrigen Verhalten bestehenden „Istzustands“ entweder mit dem „status quo ante“ (Vorher / Nachher-Betrachtung) oder mit dem im Falle pflichtgemäßen Handelns bestehenden „Sollzustand“ (Ist- und Sollzustand)1077. Der 2. Senat des BGH hat – so die Auffassung des BVerfG – im Siemens / ENEL-Fall den zweiten Weg gewählt und den Vermögensnachteil aufgrund des Vergleichs zwischen dem Istzustand und dem Sollzustand festgestellt1078. Entscheidende Kriterien bei der Schadensberechnung waren für den BGH zutreffend die Endgültigkeit und Dauerhaftigkeit der Entziehung der Verfügungsmöglichkeit über das zu betreuende Vermögen1079. Das BVerfG sah in der Aufrechterhaltung der schwarzen Kasse ein Element der Vereitelung und stellte fest, dass dadurch ein Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB eingetreten war1080. Die Höhe des Schadens, die der 2. Senat des BGH festgestellt hat, war auch für das BVerfG verfassungsrechtlich unbedenklich1081. 1075 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010 – 2 BvR 2559 / 08 u. a., NJW 2010, 3209 ff. = wistra 2010, 379 ff. mit Bespr. Becker, HRRS 2010, 383 ff.; Radtke, GmbHR 2010, 1121 ff.; Saliger, NJW 2010, 3195 ff.; s. auch Fischer, § 266 StGB Rn. 160a ff.; Schünemann, StraFo 2010, 477, 480 ff.; Rönnau, in: FS-Rissing-van Saan, S. 517 ff.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 36 ff. 1076 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 85. 1077 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3216, Rn. 122. 1078 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3126 f., Rn. 124. 1079 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3216 f., Rn. 124. 1080 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3217, Rn. 124. 1081 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3217, Rn. 125.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Verfassungsmäßig ist ferner die Entscheidung des BGH, Schadensersatzansprüche gegen die Untreuetäter bei der Schadensfeststellung außer Acht zu lassen, da sie nur reparatio damni sind1082. Das BVerfG erklärt schließlich, dass es verfassungsrechtlich nicht geboten sei, den Fall, in dem die Geldmittel in den schwarzen Kassen noch vorhanden sind, mit dem Fall, in dem der Täter ersatzfähig und -willig ist, den Nachteil aus eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszugleichen, gleichzustellen1083. Nach einem Teil des Schrifttums1084 überzeugen die Auffassungen des BVerfG im Hinblick auf den Untreuetatbestand im Allgemeinen, nicht aber auch im Hinblick auf die Siemens / ENEL-Entscheidung des 2. Senats des BGH. Es wurde richtigerweise behauptet, dass die Begründung des BVerfG unhaltbar ist, soweit er in der Endgültigkeit und Dauerhaftigkeit der Entziehung der Dispositionsbefugnis ein Element der Vereitelung und nicht ein wirtschaftlich noch dem Treugeber zuzuordnendes Vermögen sieht, obwohl eine Rückführung der verschleierten Geldmittel im zugrunde liegenden Fall tatsächlich vorhanden war1085. Der Beschluss des BVerfG wird des Weiteren deswegen kritisiert, weil die Annahme eines effektiven Vermögensschadens wegen einer endgültigen und dauerhaften Entziehung der Dispositionsbefugnis (ohne Berücksichtigung der uneigennützigen Absicht des Täters) eine Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg bedeutet1086. Dies widerspricht der Anerkennung des Problems der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg bei § 266 StGB1087. Ein letzter Einwand gegen den Beschluss des BVerfG wird von Schünemann erhoben, der darüber verwundert ist, dass das BVerfG bei der Schadensfeststellung der Alternative des Vergleichs zwischen Istzustand und Sollzustand zustimmt, die sich nicht in der Rechtsprechung findet, sondern in der Literatur vereinzelt (nur von zwei Autoren) und im Hinblick auf völlig andere Fallgestaltungen vertreten worden ist1088. 1082 BVerfG
Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3217, Rn. 126. Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3217, Rn. 126. 1084 Becker, HRRS 2010, 383, 388 f., 393; Saliger, NJW 2010, 3195, 3197; Schünemann, StraFo 2010, 477, 480 ff. 1085 Becker, HRRS 2010, 383, 388 f.; Saliger, NJW 2010, 3195, 3197; ähnl. Schünemann, StraFo 2010, 477, 482. 1086 Becker, HRRS 2010, 383, 388 f.; Saliger, NJW 2010, 3195, 3197; Schünemann, StraFo 2010, 477, 481. 1087 BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3215, Rn. 113; vgl. hierzu Werner, Gefährdungsschaden, S. 68, 71 f. 1088 Schünemann, StraFo 2010, 477, 481 f.; krit. auch Becker, HRRS 2010, 383, 388, Fn. 77. 1083 BVerfG
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 239
b) Die Rechtsprechung im „Kölner-Müllskandal“ – Das Urteil des 2. Senats des BGH vom 27.08.2010 Der 2. Senat des BGH bejahte bei seiner Auseinandersetzung mit einem Fall aus dem Komplex des Kölner Müllskandals in seiner Entscheidung vom 27.08.20101089 einen Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB durch die bloße Bildung eines schwarzen Bankkontos in der Schweiz. Der 2. Senat nahm zum zweiten Mal in Fortführung des Siemens / ENEL-Urteils einen Vermögensnachteil bereits in der Form des effektiven Vermögensschadens durch die Bildung schwarzer Kassen an1090. Bemerkenswert ist aber, dass der BGH die Anwendbarkeit der rechtlichen Würdigung des Vermögensnachteils in der Siemens-Entscheidung, in der es sich um die Bildung schwarzer Kassen von einem Mitarbeiter unter der Vorstandsebene und ohne Kenntnis des Vorstands handelte, auf die Bildung einer schwarzen Kasse durch den alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer einer GmbH bzw. durch den Vorstand einer AG ohne weitere Prüfung ablehnte1091. Der 2. Senat ging hingegen von einer rechtlichen Würdigung des Vermögensschadens in concreto aus und führte weiter aus, dass die Annahme des endgültigen Vermögensschadens im zugrunde liegenden Fall „auf der konkreten Ausgestaltung der verdeckten Kasse“ beruhte1092. Die verborgenen Geldmittel waren „dem Zugriff der Treugeberin bereits endgültig entzogen“1093. Letztlich stimmte der BGH im vorliegenden Fall wieder der ver wendungszweckunabhängigen Linie zu und hielt die spätere vorteilhafte Mittelverwendung, d. h. die spätere Erlangung von durch bestimmte Geschäfte erzielten Vermögensvorteilen, nur für eine Schadenswiedergutmachung1094.
1089 BGH Urt. v. 27.08.2010 – 2 StR 111 / 09, StV 2011, 20 ff. = wistra 2011, 106 ff. = NJW 2010, 3458 ff. = ZIP 2010, 1892 ff. mit Bespr. Brand, NJW 2010, 3463 f.; Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1150 ff. 1090 BGH Urt. v. 27.08.2010, StV 2011, 20, 24, Rn. 40. 1091 BGH Urt. v. 27.08.2010, StV 2011, 20, 25, Rn. 42; zust. Brand, NJW 2010, 3463, 3464; Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1152. 1092 BGH Urt. v. 27.08.2010, StV 2011, 20, 25, Rn. 42. 1093 BGH Urt. v. 27.08.2010, StV 2011, 20, 25, Rn. 44; zust. Hoffmann, GmbHR 2010, 1146, 1152; krit. Brand, NJW 2010, 3463, 3464. 1094 BGH Urt. v. 27.08.2010, StV 2011, 20, 25, Rn. 45.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
4. Eigener Lösungsvorschlag – Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodell a) Der Vermögensnachteil bei der Bildung schwarzer Kassen aa) Die Ablehnung des effektiven Vermögensschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse Es wurde bereits erklärt, aus welchen Gründen die neueste Rechtsprechung des Zweiten Strafsenats des BGH im Fall Siemens / ENEL, nach welcher die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse bereits zu einem echten Vermögensschaden führt, abgelehnt werden muss1095. Die jüngste Ansicht des Zweiten Senats des BGH stellt eine neue Definition des durch § 266 StGB geschützten Rechtsguts dar. Das Argument, dass die Disposi tionsbefugnis über das eigene Vermögen zum Kern der von § 266 StGB geschützten Rechtsposition gehört, gefährdet die Ausgestaltung der Untreue als reines Vermögensdelikt und wandelt sie in ein Delikt gegen die Dispositionsfreiheit um. Die neue Rechtsprechung führt zu einer Normativierung des Vermögensnachteils und mithin zu einer Rückkehr zu einem „abstrakten juristischen Vermögensbegriff“1096. bb) Die Annahme des Gefährdungsschadens durch die Bildung einer schwarzen Kasse Es stellt sich daher allein die Frage, ob durch die Bildung einer schwarzen Kasse ein Vermögensnachteil in der Form des Gefährdungsschadens eingetreten ist. Es besteht kein Zweifel, dass bei der Bildung einer schwarzen Kasse immer eine gewisse Gefahr für das fremde Vermögen gegeben ist, wenn der Vermögensinhaber keine Kenntnis von der Existenz der schwarzen Kasse hat und der Treupflichtige die verheimlichten Geldmittel nach eigenem Gutdünken verwenden will. Die Gefahr für das fremde Vermögen ist aber nicht immer so groß, dass sie stets als ein Gefährdungsschaden im Sinne des Vermögensnachteils gem. § 266 StGB eingestuft werden muss. Wenn beispielsweise der Treupflichtige eine schwarze Kasse einrichtet, um die in der Kasse befindlichen Geldmittel zu einem späteren Zeitpunkt im Interesse des Treugebers zu verwenden, ist immer die Gefahr seines Todes gegeben, bevor er die vorenthaltenen Geldmittel letzten Endes im Interesse des Vermögensinhabers verwenden kann. Die Gefahr seines Todes ist aber eine bloß abstrakte 1095 Vgl.
B. V. 3. a) bb). Schünemann, StraFo 2010, 1, 4, 9; Saliger, in: FS-Samson, S. 464; Rönnau, in: FS-Rissing-van Saan, S. 517 ff. 1096 Vgl.
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 241
Gefahr, die keinen Vermögensschaden begründen kann. Wenn er hingegen die schwarze Kasse nur als eine „Vorbereitungshandlung“ bildet, um die dort vorhandenen Geldmittel zu einem späteren Zeitpunkt für sich selbst zu verwenden, d. h. wenn er die schwarze Kasse zu eigennützigen Zwecken einrichtet, dann ist die Gefahr für das zu betreuende Vermögen ziemlich groß. Die Frage, wann die Gefahr für das fremde Vermögen bei der Bildung einer schwarzen Kasse so groß ist, dass sie als schadensbegründend bzw. schadensdarstellend im Sinne des Untreuetatbestandes betrachtet werden muss, steht im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung. cc) Bedürfnis nach einer Einschränkungslösung bei der Bildung schwarzer Kassen im Hinblick auf den Gefährdungsschaden Die Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung und Literatur zur Schwarzekassenproblematik als Untreue gem. § 266 StGB stellt klar, dass es besonders schwierig ist, eine Lösung zu finden, die überwiegenden Anklang findet. Es wurde bereits erklärt, dass wegen der Besonderheiten des Untreuedelikts keine allgemeingültige Einschränkungslösung für den Betrug und die Untreue existiert1097. Die kriminologische Untersuchung der schwarzen Kasse hat ferner gezeigt, dass es sich um eine Fallgruppe handelt, die im Vergleich zu anderen Untreuefällen Besonderheiten aufweist1098. Es muss daher ein Eingrenzungsmodell für die Bildung schwarzer Kassen entwickelt werden, das Rücksicht auf die Besonderheiten der Untreue sowie der schwarzen Kassen selbst nimmt. Eine befriedigende Einschränkungslösung für die Bildung schwarzer Kassen muss an erster Stelle auf die Deliktsnatur der Untreue als reines Vermögensdelikt, Erfolgsdelikt, Verletzungsdelikt und Fremdschädigungsdelikt Rücksicht nehmen. Auch die strukturellen Unterschiede der Untreue im Vergleich zum Betrug müssen berücksichtigt werden. Ausschlaggebend ist ferner die Straflosigkeit der versuchten Untreue. Darüber hinaus darf ein befriedigendes Einschränkungsmodell die Besonderheiten der schwarzen Kassen in rechtstatsächlicher Hinsicht nicht außer Acht lassen. Im Gegensatz zum normalen Untreuetäter handelt der Treupflichtige in den meisten Fällen der Bildung schwarzer Kassen im Interesse 1097 Vgl. B. V. 1. c) dd); so auch Riemann, Vermögensgefährdung, S. 54; Lackner, in: LK, 10. Aufl., § 263 Rn. 153. 1098 Vgl. A. Anders als der „normale“ Untreuetäter, der direkte finanzielle Vorteile für sich selbst erlangen will, handelt der Untreuetäter im Fall der Bildung schwarzer Kassen zumeist uneigennützig (Weimann, Schwarze Kassen, S. 1, 12; auch Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 715; ähnl. Saliger, Parteiengesetz, S. 397).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
des Vermögensinhabers. Die Verwendungsabsicht des Treupflichtigen ist daher von maßgeblicher Bedeutung. Zusätzlich müssen betreuungsexternale Kriterien festgestellt werden, die sich auf das Außenverhältnis des Treupflichtigen zum fremden Vermögen beziehen. Ein befriedigender Einschränkungsversuch muss schließlich auf so viele Erscheinungsformen bzw. Fälle der Bildung schwarzer Kassen wie möglich übertragbar sein. b) Die Einschränkung des Gefährdungsschadens bei der Bildung einer schwarzen Kasse unter Zugrundelegung der Rückgabefähigkeit und -willigkeit Die Suche nach einer eigenständigen, für die Bildung schwarzer Kassen entwickelten Einschränkungslösung erfordert zunächst die Überprüfung der vorhandenen Grundsätze der Schadensberechnung i. S. d. § 266 StGB. In Betracht kommt der Grundsatz der Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft, der gerade wegen der Besonderheiten der Untreue im Vergleich zum Betrug ausschließlich für den Untreuetatbestand gilt. Es wird daher geprüft, ob dieser Grundsatz als ein hilfreiches Einschränkungsinstrument im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen als Fallgruppe der Untreue dienen kann. aa) Die Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit beim Untreuetatbestand Bei der Schadensbeurteilung im Rahmen des Untreuetatbestandes ergibt sich aus den Besonderheiten des Verhältnisses des Treunehmers zum fremden Vermögen (bzw. aus dem internen Angriffsweg des Treunehmers auf das Vermögen) sowie aus der Straflosigkeit des Untreueversuchs ein wesentlicher Unterschied zwischen Betrug und Untreue1099: Nach ständiger Rechtsprechung scheidet ein Vermögensnachteil im Sinne des Untreuetatbestandes aus, wenn der Täter jederzeit fähig und willens ist, aus eigenen flüssigen Mitteln die Vermögensminderung vollständig auszugleichen1100. Die Rechtsprechung lehnt in zahlreichen Fällen einen Vermö1099 Vgl.
B. V. 1. b) aa). in: LK, § 266 StGB Rn. 132, 139; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 17; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 184; Satzger, Jura 2009, 518, 521; ders., NStZ 2009, 297, 303; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 173 ff.; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 189; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 13 Rn. 545; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 78; Otto, JZ 1985, 69, 74; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 80; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 231 f.; a. A. Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 42; Labsch, Jura 1987, 411, 417. 1100 Schünemann,
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 243
gensnachteil i. S. d. § 266 StGB ab, wenn der Täter zum Ersatz der Vermögensminderung ständig eigene flüssige Mittel in entsprechender Höhe bereithält1101, weil es dann an einer konkreten Gefahr für das fremde Vermögen fehlt1102. So ist der BGH in seiner Entscheidung vom 16.12.1960 davon ausgegangen, dass „der Täter nicht nur jederzeit eigene flüssige Mittel in seiner Kasse oder in gleich sicherer Weise bei einer Bank oder bei der Post oder sonst wo zur Verfügung hat, die zur Deckung ausreichen, sondern dass er auch sein Augenmerk darauf richtet, diese Mittel ständig zum Ausgleich benutzen zu können“1103. Eine in der Literatur und Rechtsprechung vertretene Ansicht geht weiter und fordert die Ablehnung eines Vermögensnachteils i. S. d. § 266 StGB nicht nur wenn der Täter die Vermögensminderung „mit eigenen flüssigen Mitteln“, sondern auch „auf sonstige Weise“ ausgleichen kann1104. Der Ausdruck „auf sonstige Weise“ umfasst Fälle, in denen der Täter bereit ist, die vorenthaltenen bzw. verborgenen Geldmittel mit Hilfe von dritten Personen oder durch eine Kreditaufnahme vollständig auszukehren. Die h. M. lehnt aber diese Erweiterung richtigerweise ab und geht davon aus, dass der Täter jederzeit fähig und willens sein muss, nur mit eigenen flüssigen Mitteln die Vermögensminderung vollständig zu ersetzen1105. bb) Die Rückgabefähigkeit und -willigkeit bei der Bildung schwarzer Kassen (1) D ie Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit bei der Bildung schwarzer Kassen in der Literatur und Rechtsprechung Die Bedeutung des Grundsatzes der Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft für die Bildung schwarzer Kassen wird in der Literatur bereits anerkannt1106. 1101 RGSt 70, 321 ff.; RGSt 73, 283, 285; BGHSt 15, 342, 344; BGH, NStZ 1982, 331 f.; BGH, wistra 1988, 191, 192; BGH, NStZ 1995, 233, 234; BGH, NStZRR 2004, 54 f.; BGH, NJW 2008, 1827, 1829. 1102 BGH, NJW 2008, 1827, 1829. 1103 BGHSt 15, 342, 344. 1104 BGH, NStZ 1995, 233, 234. 1105 BGH, NStZ 1982, 331, 331: „Die Möglichkeit des Notars, sich das Geld bei Bedarf von anderen, zumal durch Kreditaufnahme, zu beschaffen, genügt nicht“; auch BGH, wistra 1982, 191, 192. 1106 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 291 f.; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; ders., NStZ 2008, 430, 433; zust. Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182; Satzger, NStZ 2009, 297, 303; Saliger, Parteiengesetz,
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
Bereits Schünemann hat richtigerweise erklärt, dass für die Bildung schwarzer Kassen keine strengere Beurteilung Anwendung finden kann als für den Fall, dass der Täter fähig und willens ist, die Vermögensminderung mit eigenen flüssigen Mitteln vollständig auszukehren (argumentum a fortiori)1107. Saliger bezeichnet diese Argumentation als einen Erst-rechtSchluss, da die Ablehnung eines Vermögensnachteils i. S. d. § 266 StGB bei der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit des Täters dazu führe, dass dieser Grundsatz erst recht für den Verwalter einer schwarzen Kasse gelten müsse, der den Kassenbestand ohnehin immer nur zweckgerecht verwenden will1108. Hefendehl hat die Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft des Untreuetäters direkt auf die Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen übertragen und sie mit dem Verwendungszweck des Täters kombiniert1109. Der BGH und das BVerfG haben aber im Siemens / ENEL-Fall eine Gegenansicht vertreten. Nach der Auffassung des zweiten Senats des BGH ist die Bildung schwarzer Kassen nicht mit der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Treupflichtigen vergleichbar1110. „Beim Unterhalten einer verdeckten Kasse wie im vorliegenden Fall hält der Treupflichtige nicht eigenes Vermögen zum Ersatz bereit, sondern hält Geldvermögen seines Arbeitgebers verborgen, um es unter dessen Ausschaltung oder Umgehung nach Maßgabe eigener Gelegenheiten für möglicherweise nützliche, jedenfalls aber risikoreiche Zwecke einzusetzen“1111. Dem BGH folgend hat auch das BVerfG den Vergleich zwischen beiden Fällen als verfassungsrechtlich nicht geboten erklärt1112. Die Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist bedenklich. Es liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Fallkonstellationen vor: Im Fall der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Treupflichtigen scheidet ein Vermögensnachteil aus, wenn der Täter jederzeit bereit ist, die zu betreuenden Geldmittel, die er bereits verwendet hat und die nicht mehr S. 422 ff.; Weimann, Schwarze Kassen, S. 134 f.; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 77. Ausf. hierzu vgl. B. V. 2. c) dd). 1107 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 148; ders., NStZ 2008, 430, 433; zust. Krekeler / Werner, Unternehmer und Strafrecht, Rn. 1182; Satzger, NStZ 2009, 297, 303; Vrzal, Versuchsstrafbarkeit, S. 77. 1108 Saliger, Parteiengesetz, S. 424. 1109 Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 291 f. 1110 BGH, NJW 2009, 89, 92; zust. Fischer, § 266 StGB Rn. 134; Schmid, in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 31 Rn. 189a; vgl. auch Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45c. 1111 BGH, NJW 2009, 89, 92; krit. hierzu Bosch, JA 2009, 233, 235; Satzger, NStZ 2009, 297, 303. 1112 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3217, Rn. 126; vgl. auch B. V. 3. a) cc).
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 245
vorhanden sind, mit „eigenen“ flüssigen Mitteln vollständig auszugleichen, während im Fall der Bildung schwarzer Kassen die vorenthaltenen Mittel noch in der Kasse vorhanden sind. Der letztgenannte Fall darf nicht strenger beurteilt werden, da der Treupflichtige die verheimlichten Geldmittel noch nicht verwendet hat, sondern sie noch zur Verfügung stellt und er sie in den meisten Fällen außerdem uneigennützig verwenden will. Der BGH und das BVerfG haben nicht erklärt, aus welchem Grund eine geringere Fallkonstellation – wie die Bildung schwarzer Kassen, wenn die verborgenen Geldmittel noch in der Kasse verfügbar sind – strenger beurteilt werden muss. Sie beschränken sich auf die Auffassung, dass diese Untreuefälle nicht vergleichbar seien. (2) D ie Rückgabefähigkeit und -willigkeit bei der Bildung schwarzer Kassen Aus diesen Ausführungen lässt sich ableiten, dass der für den Untreuetatbestand allgemein geltende Grundsatz der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit für die Bildung schwarzer Kassen von höchster Relevanz sein kann. Eine sorgfältige Auseinandersetzung mit diesem Grundsatz stellt klar, dass seine Modifikation im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen, zu einer befriedigenden und erfolgreichen Einschränkungslösung führen kann. Ausgangspunkt der Untersuchung muss der oben erklärte Unterschied zwischen den beiden Fällen sein, dass im Fall der Ausgleichsfähigkeit und -bereitschaft der Treupflichtige fähig und willens sein muss, die Vermögensminderung mit eigenen flüssigen Mitteln auszugleichen, während im Fall der Bildung schwarzer Kassen die verborgenen Geldmittel noch vorhanden sein müssen. Aus diesem Unterschied ergibt sich, dass im ersten Fall von einem „Ausgleich“ der Rede ist, während im zweiten Fall der Ausdruck „Rückgabe“ zutreffender erscheint. Solange die verborgenen Geldmittel noch verfügbar sind, kann der Treupflichtige sie noch an den Vermögensinhaber „zurückgeben“ und nicht „ausgleichen“, „ersetzen“ oder „auskehren“. Die Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit umfasst zwei Komponenten: die Ersatzfähigkeit (objektive Komponente) und die Ersatzwilligkeit (subjektive Komponente). Im Folgenden wird versucht, beide Komponenten im Hinblick auf die schwarzen Kassen zu modifizieren. (a) D ie Rückgabefähigkeit des Treupflichtigen bei der Bildung schwarzer Kassen Die Ersatzfähigkeit des Treupflichtigen bedeutet, dass er jederzeit objektiv in der Lage ist, die Vermögensminderung vollständig auszugleichen.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
M. a. W.: Der Täter muss jederzeit über Geldmittel in entsprechender Höhe verfügen. Bezogen auf die Bildung schwarzer Kassen bedeutet dies, dass der Treupflichtige jederzeit über die verborgenen Geldmittel verfügen können muss. Hieraus ergibt sich ohne Weiteres, dass die objektive Komponente der Rückgabefähigkeit zunächst voraussetzt, dass die verborgenen Geldmittel in der schwarzen Kasse noch vorhanden sind. Anders gesagt, der Treupflichtige darf das fremde Vermögen noch nicht verwendet haben. Es reicht aber nicht aus, dass die verborgenen Geldmittel in der verdeckten Kasse noch vorhanden sind. Die objektive Komponente der Rückgabefähigkeit setzt zusätzlich voraus, dass der Treupflichtige jederzeit unmittelbaren Zugriff auf die verdeckte Kasse und die dort verheimlichten Geldmittel hat. Ohne den unmittelbaren Zugriff des Treupflichtigen auf die schwarze Kasse wäre die Tatsache, dass die verborgenen Geldmittel noch vorhanden sind, ohne Bedeutung, denn sie könnten dem Vermögensinhaber nicht ohne Weiteres zurückgegeben werden und die Gefahr für das fremde Vermögen wäre in hohem Maße erhöht. In diesem Fall läge ein Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB vor. Es bleibt zu prüfen, ob der Treupflichtige einen unmittelbaren Zugriff auf die verdeckte Kasse hat, wenn er nur durch das Handeln dritter Personen auf die schwarze Kasse zugreifen kann. Unzweifelhaft fehlt es an der Rückgabefähigkeit, wenn der Treupflichtige auf seine Einflussnahme auf die schwarze Kasse verzichtet und deren Verwaltung einem Dritten weitergegeben hat. Dann kann die dritte Person eigenständig über den Inhalt der schwarzen Kasse verfügen und die Rückgabe der verborgenen Gelder hängt von dem Dritten und nicht vom Treupflichtigen ab. Ein Gefährdungsschaden für das fremde Vermögen ist daher in diesem Sinne gegeben. Anderenfalls, wenn der Dritte nicht eigenständig handeln kann, ist es möglich, dass der Treupflichtige rückgabefähig ist. Dies bedeutet, dass der Gefährdungsschaden in concreto zu prüfen ist, wenn auch eine dritte Person auf die schwarze Kasse einwirken kann. Der Treupflichtige ist daher im Fall der Bildung schwarzer Kassen nur dann rückgabefähig, wenn er jederzeit unmittelbaren Rückgriff auf die schwarze Kasse und die dort noch vorhandenen Geldmittel hat.
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(b) D ie Rückgabewilligkeit des Treupflichtigen bei der Bildung schwarzer Kassen (aa) D er Verwendungszweck des Treupflichtigen als Rückgabewilligkeit bei der Bildung schwarzer Kassen Die Ersatzwilligkeit bedeutet, dass der Täter jederzeit willens ist, die Vermögensminderung vollständig auszugleichen. M. a. W.: Der Täter muss jederzeit die Absicht haben, die Vermögensminderung vollständig zu ersetzen und dem Vermögensinhaber keinen endgültigen Vermögensnachteil zuzufügen. Bezogen auf die Bildung schwarzer Kassen bedeutet dies, dass der Treupflichtige jederzeit die Absicht haben muss, die verborgenen Geldmittel an den Vermögensinhaber zurückzugeben und ihm keinen endgültigen Vermögensschaden herbeizuführen. Wenn der Treupflichtige bereit ist, die verborgenen, aber noch vorhandenen Geldmittel jederzeit an den Vermögensinhaber zurückzugeben, handelt er im Interesse des Treugebers. Durch ein argumentum a contrario kann also behauptet werden, dass er nicht im Interesse des Vermögensinhabers handelt, wenn er sie nicht jederzeit zurückgeben will. Es muss hervorgehoben werden, dass für die Beurteilung der Rückgabewilligkeit des Treupflichtigen dessen Absicht, die Geldmittel im Interesse des Treugebers zu verwenden, und nicht die reale Mittelverwendung selbst, entscheidend ist1113. Es muss ferner erklärt werden, dass als Absicht der zweckmäßigen Mittelverwendung lediglich die Absicht anzusehen ist, das fremde Vermögen letzten Endes im Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden. Sowohl die Intention des Treupflichtigen, die verheimlichten Geldmittel zu einem späteren Zeitpunkt für sich selbst zu verwenden (d. h. der eigennützige Verwendungszweck) als auch seine Absicht, die verborgenen Geldmittel zwar nicht eigennützig, jedoch zweckwidrig (d. h. zu haushalts-, partei- oder unternehmensfremden Zwecken) zu verwenden, können keine Rückgabewilligkeit begründen. Maßgebend für die Rückgabewilligkeit ist, dass der Treupflichtige „gute Absichten“ hinsichtlich des fremden Vermögens hat. M. a. W.: Es reicht nicht aus, dass der Treupflichtige uneigennützig handelt; es ist ferner erforderlich, dass er im Interesse des Vermögensinhabers handelt1114. 1113 Vgl. hierzu B. V. 2. c) cc); vgl. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 417, 418 f.; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 729 ff.; a. A. Hübner, in: LK, 10. Aufl., § 266 StGB Rn. 98; auch Neye, Untreue, S. 73 ff.; ders., NStZ 1981, 369, 372; Riemann, Vermögensgefährdung, S. 158 f. 1114 Vgl. hierzu A. I. 1.
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Es muss schließlich betont werden, dass der Verwendungszweck als ein subjektives Kriterium nicht unmittelbar bewiesen werden kann. Er kann als innere Tatsache (wie der Vorsatz1115), nur empirisch mittels Indizien geprüft und festgestellt werden. Als Indizien der zweckmäßigen Verwendungsabsicht des Treupflichtigen können die Überweisung der fremden Geldmittel auf Konten des Vermögensinhabers oder die ordentliche „verdeckte“ Buchführung, die in Zukunft als Nachweis des uneigennützigen Handelns des Schwarzekassenverwalters dienen kann1116, in Betracht kommen. (bb) D ie Notwendigkeit der Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen Es gibt ein kriminalpolitisches Bedürfnis, auf die zweckgemäße Verwendungsabsicht des Treupflichtigen Rücksicht zu nehmen. In den meisten Fällen der Bildung schwarzer Kassen, mit denen sich die Rechtsprechung befasst hat, handelt der Treupflichtige uneigennützig. Er verfolgt den Zweck, die verborgenen Geldmittel letzten Endes im Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden. Die Bildung der schwarzen Kasse ist dann nur als ein „Durchgangsstadium“ zu verstehen1117. Gerade im Verwendungszweck des Treupflichtigen liegt die Besonderheit der Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen. Ansonsten wäre die Bildung schwarzer Kassen als ein typischer Untreuefall, und nicht als eine besondere Fallgruppe der Untreue zu behandeln. Die Notwendigkeit der Berücksichtigung der uneigennützigen Verwendungsabsicht des Täters bereits auf objektiver Ebene (d. h. bei der Prüfung des Gefährdungsschadens) wird außerdem in der Lehre überwiegend, in der Rechtsprechung jedoch nur ausnahmsweise anerkannt. So wird die sog. verwendungszweckabhängige Lesart der Bildung schwarzer Kasse von zahlreichen Autoren1118, aber nur in manchen gerichtlichen Entscheidungen1119 vertreten. Rönnau betont zutreffend, dass eine objektive Prognose des Gefährdungsschadens auf die Absicht des Treupflichtigen Rücksicht nehmen muss1120. Die Anwendung der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit auf die Bildung schwarzer Kassen mit der Folge der Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen auf objektiver Ebene erscheint auch nach Schünemann geradezu 1115 Hassemer, in: GS-Kaufmann, S. 289 ff.; Volk, in: FS-BGH, S. 741 f.; Mylonopoulos, Komparative und Dispositionsbegriffe, S. 77 ff. 1116 Saliger, Parteiengesetz, S. 419 f. 1117 Kempf, in: FS-Hamm, S. 267. 1118 Vgl. B. V. 2. c) cc). 1119 Vgl. B. V. 2. b) bb) (2). 1120 Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 732.
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zwangsläufig1121. Schünemanns Ansicht, dass die Einfügung subjektiver Dispositionen des Täters (d. h. seines Verwendungszwecks) in den objektiven Untreuetatbestand erforderlich ist, ist beizupflichten1122. (cc) D ie Einwände gegen die Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen Die Berücksichtigung des Verwendungszwecks bereits auf objektiver Ebene bedeutet nicht, dass ihre Schwächen übersehen werden. Es bedeutet nur, dass die Stimmen gegen sie nicht überzeugend sind oder vermieden werden können. (α) Die Berücksichtigung des Verwendungszwecks führt zu einer starken Subjektivierung des Vermögensnachteils Es wird erstens behauptet, dass die zweckmäßige Verwendungsabsicht als Kriterium für die Ablehnung des Gefährdungsschadens bei der Bildung schwarzer Kassen zu einer starken Subjektivierung des Schadensbegriffs (d. h. eines objektiven Tatbestandsmerkmals) führe. Die Gefahr, „ein zusätzliches subjektives Tatbestandsmerkmal ‚zweckwidrige Verwendungsabsicht‘ durch die Hintertür“ beim Untreuetatbestand einzuführen, liegt nahe1123. Die Schwäche der zweckmäßigen Verwendungsabsicht des Treupflichtigen bei der Bildung schwarzer Kassen kann man durch die gleichzeitige Berücksichtigung anderer objektiver Einschränkungskriterien eindämmen. So kann der Verwendungszweck des Treunehmers nicht das einzige Kriterium für die Einschränkung des Gefährdungsschadens bei der Bildung schwarzer Kassen sein. Nach hier vertretener Ansicht wird die Verwendungsabsicht des Treunehmers mit dem objektiven Kriterium des unmittelbaren Zugriffs des Treupflichtigen auf die schwarze Kasse kombiniert. Auf diese Weise wird die starke Subjektivierung des Schadensbegriffs vermieden. Es ist außerdem auffallend, dass Literatur und Rechtsprechung subjektivierte Maßstäbe im Hinblick auf den Vermögensschaden immer dann angenommen haben, wenn sie sie für notwendig halten. So dienen der individuelle Schadenseinschlag und die Zweckverfehlungslehre als subjektive Hilfsmittel bei der objektiven Schadensberechnung1124. In ähnlicher Weise 1121 Schünemann,
NStZ 2008, 430, 433. NStZ 2008, 430, 433. 1123 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 115, auch 111 ff. 1124 Vgl. B. V. 1. b) bb) (2); hierzu vgl. auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 111; Saliger, Parteiengesetz, S. 426. 1122 Schünemann,
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muss man den Verwendungszweck des Treupflichtigen auffassen, um den Gefährdungsschaden bei der Bildung schwarzer Kassen sachgerecht einzuschränken. (β) Die zweckmäßige Verwendungsabsicht des Treupflichtigen kann den Eintritt des Vermögensnachteils nicht stets ausschließen Es wird zweitens angenommen, dass die zweckmäßige Verwendungsabsicht nicht immer den Eintritt eines Vermögensnachteils ausschließen kann1125. Es ist zwar möglich, dass der Treupflichtige fähig und willens ist, die vorenthalten Geldmittel zurückzugeben, dies aber letzten Endes nicht machen kann, z. B. weil er vorher stirbt. Es handelt sich hier um einen Zufall, der bereits im Zeitpunkt der Bildung der schwarzen Kasse keinen Gefährdungsschaden begründen kann. In diesem Fall ist ein echter Vermögensschaden erst im Zeitpunkt des Todes des Treupflichtigen bzw. Schwarzekassenverwalters gegeben1126. Dieses Beispiel zeigt, dass die zweckmäßige Verwendungsabsicht den Eintritt eines Vermögensnachteils zwar nicht immer ausschließen kann, aber die Annahme eines Gefährdungsschadens vor der Annahme eines echten Schadens nicht immer erforderlich ist. Im Gegenteil: Es gibt zahlreiche Fälle sowohl beim Betrug als auch bei der Untreue, bei denen ein echter Schaden ohne Dazwischentreten eines Gefährdungsschadens eintritt. (γ) Die Nachweisschwierigkeiten bei der Berücksichtigung des Verwendungszwecks Die Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen kann schließlich strafprozessuale Schwierigkeiten und Nachweisprobleme mit sich bringen1127. Die mit dem Verwendungszweck verbundenen Nachweisprobleme sind jedoch kein hinreichendes Argument für die Ablehnung des Verwendungszwecks als Einschränkungskriterium. Zwar ist der Verwendungszweck eine innere Tatsache, die nicht unmittelbar bewiesen werden kann. Aber seine Werner, Gefährdungsschaden, S. 56; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 114. echter Schaden ist in diesem Fall dann eingetreten, wenn der Vermögensinhaber keine Kenntnis von der Existenz der schwarzen Kasse hat bzw. niemand (außer dem Treupflichtigen) Kenntnis davon hat und den Vermögensinhaber in Kenntnis setzen kann, bzw. es keine andere Möglichkeit für den Vermögensträger gibt, die Existenz der schwarzen Kasse zu entdecken (z. B. wenn der Treupflichtige die Geldmittel auf ein eigenes Konto überwiesen hat). 1127 Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 115 f. 1125 Vgl. 1126 Ein
V. Der Vermögensnachteil i. S. d. § 266 StGB 251
Prüfung und Feststellung durch Indizien, wie z. B. die Überweisung der fremden Geldmittel auf Konten des Vermögensinhabers oder die ordentliche „verdeckte“ Buchführung, kann die Nachweisprobleme lösen. (3) Ergebnis Insgesamt betrachtet kann die Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit i. S. d. § 266 StGB als Rückgabebereitschaft und -fähigkeit im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen modifiziert werden und als Kriterium für die Einschränkung des Anwendungsbereichs des Gefährdungsschadens bei der Bildung schwarzer Kassen dienen. Das Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodell ist so zu verstehen, dass der Treupflichtige jederzeit fähig und willens ist, die verborgenen, in der schwarzen Kasse noch vorhandenen Geldmittel an den Vermögensinhaber zurückzugeben. Sie umfasst zwei Komponenten: die Rückgabefähigkeit als objektive Komponente und die Rückgabewilligkeit als subjektive Komponente. Rückgabefähig ist der Treupflichtige, wenn er jederzeit unmittelbaren Zugriff auf die verborgenen, noch in der schwarzen Kasse vorhandenen Geldmittel hat. Die Rückgabefähigkeit des Treupflichtigen scheidet in diesem Sinne aus, wenn er auf seine Einflussnahme auf die verdeckte Kasse verzichtet und deren Verwaltung einem Dritten weitergegeben hat. Rückgabewillig ist er, wenn er jederzeit die Absicht hat, die verborgenen, noch in der schwarzen Kasse vorhandenen Geldmittel im Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden. Die zweckgemäße Verwendungsabsicht des Treupflichtigen lässt sich als innere Tatsache mittels Indizien feststellen. cc) Die Abgrenzung des Rückgabefähigkeitsund Rückgabewilligkeitsmodells von anderen Einschränkungsansätzen Die hier vertretene Einschränkungslösung muss von ähnlichen Einschränkungsansätzen, die den Verwendungszweck und die Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Treupflichtigen berücksichtigen, abgegrenzt werden. In Betracht kommen vornehmlich die von Hefendehl und Schünemann entwickelten Ansätze, denn bei beiden Einschränkungsversuchen wird der Verwendungszweck mit der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit kombiniert. Genau in diesem Zusammentreffen von Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit und Verwendungszweck liegt die Gemeinsamkeit von der hier vertretenen Lösung und den anderen Lösungen. In Betracht kommt auch Saligers Ansatz, der den Verwendungszweck des Treupflichtigen mit einem weiteren objektiven Kriterium (nämlich der Verlustgefahr) kombiniert.
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
(1) Die Abgrenzung von Hefendehls Einschränkungsansatz Wie bereits erklärt wurde, hat Hefendehl sein opferorientiertes, vom Zivilrecht konstituiertes Betrugs-Einschränkungsmodell im Hinblick auf die Untreue so modifiziert, dass eine schädigende Vermögensgefährdung ausscheidet, wenn der Täter zum Ausgleich des durch ihn verursachten Vermögensabflusses bereit ist. Im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen hat er es so modifiziert, dass die Bildung der schwarzen Kasse keine schädigende Vermögensgefährdung begründet, wenn der Täter die verborgenen Geldmittel bestimmungsgemäß verwenden will1128. Wenn er hingegen das Geld zweckwidrig verwenden will, fehlt es an der Ersatzwilligkeit des Täters und die bloße Bildung der schwarzen Kasse begründet bereits eine Vermögensgefährdung1129. Das hier vertretene Lösungsmodell unterscheidet sich von Hefendehls Modell dadurch, dass es aus dem Grundsatz der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit nicht nur die Verwendungsabsicht des Treupflichtigen, sondern auch eine objektive Komponente (d. h. den unmittelbaren Zugriff) ableitet. Wie bereits erwähnt wurde, gibt es auch Fälle, in denen der Treupflichtige die verborgenen Geldmittel zweckmäßig verwenden will, aber den unmittelbaren Zugriff auf sie verloren hat, z. B. weil er die vorenthaltenen Geldmittel einem Dritten weitergegeben hat1130. Nach der hier vertretenen Lösung sind die Zahlungsfähigkeit (Rückgabefähigkeit) und die zweckgemäße Verwendungsabsicht (Rückgabewilligkeit) des Täters zwei selbständige Komponenten, die nicht immer zusammentreffen. Eine befriedigende Einschränkungslösung kann nicht allein auf den Verwendungszweck des Treupflichtigen Rücksicht nehmen. (2) Die Abgrenzung von Schünemanns Einschränkungsansatz Schünemann1131 hat zuerst aufgrund eines argumentum a fortiori vom Grundsatz der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit auf den Verwendungszweck des Treunehmers geschlossen und die unvermeidbare Einführung subjektiver Dispositionen des Täters (des Verwendungszwecks) im objektiven Bereich des Untreuetatbestandes angenommen. Die hier vertretene Lösung unterscheidet sich von Schünemanns Ansatz dadurch, dass sie neben dem subjektiven Kriterium des Verwendungszwecks 1128 Vgl.
hierzu B. V. 1. hierzu B. V. 1. 1130 Vgl. B. V. 4. b) bb) 1131 Vgl. hierzu B. V. 1. 1129 Vgl.
c) cc) (4) (b), B. V. 2. c) dd) (1). c) cc) (4) (b), B. V. 2. c) dd) (1). (1). c) dd) (2).
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des Täters für die Annahme eines Gefährdungsschadens durch die bloße Bildung einer schwarzen Kasse und die nachfolgende Untreuestrafbarkeit ein weiteres objektives Einschränkungskriterium fordert, nämlich die Rückgabefähigkeit des Treupflichtigen. (3) Die Abgrenzung von Saligers Einschränkungsansatz Auch Saliger als typischer Vertreter der verwendungszweckabhängigen Lehre stellt die Verwendungsabsicht des Treupflichtigen in dem Mittelpunkt seines Einschränkungsansatzes1132. Genau wie nach der hier vertretenen Lösung geht Saliger nicht nur von der Verwendungsabsicht des Treupflichtigen aus, sondern verlangt auch ein weiteres objektives Einschränkungskriterium, die Verlustgefahr. Soweit er seine Lösung durch das Erfordernis eines weiteren objektiven Einschränkungskriteriums objektiviert, ist ihm beizupflichten. Die von Weimann vorgeschlagene und anschließend von Saliger übernommene Voraussetzung der Verlustgefahr wurde jedoch bereits als ungeeignetes Kriterium abgelehnt1133. Das hier entwickelte Einschränkungsmodell unterscheidet sich von Saligers Einschränkungsansatz dadurch, dass unterschiedliche objektive Einschränkungskriterien festgelegt werden. dd) Die Vereinbarkeit des Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodells mit den Untreuebesonderheiten und der Bildung schwarzer Kassen Wie eingangs erklärt wurde, muss eine befriedigende Einschränkungslösung die Deliktsnatur und Besonderheiten der Untreue sowie die Besonderheiten der schwarzen Kassen berücksichtigen1134. Ob die hier vertretene Einschränkungslösung darin erfolgreich ist, wird im Folgenden untersucht. (1) Die Untreue als ein (reines) Vermögensdelikt Es wurde bereits betont, dass das durch § 266 StGB geschützte Rechtsgut allein das Vermögen ist1135. Die Untreue ist ein reines Vermögensdelikt und 1132 Vgl.
B. V. 2. c) cc) (1). B. V. 2. c) dd). 1134 Vgl. B. V. 4. a) cc). 1135 Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 1; ders. in: FS-Widmaier, S. 614, 615; Fischer, § 266 StGB Rn. 2; Hefendehl, Vermögensgefährdung, S. 82; ders., in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 187; ders., in: FS-Samson, S. 297; Kempf, in: FS-Hamm, S. 267; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; ders., BT II, § 34 Rn. 1; ders., in: FS-Lampe, S. 709, 722; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 1; ders., JuS 1989, 505, 505; 1133 Vgl.
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andere Rechtsgüter, wie z. B. die Dispositionsfreiheit, werden nicht mitgeschützt1136. Wie bereits erklärt wurde, kann die Begründung eines Gefährdungsschadens bei der Bildung schwarzer Kassen durch den Entzug der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers die Untreue von einem reinen Vermögensdelikt zu einem Dispositionsfreiheitsdelikt umgestalten1137. Ein im Hinblick auf den Gefährdungsschaden bei der Bildung schwarzer Kassen entwickeltes Einschränkungsmodell muss daher die Ausgestaltung der Untreue als reines Vermögensdelikt sicherstellen. Die hier vertretene Ansicht nimmt Rücksicht auf den Charakter der Untreue als Vermögensdelikt, da sie die Annahme des Gefährdungsschadens durch die bloße Einrichtung einer schwarzen Kasse nicht von der Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten bzw. von der Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit des Vermögensinhabers über das zu betreuende Vermögen abhängig macht. (2) D ie Untreue als ein Erfolgsdelikt – Das Erfordernis „betreuungsexternaler“ Einschränkungskriterien Die Untreue ist ein Erfolgsdelikt1138. § 266 StGB verlangt den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Vermögensinhaber, der sich von der Tathandlung unterscheidet. Als Vermögensnachteil im Sinne des UntreuetatbeLabsch, Jura 1987, 343, 343; Matt, NJW 2005, 389, 389; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 1; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 1; Rönnau, ZStW 119 (2007), 887, 890; ders., ZStW 1222 (2010), 299, 302; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50; ders., Parteiengesetz, S. 420, 421, 425; ders., ZStW 110 (2000), 563, 581; Samson, JA 1989, 510, 510; Satzger, NStZ 2009, 297, 302; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 28; Seelmann, JuS 1982, 914, 916; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 10, 12; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 747; BGHSt 8, 254, 255; BGHSt 28, 371, 373; BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301; BGHSt 50, 331, 342; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 86. Hierzu vgl. auch B. I. 1136 Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 28; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; Fischer, § 266 StGB Rn. 2; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 1; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 1; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 11; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 747; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 1; BGHSt 43, 293, 297; BGHSt 47, 295, 301; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3212, Rn. 86. 1137 Vgl. B. V. 2. b) bb) (1). 1138 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 100; Fischer, StraFo 2008, 269, 271; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50; ders., Parteien gesetz, S. 420; ders., HRRS 2006, 10, 14. Hierzu vgl. auch B. I.
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standes ist sowohl der effektive Vermögensschaden als auch der Gefährdungsschaden zu qualifizieren. Bei § 266 StGB ist es besonders schwierig, Tathandlung und Taterfolg voneinander zu trennen, da die Tathandlung des Treunehmers normalerweise zu einem Vermögensnachteil führt und ein Vermögensnachteil genau wegen dieser Tathandlung eingetreten ist. Diese Schwierigkeit bildet das Strukturproblem der Untreue: die „Verschleifung von Handlung und Erfolg“1139. Um die Gefahr der Verschleifung von Tathandlung und Taterfolg im Fall der bloßen Einrichtung einer schwarzen Kasse zu vermeiden, muss die Annahme eines Gefährdungsschadens aufgrund betreuungsexternaler Kriterien erfolgen1140. Als solche sind diejenige Kriterien zu betrachten, die auf das Außenverhältnis des Treunehmers zum Vermögen oder dritter Personen zum Vermögen verweisen. Die Berücksichtigung allein des internen Verhältnisses zwischen Treunehmer und Treugeber reicht nicht aus, um eine befriedigende Lösung zu schaffen. So wurden die unordentliche Buchführung sowie die bloße Entziehung der Kontroll-, Prüfungs- und Verfügungsmöglichkeiten des Vermögensinhabers als betreuungsinterne Einschränkungskriterien bereits abgelehnt1141. Beide hier vorgeschlagenen Einschränkungskriterien sind betreuungsexternal. Sie verweisen auf das Verhältnis des Treupflichtigen zum fremden Vermögen, d. h. sie verweisen darauf, ob der Treupflichtige unmittelbaren Zugriff auf das fremde Vermögen hat, sowie auf den Zweck, den der Treupflichtige hinsichtlich der Verwendung des fremden Vermögens verfolgt. (3) Die Untreue als ein Verletzungsdelikt Ferner ist die Untreue ein Verletzungsdelikt, da sie als Erfolgsdelikt die Verletzung des fremden Vermögens voraussetzt1142. Dies gilt auch, wenn die Vermögensgefährdung als Vermögensnachteil eingestuft wird. Abstrakte 1139 Saliger, Parteiengesetz, S. 420 f.; ders., in: SSW, § 266 StGB Rn. 8; ders., ZStW 112 (2000), 563, 610 f.; ders., HRRS 2006, 10, 14; auch Matt, NJW 2005, 389, 390; Volk, Art. Haushaltsuntreue, in: Handwörterbuch, S. 2; ders., in: FSHamm, S. 805 ff.; Ransiek, ZStW 116 (2004), 634, 638; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 StGB Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3215, Rn. 113. 1140 Auch Saliger, Parteiengesetz, S. 420 f.; Saliger / Sinner, HRRS 2008, 57, 70; Weimann, Schwarze Kassen, S. 134; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 101 f., 140. 1141 Vgl. B. V. 2. b) bb).; vgl. auch Saliger, Parteiengesetz, S. 420 f.; ders., ZStW 110 (2000), 563, 611 f.; ders. / Sinner, HRRS 2008, 57, 70; Matt, NJW 2005, 389, 390; ähnl. Dierlamm, in: FS-Widmaier, S. 610. 1142 BVerfG, Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 100; Hefendehl, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 187; ders., in: FS-Samson, S. 297; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 50. Vgl. B. I.
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oder nicht hinreichend konkrete Gefährdungen scheiden als Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB aus. Die Ausgestaltung der Untreue als Verletzungsdelikt ist für die Bildung einer schwarzen Kasse von maßgebender Bedeutung. Eine befriedigende Einschränkungslösung des Gefährdungsschadens im Hinblick auf die schwarzen Kassen muss die Deliktsnatur des Untreuetatbestandes als Verletzungsdelikt sicherstellen. Daraus folgt, dass nicht jede (abstrakte oder konkrete) Gefahr des fremden Vermögens bei der Bildung einer schwarzen Kasse einen Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB begründen kann. Nur diejenigen Gefährdungen, die bereits den Wert des fremden Vermögens mindern, können als schadensdarstellend bzw. schadensbegründend i. S. d. § 266 StGB betrachtet werden. Nach der hier vertretenen Einschränkungslösung scheiden die konkreten und bloß abstrakten Gefährdungen des fremden Vermögens aus, denn sie führt bestimmte und klare Einschränkungskriterien ein und ist demzufolge geeignet, eine gerechtfertigte Einschränkung des Gefährdungsschadens im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen vorzunehmen. Unter Zugrundelegung des hier entwickelten Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodells besteht keine Gefahr, dass die Untreue von einem Verletzungsdelikt zu einem Gefährdungsdelikt umgewandelt wird. (4) D ie Untreue als ein Fremdschädigungsdelikt – Das Erfordernis einer „täterorientierten“ Einschränkungslösung Ein wesentlicher Unterschied zwischen Betrug und Untreue liegt darin, dass der Betrug ein Delikt bewusster Selbstschädigung ist, während die Untreue als ein Fremdschädigungsdelikt eingeordnet wird1143. Insbesondere beim Betrug setzt der Taterfolg des Vermögensnachteils das Dazwischentreten des Opfers (d. h. eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung von Opferseite) voraus. Im Mittelpunkt einer Einschränkungslösung beim Betrug muss daher das Opfer stehen. Im Gegensatz dazu setzt der Eintritt des Vermögensnachteils bei der Untreue das pflichtwidrige Handeln des Täters voraus, der das fremde Vermögen des Opfers von innen angreift. Eine Einschränkungslösung beim Untreuetatbestand und bei der Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen im Besonderen muss daher täterorientiert sein1144. 1143 Kindhäuser, BT II, § 34 Rn. 1; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 29; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748; Satzger, Jura 2009, 518, 518; ders., NStZ 2009, 297, 303. Vgl. B. I. 1144 Es wurde bereits erklärt, dass viele von den im Hinblick auf den Betrugstatbestand entwickelten Einschränkungsansätzen wegen ihrer opferorientierten Sicht-
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Die hier vertretene Einschränkungslösung ist täterorientiert. In ihrem Mittelpunkt stehen der Treupflichtige und sein pflichtwidriges Verhalten. Beide Einschränkungskriterien verweisen auf den Treunehmer: sowohl die Rückgabefähigkeit (unmittelbarer Zugriff des Treunehmers auf die verdeckte Kasse) als auch die Rückgabewilligkeit (Verwendungszweck des Treunehmers). (5) Die Unbestimmtheit des objektiven Untreuetatbestandes Im Gegensatz zu den klaren Konturen des Betrugstatbestandes wird der Untreuetatbestand wegen seiner Unbestimmtheit auf objektiver Ebene in der Lehre stark kritisiert1145. Nach h. M. bedarf es einer restriktiven Auslegung, vor allem des Treubruchstatbestandes, um § 266 StGB in den verfassungsrechtlichen Grenzen des Art. 103 II GG festzuhalten1146. Wegen der Uferlosigkeit des Untreuetatbestandes und namentlich der Treubruchsalternative ist der Anwendungsbereich des Gefährdungsschadens für die Untreue stärker einzuschränken als für den Betrug. Eine Einschränkungslösung im Hinblick auf die Untreue und insbesondere auf die Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen muss daher so bestimmt und klar wie möglich sein. Es ist notwendig, dass eine solche Lösung keine neuen Begriffe einführt, die zu weiteren Unklarheiten führen und neue Fragen aufwerfen würden. Das hier entwickelte Einschränkungsmodell erfüllt diese Forderungen. Es ist nur eine Modifikation eines für den Untreuetatbestand bereits allgemein geltenden Grundsatzes, der in Literatur und Rechtsprechung überwiegend anerkannt wird. Es führt zwei klare und bestimmte betreuungsexternale Kriterien ein, die den Gefährdungsschaden bei der Bildung schwarzer Kassen ohne Schwierigkeiten einschränken können. (6) Das Fehlen einer Bereicherungsabsicht Für die Verwirklichung der subjektiven Tatseite der Untreue reicht das Handeln mit bedingtem Vorsatz aus. Im Gegensatz zum Betrug, fehlt es im subjektiven Bereich der Untreue an einer Bereicherungsabsicht, die als Korrektiv für die Uferlosigkeit des objektiven Tatbestandes dienen könnte1147. weise nicht auf den Untreuetatbestand übertragbar sind [vgl. B. V. 1. c) cc) (3)]. Hierzu vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 130, 131; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 141 f.; Perron, in: FS-Tiedemann, S. 742 ff.; Mansdörfer, JuS 2009, 114, 115 f. 1145 Vgl. B. I. 1146 Vgl. B. I., B. III. 1. 1147 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 105; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 225; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Perron, in:
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Hieraus folgt, dass eine sorgfältige Einschränkung des objektiven Tatbestandsmerkmals des Gefährdungsschadens bei der Bildung schwarzer Kassen auch wegen des Fehlens einer Bereicherungsabsicht oder einer Schädigungsabsicht bzw. eines Schädigungsvorsatzes geboten ist. Ein kriminal politisch befriedigendes Einschränkungsmodell muss auf den Verwendungszweck des Treupflichtigen Rücksicht nehmen. (7) Die Straflosigkeit der versuchten Untreue Von erheblicher Bedeutung für die Schwarzekassenproblematik ist die Entscheidung des deutschen Strafgesetzgebers, den Untreueversuch nicht unter Strafe zu stellen1148. Diese stellt die Grenze zwischen strafbarem und straflosem Handeln, d. h. zwischen bloßem Versuch und vollendetem Delikt, bei Betrug und Untreue ganz unterschiedlich fest. Die Gefahr, dass der bloße straflose Versuch als vollendetes Delikt bestraft wird, ist beim Untreuetatbestand wesentlich höher als beim Betrugstatbestand. Um diese Gefahr abzuwenden, ist die Prüfung des Gefährdungsschadens im Sinne des Untreuetatbestandes besonders sorgfältig vorzunehmen. Nur dann bleibt die Rechtsfigur des Gefährdungsschadens innerhalb der Wortlautgrenze des Art. 103 II GG. Ein befriedigender Einschränkungsansatz im Hinblick auf die Untreue im Allgemeinen und die Bildung schwarzer Kassen im Besonderen muss daher die Straflosigkeit des Untreueversuchs beachten. Das hier entwickelte Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodell legt die Straflosigkeit der versuchten Untreue zugrunde. Ausgangspunkt des Modells ist die Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit des Treunehmers, die gerade wegen des besonderen Verhältnisses des Treunehmers zum fremden Vermögen (bzw. des internen Angriffswegs des Treunehmers auf das fremde Vermögen) sowie der Straflosigkeit des Untreueversuchs für den Untreuetatbestand allgeSchönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; ders., GA 2009, 219, 228; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 67; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 30; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 17, 40; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748; vgl. auch B. I., B. V. 1. c) aa) (2) (b). 1148 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3213, f. Rn. 100; Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 262; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 12; ders., NStZ 1997, 534, 535; Günther, in: FS-Weber, S. 312; Hamm, NJW 2005, 1993, 1994; Kempf, in: FS-Hamm, S. 265; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; Matt, NJW 2005, 389, 390; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 217 ff.; Perron, GA 2009, 219, 228; Rönnau, in: FS-Tiedemann, S. 731; ders., ZStW 122 (2010), 299, 305 f.; Saliger, ZStW 2000 (110), 563, 565; ders., HRRS 2006, 10, 12; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 22, 32; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 40, 48; Weimann, Schwarze Kassen, S. 126; hierzu vgl. auch B. I., B. V. 1. c) aa) (2) (c).
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mein gilt1149. Aufgrund der Modifikation der Ausgleichsbereitschaft und -fähigkeit im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen bedarf es daher keiner weiteren versuchsnahen Kriterien1150. (8) D ie Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen Der hier vorgeschlagene Lösungsansatz berücksichtigt nicht nur das objektive Kriterium der Rückgabefähigkeit sondern auch das subjektive Kriterium des Verwendungszwecks des Treupflichtigen. Die Rückgabewilligkeit des Treupflichtigen ist so zu verstehen, dass er stets die Absicht hat, die in der schwarzen Kasse befindlichen Geldmittel zweckmäßig zu verwenden. Wie bereits erklärt wurde, ist die Berücksichtigung des Verwendungszwecks des Treupflichtigen kriminalpolitisch geboten1151. Nach dem hier entwickelten Einschränkungsmodell werden aber die Schwächen der verwendungszweckabhängigen Lehre vermieden. Durch die Kombination der Verwendungsabsicht mit objektiven Kriterien wird die starke Subjektivierung des Schadensbegriffs vermieden1152. (9) D ie Allgemeingültigkeit des Rückgabefähigkeitsund Rückgabewilligkeitsmodells Ein Vorteil des Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodells besteht darin, dass es auf sämtliche Fälle der Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen, parteipolitischen oder privatwirtschaftlichen Bereich anwendbar ist. Es berücksichtigt sämtliche Erscheinungsformen der Bildung schwarzer Kassen, d. h. sowohl die Bildung schwarzer Kassen als auch die Bildung schwarzer Konten im Namen des Vermögensinhabers, des Treupflichtigen oder dritter Personen. Es beachtet den Verwendungszweck des Treupflichtigen, d. h. sowohl das Handeln im Interesse des Vermögensinhabers als auch das eigennützige Handeln sowie das uneigennützige, jedoch zweckwidrige Handeln des Treupflichtigen. Die Allgemeingültigkeit der vertretenen Einschränkungslösung wird im Folgenden durch ihre Anwendung auf die typischen Fälle der Bildung schwarzer Kassen in der vorhandenen Rechtsprechung festgestellt. 1149 Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 53; ders., Parteiengesetz, S. 424; Satzger, Jura 2009, 518, 521. 1150 Im Gegensatz zu Strelczyks Versuchs- und Rücktrittslösung, die auf weitere versuchsnahe Einschränkungskriterien verweist [vgl. hierzu B. V. 2. c) dd)]. 1151 Vgl. B. V. 4. b) bb) (2) (b) (bb). 1152 Vgl. B. V. 4. b) bb) (2) (b) (cc) (α).
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B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
ee) Die Auswirkung des Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodells auf typische Fälle der Bildung schwarzer Kassen Unproblematisch ist der Fall, in dem der Treupflichtige eine schwarze Kasse mit Bargeld aufbaut. Sein unmittelbarer Zugriff ist in diesem Fall gegeben und ein Gefährdungsschaden i. S. d. § 266 StGB scheidet aus, solange er auch beabsichtigt, die verheimlichten Geldmittel letzten Endes im Interesse des Vermögensträgers zu verwenden1153. Wenn hingegen der Treupflichtige die vorenthaltenen Geldmittel zweckwidrig verwenden will, liegt ein Gefährdungsschaden vor. So war im Bürgermeister-Fall ein Gefährdungsschaden für das öffentliche Vermögen gegeben, obwohl der Bürgermeister eine schwarze Kasse mit Bargeld gebildet und unmittelbaren Zugriff darauf hatte1154. Trotz der Rückgabefähigkeit war bereits im Zeitpunkt der Bildung der schwarzen Kasse ein Vermögensnachteil in Form des Gefährdungsschadens eingetreten, weil der Bürgermeister die verborgenen Geldmittel zwar uneigennützig, jedoch nicht im Interesse des Staates verwenden wollte. Er verfolgt den Zweck, die verborgenen Geldmittel haushaltsfremd für die Armen zu verwenden. Gleiches gilt, wenn der Treupflichtige die verborgenen Geldmittel auf ein eigenes Bankkonto überweist, da sie auf seinem Privatkonto vorhanden sind und er jederzeit rückgabefähig ist. Solange er das verdeckte Konto in der Absicht einrichtet, die verborgenen Gelder im Interesse des Vermögensträgers zu verwenden, ist er auch rückgabewillig und ein Gefährdungsschaden scheidet aus. Am häufigsten transferiert der Treunehmer die verborgenen Geldmittel auf eigens zu diesem Zweck eröffnete Bankkonten des Vermögensinhabers, jedoch ohne dessen Wissen. Sofern der Treupflichtige unmittelbaren Zugriff auf das schwarze Konto hat, ist er rückgabefähig und ein Gefährdungsschaden für das fremde Vermögen scheidet aus, solange er auch die Absicht hat, die vorhandenen Gelder im Interesse des Vermögensträgers zu verwenden1155. So scheidet ein Gefährdungsschaden sowohl im Fall der liechtensteinischen Stiftung „Zaunkönig“ (Fall Kanther)1156 als auch im Fall Siemens und im Kölner Müllskandal aus. RG, DR 1943, 1039; i. E. zust. Weimann, Schwarze Kassen, S. 136. GA 1956, 121. 1155 Zust. i. E. Weimann, Schwarze Kassen, S. 136; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 149 f. 1156 Zust. i. E. Saliger, Parteiengesetz, S. 443 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 157. 1153 Vgl.
1154 BGH,
VI. Der subjektive Untreuetatbestand261
Gleiches gilt für die Überweisung der fremden Gelder auf Treuhand anderkonten1157. In diesem Fall werden die verborgenen Geldmittel von Zugriffen dritter Personen geschützt und der Treupflichtige behält den unmittelbaren Zugriff auf die Konten. Im Fall Kohl1158 sowie im Fall der schweizerischen Treuhandanderkonten (Fall Kanther)1159 liegt unter Zugrundelegung des Rückgabefähigkeits- und Rückgabewilligkeitsmodells keine Vermögensgefährdung i. S. d. § 266 StGB vor. Problematischer sind die Fälle, in denen der Treupflichtige die Einflussnahme auf die schwarze Kasse an dritte Personen weitergegeben hat. Entscheidend ist hier, ob der Dritte eigenmächtig über das verborgene Geld verfügen kann1160. Im Fall des Sachbearbeiters für das Filmwesen, mit dem sich das Reichsgericht im Jahr 1937 befasst hat1161, ist ein Vermögensnachteil in Form des Gefährdungsschadens eingetreten, obwohl der Sachbearbeiter uneigennützig handelte und mithin jederzeit rückgabewillig war. Die Rückgabe der verheimlichten Geldmittel hing vom Handeln dritter Angestellter ab und führt zu dem Ergebnis, dass der Sachbearbeiter rückgabeunfähig war.
VI. Der subjektive Untreuetatbestand bei der Bildung schwarzer Kassen 1. Der subjektive Tatbestand bei § 266 StGB Die Untreue ist ein Vorsatzdelikt1162. Für ihre Verwirklichung reicht Eventualvorsatz aus, der sich sowohl auf die Pflichtwidrigkeit als auch auf den dadurch eingetretenen Vermögensnachteil erstrecken muss1163. Im Gegensatz zu § 263 StGB, der eine Bereicherungsabsicht auf subjektiver Ebene bedingt, setzt § 266 StGB keine Bereicherungsabsicht des Täters auch Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 154 ff. i. E. Saliger, Parteiengesetz, S. 427 ff. 1159 Zust. i. E. Saliger, Parteiengesetz, S. 437 ff.; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 156 f. 1160 Zust. i. E. Weimann, Schwarze Kassen, S. 135; Saliger, Parteiengesetz, S. 398, 422; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 153 f. 1161 RGSt 71, 155; vgl. auch Weimann, Schwarze Kassen, S. 135. 1162 BGHSt 46, 30, 35; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 104; Fischer, § 266 StGB Rn. 171; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 19; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 49; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 238; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 82; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 778; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 225. 1163 Fischer, § 266 StGB Rn. 172, 175; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 19; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 49; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 239 f. 1157 Vgl.
1158 Zust.
262
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
voraus, die als Korrektiv für die Uferlosigkeit des objektiven Tatbestandes, insbesondere des Treubruchstatbestandes, dienen könnte1164. Die Weite des subjektiven Untreuetatbestandes wird auch in der Rechtsprechung anerkannt. So versuchen die Strafgerichte die innere Tatseite der Untreue besonders sorgfältig zu prüfen und stellen strengere Anforderungen an den Untreuevorsatz, wenn „lediglich bedingter Vorsatz in Betracht kommt und der Täter nicht eigensüchtig gehandelt hat“, vornehmlich bei Risiko geschäften oder beim Vorliegen eines Gefährdungsschadens (durch Unterlassen)1165. Der 2. Senat des BGH hatte außerdem versucht, die Untreuestrafbarkeit im Fall Kanther im subjektiven Bereich einzuschränken, was jedoch vom größten Teil der Lehre sowie vom 1. Senat des BGH stark kritisiert wurde1166. Eine weitere Frage auf subjektiver Ebene ergibt sich aus der irrtümlichen Annahme eines Einverständnisses seitens des Treunehmers. Da das Einverständnis des Vermögensinhabers mit dem pflichtwidrigen Verhalten des Treunehmers bereits die Tatbestandsmäßigkeit und nicht erst die Rechtswidrigkeit ausschließt1167, entfällt der Vorsatz gem. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, wenn der Treupflichtige sich diesbezüglich irrt1168.
1164 BGHSt 51, 100, 121; BVerfG Beschl. v. 23.06.2010, NJW 2010, 3209, 3214, Rn. 105; Matt / Saliger, in: Irrwege, S. 225; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45, 49; ders., in: FS-Tiedemann, S. 739; ders., GA 2009, 219, 228; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 19; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1, 67, 104; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 30; Strelczyk, Schwarze Kassen, S. 17, 40; Thomas, in: FS-Rieß, S. 795; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748. Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 2; Kindhäuser, LPK, § 266 StGB Rn. 9; ders., BT II, § 34 Rn. 1; Mitsch, BT 2 / 1, § 8 Rn. 9; Perron, in: Schönke / Schröder, § 266 StGB Rn. 45; ders., in: FS-Tiedemann, S. 739; ders., GA 2009, 219, 228; Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 1; Schünemann, in: LK, § 266 StGB Rn. 150; Seier, in: Achenbach / Ransiek, Wirtschaftsstrafrecht, V 2 Rn. 30; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 748. 1165 RGSt 69, 17; RGSt 71, 92; BGHSt 3, 23, 25; BGH, NJW 1975, 1234, 1236; BGH, NStZ 1997, 543; BGHSt 46, 30, 35; BGHSt 47, 295, 302; BGHSt 48, 331, 348; krit. hierzu Dierlamm, NStZ 1997, 534, 535 f. 1166 Vgl. B. V. 1. c) cc) (3). 1167 Vgl. B. IV. 1. e). 1168 Fischer, § 266 StGB Rn. 171; Dierlamm, in: MüKo StGB, § 266 Rn. 239; BGHSt 3, 25; Mehr zum Irrtum bei § 266 StGB s. Saliger, in: SSW, § 266 StGB Rn. 105; Lackner / Kühl, § 266 StGB Rn. 19; Wessels / Hillenkamp, BT 2, § 18 Rn. 778.
VI. Der subjektive Untreuetatbestand263
2. Die subjektive Tatseite der Bildung schwarzer Kassen Die Verwirklichung des Untreuetatbestandes mit bedingtem Vorsatz bedeutet für die Fallgruppe der Bildung schwarzer Kassen, dass der Treupflichtige sich wegen Untreue gem. § 266 StGB bereits strafbar machen kann, wenn er durch die bloße Einrichtung der schwarzen Kasse mit Eventualvorsatz hinsichtlich der Pflichtwidrigkeit sowie des Eintritts des Vermögensnachteils handelt. Seine Absicht, die verborgenen, in der Kasse befindlichen Geldmittel im Interesse des Vermögensträgers zu verwenden, spielt für die Verwirklichung des subjektiven Untreuetatbestandes wegen des Fehlens einer Bereicherungsabsicht bzw. eines direkten Schädigungsvorsatzes keine Rolle1169. 3. Einführung eines direkten Schädigungsvorsatzes durch eine Gesetzesänderung In neuester Zeit mehren sich die Forderungen, den subjektiven Untreuetatbestand durch die Einführung einer Schädigungsabsicht oder eines direkten Schädigungsvorsatzes einzuschränken1170. Das Einschränkungsbedürfnis der Untreue auf subjektiver Ebene muss zunächst anerkannt werden, da eine solche Einschränkung als Korrektiv für die Weite des objektiven Untreuetatbestandes dienen könnte. Ob sie durch die Einführung einer Bereicherungsabsicht, wie beim Betrug, oder eines direkten Schädigungsvorsatzes erfolgen muss, ist noch zu prüfen. Der Vorschlag der Einführung eines direkten statt des bedingten Schädigungsvorsatzes durch eine Gesetzesänderung ist vorzugswürdig. Im Mittelpunkt der Untreue steht die pflichtwidrige Schädigung des Vermögens des Treugebers und nicht die Bereicherung des Treunehmers. Ziel des § 266 StGB ist, das fremde Vermögen vor Angriffen von innen zu schützen. Maßgebend ist, ob der Treupflichtige „gute Absichten“ im Hinblick auf das fremde Vermögen hat, nicht die Mehrung seines eigenen Vermögens. Die Einführung einer Bereicherungsabsicht könnte daher die Untreue in einem Vermögensverschiebungsdelikt verformen1171. Der direkte Schädigungsvorsatz hingegen würde die Untreuestrafbarkeit auf diejenigen Fälle einschrän1169 Weimann, Schwarze Kassen, S. 139; Werner, Gefährdungsschaden, S. 179; Fischer, § 266 StGB Rn. 175. 1170 Perron, in: FS-Tiedemann, S. 748; ders., NStZ 2008, 517, 518 f.; Werner, Gefährdungsschaden, S. 200 ff.; vgl. auch Beulke, in: FS-Eisenberg, S. 264; Weber, in: FS-Eisenberg, S. 375. 1171 Vgl. auch Werner, Gefährdungsschaden, S. 201.
264
B. Die Bildung schwarzer Kassen als Untreue gem. § 266 StGB
ken, in denen der Treupflichtige die Schädigung des zu betreuenden Vermögens kennt oder sicher voraussieht. Durch die Einführung des direkten Schädigungsvorsatzes würden zahlreiche Probleme im Sinne des Untreuetatbestandes gelöst und problematische Fälle des Gefährdungsschadens klargestellt. Das Erfordernis eines direkten Schädigungsvorsatzes ist außerdem mit dem hier im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen entwickelten Einschränkungsmodell vereinbar.
Zusammenfassung und Ausblick der Untersuchung A. Eine schwarze Kasse liegt vor, wenn der Treunehmer zu betreuende Geldmittel unter Verletzung von bestimmten Vorschriften bzw. ihm obliegenden Pflichten einer Sonderkasse bzw. einem Sonderkonto zuführt und deren Existenz vor dem Vermögensinhaber oder Geschäftsherrn bzw. der zuständigen Stelle geheim hält, um sie im Regelfall (aber nicht immer), im materiellen Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden1. Es ist zwischen der Bildung und der Verwendung schwarzer Kassen zu unterscheiden2. Eine Strafbarkeit wegen Untreue gem. § 266 StGB kann sowohl durch die Bildung als auch durch die Verwendung einer schwarzen Kasse in Betracht kommen. Schwarze Kassen werden in der öffentlichen Verwaltung, in politischen Parteien und in privaten Unternehmen aufgebaut. Die frühere Rechtsprechung befasste sich fast ausschließlich mit der Bildung schwarzer Kassen im öffentlichen Bereich, die eine typische Fallgruppe der Haushalts- oder Amtsuntreue bildet3. Die politischen Skandale innerhalb der CDU haben gezeigt, dass schwarze Parteikassen auch im parteipolitischen Bereich angelegt werden und eine wesentliche Erscheinungsform der Parteienuntreue bilden4. Die Einrichtung schwarzer Kassen in der Privatwirtschaft zur Vorbereitung von Bestechungszahlungen (sog. „Kriegskassen“) ist in neuester Zeit wegen der Siemens-Schmiergeldaffäre höchst aktuell geworden5. B. Die Bildung schwarzer Kassen stellt in den meisten Fällen eine Untreue in Form der Treubruchshandlung gem. § 266 I 2. Alt. StGB dar (z. B. Bildung einer schwarzen Kasse durch einen Griff in die Kasse oder durch Buchungsmanipulationen)6. 1 Vgl. 2 Vgl. 3 Vgl. 4 Vgl. 5 Vgl. 6 Vgl.
A. A. A. A. A. B.
I. 1. I. 2. III. 1., A. IV. 1. III. 2., A. IV. 2. III. 3., A. IV. 3. II., B. II. 4.
266
Zusammenfassung und Ausblick der Untersuchung
Die Bildung einer schwarzen Kasse kann eine pflichtwidrige Handlung i. S. d. § 266 StGB sein7. In der öffentlichen Verwaltung verstößt die Bildung einer schwarzen Kasse gegen öffentlich-rechtliche Grundsätze bzw. Vorschriften (z. B. der Grundsatz der Spezialität, der Jährlichkeit oder der Gesamtdeckung)8. In den politischen Parteien können Vorschriften des PartG bezüglich der ordnungsgemäßen Offenlegung eines Rechenschafts berichts, Vorschriften der Parteisatzung und / oder die Parteispendenabrede zwischen Spendern und Parteien verletzt werden9. In Kapitalgesellschaften können rechtsgeschäftliche Vereinbarungen, unternehmensinterne Compliance-Regelungen, Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften und / oder die allgemeine Sorgfaltspflicht des ordentlichen Geschäftsmannes nach §§ 93 Abs. 1 S. 1 AktG bzw. 43 Abs. 1 GmbHG durch die Bildung schwarzer Kassen verletzt werden10. Die sog. „Schattenkassen“ stellen einen Unterfall der schwarzen Kasse dar11. Das Einverständnis des Vermögensträgers mit der Einrichtung einer schwarzen Kasse schließt die Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB aus12. Es ist sehr fraglich, ob das mutmaßliche Einverständnis des Vermögensträgers die Pflichtwidrigkeit i. S. d. § 266 StGB ausschließen kann13. Gleiches gilt für das hypothetische Einverständnis des Vermögensträgers mit der Bildung einer schwarzen Kasse14. C. Die Auseinandersetzung mit den vorhandenen gerichtlichen Entscheidungen und Literaturmeinungen zur Bildung schwarzer Kassen hat zu den folgenden Ergebnissen geführt: Unter Zugrundelegung der juristisch-ökonomischen Vermittlungslehre muss die Strafbarkeit der Bildung schwarzer Kassen unter dem Gesichtspunkt des Gefährdungsschadens (bzw. der schadensdarstellenden oder schadensbegründenden Vermögensgefährdung) untersucht werden15. Wegen der Unbestimmtheit des objektiven Tatbestandes des § 266 StGB, des Fehlens einer Bereicherungsabsicht, der Straflosigkeit der versuchten Untreue 7 Vgl.
B. IV. 2. a). B. IV. 2. a) aa). 9 Vgl. B. IV. 2. a) bb). 10 Vgl. B. IV. 2. a) cc). 11 Vgl. B. IV. 2. c) aa). 12 Vgl. B. IV. 2. c) bb). 13 Vgl. B. IV. 2. c) cc). 14 Vgl. B. IV. 2. c) dd). 15 Vgl. B. V. 2., B. V. 4. 8 Vgl.
Zusammenfassung und Ausblick der Untersuchung267
und des uneigennützigen Verwendungszwecks des Treupflichtigen ist ein eigenständiges Einschränkungsmodell im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen erforderlich16. Eine im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen vorgenommene Modifikation des für den Untreuetatbestand allgemein geltenden Grundsatzes der Ausgleichsfähigkeit und -willigkeit kann zu einer befriedigenden und erfolgreichen Einschränkungslösung führen. Das sog. „Rückgabefähigkeitsund Rückgabewilligkeitsmodell“17 ist so zu verstehen, dass der Treupflichtige jederzeit fähig und willens ist, die verborgenen, in der schwarzen Kasse noch vorhandenen Geldmittel an den Vermögensinhaber zurückzugeben. Die hier vertretene Lösung umfasst zwei Komponenten: die Rückgabefähigkeit als objektive Komponente und die Rückgabewilligkeit als subjektive Komponente. Rückgabefähig ist der Treupflichtige, wenn er jederzeit unmittelbaren Zugriff auf die verborgenen, in der schwarzen Kasse noch vorhandenen Geldmittel hat. An der Rückgabefähigkeit fehlt es, wenn der Treupflichtige auf seine Einflussnahme auf die schwarze Kasse verzichtet und ihre Verwaltung einem Dritten weitergibt hat. Rückgabewillig ist der Treupflichtige, wenn er jederzeit die Absicht hat, die verborgenen, in der schwarzen Kasse noch vorhandenen Geldmittel im Interesse des Vermögensinhabers zu verwenden. Die zweckgemäße Verwendungsabsicht des Treupflichtigen lässt sich als innere Tatsache mittels Indizien feststellen. D. Die Einführung eines direkten Schädigungsvorsatzes auf subjektiver Ebene des § 266 StGB ist erforderlich18. Der direkte Schädigungsvorsatz könnte problematische Fälle des Gefährdungsschadens klarstellen und wäre mit dem hier im Hinblick auf die Bildung schwarzer Kassen entwickelten Einschränkungsmodell vereinbar.
16 Vgl.
B. V. 2., B. V. 4. a). B. V. 4. b). 18 Vgl. B. V. VI. 3. 17 Vgl.
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Sachwortverzeichnis Auslandskonten 29, 202 Bestechung – Bestechlichkeit 52 – Bestechungsgelder 46, 51–53 – Bestechungszahlungen 52, 56, 232, 265 – Bestechungszwecke 45, 97, 100, 105, 106, 108, 232 – im geschäftlichen Verkehr 46, 53 Bilanzierungsvorschriften 95, 97 ff., 110, 266 BND-Entscheidung 36, 37, 203, 229 Bremer Vulkan 21 Buchführungsvorschriften 95, 97 ff., 110, 266 Buchungsmanipulationen 73, 75, 98, 265 Bürgermeister-Fall 35, 78, 201, 260 CDU-Hessen 41, 42, 74, 80, 95 Compliance-Regelungen oder Compliance-Vorschriften 70, 83, 96 f., 98, 107, 108, 110, 266 Eingehungsbetrug 151, 168, 172, 173, 176, 178, 188, 190 – Einverständnis – hypothetisches 109, 111, 266 – mutmaßliches 88 ff., 108, 111, 266 – (wirkliches) 88 ff., 106 f., 111, 266 Ganovenbereich oder Ganovenumfeld oder Ganovenuntreue 69, 116, 118, 123, 129, 130, 132 Gauamtsleiter-Fall 35, 78, 200 Geldwäsche 51, 55
Geschäftsstellenleiter-Fall 35, 200 Griff in die Kasse 73, 75, 265 Haushalts-oder Amtsuntreue – Ämterpatronage 33 – Begriff 32 – Dezember-Fieber 49, 92, 93 – Grundsatz der Gesamtdeckung 110, 266 – Grundsatz der Jährlichkeit (oder zeitliche Bindung) 49, 55, 92, 110, 266 – Grundsatz der Sparsamkeit 33 – Grundsatz der Spezialität (oder sachliche Bindung) 49, 92, 110, 266 – Grundsatz der Wirtschaftlichkeit 33 Kanther-Urteil 21, 29, 30, 37, 39–41 f., 50, 73, 74, 79 f., 90, 95, 101 f., 103, 111, 157, 158 f., 161, 163, 165, 192, 226 ff., 234, 260–262 Kick-back-Zahlungen 29, 30, 44–46, 51 ff., 97, 213 Kohl-Urteil 21, 30, 37, 39, 41, 50, 79 f., 94, 204 f., 261 Kölner-Müllskandal 21, 29, 47 f., 53, 80 f., 100 f., 107, 231, 239, 260 Korruption 46, 47, 53, 54, 56, 213 Kulturamtsleiter-Fall 36, 49 f., 79, 201 f. Luftbuchungen 98 Mannesmann-Urteil 21, 85 Nützliche Aufwendungen 30, 43, 45, 48, 51, 53, 218 f.
292 Sachwortverzeichnis Parteienuntreue – im engeren Sinne 39 f. – im weiteren Sinne 39 f. Parteispenden 30, 37–41, 54 f., 56, 95, 97, 110 Pflichtverletzung – gravierende 85 f., 90, 98, 100, 110 – Zivilrechtsakzessorietät 82 ff. Risikogeschäfte 137, 152, 161, 164, 188, 262 Scheckkarten-Urteil 63 Scheinrechnungen 35, 48, 72, 75 Schmiergeldzahlungen siehe Kick-backZahlungen Schulleiter-Fall 36, 79, 202 Schwarze Kassen – Begriff 23 ff. – Erscheinungsformen 28 ff. – im engeren Sinn 28 f. – in der öffentlichen Verwaltung 31 ff. – in der Privatwirtschaft 43 ff. – in Idealvereinen 37 – in politischen Parteien 37 ff. – Kriegskassen 43, 48, 53, 54, 56, 95, 106, 110, 265 – Motive 48 ff. – Sanktionen 21, 39, 109, 153, 205 – Schattenkassen 105 f., 111, 266 – Sonderfonds 23 – Verwendung 21, 23, 27 f., 45, 56, 97, 105, 136, 162, 197 ff., 210, 215, 221, 233, 265 Siemens-Urteil 21, 22, 30, 31, 44, 45 ff., 52 ff., 53, 54, 56, 80, 81, 87, 90, 97, 98, 101, 102 ff., 104, 105, 107–109, 111, 161, 165, 231 ff., 244 Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes bzw. Geschäftsmannes 83, 95, 99 ff., 110 Steuerhinterziehung 55 Strafanstaltsleiter-Fall 36, 79, 201
Treuhandanderkonten 30, 35, 41, 42, 48, 205, 261 Treuhandkonten 30, 35, 48, 72, 162, 205 Unordentliche Buchführung 36, 98, 152, 188, 197, 199, 201, 206, 207 f., 211–213, 216, 255 Unterlassen 57, 86 ff., 101 ff., 111, 134, 176, 178, 262 Untreue – Erfolgsdelikt 60, 112, 184, 240, 241, 254 f. – Fremdschädigungsdelikt 61, 173, 175, 187, 192, 194, 241, 256 f. – Sonderdelikt 61, 78 – Verletzungsdelikt 60, 112, 144, 150, 154–156, 169, 170, 182, 185, 187, 189, 191, 195, 241, 255 f. – Vermögensdelikt 22, 112, 113, 120, 121, 129, 132, 150, 169, 170, 175, 184, 207, 219, 235, 240, 241, 253 f. Vermögensbegriff – dynamischer 113, 121 f., 128, 129, 132 – funktionaler 115 – integrierter oder institutioneller 119 – juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff (oder juristisch-ökonomische Vermittlungslehre) 116 ff., 122 ff. – juristischer 114 f., 122 ff., 236, 240 – materialer 117 f. – normativ-ökonomischer 119, 122 ff. – personaler 119 ff., 122 ff., 236 – wirtschaftlicher 115 f., 122 ff., 173 Vermögensbetreuungspflicht – AG-Vorstandsmitglied 80, 81 – Fremdnützigkeit 75 f. – GmbH-Geschäftsführer 80, 81 – Hauptpflicht 76, 78 – Kassenverwalter 79, 81 – Nebenpflicht 76
Sachwortverzeichnis293
Vermögensschaden – Gesamtsaldierung 135, 141, 163 – individueller Schadenseinschlag 138 f., 141, 249 – Schadensermittlung 136 – Schadensersatzanspruch 136, 137, 141, 175, 190, 238
– Schadenskompensation 209, 232 – Schadensvertiefung 28, 198, 233 – Schadenswiedergutmachung 28, 136, 141, 198, 200–202, 212 f., 230, 233, 239 – Zweckverfehlungslehre 138, 139 f., 141, 249 Verschleifung 60, 208, 236, 238, 255